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German Pages 504 [505] Year 2018
Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editors Christoph Markschies (Berlin) · Martin Wallraff (München) Christian Wildberg (Princeton) Beirat/Advisory Board Peter Brown (Princeton) · Susanna Elm (Berkeley) Johannes Hahn (Münster) · Emanuela Prinzivalli (Rom) Jörg Rüpke (Erfurt)
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Reinhard M. Hübner
Kirche und Dogma im Werden Aufsätze zur Geschichte und Theologie des frühen Christentums
Herausgegeben von
Roland Kany
Mohr Siebeck
Reinhard M. Hübner: geboren 1937; 1969 Promotion; 1976 Habilitation; 1977–90 o. Prof. an der Kath. Universität Eichstätt; 1990–2003 o. Prof. für Kirchengeschichte des Altertums und Patrologie an der Kath.-Theologischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München; 2003 Emeritierung. Roland Kany: geboren 1958; 1986 Promotion; 2003 Habilitation; seit 2004 Ordinarius für Kirchengeschichte des Altertums und Patrologie an der LMU München.
ISBN 978-3-16-155760-6 / eISBN 978-3-16-155966-2 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.
Vorwort des Herausgebers Dieser Band gesammelter Aufsätze von Reinhard Hübner erscheint aus Anlaß der Vollendung seines achtzigsten Lebensjahres am 26. Oktober 2017 − mit ein paar Wochen Verzögerung, die ich selbst zu verantworten habe. Ist eine gewisse Verspätung vielleicht ein Signum aller historischen Wissenschaft? Erstmals veröffentlicht werden im vorliegenden Buch Hübners Einleitung und die umfangreichste Studie des Bandes, nämlich die vor wenigen Monaten fertiggestellte Abhandlung über die Johannesakten. Die anderen Aufsätze sind seit 1971 an verstreuten, teils entlegenen Orten erschienen und waren seither nur dort zu finden. Die Seitenziffern der Erstdrucke sind am Rand angegeben; die wenigen Druckfehler und Versehen wurden stillschweigend korrigiert; in manchen Fußnoten finden sich, durch eckige Klammern und Kursivierung kenntlich gemacht, später publizierte Text-Editionen verglichen und wichtige Neuausgaben erwähnter Fachliteratur verzeichnet. Reihen und Zeitschriften werden nach Schwertners »Internationalem Abkürzungsverzeichnis« (32014) zitiert. Auf sieben der Aufsätze folgen jeweils von Hübner verfaßte, zuvor per Sternchen am Rand der betreffenden Stellen angekündigte Addenda et Corrigenda. Dort und in der Einleitung finden sich auch Hübners Stellungnahmen zu neueren Ansichten anderer Forscher. Die fünf im Jahre 1999 von Markus Vinzent in dem Band »Der paradox Eine« versammelten Studien Hübners zum antignostischen Monarchianismus des zweiten Jahrhunderts werden nicht nochmals abgedruckt, doch sei nachdrücklich auf sie verwiesen. Der vorliegende Band hat ein breiteres Themenspektrum und enthält Arbeiten, die in einem Zeitraum von einem halben Jahrhundert entstanden sind. Um so beeindruckender erscheint mir die thematische Verzahnung und methodische Kohärenz dieser Aufsätze. Ihr Autor scheint resistent gegen Moden geblieben zu sein und sich den Themen zugewandt zu haben, die sich ihm in Quellenanalysen aufdrängten und nach näherer Untersuchung verlangten. Hübners Forschungen beruhen auf intensivsten Quellenstudien, für die er sich umfassende Materialsammlungen angelegt hat, die weit über das hinausgehen, was er in seinen Publikationen zitiert. Kein elektronisches Rechercheinstrument kann je die Vertrautheit mit Sprache und Gedankenwelt der Quellen ersetzen, die sich aus einer solchen Arbeitsweise ergibt. Hübners Thesen sind schon darum stets ernstzunehmen und verdienen auch dort, wo der Leser skeptisch reagieren mag, gründliche Auseinandersetzung.
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Vorwort
Dieser Band macht nicht zuletzt durch Reinhard Hübners Einleitung und die Anordnung der Aufsätze sichtbar, wie die verhandelten Themen und Thesen zusammenhängen: So birgt die Herausarbeitung des Monarchianismus als einer bedeutsamen Gestalt von Theologie im frühen Christentum Potentiale zu einer Neuvermessung der Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts in sich. Denn u. a. ergeben sich in diesem Kontext Gründe für eine Spätdatierung der bereits auf die Gnosis und den Monarchianismus reagierenden Ignatianen und für eine neue Interpretation der Johannesakten. Datierungsfragen haben darüber hinaus Relevanz für die Rekonstruktion der Entstehung von Strukturen der Kirche. Vom Monarchianismus aus läßt sich mit Hübner zudem eine Brücke ins vierte Jahrhundert schlagen, als Basilius von Cäsarea und sein Bruder Gregor von Nyssa im Ringen um eine angemessene Gotteslehre unterschiedliche philosophische Denkmodelle erprobten und Basilius auf theologische Konzepte zurückgriff, die Apolinarius von Laodicea in der Kritik der teils monarchianischen Lehre des Markell von Ankyra entwickelt hatte. Der Monarchianer Noe¨t aus dem zweiten Jahrhundert und der hochgebildete Intellektuelle Apolinarius aus dem vierten Jahrhundert sind vielleicht die tragischen Helden des vorliegenden Buches: Beider Lehren wurden als Häresien verurteilt, und doch scheinen beide Theologen Hübners Analysen zufolge theologische Einsichten hinterlassen zu haben, auf denen die spätere trinitätstheologische und christologische Orthodoxie in stärkerem Maße beruht, als zumeist gesehen wurde. Im Laufe des zweiten Jahrhunderts war die Überzeugung gewachsen, daß Erlösung nur durch Gott selbst möglich ist, den Unsichtbaren, Ungezeugten, Leidensunfähigen − daß aber gleichzeitig Jesus Christus, der Sichtbare und Gezeugte, uns Menschen durch sein Leiden vom Tod befreit hat. Noe¨t hatte diese doppelte Einsicht prägnant und paradox formuliert. Ob die Zweinaturenlehre des Konzils von Chalcedon, die kirchlich rezipierte theopaschitische These: »Einer aus der Trinität hat gelitten« und bedeutende Formen neuzeitlicher Christologie und Gotteslehre Noe¨ts Paradoxie aufzulösen vermocht haben, ist eine der Fragen, die Hübner an die heutige Theologie richtet. Es könnte zu wichtigen historischen und systematischen Klärungen beitragen, wenn sich Theologen mit dieser Frage und den Thesen, auf denen sie beruht, auseinandersetzen. Auch dazu soll der vorliegende Band anregen. Reinhard Hübner danke ich herzlich dafür, sich auf dieses Buchprojekt eingelassen zu haben, das vom Team des Verlages Mohr Siebeck bestens betreut wurde. Christoph Markschies danke ich ebenso herzlich für die schon vor vielen Jahren gegebene und geduldig aufrechterhaltene Zusage, den Band in die »Studien und Texte zu Antike und Christentum« aufzunehmen. München, im Advent 2017
Roland Kany
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil. Kirche im Werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
Überlegungen zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹ (καϑολικη` ε᾽κκλησι´α) bei den frühen Kirchenvätern . . . . . . .
93
Acta Iohannis, Kap. 94–102. 109 − gnostisch oder monarchianisch? Die Nachwirkungen der paradoxen Antithesen des Noe¨t von Smyrna .
147
Zweiter Teil. Dogma im Werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243
Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea . . . . .
291
Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel. Zur Frage der Hellenisierung des Christentums . . . . . . . . . . . . . .
327
Basilius der Große, Theologe der Ökumene, damals und heute . . . .
349
Basilius von Caesarea und das homoousios . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361
VIII
Inhalt
Die Hauptquelle des Epiphanius (Panarion, haer. 65) über Paulus von Samosata: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos . . . . . .
397
Ps-Athanasius, Contra Sabellianos. Eine Schrift des Basilius von Caesarea oder des Apolinarius von Laodicea? . . . . . . . . . . . . . . . .
407
Soteriologie, Trinität, Christologie. Von Markell von Ankyra zu Apolinarius von Laodicea . . . . . . . . . .
417
Die eine Person und die zwei Naturen − Der Weg zur Zweinaturenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
439
Schriftenverzeichnis Reinhard M. Hübner und Nachweise . . . . . . .
465
Stellenregister zu den antiken Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
469
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung Die vorliegende Aufsatz-Sammlung, die mein Nachfolger Roland Kany vor vielen Jahren angeregt und jetzt, nachdem ich eine Studie über die Johannesakten und Nacharbeiten beendet habe, herausgeben kann, umfaßt zwei gleich große Teile. Die ersten vier Artikel lassen sich − wenigstens grosso modo − dem Thema »Kirche im Werden« zuordnen, die übrigen kann man unter der Überschrift »Dogma im Werden« unterbringen. Daß beide Teile, vom ersten Aufsatz an, doch besonders gut erkennbar im vierten über die »gnostischen« Kapitel der Johannesakten, durch Studien zum Monarchianismus miteinander verknüpft sind, wird bei der Vorstellung im einzelnen deutlich werden. Einige Artikel sind etliche Jahre vor ihrer Veröffentlichung bereits konzipiert, aber noch nicht fertig ausgearbeitet gewesen. Das wirkt sich in der Anordnung hier aus, die dem inneren Zusammenhang, nicht dem (dann vielleicht irritierenden) Veröffentlichungsdatum folgt. Das späte Erscheinen erlaubte jedenfalls eine bessere Reifung der Darstellung und das Eingehen auf inzwischen geäußerte andere Stellungnahmen. Die letztlich treibende Frage bei fast allen Untersuchungen war die nach dem Ursprung eines theologischen Gedankens oder einer kirchlichen Einrichtung. Ist es vielleicht gelungen, den Ursprung und die Gründe für ihn ausfindig zu machen, so lassen sich Bedeutung und Tragweite des kirchlichen oder theologischen »Phänomens« und die darauf folgende weitere Entwicklung sachgerechter beurteilen. Je älter ein solches »Phänomen« ist, desto schwieriger sind seine Ursprünge zu ermitteln. Das liegt an der großen Ungleichheit der Quellenlage für die einzelnen Etappen der Kirchengeschichte. Sind die Quellen zum Beispiel für kirchliche Institutionen, Liturgie, Trinitätslehre, Christologie im vierten Jahrhundert reichlich vorhanden, so vermögen wir mit historischen Mitteln etwa über die Ursprünge der heutigen Sakramente, einschließlich Taufe und Eucharistie, wegen des Mangels und der Disparatheit der Quellen nur − immer wieder anfechtbare − hypothetische Angaben zu machen. Das gilt auch für das Aufkommen und die Ausgestaltung der Ämter in der Kirche Gottes, also für das Thema des hier an erster Stelle stehenden Aufsatzes, für das immer wieder, etwa durch eine veränderte Chronologie der Quellenschriften oder frisch entdeckte sachliche Parallelen, neue Aspekte gefunden werden, welche die Forschungen dazu nicht leicht zu einem Ende bringen werden.
2
Einleitung
Dieser Aufsatz (»Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche«) ist die ausgearbeitete Fassung eines Vortrags, der auf dem »Regensburger Ökumenischen Symposion 1985« gehalten wurde und eine komprimierte Zusammenfassung einer für die Theologiestudierenden in Bayern verpflichtenden Vorlesung über die Entwicklung der Ämter darstellt. Es handelt sich dabei also nicht um einen alle Punkte des Themas berücksichtigenden Traktat, sondern im großen und ganzen um den Versuch einer kritischen Auswertung des damaligen Forschungs- und Diskussionsstandes, wobei vor allem Literatur herangezogen wurde, die auch für Studierende leicht zugänglich war. Meine schon damals im Anschluß an die Studie von Robert Joly »Le dossier d’Ignace d’Antioche«1 vorgenommene und wenigstens andeutungsweise mit neuen, theologiegeschichtlichen Argumenten2 unterstützte Spätdatierung der Ignatianen hat bei den römisch-katholischen und orthodoxen Teilnehmern des Symposions, welche mehrheitlich die kirchliche Hierarchie für eine Stiftung Jesu Christi hielten oder sie wenigstens noch in »apostolischer Zeit« begründet sahen, verständlicher Weise heftigen Protest ausgelöst. Ich habe mich natürlich gefragt, ob es sich lohnt, diesen Vortrag nach so vielen Jahren nochmals abzudrucken. Doch die Diskussion um hier berührte entscheidende Datierungsfragen (insbesondere der Pastoralbriefe, des Corpus Polycarpianum und der Ignatianen) geht bis heute weiter und wurde und wird, wie mir scheint, von vielen Autoren nicht mit der gebotenen Gründlichkeit geführt. So findet man zum Beispiel in dem einschlägigen »Lehrbuch« von D.-A. Koch »Geschichte des Urchristentums« (2013) und seinem voraufgehenden Aufsatz »Die Entwicklung der Ämter in den frühchristlichen Gemeinden Kleinasiens« (2010) an einzelnen, nicht grundlegenden Stellen der Ämtergeschichte Präzisierungen (die hier in den nachgetragenen Anmerkungen vermerkt sind); jedoch läßt seine Darstellung gerade wegen unzulänglicher Auseinandersetzung mit den genannten chronologischen Fragen und offenbar ungeprüfter Übernahme scheinbar die These des Spätansatzes der Ignatianen widerlegender Argumente, eine Stringenz vermissen.3 Der Wiederabdruck meines Vortrags gibt Gelegenheit, auf die 1
R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche, Bruxelles 1979. Unten S. 56 Anm. 123. 3 Siehe D.-A. Koch, Die Entwicklung der Ämter in frühchristlichen Gemeinden Kleinasiens, in: Th. Schmeller/M. Ebner/R. Hoppe, Neutestamentliche Ämtermodelle im Kontext, QD 239, Freiburg/Basel/Wien 2010, 166–206; ders., Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, 2. korrigierte u. erweiterte Auflage, Göttingen 2014, 439–457. − Auch U. Schnelle bleibt mit der komprimierten Darstellung der »Strukturen und Ämter« in seinem Buch: Die ersten 100 Jahre des Christentums 30–130 n. Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion, Göttingen 2015, 421–426, bei den traditionellen, nicht selbständig geprüften Frühdatierungen der Pastoralbriefe und Ignatianen. − Ein letztes Beispiel: J. Wagner, Die Anfänge des Amtes in der Kirche. Presbyter und Episkopen in der frühchristlichen Literatur, TANZ 53, Tübingen 2011, zugleich Dissertation TU Dortmund, zeigt die gleichen Mankos und bedeutet insgesamt eher einen Rückschritt: Behauptungen wie die, daß der Herrenbruder Jakobus den monarchischen Episkopat in Jerusalem ausgeübt habe, können nur mangels kritischen Urteils formuliert werden. − Die Auseinandersetzun2
Aufsätze über die Anfänge der Ämter und über die Ignatiusbriefe
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offenen Fragen einzugehen und weiterführende Literatur auszuwerten: Deutliche Korrekturen und einen erheblichen Fortschritt bei besonders vielen Themen bringen die methodisch äußerst überlegten, umsichtig analysierenden Arbeiten M. Theobalds, zuletzt seine große Monographie »Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen«.4 Für die Datierung des Clemens Romanus, des ersten Petrusbriefes, der Pastoralbriefe, für den ursprünglichen Text der Polycarpiana und ihre Chronologie und die brisante zeitliche Einordnung der Ignatianen hat O. Zwierlein unübertroffene kritische Arbeiten vorgelegt, die hier mit größtem Dank ausgewertet werden.5 Die Frage nach der Echtheit und Entstehungszeit der Ignatiusbriefe, die im Paragraphen 9 des voraufgehenden Aufsatzes behandelt wurde, hatte mich seit dem Erscheinen von R. Jolys »Dossier« im Jahre 1979 beschäftigt. Die Entdekkung der Verwandtschaft der antithetisch gebauten »Christushymnen« Ign Eph 7, 2 und IgnPol 3, 2 mit den paradoxen theologischen Antithesen, welche Hippolyt, Refutatio IX und X, von Noe¨t von Smyrna und seinen römischen Schülern mitteilt,6 − eine Verwandtschaft, die, wie ich erst viel später bemerkte, F. Chr. Baur bereits 1848 entdeckt hatte und die von den nachfolgenden Forschern (Th. Zahn, A. Hilgenfeld, A. Harnack, F. Loofs) bestätigt und auf Texte des Melito von Sardes, des Irenaeus und Tertullian ausgedehnt wurde − hat mich zur weiteren Erforschung des Monarchianismus (»Sabellianismus«) des zweiten Jahrhunderts veranlaßt. Die in verschiedenen Zeit- und Festschriften publizierten Ergebnisse sind von Markus Vinzent 1999 in dem Sammelband »Der paradox Eine« herausgegeben worden.7 Darin erschien auch erstmals meine Studie »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna«. Sie baut auf den drei voraufgehenden Untersuchungen zu Melito von Sardes und Noe¨t (1989), zur antignostischen Glaubensregel des Noe¨t (1989) und zum antivalentinianischen Charakter der Theologie des Noe¨t (1993) auf und führt sie − nach einem Bericht über die Forschungsgeschichte seit F. Chr. Baur − für die Ignatianen fort.8 gen mit dieser Literatur wird, soweit erforderlich, bei der Behandlung der entsprechenden Themen in den »Addenda et Corrigenda« geführt. 4 M. Theobald, Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen. Ein neuer Vorschlag zu ihrer historisch-theologischen Verortung im 2. Jahrhundert n. Chr. unter besonderer Berücksichtigung der Ignatiusbriefe, SBS 229, Stuttgart 2016. 5 O. Zwierlein, Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse. Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage, UALG 96, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Berlin/New York 2010; ders., Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom neuen Testament zu den apokryphen Apostelakten, UALG 109, Berlin/Boston 2013; ders., Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum Bd. 1: Editiones criticae. Bd. 2: Textgeschichte und Rekonstruktion. Polycarp, Ignatius und der Redaktor Ps.-Pionius, UALG 116, Berlin/Boston 2014. 6 Siehe den Hinweis unten S.56 Anm. 123. 7 R. M. Hübner, Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, mit einem Beitrag von M. Vinzent, SVigChr 50, Leiden/Boston/Köln 1999. 8 (1.) R. M Hübner, Melito von Sardes und Noe¨t von Smyrna, in: Ders., Der paradox Eine (wie Anm. 7), 1–32; in den Nachträgen S. 33–37, gehe ich auf die zustimmenden und
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Einleitung
Zur rechten Beurteilung des Beweisganges für die Abhängigkeit der Ignatianen von Noe¨t und ihrer Einbettung in die monarchianische Theologie des zweiten Jahrhunderts ist die Kenntnisnahme dieser voraufgehenden Studien hilfreich. Eine geraffte Zusammenfassung des (damals in Arbeit befindlichen) Aufsatzes »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna« bildet den Hauptteil der nun im vorliegenden Band S. 63 ff. erneut abgedruckten und um Addenda et Corrigenda erweiterten »Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien«, die im allerersten Heft der »Zeitschrift für Antikes Christentum« 1997 veröffentlicht wurden. Eines meiner Hauptargumente für die Spätdatierung der Ignatianen hielt offenbar T. Barnes für unwiderleglich. Er hat meinen Nachweis, daß die Stelle IgnPol 3, 2 aufgrund der − in der gesamten Literatur der ersten drei Jahrhunderte völlig einzigartigen − Übereinstimmung im Wortlaut und in der (durch den valentinianischen descensus-Mythos festgelegten) Abfolge der Begriffe nur als Reaktion auf die von Irenaeus, Adv. haer. I, 6, 1 mitgeteilte Aussage der Ptolemäer verstanden werden kann,9 aufgegriffen und das Abfassungsdatum der von ihm für echt gehaltenen Ignatiusbriefe in die Vierziger Jahre des 2. Jahrhunderts verlegt, eine chronologisch nicht mögliche Konstruktion;10 die Briefe können nur erheblich später entstanden sein. ablehnenden Stellungnahmen von H. J. Vogt (1992), J. Frickel (1993), M. Simonetti (1995), A. Brent (1995) und G. Uribarri Bilbao (1996) ein. Eine Korrektur der vorgetragenen Thesen war nicht notwendig. (2.) R. M. Hübner, Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna (Hippolyt, Refutatio IX, 10, 9–12 und X, 27, 1–2) bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian, in: Ders., Der paradox Eine (wie Anm. 7), 39–90; in den »Ergänzungen und Korrekturen« (91–94), wird der Einwand von R. Braun, REAug. 37, 1991, 354, Tertullian und Irenaeus könnten nicht bewußt einen »monarchianischen« Text benutzt und ausgearbeitet haben, durch eine Analyse des Sprachgebrauchs in Tertullian, Apol. 17, 2 und Adv. Valentianos 27, 2, par. Irenaeus, Adv. haer. I, 7, 2, widerlegt. Die deutlichen Nachklänge der noe¨tianischen Glaubensregel und Antithesen bei Tertullian könnten auch auf einen direkten Kontakt mit der römischen Schule des Noe¨t zurückgehen, also einen von T. Barnes bestrittenen Rom-Aufenthalt Tertullians wahrscheinlicher machen (93 f.). − (3.) R. M. Hübner, Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna, in: Ders., Der paradox Eine (wie Anm. 7), 95–129. − (4.) M. Vinzent weist in einem eigenen Beitrag: »Ich bin kein körperloses Geistwesen«. Zum Verhältnis von κη´ρυγμα Πε´τρου, »Doctrina Petri«, διδασκαλι´α Πε´τρου und IgnSm 3 (ebd., 241–286) die Abhängigkeit des Verfassers der Ignatianen von dem nach Markion geschriebenen κη´ρυγμα Πε´τρου (doctrina Petri) nach und plädiert für eine Abfassung der Briefe »einige Zeit nach 150« (S. 286). 9 Siehe »Thesen zur Echtheit und Datierung«, unten S. 76, sowie »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna«, in: »Der paradox Eine« (wie Anm. 7), 163–165. Daß die Abfolge der Begriffe durch den valentinianischen descensus-Mythos bestimmt ist, zeigt nicht nur die mit Irenaeus, Adv. haer. I, 6, 1 parallele Stelle Clem. Alex., Exc. ex Theod. 59, 3 f.; das läßt sich auch aus dem sachlich parallelen Bericht des Tertullian, Adv. Valentinianos 26, 2 erkennen. 10 T. D. Barnes, The Date of Ignatius, in: ET 120, 2008, 119–130. Barnes hat mein Argument allerdings nicht korrekt wiedergegeben. Ich danke O. Zwierlein für die Korrektur von Barnes’ Irrtum, die er in den »Addenda et Corrigenda« der 2. Auflage seiner (oben Anm. 5 zitierten) Untersuchung »Petrus in Rom« S. 481 f. vorgenommen hat. T. Barnes hat aufgrund der Parallelität von IgnPol 3, 2 und dem ptolemäischen Text bei
Echtheit und Entstehungszeit der Ignatiusbriefe
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R. Joly hatte schon 1979 nachgewiesen, daß die den Ignatius und dessen Briefe angeblich bezeugenden Stellen im Philipperbrief des Polykarp von Smyrna interpoliert sind, und deswegen und auch u. a. wegen der Propagierung des Monepiskopats und des Vorkommens der antignostischen Polemik die Briefe in die Zeit 160–170 datiert.11 Diesen Ansatz hat Th. Lechner in seiner Untersuchung »Ignatius adversus Valentinianos?« bestätigt.12 Er hat erstmals seit Th. Zahn und J. B. Lightfoot die chronologischen Grundlagen für die Datierung der Briefe (insbesondere Chronik und Kirchengeschichte des Eusebius v. Caesarea) untersucht und die Fiktivität von dessen − bis heute grundsätzlich selten in Frage gestellten − Datierungen erwiesen. Eine über Jolys Studie hinausgehende Analyse des Polykarpbriefes und dessen Interpolationen sowie der antignostischen Polemik im Epheserbrief des Ignatius führt ihn zu einer Datierung der Briefe in die Jahre 165–175. Gegen die Authentizität und Frühdatierung der Ignatianen hat − eine seltene Ausnahme − J. V. M. Sturdy in seinem aus dem Nachlaß von J. Knight edierten Buch »Redrawing the Bounderies« eigene Gründe vorgetragen und eine erstaunlich reichhaltige Liste der Forscher zusammengestellt, die ebenso geurteilt haben.13 In dem bedauerlicherweise erst nach seinem Tode veröffentlichten Aufsatz »Zu Ignatius von Antiochien« schließt sich W. Schmithals der von R. Joly, Th. Lechner und mir vertretenen Spätdatierung der sieben fiktiven Briefe an, ergänzt die Argumente und weist zugleich die Unzulänglichkeit der Antworten nach, welche von A. Lindemann, G. Schöllgen, M. J. Edwards und H. J. Vogt auf meine »Thesen« in den folgenden Heften der ZAC gegeben wurden.14 Seine neue, das Rätsel der Ignatianen mehr erhellende These (über die ich ausführlich mit ihm korrespondiert hatte), die Briefe seien von einem uns unbeIren., Adv. haer. I, 6, 1 und weiterer, umfassender Wortuntersuchungen entschieden erklärt, daß »Ignatius die Lehren des Ptolemaeus gekannt habe« (125). − Mir ist schlichtweg rätselhaft, wie dieses Argument für die Bezugnahme des Verfassers der Ignatianen auf den descensus-Mythos der Ptolemäer, das, wie nochmals betont werden soll, auf der Übereinstimmung einer Wortfolge beruht, die in der gesamten Literatur der ersten drei Jahrhunderte nur bei IgnPol 3, 2 und Irenaeus, Adv. haer. I, 6, 1 zu finden ist, von den auf meine »Thesen« reagierenden Autoren übergangen werden konnte. Jeder Neutestamentler, der eine solche einzigartige Parallelität zwischen einem neutestamentlichen und anderen Text feststellen würde, wüßte die Schlußfolgerungen zu ziehen. Diese Übereinstimmung zwischen den genannten Textstellen allein genügt, die Posteriorität des Verfassers der Ignatianen gegenüber Ptolemäus und seinen Schülern, die Fiktivität der Briefe und ihr spätes Abfassungsdatum zu erweisen. 11 Joly, Le dossier (wie Anm. 1). 12 Th. Lechner, Ignatius adversus Valentinianos? Chronologische und theologiegeschichtliche Studien zu den Briefen des Ignatius von Antiochien, SVigChr 47, Leiden/Boston/ Köln 1999. 13 J. V. M. Sturdy, Redrawing the Bounderies. The Date of Early Christian Literature, London/Oakville 2007, 8–13. 14 W. Schmithals, Zu Ignatius von Antiochien, ZAC 13, 2009, 181–203.
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Einleitung
kannten Verfasser in Rom geschrieben worden, um in dieser Stadt für den Monepiskopat zu werben, ist von M. Theobald akzeptiert und mit weiteren Beobachtungen zum Rom-Bezug der Ignatianen verstärkt worden.15 Die Diskussion darüber wird hoffentlich fortgeführt werden, die Herausbildung des Bischofsamtes hoffentlich die gebührende Beachtung finden. Mit der Verabschiedung der ZAC-Rezensionen durch W. Schmithals ist − neben den zahlreichen Autoren, welche weiterhin bei der Frühdatierung der Ignatianen geblieben sind und sich zur Rechtfertigung dafür auf die (von ihnen meist gänzlich ungeprüfte) angebliche Widerlegung meiner Argumente durch die genannten Rezensenten in der ZAC berufen haben − auch der ebenso verfahrende Allen Brent zurückgewiesen. Er verzichtet in seiner Studie »Ignatius of Antioch and the Second Sophistic« auf eine korrekte und zureichende Wiedergabe der von Joly, Lechner und mir vorgetragenen Argumente und verweist pauschal auf die Rezensionen in der ZAC.16 Daß sein »Beweis« für die Frühdatierung mißlungen ist, weil er auf ungedeckten Voraussetzungen beruht und der Stringenz entbehrt, hat B. Dehandschutter in seiner ausführlichen Rezension dargelegt;17 ebenso O. Zwierlein.18 Thomas Lechner hat in seinem Aufsatz »Ignatius von Antiochien und die Zweite Sophistik« Brents Thesen und seine literarischen Methoden (»Sprachspiel und Montagetechnik«) ausführlich gewürdigt und dessen Versuch, die Ignatianen theologie- und kulturgeschichtlich im frühen zweiten Jahrhundert unterzubringen, für gescheitert erklärt.19 Die umfassendste und präziseste Untersuchung zum Philipperbrief des Polykarp, zu dessen und der Ignatianen Datierung sowie zum Todesdatum des Polykarp verdanken wir Otto Zwierlein, der sie im Zusammenhang mit seiner neuen, alle bisherigen Ausgaben überholenden, kritischen Edition des Polykarp-Martyriums vorgelegt hat.20 Zwierlein korrigiert hier die in seinem Buch »Petrus in Rom«21 noch vertretene Auffassung der Integrität des Polykarpbriefes. Er weist in diesem Brief − durch eindringlichste, wie mir scheint, unwiderlegliche Analysen − eine doppelte, den Ignatius, dessen Briefe und schließlich dessen Gefährten betreffende Interpolation nach: PolPhil 13,1–2a stamme vom Verfasser der Ignatianen (der mit dieser Interpolation sein gefälschtes Produkt durch die Autorität des Martyrerbischofs beglaubigen will). PolPhil 1, 1 und 13, 2 b seien sehr wahrscheinlich von Ps-Pionius eingeschoben worden, 15
M. Theobald, Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen (wie Anm. 4), 310–314. A. Brent, Ignatius of Antioch and the Second Sophistic. A Study of an Early Christian Transformation of Pagan Culture, Tübingen 2006, 18–23, hier 21, Anm. 11. 17 B. Dehandschutter, VigChr 64, 2010, 89–94. 18 O. Zwierlein, Die Urfassungen (wie Anm. 5), 380 f. 19 Th. Lechner, Ignatius von Antiochien und die Zweite Sophistik. Kritische Anmerkungen zu den Thesen von Allen Brent, z. Zt. im Druck in dem von Th. J. Bauer und P. von Möllendorff herausgegebenen Sammelband zu den Ignatianen, Millennium-Studien 2018. 20 O. Zwierlein, Die Urfassungen (wie oben Anm. 5). 21 O. Zwierlein, Petrus in Rom (wie oben Anm. 5), 2009 = 22010, 188–193. 16
Echtheit und Entstehungszeit der Ignatiusbriefe
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welcher um 400 n. Chr. das Martyrium Polycarpi und den Polykarpbrief zusammen mit der von ihm verfaßten Vita Polycarpi und anderen Texten in sein Corpus Polycarpianum eingliederte (Bd. 2, S. 268). Für das Todesdatum des Polykarp ermittelt Zwierlein den Zeitraum 161–168 (Bd. 2, S. 1–36); die Urfassung des Martyrium Polycarpi sei »vermutlich kaum später als ein Jahr nach den Ereignissen« geschrieben worden (Bd. 2, S. 263); der Philipperbrief des Polykarp wird um 150 datiert (Bd. 2, S. 378 f.); für die Ignatianen lassen sich die Jahre um 180 als Abfassungszeit bestimmen (Bd. 2, S. 380–407). Mit diesen schwerlich zu erschütternden Untersuchungen hat Zwierlein jedem Versuch einer Früdatierung der Ignatius-Briefe die Grundlagen entzogen. Einen ganz eigenen Weg zur Bestimmung der Abfassungszeit der Ignatianen hat M. Theobald in seiner schon genannten Monographie eingeschlagen, indem er die Paulusbriefsammlung der Ignatianen ermittelt.22 Er untersucht zunächst sorgfältig die Textgeschichte, um entscheiden zu können, ob es sich bei den sieben Schreiben − wie bei den Pastoralen − um ein konsequent aufgebautes Briefcorpus handele und welches die ursprüngliche Reihenfolge der Schreiben gewesen sei − eine Frage, die von fast allen Autoren (auch von mir) vernachlässigt worden ist. Aufgrund vielfältiger Beobachtungen und Überlegungen kann Theobald die Euseb’sche, heute von allen Editoren eingehaltene BriefAkoluthie als die ursprüngliche bestätigen (S. 270–275). Die folgende Analyse der »intertextuelle(n) Verwobenheit der Ignatianen mit dem Corpus Paulinum« im Abschnitt »Ignatius und Paulus« (S. 289–309) führt zu dem Ergebnis, daß das »vom Verfasser der Ignatianen benutzte Corpus Paulinum« möglicherweise bereits die bekannten 13 Briefe enthielt, auch wenn Kol, 1 Thess und 2 Thess keine Spuren hinterlassen haben« (S. 308 f.). Das passe zu der von Schmithals erwogenen Abfassungszeit in den Jahren des römischen Bischofs Eleutherus (ca. 175–189), erklärt Theobald (S. 309–312). Die Ignatianen haben eine grundlegende Bedeutung für die gesamte Kirchenund Theologiegeschichte des zweiten Jahrhunderts: nicht nur für die Geschichte der kirchlichen Ämter, sondern ebenso für die Geschichte der Rezeption der neutestamentlichen Schriften, was zuletzt die Arbeit Theobalds demonstriert hat; für die Herausbildung (und auch Umbildung) der Sakramente, besonders der Eucharistie; für die Glaubensregel und Gotteslehre (Monarchianismus und »Verarbeitung« der johanneischen Logos-Aussagen); für die Auseinandersetzung mit Markion und der valentinianischen Gnosis; für die Martyriumstheologie; für die Verbreitung und Benutzung jüdischer, christlicher und nichtchristlicher Literatur und die Ausbildung der Pseudepigraphie. Über alle diese (und wohl noch weitere Themen) kann ohne die genaue Bestimmung des Zeitraums, in dem die Ignatianen geschrieben sind, nicht sachgerecht gehandelt werden.
22 M. Theobald, Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen (wie oben Anm. 4), 259–314; eine ausführliche Würdigung der Untersuchungen Theobalds zu den Ignatianen hat Th. Lechner in dem oben Anm. 19 genannten Artikel geschrieben.
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Einleitung
Thema und These des im Jahre 2004 in der Festschrift für Hermann Josef Sieben erschienenen Aufsatzes »Überlegungen zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ (καϑολικη` ε᾽κκλησι´α)« hatte ich bereits in den soeben besprochenen »Thesen zur Echtheit und Datierung« der Ignatianen vorgestellt. Mir schien, daß die Formulierung vor allem eine polemische Note enthalte und daß die Frage, gegen wen oder gegen was sich die ›katholische Kirche‹ absetze, am ehesten mit dem Hinweis auf die Gnostiker beantwortet werden könne. Nur um einer bedeutenden Sache willen konnte diese neue Namensschöpfung entstanden sein, und dies war die Erlangung des ewigen Heils. Die Gnostiker sprachen es allein den (wenigen) auserwählten, erkennenden Pneumatikern zu, die ›katholische Kirche‹ dagegen umfassend (καϑο´λου) allen Christen, die durch die Taufe den Geist empfangen und damit als Pneumatiker die Anwartschaft auf das ewige Leben Gottes, der das Heil aller Menschen will, erlangt hatten. Daß die frühesten Zeugnisse für diesen Ausdruck in der Zeit um 180 aus dem westkleinasiatischen Raum stammten, in dem Noe¨t von Smyrna, wohl ein Nachfolger des Polykarp von Smyrna, Melito von Sardes und der Verfasser der Ignatianen gegen starke gnostische Strömungen zu kämpfen hatten, paßte genau zur Annahme eines antignostischen Ursprungs des Ausdrucks. Nun sind durch die neue, 2014 erschienene kritische Edition des Martyrium Polycarpi von Otto Zwierlein, über die ich in den »Addenda et Corrigenda« berichte, die von mir als älteste Belege für die Formulierung »katholische Kirche« eingeschätzten Stellen in der bis dahin anerkannten Fassung dieses Martyriumsberichtes sämtlich den ins 4. und 5. Jahrhundert fallenden (stark erweiterten und interpolierten) Versionen zugewiesen worden, entfallen also als frühe Zeugnisse für den Ausdruck »katholische Kirche«; übrig geblieben als erstes erhaltenes Beispiel ist die Stelle aus dem Ignatiusbrief an die Smyrnäer 8, 2, als zweiter Text der Anonymus antimontanista aus den Jahren 192/193 (die Texte 5 und 6). Warum die Lektüre dieses Artikels trotz der genannten Ausfälle doch aufschlußreich und vielleicht sogar nützlich sein kann, habe ich in den »Addenda et Corrigenda« an Ort und Stelle zu erklären versucht: Der Erweis für die antignostische Bildung des Ausdrucks aufgrund der beigebrachten Texte scheint mir durch den Ausfall der Stellen aus dem Martyrium Polycarpi keine Einbuße erlitten zu haben, sondern immer noch gültig, zumindest bedenkenswert zu sein, und die sehr bunte Forschungsgeschichte zu diesem Terminus offenbart, welche Forscher − trotz mangelnder kritischer Editionen − doch zu einem erstaunlich treffenden Urteil gelangt sind. Die Entdeckung der Spuren der paradoxen theologischen Antithesen des Noe¨t von Smyrna bei Ignatius, Melito, Irenaeus und Tertullian hat mich veranlaßt, einen neuen Durchgang durch die christliche Literatur vor allem des zweiten Jahrhunderts (unter Einbeziehung auch der sog. apokryphen und pseudepigraphischen Schriften) zu nehmen, um die Gottesauffassung der Christen dieser Zeit zu erkunden. Das mühsam errungene und meiner bisherigen »orthodoxen« Vorstellung entgegenstehende Ergebnis war die Erkenntnis, daß
»Katholische Kirche«, Monarchianismus, Acta Iohannis
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der Glaube dieser Christen sich an den einen Gott wandte, der in Jesus auf der Erde erschienen war und (durch seinen Tod) die Menschen erlöst hatte. Nicht der Glaube an einen dreieinigen Gott, nicht die Trinitätslehre, sondern der später als »Sabellianismus« verurteilte Monarchianismus ist (etwa seit den Vierziger Jahren) der Gottesglaube fast aller Christen des zweiten Jahrhunderts und darüber hinaus (selbst Justin, der im Logos-Sohn einen »anderen« Gott sah, teilt den Glauben an die »Monarchie« des einzigen wahren Gottes, Dial. c. Tryphone 1, 3 f.). Diese Untersuchungen fanden (1996) ihren Niederschlag in dem Aufsatz, dessen Titel das monarchianische Bekenntnis des römischen Bischofs Zephyrin aufnimmt: »Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς«, und in dem Teil der Studie über »die Ignatianen und Noe¨t«, in dem die Gottesauffassung des »Ignatius« dem Monarchianismus des späten 2. Jahrhunderts zugeordnet wird.23 Daß sich Reflexe der paradoxen noe¨tianischen Antithesen in einem glaubensregelartigen Stück der apokryphen Petrusakten finden (ActVerc 20, AAA I, 68, 3–10 Lipsius), und daß auch in dem allgemein als gnostisch-valentinianisch geltenden (und damals auch von mir so eingeschätzten) Kapitel 101 der Johannesakten in ursprünglich monarchianischer Sprache vom Blut, Leiden und Tod des mit dem einen Gott identischen Logos geredet wurde, hatte ich in den genannten Aufsätzen schon vermerkt.24 Doch erst bei der viele Jahre später begonnenen, intensiveren Beschäftigung mit den Johannesakten und der theologischen Eigenart der als gnostisch bezeichneten Kapitel 94–102. 109 gewann Schritt für Schritt die Überzeugung Raum, die Carl Schmidt schon 1903 entschieden geäußert hatte, nämlich daß, ebenso wie die Petrusakten, auch die gesamten Johannesakten den monarchianischen Gottesglauben des späten zweiten Jahrhunderts bezeugen. Dem Nachweis dafür ist die Untersuchung »Acta Iohannis, Kapitel 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?« gewidmet. Sie ist so extensiv und umständlich ausgefallen, weil die Überzeugungskraft der großen, zweibändigen, kommentierten Edition der Johannesakten von E. Junod und J.-D. Kaestli (der ich auch lange erlegen war) überwunden werden mußte. Diese Autoren hatten, um die Kapitel 94–102. 109 als gnostisch-valentinianische Texte zu erweisen, welche − aller Wahrscheinlichkeit nach − ein gnostischer Autor in die bereits vorliegenden Johannesakten interpoliert habe, überwältigend viel gnostisches Material zum Vergleich beigebracht, das geprüft werden mußte, ebenso wie die bestätigenden, nuancierenden, auch abweichend und neu interpretierenden Untersuchungen nachfolgender Forscher. Die hoffentlich bald einsetzende Diskussion wird zeigen, ob meine Interpretation, daß die genannten Kapitel − in einem scheinbar gnostischen Sprachgewande − eine mit der Melitos und des römischen Bischofs Kallist verwandte monarchianische Theologie offenbaren, und ebenso wie der sog. »Grundstock« 23 Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. Zum christlichen Gottesglauben im zweiten Jahrhundert − ein Versuch, in: MThZ 47, 1996, 325–344, danach in: »Der paradox Eine« (wie oben Anm. 7), 207–240; »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna«, ebd. 177–202. 24 Siehe »Der paradox Eine«, z. B. S. 159. 161. 185 f. Anm. 175.
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Einleitung
der Johannesakten deutliche Spuren der theologischen Antithesen Noe¨ts aufweisen, und daß eher ein einziger Autor für den Grundstock und die möglicherweise von ihm später eingefügten Kapitel 94–102 anzunehmen sei, der Überprüfung standhält. Die zweite Reihe der Aufsätze hat trinitätstheologische, auch christologische Themen, die sich meist aus der Arbeit an der Dissertation und Habilitationsschrift ergaben. In der Forschungsgeschichte zur Soteriologie und Ekklesiologie des Gregor von Nyssa, dem Thema meiner Dissertation, ließ sich bei zahlreichen Autoren eine Verquickung der (mit einem angeblich platonischen Begriffsrealismus erklärten) Soteriologie und Anthropologie mit der Trinitätslehre feststellen, welche der jüngere Bruder des Basilius von Caesarea in seinen sogenannten kleinen trinitätstheologischen Schriften und seinen Büchern gegen Eunomius dargelegt hatte.25 Um Gregors Begrifflichkeit und sachliche Aussagen besser beurteilen zu können, wurde sein Lehrer und Vorgänger in der Auseinandersetzung mit Eunomius, Basilius, zu dieser Sache befragt. Das Ergebnis war die Feststellung, daß die Brüder, wohl bedingt durch eine jeweils besondere philosophische Ausgangsposition, ein durchaus unterschiedliches Verständnis des in der trinitarischen Formel so zentralen Begriffs ου᾽σι´α entwickelt hatten. Die Resultate der Untersuchungen, die auf den Patristischen Konferenzen von Oxford 1967 und 1971 vorgetragen und diskutiert wurden, sind in der Festschrift für Card. Danie´lou unter dem Titel: »Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern« veröffentlicht worden. Die Untersuchung des umstrittenen Begriffs ο῾ καϑο´λου α῎νϑρωπος in Gregors De hominis opificio hatte ergeben, daß damit der Allgemeinbegriff ›Mensch‹ − im Unterschied zum mit Namen bezeichneten bestimmten Menschen (ο῾ τι`ς α῎νϑρωπος) − gemeint ist, wie das etliche Forscher schon festgestellt hatten. Dieselben Definitionen, in oft identischer Sprache, illustriert an ähnlichen Beispielen aus der Schrift, begegnen auch in der sog. »ep. 38« des Basilius, und in den trinitarischen Schriften Gregors; sie entsprechen zweifelsfrei den aristotelischen Definitionen der ου᾽σι´α πρω´τη, dem nicht aussagbaren letzten Subjekt, und der ου᾽σι´α δευτε´ρα, dem Gattungs- und Artbegriff, der von einem bestimmten Subjekt ausgesagt werden kann.26 In dem Artikel in der Festschrift 25 Siehe in meiner Dissertation: Die Einheit des Leibes Christi bei Gregor von Nyssa. Untersuchungen zum Ursprung der ›physischen‹ Erlösungslehre, PP 2, Leiden 1974, die Forschungsgeschichte S. 3–25, und den »Exkurs« zur sog. »doppelten Schöpfung« des Menschen (in der Schrift De hominis opificio 16) S. 67–94; hier wird die in den anthropologischen und trinitätstheologischen Schriften verwandte Begrifflichkeit untersucht und die Terminologie in De hominis opificio, der sog. »ep. 38« des Basilius und der kleinen trinitarischen Schriften verglichen, eine Vorarbeit zu den Analysen in dem Aufsatz in der FS Card. Danie´lou (unten S. 245 ff.). 26 Siehe den Exkurs in der Anmerkung zuvor genannten Dissertation, 72–83.
Gregor v. Nyssa; zur Formel »eine Wesenheit, drei Hypostasen«
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Card. Danie´lou ist die exakte Gleichheit/Identität dieser ου᾽σι´α-Definitionen bei Gregor, in »ep. 38« und Aristoteles mit zahlreichen Zitaten belegt. Des Basilius Definitionen der ου᾽σι´α Gottes, des Menschen, aller Dinge sind so grundlegend abweichend, daß Gregor an einer Stelle, an der er deutlich die Definition seines Bruders aufnimmt, ihr voll widerspricht. Die Beschäftigung mit der stoischen Logik ergab nun, daß Basilius die stoische Seinsanalyse kennt und grundsätzlich den stoischen ου᾽σι´α-Begriff verwendet, den sein Bruder nicht akzeptiert. Die mit zahlreichen genauen Belegen aufgewiesenen Übereinstimmungen und Differenzen zwischen den ου᾽σι´α-Definitionen des Aristoteles und der Stoa, des Gregor und Basilius genügen, dem Gregor die »ep. 38« zuzuschreiben. Sie konnte auch inhaltlich und zeitlich in die theologische ›Entwicklung‹ Gregors eingeordnet werden.27 Die stoische Interpretation der ου᾽σι´α wurde − vorsichtshalber − auf die in der Studie untersuchten Texte des Basilius eingeschränkt; er ist kein stoischer Metaphysiker; er benutzt bei anderen Problemen durchaus die aristotelische Logik, sogar plotinische Spekulationen.28 Ob nun stoische oder aristotelische oder eine andere, vielleicht neu konstruierte kategoriale Begrifflichkeit zur Erklärung der trinitarischen Formel herangezogen wird, keine vermag zu einer adäquaten Erkenntnis des trinitarischen Gottes zu verhelfen, Basilius sagt das in den (unten S. 281 f.) zitierten Texten immer wieder. Er hat bei seinem Bemühen, den Angriff des Eunomius abzuwehren, klar erkannt, daß die trinitarische Formel, für die er mit seinen Unterscheidungen die Grundlage gelegt hatte, alle philosophischen Kategorien sprengt, und daß diese Formel nur mit ungenügenden Bildern und Vergleichen erläutert werden kann. Die philosophische Anstrengung, die Gregor von Nyssa − nach dem Tod des Basilius! − in seinen frühen »kleinen« trinitarischen Schriften unternimmt, das Verhältnis von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις widerspruchsfrei zu bestimmen, wäre nach dem Urteil seines Bruders nur ein fehlgeleiteter Versuch der Gotteserkenntnis gewesen. Das gilt eben auch für die Ep. 38. Die Erkenntnis Gottes, auf die es für den Menschen (und sein »Heil«) ankommt, ist nach den (S. 273 f.) zitierten Aussagen des Basilius anderer Art und wird auf anderem Wege gewonnen. Diese grundlegende Differenz zwischen dem theologischen Urteil des Basilius und dem des frühen Gregor festzuhalten, war mir wichtig. Die in dieser Studie gewonnenen Ergebnisse haben sich in den folgenden, weiter unten genannten Untersuchungen zum theologischen Denken des Basilius bewährt. Bei der wiederholten Lektüre der Bücher »Adversus Eunomium« des Basilius war ich auf die Stelle gestoßen, an der der ehemalige Homöusianer, der ου᾽σι´α 27 Siehe »Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38« (unten S. 281 f.); die Chronologie der frühen trinitätstheologischen Schriften Gregors wird behandelt in dem Artikel »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra«, in: E´criture et culture philosophique dans la pense´e de Gre´goire de Nysse. Actes du Colloque de Chevetogne (22–26 Septembre 1969), e´dite´s par M. Harl, Leiden 1971, S. 200–209. 28 Belege in »Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38«, unten S. 271 f.
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Einleitung
und υ῾πο´στασις in der Gotteslehre auch gleichsinnig verwendet hatte, − um Eunomius zu widerlegen, − den ersten Versuch machte, beide Begriffe zu differenzieren und damit die Voraussetzung für die spätere klassische Formulierung von der einen ου᾽σι´α in den drei göttlichen Hypostasen zu schaffen.29 Diese These trug ich in meinem Habilitations-Probe-Vortrag im Herbst 1976 der Bonner Fakultät vor. Die Ausarbeitung mehr als zwei Jahrzehnte später (1998) für die Festschrift Kard. Wetter brachte den Vorteil, auf mehrere weitere inzwischen vorgetragene Versuche der Erklärung einzugehen, alle als Ursprungsort vorgeschlagenen Texte gründlich abzuhören und die eigene These, an der ich festhalte, umfassend zu begründen: »Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea«, jetzt unten S. 291 ff. Der Gang der Forschungsgeschichte (von A. v. Harnack bis H. C. Brennecke) in Abschnitt I hat auch den Gang der Untersuchung bestimmt: Sie folgt den einschlägigen Texten seit dem Konzil von Sirmium 357 bis zur Abfassung der Bücher Adv. Eunomium I-III des Basilius, wobei auch die sicheren und vermutlichen Apolinaristica einbezogen wurden. Wenn nicht alles trügt, hat Apolinarius, der wohl kurz vor Basilius auf Eunomius antwortete, mit seiner in Adv. Eunomium IV (PG 29, 681 AB) vorgenommenen Unterscheidung von ου᾽σι´α (»Wesenheit«) und τρο´πος τη ῀ ς υ῾πα´ρξεως (»Daseins«- oder »Existenzweise«) der göttlichen Personen für die »Lösung«, die Basilius in Adv. Eunomium I, 15 vorträgt (ου᾽σι´α − τρο´πος τη῀ς υ῾ποστα´σεως), die entscheidende Vorarbeit geleistet. Daß diese neuen Begriffsdifferenzierungen, welche die Grundlage der trinitarischen Formel werden, philosophisch nicht »durchrechenbar« sind, ergibt sich, wenn man ihrer hier erklärten Entstehungsgeschichte folgt. Philosophische Modelle (wie sie in vielen der in den »Addenda et Corrigenda« [S. 283 ff.] besprochenen Studien gesucht werden) waren sicher nicht die Ursache für die Entstehung der trinitarischen Formel, sie dienten vielmehr als willkommene Illustration und Erläuterung der (gegen alle Logik) durch den Angriff des Eunomius erzwungenen Begriffs-Differenzierungen. Sie sollten auch gebildete Christen überzeugen, daß der Glaube an die so »definierte« Trinität rational sei. In meiner Eichstätter Antrittsvorlesung vom Juni 1979: »Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel« habe ich den Versuch gemacht, aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse über die Trinitätstheologie des griechischen 4. Jahrhunderts durch eine komprimierte Darlegung der Entstehung der − heute doch sehr fremd gewordenen − zentralen Glaubensformeln in den Bekenntnissen von Nicaea (325) und Konstantinopel (381) den Theologiestudierenden (und interessierten Christen) die theologische Botschaft dieser dogmatischen Definitionen nahe zu bringen. Diese Botschaft, ihre Tragweite und zugleich ihre Grenzen, lassen sich erkennen, wenn man die Frage herausgefunden hat, auf welche die spröden Formeln antworten. Der Leser mag entscheiden, ob mir das 29
Das ist in dem vorhergehenden Aufsatz über die »ep. 38«, unten S. 271, erwähnt. − Zu den Termini »Homöusianer« und »homoiusios« siehe die »Addenda et Corrigenda« zum Aufsatz »Genese der trinitarischen Formel« (unten S. 323 f.).
Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel; Basiliusstudien
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gelungen ist. (Eine Korrektur muß ich anbringen. Weiteres Nachdenken über den Weg, der zur Ausbildung der trinitarischen Formel geführt hat, hat mein Urteil über Markells von Ankyra Gottesauffassung (S. 342 »absurdes Gottesbild«) als falsch erwiesen. Markell ist der erste Theologe, der versucht hat, ein rationales trinitarisches »Modell« zu finden, in dem die absolute göttliche Gleichheit von Gott, Logos und Hl. Geist in einer absoluten Einheit verbunden ist. Weil Apolinarius von Laodicea dieses »Modell« zum Scheitern gebracht hat, war er gezwungen, ein eigenes zu entwerfen; damit hat er den Versuchen des Basilius von Caesarea, den Angriff des Enomius abzuwehren, den Weg gebahnt, siehe dazu den Aufsatz: »Die Genese der trinitarischen Formel«. − Eine zweite Anmerkung: Die im letzten hier abgedruckten Aufsatz aufgewiesenen Aporien aller in der Antike vorgetragenen christologischen Modelle und Formeln wie auch die Ergebnisse neutestamentlicher Forscher lassen mich zögern, die Aussage Joh 1, 14 im Sinne einer sarkosis und nicht eher als »Theophanie« zu verstehen.) Der kleine Beitrag zur Festschrift des Eichstätter Bischofs Alois Brems über Basilius als Theologen der Ökumene sollte mit vielen Aussagen dieses großen Theologen belegen (was oben schon mehrfach erwähnt ist), daß für Basilius die Botschaft des Evangeliums von der befreienden Liebe Gottes das Zentrum des Christentums ausmachte. Die theologischen Formeln waren für ihn zwar notwendige, aber auch notdürftige, keineswegs metaphysisch auszuhandelnde Definitionen, die nicht zum Hauptgegenstand der (ewig streitenden) Theologie gemacht werden dürfen. Ihr Zweck besteht lediglich in der Abwehr häretischer Angriffe auf das für das Christentum, wie er es verstand, Wesentliche. Im weiteren Studium der trinitarischen Schriften des Basilius und seiner Zeitgenossen, die für eine geplante Habilitationsschrift über »Basilius als Trinitätstheologen« erforderlich waren, erfolgte die Entdeckung von dessen vielfacher Abhängigkeit von Apolinarius von Laodicea. Kernstück der Untersuchungen war die Frage, wer der Autor der kleinen pseudathanasianischen Schrift »Contra Sabellianos« (PG 28, 96 D–121 B) war, welche an vielen sehr markanten Stellen sogar wörtliche Übereinstimmungen mit der bedeutendsten und am häufigsten zitierten trinitätstheologischen Homilie des Basilius aufwies: Hom. 24, Contra Sabellianos, Arium et Anomoeos (PG 31, 600 B–617 B). Die m. E. genügend gesicherte These, daß dieser Autor der Athanasiusfreund Apolinarius war, bei dem sich Basilius theologischen Rat in der Frage nach einem rechten und akzeptablen Verständnis des homoousios von Nicaea geholt hatte, und daß Basilius in dieser Homilie auf dessen Schrift Contra Sabellianos zurückgegriffen hatte, fand ihren Niederschlag in der Habilitationsschrift, die nun als notwendige Vorarbeit zu dem ehemaligen Vorhaben, die Ausbildung der Trinitätstheologie dieses Theologen zu ermitteln, gelten kann.30 Die Studien brachten 30
Der Titel der Druckfassung lautet: Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/ New York 1989.
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Einleitung
weitere trinitätstheologische und christologische Erkenntnisse, die teilweise in den im Folgenden genannten, mehrfach durch Festschrift-Anfragen provozierten Artikeln veröffentlicht wurden. Dazu gehört der Beitrag: »Basilius von Caesarea und das homoousios« in der Festschrift für G. Christopher Stead von 1993, in dem die Auswirkungen des frühen Briefwechsels zwischen Basilius und Apolinarius für die Interpretation des homoousios untersucht werden und zugleich nachgewiesen wird, daß die einzige Stelle seiner Homilien, an der das homoousios vorkommt, nämlich Hom. 24, 4, ihre sachliche und z. T. wörtliche Vorlage in der dem Apolinarius gehörenden Schrift Contra Sabellianos 6 f. hat. − Spuren dieses Traktats finden sich auch in anderen Schriften des Basilius: in den Büchern gegen Eunomius, in Briefen und weiteren Homilien und in De Spiritu Sancto.31 Aber er ist nicht der einzige, der diesen Text geschätzt hat. Sein Zeitgenosse Epiphanius von Salamis hat sich die scharfsinnige und treffende Argumentation, mit welcher der Autor die theologischen Positionen eines Gegners, der als der Markell-Schüler Photin von Sirmium identifiziert werden konnte,32 ebenfalls zunutze gemacht und das dort gefundene »Material« in seinem »Arzneikasten« − ohne jegliche Skrupel und Scheu vor Verfälschungen − auf die Kapitel über Sabellius (Pan. haer. 62), vor allem Paulus von Samosata (haer. 65) und Photin (haer. 71) verteilt. Schon in den trinitätstheologischen Ausführungen der ersten Kapitel seines etliche Jahre zuvor abgefaßten »Ancoratus« hat er sich von den markanten Formulierungen in der Schrift des Apolinarius inspirieren lassen. In dem Beitrag: »Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata« im Festschrift-Heft der ZKG 1979 zum 65. Geburtstag von Wilhelm Schneemelcher und in dem in der ZKG 1981 folgenden Artikel: »Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos« wurden diese Nebenprodukte der Habilitationsschrift veröffentlicht. Joseph T. Lienhard hat 1986 in einem Artikel in den Vigiliae Christianae siebzehn parallele Texte aus dem Pseud-Athanasianum Contra Sabellianos und der Homilie 24 des Basilius verglichen und vorgeschlagen, C. Sabellianos als ein frühes Werk des Basilius zu betrachten, das dieser selbst in seiner späteren Homilie gewissermaßen kopiert habe. Sein Versuch weist jedoch beträchtliche methodische und sachliche Mängel auf. In meiner kurzen Replik in derselben Zeitschrift 1987: »Ps-Athanasius, Contra Sabellianos: Eine Schrift des Basilius von Caesarea oder des Apolinarius von Laodicea?« konnte aufgrund von bedeutenden theologischen und begrifflichen Differenzen zwischen dem PseudAthanasianum und den frühen Schriften des Basilius dessen Autorschaft ausgeschlossen werden. Die des Apolinarius ließ sich − außer durch die Feststellung, daß er wie Pseud-Athanasius ein früher Verteidiger des homoousios von Nicaea ist − vor allem durch seine besondere Christologie mit der einzigartigen For-
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Vgl. »Die Schrift des Apolinarius« (wie Anm 30), 252–268. Ebd. 163–196.
Basilius- und Apolinarius-Studien; weitere Künftige Forschungsaufgaben
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mulierung, daß »Christus Mensch nur in homonymen Sinne« sei, beweisen. Diese Formulierung begegnet im 4. Jahrhundert, soweit ich damals feststellen konnte, nur dreimal: zweimal in der Anacephalaeosis des Apolinarius und einmal im Pseud-Athanasianum Contra Sabellianos. In dem Beitrag »Soteriologie, Trinität, Christologie« zur Festschrift Wilhelm Breuning (1985) ging es mir darum aufzuzeigen, wie sich die im vierten Jahrhundert mitten den den trinitarischen Streitigkeiten scheinbar unvermittelt auftauchende christologische Frage nach dem Verhältnis von Gottheit und Menschheit in Jesus Christus aus der letztlich »monarchianischen« (von Basilius als »sabellianisch« heftig bekämpften) trinitarischen Konzeption des Nizäners Markell von Ankyra ergab, welche vom Nizäner Apolinarius in die Aporie geführt wurde. Einige schlußfolgernde Überlegungen zu dessen Christologie und überhaupt zum brüchereichen Gang unserer Theologiegeschichte bringt der letzte Artikel: »Der Weg zur Zweinaturenlehre«, gewissermaßen meine Abschiedsvorlesung. Sie vereint versuchsweise die Ergebnisse der Studien über die Gotteslehre und den Monarchianismus des zweiten Jahrhunderts mit dem Aufkommen der trinitätstheologischen und christologischen Fragen und deren »Lösung« auf den ökumenischen Konzilien von Nicaea bis Chalcedon. Wenn ich nun sagen sollte, welche Forschungsergebnisse mir als die wichtigsten erscheinen und vielleicht neue Wege eröffnen könnten, so nenne ich zuerst die veränderte Chronologie der Ignatiusbriefe und weiterer, auch neutestamentlicher Schriften des 2. Jahrhunderts. Treffen die neuen Datierungen zu, dann wird das die Darstellung der Theologie- und Kirchengeschichte dieser Zeit gravierend verändern. Der zweite Punkt hängt mit dem ersten eng zusammen. Es sind die Resultate der Untersuchungen zu Noe¨t von Smyrna und zum Monarchianismus. Die These, daß der Monarchianismus in seinen verschiedenen, fast niemals gleichförmigen, in etlichen Schriften sich mit gnostischem Denken mehr oder weniger stark überlappenden Gestalten das eigentliche »Dogma« der Christen bis in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts war, wird wohl lange umstritten bleiben, weil die Quellenlage sehr karg ist: Seit die Trinitätstheologie gesiegt hat, wurden die Zeugnisse des Monarchianismus (z. B. die vielen Schriften Melitos) vernachlässigt und nicht mehr überliefert. (Die Verfahrensweise des Eusebius von Caesarea ist dafür ein gutes Beispiel.) Die Nachwirkungen der theologischen Paradoxien des Noe¨t sind groß, das zeigt die Wiederkehr seiner paradoxen Antithesen und deren theologischer Aussage bei vielen Autoren, auch, wie ich hier zu zeigen versuche, beim Verfasser der Acta Iohannis. (Im »Fazit« zu diesem Aufsatz sind wenigstens einige Autoren und Texte zitiert, bei denen die Nachwirkungen Noe¨ts manifest sind.) An dritter Stelle nenne ich eher eine Forschungsaufgabe (die ich nicht mehr bewältigen kann) als ein Forschungsergebnis, das sind die Beziehungen zwischen Basilius und Apolinarius. Der Nachhall der Theologie des Apolinarius ist
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nicht nur in der Trinitätstheologie des Basilius zu erkennen (wie das hier der Beitrag zur Festschrift Stead deutlich machen sollte); viele seiner frühen Homilien zeigen bis in die Formulierungen hinein den Einfluß der ausgeprägten Christologie des Apolinarius. Diese Beziehungen werden erheblich leichter und sicherer festzustellen sein, wenn die Schriften Ps-Athanasius, Contra Arianos IV und Contra Sabellianos, sowie Ps-Basilius, Adversus Eunomius IV/V (und möglicherweise noch einige weitere Texte) als Werke des Apolinarius allgemein anerkannt sind.33 Auch der letzte Punkt, den ich nennen möchte, ist nicht ein festes Ergebnis, sondern der Hinweis auf eine mögliche theologische Aufgabe. Die Geschichte der Entstehung und weiteren Auslegung der »kappadozischen«, in Konstantinopel 381 definierten und gewissermaßen »klassisch« gewordenen trinitarischen Formel: »eine ousia, drei Hypostasen oder Personen« und die Geschichte ihrer Interpretationen durch die Jahrhunderte lehrt, daß diese Formel im logischen Sinn aporetisch ist. Roland Kany hat den Weg zu dieser »kappadozischen« Formel und die scharfsinnige Kritik, die Augustinus in De Trinitate I-VII an ihr übt, präzise nachgezeichnet.34 Augustinus begegnet der von ihm als unzulänglich abgelehnten griechischen »Lösung« des trinitarischen Problems mit einem Neuansatz, den Kany an zwölf Schritten mit großer Klarheit analysiert und wiedergibt: Auf dem Wege einer systematischen Reflexion über die Bedingungen der Möglichkeit von Selbstbezug und Selbsterkenntnis als Kern alles Geistigen gelange Augustinus zu einem Denken der Trinität, das sich nicht mehr − wie letztlich noch die kappadozische Formel und ihre Erklärungen durch die Kappadozier − am Modell gegenständlicher Erkenntnis orientiere. Gott erweise sich als derjenige 33 Ein großer Gewinn für diese Arbeit wird die erste kritische Edition von Adv. Eunomium IV/V sein, die gegenwärtig von Christina Abenstein in Arbeit ist. In ihrer Dissertation: »Die Basilius-Übersetzung des Georg von Trapezunt in ihrem historischen Kontext«, BzA 336, Berlin/Boston 2014, 11–37, hat sie kritisch über den Forschungsstand zu Adv. Eunomium IV/V und Ps-Basilius, De Spiritu berichtet und mit umfassenden geschichtlichen Untersuchungen die kritische Edition von dessen lateinischer Übersetzung der Schriften des Basilius und Ps-Basilius, Contra Eunomium I-V und De Spiritu Sancto vorbereitet: Die Basilius-Übersetzung des Georg von Trapezunt. Edition, BzA 337, Berlin/ Boston 2015. Die Autorin konnte (vgl. ebd., XXXVI) feststellen, daß Janus Cornarius seine Edition des griechischen Textes der Basilius-Schriften (1551) anhand von Georgs von Trapezunt lateinischer Übersetzung korrigiert und Konjekturen Georgs ins Griechische rückübersetzt hat. Erst die jetzt in Arbeit befindliche kritische Edition wird uns einen mehr verläßlichen, von solchen Eingriffen bereinigten Text von Adversus Eunomium IV/V geben. − Ein unschätzbarer Fortschritt ergäbe sich, wenn die Autorschaft dieser Schriften, zusätzlich zu den philologischen und theologischen Untersuchungen, mit jenen statistischen und mathematischen Computer-Methoden geprüft würde, welche G. Maspero, M. Degli Esposti und D. Benedetto für (Basil.) ep. 38 angewendet haben (siehe den Bericht am Ende der »Addenda et Corrigenda« zum Aufsatz über »ep. 38« unten S. 288). 34 R. Kany, Augustins Trinitätsdenken. Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu »De trinitate«, STAC 22, Tübingen 2007, bes. 456–506; zum oben Folgenden siehe ebd. 507–534.
Basilius- und Apolinarius-Studien; weitere Künftige Forschungsaufgaben
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Grund allen geistigen und nichtgeistigen Seins, in dem Dreiheit und Einheit noch unvermischt und ungetrennt sind. So sehr Augustins tiefsinnige Analyse der trinitarischen Selbstgegenwart als Grund und Voraussetzung aller Selbsterkenntnis in der Nachzeichnung Kanys einleuchtet und Zustimmung finden kann, von den orthodoxen Vätern, denen wir die von Augustinus kritisierte trinitarische Formel verdanken, wäre ein derartiges Trinitätsdenken wohl nicht anerkannt worden. Vielleicht könnte eine Analyse aber zeigen, daß ihre »Trinität« als eine zeitbedingte Chiffre für den einzigen Gott des Alten und Neuen Testaments gelten kann. So gedeutet, müßte sie nicht in unüberwindlichem Widerspruch zu Augustins Trinität stehen. Dieser Befund, überprüft und bestätigt, könnte es den Systematikern ermöglichen, eine groß-ökumenische, christliche Gotteslehre zu konzipieren. Danksagung Mir bleibt, denen zu danken, die zum Zustandekommen dieses Aufsatzbandes mitgeholfen haben. An erster Stelle sage ich meinen großen Dank meinem Nachfolger Roland Kany. Er hat sehr bald nach der Übernahme des Lehrstuhls den Vorschlag gemacht, eine Auswahl meiner Aufsätze herauszugeben; er hat mit unermüdlicher Geduld die − mehrfach von anderen Aufgaben unterbrochene − Abfassung des neuen Beitrags über die Johannesakten abgewartet, mit vielen Ratschlägen die Niederschrift der »Addenda et Corrigenda« unterstützt und die (von mir nicht zu leistende) mühsame Erstellung der Druckfassung und des Stellenregisters auf sich genommen. Für alles dies danke ich von Herzen. Meinen ehemaligen Schülern Dr. Thomas Lechner und PD Dr. Herbert Schmid danke ich für zahlreiche Hinweise auf mir noch unbekannte Literatur und ihre Besorgung. Besondere Hilfe erfuhr ich in dieser Hinsicht von Seiten des mir seit seinen Eichstätter Studienzeiten verbundenen, jetzigen Kollegen Markus Vinzent, King’s College London, dem herzlich gedankt sei. Das handschriftliche Manuskript des Beitrags über die Acta Iohannis, der »Einleitung« und der »Addenda et Corrigenda« hat Herr Hubert Holzmann, Sekretär meines Nachfolgers, in den PC eingegeben; er sei für die sorgfältige Ausführung vielmals bedankt. Die zügige Erstellung des Personenregisters ist Herrn Mag. Theol. Benjamin Mitterrutzner zu verdanken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Kollegen Christoph Markschies für die schon vor geraumer Zeit gewährte Gastfreundschaft in der von ihm begründeten Reihe »Studien und Texte zu Antike und Christentum«. Eichstätt, 26. 06. 2017
R. M. Hübner
Erster Teil
Kirche im Werden
Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche Diakonat, Presbyterat und Episkopat, die uns heute geläufige Form der Ämter 45 in unseren Kirchen, sind uralt; ihre Anfänge reichen bis in die apostolische Zeit zurück, aber sie sind doch nicht die einzigen Gestalten von Diensten und Ämtern, die wir in der frühen Zeit der werdenden Kirche antreffen, und sie sind auch keineswegs die ältesten. Vor ihnen und neben ihnen läßt sich eine Vielfalt von Formen des Gemeindelebens, der Gemeindeordnung und der Gemeindeleitung entdecken, unter denen keine Ausschließlichkeitsanspruch erheben konnte oder wollte. Wenn sich aus dieser Vielfalt gegen Ende des zweiten Jahrhunderts schließlich die hierarchisch gestuften Ämter des Diakons, Presbyters und Bischofs herausgebildet haben, so ist dies das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung, in der sich die den Möglichkeiten und Erfordernissen der Kirche im damaligen römischen Staat und in der damaligen Gesellschaft offenbar am wirksamsten entsprechende und angemessene Form der Gemeindeleitung durchgesetzt hat. Aber man kann durchaus nicht sagen, daß diese Entwicklung von Anfang an absehbar war oder daß sie als die einzig mögliche von vorneherein angelegt war. Es ist nicht erkennbar, daß die Entwicklung notwendig so und nicht anders laufen mußte, daß also von Anfang an diese bestimmte Form der Gemeindeleitung intendiert war. Auch die Ämter des Diakons, Presbyters, Bischofs selbst begegnen uns bei ihrem ersten Auftauchen in der Geschichte der Kirche nicht in der Gestalt und in der Zuordnung, die sie am Ende des zweiten Jahrhunderts zeigen, sondern haben eine teilweise erstaunliche Wandlung erfahren. Es gibt anfangs nicht die hierarchische Gliederung des Dreieramtes, ja es gibt noch nicht einmal das gleichzeitige Nebeneinander von Diakonen, Presbytern und Episkopen. Vielmehr finden wir die Diakone und Episkopen zunächst in paulinischen Gemein- * den, in denen wir im übrigen eher charismatische Dienste voraussetzen müssen und in denen die Presbyter unbekannt sind. Und wir finden Presbyter als Leiter 46 von Gemeinden, die durchaus noch charismatische Dienste, aber keine Diakone und Episkopen kennen (1 Petr). Das Bild der Gemeindeordnungen, das sich dem aufmerksamen Betrachter der Dokumente des frühen Christentums bietet, ist etwas kompliziert, die bestimmenden Linien darin sind nicht sogleich klar unterscheidbar. Um einer sachgerechten Würdigung der Entwicklung des Dreieramtes willen müssen wir zunächst wenigstens einen kurzen Blick auf die Vielfalt der Dienste und Ämter
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Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat
werfen, die in den neutestamentlichen Schriften erkennbar ist. Daraus ergeben sich unmittelbar Folgerungen, die auch für den ökumenischen Dialog von Bedeutung sind.
1. Jerusalem
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Besonders aufschlußreich sind die Formen des Gemeindelebens und der Gemeindeleitung in der Jerusalemer Urkirche. Unter den Exegeten besteht ein Konsens darüber, daß es nicht angeht, Aussagen über die Struktur der Urgemeinde unbesehen aus der Apostelgeschichte zu übernehmen. Die geläufige Vorstellung von den »zwölf Aposteln« mit ihrem Sprecher Petrus, die mit dem Rat und Beistand der Presbyter (Apg 11, 30; 15, 6; 16, 4; 21, 18) die ungeteilte und in Einmütigkeit verharrende Gemeinde lehren und leiten und die von den (häufig als Diakone verstandenen) sieben für den Dienst an den Tischen Eingesetzten bei der karitativen Betreuung der Bedürftigen unterstützt werden, hält der Überprüfung nicht stand. Daß die Einengung des ursprünglich sehr viel weiter gefaßten Apostelbegriffs auf »die Zwölf« vor allem eine spätere Konstruktion des Verfassers der Apostelgeschichte (Apg 1, 21 f.) darstellt, ist bekannt. »Die Zwölf«, von Jesus selbst in die engste Nachfolge berufen,1 erfahren nach Petrus und vor dem Herrenbruder Jakobus und allen übrigen Aposteln die Erscheinung des auferweckten Gekreuzigten (1 Kor 15, 5. 7). Als den ersterwählten Zeugen der Auferstehung fällt ihnen bei der Proklamation der angebrochenen Gottesherrschaft und der Sammlung des eschatologischen Gottesvolkes eine führende Rolle zu. Ihre Lebensgemeinschaft mit dem irdischen Jesus verbürgt die authentische Weitergabe seiner Worte und Taten, ihre durch die Erscheinung des Auferstandenen bestätigte Fortexistenz als Zwölferkreis macht sie zu den legitimierten Repräsentanten des neuen Israel.2 Vor allem in dieser Zeichenfunktion, die durch die Ergänzung der aufgrund des Judasverrates unvollständig gewordenen Zwölferzahl deutlich hervorgehoben wird (Apg 1, 15–26), kommt ihre unwiederholbare Rolle zum Ausdruck. Als nach dem gewaltsamen Tod des Zebedaiden Jakobus im Jahre 43/44 n. Chr. (Apg 12, 1 f.) der Zwölferkreis erneut lückenhaft geworden ist, wird der leere Platz nicht mehr besetzt. Die Zwölf, deren Namen 1 Die Einsetzung der Zwölf durch den geschichtlichen Jesus findet zunehmend die Anerkennung der Exegeten; zum Problem siehe W. Trilling, Zur Entstehung des Zwölferkreises. Eine geschichtskritische Überlegung, in: Die Kirche des Anfangs (FS Heinz Schürmann zum 65. Geburtstag), hg. von R. Schnackenburg/J. Ernst/J. Wanke, EThS 38, Leipzig 1977, 201–222. 2 Zu dem durch die Aussage 1 Kor 15, 5 einerseits, den Ausfall des Verräters Judas aus dem vorösterlichen Zwölferkreis andererseits aufgegebenen Problem siehe W. Trilling, Zur Entstehung (wie Anm. 1), 208–213. Für eine Konstituierung des Zwölferkreises erst nach Ostern entscheidet sich W. Schneemelcher, Das Urchristentum, Stuttgart 1981, 61 f.
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uns nicht einheitlich überliefert sind (vgl. Mk 3, 14–19; Mt 10, 2–4; Lk 6, 12–16; Apg 1, 13) und über deren weiteres Schicksal − vom eben erwähnten Jakobus und von Petrus (Gal 2, 11–14; 1 Kor 9, 5) abgesehen − wir nichts wissen, verschwinden aus der Geschichte, ohne als Zwölferkreis eine Spur zu hinterlassen. Es gibt kein Zwölfergremium, das in ihre Nachfolge einträte, sozusagen ihr »Amt« fortführte. Nichts zeigt deutlicher als dies, daß ihre Funktion als Zwölferkreis unübertragbar war. Wenn sie in der Urgemeinde Leitungsfunktionen ausgeübt haben, so waren diese Aufgaben für den Zwölferkreis in keiner Weise konstitutiv, sonst hätte unbedingt wieder ein Zwölferkreis in diese Amtsaufgaben eintreten müssen. Aber schon bei seinem ersten Gang nach Jerusalem (um 35/37) trifft Paulus dort von den Zwölf nur den Kephas (Gal 1, 18 f.), und bei seinem zweiten Besuch (48/49) sind sie als Führungskollegium ganz offenkundig abgelöst: Paulus verhandelt mit dem Herrenbruder Jakobus, Kephas und Johannes, den anerkannten Säulen (Gal 2, 9), einem Dreiergremium also unter Führung des Jakobus, das jetzt − wenigstens für Paulus − als die maßgebliche, die Jerusalemer Urgemeinde repräsentierende Autorität gilt. Der von Paulus an erster und also führender Stelle genannte3 Herrenbruder Jakobus (der ja nicht zu den Zwölfen zählt) wird die Leitung der Jerusalemer Kirche bereits übernommen haben, als Petrus nach der erwähnten Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus durch Flucht aus dem Gefängnis des Agrippa I. einem ähnlichen Schicksal entging, Jerusalem verließ (Apg 12, 3–17) und sich der Judenmission widmete (Gal 2, 7 f.). Im Bericht der Apg vom sog. »Apostelkonzil« in Jerusalem werden als ein auch für die Gesamtkirche entscheidendes Führungsgremium neben den Aposteln die Ältesten (Presbyteroi) genannt (Apg 15, 2. 4. 6. 22 f.; vgl. 16, 4), die bereits Apg 11, 30 unvermutet als Empfänger einer Kollekte erwähnt werden. Der unmittelbar beteiligte Paulus spricht im parallelen Bericht Gal 2 weder von den Aposteln noch von den Presbytern, sondern nur von den drei »Säulen«. Ob man daraus schließen darf, daß es die Presbyter zur Zeit des »Apostelkonzils« in Jerusalem noch nicht gab, oder aber daß Paulus sie nur übergeht, weil er ihnen eine Entscheidungskompetenz für die Gesamtkirche nicht zugestand, sondern, wie J. Roloff zu bedenken gibt, »das Presbyterium lediglich als lokale Leitungsinstanz« gelten ließ, ist eine offene Frage.4 Jedenfalls aber sind sie beim letzten Jerusalemaufenthalt des Paulus (um 55/56) als fest etabliertes und einziges Führungskollegium mit ihrem Sprecher Jakobus unzweifelhaft bezeugt (Apg 21, 18). Von den (zwölf) Aposteln schweigt nun auch Lukas gänzlich. Ihr Kreis gehört einer längst vergangenen Zeit an. Woher aber die Presbyter kommen, erfahren wir nicht. 3 Vgl. M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, Stuttgart 1979, 82 [erneut in: Ders., Studien zum Urchristentum. Kleine Schriften VI, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 234, Tübingen 2008, 1–104; hier 74]. 4 J. Roloff, Amt, Ämter, Amtsverständnis IV. Im Neuen Testament, in: TRE 2, 1978, 509–533; hier 514; mit deutlicher Entscheidung für die historische Richtigkeit der Nachrichten Apg 15, ders., Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 1981, 226.
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Neben den »Zwölfen«, den drei »Säulen« und den Presbytern um Jakobus ist für Jerusalem in der frühesten Zeit aber noch ein weiteres Leitungsgremium anzunehmen, das in der Darstellung der Apg historisch nicht ganz zutreffende Konturen zeigt. Lukas berichtet Apg 6, 1–6 unter Benutzung einer alten Jerusalemer Tradition von einem Streit, der zwischen »den Hellenisten« und »den Hebräern«, also den griechischsprechenden Judenchristen und den aramäischsprechenden Judenchristen Jerusalems, wegen der mangelhaften Versorgung der hellenistischen Witwen ausgebrochen ist und durch die Aufstellung der sieben Männer behoben wird, die den »Dienst für die Tische« übernehmen sollen, um die zwölf Apostel für den »Dienst am Wort« zu entlasten. Aufgrund der Ungereimtheiten im lukanischen Bericht und aufgrund dessen, was im weiteren Verlauf der Apg über die Hellenisten und besonders über die beiden an der Spitze der Siebenerliste Stehenden, Stephanus und Philippus, zu erfahren ist − beide »dienen dem Wort« wie die Apostel (vgl. Apg 6, 9; 8, 4–40; 21, 8) −, muß man jedoch folgern, daß »die Sieben«, die sämtlich griechische Namen tragen (Apg 6, 5), nicht etwa »Armenpfleger« der gesamten Jerusalemer Urgemeinde sind, sondern das leitende Kollegium einer selbständigen Jerusalemer Gemeinde der Hellenisten, die sich neben der Gemeinde der Hebräer gebildet hat.5 Über die Zeit und die Gründe der Konstituierung einer eigenen hellenistischen Gemeinde in Jerusalem sind wohlbegründete Überlegungen angestellt worden. Sie scheint sehr früh, noch vor der Bekehrung des Paulus (zwischen 32 und 35), erfolgt zu sein und war vielleicht durch die − sich spürbar im Gottesdienst auswirkenden − Verständigungsschwierigkeiten zwischen den beiden Sprachgruppen veranlaßt. Theologische Differenzen kamen hinzu und waren die eigentliche Ursache der Vernichtung dieser Gemeinde in Jerusalem (Apg 8, 1).6 Das Siebenerkollegium, wohl in Analogie zu dem aus sieben Männern bestehenden Ortsvorstand jüdischer Gemeinden aufgestellt,7 löst sich nach der Vertreibung der hellenistischen Jerusalemer Gemeinde auf, ohne als Siebener-Institution irgendwelche Spuren in der Geschichte des kirchlichen Amtes zu hinterlassen. Aus der Vielfalt der nebeneinander bestehenden, einander ablösenden und schließlich vollständig verschwindenden Leitungsgremien allein schon in Jeru5 Für die Nachweise im einzelnen siehe M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus. Die »Hellenisten«, die »Sieben« und Stephanus (Apg 6, 1–15; 7, 54–8, 3), ZThK 72, 1975, 151–206; hier bes. 169–186 [erneut mit Nachträgen in: Ders., Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III, WUNT 141, Tübingen 2002, 1–67; hier 19–36]; vgl. den knappen Überblick bei J. Roloff, Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 106–109. W. Schneemelcher (wie Anm. 2), 100–108; A. Weiser, Die Apostelgeschichte. Kapitel 1–12, ÖTK 5/1, Gütersloh 1981, 168 f. 6 Siehe M. Hengel (wie Anm. 5), 172–174 [bzw. 22–24] (Zeit); 176–180 [26–30] (Gründe): 186–204 [36–54] (Theologie). Über verschiedene Hausgemeinden in Jerusalem: H.-J. Klauck, Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum, SBS 103, Stuttgart 1981, 48–51. 7 Vgl. M. Hengel (wie Anm. 5), 180 f. [bzw. 150 f.].
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salem ergibt sich, daß weder der historische Jesus noch der erhöhte Herr irgendwelche Anweisungen für die spezielle Ausgestaltung gemeindlicher Strukturen oder die Einrichtung eines bestimmten Amtes in der Kirche gegeben hat.8 Andernfalls müßte man annehmen, daß seine ersten Jünger ihm schlichtweg ungehorsam gewesen wären − was ganz unmöglich ist. Wir haben bisher unseren Blick auf Jerusalem beschränkt. Das Bild der Gemeindeordnungen wird aber noch bunter, wenn wir darüber hinausgehen und wenigstens noch Antiochien und die paulinischen Gemeinden in die Überschau einbeziehen, bevor wir den Weg verfolgen, der zur Ausbildung von Diakonat, Presbyterat und Episkopat geführt hat.
2. Antiochien Während sich in Jerusalem schon sehr bald ortsgebundene Gemeindevorstände bildeten (»die Sieben«, die Ältesten), finden wir in Antiochien, der ersten von der christlichen Mission erreichten Großstadt (Apg 11, 19 f.), nichts dergleichen. Die fünf Männer, deren Namen uns Lukas in der alten Liste der Antiochener Gemeindeautoritäten aufbewahrt hat, werden als »Propheten und Lehrer« bezeichnet: an erster Stelle Barnabas, an letzter Paulus (Apg 13, 1 f.). Beide tragen während ihrer Tätig keit als Missionare, zu der sie auf Geheiß des Heiligen Geistes von der Gemeinde ausgesandt worden waren (Apg 13, 3 f.), den Titel »Apostel« (Apg 14, 4. 14), der von Lukas sonst nur den Zwölfen zugebilligt wird und deswegen hier aus der von ihm verwendeten Tradition stammen muß.9 Propheten, Lehrer, Apostel begegnen uns noch sehr viel später in einer Quelle, die aus demselben syrisch-palästinischen Raum stammt, der Didache. Aus dem, was dort (Did 11) und in der Apg von ihnen gesagt wird, läßt sich erkennen, daß diese Titel nicht einfach auf verschiedene Personen aufgeteilt werden können, sondern eher ein und denselben besitz- und heimatlosen Wandercharismatiker bezeichnen, der unter dem Antrieb des Geistes ruhelos von einem Ort zum anderen zieht, das Evangelium verkündet, die gewonnenen Brüder lehrt, stärkt und ermahnt, Zeichen wirkt, die Eucharistie feiert (Did 10, 7), sich aber nur ausnahmsweise endgültig in einer Gemeinde niederläßt (Did 13).10
8 Zur Frage der Stiftung der Kirche durch Jesus siehe u. a. G. Lohfink, Hat Jesus eine Kirche gestiftet?, ThQ 161, 1981, 81–97. 9 Vgl. die Kommentare zu Apg 14, 4. 14. 10 Siehe J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 515 f.; ders., Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 192–194. Zu den wandernden Propheten und Lehrern siehe G. Theissen, Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 21983, 79–105: Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum.
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Propheten und Lehrer, vom Geist als bevollmächtigte Apostel zur Mission ausgesandt, stehen also an der Spitze der antiochenischen Gemeinde. »Von einem ortsansässigen Leitungsgremium wird man hier nicht reden können; strenggenommen handelt es sich um bei der Gemeinde stehengebliebene Wandermissionare.«11 Das ist um so erstaunlicher, als sich die Christen offenbar hier in Antiochien erstmals von der Synagogengemeinde und ihrem Vorstand gelöst haben und organisatorisch eine eigene Gemeinde bilden. (Darauf deutet die Notiz Apg 11, 26, daß die Jünger zum erstenmal in Antiochien als Christianoi bezeichnet und damit von den Juden unterschieden wurden.12) Hier hätte es sich am ehesten nahegelegt, die Jüngergemeinde in Anlehnung an die Synagogengemeinde zu organisieren und entsprechende Leitungsgremien auszubilden, zumal solche in starken städtischen Gemeinden dringender benötigt werden als in den nur dünn mit Christen besetzten Dörfern.13 Aber die Wirkung der eschatologisch gestimmten wandernden Charismatiker, zu denen aus Jerusalem vertriebene Hellenisten des Stephanuskreises (Apg 11, 19 f.), aber wohl auch nicht mit Jerusalem in Verbindung stehende Wanderpropheten des syrisch-palästinischen Raumes gehört haben,14 blieb offenbar für lange Zeit bestimmend, so daß feste Gemeindeämter nicht ausgebildet wurden.15
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Das gilt weithin auch noch für die von Paulus gegründeten heidenchristlichen Gemeinden. Paulus ist ja eigentlich »Antiochener«, er hat in dieser Stadt und von ihr aus als Gemeindeapostel (Apg 14, 4. 14) in der Provinz Syrien-Kilikien rund vierzehn Jahre lang gewirkt, hat während dieser Zeit seine theologische Formung erhalten, ebenso sind seine Vorstellungen vom Gemeindeleben hier nachhaltig geprägt worden. Das läßt sich im 1. Korintherbrief erkennen, der den besten Einblick in das Leben einer paulinischen Gemeinde gewährt. Die Ordnung der Gemeinde soll sich nach dem vom einen Geist bestimmten Prinzip des Nutzens für alle vollziehen (1 Kor 12, 7). Der Geist ist es, der die verschiedenen Gnadengaben (Charismata) zur Auferbauung der Kirche (1 Kor 14, 12; vgl. 14, 3–6. 17. 27) jedem einzelnen zuteilt, wie er will (1 Kor 12, 11). Alle Mitglieder der Gemeinde sollen je nach den ihnen zuerteilten Befähigungen, Diensten, Leistungen so wie die Glieder eines einzigen Leibes nach dem Willen Gottes ihren je besonderen Beitrag zum Wohle des einen Leibes erbringen (1 Kor 12, 25).16 Paulus zählt verschiedene Charismen auf, die er of11
J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 515, 42–44. Vgl. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, KEK, Göttingen 71977, zur Stelle; M. Hengel (wie Anm. 3), 87 [bzw. 80]. 13 Vgl. G. Theissen (wie Anm. 10), 99 f. 14 Siehe J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 515, 14 f. 15 Siehe J. Roloff, Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 193. 16 Daß der Leib-Christi-Gedanke des Paulus eine funktionale Einheit meint, also auf den 12
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fenbar in der Kirche von Korinth voraussetzt: Weisheitsrede, Heilungsgaben, Wunderkräfte, Prophetie, Zungenrede, Auslegung der Zungenrede (vgl. 1 Kor 12, 8–10), Fürsorgeleistungen, Leitungs- und Verwaltungsaufgaben, und an der Spitze aller Charismen, die mit allen anderen der Auferbauung der Kirche dienen, die Apostel, Propheten und Lehrer (1 Kor 12, 28). Es gibt unter diesen Charismen bedeutendere und unbedeutendere (1 Kor 12, 31; 14, 5), an erster und an zweiter Stelle stehende (1 Kor 12, 28), aber ein gewissermaßen amtlich bestimmtes Verhältnis dieser Charismen untereinander gibt es nicht. Sie alle haben grundsätzlich denselben Rang vom Geist Gottes zugewiesener Gaben zum Nutzen aller. Kriterium für ihre Legitimität ist der Dienst, den sie für alle leisten, mag er auch noch so unterschiedlich sein, wie die Dienste der Glieder eines Leibes es sind. Was dem anderen nützt, ihm zum Leben in Christus (gemäß Christus) hilft und ermuntert, was Spaltung beseitigt und Frieden stiftet, ist vom Geist als legitimer Dienst ausgewiesen. Aber kein Dienst, auch der vornehmste nicht, kann als kirchebegründend betrachtet werden. Fundament der Kirche ist nach Paulus allein Christus (1 Kor 3, 11), nicht aber ein kirchlicher Dienst oder ein kirchliches Amt. Wenn in der paulinischen Gemeinde auch keine Aufteilung in bevollmächtigte Beamte und ihnen lediglich zu Gehorsam verpflichtete Untergebene stattfindet, sondern ausnahmslos alle Mitglieder der Kirche durch ihr je besonderes Charisma vom Geist Beauftragte sind, so gibt es doch Charismen an erster, zweiter und dritter Stelle, nämlich Apostel, Propheten und Lehrer (1 Kor 12, 28).17 Diese Titel sind gewiß ein Reflex der Gemeindeordnung, die Paulus in Antiochien kennengelernt hat (Apg 13, 1; 14, 4. 14). Bedingt durch die Lebensgeschichte des Paulus und die veränderten Umstände in der heidenchristlichen Gemeinde, haben diese »Ämter« aber nun doch eine Umdeutung und Adaptation erfahren. Die Funktionen der ehemals missionierend umherwandernden Propheten und Lehrer werden jetzt in der Gemeinde festgemacht. Paulus spricht im ersten Korintherbrief nicht nur besonders ausführlich vom prophetischen Dienst und seiner geordneten Durchführung in der Gemeinde (1 Kor 11, 4–16; 14, 1–40), sondern er hält es auch für möglich und wünschenswert, daß alle Gemeindemitglieder prophetisch reden (1 Kor 14, 1. 5. 24). Dabei geht es zwar um Offenbarung von Geheimnissen (1 Kor 13, 2; 14, 30), aber deutlich mit dem Ziel der Auferbauung der Mitchristen, also um Aufdeckung dessen, was ein Mensch ist und was er vor Gott sein soll: um Zuspruch, Ermahnung, Ermunterung, Trost (1 Kor 14, 3 f. 31); um einen Dienst auch mit
gegenseitigen Dienst aller in Christus Seienden zielt, hat Helmut Merklein in einer tief dringenden Studie gezeigt: Entstehung und Gehalt des paulinischen Leib-Christi-Gedankens, in: Im Gespräch mit dem dreieinen Gott. Festschrift zum 65. Geburtstag von Wilhelm Breuning, hg. von M. Böhnke/H. Heinz, Düsseldorf 1985, 115–140. 17 Zum folgenden vgl. H. Greeven, Propheten, Lehrer, Vorsteher bei Paulus. Zur Frage der Ämter im Urchristentum (1952/53), in: Das kirchliche Amt im Neuen Testament, hg. von K. Kertelge, WdF 189, Darmstadt 1977, 305–361.
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missionarischer Kraft: Der Prophet deckt den Irrtum des Ungläubigen auf und bringt ihn auf den Weg zu Gott (1 Kor 14, 24 f.). Dies alles kann grundsätzlich jedes Gemeindemitglied dem anderen leisten, wenn es vom Geist dazu gerufen wird.18 In Korinth offenbar noch nicht streng vom Dienst des Propheten geschieden, sondern häufig noch darin eingeschlossen, ist die Lehre. Die Weisheits- und Erkenntnisrede, die Paulus in der ersten Charismenliste (1 Kor 12, 8) nennt, wird am ehesten den Propheten zugefallen sein.19 Jedenfalls ist das Lernen neben der Erfahrung der Ermutigung 1 Kor 14, 31 ausdrücklich als Frucht des prophetischen Redens genannt, das alle üben können (vgl. auch 1 Kor 14, 9). Aber eine Verselbständigung des Lehr-Charismas zu einem persongebundenen Amt bahnt sich doch an. Das wird auch an der Situation der heidenchristlichen Gemeinde gelegen haben. War im Raume Syrien-Palästina das Evangelium vor allem Juden verkündet worden, bei denen eine Kenntnis der biblischen Überlieferungen vorausgesetzt werden konnte, so mußte für die Heiden diese Grundlage erst geschaffen werden. Dazu waren Gesetz und Propheten auf Christus hin auszulegen und die Christusbotschaft im neuen Denkund Vorstellungshorizont der römisch-hellenistischen Kultur zu vermitteln. Bei dem Zustrom der Bekehrungswilligen war das eine dauernde Aufgabe, die wohl ziemlich bald ein entsprechendes dauerndes Amt erforderte. So kennt auch schon Paulus den Katecheten, der den Katechumenen unterweist, als offenbar feste Einrichtung in der Gemeinde (Gal 6, 6). Im übrigen aber ist die Tendenz zur Ausbildung fester, persongebundener Ämter in den paulinischen Gemeinden, soweit das aus den Paulusbriefen erkennbar ist, mit einer Ausnahme (über die alsbald zu handeln ist) nicht besonders stark. Wir hören in 1 Thess 5, 12 und Rom 12, 8 von prohistamenoi, d. h. von fürsorgenden Vorstehern; in 1 Kor 12, 28 von kyberneseis, womit vielleicht Verwaltungs- und Leitungsaufgaben gemeint sind. In 1 Kor 12, 28 und Rom 12, 8 werden sie mitten zwischen den Charismen leiblicher und geistiger Hilfeleistungen genannt. Ob die (inhaltlich nicht klar bestimmbaren20) kyberneseis in Korinth ausschließlich einer bestimmten Personengruppe zugefallen sind, muß offenbleiben. Wenn Paulus dabei richterliche und disziplinarische Akte im Auge gehabt haben sollte, wie er sie in 1 Kor 5 und 6 in der Gemeinde voraus18 Siehe H. Greeven (wie Anm. 17), 309–323; ebd. 311 f. zu 1 Kor 14, 29–31; G. Dautzenberg, Urchristliche Prophetie. Ihre Erforschung, ihre Voraussetzungen im Judentum und ihre Struktur im ersten Korintherbrief, Stuttgart 1975, 298–300; ebd. 257–273 der Nachweis, daß auch Frauen in der Gemeinde prophetisch redeten und daß 1 Kor 14, 33 b– 36, wo ihnen dies untersagt wird, nur als Interpolation aus der Zeit der Pastoralbriefe erklärt werden kann. 19 Gleiches zeigt wohl auch die Zusammenstellung 1 Kor 14, 6 und 1 Kor 14, 26 im Verhältnis zu 1 Kor 14, 29 f.; vgl. H.-J. Klauck, 1. Korintherbrief, NEB 7, Würzburg 1984, 87 und 99; H. Greeven (wie Anm. 17), 342 f. 20 J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 520, denkt an »Dienste der Kassenführung und Verwaltung«.
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setzt und sonst den Propheten zuschreibt (vgl. 1 Kor 6, 5), dann müssen die Träger der kyberneseis von den Propheten in der Person nicht unterschieden gewesen sein. Die prohistamenoi (1 Thess 5, 12; vgl. Röm 12, 8) könnten schon eher bestimmte Mitglieder der Gemeinde sein, die besondere Aufgaben übernommen haben. Aber welche? Paulus nennt unter ihren Diensten rastlosen Einsatz (kopian) und Zurechtweisung und fordert für sie Anerkennung (1 Thess 5, 12 f.).21 Es kann sich dabei um Christen gehandelt haben, die sich wie der »Erstling Achaias« in Korinth, Stephanas mit seinem Haus, in den besonderen Dienst der Gemeinde gestellt haben (1 Kor 16, 15), indem sie ihr Haus zur Versammlung öffneten, aber nicht nur für die äußeren Dinge Sorge trugen, sondern auch für das geistliche Wohl der Versammelten.22 Auch ihre Leistung würdigt Paulus als Mitarbeit und mühevollen Einsatz (1 Kor 16, 16). Aber es waren keine von Paulus eingesetzten und mit irgendwelcher Amtsautorität ausgestatteten, an der Spitze der Gläubigen stehenden Gemeindeleiter, sonst müßte Paulus nicht um Achtung vor ihnen bitten (1 Kor 16, 16. 18), und vor allem müßte er sie für die Mißstände und Unordnung in dieser Kirche zur Rechenschaft ziehen. Er wendet sich aber an die Gemeinde insgesamt!23 Während sich bei den 1 Kor 12, 28 (in Anlehnung an das antiochenische Vorbild) genannten Diensten der (ursprünglich übergemeindlich tätigen) Propheten und Lehrer deutlich eine Entwicklung abzeichnet, die zu ihrer Ansiedlung in der Lokalkirche führt, kann das für die von Paulus an erster Stelle aufgeführten Apostel in seinen Gemeinden jedenfalls nicht gelten. Den charismatischen Wanderapostolat der Antiochener hat Paulus mit einem neuen Inhalt gefüllt. Apostel ist für ihn der durch eine Erscheinung des Auferstandenen unmittelbar zum Zeugnis und zur Verkündigung des Evangeliums berufene Gesandte Christi (vgl. Gal 1, 1 f.; Röm 1, 1–6; 1 Kor 15, 7–11). Seine Aufgabe ist nicht die eines Leiters einer Ortskirche, sondern bleibt übergemeindlich auf die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Ökumene ausgerichtet. Sie konkretisiert sich in der Gründung und Ordnung von Gemeinden, geht darin aber keineswegs auf. Auch wenn Paulus aufgrund seiner Berufung zur Verkündi-
21 Zur Bedeutung von kopian in diesem Zusammenhang vgl. H. Greeven (wie Anm. 17), 347–349. 22 Vgl. H.-J. Klauck, Hausgemeinde (wie Anm. 6), 33; ders., 1. Korintherbrief (wie Anm. 19), 126 f.; vgl. auch J. Roloff, Amt (wie Anm. 4) 521. 23 Vgl. H. Greeven (wie Anm. 17), 350–356. Wenn Greeven (mit Recht) betont, daß die prohistamenoi (die für ihn aus der Gruppe der Propheten und Lehrer kommen, 353) »in erster Linie augenscheinlich weder Verwaltungs- noch Repräsentationsaufgaben« erfüllten (351), auch nicht für die Leitung der Gottesdienste zuständig waren (355), vielmehr »nirgends . . . erkennbar« werde, »daß die Gemeinde als Ganze irgendwelchen Größen außerhalb ihrer gegenüberträte« (350), dann stiftet es terminologische Verwirrung, daß er den Dienst der prohistamenoi doch als »Gemeindeleitung« (345 und öfter) bezeichnet. Auch die Argumentation des Paulus gegen die Spaltungen in der Kirche von Korinth würde anders lauten, als sie 1 Kor 1, 11–15 steht, wenn Paulus die Korinther Gemeindeleitern unterstellt hätte.
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gung der Wahrheit des Evangeliums (Gal 2, 5) das Recht für sich in Anspruch nimmt, jederzeit wenn es nötig ist, ordnend in die Gemeinden einzugreifen, so betrachtet er solche ordnende Tätigkeit nicht als die spezifische Aufgabe des Apostels, sondern erwartet die Erfüllung dieses Dienstes eigentlich von der Gemeinde selbst (vgl. 1 Kor 5, 2; 6, 5; 1 Thess 5, 14; Röm 15, 14). Er hat das Fundament gelegt, andere sollen darauf aufbauen (1 Kor 3, 10)! Der Apostolat ist nicht Gemeindeleiterdienst, noch erschöpft er sich in Gemeindediensten, ebensowenig wie die Gemeindedienste Ableitungen aus dem Apostolat sind, sondern wie dieser ihre Legitimation durch den zum Dienst berufenden Gott selbst und ihre Norm an seinem Evangelium haben (1 Kor 12, 18).24 Die Vielfalt und der Wechsel der Bezeichnungen für die Dienste, zugleich das Fehlen einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen, zeigen genügend, daß es so etwas wie ein in rechtlichen Formen übertragenes, dauerndes Amt mit fest umschriebener Vollmacht in den Gemeinden des Paulus nicht gab. Nach der Darstellung der Apg 14, 23 (vgl. 20, 17) hat zwar Paulus in den von ihm gegründeten Gemeinden Presbyter als Leiter eingesetzt. Doch steht diese Nachricht im Widerspruch zu dem, was wir von Paulus selbst über die Ordnung seiner Gemeinden erfahren, und kann nur als anachronistische Rückspiegelung der Gemeindeverfassung gewertet werden, die Lukas zu seiner Zeit vor Augen hatte.25
4. Episkopoi und Diakonoi bei Paulus
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In der Adresse des Philipperbriefes (1, 1) grüßt Paulus alle Christen in Philippi »samt Episkopen und Diakonen«.26 Es ist die einzige Stelle in den Paulusbriefen, an der von Episkopen die Rede ist, und es ist literargeschichtlich ihre früheste Nennung in der Geschichte des Christentums überhaupt. Leider verrät uns Paulus mit keiner Silbe, was es mit den Episkopen und Diakonen in der Gemeinde von Philippi auf sich hat. Welche Funktionen sie ausgeübt haben und wer sie zu ihrem Dienst bestellt hat, wird sich deshalb nie mit Sicherheit sagen lassen. Fest steht, daß wir es hier mit Titeln zu tun haben, mit denen Träger bestimmter Funktionen in der Gemeinde gekennzeichnet wurden. Geht man − was sich nahelegt − davon aus, daß diese von Paulus an herausragender Stelle genannten Titel eine Zusammenfassung und Verfestigung dessen darstellen, was auch sonst schon an respektablen Diensten in den paulinischen Gemeinden erkennbar ist, dann wird man in den Episkopen und Diakonen jene sehen, die für ihre Mitchristen fürsorgende, verwaltende, leitende Aufgaben erfüllt haben.27 24
Siehe J. Roloff, Amt (wie Anm. 4) 515 f.; 518 f.; 520 f.; 522. Vgl. z. B. H. Greeven (wie Anm. 17), 356–359. 26 Dazu vgl. J. Gnilka, Der Philipperbrief, HThK, Freiburg/Basel/Wien 1968, 32–40: Exkurs 1: Die Episkopen und Diakone; J. Hainz, Die Anfänge des Bischofs- und Diakonenamtes, in: Kirche im Werden. Studien zum Thema Amt und Gemeinde im Neuen Testament, hg. von J. Hainz, München 1976, 91–107. 25
4. Episkopoi und Diakonoi bei Paulus
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Aber man muß zurückhaltend sein, in ihnen förmliche, für die Gesamtgemeinde verantwortliche und an ihrer Spitze stehende Gemeindeleiter zu sehen. »Die Stellung der Episkopen und Diakone im Eingangsgruß des Philipperbriefes (›. . . allen Heiligen in Christus Jesus in Philippi samt Episkopen und Diakonen‹, heißt es) läßt keinen Zweifel daran, daß sie der Gemeinde zugeordnet, keinesfalls aber vor- oder übergeordnet sind; sie sind Gemeindeamtsträger und gehören in die Gemeinde.«28 Paulus wendet sich mit seinem Brief an alle Christen in Philippi, »primärer Verantwortungsträger ist die Gesamtgemeinde.«29 Aber vielleicht ist sogar mit dem, was soeben über die Funktionen der Episkopen gesagt wurde, schon zuviel vermutet. Der wohl nicht aus dem Sprachgebrauch der Bibel, sondern aus dem profanen Griechisch übernommene Titel (der wörtlich ›Aufseher‹ bedeutet) weist nach seiner vielfältigen Verwendung dort eher in Richtung eines reinen Verwaltungsbeauftragten. Episkopos ist z.B. ein zur Durchführung oder Aufsicht von Bau-, Münz-, Finanz-, Proviant- oder Kommunalangelegenheiten dauernd oder zeitweilig bestellter Beamter.30 Er ist sozusagen Geschäftsführer oder Verwaltungsmann mit Zuständigkeit für ein bestimmtes Ressort. Er ist verantwortlich für die korrekte Erledigung einer sachlichen Aufgabe, aber nicht für die Leitung einer menschlichen Gemeinschaft. Von daher wird es verständlich, daß man in den Episkopen und Diakonen von Phil 1, 1 Leute gesehen hat, die vor allem mit »praktischen Dingen« zu tun haben: mit Fürsorgediensten, Organisation des Gemeindemahles, »Versorgung von Kranken, Gefangenen, Durchreisenden«, in diesem speziellen Fall sogar lediglich »die Vermittler der Gabe an den Apostel« (vgl. Phil 4, 10–18).31 Doch muß man mit der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit rechnen, daß die christliche Gemeinde den profanen Titel mit neuem Inhalt gefüllt und seinen Bedeutungsumfang erweitert hat, so daß die Episkopen in Philippi nicht nur für das äußere, sondern auch für das geistliche Wohl der Gemeinde zu sorgen gehabt hätten. Aber beweisen läßt sich hier nichts, die genauen Tätigkeiten und in ihrer Verantwortung liegenden Aufgaben in der Gemeinde bleiben unbestimmbar.32 Wir haben es mit einem wichtigen kirchlichen Amt zu tun, das von mehreren Personen (nicht unbedingt auch kollegial) ausgeübt wurde,33 und wir 27 Man wird also etwa an die Träger der antilempseis und kyberneseis (1 Kor 12, 28), die Mitarbeiter und sich im Dienst der Gemeinde Abmühenden (1 Kor 16, 15 f.; 1 Thess 5, 12), die prohistamenoi (1 Thess 5, 12 f.; Rom 12, 8) denken. 28 J. Hainz, Die Anfänge (wie Anm. 26), 102. 29 J. Gnilka, Der Philipperbrief (wie Anm. 26), 34. 30 Vgl. H. Lietzmann, Zur altchristlichen Verfassungsgeschichte (1914), in: Das kirchliche Amt im Neuen Testament (wie Anm. 17), 93–143, hier 96–101; H. W. Beyer, Art. episkopos, in: ThWNT 2, 1935, 604–617. Der essenische mebaqqer kommt als Modell für den episkopos kaum in Betracht, siehe J. Gnilka (wie Anm. 26), 36–38. 31 So M. Dibelius, »Bischöfe« und »Diakonen« in Philippi (1937), in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 416 f. 32 Vgl. das Ergebnis bei J. Hainz (wie Anm. 26), 96 f.; 101 f.; 106 f. 33 Mit Recht weist J. Hainz (wie Anm. 26), 105 darauf hin, daß man sich hüten müsse, aufgrund der Mehrzahl in Phil 1, 1 bereits »von Episkopen- und Diakonen-›Kollegien‹ zu
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können begründet annehmen, daß es irgendeine Verbindungslinie zwischen diesem erstmals in der Geschichte der jungen Kirche auftauchenden Episkopenamt und dem späteren Bischofsamt gibt. Mehr läßt sich nicht ausmachen. Über den diakonos wurde noch gar nichts gesagt, weil uns eine zweite Stelle bei Paulus, an der das Wort ebenfalls in einem technischen Sinn nach Art eines Titels gebraucht wird, hilft, seine Funktion etwas besser zu erkennen. Es ist jene − in der letz ten Zeit viel diskutierte − Stelle Röm 16, 1 f., an der Paulus für den weiblichen diakonos Phoebe eine offizielle Empfehlung an die römische Gemeinde ausspricht: »Ich empfehle euch nun Phoebe, unsere Schwester, die zudem diakonos der Gemeinde in Kenchreae ist, daß ihr sie aufnehmt im Herrn, wie es sich für Heilige gehört, und ihr in jeder Sache beisteht, bei der sie euer bedarf; denn auch sie selbst ist ›Hort‹ (prostatis) für viele geworden, ja auch für mich selbst.« Fast allgemeine Übereinstimmung besteht darüber, daß Phoebe hier den Titel trägt, der Phil 1, 1 begegnet: Sie nimmt das Amt eines diakonos in der Kirche von Kenchreae, dem östlichen Hafenort Korinths wahr.34 Diakone gibt es also nicht nur in Philippi, sondern auch in Kenchreae und dann gewiß ebenfalls in Korinth, und sie sind, da Paulus den Christen in Rom schreibt, offenbar auch dort nicht unbekannt (vgl. Röm 12, 7). Weiterhin: Auch Frauen haben dieses Amt übernommen, nachweislich in Kenchreae, möglicherweise auch in Korinth, Philippi und Rom. (Paulus verwendet den Titel diakonos, nicht diakonissa, so daß es nicht auszuschließen, eher naheliegend ist, daß auch Frauen unter den diakonoi von Philippi waren.35) Etwas über den besonderen Dienst des diakonos läßt sich vielleicht aus der einzigartigen Weise entnehmen, in der Paulus die Tätigkeit der Phoebe kennzeichnet: Sie sei für viele und auch für ihn persönlich prostatis gewesen (Röm 16,2). Fast alle Ausleger bevorzugen hier die allgemeine Bedeutung des Wortes
sprechen.« Die Mehrzahl deute zunächst »nur auf eine größere Anzahl. ›Kollegium‹ weckt unmittelbar die Vorstellung einer Gemeindevorstandschaft, die immer nur gemeinschaftlich die Aufgaben der Gemeindeleitung wahrnahm; doch das geht weit über das dem Text Entnehmbare hinaus.« 34 Vgl. z. B. die Kommentare von O. Michel, E. Käsemann, H. Schlier zur Stelle; dazu A. Weiser, Die Rolle der Frau in der urchristlichen Mission, in: Die Frau im Urchristentum, hg. von G. Dautzenberg/H. Merklein/K. Müller, QD 95, Freiburg/Basel/Wien 1983, 175 f.; G. Lohfink, Weibliche Diakone im Neuen Testament, in: Die Frau im Urchristentum (ebd.), 325 f., mit ausführlicher, in der Hauptsache auch sonst vorher anzutreffender Begründung. 35 Vgl. G. Lohfink (wie Anm. 34), 326. − Ebensowenig ist es auszuschließen, daß auch Frauen unter den episkopoi von Philippi waren. Noch Epiphanius, Panarion haer. 49, 2, 5 (GCS Epiphanius II2, 243, 8 f. Holl/Dummer), hat für die montanistischen Inhaberinnen dieses Amtes nur den Titel episkopos zur Verfügung. Da Paulus Röm 16, 7 eine Frau (Junia) unter die »bedeutenden Apostel« rechnet, überhaupt zahlreiche Frauen unter seinen Mitarbeitern hat, wären weibliche episkopoi in Philippi nichts Außergewöhnliches; vgl. G. Lohfink (wie Anm. 34) 327–332 zur Junia; V. Fa`brega, War Junia(s), der hervorragende Apostel (Röm 16,7), eine Frau?, JAC 27/28, 1984/85, 47–64.
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»Beschützerin, Beistand« und weisen die andere technische, die das Wort auch haben kann, nämlich »Vorsteherin, Patronin« zurück, weil Phoebe weder das eine noch das andere für Paulus gewesen sein könne.36 Das ist so sicherlich richtig. Aber es muß doch einen besonderen Grund haben, daß Paulus in diesem Falle gerade diesen − eben doch sehr förmlichen − Begriff wählt, da es sonst nicht seine Art ist, unspezifische Fürsorgedienste mit einem Substantiv zu belegen. Seine Charismenlisten (1 Kor 12) enthalten solche termini technici nur für die bereits klar in Erscheinung getretenen, festen Dienste: Apostel, Propheten, Lehrer. Der Dienst, den Phoebe der Gemeinde geleistet hat, muß deutlich spezifisch gewesen sein. Insofern wird man doch H.-J. Klauck Recht geben, der die allgemeine Bedeutung für unzureichend hält und auf einer technischen beharrt. »Der Dienst der Phoebe wird wesentlich darin bestanden haben, daß sie als Gastgeberin fungierte und die Filialgemeinde von Kenchreai, die von Korinth aus gegründet worden war, in ihrem Haus beherbergte. Ihre Bezeichnung als prostatis . . . gibt das her.«37 Bei der Bedeutung, die solch ein dauernd für die Aufnahme der Mitchristen offenstehendes Haus an einem verkehrsreichen Platz wie dem Hafen von Korinth erlangen mußte, ist es leicht verständlich, daß sich für die Hausherrin eine feste Bezeichnung einbürgerte (zumal dieser Titel in dieser Gegend beheimatet ist). Phoebe mag also das getan haben, was auch Stephanas mit seinem Haus getan hat, »die sich zur diakonia für die Heiligen bereitgestellt haben« (1 Kor 16, 15). In solchen Diensten wird man die Wurzeln des späteren förmlichen Diakonenamtes sehen können.38 Aus dem sonstigen Gebrauch der Wörter diakonia, diakonos, diakonein bei Paulus ist für den besonderen Dienst des diakonos von Phil 1, 1 und Röm 16, 1 nichts Sicheres zu entnehmen. Diakonia ist bei Paulus der umfassende Begriff für die verschiedenen Dienste und Leistungen materieller und geistiger Art, sowohl in der Gemeinde wie übergemeindlich (vgl. 1 Kor 12, 5), Apostolat und Verkündigung des Evangeliums eingeschlossen. So bezeichnet er sich selbst als diakonos Gottes und Christi (2 Kor 6, 4; 11, 23; vgl. 1 Kor 3, 5), sein Apostelsein als diakonia (Röm 11, 13; 2 Kor 3, 6–9; 4, 1; 5, 18; 6, 3 f.). Wenn man annimmt, daß dieser paulinische Sprachgebrauch nicht ohne Wirkung auf die Verfestigung des Titels in Philippi und Korinth geblieben ist, so wäre diakonos die ältere »Dienstbezeichnung« und vor episkopos entstanden. Aber wenn auch nicht auszuschließen, so ist das doch nicht sicher. Wie episkopos kann auch diakonos maßgeblich vom Sprachgebrauch der hellenistischen Umwelt geprägt sein. Hier bezeichnet der zunächst durchaus nicht technische Begriff alle möglichen höheren und niederen Dienste: Kommunal- und Sakralbeamte, Haus36
So etwa H. Lietzmann in seinem Römerbriefkommentar z. St., weiter die in Anm. 34 genannten O. Michel, E. Käsemann, H. Schlier, A. Weiser, 171 f., G. Lohfink, 325. 37 H.-J. Klauck, Hausgemeinde (wie Anm. 6), 30 f. 38 Vgl. H. Lietzmann, An die Korinther I, HNT 3/1, Tübingen 1907, 158; H.-J. Klauck, Hausgemeinde (wie Anm. 6), 33.
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verwalter, Untersteuermann, Boten, Hausangestellte und sehr häufig diejenigen, die für den geordneten Ablauf eines Mahles zu sorgen haben.39 Eine eindeutige Option für eine bestimmte Bedeutung des Titels diakonos in Philippi und Kenchreae ergibt sich daraus nicht.40 Vor einfachen Rückschlüssen aus späterer Zeit wird man sich − ebenso wie im Falle des episkopos − hüten müssen. (Man darf die Diakone von Phil 1, 1 also nicht als die Gehilfen des Bischofs bei der gemeindlichen Eucharistiefeier betrachten, denn davon hören wir bei Paulus nichts. Beim Herrenmahl in Korinth [vgl. 1 Kor 11, 11–34] treten weder Episkopen noch Diakone, noch irgendwelche anderen Amtsträger in Erscheinung,41 wie es überhaupt im Neuen Testament keine Stelle gibt, an der die Eucharistie mit einem Amt verbunden ist.42) Die verschiedenen Benennungen weisen auf unterschiedene Träger der episkopalen und diakonalen Funktionen; die sicherlich immer mitgehörte ursprüngliche Bedeutung »Aufseher« und »Diener« zeigt möglicherweise eine Stufung im Rang an. Daß aber dadurch eine unmittelbare Zuordnung und Unterordnung im Verhältnis Diakon-Episkop ausgesagt sei, ist schon wieder fraglich. Die Formulierung Röm 16, 1: »Phoebe, die Diakon der Kirche in Kenchreae ist«, schließt das eher aus. Sie zeigt eine unmittelbare Zuordnung des Diakons zur Gemeinde. Freilich wissen wir nicht, ob es zur Zeit der Abfassung des Römerbriefes bereits Episkopen in Korinth gegeben hat. (Bezeichnenderweise heißt es Röm 12, 7: ει῎τε διακονι´αν, ε᾽ν ῀ͺ ε᾽πισκοπη ῀ͺ!) Dann würde τη ῀ͺ διακονι´αͺ, aber [noch?] nicht: ει῎τε ε᾽πισκοπη´ν, ε᾽ν τη die Ausdrucksweise Röm 16, 1 um so mehr erweisen, daß der Diakonentitel der ältere ist. Wenn es aber dort Episkopen gegeben hat, dann zeigt sie die vorrangige Hinordnung des »Diakonenamtes« zur Gemeinde an.43 Wer die Diakone und Episkopen zu ihrem Dienst bestellt hat und ob und wie ihr »Amt« weitergegeben wurde, erfahren wir nirgendwo. Wenn der Diakonat als Amt älter ist als der Episkopat − was mir wahrscheinlicher zu sein scheint −, dann ist er ganz natürlich aus der Gemeinde selbst erwachsen (vgl. 1 Kor 16, 15) und von ihr allmählich durch den Titel förmlich anerkannt worden. Für den episkopos, dessen Titel erheblich amtlicheren Klang hat, wird man eher eine Einrichtung und Bestellung (durch Wahl?) seitens der Gemeinde annehmen.44 Paulus hat diese Entwicklung ganz offenkundig gebilligt (Phil 1, 1), und diese Billigung durch apostolische Autorität wird nicht unerheblich zur späteren Durchsetzung beider Amtstitel in der gesamten Kirche beigetragen 39
Belege bei H. Lietzmann, Zur altchristlichen Verfassungsgeschichte (wie Anm. 30), 101–103; M. Dibelius (wie Anm. 31), 414 f.; H. W. Beyer, Art. diakoneo, diakonia, diakonos, in: ThWNT 2, 1935, 81–93; hier 91 f. 40 Vgl. J. Hainz, Die Anfänge (wie Anm. 26), 96 f. 102. 41 Vgl. H. Greeven (wie Anm. 17), 355. 42 Vgl. H.-J. Klauck, Hausgemeinde (wie Anm. 6), 43. 43 Anders J. Hainz, Die Anfänge (wie Anm. 26), 104, der es für wahrscheinlicher hält, daß die Diakone die »persönlichen Helfer« der Episkopen sind. 44 Vgl. J. Gnilka (wie Anm. 26), 39; A. Vögtle, Kirche und Amt im Werden, MThZ 28, 1977, 158–179, hier 162 f. (mit kritischen Bemerkungen zu J. Hainz).
5. Episkopoi und Diakonoi in der Didache
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haben. Doch sind wir zur Zeit der Abfassung des Philipper- und des Römerbriefes noch weit entfernt von dem, was einmal Episkopat und Diakonat in der Kirche sein werden, und man kann noch nicht einmal sagen, dass die Geleise hier schon so gelegt seien, daß die Entwicklung historisch notwendig in die sich später universal durchsetzenden Ämter auslaufen mußte.
5. Episkopoi und Diakonoi in der Didache Wie zögernd die Durchsetzung des Episkopen- und Diakonenamtes in anderen christlichen Gemeinden erfolgt ist und wie lange es noch gedauert hat, bis die verschiedenen Dienste und Funktionen in der Gemeinde in der Ämtertrias (Bischof, Presbyter, Diakon) zusammengefaßt wurden, erkennt man aus der wohl Anfang des zweiten Jahrhunderts im Raume Syrien-Palästina redigierten Gemeindeordnung »Didache«.45 Die Didache setzt in den Kap. 10–13 noch voraus, daß wandernde Charismatiker, die als Apostel und Propheten bezeichnet werden, von Ort zu Ort ziehen und die Gemeinden lehren, sie zur Erfüllung der Gebote anhalten, auch die Eucharistie mit ihnen feiern (vgl. 10, 7). Sie weiß auch von Propheten und Lehrern, die sich in Gemeinden niedergelassen haben und von ihnen für ihre Arbeit ernährt werden (13). Sie spiegelt hierin noch ein Stadium der Gemeindeleitung wider, wie es Apg 13, 1–2 für das syrische Antiochien bezeugt ist.46 Aber aus dem ziemlich sicher später angefügten Kap. 15 geht hervor,47 daß mittlerweile andere Zeiten angebrochen sind: Die ehemaligen Wanderpropheten und -lehrer sind ausgeblieben, und die Gemeinden werden vom Didachisten aufgefordert, Abhilfe zu schaffen: »Wählt euch nun Bischöfe und Diakone, würdig des Herrn, sanftmütige Männer, nicht geldgierig, aufrichtig und bewährt! Sie leisten euch nämlich ebenfalls den Dienst von Propheten und Lehrern. Achtet sie also nicht gering! Denn sie sind die ehrenvoll Ausgezeichneten unter euch samt den Propheten und Lehrern.« (Did 15, 1 f.)48
Bewährte Männer, die aus der Gemeinde stammen, werden hier durch Wahl der Gemeindemitglieder zu Episkopen und Diakonen bestellt. Sie sind ortsansässige Amtsträger, vielleicht auch von der Gemeinde unterhalten.49 Sie über45
Zu Zeit und Ort der Abfassung siehe K. Wengst (Hg.), Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, SUC II, Darmstadt 1984, 61–63 (mit der Diskussion 25–32: das in der Didache mehrfach genannte ›Evangelium‹ ist wahrscheinlich das des Matthäus). 46 Siehe oben §2. 47 Vgl. W. Rordorf/A. Tuilier (Hg.), La Doctrine des douze Apoˆtres (Didache), SC 248, Paris 1978, 63 f. 48 Übersetzung von K. Wengst (wie Anm. 45), 89. 49 Leitourgia (Did. 15, 1) gewinnt hier wieder seine technische Bedeutung ›Amt‹, ›amtlicher Dienst‹; time ist auch das Amt oder der Sold; tetimemenoi (Did 15, 2) könnte somit auch
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nehmen die Aufgaben in Lehre, Unterweisung und Gottesdienst, die bislang Propheten und Lehrer für die Gemeinde erfüllt haben, und fungieren dabei als Kollegium. Die Funktionen der Bischöfe und Diakone sind wahrscheinlich unterschieden, aber doch einander zugeordnet. Über die Art der Aufteilung erfahren wir aber nichts. Ihre Position ist offenbar noch wenig sicher und angesehen , denn die Gemeinde wird zur Achtung vor ihnen aufgefordert, der Didachist stellt ihr Amt dem der Propheten und Lehrer gleich. Von Sukzession und Ordination ist, da es sich um von der Gemeinde Gewählte handelt, naturgemäß nicht die Rede, der Monepiskopat liegt in weiter Ferne. Es fällt auf, daß dem Didachisten Presbyter als Gemeindeleiter offenbar unbekannt sind. Paulinischer Einfluß ist in der Didache nicht zu finden,50 aber der Verfasser des 15. Kapitels muß irgendwo in seinem Umkreis mit der Möglichkeit bekannt geworden sein, daß Episkopen und Diakone wichtige Aufgaben in der Gemeinde erfüllen. Diese »Verfassungsform« muß sich also inzwischen (von Philippi aus?) weiter ausgebreitet haben. Gegenüber dem Phil 1, 1 vorauszusetzenden Stadium ist sie inhaltlich deutlich aufgefüllt, wenn auch noch keineswegs alle kirchlichen Funktionen in die Kompetenz der Episkopen und Diakone fallen. Einsetzung ins Amt (Did 15, 1), Taufe (Did 7) und Bußverfahren (Did 15, 3) unterliegen der Zuständigkeit der Gesamtgemeinde.51 Ihr, nicht den Amtsträgern, gilt die ständige Anrede des Didachisten; sie bleibt als lebendiger Tempel, in dem der Name Gottes wohnt (vgl. Did 10, 2), der letzte, der Norm des Evangeliums unterstehende Verantwortungsträger (vgl. insb. Did 15, 3 f.; 16). Insofern kann das Kollegium der Episkopen und Diakone hier noch nicht als gemeindeleitende Instanz im eigentlichen Sinn betrachtet werden.
6. Die sogenannte Presbyteralverfassung Wie wir in den Gemeinden, für welche die paulinischen Briefe und die Didache bestimmt waren, wohl Episkopen und Diakone, aber keine Presbyter finden, so setzen andere Schriften des Neuen Testaments (z.B. Apg, 1 Petr, Jak) ein Kollegium von Presbytern (Ältesten) an der Spitze der Gemeinde voraus und schweigen von den Episkopen und Diakonen. Man hat sich infolgedessen daran gewöhnt, von episkopaler und presbyteraler Verfassung und deren Mischformen zu reden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß die sog. episkopale Verfassung weder bei Paulus noch in der Didache in der Gestalt bedie mit einem ehrenvollen (besoldeten) Amt Ausgestatteten meinen; vgl. die Wörterbücher sub voce; E. Schweizer, Gemeinde und Gemeindeordnung im Neuen Testament, AThANT 35, Zürich 21962, 128 f. 50 Siehe E. Dassmann, Der Stachel im Fleisch. Paulus in der frühchristlichen Literatur bis Irenäus, Münster 1979, 99; 107; vgl. W. Rordorf, A. Tuilier (wie Anm. 47), 98 Anm. 2. 51 Vgl. K. Wengst (wie Anm. 45), 36 f.
6. Die sogenannte Presbyteralverfassung
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gegnet, daß die Gemeinde in ausschließlich bevollmächtigte kirchliche Beamte 62 einerseits und ihre zu Gehorsam verpflichteten Untergebenen andererseits aufgeteilt wäre, und daß es daneben viele Gemeinden gab, die weder Presbyter noch Episkopen kannten (z.B. die Gemeinden des Mt, Joh, Hebr52). Diese Typisierung ist also weitgehend eine Hilfskonstruktion, die eine Orientierung in der Vielfalt der Gemeindeordnungen der frühen Zeit ermöglichen soll, aber nur einen Ausschnitt aus dem vielschichtigen Bild erfaßt, und selbst diesen nur ungenügend. Unter dieser Einschränkung muß nun aber, bevor die weitere Entwicklung des Episkopen- und Diakonenamtes verfolgt werden kann, etwas zur Presbyteralverfassung gesagt werden. Sie scheint sich ziemlich früh zunächst in judenchristlichen Gemeinden herausgebildet zu haben und hat ihr Vorbild unzweifelhaft auf jüdischem Boden. * An der Spitze jüdischer Orts- und Synagogengemeinden stand ein Ratskollegium von angesehenen, erfahrenen Männern, die den Ehrentitel »Ältester« führten und in den Angelegenheiten der Gemeinde die verantwortlichen, entscheidenden, auch richterlichen Funktionen ausübten.53 Für judenchristliche Gemeinden muß es nahegelegen haben, sich ebenfalls ein entsprechendes Leitungsgremium zu schaffen, sobald die Bindung an den jüdischen Synagogenverband locker wurde oder völlig zerbrach. Am frühesten sind Älteste als Gemeindevorstand in Jerusalem bezeugt (Apg 11, 30; 15, 2. 4. 6. 22 f.; 16, 4; 21, 18), wenn es auch offen bleiben muß, ob es dieses Presbyterkollegium schon zur Zeit des sog. Apostelkonzils (48/49) dort gab, oder − was doch wahrscheinlicher ist − ob es erst nach dem endgültigen Fortgang des Petrus aus Jerusalem vom Herrenbruder Jakobus gebildet wurde. Immerhin setzt die Einrichtung eines solchen Gremiums doch wohl voraus, daß es in der Gemeinde eine genügende Anzahl altbewährter Männer gab.54 Für den um 90 n.Chr. schreibenden Verfasser der Apostelgeschichte Lukas sind Presbyter die selbstverständlichen Gemeindeleiter nicht nur in Jerusalem, sondern auch in den von Paulus gegründeten Gemeinden (vgl. Apg 14, 23; 20, 17). Die presbyterale Gemeindeordnung bildet neben der episkopalen einen zweiten bedeutenden Entwicklungsstrang in der Geschichte der frühchristlichen Gemeindeverfassung und läuft ihr für eine beträchtliche Zeit weithin den Rang ab. Presbyterkol legien stehen, wie uns spätere Zeugnisse beweisen, 63 schließlich auch an der Spitze ursprünglicher Paulusgründungen wie Philippi und Korinth. Deren ehemals charismatische Ordnung ist im Laufe der Zeit von der offenbar wirksameren presbyteralen abgelöst worden.
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Dazu kurz J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 516 f. Belege bei H. Lietzmann (wie Anm. 30), 107–125. G. Bornkamm, Art. presbys ktl., in: ThWNT 6, 1959, 651–683; hier 651–662; vgl. auch R. Zollitsch, Amt und Funktion des Priesters. Eine Untersuchung zum Ursprung und zur Gestalt des Presbyterats in den ersten zwei Jahrhunderten, FThSt 97, Freiburg 1974, 15–23. 54 Vgl. G. Bornkamm (wie Anm. 53), 663. 53
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Eine rein presbyterale Ordnung kennen der Jakobusbrief (5, 14 f.), der 1. Petrusbrief (5, 1–4),55 wohl nicht die Apokalypse des Johannes.56 Aus den genannten Schriften (einschließlich der Apg 20, 17–35) ergibt sich für die Stellung und Funktionen der Presbyter in der Gemeinde insgesamt etwa folgendes Bild. Sie sind festinstallierte Amtsträger, die kollegial, ohne erkennbaren Unterschied in den Aufgaben und in der Stellung, das Hirten-, d. h. das Leitungsamt, zu dem sie der Hl. Geist in der Kirche Gottes bestellt hat, ausüben (Apg 20, 28; 1 Petr 5, 1 f.; Jak 5, 14). Ihr Amt ist rastloser, wachsamer, uneigennütziger, von Herrschsucht freier Dienst für das Heil der Gemeinde, der sie zum Vorbild dienen sollen (Apg 20, 19. 31–35; 1 Petr 5, 2 f.). Dieser Dienst, der die Bereitschaft zu Leiden und Tod einschließt, den sie vom Herrn empfangen und für den sie dem Herrn verantwortlich sind (Apg 20, 19–25; 1 Petr 5, 1. 4), erfüllt sich vor allem in der furchtlosen Verkündigung der unverkürzten und unverfälschten Wahrheit des Evangeliums und der Bewahrung des vollen apostolischen Erbes vor drohender Irrlehre (Apg 20, 20. 24–30).57 Die Presbyter sind also die von Gott berufenen, für die gesamte Gemeinde verantwortlichen, ihr mit amtlicher Vollmacht und Autorität gegenübertretenden Gemeindeleiter. Insofern sind sie bedeutend mehr als die Episkopen und Diakone in Philippi und auch noch in den Gemeinden der Didache, die als von der Gemeinde bestellte Amtsträger zwar wichtige, aber doch nur begrenzte Funktionen innerhalb der Ortskirche erfüllen, denen aber keineswegs die Leitung der Gesamtgemeinde zufiel. Die weitere Geschichte beweist aber, daß sich mit zunehmender Ausbreitung des Christentums, wachsendem Kontakt der Gemeinden untereinander und gegenseitiger Durchdringung der einzelnen Ortskirchen durch reisende oder zuziehende Christen naturgemäß beide Verfassungsformen einander anglichen, bis sie schließlich ineinander aufgingen. Der Prozeß der Angleichung und Verschmelzung ist für uns infolge des Mangels an Quellen im einzelnen nicht mehr erkennbar, das Faktum wird aber durch zwei wichtige Quellen der nachapostolischen Zeit, den Brief des Clemens Romanus und die Pastoralbriefe, offenkundig. Die Verfasser dieser Schriften tragen überdies, jeder für sich auf besonderem Gebiet, mit neuen Elementen zur Geschichte des frühkirchlichen Amtes bei. Ihnen müssen wir uns jetzt zuwenden, und zwar zunächst den Pastoralbriefen.
55 Vgl. N. Brox, Der erste Petrusbrief, EKK 21, Zürich 1979, 230; F. Schröger, Gemeinde im 1. Petrusbrief. Untersuchungen zum Selbstverständnis einer christlichen Gemeinde an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert, Passau 1981, 112 Anm. 11. 56 H. Freiherr von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, Tübingen 21963, 90 (eher bejahend); ablehnend: A. Satake, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, Neukirchen 1966, 149. 57 Siehe dazu H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 80 f.; 87–90; zu Apg 20 J. Roloff, Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 303–307; zu 1 Petr 5, 1–5 N. Brox (wie Anm. 55), 226–233; F. Schröger (wie Anm. 55), 114–119.
7. Pastoralbriefe
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Einen Hinweis auf das Bemühen, Episkopal- und Presbyteralordnung in eins zu setzen, kann man vielleicht schon in Apg 20, 28 erblicken, wo die (von Paulus nach Milet gerufenen) Presbyter von Ephesus als episkopoi bezeichnet werden. Im Zusammenhang läßt sich das nur mit dem funktionalen Begriff »Aufseher« o.ä. übersetzen. Aber da Lukas diesen Begriff nur hier und eben zur Kennzeichnung der gemeindlichen Aufgaben der Presbyter verwendet, mag man darin die Absicht erkennen, die ihm bekannten Presbyter mit den Episkopen der paulinischen Gemeinden gleichzusetzen. Eine ähnliche Absicht läßt sich vielleicht auch in einem anderen Falle vermuten. Lukas erwähnt niemals ausdrücklich Diakone, scheint aber mit seiner Darstellung Apg 6, 1–6 den Eindruck erwecken zu wollen, als seien die »zum Dienst an den Tischen« aufgestellten sieben Männer so etwas wie Diakone.58
7. Pastoralbriefe In den Pastoralbriefen (1, 2 Tim, Tit), deren uns unbekannter Verfasser zu Beginn oder wahrscheinlicher nach dem ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts im Kampf gegen verschiedene Formen dualistischer Häresien die überlieferte »gesunde Lehre« (2 Tim 1, 13) vor allem durch klare Anweisungen für eine feste Kirchenordnung retten will,59 finden wir folgende Ämter: den Bischof (1 Tim 3, 1–7; Tit 1, 7–9), die Presbyter (1 Tim 5, 17–19; Tit 1, 5 f.), die als Kollegium »Presbyterion« heißen (1 Tim 4, 14), und die Diakone, die nur 1 Tim 3, 8–13 erwähnt werden. (Von den Witwen, für die 1 Tim 5, 3–16 Richtlinien festgelegt werden, kann in diesem Zusammenhang abgesehen werden.60) Die bei Paulus so wichtigen Propheten und Lehrer spielen in der Gemeindeordnung der Pastoralbriefe keine Rolle.61 Bischof, Presbyter und Diakone werden insbesondere in den sog. Ämterspiegeln genannt, die jeweils einen offenkundig schon traditionellen Pflichtenkatalog wiedergeben. Dabei fällt auf, Vgl. H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 88; J. Roloff, Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 109 f.; 304 f. 59 Ort und Zeit der Abfassung der Pastoralbriefe sind umstritten. Meist wird das Ende des 1. oder der Beginn des 2. Jahrhunderts genannt. Am besten begründet erscheint mir die Auffassung von Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin/New York 1975, 228. 237. Er setzt aufgrund der späten und uneinheitlichen Bezeugung (217) und einer angenommenen Anspielung auf das Hauptwerk Markions, die »Antithesen«, in 1 Tim 6, 20 und der von H. von Campenhausen nachgewiesenen sprachlichen und sachlichen Nähe der Past zum Polykarpbrief »die Entstehung der Past nach dem Auftreten Markions in den dreissiger Jahren des 2. Jh.s . . . und dementsprechend in Kleinasien« an. 60 Zu den Witwen siehe H. von Lips, Glaube − Gemeinde − Amt. Zum Verständnis der Ordination in den Pastoralbriefen, FRLANT 122, Göttingen 1979, 118–121. 61 Aus der Erwähnung einer propheteia bei der Ordination des Timotheus (1 Tim 4, 14; vgl. 1, 18) kann nicht auf noch vorhandene Gemeindepropheten geschlossen werden, siehe H. von Lips (wie Anm. 60), 243–253.
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daß an keiner Stelle die spätere Ämtertrias geschlossen aufgeführt wird. Vielmehr findet sich 1 Tim 3, 1–13 die seit Phil 1, 1 bekannte Zusammenstellung von Bischöfen und Diakonen, 1 Tim 5, 17–19 ist bezeichnenderweise von Presbytern allein die Rede, Tit 1, 5 f. enthält einen Presbyterspiegel, dem mit hartem Stilbruch übergangslos ein Bischofsspiegel angeschlossen wird.62 Aus diesem Befund muß man schließen, daß dem Verfasser der Pastoralbriefe verschiedene Traditionen über Bischof und Diakone einerseits, Presbyter andererseits vorlagen, die er zu einer Einheit zu verbinden suchte. Ob er dabei »von der Seite der Episkopenverfassung« herkommt und »sie in Gemeinden, in denen die Ältestenverfassung vorherrscht, durchsetzen will«, indem er das Presbyteramt mittels der Bischofsspiegel deutet, wie J. Roloff meint,63 oder ob ihm nicht eher von Haus aus die Presbyterordnung geläufig ist − der ausdrückliche Auftrag, Presbyter (nicht Bischöfe!) einzusetzen (Tit 1, 5), der Hinweis darauf, daß Timotheus das Charisma (des Amtes) durch die Handauflegung der Presbyter (nicht der Episkopen!) empfangen habe (1 Tim 4, 14), deuten mehr in diese Richtung − und er die Episkopen als Presbyter verstanden und aufgewertet wissen will, ist eine nicht leicht zu entscheidende Frage. Wenn man veranschlagt, daß das Presbyteramt ursprünglich gewichtiger und umfassender ist als das Episkopenamt, kann es eigentlich nur darum gehen, das letztere durch Gleichstellung mit dem ersteren aufzuwerten, nicht umgekehrt! In jedem Falle aber sollen hier das Amt des Presbyters und des Episkopen zusammengebracht und, wenn man den abrupten Wechsel von Tit 1, 5 zu Tit 1, 7 nimmt, wie er dasteht, identifiziert werden. Eine hierarchische Stufung Bischof-Presbyter ist nirgendwo erkennbar und kann auch nicht daraus erschlossen werden, daß der Bischofstitel nur im grammatischen Singular vorkommt.64 Noch nicht einmal dies wird man daraus entnehmen können, daß hier ein einzelner innerhalb des Presbyteriums Bischof ist und als primus inter pares den Vorsitz unter den im übrigen gleichrangigen Presbyterkollegen übernommen hat.65 Denn diese Hy-
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62 Tit 1, 5–7: »Dazu habe ich dich in Kreta zurückgelassen, daß du, was noch nicht erledigt war, in Ordnung brächtest, und in jeder Stadt Presbyter einsetztest, wie ich dir aufgetragen habe: (6) wenn einer unbescholten ist, eines Weibes Mann, gläubige Kinder hat, denen man nicht liederlichen Lebenswandel vorwerfen kann und die nicht aufsässig sind. (7) Denn der Bischof muß unbescholten sein als Gottes Hausverwalter, nicht anmaßend, . . .«. 63 J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 523. 64 Dieser Singular ist generisch, vgl. M. Dibelius, Die Stellung des Bischofs in den Pastoralbriefen (1913), in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 472 f. (als Möglichkeit erwogen); E. Schweizer (wie Anm. 49), 75 f.; N. Brox, Die Pastoralbriefe, RNT 7/2, Regensburg 1969, 148; J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 524; gegenteilig, aber mit nicht ganz zutreffendem Argument, G. Bornkamm, Art. presbys ktl. (wie Anm. 53), 667 Anm. 95. Mit einem monarchischen Bischofsamt in den Pastoralbriefen rechnet z. B. H. von Campenhausen, Kirchliches Amt (wie Anm. 56), 117. Vgl. die Diskussion der verschiedenen Positionen bei H. von Lips (wie Anm. 60), 112–116. 65 So z. B. F. Hahn, Berufung, Amtsübertragung und Ordination im ältesten Christentum, in: A. Ganoczy, F. Hahn, W. H. Lazareth u. a., Der Streit um das Amt in der Kirche. Ernstfall der Ökumene, Regensburg 1983, 37–61, hier 53; ähnlich H. von Lips (wie
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pothese beruht auf der (unausgesprochenen) historischen Voraussetzung, daß sich schon vorher irgendwo der Einzelbischof als Leiter der Gemeinde − mithin also der Monepiskopat − durchgesetzt habe. Die Rolle des Vorsitzenden könnte dem Bischof im Kollegium der Presbyter natürlicherweise doch nur zufallen, wenn er sie vor dem Stadium der Verschmelzung von Episkopal- und Presbyteralverfassung bereits innehatte. Es fehlen uns aber alle Anhaltspunkte dafür, daß sich bereits vor dieser Verbindung aus dem leitenden Episkopenkollegium der Monepiskopat herausgebildet hat. Wenn aber zwei grundsätzlich auf derselben Ebene rangierende gemeindeleitende Kollegien verglichen und in eins gesetzt werden sollen, wird das doch immer so geschehen, daß die einzelnen Mitglieder der Gremien einander gleichgestellt werden, und es ist kaum vorstellbar, daß die Mitglieder des einen Gremiums (in diesem Falle also die Presbyter) eine implizite Rangminderung hinnehmen, indem sie nun einen einzigen aus dem anderen Kollegium (den Bischof) als ihren Vorsitzenden akzeptieren. Wenn dem Verfasser der Pastoralbriefe eine solche Ordnung (als vorhandene oder intendierte) vorgeschwebt hätte, dann würde er sich deutlicher ausgedrückt haben, denn er wollte gewiß verstanden werden.66 Die Anforderungen an die Person des Presbyters und des Bischofs entsprechen sich, und ihre Funktionen sind in der Hauptsache gleich. Wie dem Bischof als »Hausverwalter Gottes« (Tit 1, 7) die Sorge für die Gemeinde Gottes anvertraut ist (1 Tim 3, 5), so werden ebensolche Funktionen des fürsorgenden Leitens und Verwaltens von den Presbytern ausgesagt (1 Tim 5, 17: kalos prohestotes67). Aber die vorzüglichste, immer wieder mit Nachdruck hervorgehobene und eingeschärfte Aufgabe sowohl der Presbyter wie des Bischofs ist die Lehre. (Kultische Funktionen werden nirgendwo erwähnt.) Presbyter, die sich in Wort und Lehre auszeichnen, sollen wie alle hervorragenden Vorsteher doppelt entlohnt werden (1 Tim 5, 17 f.).68 Ebenso muß der Bischof zur Lehre befähigt sein (1 Tim 3, 2: didaktikon), »er soll sich in der Lehre an das zuverläsAnm. 60), 113–116, der 113 Anm. 107, weitere Vertreter dieser These aufführt. Wenn in den Pastoralbriefen einem primus inter pares als einzigem der Episkopentitel zukäme und eine Rückwärtsentwicklung in diesem Punkt doch wohl undenkbar ist, dann müßte sich das für den geographischen Raum, in dem die Pastoralbriefe bezeugt sind, bestätigen lassen. Polykarp von Smyrna nennt sich aber nun gerade nicht episkopos, siehe dazu unten S. 61. 66 Deswegen scheint mir auch die Begründung für die These bei H. von Lips (wie Anm. 60), 115, zu fein gesponnen zu sein. Wer von den damaligen Adressaten hätte so viel Zeit und (exegetischen) Sachverstand aufwenden können, um derart feine Unterschiede zu eruieren, wie sie der Autor feststellt? 67 Das fürsorgende Leiten wird von allen Presbytern ausgesagt und nur zwischen denen unterschieden, die es besonders gut oder nicht hervorhebenswert erfüllt haben; siehe H. von Lips (wie Anm. 60), 108–111. 68 1 Tim 5, 17 f.: »Presbyter, die ihr Vorsteheramt gut ausüben, sollen doppelten Lohnes (times) gewürdigt werden, besonders solche, die sich in Wort und Lehre abmühen. Denn die Schrift sagt: ›Dem dreschenden Ochsen sollst du das Maul nicht zubinden‹ und: ›Der Arbeiter ist seines Lohnes wert‹.« − time ist hier, wie sich aus dem Zusammenhang mit V. 18 ergibt, das ›Honorar‹; vgl. H. von Lips (wie Anm. 60), 109 f.
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sige Wort halten, damit er imstande ist, in der gesunden Lehre zu mahnen und auch die Gegner zu überführen« (Tit 1, 9). Nimmt man hinzu, daß die Gestalten des Apostels und Apostelschülers in den Pastoralbriefen als Typen und Vorbilder für die Gemeindeleiter zu verstehen sind, daß also Aussagen über sie als Aussagen über den Charakter und die Aufgaben der Gemeindeleiter zu gelten haben,69 dann steht die Lehre und Unterweisung absolut im Vordergrund (vgl. 1 Tim 1, 3 f.; 4, 6–16; 5, 17 f.; 6, 3 f. 20 f.; 2 Tim 1, 13 f.; 2, 1 f. 14–16. 23–26; 3, 10–16; 4, 1–5; Tit 1, 9–14; 2, 1. 6–8. 15; 3, 8–11).70 »Zum erstenmal wird das Amt seinem Wesen und seinem ganzen Umfang nach als ein Lehramt behandelt.«71 Dabei geht es aber nicht um spontane, unter unmittelbarer Einwirkung des Geistes hervorgebrachte Verkündigung, sondern um die Bewahrung, Vertretung und Verteidigung der apostolischen Lehre, die als das »anvertraute Gut« (paratheke, 1 Tim 6, 20) so, wie sie der Schüler vom Apostel empfangen hat, unverrückt bewahrt und wieder verläßlichen, lehrfähigen Männern weitergegeben werden soll (1 Tim 1, 18 f.; 6, 12–14; 2 Tim 1, 12–14; 2, 1 f.).72 Die Weitergabe der unverfälschten Lehrtradition wird durch die Sukzessionskette Apostel-Apostelschüler-Schüler des Apostelschülers gesichert, der Traditionsträger durch die Ordination öffentlich vor der Gemeinde legitimiert. Wie der Apostelschüler durch die Handauflegung des Apostels (2 Tim 1, 6) und des Presbyteriums (1 Tim 4, 14)73 das Charisma Gottes zur Erfüllung seines Verkündigungsamtes erhalten hat, so soll er nach dem Auftrag des Apostels in jeder Stadt Presbyter einsetzen (Tit 1, 5).74 Die Ordination durch Handauflegung als Ritus der Amtseinsetzung finden wir hier erstmals im Neuen Testament eindeutig bezeugt.75 Meist nimmt man 69 Vgl. H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 117 f.; J. Roloff, Apostolat, Verkündigung, Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen Apostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoralbriefen, Gütersloh 1965, 258–264; H. Merklein, Das kirchliche Amt nach dem Epheserbrief, StANT 33, München 1973, 384. 70 Dazu ausführlich: H. Schlier, Die Ordnung der Kirche nach den Pastoralbriefen (1948), in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 475–500. 71 H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 119. 72 Dazu H. von Lips (wie Anm. 60), 265–270. 73 1 Tim 4, 14 (Handauflegung durch das Presbyterium) spiegelt die Praxis zur Zeit der Abfassung der Pastoralbriefe; 2 Tim 1, 6 (Handauflegung durch Paulus) soll den apostolischen Ursprung der Ordination erweisen; vgl. (neben vielen anderen) H. von Lips (wie Anm. 60), 241–243, mit Diskussion der verschiedenen Lösungsversuche. 74 Keine Übereinstimmung besteht darüber, ob es sich 1 Tim 5, 22 um eine Handauflegung (des Apostelschülers) zur Ordination oder zur Wiederaufnahme des Büßers in die Kirchengemeinschaft handelt. Für das erstere entscheidet sich H. von Lips (wie Anm. 60), 174–177. Zum Verhältnis von »Traditionsweitergabe und Amtssukzession« siehe die umsichtige Erörterung ebd. 271–278. 75 Zu Apg 6, 6 und 13, 1–3 siehe E. Schweizer (wie Anm. 49), 189 f.; J. Roloff, Apostolat (wie Anm. 69), 207–210. 225–227; ders., Die Apostelgeschichte (wie Anm. 4), 110.194; G. Kretschmar, Die Ordination im frühen Christentum, FZPhTh 22, 1975, 35–69, hier 56–59. Diese und andere Autoren finden in der Apg eine Ordination durch Handauflegung nicht bezeugt. Anders dagegen (und auch für Apg 14, 23) H. von Lips (wie Anm. 60), 231–240.
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an, daß sie ihr Vorbild in der Ordination der jüdischen Schriftgelehrten habe.76 Der Vorgang der Übernahme (der einiges Befremdliche hat: Der ordinierte jüdische Rabbi ist privater Rechtsgelehrter, aber kein Gemeindeleiter; andererseits werden die Mitglieder des jüdischen Presbyterkollegiums, das ja die nächste Parallele zum christlichen Presbyterion darstellt, gewählt, aber nicht durch Handauflegung eingesetzt77) ist für uns nicht mehr rekonstruierbar. Die Amtseinsetzung durch Handauflegung hat sich in der Geschichte des kirchlichen Amtes durchgesetzt. Dem ordinierten, mit der Verwaltung und Weitergabe der Tradition und Lehre amtlich Beauftragten gegenüber spielt nun die Gemeinde naturgemäß nur noch eine passive Rolle.78 Sie kann an dieser Aufgabe, die besonders befähigte, mit einem eigenen Amtscharisma ausgestattete, öffentlich ausgewiesene und rechtmäßig in die vom Apostel herkommende Sukzessionsreihe eingegliederte Vollmachtsträger erfordert, nicht mehr beteiligt sein. Sie wirkt ihr Heil, indem sie auf die wahre Lehre ihrer Gemeindeleiter hört (1 Tim 4, 16)79 und dem vorbildlichen Leben nacheifert, zu dem diese aufgefordert sind (1 Tim 4, 12; 2 Tim 2, 15; Tit 2, 7). Ein Wort noch zu den Diakonen, von denen nur 1 Tim 3, 8–13 die Rede ist. Die Anforderungen an sie gleichen in vielem denen an Presbyter und Bischof, über ihre besonderen Aufgaben verlautet nichts. Man könnte allenfalls aus der Mahnung, sie dürften »nicht gewinnsüchtig« sein und müßten »das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen bewahren« (1 Tim 3, 8 f.), schließen, daß sie mit der Verwaltung von Geldmitteln zu karitativen Zwecken betraut seien, auch Dienste bei der Weitergabe des Glaubensgutes in der katechetischen Unterweisung zu erfüllen hätten.80 Doch das bleiben Vermutungen. Dagegen scheint mir die These von Gerhard Lohfink und anderen gut begründet zu sein, daß die 1 Tim 3, 11 plötzlich mitten im »Diakonenspiegel« genannten Frauen, an die nahezu dieselben, sich z. T. auch wörtlich deckenden Forderungen gerichtet werden wie an die Diakone, nicht etwa die Ehefrauen der Diakone, sondern deren weibliche Amtskollegen sind. Diakoninnen (ministrae) in christlichen Gemeinden bezeugt uns für den gleichen geographischen und zeitlichen Raum ja auch Plinius d. J. (ep. X, 96, 8) in seiner berühmten Anfrage an Trajan.81 76 Vgl. E. Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, Göttingen 1951, Teilabdruck in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 501–523; ders., Art. cheir ktl., in: ThWNT 9, 1973, 413–427; hier 417 f.; 420–423; K. Hruby, La notion de l’ordination dans la tradition juive, in: La Maison-Dieu 102, 1970, 30–56; G. Kretschmar (wie Anm. 75), 48–65, mit erheblichen historischen Bedenken; J. Roloff, Art. Amt (wie Anm. 4), 525; H. von Lips (wie Anm. 60), 223–231 ist angesichts der unklaren Geschichte der jüdischen Ordination gegenüber der These einer Übernahme zurückhaltend. 77 Siehe G. Kretschmar (wie Anm. 75), 48. 78 Vgl. H. Schlier, Die Ordnung (wie Anm. 70), 499 f. 79 Zur gehorsamen Unterordnung der Gemeinde siehe H. von Lips (wie Anm. 60), 135–138; 144 f. 80 Vgl. J. Roloff, Amt (wie Anm. 4), 524. 81 G. Lohfink, Weibliche Diakone (wie Anm. 34), 332–334; mit Hinweis auf weitere Vertreter dieser These, selbst aber zurückhaltend: H. von Lips (wie Anm. 60), 116–118.
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Die Pastoralbriefe zeigen uns ein Stadium des Zusammenwachsens der ursprünglich getrennt entstandenen presbyteralen und episkopalen Verfassungsformen. Das Kollegium der Episkopen wird mit dem der Presbyter in eins gesetzt. Ein monarchischer Episkopat ist nicht erkennbar, die Gemeindeleitung ist kollegial. Die nicht zum Kollegium der Presbyter-Episkopen zählenden Diakone haben in der Gemeinde eine angesehene (1 Tim 3, 13), aber nicht näher bestimmbare Stellung. Die führenden Amtsträger (Presbyter-Episkopen) sind durch einen öffentlichen, das Amtscharisma verleihenden, bis auf den Apostel zurückgeführten Einsetzungsritus in die ununterbrochene Sukzessionskette der für die Verwaltung und Weitergabe der apostolischen Lehrtradition in der Kirche einzig Kompetenten eingegliedert. Ihnen gegenüber ist die Gemeinde nur mehr eine Versammlung der hörenden Nichtbeauftragten und also Nichtkompetenten, die als »Laien« gelten müssen, auch wenn dieser Terminus weder hier noch sonstwo innerhalb des Neuen Testamentes vorkommt. Bezeichnenderweise sind die Pastoralbriefe die einzigen Schriften des Neuen Testaments, die nicht an eine Gemeinde oder an Privatleute, sondern an Personen, die quasi als Gemeindeleiter fungieren, adressiert sind. Die Verbindung von Presbyteral- und Episkopalverfassung bezeugt uns für einen anderen geographischen Raum auch das wohl wenig vor der Jahrhundertwende verfaßte Schreiben der Kirche von Rom an die Kirche von Korinth, das nach alter Tradition als Brief des Clemens Romanus bezeichnet wird. Dieser Brief führt zugleich ein neues Element in die Theologie des Amtes ein, das sich in der Geschichte stark ausgewirkt hat.
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Daß zur Zeit des Clemens die Leitung der Gemeinden von Korinth und Rom in den Händen eines Kollegiums von Presbytern liegt, ist deutlich (44, 5; 47, 6; 54, 2; 57, 1). Sie sind die führenden Leute oder Vorgesetzten, denen Unterordnung geschuldet wird (1, 3; 21, 6), und bilden »ein patriarchalisches Kollegium«82 von alten, angesehenen, erfahrenen und bewährten Männern (3, 3; vgl. 63, 3). Aus der Art und Weise, wie Clemens im Zentrum des Briefes von den Episkopen (42, 4 f.) und vom episkopalen Amt (episkope, 44, 1. 4) redet, ergibt sich, daß die Presbyter auch als episkopoi bezeichnet werden und das episkopale Amt ausüben.83 Für die These, daß nur einige aus dem Kreis der Presbyter die 82
G. Bornkamm, Art. presbys ktl. (wie Anm. 53), 672. Zwei Beobachtungen scheinen mir hier entscheidend zu sein. Für Clemens ist der Begriff der ordnungsgemäßen »Einsetzung« der Amtsträger durch die Apostel oder »andere angesehene Männer« sehr wichtig (vgl. H. J. Vogt, Zum Bischofsamt in der frühen Kirche, ThQ 162, 1982, 221–236; hier 222). Diese Eingesetzten sind einmal die Bischöfe (tous katastathentas, 44, 3; vgl. 42, 4 f.; 43, 1; 44, 2), sodann die Presbyter (ton kathestamenon presbyteron, 54, 2), ohne daß irgendein Unterschied im Umfang ihres Amtsauftrages angedeutet 83
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episkope innehaben, findet sich bei Clemens selbst kein Anhaltspunkt.84 Man könnte auch mit einem gewissen Recht vermuten, daß für Clemens die episkopale Ordnung die ältere ist85 und (vielleicht beim Zuzug christlicher Flüchtlinge aus Palästina) von der presbyteralen überlagert wurde, denn Clemens läßt − anders als Tit 1, 5 − die von Jesus ausgesandten Apostel in Stadt und Land »ihre Erstlinge« (vgl. Röm 16, 5; 1 Kor 16, 15) − nicht zu Presbytern, sondern − »zu Episkopen und Diakonen der künftigen Gläubigen« einsetzen (42, 3 f.), auch weitere Vorsorge für das »Bischofsamt« treffen (44, 1), und sieht diese Ordnung schon im Alten Testament angekündigt (42, 5; die Textänderung von würde. Zweitens spricht für die Identität von Episkopen und Presbytern die Selbstverständlichkeit, mit der die episkope als das Amt der Presbyter genannt wird: »Denn es wird für uns keine geringe Sünde sein, wenn wir die, welche untadelig und fromm die Gaben darbrachten, von der episkope absetzen. Glücklich sind die vorangegangenen presbyteroi . . ., denn sie brauchen nicht zu fürchten, daß jemand sie von dem für sie eingerichteten Platz entferne.« (44, 4 f.) 84 Soweit die Autoren diese Frage nicht einfach mit Schweigen übergehen, urteilen sie verschieden; vgl. R. Zollitsch (wie Anm. 53), 97–100. H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 91 f., und G. Bornkamm, Art. presbys ktl. (wie Anm. 53), 673, meinen im Anschluß an K. Müller, Die älteste Bischofswahl und -weihe in Rom und Alexandrien, ZNW 28, 1929, 274–305; hier 274–276, daß die insbesondere mit der Leitung der Eucharistiefeier beauftragten Episkopen zu den Presbytern zählen, daß aber nicht alle Presbyter auch Episkopen sind. Eine so eingeschränkte Deutung des Episkopenamtes kollidiert aber m. E. mit Clem 42, 3–5, wo die Episkopen und Diakone doch ganz offensichtlich als die Gemeindeleiter im umfassenden Sinn verstanden werden müssen. Die Apostel haben doch nicht den Auftrag erhalten, durch die Einsetzung ihrer »Erstlinge« nur für die ordnungsgemäße Durchführung der Eucharistiefeier Sorge zu tragen. Wenn Clemens (44, 4) diesen Aspekt der episkope hervorhebt, so kann man daraus schließen, daß er ihm sehr wichtig, aber nicht, daß er der einzige ist. Sobald man aber einen besonderen Dienst der Episkopen gegenüber den Presbytern nicht mehr anzugeben vermag, ist eine Unterscheidung sachlich sinnlos geworden. − Im übrigen würde eine solche Unterscheidung die von Clemens gegebene Begründung für die Unabsetzbarkeit tadelloser Presbyter zunichte machen. Denn diese Begründung würde dann nur noch für jene Presbyter gelten, die Episkopen sind, weil nur sie aufgrund apostolischer Ordnung eingesetzt sind (vgl. 42, 1–5), nicht aber für die übrigen presbyteralen Amtsträger, deren Legitimität dann völlig offen wäre. − Nach einer sehr gründlichen Analyse des Textbefundes kommt R. Knopf, Das nachapostolische Zeitalter. Geschichte der christlichen Gemeinden vom Beginn der Flavierdynastie bis zum Ende Hadrians, Tübingen 1905, 163, zu dem Schluß: »Die angeführten Beobachtungen zwingen dazu, in 1 Clem einen doppelten Sprachgebrauch bei der Anwendung des Wortes presbyteroi anzunehmen. Es bezeichnet einmal den Stand, die Schicht der Alten in der Gemeinde, und dann die ›eingesetzten Presbyter‹, das sind die Episkopen.« Ebenfalls gleichgesetzt werden die Presbyter mit den Episkopen z. B. bei H. Lietzmann (wie Anm. 30), 126–128; J. A. Fischer, Die Apostolischen Väter, SUC I, Darmstadt 31959, 10; E. Schweizer (wie Anm. 49), 135; K. Baus, Von der Urgemeinde zur frühchristlichen Großkirche, HKG I, Freiburg/Basel/Wien 31965, 175; L. Goppelt, Die apostolische und nachapostolische Zeit, KIG 1A, Göttingen 21966, 130; J. Martin, Die Genese des Amtspriestertums in der frühen Kirche, QD 48, Freiburg/Basel/Wien 1972, 68; E. G. Jay, From PresbyterBishops to Bishops and Presbyters. Christian Ministry in the Second Century: a Survey, SecCen 1, 1981, 125–162, hier 129. 132. 85 Vgl. H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 91; umgekehrt H. Lietzmann (wie Anm. 30), 130 f.
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Jes 60, 17, die er dabei vornimmt, kann als Hinweis darauf gelten, daß für ihn Episkopen- und Diakonenamt uralt sind). Jedenfalls aber sind Episkopat und Presbyterat in einem fest eingerichteten Amt (hydrimenos topos, leitourgia, 44, 5 f.) verschmolzen. Legitimiert ist der Amtsträger durch den letztlich auf Gott zu rückgeführten Sendungsauftrag: Gott sandte Christus, dieser die Apostel, diese setzten ihre bewährten »Erstlinge . . . zu Episkopen und Diakonen« ein (42, 1–4; 43, 1) und gaben Weisung, daß nach deren Tod andere bewährte Männer ihr Amt (leitourgian) übernehmen sollten (44, 1 f.). Die Amtseinsetzung erfolgte also durch die Apostel oder Apostelschüler oder »später durch andere angesehene Männer unter Zustimmung der gesamten Gemeinde« (44, 3). Dabei hat die spätere Einsetzung durch andere bewährte Männer für Clemens offenbar den gleichen Rang wie die Einsetzung durch die Apostel. Von einer Ordination durch sukzessive Handauflegung hören wir bei Clemens nichts. Es geht ihm um die Einhaltung der vom göttlichen Willen verfügten Ordnung (eutaktos ek thelematos theou, 42, 2). Wer diese göttliche Ordnung des Amtes in der Kirche verletzt, macht sich einer schweren Sünde schuldig (44, 4; vgl. 41, 3 f.).86 Über die Aufgabe der Diakone in der Kirche sagt Clemens ausdrücklich nichts mehr. Das wird daran liegen, daß sie von den korinthischen Auseinandersetzungen, derentwegen der Brief geschrieben ist, nicht betroffen waren.87 Wo der Verfasser auf den Dienst der Presbyter-Episkopen zu sprechen kommt, bezeichnet er ihn allgemein als Dienst (leitourgein) für die Herde Christi (44, 3) und nennt als einzige spezifische Funktion das untadelige und heilige Darbringen der Opfergaben (44, 4), womit sicherlich die Feier der Eucharistie gemeint ist. Mit ganz entsprechenden Ausdrücken war der Opfer- und Gottesdienst der alttestamentlichen Priester beschrieben worden (40, 2. 4; 41, 2). Man könnte mit einem gewissen Recht von hier aus schließen, daß mit dem Titel episkopos im besonderen der Presbyter in seiner kultischen Funktion benannt wird. Erstmals in der Geschichte des frühen Christentums erscheint hier ein kirchlicher Amtsträger in der Rolle des kultischen Opferpriesters. Das scheint auch nicht ohne Auswirkungen auf die Stellung der Gemeinde und die Struktur des Amtes geblieben zu sein. Als eindrücklichstes und (nach vielen anderen) letztes Beispiel für die Unantastbarkeit der gottgesetzten Ordnung des kirchlichen Amtes führt Clemens die 86
Zur Unabsetzbarkeit vom Amt siehe G. Brunner, Die theologische Mitte des Ersten Klemensbriefs. Ein Beitrag zur Hermeneutik frühchristlicher Texte, FTS 11, Frankfurt 1972, 110–120. 87 K. Stalder, Apostolische Sukzession und Eucharistie bei Clemens Romanus, Irenäus und Ignatius von Antiochien, IKaZ 63, 1973, 100–128, hier 111 Anm. 28, faßt den Doppelausdruck episkopoi kai diakonoi (42, 4 f.) gewissermaßen als Hendiadyoin für ein einziges Amt auf. Das kann nicht zutreffen. Clemens würde doch nur Verwirrung stiften, wenn er hier den Diakonentitel, der seit Paulus (vgl. Röm 16, 1; Phil 1, 1) den Gemeinden bekannt ist und einen vom episkopos unterschiedenen Amtsträger bezeichnet, für den episkopos verwenden wollte!
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alttestamentliche priesterliche Kultordnung an. Er sieht nicht nur in der weisungsgetreuen Einsetzung der Priester durch Moses ein Vorbild für die Einsetzung der Episkopen und Diakone durch die »von Gott in Chri stus damit beauftragten« Apostel (43, 1–44, 2), sondern stellt auch den geordneten »Vollzug der Opfer und Gottesdienste« als verbindliche Analogie zur Ordnung der Ämter und des Kultes in der Kirche dar: »Dem Hohenpriester sind eigene Verrichtungen (leitourgiai ) übertragen, den Priestern ist ihr eigener Platz (topos) verordnet und auch den Leviten obliegen eigene Dienstleistungen (diakoniai ); der Laie ist an die Anordnungen für Laien gebunden. Jeder von uns, Brüder, soll auf seinem Posten (tagmati ) Gott gefallen, indem er ein gutes Gewissen bewahrt und die für seinen Dienst (leitourgia) festgelegte Regel nicht übertritt« (40, 5–41, 1).88 Obwohl Clemens hier zunächst den Tempelgottesdienst des Alten Bundes beschreibt, ist der ganze Abschnitt (40–41) doch so gefaßt, daß seine zeitgenössischen Leser ihre eigene Situation unmittelbar darin finden und die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen konnten.89 Verschiedene »Posten« oder Stände (tagmata) wie beim Tempelgottesdienst gibt es offenbar auch beim Gottesdienst der christlichen Gemeinde. So scheint es nicht so abwegig zu sein, wie es manchmal hingestellt wird, wenn man annimmt, »daß uns hier der christliche Gemeindegottesdienst beschrieben wird, bei dem der Bischof den doppelten Dienst (Liturgie) von Verkündigung und Gebet, nämlich Eucharistiegebet, leistet, die Presbyter ihn an ihrem Ehrenplatz schweigend umgeben und die Diakone die vielfältigen Dienste vom Herbeibringen der Gaben bis hin zur Hauskommunion leisten«,90 während das Volk, der Laienstand, aus ehrfurchtsvoll eingehaltener Entfernung das ihm zufallende »Amen« spricht. Zwei Dinge bedürfen hier der Erörterung. Einmal ist es die Frage der Entwicklung zum Monepiskopat, die sich mit diesem Text nachdrücklich stellt; sodann die Deutung des kirchlichen Amtes im Sinne eines sazerdotalen Dienstes. Beginnen wir mit dem letzten Punkt. Clemens hat mit seinem Bild die Ordnung des alttestamentlichen Priestertums und den Dienst der Presbyter-Episkopen in eine sehr enge Analogie (die wohl auch als Typologie verstanden werden konnte) gebracht. Selbst wenn er das Vorbild der alttestamentlichen Kultordnung nur angeführt hat, um zu zeigen, daß sich auch der christliche Kult nach einer von Gott verfügten Ordnung zu vollziehen habe, und selbst wenn die Opfer funktion der Presbyter-Episkopen (44, 4) nur genannt wurde, weil die Entsprechung zum alttestamentlichen Beispiel hergestellt werden sollte, so bleibt es doch dabei, daß sie genannt 88
Übersetzung J. A. Fischer (wie Anm. 84), 77. Vgl. R. Knopf, Die Apostolischen Väter I. Die Lehre der zwölf Apostel. Die zwei Clemensbriefe, HNT Erg, Tübingen 1920, 113: Wenn V. 40, 5 »fehlte, würden wir gar nicht mit Sicherheit sagen können, ob christliche oder jüdische Verhältnisse gemeint sind«. 90 H. J. Vogt (wie Anm. 83), 221. In diesem Sinne bereits vor ihm z. B. G. Dix, The Shape of the Liturgy, London 1945, 1. 33; Th. Klauser, Art. Diakon, in: RAC 3, 1957, 888–909; hier 893. 89
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und demnach als vorhanden betrachtet wird. Wenn auch Verkündigung und Lehre zu den Rechten und Pflichten der Presbyter-Episkopen gehört haben (das kann man vielleicht in 42, 3 f. angedeutet sehen), so ist es eben auffallend, daß nicht dies, sondern nur die kultische Tätigkeit erwähnt wird. Gewiß leitet Clemens das kirchliche Amt nicht aus dem Priestertum des Alten Bundes ab; nirgendwo sagt er, daß Episkopen und Diakone als die Nachfolger der Priester und Leviten anzusehen seien;91 er zieht keine direkte Verbindungslinie zwischen den beiden Institutionen, aber er rückt beide doch so nahe aneinander, daß der Schritt zur Gleichsetzung nicht mehr groß war und, wie die weitere Geschichte zeigt, auch alsbald gemacht wurde. Hippolyt, Tertullian, Cyprian, die syrische Didaskalia, Origenes wenden alttestamentliche Titel und Kultvorschriften unmittelbar und ohne erkennbare Hemmungen auf Bischöfe, Presbyter, Diakone und ihren Dienst in der Kirche an.92 Entsprechend der Deutung der kirchlichen Amtsträger als Sazerdoten im eigentlichen Sinn erfolgt auch die Deklarierung der übrigen Gemeindemitglieder zu »Laien« (das heißt zu den für das sazerdotale Amt nicht befähigten, weil von Gott für den sakralen Dienst nicht ausgesonderten Leuten aus dem Volk). Noch steht dieser Terminus, der hier zum ersten Male in einem christlichen Text begegnet, innerhalb des von Clemens beschworenen alttestamentlichen Vorbilds für die kirchliche Ordnung (40, 5). Aber er unterliegt später selbstverständlich ebenso wie diese insgesamt der alttestamentlichen Interpretation.93 Die Problematik, die in dieser Interpretation liegt, ist offenkundig, wenn man sich den neutestamentlichen Befund in dieser Sache, insbesondere die Aussagen des Hebräerbriefes, vor Augen hält. Danach kann es in der Kirche Christi keinen neuen Opferkult und keinen neuen Opferpriester im eigentlichen Sinn geben, weil alles dies durch das einmalige und einzige Opfer des einzigen Hohenpriesters Jesus Christus erfüllt und abgelöst worden ist.94 91
G. Bornkamm, Art. presbys ktl. (wie Anm. 53), 673, 23 f., geht zu weit, wenn er sagt: »1 Cl 40–43 stellt sie (nämlich die Presbyter bzw. Episkopen) ausdrücklich in die Nachfolge der at.lichen Priester.« − Eine sehr direkte Linie vom Priestertum des AT zum kirchlichen zieht auch H. Moll, Die Lehre von der Eucharistie als Opfer. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung vom Neuen Testament bis Irenäus von Lyon, Theoph. 26. Köln/Bonn 1975, 86–90. 92 Vgl. E. Dassmann, Die Bedeutung des Alten Testaments für das Verständnis des kirchlichen Amtes in der frühpatristischen Theologie, BiLe 11, 1970, 198–214. 93 Eher verschärft wird diese Feststellung noch dadurch, daß das Wort laı¨kos in der Septuaginta fehlt (die Sache selbst ist freilich vorhanden). Clemens hat es aus seiner römischhellenistischen Umwelt und ihren Kulten. Daraus ist ersichtlich, daß er alttestamentliches und heidnisches Priestertum z. T. in einer Linie sieht, in die nun auch das kirchliche Amt gestellt wird. 94 Dazu kurz E. Schweizer (wie Anm. 49), 154–164; K. H. Schelkle, Dienste und Diener in den Kirchen der neutestamentlichen Zeit (1969), in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 220–222; W. Pesch, Priestertum und Neues Testament, TThZ 70, 1970, 65–83; F. Hahn, Der urchristliche Gottesdienst, SBS 41, Stuttgart 1970, 34–37; B. Kötting, Die Aufnahme des Begriffs »Hiereus« in den christlichen Sprachgebrauch, in: Text − Wort − Glaube. Studien zur Überlieferung, Interpretation und Autorisierung biblischer Texte, Kurt
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Der andere Punkt, zu dessen Erörterung das von Clemens so eindringlich gezeichnete Bild der alttestamentlichen Gottesdienstordnung herausfordert, ist die Frage der Entwicklung zum Monepiskopat. Wenn man in diesem Bild zugleich eine Beschreibung des kirchlichen Gottesdienstes erblicken darf, dann erscheint hier ein hierarchisch geordneter Klerus mit dem Monepiskopos an erster Stelle und dem Kirchenvolk gegenüber. Wie aber läßt sich das mit der behaupteten kollegialen Gemeindeleitung in Einklang bringen? Sicher ist, daß an der Spitze der Kirchen von Rom und Korinth ein Kollegium von Presbytern steht; das ergibt sich unzweideutig aus den genannten Textstellen. Auch muß man davon ausgehen, daß wenigstens mehrere − m. E. alle − Presbyter innerhalb des Kollegiums als »Bischöfe« fungieren, indem sie die episkope wahrnehmen. Das wird dadurch belegt, daß in Korinth mehrere Presbyter, die das Episkopenamt ausgeübt haben, abgesetzt wurden (44, 4–6). Nimmt man die Aussage des Clemens über die kultische Aufgabe des Episkopen so, wie sie dasteht, und sieht man im Episkopos vor allem den Presbyter in kultischer Funktion, dann erklärt sich der Eindruck vom allein an der Spitze einer Ämterhierarchie stehenden Bischof, den die Beschreibung des alttestamentlichen Kultes erweckt. Wie seit den Anfängen der Kirche steht einer der Feier der Eucharistie vor. Hier ist es einer von den Presbytern, die in der Gemeinde mit der episkope betraut sind. Die übrigen, jetzt nicht fungierenden episkopalen Presbyter umgeben zusammen mit den Diakonen und dem Volk den Vorsteher. Seine Stellung erscheint während des Gottesdienstes in der Tat wie die eines hierarchischen Monepiskopos. Aber es ist gewissermaßen ein »funktionaler«, nur während des Gottesdienstes bestehender, kein struktureller Monepiskopat: Bei einer anderen Eucharistiefeier wird ein anderer der episkopalen Presbyter vorstehen und so die Rolle des »funktionalen Monepiskopos« übernehmen. Dieser im Kult in Erscheinung tretende »funktionale Monepiskopat« ist mit der im Clemensbrief bezeugten kollegialen Gemeindeleitung demnach ohne Schwierigkeiten vereinbar. Wie von hier aus der Weg zum strukturellen Monepiskopat geführt hat, läßt sich aufgrund der vorhandenen Quellen nicht sagen. Dieser Weg ist im übrigen für den größten Teil der damaligen Kirchen noch sehr weit. Aus dem zwischen 120 und 150 geschriebenen »Hirten« des Hermas geht hervor, daß zu dieser Zeit ein Kollegium von Presbytern den Vorstand der Kirche von Rom bildet.95 Außer den Presbytern, aber nicht im ZusammenAland gewidmet, hg. von M. Brecht, AKG 50, Berlin/New York 1980, 112–120. Ausführlich, insbesondere zum Hebräerbrief: A. Vanhoye, Preˆtres anciens, Preˆtre nouveau selon le Nouveau Testament, Paris 1980; vgl. auch seinen Beitrag in diesem Band [Die Priester des Alten Testaments und der Hohepriester des Neuen Testaments, in: A. Rauch/P. Imhof (Hgg.), Das Priestertum in der Einen Kirche. Diakonat, Presbyterat und Episkopat = Koinonia 4, Aschaffenburg 1985, 13–29]. 95 Hermas, vis. II, 4, 3: meta ton presbyteron ton prohistamenon tes ekklesias (SUC III, 158 Leutzsch); vgl. vis. II, 4, 2 (ebd.); der Vergleich mit vis. II, 2, 6 (156 L.) und III 9, 7 (178 L.) ergibt, daß sie als die »Führenden« oder »Leitenden« gelten, denen der erste Platz zusteht.
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hang mit ihnen, erwähnt Hermas noch Episkopen und Diakone, die − ihrer Nennung zusammen mit den (inzwischen gestorbenen) Aposteln und Lehrern nach zu urteilen − eine bedeutende Rangstellung in der Gemeinde einnehmen.96 Übung der Gastfreundschaft, Versorgung der Bedürftigen und Witwen werden ausdrücklich als die speziellen Dienste der Episkopen bezeichnet,97 die Sorge um Witwen und Waisen als die der Diakone.98 Weil eine entsprechende Aufgabe auch einer Frau (Grapte) zufällt, ist sie wahrscheinlich als weiblicher Diakon anzusehen.99 Über das Verhältnis von Presbytern zu Episkopen und Diakonen und über mögliche andere Funktionen der Episkopen lassen sich nur mehr oder weniger gut begründete Hypothesen aufstellen, weil dazu im »Hirten« nichts mehr gesagt ist. Wenn man mit einiger Wahrscheinlichkeit (vor allem aufgrund des Vergleichs mit Clemens Romanus und Justin) den Episkopen auch kultische Aufgaben zuschreiben und sie als Mitglieder des Presbytervorstands betrachten wird,100 so fehlt uns doch jedes durchschlagende Argument für die Entscheidung der Frage, ob alle oder nur einige Presbyter auch Episkopen sind. Von einem Monepiskopat findet sich bei Hermas nicht die geringste Andeutung. Auch der sog. 2. Clemensbrief, »eine in der Gemeindeversammlung von einem der Presbyter vorgetragene Mahnrede«,101 bezeugt für die Zeit zwischen 135 und 150 und einen nicht sicher zu ermittelnden geographischen Raum102 ein Presbyterkollegium als gemeindeleitende Instanz (17, 3. 5; vgl. 19, 1). Episkopen und Diakone werden merkwürdigerweise vom Verfasser nicht erwähnt. Noch Polykarp von Smyrna versteht sich als Presbyter unter Presbytern (Phil. praescr.), wobei freilich seine Führungsrolle in ihrem Kollegium eindeutig ist. Presbyter an der Spitze der Gemeinde setzt er auch in Philippi voraus (5, 3; 6, 1; 11, 1), hat auch viel über sie und die mit ihnen zusammen genannten Diakone (5, 3) zu sagen (5, 2; 6, 1).103 Wenn er weder für sich selbst den Bischofstitel in Anspruch nimmt noch von Episkopen in Philippi redet, wird man das wohl so auslegen müssen, daß für ihn der Episkopos in den Presbytern eingeschlossen ist.104 Noch Irenäus von Lyon, für den der Monepiskopat selbstverständlich ist, Ihnen fällt die »Erziehung« der Gemeinde (vis. III, 9, 10 [178 L.]) und die Hirtenaufgabe (sim. IX, 31, 5 f. [350 L.]) zu. 96 Hermas, vis. III, 5, 1. (168 L.). 97 Hermas, sim. IX, 27, 1 f. (344 L.). 98 Hermas, sim. IX, 26, 1 f. (342 L.). 99 Hermas, vis. II, 4, 3. (158 L.). 100 Insbesondere aufgrund des Vergleichs mit Clemens Romanus 40–44 und Justin, Apologia I, 65 und 67 [252–254. 258–262 Minns/Parvis], rechnen H. Lietzmann (wie Anm. 30), 128–131, und M. Dibelius, Die Apostolischen Väter IV. Der Hirt des Hermas, HNT Erg., Tübingen 1923, 634 f., die kultisch fungierenden Episkopen zu den Presbytern, die aber mit den Episkopen nicht schlichtweg identisch seien. 101 K. Wengst (wie Anm. 45), 217. 102 Ebd. 224–227. 103 Vgl. dazu R. Zollitsch (wie Anm. 53), 194–199. 104 Ph. Vielhauers im Anschluß an W. Bauer aufgestellte These, daß Polykarp den Bi-
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rechnet den Bischof zu den Presbytern und bezeichnet beispielsweise den Polykarp wie auch die römischen Bischöfe und sich selbst als Presbyter.105 Diesen Sprachgebrauch hat ebenfalls Clemens von Alexandrien.106 Selbst in der Traditio apostolica lassen sich noch die Spuren der geschichtlichen Tatsache entdecken, daß der Monepiskopos ursprünglich Presbyter im Kollegium völlig gleichberechtigter, gemeindeleitender Presbyter war.107
9. Ignatius von Antiochien Ignatius, Bischof von Antiochien und Märtyrer in Rom unter Trajan, bleibt mit seiner klaren Bezeugung des hierarchisch gestuften Amtes für Antiochien und das westliche Kleinasien − mit den Städten Ephesus und Smyrna − schon um 110 n. Chr. für den Historiker ein blankes Rätsel. Alle neutestamentlichen und übrigen frühchristlichen Schriften bis zu dieser Zeit und aus dieser Zeit kennen nur die kollegiale Leitungsform. Sie wird von der Apostelgeschichte, der Didache, den Pastoralbriefen, dem 1. Petrusbrief sogar für denselben geographischen Raum vorausgesetzt, in dessen Städten den Ignatiusbriefen zufolge der Monepiskopos die Gemeinde leitet. Die Ignatianen bleiben bis in die späten schofstitel unerwähnt lasse, weil er den Bischof von Philippi als Ketzer betrachte (Geschichte der urchristlichen Literatur [wie Anm. 59], 561 f.), vermag m. E. nicht zu erklären, daß Polykarp auch für sich selbst auf den Episkopentitel verzichtet. Im übrigen scheint sich mir aus PolPhil 5, 3 zu ergeben, daß für Polykarp die Presbyter als die höchste Leitungsinstanz gelten, da er von der Gemeinde fordert, sie solle sich »den Presbytern und Diakonen unterwerfen wie Gott und Christus«. Bezeichnenderweise setzt Ignatius den Gehorsam gegenüber Gott mit dem gegenüber dem Bischof gleich, und den gegenüber Christus oder den Aposteln mit dem gegenüber dem Presbyterium (siehe dazu weiter unten). 105 Irenäus bei Euseb. Caes., Hist. eccl. V, 20, 4. 7; 24, 14–16 (GCS NF VI/1, 482–496 Schwartz); weitere Belege und Diskussion bei H. Lietzmann (wie Anm. 30), 137 f.; E. Molland, Irenaeus of Lugdunum and the Apostolic Succession, JEH 1, 1950, 12–28; R. Zollitsch (wie Anm. 53), 203–214. 106 Dazu R. Zollitsch (wie Anm. 53), 218–222. 107 Die Traditio apostolica 8 (SC 11bis, 60 Botte) bestimmt, daß auch die Presbyter einem zu ordinierenden Presbyter die Hände auflegen sollen, jedoch zum Zeichen nicht dafür, daß sie den Geist mitteilen, sondern lediglich empfangen können. Diese wenig sinnvolle und eher hilflose Erklärung (man braucht ja nicht Presbyter zu sein, um den Geist empfangen zu können!) beweist, daß hier − in der immer konservativen Liturgie − mit dem Gestus der gemeinsamen Handauflegung der letzte Rest der ehemaligen Ordinationsvollmacht des Presbyteriums bewahrt ist. Vgl. dazu auch den Beitrag von H.-J. Schulz in diesem Band [Das Priestertum nach dem Zeugnis der altkirchlichen Ordinationsliturgien, in: Das Priestertum in der Einen Kirche (wie Anm. 94), 93–109]. − Weitere Zeugnisse für das Fortleben der Presbyteralverfassung insbesondere in Ägypten und Alexandrien, aber auch Gallien, bei H. Lietzmann (wie Anm. 30), 138–142; E. Molland (wie Anm. 105), 26–28; A. Vilela, La condition colle´giale des preˆtres au IIIe sie`cle, ThH 14, Paris 1971. Zum Weiterwirken der Auffassung, daß Bischof und Presbyter einem einzigen ordo angehören, im Mittelalter siehe R. E. Reynolds, Patristic ›Presbyterianism‹ in the Early Medieval Theology of Sacred Orders, MS 45, 1983, 311–342.
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fünfziger und sechziger Jahre des zweiten Jahrhunderts die einzigen Zeugnisse für den Monepiskopat. Erst aus dieser Zeit haben wir sichere Belege dafür, daß die Entwicklung dieses Stadium erreicht hat.108 Rätselhaft bleibt aber nicht nur diese absolut einzigartige Bezeugung der Hierarchie von Bischof, Presbyterium und Diakonen in dieser Zeit, rätselhaft bleibt auch der Prozeß, in dem ein einzelner Presbyter sich unbestritten an die Spitze seiner Kollegen stellen konnte, ohne daß wir irgendwo etwas von einer Rebellion der auf eine tiefere Rangstufe Versetzten hören. Keine Quelle gibt uns darüber Auskunft, wie der Weg von der kollegialen zur monarchischen Leitung der Gemeinde verlief. Wir stehen staunend vor dem Faktum, zu dessen Erklärung zahlreiche Theorien aufgestellt wurden.109 Über mehr oder weniger gut begründete Vermutungen kommen wir aber nicht hinaus. Fest steht nur dies, daß die Form der Gemeindeleitung, für die Ignatius in seinen Briefen mit der Stimme des pneumatischen Märtyrers eintritt und für die er die Legitimation eines himmlischen Urbildes verkündet, in einem Siegeszug ohnegleichen die bis in die Reformationszeit nahezu unangefochten gültige Kirchenordnung geworden ist. Ohne den Bischof darf nach Ignatius110 niemand etwas in der Kirche tun. Taufe, Eucharistie, Agape können nur unter seiner Leitung oder mit seinem Einverständnis vollzogen werden (Smyrn 8, 1 f.; vgl. Trall 2, 2; 7, 2; Eph 5, 2 f.; Magn 4; 7, 1; Philad 4; 7, 1 f.). Auch der Eheschluß unterliegt seiner Zustimmung (Pol 5, 2). »Wo immer der Bischof erscheint, da soll auch die Menge sein, gleichwie dort, wo Christus Jesus ist, auch die katholische Kirche ist.« (Smyrn 8, 2) Von Kirche kann nur die Rede sein, wo die Gemeinde in Gehorsam und Eintracht um den Bischof und die ihm untergeordneten Presbyter und Diakone geschart ist (Trall 3, 1). In dieser Ordnung ist sie der Widerhall 108 Zu nennen sind Hegesipp bei Euseb. Caes., Hist. eccl. IV, 22, 2–5 (GCS NF VI/1, 368, 25–372, 6 Sch.); der Brief des Dionys von Korinth an Soter von Rom (ca. 166–174) bei Euseb., Hist. eccl. IV, 23, 10 (376, 18–378, 3 Sch.); das Martyrium Polycarps (16, 2), das bald nach dem Tode Polykarps abgefaßt wurde. Dieser Tod ist nach den neuesten Untersuchungen eher ca. 167 als 156 n. Chr. anzusetzen, vgl. Ph. Vielhauer (wie Anm. 104), 554 f., und A. Strobel, Ursprung und Geschichte des frühchristlichen Osterkalenders, TU 121, Berlin 1977, 245–253. Eine Kritik angeblicher früherer Zeugnisse für den Monepiskopat bei R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche, Bruxelles 1979, 75–85. 109 Kurzer Überblick bei Th. Kramm, Art. Amt, in: RAC Suppl. Lief. 3, 1985, 350–401; hier 392; vgl. insbesondere die Arbeiten von E. Dassmann, Zur Entstehung des Monepiskopats, JAC 17, 1974, 74–90, und: Hausgemeinde und Bischofsamt, in: Vivarium. Festschrift Theodor Klauser zum 90. Geburtstag, JAC.E 11, Münster 1984, 82–97 [beide Aufsätze erneut und mit Nachträgen in: E. Dassmann, Ämter und Dienste in den frühchristlichen Gemeinden, Hereditas 8, Bonn 1994, 49–73 und 74–95]. − Die Grenzen, an die jeder Erklärungsversuch notwendig stößt, hat H. Lietzmann (wie Anm. 30), 139, aufgezeigt: »Eine alles erklärende mechanische oder organische Entwicklungshypothese für den monarchischen Episkopat kann nie gefunden werden, aus dem trivialen Grunde, weil der Übergang von der kollegialen zur monarchischen Spitze immer ein Sprung ist.« 110 Vgl. H. J. Vogt, Ignatius von Antiochien über den Bischof und seine Gemeinde, ThQ 158, 1978, 15–27.
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einer gleichsam himmlischen Harmonie, in der »das Lied Jesu Christi« und »Gottes Melodie« ertönen (Eph 4). Diese Ordnung ist das Abbild einer himmlischen Ordnung und hat im himmlischen Urbild ihre unverrückbare Begründung. Der himmlischen Hierarchie, die Gott mit den Aposteln und Christus bildet, entspricht die irdische aus Bischof, Presbyterium und Diakonen: »Seid bestrebt, alles in Gottes Eintracht zu tun, wobei der Bischof an Gottes Stelle (eis topon theou) und die Presbyter an Stelle der Ratsversammlung (synedrion) der Apostel den Vorsitz führen und die mir besonders lieben Diakone mit dem Dienst Jesu Christi betraut sind, der vor aller Zeit beim Vater war und am Ende erschienen ist.« (Magn 6, 1)111 Ähnlich heißt es an anderen Stellen: »Desgleichen sollen alle die Diakone achten wie Jesus Christus, ebenso den Bischof als Abbild (typon) des Vaters, die Presbyter aber wie eine Ratsversammlung Gottes und wie eine Vereinigung von Aposteln. Ohne diese ist von Kirche nicht die Rede.« (Trall 3, 1)112 Der Bischof ist Abbild und Repräsentant des einzigen Gottes, und wo sich ihm Presbyter, Diakone, Gemeinde unterordnen, da ordnen sie sich Gott unter (Magn 2 f.; Eph 5, 3; Smyrn 8, 1) und gewinnen Anteil an Gott (Eph 4, 2; Pol 6, 1). Nirgendwo greift Ignatius zur Begründung der kirchlichen Ordnung und des hierarchisch gestuften Amtes auf den Gedanken der Einsetzung durch Christus oder die Apostel zurück. Nirgendwo beruft er sich für die Legitimation des Bischofs auf eine »Amtsgnade«, die ihm durch Ordination und Sukzession überkommen wäre. Der Bischof hat seinen »Dienst (diakonian) an der Gemeinde nicht von sich aus und nicht durch Menschen erlangt, auch nicht infolge leerer Ruhmsucht, sondern in der Liebe Gottes des Vaters und des Herrn Jesus Christus« (Philad 1, 1).113 Da er von Gott selbst zur Verwaltung seines Hauses geschickt ist, muß man ihn ansehen wie den Herrn selbst (Eph 6, 1).114 Ignatius verzichtet auf jede historische Rechtfertigung der bischöflichen Stellung. Er beruft sich auf die unmittelbare göttliche Legitimation der irdischen Hierarchie durch das Urbild der himmlischen. Mit dieser unanfechtbaren Begründung hat sich das hierarchisch gegliederte kirchliche Amt, für das es im Neuen Testament noch kein Zeugnis gibt, in der Geschichte der Kirche wirksam durchgesetzt.115 So unanfechtbar diese Begründung ist, so erstaunlich ist sie auch. Von einem Mann, der nach dem altkirchlichen Zeugnis und allgemeiner Überzeugung tief in die apostolische Zeit hinabreicht,116 würde man am ehesten einen Hinweis 111
Übers. von J. A. Fischer, Die Apostolischen Väter (wie Anm. 84), 165. Übers. von J. A. Fischer (wie Anm. 84), 175. Vgl. noch Ign Smyrn 8, 1; Trall 2.2. 113 Übers. von J. A. Fischer (wie Anm. 84), 195. 114 Dazu Th. Kramm (wie Anm. 109), 379–381. 115 Ein besonders starkes Echo hat Ignatius in der syrischen Didaskalia und von da aus überhaupt in der östlichen Theologie gefunden; vgl. dazu: A. A. McArthur, The Office of Bishop in the Ignatian Epistles and in the Didascalia Apostolorum, in: StPatr 4 = TU 79, Berlin 1961, 298–304; H. von Campenhausen (wie Anm. 56), 263–272; E. Dassmann, Zur Entstehung des Monepiskopats (wie Anm. 109), 83–85. 116 Nach Origenes, In Lucam hom. 6, 104 (4) (GCS Origenes IX, 37, 6–8 Rauer), war 112
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auf die Autoritäten der Urzeit erwarten, die das Amt, das er innehat, eingerichtet oder wenigstens mit ihrer apostolischen Vollmacht bestätigt haben. Der Verfasser der Apostelgeschichte, Clemens Romanus, der Verfasser der Pastoralbriefe und der des 1. Petrusbriefes haben das Bedürfnis dieser Rückbindung gehabt. Nicht so Ignatius. Von der antiochenischen Tradition der Gemeindeführung durch Apostel, Propheten, Lehrer117 findet sich bei ihm nicht nur kein Echo − so, wie er diese Titel benutzt, ist es ausgeschlossen, daß er diese Tradition, die doch dem zwischen 80 und 90 schreibenden Lukas noch zugänglich war, überhaupt kennt. »Lehrer« ist für ihn allein Christus, nur für ihn wird diese Bezeichnung verwendet (Eph 15, 1; Magn 9, 1 f.). Die Propheten sind bei ihm − nicht anders als bei Polykarp (Phil 6, 3) − ausschließlich die des Alten Bundes, deren Verkündigung auf Christus ging (Philad 5, 2; 9, 1 f.; vgl. Magn 8, 2; 9, 2; Smyrn 7, 2). Kein Wort bei dem »Bischof Syriens« (Ign. Röm 2, 2) davon, daß urchristliche Propheten und Lehrer noch zu seiner Zeit und in seiner Heimat Gemeinden betreuten, wie das Matthäusevangelium und die Didache bezeugen.118 Und auch die Apostel sind für Ignatius ein festumrissener, offenbar nicht sehr großer Kreis ursprünglicher Offenbarungsträger, deren Wirken seit langem abgeschlossen ist und die nun die himmlische Ratsversammlung Gottes bilden (Magn 6, 1; Trall 3, 1). Es sind die »Apostel Jesu Christi« (Trall 2, 2; vgl. Magn 7, 1; 13, 2), also wohl die »zwölf«, zu denen noch Paulus hinzukommt (Röm 4, 3). Nichts deutet darauf hin, daß sie anders verstanden werden als bei Polykarp, der von »Paulus und den übrigen Aposteln« spricht (Pol Phil 9, 1). Von der ursprünglichen Weite und Offenheit des Apostelbegriffs, dessen Spuren Ignatius der zweite Bischof Antiochiens nach Petrus. Eusebius, Hist. eccl. III, 22 (GCS NF VI/1, 236, 14 f. Sch.), teilt mit, daß er nach Euodius der zweite Bischof wurde, und setzt in der Chronik den Beginn seines Episkopats ins erste Jahr Vespasians (69 n. Chr.). Das sind natürlich spätere Konstruktionen, für die es keinen Beleg gibt. Polykarp von Smyrna war bei seinem Tod 167 n. Chr. wenigstens 86 Jahre alt (vgl. MartPol 9, 3); als er ca. 110 mit Ignatius zusammentraf, demnach gerade dreißig. Dem Ton nach zu urteilen, den Ignatius gegenüber Polykarp anschlägt (z.B. IgnPol 1, 3; 3, 2; 5, 1), sollte Ignatius wenigstens ein Jahrzehnt mehr an Amts- und Lebensalter haben. Dann wäre er also (spätestens!) um 70 n. Chr. geboren. 117 Vgl. oben S. 25 f. 118 Für die Didache vgl. oben S. 35 f.; für Mt W. Trilling, Amt und Amtsverständnis bei Matthäus (1970), in: Das kirchliche Amt (wie Anm. 17), 524–542; E. Schweizer, Das Evangelium nach Matthäus, NTD 2, Göttingen 1973, 114–117; ders., Matthäus und seine Gemeinde, SBS 71, Stuttgart 1974, 138–163; G. Künzel, Studien zum Gemeindeverständnis des Matthäus-Evangeliums, Stuttgart 1978, 167–179. Wanderapostel, -propheten und -lehrer kennen auch die Gemeinden der johanneischen Schriften, siehe H.-J. Klauck, Gemeinde ohne Amt? Erfahrungen mit der Kirche in den johanneischen Schriften, BZ 29, 1985, 193–220. Zum Fortleben der urchristlichen Prophetie siehe H. Kraft, Die altkirchliche Prophetie und die Entstehung des Montanismus, ThZ 11, 1955, 249–271; G. Dautzenberg (wie Anm. 18), 36–40. − Die antiochenischen und paulinischen Titel für die ersten kirchlichen Autoritäten, von denen Ignatius schweigt, werden im MartPol 16, 2 (in abgewandelter Form) bezeichnenderweise dem »Bischof« verliehen: Er ist »apostolischer und prophetischer Lehrer«.
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man doch gerade bei einem alten syrischen Traditionsträger finden sollte, zeigt Ignatius keine Kenntnis.119 Den Mangel eines Wissens um die noch lebendige Tradition Syriens, den massiven Unterschied zu den kirchlichen Verhältnissen, wie sie in den syrischen Nachbargemeinden der Didache herrschen,120 den unüberwindbaren Widerspruch der Kirchenordnung des Ignatius zu allen für den syrisch-kleinasiatischen Raum vorhandenen Quellen aus dem Anfang des zweiten Jahrhunderts kann man nicht anders als dadurch erklären, daß die Ignatiusbriefe in eine viel spätere Zeit gehören, als gewöhnlich im Anschluß an Eusebius angegeben wird. Es ist nicht möglich, daß in Ephesus und den anderen kleinasiatischen Kirchen ein Kollegium von Presbytern (die auch als Episkopen verstanden werden) an der Spitze der Gemeinde steht, wie aus der Apostelgeschichte (20, 17), aus den Pastoralbriefen121 und dem 1. Petrusbrief (1, 1) hervorgeht, zugleich aber ein Mann, dem als einzigem der Titel episkopos zukommt, der nicht zu den Presbytern zählt, sondern von ihnen abgehoben ist wie Gott von dem Ratskollegium der Apostel, diese Spitze innehat, und dies unangefochten und anscheinend seit langem, und nicht nur in Syrien und Kleinasien, sondern »bis an die Grenzen der Erde« (IgnEph 3, 2).122 Man wird also Robert Joly recht geben 119 An manchen Stellen hat Ignatius gar nur die schriftliche Hinterlassenschaft der Apostel im Auge (Eph 12, 2; Trall inscr.; 3, 3); das scheint auch für Magn 13, 1 und Trall 7, 1 zu gelten, wo von den »dogmata des Herrn und der Apostel« und den »diatagmata der Apostel« die Rede ist. Wenn »die Apostel« zusammen mit »dem Evangelium« und im Gegenüber zu »den Propheten« genannt werden (Philad 5,1 f.; 9, 1 f.; vgl. Smyrn 7, 2), dann fällt es schwer, dabei an etwas anderes zu denken als bei Polykarp (Phil 6, 3) oder auch Justin (Dialog 119, 6 [238 Goodspeed]), nämlich an die schriftlichen Erzeugnisse. Nur mit Gewalt vermag man in einer Aufzählung wie Smyrn 5, 1 (die Prophetien, das Gesetz des Moses, das Evangelium) etwas anderes zu erkennen als etwa in der des Hegesipp (bei Euseb., Hist. eccl. IV, 22, 3 [GCS NF VI/1, 370, 4–6 Sch.]): »wie das Gesetz verkündet und die Propheten und der Herr«) oder auch der syrischen Didaskalia ([Rückübersetzung ins Lateinische mit Synopse zu den Const. Apost. II, 5:] F. X. Funk, Didascalia et Constitutiones Apostolorum I, Paderborn 1905, 36, 15–18 [syr. Original: c. 4, CSCO 401=Syr. 175, 55, 26–56, 1 Vööbus] ): Gesetz, Propheten, Evangelium). − Zur Kenntnis des Neuen Testaments, insbesondere der Paulusbriefe, siehe die instruktiven Statistiken bei H. Rathke, Ignatius von Antiochien und die Paulusbriefe, TU 99, Berlin 1967, 57–66; vgl. H. Paulsen, Studien zur Theologie des Ignatius von Antiochien, FKDG 29, Göttingen 1978, 29–59; E. Dassmann (wie Anm. 50), 126–135. 120 Das gilt im Hinblick auf die Gemeindeverfassung wie auch die Sakramente, vgl. oben S. 35 f. G. Schöllgen, Die Didache − ein frühes Zeugnis für Landgemeinden?, ZNW 76, 1985, 140–143, hat nachgewiesen, daß der Geltungsbereich der Didache nicht auf Landgemeinden beschränkt werden kann. Damit wird die Spannung zu dem Hinweis des Ignatius, daß es auch in den Nachbarkirchen Antiochiens den Monepiskopat gibt (vgl. Philad 10, 2), noch größer. 121 Vgl. die Ortsangaben 1 Tim 1, 3; 2 Tim 4, 10–20. 122 H. J. Vogt, Ignatius (wie Anm. 110), 19: »Man wird festhalten dürfen, daß der Monepiskopat, so wie er uns in den Briefen des Ignatius entgegentritt, von Ignatius nicht geschaffen, sondern vorgefunden wurde. . . . Ignatius selbst scheint keine Christengemeinde ohne Monepiskopat gekannt zu haben.« Ähnlich schon A. Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius II/1, Leipzig 1958 (= Leipzig 1897), 390. 405; H. Lietz-
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müssen, der mit ähnlichen und vielen weiteren Gründen gezeigt hat, daß die Ignatiusbriefe aus der Zeit 160 bis 170 stammen. Auch andere, von R. Joly nicht genannte Beobachtungen weisen auf diese Jahre, aus denen wir, wie erwähnt, erstmals anderweitige Zeugnisse für den Monepiskopat besitzen.123 Für dessen Ausbildung steht demnach eine Zeitspanne zur Verfügung, die dem in den vorgestellten Quellen erkennbaren langsamen Gang der Entwicklung der Gemeindeorganisation angemessen ist. Institutionen sind zählebig, sie fallen am wenigsten vom Himmel, nur durch eine Revolution hätte die überall vorhandene kollegiale Gemeindeleitung so früh und so schlagartig durch die monepiskopale ersetzt werden können. Von einer derartigen Revolution aber ist in der Alten Kirche und auch bei Ignatius nichts zu hören.
10. Schlußbemerkungen Aus diesem Überblick über die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der Alten Kirche ließen sich, je nach Fragestellung und Gesichtspunkt, sehr viele Schlußfolgerungen ziehen, zum Beispiel im Hinblick auf die Einschränkung der ursprünglich überaus breit gefächerten Dienste in der Gemeinde auf das dreigliedrige Amt, das Verhältnis von Presbyterat und Episkopat, die allmähliche Bindung der Eucharistiefeier, der Taufe, Buße, Amtseinsetzung an den Amtsträger, die Bedeutung der relativ spät bezeugten Ordination und der Sukzessionstheorie, die Deutung des kirchlichen Amtsträgers im kultisch-sazerdotalen Sinn, den konsequenten Ausschluß der Frau vom priesterlich verstandenen Amt, die Aufteilung der Christen in Klerus und Laien, und so weiter. Der Systematiker wird, wenn er über Herkunft, Legitimation, Inhalt, Charakteristika des kirchlichen Amtes nachdenkt, dies alles zu berücksichtigen haben. Hier mag es genügen, die Schlußfolgerungen für das gegenwärtige gemeinsame ökumenische Gespräch zu ziehen. Die orthodoxen Kirchen und die römisch-katholische Kirche würden sich, da sie in ihrer zum großen Teil ja gemeinsamen Geschichte − wenn man vom Papstamt absieht − sehr ähnliche Auffassungen vom dreigliedrigen, hierarchischen Amt ausgebildet haben, wohl ziemlich schnell in diesem Punkte einigen mann, Geschichte der alten Kirche 1, Berlin 41961, 264. Entschieden anders W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, Tübingen 21964, 65–80; auf die Berechtigung seiner Sicht kann hier nicht eingegangen werden. 123 R. Joly, Le dossier (wie Anm. 108). R. Gryson, Les Lettres attribue´es a` Ignace d’Antioche et l’apparition de l’episcopat monarchique, RTL 10, 1979, 446–453, und G. Pelland, »Le dossier des lettres d’Ignace d’Antioche«: A propos d’un livre re´cent, ScEs 32, 1980, 261–297, haben die Argumente Jolys nicht widerlegt. − In das letzte Drittel des zweiten Jahrhunderts weisen auch Stellen wie IgnEph 1, 1; 7, 2; 15, 1; 18, 2; Smyrn 2, 2; 3, 2; Röm 6, 3; Polyc 3, 2 u. a., die m. E. nur auf dem Hintergrund des kleinasiatischen Monarchianismus verstanden werden können; vgl. z. B. Noe¨t von Smyrna bei Hippolyt, Refutatio X, 27, 1 f. (GCS Hippolytus III, 283, 1–11 Wendland).
10. Schlußbemerkungen
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können. Aber nur, wenn diese beiderseitigen Gespräche so geführt werden, daß dabei stets auch der Blick auf die Positionen und Fragen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gerichtet bleibt, werden sie eine wirklich ökumenische Bedeutung haben. Einigung zwischen zwei Kirchen, die den Graben zu anderen Kirchen nicht überbrücken hilft, sondern vertieft und befestigt, ist kein Gewinn und widerspricht der Verpflichtung, die vom Neuen Testament her auf uns liegt. Das heißt aber doch wohl, daß anerkannt werden muß, daß die Form des kirchlichen Amtes, wie wir sie in den katholischen und orthodoxen Kirchen finden, eine legitimerweise mögliche, aber nicht ausschließlich mögliche Ausprägung der kirchlichen Dienste darstellt. Das dreigliedrige hierarchische Amt kann nicht nur nicht auf eine unmittelbare Einsetzung durch Christus zurückgeführt werden, sondern ist auch eine sehr späte, auf jeden Fall nachapostolische Einrichtung, die dann im großen und ganzen, aber keineswegs ohne weitere Veränderungen, beibehalten wurde. Das Kriterium für die Legitimität eines kirchlichen Amtes ist nicht aus dem Verlauf der Entwicklung zu gewinnen, sondern nur aus dem Neuen Testament. Wenn die Kirche die Freiheit gehabt und benutzt hat, Dienste und Ämter je nach den sich wandelnden Bedürfnissen hervorzubringen, umzugestalten, anders zu interpretieren, zu korrigieren, untergehen zu lassen und neu zu begründen, und wenn sich letztlich nur an der Norm des Evangeliums entscheidet, ob ein kirchlicher Dienst legitim ist, dann wird man sehr lange und sehr sorgfältig prüfen müssen, bevor man die Amtsauffassung einer anderen Kirche für kirchentrennend erklärt. Das gilt auch, wenn heute eine Kirche, im pflichtbewußten Bemühen um eine sachgerechte Antwort auf die gegenwärtige Situation der Christen in der Welt, von dem alten Recht der Neuschaffung oder Umgestaltung kirchlicher Ämter oder Strukturen Gebrauch macht.124
124 Vgl. dazu J. Roloff, Die ökumenische Diskussion um das Amt im Licht des Neuen Testamentes, in: Das Amt im ökumenischen Kontext. Eine Studienarbeit des Ökumenischen Ausschusses der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, hrsg. von J. Baur, Stuttgart 1980, 139–164; R. Schnackenburg, Vom Jüngerkreis zur Urkirche. Entstehung und Entfaltung des kirchlichen Amtes im Neuen Testament, in: Der Streit um das Amt (wie Anm. 65), 9–35.
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Addenda et Corrigenda S. 21* Daß wir Episkopen und Diakone in paulinischen Gemeinden finden, ist inzwischen fragwürdig geworden, siehe die folgenden Addenda et Corrigenda zu S. 30 ff. S. 30 ff* Der Zusatz »mit Episkopen und Diakonen« (συ`ν ε᾽πισκο´ποις και` διακο´νοις) zum Gruß »an alle Heiligen in Philippi« (Phil 1, 1) ist wohl doch besser als spätere Anfügung zu erklären, die der Steigerung des Ansehens der Episkopen durch die apostolische Herleitung ihres Amtes dienen sollte. Die feste Formel, die auch an anderen Stellen der christlichen Literatur des 2. Jahrhunderts begegnet (z.B. Didache, Clemens Romanus, Hirt des Hermas), setzt die etablierten Ämter voraus, die es zur Zeit des Paulus noch nicht gab. Paulus selbst sagt im Philipperbrief kein einziges Wort mehr über Episkopen und Diakone, auch nicht in den übrigen Briefen. Polykarp von Smyrna kennt in seinem Brief an die Philipper (!) keine Episkopen und nennt sich auch selbst nicht so. Siehe dazu mit weiteren Gründen M. Theobald, Eucharistie als Quelle sozialen Handelns. Eine biblisch-frühkirchliche Besinnung, Neukirchen-Vluyn 2012, 168–175 (Lit.). D.-A. Koch, Die Entwicklung der Ämter (wie »Einleitung«, oben S. 2 Anm. 3), 176, der die episkopoi (Phil 1, 1) für einen auf diese Stadt begrenzten Sonderfall hält, erklärt: »Die vielfach postulierte paulinische Episkopenverfassung ist eine Fiktion.« S. 36* Zur »Presbyteralverfassung« ist jetzt der grundlegende Art. »Presbyter« von J. G. Mueller, in: RAC, Lieferung 218 (2016), 86–112, einzusehen. S. 37* D.-A. Koch, Die Entwicklung der Ämter (wie »Einleitung«, oben S. 2 Anm. 3) 171, erklärt, daß für Jerusalem »vor 70 n. Chr. keine örtlichen Synagogengemeinden mit Ältestenverfassung nachweisbar« seien und deswegen diese nicht »als Vorbild für die Leitungsstruktur der frühchristlichen Gemeinde in Jerusalem« gedient haben kann. Er hält dafür, daß Lukas die presbyterale Gemeindeleitung seiner eigenen Zeit in die apostolische Jerusalemer Urgemeinde und in die Gemeinden Kleinasiens (Apg 14, 23; 20, 17) vorverlegt habe (S. 173). Das mag so sein. Ein jüdisches Vorbild für die Presbyter-Ordnung hat es zwar in der frühen Zeit nicht in den Synagogen-Gemeinden, aber doch in den Ortsgemeinden gegeben, und vor allem in Qumran! Die reichen Belege, die J. G. Mueller in dem oben zitierten Artikel »Presbyter«, 92–95, beibringt, zeigen, daß in Qumran die »Ältesten« nach den Priestern bedeutende Funktionen in Rechtsprechung und Liturgie, sogar »bei den Einführungsriten der Gemeinschaft« ausübten. Soweit es Verbindungen zwischen den frühen Christen und Qumran gab, konnte eine Übernahme ähnlicher Leitungsstrukturen in den sich bildenden selbständigen Christengemeinden durchaus stattfinden. »Heidenchristliche« Gemeinden der späteren Zeit haben wahrscheinlich auch keine Probleme gehabt, die reichlich vorhandenen nicht-jüdischen Presbyter-Gremien als brauchbares »Vorbild« zu akzeptieren. J. G. Mueller, 96 f., zählt (mit Belegen) auf: »Im ganzen östl. Mittelmeerraum sind P[resbyter] festumrissene Gruppen in Gymnasien . . ., städtischen Gruppierungen . . ., Militärorganisationen . . . u. anderen Berufs- . . . oder religiösen Gruppen u. Vereinigungen.« Sein Urteil (100): »Mit ›P[resbyter]‹ fanden die Christen in allen diesen Kontexten einen Begriff für eine gemeinschaftliche u. herausgehobene Gemeindeleitung. Die Lehrerrolle des ntl. P. entspricht jedoch am ehesten dem rabbin. Ältesten/Weisen.« − Im übrigen spielt die Herkunft des Vorbilds für die Bedeutung der Gemeinde-Presbyter schwerlich eine entscheidende Rolle.
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S. 39 Anm. 59* Die Spätdatierung der Pastoralbriefe, insbesondere aufgrund der in Anm. 59 vorgetragenen Argumente, ist durch eine sorgfältige Untersuchung von M. Janssen bestätigt worden: »Wider die Antithesen der fälschlich sogenannten Gnosis«. 1 Tim 6, 20 und die Antithesen Markions, in: Frühes Christentum und religionsgeschichtliche Schule. FS zum 65. Geburtstag von Gerd Lüdemann, hg. von M. Janssen/F. S. Jones/J. Wehnert, NTOA 95, Göttingen 2011, 96–109. Sie bringt S. 96 Anm. 4 eine mit F. Ch. Baur (1835) beginnende lange Liste der Autoren, die in 1 Tim 6, 20 einen Hinweis auf Markions Antithesen sahen, und kommt nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis, daß die Gründe für die Ablehnung dieser These nicht stichhaltig sind. − M. Vinzent, Die Auferstehung Christi im frühen Christentum, Freiburg/Basel/Wien 2014, 185–188, erörtert darüber hinaus weitere textliche Hinweise auf eine anti-markionitische Ausrichtung der Pastoralbriefe; zustimmend: O. Zwierlein, Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii (wie »Einleitung«, oben S. 3 Anm. 5), Bd. 2, S. 378 f. − W. Löhr untersucht in einer überaus reichhaltigen Studie Evangelien-Editionen und Kommentare von Theologen des 2. Jahrhunderts, auch das »Neue Testament« Markions und dessen »Hauptwerk« (proprium et principale opus, Tertullian), die »Antithesen«. Er schließt mit den Sätzen: »It is important to realize that the Antitheses of Marcion were probably neither the first nor the last example of its kind which were formulated by Gnostic, Marcionite or Manichean theologians. If 1 Tim 6, 20 refers to a text at all, it probably does not refer to the Antitheses of Marcion.« (W. Löhr, Editors and Commentators: Some Observations on the Craft of Second Century Theologians, in: Pascha nostrum Christus, Essays in Honor of Raniero Cantalamessa, ed. by P.-F. Beatrice/ B. Pouderon, ThH 123, Paris 2016, 68–84, hier 80; ähnlich schon in seinem Art. Markion, in: RAC 24, 2012, 147–173, hier 152 f.). Eine Begründung für diese Schlußfolgerungen habe ich in den voraufgehenden Ausführungen nicht erkennen können. Markions »Antithesen« gehen als Buch denen der von W. Löhr genannten gnostischen, markionitischen und manichäischen Theologen in jedem Fall voraus. Und wenn diese »Antithesen«, wie W. Löhr umittelbar zuvor, sich einer Interpretation von E. W. Scherbenske anschließend, ausführt, weniger eine Einführung in Markions »Neues Testament«, als vielmehr eine Schrift vor allem auch mit propagandistischer Intention war, welche die Leser oder Hörer für Markions Lehre gewinnen sollte, dann ist der polemische Bezug auf dieses Buch an der absolut herausragenden Stelle des Schlußworts 1 Tim 6, 20 umso wahrscheinlicher. − M. Theobald, Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen (wie »Einleitung«, oben S. 3 Anm. 4) vermeidet die Diskussion um die Bedeutung der »Antithesen« in 1 Tim 6, 20. Er stellt fest, daß die vormarkionitische Paulusbrief-Ausgabe, die seit den Zwanziger-Jahren des 2. Jahrhunderts in Kleinasien bekannt ist, die Pastoralen nicht enthielt, und schließt sich der Meinung an, daß Markion die Pastoralbriefe nicht gekannt habe (S. 218–227). Polykarps Brief an die Philipper, der zwischen 144 und 156 n. Chr. angesetzt wird, sei der älteste Beleg für die Kenntnis der Pastoralbriefe, die in der Zeit zwischen 120 und 150 n. Chr. in Kleinasien, wohl in zeitlicher Nähe zum Polykarpbrief, also im zweiten Viertel des 2. Jahrhunderts, veröffentlicht worden seien (325–331). − G. Häfner, Die Pastoralbriefe, in: M. Ebner/S. Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament, Stuttgart 22013, 469, hält es nicht für sicher, daß Polykarp »auf die Past zurückgreift«; doch die späte Rezeption dieser Briefe, die Beobachtungen H. von Campenhausens, die Ph. Vielhauer aufnahm (s. oben Anm. 59) über die zeitliche und geistige Nähe der Pastoralen zu Polykarp, sowie die Vermeidung der unbeweisbaren These, 1 Tim 6, 20 sei auf eine »Frühform der Gnosis« zu beziehen (Markion wird nicht erwähnt), lassen Häfner auch eine Abfassungszeit »um 140« für möglich halten. J. Herzer, Was ist falsch an der »fälschlich so genannten Gnosis«? Zur Paulusrezeption des Ersten Timotheusbriefes im Kontext seiner Gegnerpolemik, in: EC 5, 2014, 68–96, betrachtet die Pastoralbriefe nicht als Corpus, sondern versucht zu zeigen, daß allein der Erste Timotheusbrief, der von 2 Tim und Tit »zeitlich und damit auch inhaltlich abrückt« (70), aufkommende gnostische Bewegungen abwehre. Einen Bezug der antitheseis (1 Tim
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6, 20) auf die Markions und überhaupt eine Engführung der anvisierten Gegner auf Markion weist er zurück (72 f., 84 f.), nimmt aber einen klaren Zusammenhang von 1 Tim 6, 20 mit den voraufgehenden Aussagen im Brief an (77–83). Die »Antithesen der fälschlich so genannten Gnosis« erklärt er als die widersprüchlichen Lehren der Gnostiker, wie Irenaeus sie zeichnet, wobei Markion mit vielen anderen in diese Bezeichnung − wie bei Iren., Adv. haer. V, 26, 2 − eingeschlossen sein kann (84 f). Gewiß ist für ihn, daß es sich bei den Gegnern um gnostische Strömungen handelt, weil »Gnosis« in 1 Tim 6, 20 nur Selbstbezeichnung sein könne (83; vgl. 90 f.), Markion sei aber vermutlich mitgemeint (86), denn Aussagen über die Gutheit des Gesetzes (1 Tim 1, 8), die Ablehnung asketischer Forderungen hinsichtlich Nahrung, Wein und Ehe (1 Tim 4, 3–5; 5, 23), die antidoketische Christologie (1 Tim 2, 5) können sich auf die diese gnostischen Bewegungen, wie auch auf Markion beziehen (77–83; 86–90). Es sei deutlich, heißt es S. 91, »daß das Bestehen auf einer Unterscheidung zwischen Markion und anderen Gnostikern ungeeignet ist, der Situation hinter 1 Tim 6, 20 oder auch bei Irenäus gerecht zu werden.« Das gilt offenbar, auch wenn »hinter den Aussagen des 1 Tim keine konkrete gnostische Gruppe − und daher auch nicht Markion − identifizierbar ist.« (84). − Dem läßt sich entgegnen: Wenn, mit guten Gründen, zugegeben wird, daß 1 Tim auch antimarkionitisch ist, wird ein Streit darüber, ob die antitheseis in 1 Tim 6, 20 die Markions sind, müßig, denn mit der ersten Feststellung ergibt sich für 1 Tim ein Datum nach Markions Verlassen der römischen Kirche (nach 144!). Im übrigen paßt die (wohl absichtlich) mehrdeutige Formulierung: »Antithesen der fälschlich so genannten Gnosis« bestens zu der von Herzer zutreffend erfaßten mehrfachen Frontstellung des 1 Tim, wenn hier Markioniten und Gnostiker zusammen gesehen werden. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Verfasser nicht zu präzise werden darf, wenn er sich als »Nicht-Paulus« nicht verraten will. − Herzers Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Datierung des 1 Tim beruhen auf mehrfachen nicht belegbaren, sogar unrichtigen Behauptungen. Er nimmt für 1 Tim bereits den Monepiskopat an (S. 92: »der Episkopus leitet als Einzelner die Ortsgemeinde und steht als solcher einem Presbytergremium vor bzw. gehört diesem selbst an.«) und erwägt von hier aus »die Spätdatierung des Ignatius« (S. 92, Anm. 70): 1 Tim könnte nach Polykarp (!) und »vor oder vielleicht sogar parallel zu Ignatius liegen, und zwar um etwa 140 n. Chr., als sich die kirchliche Auseinandersetzung mit Markion, Valentin und anderen Vertretern gnostischer Vorstellungen noch in einer Anfangsphase befand.« (93). − Diese Aussagen sind jedoch unhaltbar; das früheste Zeugnis für den Monepiskopat bleiben die Ignatianen; 1 Tim ist vor Polykarps Philipperbrief geschrieben, die gnostische »Gefährdung« wurde erst sehr spät erkannt (Justin, Irenaeus), und die »Selbstbezeichnung« »Gnosis« ist auch nicht für die frühe Zeit bezeugt. Die oben angegebene Datierung der Pastoralbriefe bleibt bestehen. S. 40 Anm. 64* Die Frage, ob ε᾽πι´σκοπος in 1 Tim 3, 2 und Tit 1, 7 generisch zu verstehen sei, ist immer noch umstritten. M. Theobald, Von den Presbytern zum Episkopos (Tit 1, 5–9). Vom Umgang mit Spannungen und Widersprüchen im Corpus Pastorale, ZNW 104, 2013, 209– 237, versteht den Singular το`ν ε᾽πι´σκοπον (Tit 1, 7) als »generisch« und hält es für eine Überforderung des Textes, wollte man »aus V. 7 ein zweites Amt neben dem der ›Ältesten‹ herauslesen« (222 f.); problematisch sei es jedoch, »von Tit 1, 7 her die Identität beider« (scil. des Episkopos und des Presbyters) auch in das übrige Corpus Pastorale einzutragen.« (223). Seine Beobachtungen zu den Aussagen über das Episkopen-Amt und zur Ordination des Timotheus (in 1 und 2 Tim) lassen ihn folgern, daß »presbyteroi die vorgegebene Amtsbezeichnung ist, episkopos dagegen die vom Autor favorisierte Funktion des Amtes benennt.« (235). Der Episkopos habe im Kreis der Presbyter »die Rolle eines primus inter pares inne« (232), sei − wenigstens der Intention des Autors nach − »der Hauptverantwortliche« in ihrem Gremium. Jedoch sei »der Autor des Corpus Pastorale noch weit entfernt«, ein Episkopen-Amt nach Art der Ignatianen zu propagieren (236). − (Diese mit vielen Stellenanalysen gestützte These (232 ff.) ist sehr erwägenswert; ein stringenter Beweis ist aber wohl schwerlich zu erbringen). −
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Mehrere Interpreten jedoch sehen in dem Singular episkopos einen klaren Hinweis auf den Monepiskopat, so z. B. D.-A. Koch, Die Entwicklung der Ämter (wie »Einleitung«, oben S. 2 Anm. 3), 188 f. 195; ders., Geschichte des Urchristentums (wie ebd.), 444 f.; H. Löhr, Art. Paulus II, RAC 26, 2015, Sp. 2010; J. Herzer, Was ist falsch an der »fälschlich so genannten Gnosis«? (wie »Addenda« zu Anm. 59), 92; G. Häfner, Die Pastoralbriefe (wie »Addenda« zu Anm. 59), 472. − Der Grund für diese Interpretation liegt in der supponierten zeitlichen Nähe von Pastoralen und Ignatianen, ob sie nun »traditionell« beide in die ersten zwei Jahrzehnte des zweiten Jahrhunderts oder (völlig willkürlich und ohne jeden historischen Beleg) in die Zeit Hadrians (117–138) verlegt werden. Dabei wird fast regelmäßig übersehen, daß der zeitlich nach den Pastoralen schreibende Polykarp nur Presbyter als höchstes Gemeinde-Gremium kennt, sich selbst in die Presbyter einreiht und den Titel episkopos nirgends erwähnt. − Zur Stelle Mart. Polyc. 16, 2, an der Polykarp als episkopos bezeichnet wird, siehe unten die Korrektur zu Anm. 108. S. 44* Zu Clemens Romanus ist durchgängig der Kommentar von H. Lona zu vergleichen: Der erste Clemensbrief, übersetzt und erklärt, KAV 2, Göttingen 1998. Zur Datierung dieses Briefes siehe zuletzt O. Zwierlein, Petrus in Rom (wie »Einleitung«, oben S. 3 Anm. 5), 288–333, und: Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom (wie ebd.), 276–287. Zwierlein erweist die geläufigen Datierungen (in der Regel um 100 n. Chr.) als nicht stichhaltig und begründet schlüssig eine Abfassung des sog. ersten Clemensbriefes in den Jahren um 125: Der Verfasser dieses Textes schöpft deutlich aus dem ersten Petrusbrief, welcher wegen seiner »engen Berührungen mit den bei Plinius greifbaren Anklagen gegen Christen in Bithynien« (S. 315) wahrscheinlich in den Jahren 110–113 geschrieben ist. (D. A. Koch, Die Entwicklung der Ämter [wie »Einleitung«, oben S. 2 Anm. 3]), 182–188, entscheidet sich aufgrund gleicher Überlegungen für »die Zeit zwischen 112 und etwa 115 n. Chr.). Die von »Clemens« verwendete Symbolik des Vogels Phönix und die literarische Verwandtschaft mit der 40. Oratio des Dion von Prusa führt am wahrscheinlichsten auf die Jahre 120–125. S. 52 Anm. 108* O. Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 2 (wie »Einleitung« S. 3 Anm. 5), 1–36, schließt auf Grund seiner Untersuchungen im Zusammenhang mit der neuen kritischen Edition des Martyrium Polycarpi auf die Jahre zwischen 161 und 168 n. Chr. für Polykarps Tod. − Die Stelle MartPol 16, 2 entfällt als früher Beleg für einen Monepiskopat. Nach der kritischen Edition von O. Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 1, 36, gehört dieser Text der Rezension des Ps-Pionius (ca. 400 n. Chr.) an. S. 54 Anm. 118* Siehe für MartPol 16, 2 die Korrektur zu Anm. 108.
Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien 0. Vorbemerkung
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0. 1 Zum Inhalt In den folgenden Thesen gehe ich nicht auf alle mit der Frage der Echtheit und historischen Situation der sieben Ignatianen (der »mittleren« Rezension) verbundenen Probleme ein, sondern beschränke mich auf einige mir entscheidend erscheinende Punkte. Selbstverständlich erhebe ich nicht den Anspruch, mit meinen nur zum Teil erstmals vorgetragenen Thesen alle durch die Briefe aufgeworfenen Fragen beantworten zu können; aber ich glaube, daß sich zum mindesten hinsichtlich der Datierung eine relativ große Sicherheit erreichen läßt. Soweit für einzelne Thesen die Argumente bereits von anderen Autoren dargelegt worden sind, begnüge ich mich hier mit einer kurzen Wiederholung zur Erinnerung. Ausführlicher argumentiere ich nur, wo ich meine, etwas Neues (oder wenigstens in den letzten Jahrzehnten nicht mehr Diskutiertes) sagen zu können. Dabei fasse ich Argumente zusammen, die auf breiterer Basis in * einer geplanten größeren Arbeit über »Ignatius und Noe¨t« dargelegt werden sollen.
0. 2 Zur Methode Argumente der Verteidiger der Echtheit der Ignatianen beruhen häufig auf einem Zirkelschluß, insofern uneingestanden vorausgesetzt wird, was es erst zu ermitteln gilt: Autor, Zeit, Ort und Abfassungsumstände. Wenn aber der begründete Verdacht besteht, daß ein Text pseudepigraphisch ist, dann müssen Zeit und Ort zunächst einmal offen bleiben. Das bedeutet im Fall der Ignatiusbriefe, daß grundsätzlich der gesamte Zeitraum bis zu ihrer ersten unbestritten sicheren Bezeugung (bei Irenaeus) als Abfassungszeit sowie jeder denkbare Ort als Abfassungsraum in Betracht kommen und uneingeschränkt die gesamte Literatur dieser Zeit mit den Briefen zu vergleichen ist. Wenn sich dann z. B. zeigt, daß die Ignatianen ihre engsten Parallelen in der Literatur um 170/80 haben, dann läßt sich dieses Argument für eine Spätdatierung nicht durch den Hinweis entkräften, man könne ja, weil die Literaturmasse um 110 im Raum
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
Antiochien denkbar schmal sei, nicht ausschließen, daß eine bestimmte bei Ignatius und sonst erst um 170/80 nachgewiesene theologische Redeweise nicht auch schon gegen Anfang des 2. Jahrhunderts in Antiochien mit seinen besonderen Bedingungen möglich gewesen sei. Ein solches Gegenargument ist metho disch fehlerhaft und deswegen ohne Relevanz. Auf diese Weise könnte man sonst genausogut z. B. für die Jahre 70–80 als Abfassungszeit plädieren, denn auch für diese Zeit schweigen die Quellen über die Situation in Antiochien weitgehend. Ebensowenig darf vorausgesetzt werden, daß die in den Briefen beschriebenen Personen und Situationen historisch sind. Weder Zeit noch Ort noch Personen noch Geschehen liegen von vornherein fest. Alle Angaben in den Briefen müssen behandelt werden können, als ob sie auch auf literarischer Fiktion beruhten.
1. Chronologie und Echtheit 1. 1 Die Ignatius-Chronologie des Eusebius beruht auf unhaltbarer Kalkulation Ausgangspunkt aller Untersuchungen zu den Ignatianen muß die Überprüfung der Grundlagen der rezipierten Chronologie sein, die vor allem auf den Angaben in Eusebius’ Chronik und Kirchengeschichte beruht. Nur mit Verwunderung kann der Historiker, der die Gründe für die weithin selbstverständlich gewordene Datierung der Briefe in die Zeit ca. 110–117 sucht, die einschlägigen Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte lesen: Er findet darin zu diesem Thema vor allem nichts, gelegentlich den Hinweis auf einen längst etablierten, niemals ernsthaft in Frage gestellten Konsens der Forscher, und nur in einem einzigen Fall eine Untersuchung der chronologischen Basis − mit für den Konsens negativem Ergebnis.1 Um ein paar Beispiele zu nennen: Weder in der Edition von J. A. Fischer noch in den letzten Kommentaren von H. Paulsen und W. R. Schoedel oder in der jüngsten Patrologie von H. R. Drobner werden die Daten erörtert.2 1 Ch. Munier, A propos d’Ignace d’Antioche. Observations sur la liste e´piscopale d’Antioche, RevSR 55, 1981, 126–131; Munier hat hier (131) die Jahre 120–135 als Abfassungszeitraum vorgeschlagen, in seinem Forschungsbericht, Ou` en est la question d’Ignace d’Antioche? Bilan d’un sie`cle de recherches 1870–1988, ANRW II. 27. 1, 1993, 359–484, hier 484 Anm. 400, die Jahre 116–117 aber nicht mehr ausgeschlossen; eine Begründung für diese Änderung gibt er nicht. − R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche, Bruxelles 1979, hat die Echtheit der Ignatianen bestritten und sie in die Zeit 160–170 datiert (S. 113– 120); er hat vor allem das angebliche Zeugnis des Polykarpbriefes untersucht (siehe dazu Nr. 1. 2), aber nicht eigens die Grundlagen der eusebianischen Chronologie. 2 J. A. Fischer, Die Apostolischen Väter. Eingeleitet, herausgegeben, übersetzt und erläutert, SUC 1, Darmstadt 1959; H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Brief des Polykarp von Smyrna. Zweite, neu bearbeitete Auflage der Auslegung von
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Man begnügt sich mit der Erwähnung der »vertrauenswürdigen« Nachrichten des (Origenes und) Eusebius über Ignatius als zweiten Nachfolger des Petrus auf dem Bischofsstuhl von Antiochien und sein römisches Martyrium unter Trajan und verläßt sich im übrigen auf die Interpretation dieser Zeugnisse durch Th. Zahn (1873) und J. B. Lightfoot (1885),3 ohne daß auch nur die Frage gestellt würde, ob denn die literatur- und theologiegeschichtlichen Voraussetzungen, von denen Zahn und Lightfoot bei ihren Untersuchungen zu Echtheit und Zeit der Briefe ausgegangen sind, in allen tragenden Punkten fest geblieben seien, oder ob nicht die ein Jahrhundert lang weitergegangene Erforschung der Frühzeit des Christentums, der ersten Bischofslisten, der chronologischen Arbeitsweise des Eusebius Ergebnisse gebracht habe, welche die alten, ohnehin schon schwankenden Deutungen vollends erschüttern könnten.4 Es ist ja keineswegs so, daß die Alten zu einem einheitlichen, allseits anerkannten Ergebnis gekommen wären. A. v. Harnack hat sich zwar von dem Nachweis der Echtheit der Briefe durch Th. Zahn (und dann J. B. Lightfoot) überzeugen lassen, war aber von Zahns Behandlung der Chronologie so wenig befriedigt, daß er sie 1878 in einer eigenen Studie untersuchte.5 Er verwarf sämtliche Traditionen über die Zeit des Ignatius als unzuverlässig und hielt es für möglich, daß die Ignatianen »z. Z. des Hadrian (der auch den Namen Trajan führte) oder selbst des Antoninus Pius geschrieben« seien.6 Lightfoot hat auf die Argumente Harnacks eher unklar und durchaus nicht schlüssig geantwortet.7 Die inneren und äußeren Gründe für die Echtheit der Briefe hielt er für zwanW. Bauer, HNT 18, Tübingen 1985 (Paulsen, ebd. 4, erklärt jedoch, daß die Echtheit der Briefe eine diskussionswürdige Hypothese bleibe, und hält die Angabe, Ignatius sei der zweite Bischof von Antiochien gewesen, nicht für unbedingt zuverlässig; ähnlich ders., Ignatius von Antiochien, RAC 17, 1996, 933–953; hier 933 f.); W. R. Schoedel, Ignatius of Antioch. A Commentary on the Letters of Ignatius of Antioch, Hermeneia, Philadelphia 1985; H. R. Drobner, Lehrbuch der Patrologie, Freiburg 1994 [Frankfurt u. a. 32011]. 3 Th. Zahn, Ignatius von Antiochien, Gotha 1873; J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers, Part II, S. Ignatius. S. Polycarp, London 1885, 21889, Nachdruck Peabody/Mass. 1989; vgl. dazu die Feststellung im Forschungsbericht von W. R. Schoedel, Polycarp of Smyrna and Ignatius of Antioch, ANRW II. 27. 1, 1993, 272–358, hier 347 f.: »Where the authenticity of the middle recension is assumed, Eusebius’ setting for the letters of Ignatius in the reign of Trajan (A. D. 98–117) is still taken as the point of departure (H. E. 3. 36). Also still of fundamental importance in this connection are the arguments of Lightfoot who suggested A. D. 100–118 . . . A relatively early date is also implied by Origen who refers to Ignatius as ›the second bishop of Antioch‹ (Hom. in Luc. 6).« 4 Im folgenden stütze ich mich z. T. auf Ausführungen in der soeben abgeschlossenen Münchener Diss. theol. von Thomas Lechner, in der die gesamte Quellengrundlage für die Datierung der Ignatiusbriefe und die Geschichte ihrer Interpretation ausführlich dargelegt und geprüft werden [die Druckfassung dieser Dissertation erschien unter dem Titel: Ignatius adversus Valentinianos? Chronologische und theologiegeschichtliche Studien zu den Briefen des Ignatius von Antiochien, SVigChr47, Leiden/Boston/Köln 1999]. 5 A. Harnack, Die Zeit des Ignatius und die Chronologie der Antiochenischen Bischöfe bis Tyrannus nach Julius Africanus und den späteren Historikern, Leipzig 1878. 6 Ebd. 71. 7 J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers (wie Anm. 3), II/2, 452–471.
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zigmal (!) stärker als die für die frühe antiochenische Chronologie. Die eusebianischen Daten des 1. Jahrhunderts (Amtsantritt des ersten Bischofs von Antiochien 42 n. Chr., des Ignatius 69 n. Chr.) betrachtete er als unglaubwürdig, weil spekulativ.8 Seine Auffassung, daß die gesamte antiochenische Chronolo gie bei Eusebius auf Spekulation, nicht auf historischen Nachrichten beruhe, hat Harnack in seinem großen Werk »Die Chronologie der Litteratur bis Irenaus« (1897) nicht aufgegeben, das Abfassungsdatum der Ignatianen (und des Polykarpbriefes), je nachdem, von welchem Gesichtspunkt her er seine Überlegungen anstellte, schließlich in die Jahre 110–117, »vielleicht« 117–125, verlegt, eine spätere Zeit zwar nicht ausgeschlossen, aber für »unrathsam« erachtet.9 Als wie hypothesenreich und unsicher damals noch die einzelnen Datierungsversuche galten, zeigen die Forschungsberichte bei E. v. d. Goltz, A. Ehrhard und auch noch P. N. Harrison.10 Der Konsens in der Datierungsfrage, auf den man sich heute so oft beruft, wurde, weil man des vielen Disputierens müde war, herbeigeredet und beschlossen, nicht erarbeitet. War die Sicherheit der Chronologie des Ignatius durch die Darlegungen Zahns und Lightfoots keineswegs erwiesen, so ist sie durch den Fortgang der Forschung gänzlich beseitigt worden. Inzwischen ist allgemein anerkannt, daß des Eusebius Bischofsreihen und -chronologien für Jerusalem, Alexandrien oder Rom künstliche Gebilde ohne historische Verläßlichkeit sind, an die man nur glauben kann, wenn man wie Eusebius die Bischöfe auf die Apostel zurückführt.11 Daß dann dasselbe jedoch auch für die Bischofsliste Antiochiens gelten müsse, wurde merkwürdigerweise übersehen. Wer z. B. mit Th. Zahn »Reise, Briefe und Tod des Ignatius« »in eins der Jahre 105–117« legen will,12 der muß auch dazu bereit sein, die Annahmen zu teilen, die Zahns Argumentation notwendig zugrundeliegen: so u. a. daß das Bischofsamt in Jerusalem von Jakobus 8
Ebd. 471. A. Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius. II/1. Die Chronologie der Literatur bis Irenäus, Leipzig 21958, 406; vgl. 396: zweites Viertel zweiten Jahrhunderts; 398 und 404: erste Hälfte zweiten Jahrhundert; 405: eher nach Trajan, im günstigsten Fall letzte Zeit Trajans. 10 Vgl. E. v. d. Goltz, Ignatius von Antiochien als Christ und Theologe, TU 12/3, Leipzig 1894, 7–10; als Ergebnis der Diskussion seit Zahn (1873) und Harnack (1878) hält er fest, daß »die Datierung des Euseb nicht mehr als ein unbedingtes Veto gelten darf, wenn aus wichtigen inneren Gründen eine spätere Ansetzung« notwendig würde (ebd. 9); vgl. A. Ehrhard, Die altchristliche Litteratur und ihre Erforschung von 1884–1900, Bd. 1, Die vornicänische Litteratur, Freiburg i. B. 1900, 86–100; P. N. Harrison, Polycarp’s two Epistles to the Philippians, Cambridge 1936, 28–72; vgl. auch die Liste der Widersprechenden bei K. Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, Tübingen 1924, XXXIV. 11 Die Literatur zu den Bischofslisten und zur Chronik des Eusebius ist vermerkt bei L. Koep, Art. Bischofsliste, RAC 2, 1954, 407–415, H. Ohme, Art. Bischofslisten, LThK3 2, 1994, 499–501; ich erwähne als besonders bedeutungsvoll die Studien von A. Harnack, E. Schwartz, R. Helm, E. Caspar, Th. Klauser; zur Chronik des Eusebius siehe den Forschungsbericht und die kritische Stellungnahme von A. A. Mosshammer, The Chronicle of Eusebius and Greek Chronographic Tradition, Lewisburg/London 1979, 37–83. 12 Th. Zahn, Ignatius (wie Anm. 3), 60. 9
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an monarchisch war, daß »Ignatius zweiter Bischof der früh gestifteten«,13 von Jerusalem in bezug auf das Amt stark geprägten antiochenischen Gemeinde war, daß die Pastoralbriefe noch zu Lebzeiten des Paulus geschrieben wurden, daß der nach Kleinasien übergesiedelte Apostel Johannes spätestens 97–100 n. Chr. den damals etwa dreißigjährigen Polykarp zum Bischof von Smyrna eingesetzt, überhaupt den in der Asia bislang unbekannten Episkopat eingeführt habe, den wenig später die Apokalypse und eben Ignatius für diesen Raum bezeuge.14 Nur mit diesen Annahmen behält Zahns (und analog Lightfoots) Interpretation der Mitteilungen des Eusebius für die Zeit und Geschichte des Ignatius ihre Wahrscheinlichkeit, nur so gewinnt er den notwendigen »dreißigjährigen Zeitraum für die Umgestaltung der Gemeindeverfassung in Kleinasien nach dem Tode des Paulus«.15 Zahn war ja kein historischer Phantast. Er wußte, daß eine Institution wie das monarchische Bischofsamt nicht einfach zu einer beliebigen Zeit und unter beliebigen Umständen erfunden und gegen gewachsene Amtsstrukturen oktroyiert worden sein kann. Ergab sich aber in frühester Zeit ein gewissermaßen natürlicher Ursprung mit Jakobus in Jerusalem, dann konnte das Amt mit apostolischer Autorität von Ort zu Ort verpflanzt werden. Ich deute diese Punkte nur an, um ins Bewußtsein zu rufen, welche historischen Voraussetzungen und Konsequenzen man zu bedenken hat, wenn man ohne Prüfung mit Zahn und Lightfoot grundsätzlich dem Eusebius folgt. Dessen Bischofsreihen und -chronologien beruhen auf Annahmen und Prämissen, die durch die Forschungen zur Frühgeschichte des Christentums und zur christlichen Historiographie zum großen Teil unhaltbar geworden sind. Wenn W. R. Schoedel, offenkundig beeindruckt von den Argumenten Ch. Muniers, zuletzt (1993) den Zeitraum der Entstehung der Briefe bis 135 n. Chr. ausgedehnt hat, dann hat er den Ansatz des Eusebius (Martyrium in der Verfolgung unter Trajan) verlassen und implizit zugegeben, daß dessen Kalkulationen fiktiv sind und die Ignatianen nur mittels innerer Kriterien datiert werden können.16
1. 2 Der Philipperbrief des Polykarp von Smyrna ist kein Zeugnis für die Echtheit und Abfassungszeit der Ignatianen, weil er interpoliert ist Den Nachweis dafür hat im Jahre 1979 Robert Joly in seiner kurz gefaßten Studie Le dossier d’Ignace d’Antioche erbracht.17 13
Ebd. Siehe Th. Zahn, Ignatius (wie Anm. 3), 326–332; vgl. die Zusammenfassung bei U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament. Theodor Zahn als Patristiker, Wuppertal/ Zürich 1991, 37 f. 15 Th. Zahn, Ignatius (wie Anm. 3), 330. 16 W. R. Schoedel, Polycarp of Smyrna and Ignatius (wie Anm. 3), 349, Schlußsatz zu seinem (knapp zwei Seiten umfassenden) Forschungsbericht über »The date of Ignatius«: »Thus the dating of Ignatius’ arrest and deportation to Rome is a matter of great uncertainty and could conceivably be placed anywhere between A. D. 105 and A. D. 135.« 14
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Aus dem 9. Kapitel des Philipperbriefes ergibt sich, daß Ignatius tot ist: Er, Zosimus und Rufus und andere aus Philippi sind ebenso wie Paulus und die übrigen Apostel alle »an den ihnen gebührenden Ort beim Herrn gelangt, mit dem sie auch gelitten haben«. Im 13. Kapitel wird jedoch vorausgesetzt, daß Ignatius und seine Gefährten noch leben. Polykarp verspricht, daß er die Briefe der Philipper nach Syrien weiterbefördern werde, wie sie und Ignatius brieflich gebeten hätten, und erbittet genauere Nachrichten über das weitere Schicksal der Gefangenen von den Philippern, die, wie er im 1. Kapitel erwähnt, die Verurteilten von Philippi aus weitergeleitet haben (Polyc., ep. 1, 1). Er erklärt im 13. Kapitel ferner − und das ist das einzige »zeitgenössische« Zeugnis für den antiochenischen Ignatius und seine Briefe −, daß er nach dem Wunsch der Philipper die von ihm gesammelten Briefe des Ignatius seinem gegenwärtigen Briefe beifüge. R. Joly diskutiert und verwirft alle bis dahin vorgetragenen »Lösungen«, mit denen der Widerspruch zwischen dem 9. und 13. Kapitel gemildert oder aufgehoben und so die Einheitlichkeit des Briefes Polykarps und damit die Echtheit der Ignatianen gerettet werden sollte. Er diskutiert und verwirft ebenfalls die berühmte und äußerst einflußreiche Hypothese P. N. Harrisons, der wegen des genannten offenkundigen und auch von ihm für unüberwindlich gehaltenen Widerspruchs das 13. Kapitel zusammen mit dem vierzehnten als ein ursprünglich selbständiges Schriftstück betrachtet, das Polykarp seiner Sendung der Ignatius-Episteln an die Philipper als begleitenden Kurzbrief beigegeben habe und das durch einen Zufall der Überlieferung mit einem späteren, um 135 n. Chr. verfaßten längeren Schreiben, das die Kapitel 1–12 samt Adresse des heutigen Philipperbriefes umfasse, zu einem einzigen Brief verschmolzen sei.18 R. Jolys Argumente sind durch seine Kritiker nicht widerlegt worden, erledigen sich aber auch nicht dadurch, daß man sie nicht beachtet.19 In seiner soeben abgeschlossenen Münchener Dissertation hat Thomas Lechner das Verhältnis Polykarpbrief − Ignatianen auf breiter Basis erörtert, Jolys Position bestätigt und mit neuen durchschlagenden Beobachtungen verstärkt. Kapitel 13 und
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R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 17–37. P. N. Harrison, Polycarp’s two Epistles (wie Anm. 10); Diskussion der Hypothese Harrisons samt ihrer von den späteren Editoren (u. a. J. A. Fischer) angebrachten Varianten bei R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 21–27. 19 G. Pelland hat in seiner umfangreichen Stellungnahme zum Buch von R. Joly, ScEs 32, 1980, 261–297, hier 262–270, kein durchschlagendes Argument gegen die Interpolationsthese angeführt. Die Erwägungen über den eventuell vagen Zeitbegriff Polykarps, die C. P. Hammond Bammel den Argumenten Jolys entgegenstellt, um den Widerspruch zwischen Kapitel 9 und 13 zu lösen, sind kein ernstzunehmendes Gegenargument. Vor allem auf die ablehnenden Rezensionen von C. P. Hammond Bammel (Ignatian Problems, JThS N. S. 33, 1982, 62–97, hier 70) und G. Pelland beruft sich die Mehrzahl der Forscher, der Jolys These als erledigt gilt. Die grundsätzliche Zustimmung von Ch. Munier, RevSR 54, 1980, 55–73, wurde weniger beachtet. 18
2. Der rezipierte Text ist an zwei für die Datierung wichtigen Stellen fehlerhaft
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Kapitel 1, 1 δεξαμε´νος bis 1, 2 και´ sind in den echten Brief Polykarps an die Philipper von einem Interpolator eingescho ben worden, um die von ihm fingierten Ignatius-Briefe unter die beglaubigende Autorität einer bekannten Persönlichkeit zu stellen. Streicht man diese Interpolationen, dann wissen wir von Ignatius und seinem Schicksal nichts außer dem, was wir aus den sieben Briefen erfahren. Deren Abfassung und die Interpolation des Philipperbriefes können natürlich erst nach dem Tode Polykarps erfolgt sein. Zugleich ergibt sich, daß die Ignatianen als Briefcorpus abgefaßt und zu lesen sind. Da Polykarps Brief als Zeugnis für die Echtheit der Ignatianen entfällt und Eusebs chronologische Angaben auf freier Kalkulation beruhen, kann die Abfassungszeit der Briefe nur durch innere Kriterien ermittelt werden.
2. Der rezipierte Text ist an zwei für die Datierung wichtigen Stellen, Eph. 1, 2 und Magn. 8, 2, fehlerhaft 2. 1 R. Joly erörtert nach anderen Autoren beide Stellen gründlich, auf ihn sei verwiesen.20 In Eph. 1, 2 heißt es nach der Edition z. B. von J. A. Fischer: . . . ε᾽λπι´ζοντα τη῀ͺ προσευχη῀ͺ υ῾μω ῀ ν ε᾽πιτυχει῀ν ε᾽ν ῾Ρω´μηͺ ϑηριομαχη ῀ σαι, ῞ινα δια` του῀ ε᾽πιτυχει῀ν δυνηϑω ῀ μαϑητη`ς ει῏ναι κτλ.
Das Objekt, das man beim zweiten ε᾽πιτυχει῀ν vermißt, steht in der (einzigen) griechischen Handschrift (G): ῞ινα δια` του῀ μαρτυρι´ου ε᾽πιτυχει῀ν δυνηϑω ῀ μαϑητη`ς ει῏ναι. In der längeren, interpolierten Version des vierten Jahrhunderts (g) lautet der Text: ῞ινα δια` του῀ μαρτυρι´ου δυνηϑω ῀ μαϑητη`ς ει῏ναι. Der Redaktor hat das zweite ε᾽πιτυχει῀ν − zweifellos aus stilistischen Gründen − getilgt, aber μαρτυρι´ου beibehalten.21 Die beiden Lesarten der griechischen Versionen findet man in den gegenwärtigen Editionen im Apparat, von J. A. Fischer unglücklicherweise sogar noch an der falschen Stelle, nämlich zum ersten ε᾽πιτυχει῀ν notiert.22 Der heute rezipierte, grammatisch unzulängliche Text beruht auf einer Vermutung, die J. B. Lightfoot aufgrund der lateinischen, syrischen und armenischen Version angestellt hat.23 R. Joly plädiert mit Recht für die Beibehaltung der tadellosen Lesart der griechischen Zeugen. B. Dehandschutter hat 20
Vgl. R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 70–73. Die interpolierte Version in der Edition von Th. Zahn, Ignatii et Polycarpi epistulae, martyria, fragmenta, PAO Fasc. 2, Lipsiae 1876, 272, 17; in der Edition von J .B. Lightfoot, The Apostolic Fathers (wie Anm. 3), II/3, 251, 24 f.; in der Edition von A. Hilgenfeld, Ignatii Antiocheni et Polycarpi Smyrnaei epistulae et martyria, Berolini 1902, 213, 7. 22 Siehe J. A. Fischer, Die Apostolischen Väter (wie Anm. 2), 142, App., wo es statt 12 richtig 13 heißen muß. 23 J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers (wie Anm. 3), II/2, 30 f. 21
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die Wahrscheinlichkeit von Jolys Lösung bestätigt.24 Aber auch wer Joly nicht folgen will, muß doch zugestehen, daß der Text von G und g der ursprüngliche sein könnte, daß also wenigstens nicht sicher auszuschließen ist, daß Ignatius das * Wort μαρτυ´ριον im technischen (sonst erst nach 150 belegbaren) Sinn verwendet hat, und kann aus dem Fehlen des Wortes in den Übersetzungen kein Argument für eine Frühdatierung der Ignatianen machen. Im übrigen hat der Fachmann der Martyrologie B. Dehandschutter in den Ignatianen eine reflektierte Martyriumstheologie und spezielle Terminologie (μιμητη´ς, μαϑητη´ς) festgestellt, womit Ignatius in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts völlig allein dastehe. Unter anderem auch deswegen betrachtet er das »dossier d’Ignace d’Antioche« für wiedereröffnet.25
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2. 2 Auch in Magn. 8, 2 geht der rezipierte Text auf eine Konjektur Th. Zahns und J. B. Lightfoots zurück. Nach unserem besten Zeugen G, der lateinischen Version L und dem Monophysiten Timotheus Aelurus ist in Magn. 8, 2 zu lesen: . . . ο῞τι ει῟ς ϑεο´ς ε᾽στιν, ο῾ φανερω´σας ε῾αυτο`ν δια` ᾽Ιησου῀ Χριστου῀ του῀ υι῾ου῀ αυ᾽του῀, ο῞ς ε᾽στιν αυ᾽του῀ λο´γος α᾽ι´διος ου᾽κ α᾽πο` σιγη ῀ ς προελϑω´ν κτλ.26
Lightfoot jedoch folgt der armenischen Version und Severus und tilgt α᾽ι´διος ου᾽κ. Seine hauptsächliche Begründung: Er nimmt an, ein späterer orthodoxer
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Abschreiber habe Ignatius vor dem Verdacht der gnostischen Irrlehre bewahren wollen, dem er ausgesetzt sei, wenn er den Logos aus der Sige hervorgehen lasse, und habe deswegen α᾽ι´διος ου᾽κ eingefügt; beide Worte seien jetzt zu streichen.27 Diese Begründung beruht auf einem Zirkelschluß, insofern schon vorausgesetzt wird, daß Ignatius sich gar nicht von Valentinianern absetzen könne, weil er lange vor ihrer Zeit gelebt habe. Gleichwohl fanden Lightfoot und Zahn nahezu einhellige Gefolgschaft,28 die Gegenargumente schon von A. Hilgenfeld, J. Turmel und dann von R. Joly blieben weitgehend ohne Wirkung29; gegen 24
B. Dehandschutter, Rezension R. Joly, NThT 35, 1981, 158–161, hier 161. Siehe B. Dehandschutter, L’authenticite´ des E´pitres d’Ignace d’Antioche, StPatr 18, 3, Kalamazoo/Leuven 1989, 103–110, hier 108 f. 26 In der Edition Hilgenfelds (wie Anm. 21), 10, 26–11, 2. 27 Vgl. J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers (wie Anm. 3), II/2, 126 f.; ähnlich Th. Zahn, Ignatii et Polycarpi ep. (wie Anm. 21), 37. 28 Siehe z. B. die Neubearbeitung des Bauerschen Kommentars von H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius (wie Anm. 2), 52; W. R. Schoedel, Ignatius of Antioch (wie Anm. 2), 120, Anm. 12; schon R. Gryson, Les lettres attribue´s a` Ignace d’Antio´che et l’apparition de l’e´piscopat monarchique, RThL 10, 1979, 446–453, hier 448, wiederholte das Argument, die Einfügung von α᾽ι´διος ου᾽κ sei eine »correction theo´logique«. Im übrigen wird seine ausgewogene und »weitgehend günstige« Rezension (450) meist zu Unrecht als Ablehnung der Thesen Jolys angeführt. 29 Siehe A. Hilgenfeld, Ignatii et Polycarpi ep. (wie Anm. 21), 279 f.; H. Delafosse (= 25
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die besten Textzeugen entscheidet man sich für eine mangelhafte Lesart. Das hat zur Konsequenz, daß man eigentlich eine Gleichsetzung des Vaters mit der Sige durch Ignatius annehmen muß, da er Magn. 7, 2, also wenig zuvor, entschieden feststellt, daß der »einzige Jesus Christus« »aus dem einzigen Vater hervorgegangen ist«. Der gewundene und widersprüchliche Kommentar von W. R. Schoedel, der für die Gleichsetzung der Sige mit einer ersten göttlichen Gestalt reichlich gnostische Belege anführt, zeigt, in welche Schwierigkeiten man mit der Übernahme der Lightfootschen Konjektur gerät.30 Die Wiederherstellung der besten Lesart genügt schon allein für eine Spätdatierung der Briefe. Ignatius polemisiert − das ist unbestritten − gegen Leute in den eigenen Reihen. Ihn kümmern nicht irgendwelche Heiden, die vielleicht auch einen göttlichen Logos aus göttlichem Schweigen hervorgehen lassen.31 Die Sige kann nur eine Figur aus dem valentinianischen Pleroma sein. Damit kommen wir in jedem Fall in die Zeit nach 155/160. Da sich, wie in These Nr. 3. 1 dargestellt werden soll, direkte antignostische, und zwar präzise antivalentinianische Polemik auch sonst noch bei Ignatius nachweisen läßt, erübrigen sich hier weitere Erörterungen über die ursprüngliche Lesart von Magn. 8, 2.
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus 3. 0 R. Joly betrachtet Sprache und Vokabular eines Autors als die wichtigsten Kriterien für die Datierung eines Werkes und ist aus langer Erfahrung, wie er sagt, zurückhaltend gegenüber einem isolierten Argument aus dem Inhalt der Lehre; eine Chronologie, die allein darauf baue, sei immer viel unsicherer und vielfältigen Interpretationen unterworfen.32 Das ist zwei fellos grundsätzlich richtig. Aber im 2. Jahrhundert gibt es verschiedene Lehrentwicklungen und Reaktionen darauf, die sich ziemlich genau datieren lassen: Bestimmte Aussagen beJ. Turmel), Lettres d’Ignace d’Antioche, Paris 1927, 60–65; R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 71–73. C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 75, argumentiert zu flüchtig gegen R. Joly, wenn sie schreibt: »Even if ›Ignatius‹ was in fact a later forger, one might expect that the negative statement would be followed immediately by a positive one: ›not from silence, but from the Father‹ . . .«. Was die Rezensentin vermißt, genau das sagt Ignatius jedoch ein paar Zeilen vorher mit äußerster Betonung: ε᾽πι` ε῞να ᾽Ιησου῀ν Χριστο´ν, το`ν α᾽φ᾽ ε῾νο`ς πατρο`ς προελϑο´ντα (Magn. 7, 2). Hätte er sich wiederholen sollen? 30 Siehe W. R. Schoedel, Ignatius of Antioch (wie Anm. 2), 120–122. Am Ende seiner Diskussion des Materials gibt Schoedel zu (122): »It is possible, of course, that Ignatius is here revising a Gnostic theme. But we have also seen that there are alternatives to this.« 31 Siehe die Belege dafür in den Kommentaren von W. R. Schoedel (wie Anm. 2), 120– 122, und H. Paulsen (wie Anm. 2), 52, und in der dort angegebenen Literatur. 32 R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 61.
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gegnen nicht vor Markion und nicht vor den Valentinianern, die erkennbaren abwehrenden Reaktionen der »Großkirchlichen« haben damit einen sicheren terminus post quem. Im vorliegenden Fall hat die neue, durch die abwehrende Polemik bedingte Lehrentwicklung bei den »Großkirchlichen« auch eine neue theologische Ausdrucksweise hervorgebracht, so daß das Argument aus der Sprache und dem Vokabular hinzukommt. In den folgenden Punkten argumentiere ich zugleich aufgrund von Lehrinhalten, ihrer formalen Gestalt und ihrer besonderen Terminologie. Dabei fasse ich so kurz wie möglich zusammen, was in der Arbeit über »Ignatius und Noe¨t« ausführlich dargelegt wird.
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In den Ignatiusbriefen finden sich an meist hervorgehobenen Stellen mehrfach glaubensregelartige Textstücke ungleichen Umfangs mit fast ausschließlich christologischen Aussagen: Eph. 7, 2; 18, 2; Magn. 8, 2 (der einzige nicht rein christologische Text); Magn. 11; Trall. 9, 1 f.; Philad. 9, 2; Smyrn. 1, 1 f.; Polyc. 3, 2. H. v. Campenhausen hat diese bekenntnishaften Texte, in denen mit ungleicher Ausführlichkeit die geschichtlichen Heilstatsachen angeführt werden, untersucht und als ein Produkt der Polemik erkannt und bestimmt.33 Er scheut sich nur deswegen, sie als »Glaubensregeln« zu bezeichnen, weil er an der üblichen Frühdatierung der Ignatianen festhält, in der Glaubensregel aber eine gegen die Gnosis gerichtete, »in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts, vielleicht in Kleinasien« entstandene, zuerst bei Irenaeus erscheinende, polemisch abwehrende Zusammenfassung »des katholischen Gottes- und Christusglaubens« sieht.34 Ignatius, der mit dem geschichtlich gebauten Christusbekenntnis unter den Apostolischen Vätern allein stehe, wird als der Urheber einer in der späteren Glaubensregel und schließlich im Apostolicum fortwirkenden Neuschöpfung betrachtet.35 Zwei der glaubensregelartigen Stücke, Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2, heben sich sprachlich und stilistisch deutlich von den übrigen ab. Obwohl auch sie grundsätzlich dem geschichtlichen Aufbau folgen, benutzen sie Prädi kate der philosophischen Gotteslehre und sind mit paradoxen Antithesen konstruiert. Die umfassendste antithetisch gebaute, zum großen Teil dieselben oder äquivalente Adjektive verwendende Glaubensregel ist die des Noe¨t von Smyrna, die 33 Vgl. H. v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum, ZNW 63, 1972, 210– 253; hier 246 f.: »als dogmatische Zusammenfassung dessen, was die Gemeinde von Christus glauben und festhalten soll, sind sie vor allem polemisch gemeint, eine energische Abwehr der doketischen Verführung«; vgl. 251 f. 34 So in seinem Aufsatz »Das Bekenntnis Eusebs von Caesarea (Nicaea 325)«, ZNW 67, 1976, 123–139, hier 131 f. 35 H. v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum (wie Anm. 33), 252 f.
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus
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sich aus den von Hippolyt im neunten und zehnten Buch der Refutatio referierten noe¨tianischen Texten gewinnen läßt.36 Ich glaube gezeigt zu haben, daß sie eine unmittelbare Reaktion auf die valentinianische Gnosis darstellt: Wortlaut und Reihenfolge der paradoxen Antithesen sind durch den − in den irenaeischen Berichten bezeugten − valentinianischen Mythos des für die Archonten unsichtbar (α᾽ο´ρατος) und ungreifbar (α᾽κρα´τητος, α᾽κατα´ληπτος, α᾽ψηλα´φητος) durch die Äonen herabsteigenden, unerzeugten (α᾽γε´ννητος), leidensunfähigen (α᾽παϑη´ς) und unsterblichen (α᾽ϑα´νατος) Erlösers bedingt.37 Noe¨t, der seinen Diakon Epigonos (gewiß zu Verhandlungen) nach Rom schickt,38 muß eine kirchliche Autorität gewesen sein, aller Wahrscheinlichkeit nach einer der Nachfolger des Polykarp. Seine Glaubensregel wurde in seiner in Rom begründeten, noch von den römischen Bischöfen Zephyrin und Kallist anerkannten und geförderten Schule getreulich überliefert. Ihre (direkten oder indirekten) Spuren findet man bei Irenaeus und Tertullian, der wohl zur Zeit des Eleutherus in Rom Christ wird.39 Zum großen Teil in wörtlicher Übereinstimmung und grundsätzlich in derselben Abfolge sind die noe¨tianischen paradoxen Antithesen in den Resten einer Homilie Melitos von Sardes enthalten.40 Es ließ sich zeigen, daß Melito, der keine 100 km von Smyrna entfernt wirkte, den Noe¨t voraussetzt.41 Was läßt sich für Ignatius ausmachen? Ich setze, um einen leichteren Vergleich zu ermöglichen, die Texte des Noe¨t und Ignatius untereinander. In Hippolyts ausführlichstem Bericht über die noe¨tianische Häresie liest man im neunten Buch der Refutatio:
36 Siehe R. M. Hübner, Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna (Hippolyt, Refutatio IX, 10, 9–12 und X, 27, 1–2) bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian, MThZ 40, 1989, 279–311 [erneut und mit Ergänzungen abgedruckt in: R. M. Hübner, Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus in zweiten Jahrhundert (mit einem Beitrag von M. Vinzent), SVigChr 50, Leiden/Boston/Köln 1999, 39–94]. 37 Siehe meinen Aufsatz: Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna, in: Logos. FS für Luise Abramowski, hg. von H. Ch. Brennecke/E. L. Grasmück/Ch. Markschies, BZNW 67, Berlin 1993, 57–86, bes. 58–72 [erneut und mit Ergänzungen abgedruckt in: Hübner, Der paradox Eine (wie Anm. 36), 95–129]. 38 Vgl. Hippol., haer. IX, 7, 1 (GCS Hippolytus III, 240, 17–19 W.). 39 Z. T. gleiche paradoxe Antihesen stehen bei Tert., apol. 17 und carn. Chr. 5; Iren., haer. III, 16, 6 und Parallelen; dazu im oben Anm. 36 genannten Artikel »Die antignostische Glaubensregel« S. 302–309 [bzw. 75–87]; ebd. 280–300 [bzw. 40–73] zur Überlieferung Noe¨ts in Rom. 40 Mel., Frgm. 13, in der Edition von S. G. Hall S. 80 f. mit der griechischen Rückübersetzung von M. Richard, ebd. Anm. 50, und zahlreichen Parallelen in den von M. van Esbroeck aufgefundenen »New Fragments« ebd. S. 86–96. 41 Siehe R. M. Hübner, Melito von Sardes und Noe¨t von Smyrna, in: Oecumenica et Patristica. FS Wilhelm Schneemelcher, hg. von D. Papandreou/W. A. Bienert/K. Schäferdiek, Chambe´sy, Genf 1989, 219–240 [erneut und mit Ergänzungen abgedruckt in: Hübner, Der paradox Eine (wie Anm. 36), 1–37].
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
»Ein und derselbe Gott sei aller Dinge Schöpfer und Vater. Als es ihm gefiel, sei er den Gerechten der alten Zeit erschienen, obwohl er unsichtbar (α᾽ο´ρατον) ist; wenn er nämlich nicht gesehen wird, ist er unsichtbar (α᾽ο´ρατον), 〈wenn er aber gesehen wird, ist er sichtbar (ο῾ρατο´ν)〉; er ist unfaßbar (α᾽χω´ρητος), wenn er nicht gefaßt werden will; faßbar (χωρητο´ς) aber, wenn er gefaßt wird; so ist er im selben Sinne ungreifbar und greifbar (α᾽κρα´τητος και` κρατητο´ς), unerzeugt 〈und gezeugt〉 (α᾽γε´ν〈ν〉ητος 〈και` γεννητο´ς〉), unsterblich und sterblich (α᾽ϑα´νατος και` ϑνητο´ς).«42
Daß Noe¨ts Glaubensregel vor der letzten Antithese »unsterblich und sterblich« noch eine antithetische Formulierung über die Leidensunfähigkeit und das Leiden (etwa α᾽παϑη`ς και` παϑητο´ς) enthalten hat, zeigt das von Hippolyt im zehnten Buch der Refutatio mitgeteilte, unabhängige Exzerpt des noe¨tianischen Textes. Dort heißt es nach der Aussage über die Unerzeugtheit und Gezeugtheit (Geburt aus Maria): (Der eine Gott) »sei leidensunfähig und unsterblich (α᾽παϑη῀ και` α᾽ϑα´νατον), solange er nicht leide und sterbe; sobald er aber an das Leiden herangetreten sei, leide und sterbe er«.43
Damit sind die glaubensregelartigen, antithetisch gebauten Stücke bei Ignatius zu vergleichen: Eph. 7, 2 ει῟ς ι᾽ατρο´ς ε᾽στιν, 2 σαρκικο´ς τε και` πνευματικο´ς, γεννητο`ς και` α᾽γε´ννητος 4 ε᾽ν σαρκι` γενο´μενος ϑεο´ς, ε᾽ν ϑανα´τωͺ ζωη` α᾽ληϑινη´, 6 και` ε᾽κ Μαρι´ας και` ε᾽κ ϑεου῀, πρω ῀ τον παϑητο`ς και` το´τε α᾽παϑη´ς, 8 ᾽Ιησου῀ς Χριστο`ς ο῾ κυ´ριος η῾μω ῀ ν.
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Polyc. 3, 2 το`ν 2 το`ν το`ν 4 το`ν το`ν 6 το`ν
υ῾πε`ρ καιρο`ν προσδο´κα α῎χρονον, α᾽ο´ρατον, το`ν δι ᾽ η῾μα῀ς ο῾ρατο´ν,
α᾽ψηλα´φητον, α᾽παϑη ῀, το`ν δι ᾽ η῾μα῀ς παϑητο´ν,
κατα` πα´ντα τρο´πον δι ᾽ η῾μα ῀ ς υ῾πομει´ναντα.
Beide Texte werden von Ignatius polemisch eingesetzt und sind begleitet von Warnungen vor der Häresie. Eph. 7, 1 sind es umherziehende, listig den Christennamen führende Leute, in Wahrheit hinterhältig beißende, schwer heilbare »Hunde«, gegen die der bedrohten Gemeinde der »einzige Arzt« Jesus Christus vor Augen gestellt wird. Polyc. 2, 1–3, 1 wird der Hirte von Smyrna aufgerufen, sich von den pestverseuchten, scheinchristlichen Irrlehrern in der Gemeinde nicht einschüchtern zu lassen: Was die Zeit erfordert, zeigt »der über der Zeit (Stehende)« (Polyc. 3, 2). Die Charakterisierung läßt erkennen, daß es sich beide Male um die gleiche, offenbar akute häretische Bedrohung handelt. 42
Hippol., haer. IX, 10, 9 f. (GCS Hippolytus III, 244, 12–17 W.); die in spitze Klammern gesetzten Ergänzungen nach dem unabhängigen zweiten Referat Hippolyts in Buch X, 27, 1 f. (283, 1–11 W.). − Im folgenden wird breiter ausgeführt, was in einem kurzen Paper auf der Patristic Conference, Oxford 1987, vorgetragen wurde. 43 Hippol., haer. X, 27, 2 (283, 8–10 W.).
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus
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Der kunstvolle Aufbau der beiden ignatianischen Texte braucht jetzt nicht untersucht zu werden.44 Aber für die Entscheidung der Priorität (Ignatius-Noe¨t) ist es wichtig festzuhalten, daß paradoxe Antithesen mit Adjektiven der philosophischen Gotteslehre bei Ignatius nur hier vorkommen, bei den »Apostolischen Vätern« nirgendwo. (Gleiches gilt für das Vokabular, siehe weiter unten.) Zu α῎χρονον und α᾽ψηλα´φητον in Polyc. 3, 2, Zeile 2 und 4, gibt es gewiß aus Gründen der Komposition keine antithetischen Adjektive. Spätere haben sie ganz selbstverständlich ergänzt: Der Interpolator des 4. Jahrhunderts schreibt: το`ν α῎χρονον ε᾽ν χρο´νωͺ . . ., το`ν α᾽ψηλα´φητον . . . δι ᾽ η῾μα ῀ ς δε` . . . ψηλαφητο`ν ε᾽ν σω´ματι.45
Daß die paradoxen Antithesen in Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2 zusammengehören, ist schon immer gesehen worden. Wenn man die vollendete Formulierung ε᾽ν ϑανα´τωͺ ζωη` α᾽ληϑινη´ (Eph. 7, 2, Z. 5) durch die nüchterne, aber inhaltlich äquivalente ϑνητο`ς και` α᾽ϑα´νατος ersetzt, dann sind es in den beiden ignatianischen Texten zusammengenommen fünf Antithesen, von denen drei wörtlich, zwei sachlich den noe¨tianischen entsprechen. Betrachtet man σαρκικο´ς τε και` πνευματικο´ς als spezifisch ignatianischen Ersatz für ein ο῾ρατο´ς τε και` α᾽ο´ρατος,46 dann erhöht sich die Zahl der sachlich übereinstimmenden Antithesen auf drei; nur α῎χρονος hat kein Gegenstück im referierten Text des Noe¨t. (Das Wort begegnet in christlichen Schriften des zweiten Jahrhunderts nur Polyc. 3, 2 und im Bericht des Irenaeus über die gnostischen Markosier haer. I, 17, 2!) Die Antithesen stehen bei Ignatius grundsätzlich in derselben Abfolge wie bei Noe¨t. Das erkennt man in Polyc. 3, 2 unmittelbar, in Eph. 7, 2, wenn man für die Zeilen 2 und 5 die oben vorgeschlagenen gleichwertigen Formulierungen einsetzt. Dann lautet die Reihe in Eph. 7, 2 genau so, wie sie Hippolyt von den noe¨tianischen Montanisten mitteilt: ». . . was den Vater des Alls betrifft, so lästern sie, indem sie sagen, derselbe sei Sohn und Vater, ο῾ρατο`ν και` α᾽ο´ρατον, γεννητο`ν και` α᾽γε´ννητον, ϑνητο`ν και` α᾽ϑα´νατον«.47 In Polyc. 3, 2 entspricht die Sequenz der Zeilen 3–5 den aus haer. IX, 10 und X 27 gewonnenen noe¨tianischen Antithesen α᾽ο´ρατος − ο῾ρατο´ς, α᾽κρα´τητος − κρατητο´ς, α᾽παϑη´ς − παϑητο´ς. Weil durch den valentinianischen Mythos des verborgenen Abstiegs des Erlösers bedingt, ist das Vokabular spezifisch und die Reihenfolge fest. Nirgendwo vorher gibt es diese Sequenzen. Das bedeutet in jedem Fall, daß die ignatianischen Texte ebenso antivalentinianisch sind wie die des Noe¨t. 44 Vgl. dazu R. Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen, StUNT 5, Göttingen 1967, 155–160; H. Paulsen, Studien zur Theologie des Ignatius von Antiochien, FKDG 29, Göttingen 1978, 47 f. 118–122. 45 Polyc. 3, versio interpolata, in der Edition Hilgenfelds (wie Anm. 21), 260, 7–9. 46 Das Fleisch ist sichtbar und betastbar, der göttliche Geist aber körperlos und unsichtbar: Smyrn. 3; Polyc. 2, 2; vgl. H. E. Lona, Der Sprachgebrauch von σα´ρξ, σαρκικο´ς bei Ignatius von Antiochien, ZKTh 108, 1986, 383–408, hier 397. 403 f. 47 Hippol., haer. X, 26 (GCS Hippolytus III, 282, 23–26 W.).
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
Ein besonderer Glücksfall der Überlieferung hat uns nun in einem Referat des Irenaeus über die Lehren der Ptolemäer einen Text erhalten, der wörtlich mit der positiven Seite der Antithesen in Polyc. 3, 2 übereinstimmt: Der (unsichtbare, ungreifbare, leidensunfähige48) Erlöser habe einen mit unsagbarer Kunst gefertigten psychischen Leib angenommen, »um sichtbar und greifbar und leidensfähig zu werden«:
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Iren., haer. I, 6, 1
Ign., Polyc. 3, 2
προ`ς το` και` ο῾ρατο`ν και` ψηλαφητο`ν και` παϑητο`ν γενε´σϑαι.49
το`ν α᾽ο´ρατον, το`ν δι᾽ η῾μα ῀ ς ο῾ρατο´ν, το´ν α᾽ψηλα´φητον, 〈το`ν δι ᾽ η῾μα ῀ ς ψηλαφητο´ν〉, το`ν α᾽παϑη ῀ , το`ν δι ᾽ η῾μα ῀ ς παϑητο´ν.
Diese Wortsequenz gibt es in der gesamten Literatur der ersten Jahrhunderte nur im Bericht des Irenaeus über den Leib des ptolemäischen Erlösers und bei Ign., Polyc. 3, 2. Das bedeutet, daß der Verfasser von Polyc. 3, 2 unmittelbar auf einen ptolemäischen Text Bezug nimmt.50 Hat er das ohne Kenntnis der noe¨tianischen Glaubensregel getan oder ließ er sich von ihr anregen? Ich fasse kurz die Gründe zusammen, die für die zweite Alternative sprechen. Nur Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2 sind unter den glaubensregelartigen Stücken der Briefe mit paradoxen Antithesen gebaut. Das Vokabular und grundsätzlich auch die Reihenfolge der Antithesen entsprechen in beiden Fällen dem Befund im noe¨tianischen Text. Während dieser den Eindruck macht, in unmittelbarer Reaktion auf den valentinianischen Mythos verfaßt worden zu sein, sind die »streng geformt(en) und rhetorisch strukturierten)«51 Stücke des Ignatius eher Produkte sekundärer literarischer Komposition, in der Noe¨ts Glaubensregel souverän variiert wird. Die sorgfältige Einbettung in den Kontext − beide Stükke werden, wie beschrieben, kunstvoll vorbereitet − spricht ebenfalls für den Rückgriff auf eine zuhandene Vorlage, nicht für einen vollständig eigenen Entwurf. Daß Ignatius unabhängig von Noe¨t in Reaktion auf eine Form der valentinianischen Gnosis zufällig derart Ähnliches geschaffen haben könnte, ist ebenso wie im Falle Noe¨t-Melito auszuschließen. 48 Die Prädikate α᾽παϑη´ς, α᾽κρα´τητος, α᾽ο´ρατος des Soter bei Iren., haer. I, 7, 2 (SC 264, 105, 709 f. Rousseau/Doutreleau). 49 Iren., haer. I, 6, 1 (92, 603–605 R./D.); im parallelen Text bei Clem., exc. Thdot. 59, 3 f. (SC 23bis, 178 Sagnard) wird gesagt, daß der, welcher in die wahrnehmbare Welt kam, eines besonders gefertigten wahrnehmbaren Leibes bedurfte: ε᾽φ᾽ ω῟ͺτε ο᾽φϑη῀ναι, κρατηϑη ῀ ναι, πολιτευ´σασϑαι. Offenkundig ist ψηλαφηϑη ῀ ναι mit κρατηϑη ῀ ναι und ψηλαφητο´ς mit κρατητο´ς gleichbedeutend. 50 Damit ist der Forderung einiger Kritiker Jolys nach einem konkreten gnostischen Text, auf den sich Ignatius beziehe, Rechnung getragen. Der Einwand gegen Jolys Behauptung, Ignatius setze die entwickelte Gnosis (»un gnosticisme de´veloppe´«, S. 91) voraus, lautete fast regelmäßig, die von Joly (S. 87–91) herausgestellte Terminologie sei zu vage, als daß sie einer bestimmten Zeit zugeordnet werden könnte; vgl. etwa R. Gryson, Les lettres (wie Anm. 28), 449; B. Dehandschutter, Rezension (wie Anm. 24), 160; C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 75. 51 So H. Paulsen, Studien (wie Anm. 44), 47, zu Eph. 7, 2.
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus
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Es lassen sich noch weitere Gründe für die Priorität des Noe¨t anführen: Die bezeichnenden Wörter α᾽γε´ννητος und γεννητο´ς kommen zusammen oder auch einzeln weder bei Ignatius noch bei den Apostolischen Vätern nochmals vor,52 gehören aber zum Kernbestand der noe¨tianischen Antithesen; in Hippolyts dreimaligem Referat haer. IX, 10; X, 26 und X, 27 fehlen sie niemals. Außer bei Noe¨t und Ignatius sind sie, in paradoxer Weise auf ein einziges Subjekt bezogen, im zweiten Jahrhundert nur noch in drei jeweils auf gnostische Lehren reagierenden Schriften zu finden.53 Auch α᾽παϑη´ς und παϑητο´ς begegnen einzeln oder antithetisch verbunden weder an anderer Stelle bei Ignatius noch bei den Apostolischen Vätern. Die Antithese α᾽ο´ρατος και` ο῾ρατο´ς wird bei Ignatius nur Polyc. 3, 2 christologisch verwendet. Dieser Befund läßt sich am besten erklären, wenn man annimmt, daß der Verfasser in Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2 eine Vorlage mit ihm sonst nicht geläufigem Vokabular benutzt hat. Dazu kommt, daß Ignatius an einer dritten Stelle auf Noe¨t anspielt, ja ihn förmlich zitiert: In Smyrn. 2, sofort nach der ausführlichen (nicht antithetischen) Glaubensregel in Smyrn. 1, heißt es: »Das alles nämlich hat er (scil. Jesus Christus, der Gott) unseretwegen gelitten, damit wir gerettet würden; und er hat wahrhaft gelitten, wie er sich auch wahrhaft selbst auferweckt ῀ ς α᾽νε´στησεν ε῾αυτο´ν)«. hat (ω῾ς και` α᾽ληϑω
Für den letzten Satz, daß er sich selbst auferweckt habe, gibt es im zweiten Jahrhundert nur noch eine einzige sichere Parallele, nämlich im Bericht Hippolyts über die Noe¨tianer. Er läßt sie sagen: »Dieser (nämlich der Vater) sei es, der gestorben und nicht gestorben sei und sich selbst am dritten Tage auferweckt habe (και` ε῾αυτο`ν τη῀ͺ τρι´τηͺ η῾με´ραͺ α᾽ναστη´σαντα.«54
In der Einzigartigkeit dieser Parallele zwischen Noe¨t und Smyrn. 2 sehe ich ein wichtiges weiteres Argument dafür, daß der Verfasser der Ignatianen Noe¨t kennt und Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2 unter bewußter Verwendung von dessen Glaubensregel komponiert hat. 52 In einem Zitat aus Ijob 11, 2 f. (LXX) steht γεννητο`ς γυναικο´ς für den »aus der Frau Geborenen«, den Menschen, in 1 Clem 30, 5. 53 Vgl. EpApost. 21 (32); Silv. (NHC VII 4) 101, 33–102, 4; Melch. (NHC IX 1) 5, 1–11. 54 Hippol., haer. IX, 10, 12 (GCS Hippolytus III, 245, 7 f. W.). Nach Hippolyt berichtet der unbekannte, im 4. Jahrhundert schreibende Autor von C. Noe¨t. 3, 2 (49, 9–11 Butterworth [= BPat 35, 154, Simonetti]) über die Lehre der Noe¨tianer, sie sagten: »Der Vater ist selbst Christus, ist selbst Sohn, wurde selbst geboren, hat selbst gelitten, er selbst weckte sich selbst auf (αυ᾽το`ς ε῾αυτο`ν η῎γειρεν).« − Daß Contra Noe¨tum aus dem 4. Jahrhundert stammt, hat J. Frickel in seiner Untersuchung: »Hippolyts Schrift Contra Noe¨tum: ein PseudoHippolyt« in der FS für L. Abramowski (wie Anm. 37), 87–123, gezeigt. − Der markionitische Text von Gal 1, 1 über die Selbsterweckung Jesu Christi (bei A. v. Harnack, Marcion, Leipzig 21924 = Darmstadt 1996, 67* f.) ist durch die Untersuchung von T. Baarda, Marcion’s text of Gal 1:1, VigChr 42, 1988, 236–256, unsicher geworden; es ist damit aber nicht ausgeschlossen, daß Harnacks Rekonstruktion richtig ist, was nur in einer neuen Untersuchung erwiesen werden kann.
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
3. 2 Hypothetische Erwägungen zur historischen Situation und Chronologie
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Den Zusammenhang: valentinianische Gnostiker − Noe¨t − Ignatius erkläre ich mir so: Noe¨t kämpft unmittelbar mit Gnostikern in seiner Gemeinde und stellt als Richtschnur für die katholischen Christen seine Glaubensregel auf. Der Verfasser der Ignatianen kämpft gegen die gleichen gnostischen Eindringlinge in den Kirchen der Asia, indem er die antignostische Glaubensregel einschärft und zu ihrer Durchsetzung eine bestimmte Form des kirchlichen Amtes propagiert. (Er verfährt also ganz so wie der Verfasser der Pastoralbriefe.) Ephesus und vor allem Smyrna scheinen besonders gefährdet zu sein. Der Brief an die Smyrnäer beginnt sofort mit der antignostischen Glaubensregel, der ausführlichsten im gesamten Briefcorpus. Sie ist hier nicht antithetisch (also noe¨tianisch) gebaut, aber gleich anschließend (Smyrn. 2) wird mit der Erwähnung der Selbstauferweckung wörtlich auf Noe¨ts bekannte Lehre Bezug genommen. Auch im Brief an Polykarp setzen die Mahnungen, gegen die Häretiker zu kämpfen, sofort ein (Polyc. 1, 2). Auf das, worauf es ankommt, wird der Hirte mit einer klar erkennbaren Anspielung auf Noe¨ts Glaubensregel hingewiesen (Polyc. 3, 2). Noe¨ts Text wird aber nicht platt abgeschrieben, sondern literarisch elegant verarbeitet, wobei der Autor durch selbständigen Rückgriff auf (in der Gemeinde sicherlich bekannte) Termini einer Form der valentinianischen Gnosis zu erkennen gibt, daß er kompetent ist. Mit den Anspielungen auf Noe¨t in den beiden nach Smyrna gerichteten Briefen will der Verfasser offenbar das Vertrauen der Gemeinde erwerben, damit seine Botschaft leichter Gehör finde. In Ephesus, dessen enge Beziehungen zu Smyrna Smyrn. 2, 1 bezeugt, muß Noe¨ts Theologie gleichfalls bekannt und vielleicht herrschend gewesen sein. Daß die Glaubensregel Eph. 7, 2, wo sie erstmals gegen die Häretiker eingesetzt wird, auf Noe¨ts Antithesen anspielt, ist gewiß ebenso klug berechnet, wie es die Anspielungen in den Briefen nach Smyrna sind. Lebt Noe¨t noch, als der Verfasser der Ignatianen nach Smyrna und Ephesus schreibt? Das scheint mir wenig wahrscheinlich zu sein. Es gibt Gründe anzunehmen, daß er vor nicht langer Zeit gestorben und die Gemeinde verwaist ist: Im Schlußgruß des Briefes an Polykarp wird sie der ε᾽πισκοπη῀ͺ Gottes, nicht des Bischofs, empfohlen; im Brief an Polykarp wird urplötzlich sie angeredet (6, 1); im folgenden wechselt der Schreiber mit seiner Anrede wiederholt von Polykarp (7, 2; 8, 1) zur Gemeinde (7, 2 f.; 8, 2 f.). Das alles, und auch der wunderliche Brief an die Gemeinde selbst (der ihr doch eigentlich über ihren Bischof mitgeteilt werden sollte), erklärt sich gut, wenn der Verfasser weiß, daß die katholische Kirche von Smyrna gegenwärtig ohne Hirte ist oder sich dort noch kein neuer Bischof durchgesetzt hat. Den rüden Ermahnungen nach zu urteilen, die der Autor an Polykarp richtet (vgl. Polyc. 1, 2. 3; 3, 2; 5, 1), muß der berühmte Bischof von Smyrna schon vor längerer Zeit, etwa einem Jahrzehnt, gestorben sein.55 Noe¨t scheint nicht 55
Iren., haer. III, 3, 4 (SC 211, 40, 12 R./D.) spricht ca. 180 von mehreren Nachfolgern
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus
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sein erster Nachfolger gewesen zu sein. Wenn Polykarp ca. 155/156 das Mar- * tyrium erlitten hat,56 dann könnten die Ignatianen am ehesten zwischen ca. 165 und 175 verfaßt worden sein.
3. 3 Die Frage, ob die Theologie des Ignatius ebenso wie die des Noe¨t monarchianisch sei, ist entschieden mit »ja« zu beantworten. Sie ist es ebenso wie die des Melito (und der meisten christlichen Autoren der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts57). Den vollen Beweis dafür, daß Ignatius monarchianisch denkt, kann ich in der hier gebotenen Kürze nicht bringen.58 Ich nenne aber im folgenden einige wichtige terminologische Befunde, die Ignatius mit den Monarchianern der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gemeinsam hat und die es − obwohl in einigen Kommentaren Gegenteiliges zu lesen ist oder der Befund nicht notiert wird − vor dem Auftreten der gnostischen Schulen nicht gibt. Diese Formulierungen, meist paradoxe Aussagen, in denen Menschliches dem transzendenten (einzigen) Gott zugeschrieben wird, sind ebenso wie die paradoxen Antithesen in der Glaubensregel des Noe¨t nur als Reaktion auf die Gnosis zu begreifen, insofern mit ihnen wieder vereint, ja identifiziert wird, was die Gnostiker (aus philosophischen Gründen) voneinander getrennt haben. Mit diesen Beobachtungen zur Terminologie werden zugleich R. Jolys Feststellungen ergänzt. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Begriffe χριστιανισμο´ς, καϑολικη` ε᾽κκλησι´α, χριστιανο´ς (als Adjektiv), λιτανευ´ω, α᾽ποστολικο´ς, αι῞ρεσις (im technischen Sinn), πα´ϑος (absolut gebraucht für die Passion Christi), ο῾μιλι´α und andere sonst nicht vor der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in christlichen Texten anzutreffen sind.59 Diesen Befund ohne Prüfung zu vernachlässigen (weil man ja bei Ignatius schon immer an Ausnahmen gewöhnt sei) oder zu behaupten, er sei nicht signifikant und man könne daraus kein Argument gegen eine Frühdatierung der Briefe machen, weil für das supponierte »milieu« des Ignatius im zweiten Jahrhundert nicht genügend christliches Schrifttum als Vergleichsmaterial zur Verfügung stünde, ist keine angemessene Erwiderung.60 Um die angegebenen Wörter, die keineswegs spePolykarps, die alle usque adhuc die apostolische Tradition treu bewahrt haben. Da er deutlich auf Noe¨ts Glaubensregel Bezug nimmt, wird dieser eher näher an Irenaeus’ eigene Zeit als an die Polykarps heranzurücken sein. 56 Siehe die Angaben im Aufsatz »Der antivalentinianische Charakter« (wie Anm. 37), 58 Anm. 4 [bzw. 96, Anm. 4]. 57 Siehe dazu meinen Beitrag: Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. Zum christlichen Gottesglauben im 2. Jahrhundert − ein Versuch, MThZ 47, 1996, 325–344 [erneut und mit Ergänzungen abgedruckt in: Hübner, Der paradox Eine (wie Anm. 36), 207–240]. 58 Ich verweise dafür auf die größere Untersuchung über »Die Ignatianen und Noe¨t« [in: Hübner, Der paradox Eine (wie Anm. 36), 131–206]. 59 R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 63–70. 60 So C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 73 f.; die Rezensentin
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
ziell sind, sondern geläufige christliche Dinge bezeichnen, zeitlich einigermaßen sicher einordnen zu können, stellen unsere christlichen Schriften des zweiten Jahrhunderts (einschließlich der neutestamentlichen) eine durchaus ausreichende Vergleichsgrundlage dar. Mehr als zwölfmal bezeichnet Ignatius Jesus Christus als »Gott« (ο῾ ϑεο´ς, Smyrn. 1, 1) oder »unseren Gott« oder ähnlich, z. B. Eph. 18, 2: ο῾ γα`ρ ϑεο`ς η῾μω ῀ ν ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. Die Übertragung der philosophischen Gottesprädikate, die allein dem »einzigen Gott« (ει῟ς ϑεο´ς ε᾽στιν, Magn. 8, 2) zukommen können, auf Jesus Christus in Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2 beweist, daß er der »im Fleische gekommene« einzige »Gott« ist (Eph. 7, 2). Wenn man von Joh 20, 28; Tit 2, 13 und 2 Petr 1, 1 absieht, so gibt es diese direkte Bezeichnung Jesu Christi als ο῾ ϑεο´ς (»mein Gott«, »unser Gott«) erst in Texten, die aus der Zeit nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts stammen, wie den apokryphen Petrus- und Paulusakten oder den christlichen Sibyllinen.61 Die Römer bittet Ignatius: »Erlaubt mir, Nachahmer des Leidens meines Gottes zu sein!« (του῀ πα´ϑους του῀ ϑεου῀ μου, Rom. 6, 3).62 Eine solche theopaschitische Aussage ist im Neuen Testament und bei den Apostolischen Vätern ohne Parallele.63 Ausnahmslos alle Texte, in denen in ähnlicher Weise vom »Leiden Gottes« gesprochen wird, sind nach 160/170 geschrieben. Ich führe hier nur einige Stellen an: Mel., pass. 96: ο῾ ϑεο`ς πεφο´νευται. Orac. Sib. VIII, 249 f. (GCS 157 Geffcken): ο῾ . . . ϑεο`ς η῾μω ῀ ν Σωτη`ρ α᾽ϑα´νατος βασιλευ´ς, ο῾ παϑω`ν ε῞νεχ᾽ η῾μω ῀ ν. 62 Tat., orat. 13, 3: το`ν δια´κονον του ῀ πεπονϑο´τος ϑεου῀. T. Lev. 4, 1: ε᾽πι` τω ῀ͺ πα´ϑει του῀ υ῾ψι´στου .64
Auch für den Ausdruck »Blut Gottes« Eph. 1, 1 (ε᾽ν αι῞ματι ϑεου῀) gibt es, nachdem die regelmäßig angeführte Stelle Apg 20, 28 entfällt, Parallelen erst beträchtlich nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts, z. B. in der pseudepigrawird Jolys sehr überlegter Argumentation nicht gerecht. Im übrigen begeht sie den häufigen logischen Fehler, daß sie, was erst zu ermitteln ist, schon voraussetzt: hier das (zeitliche und geographische) »milieu« des Ignatius. B. Dehandschutter, Rezension (wie Anm. 24), 160, würdigt dagegen Jolys Feststellungen, trotz Einwänden in Einzelfällen, als »een belangrijke zaak«. 61 Wenigstens einige Beispiele: ActPetri 5; 6; 7; 21; 28; 39; ActPauli (P. Heid.), 1–6; Pass. Andr. 16; ActIoh 77; 82; 85; 107 f.; 112; Offb. des Petrus (aeth.) 16; Ascens. Is. 9, 5; Orac. Sibyll. VI, 22–24; VII, 66 f.; Anonymus bei Eus., h. e. V, 28, 11. 62 Vgl. Eph. 18, 2; Smyrn. 1,1 f.; Trall. 11, l f. 63 1 Clem. 2, 1, früher regelmäßig als Parallele zitiert, scheidet nach den kritischen Editionen aus. 64 Bei Mel., pass., und in den »New Fragments« gibt es noch zahlreiche ähnliche theopaschitische Aussagen; ebenso in den Orac. Sib. VI und VIII. Der Anonymus bei Eus., h. e. V, 28, 8–12 spricht von den »eigenen Leiden« (τω ῀ ν ι᾽δι´ων παϑω ῀ ν) »unseres Gottes und Herrn Jesus Christus« (GCS NF VI/1, 502, 25 f. Schwartz), ähnlich der Verfasser der A. Petr. c. Sim. 20; 23; 32 von Leiden, Kreuzestod und Hinrichtung Gottes; vgl. Ps.-Cypr., Iud. 28; Tert., carn. Chr. 5, 1; Marc. II, 16, 3.
3. Ignatius setzt Noe¨t von Smyrna voraus
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phischen Homilie In sanctum pascha, die in die Zeit Melitos gehört und ebenso monarchianisch ist wie die seine. Das erlösende Blut Jesu wird hier göttliches Blut (αι῟μα ϑει῀ον) genannt.65 Indirekt vom »Blut Gottes« spricht Iren., dem. 88, und ähnlich der Dichter in Orac. Sib. VIII, 329–332. Diese theopaschitischen Wendungen sind ebenso paradox wie die oben behandelten Antithesen. Sie sind entstanden in Reaktion auf die Behauptung der Gnostiker, daß der göttliche Erlöser nicht Geburt, Leiden und Tod unterliegen könne. Ich vermute (kann das hier aber nicht stringent beweisen), daß auch der Ausdruck καϑολικη` ε᾽κκλησι´α eine antignostische Bildung ist. Er ist offenkundig in polemischer Abgrenzung geprägt: Die Kirche, die das Heil (das ewige, d. h. göttliche Leben) allen getauften Christen zuspricht, setzt sich ab von den Gnostikern, die es nur den Pneumatikern, eventuell den Psychikern, keinesfalls den Hylikern zugestehen. So verstanden gibt der Ausdruck sofort einen klaren Sinn, sein Auftauchen erst im Martyrium Polycarpi (inscr.; 8, 1; 16, 2; 19, 2) und * dann Smyrn. 8, 2 wird verständlich. In diesem Sinne erklärt der Verfasser des Polykarpmartyriums, daß die Christen keinen anderen (scil. Gott) verehren können als den, der für das Heil der Geretteten des ganzen Kosmos gelitten hat, Christus.66 In diesem Sinne spricht der monarchianische Prediger der oben zitierten Pascha-Homilie vom »umfassenden Heil aller«, das durch das göttliche Blut des himmlischen Lammes verbürgt sei.67 Die historische Situation, welcher der Ausdruck »allumfassende Kirche« entspringt, sehe ich ebenfalls angezeigt in den wiederholten betonten Aussagen der − m. E. antimarkionitischen68 − Pastoralbriefe, daß Gott das Heil aller Menschen will (1 Tim 2, 4. 6), daß er der Erlöser aller ist (1 Tim 4, 10), daß die 63 Gnade Gottes Heil für alle Menschen bedeutet (Tit 2, 11), ein Heil, das durch den Tod »unseres großen Gottes und Erlösers Jesus Christus« erworben ist (Tit 2, 13 f.). Sobald sich die Leugner des allgemeinen Heils in eigenen Kirchen 65 66
Ps.-Hippol., pass. 3 (SC 27, 121, 15 Nautin); 38 (161, 2 N.). Mart. Polyc. 17, 2: ο῞τι ου῎τε το`ν Χριστο´ν ποτε καταλιπει῀ν δυνησο´μεϑα, το`ν υ῾πε`ρ τη῀ς του῀
παντο`ς κο´σμου τω ῀ ν σωζομε´νων σωτηρι´ας παϑο´ντα α῎μωμον υ῾πε`ρ α῾μαρτωλω ῀ ν, ου῎τε ε῞τερο´ν τινα σε´βεσϑαι. 67 Ps.-Hippol., pass. 3 (121, 3 f. N.): Πω ῀ ς ου῏ν ου᾽ τη`ν καϑο´λου σωτηρι´αν τω ῀ ν ο῞λων ε᾽παγγε´λλεται τα` ε῎ργα, ω ῟ ν και` μο´νοι οι῾ τυ´ποι ει᾽σι´ σωτη´ριοι. 68 Wirklich durchschlagende Gründe für die (weithin übliche) Datierung der Pastoralbriefe um 100 n. Chr. habe ich nirgendwo gefunden; für eine Datierung um 150 lassen sich dagegen bessere anführen. Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin/ New York 1975, 228, neigt deutlich dazu, die Pastoralbriefe als Reaktion auf Markion zu betrachten. In der Tat ist es historisch schwer vorstellbar, daß ein Paulus-Fan wie Markion (in dessen Kanon die Pastoralbriefe bekanntlich fehlen) sein Hauptwerk α᾽ντιϑε´σεις genannt haben könnte, wenn sein (einziger) Apostel am Ende eines Briefes, also an hervorgehobenster Stelle, die allen Hörern im Gedächtnis bleibt, vor den Antithesen der falschen Gnosis warnt. Sollte ihm kein anderer Titel für sein Werk eingefallen sein? [Zur Datierung der Pastoralbriefe siehe die Addenda zu Anm. 59 des Aufsatzes »Die Anfänge des Diakonats . . .«, oben S. 59 f.]
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
sammeln, werden sich die Ausgeschlossenen trotzig als »katholische Kirche« bezeichnen und von ihnen scheiden.
3. 4 Zur Forschungsgeschichte
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Hier sei wenigstens kurz erwähnt, daß schon im Jahre 1848 F. Chr. Baur die Verwandtschaft zwischen Noe¨t und den Ignatianen (Polyc. 3, 2 und Rom. 6, πα´ϑος ϑεου῀) festgestellt hat. Er setzt die von ihm immer als unecht betrachteten Briefe in Noe¨ts Zeit.69 A. Hilgenfeld hat an diesem Urteil festgehalten.70 A. Harnack scheint noch 1882 ähnlich gedacht zu haben, da er die Ignatiusbriefe, Irenaeus (sicher die antithetischen Formeln in haer. III, 16, 6), Noe¨t und Melitos Fragment 13 als zusammengehörig betrachtet,71 zeigt sich dann aber, nachdem er Th. Zahns Frühdatierung der Ignatianen grosso modo akzeptiert hat, in der Deutung des Befundes in seinem Lehrbuch der Dogmengeschichte unschlüssig und widersprüchlich.72 Zahn selbst hat immerhin in seiner IgnatiusEdition von 1876 die genannten Texte und zusätzlich Tert., carn. Chr. 5, als Parallelen vermerkt, sich jedoch eines eindeutigen Kommentars enthalten.73 Ähnlich verfährt J. B. Lightfoot in seinen Anmerkungen zu Eph. 7, 2 und Polyc. 3, 2, aber bei ihm fehlt erstmals Noe¨t.74 F. Loofs dagegen hat wiederholt alle die genannten Texte in einer Gesamtdeutung als Produkte und Überreste einer einheitlichen, langwährenden theologischen Schultradition Kleinasiens (von Johannes über den früh datierten Ignatius zu Melito und Noe¨t) deuten wollen75 (und zu diesen Theologen m. E. das Beste und Treffendste geschrieben, was unter der Voraussetzung der frühen Ansetzung der Ignatianen gesagt werden konnte). Obwohl auch noch bei Autoren wie E. v. d. Goltz (1894), G. Krüger (1905), E. Kroymann (1907) Ignatius und Noe¨t verglichen und die Beziehungen unterschiedlich gedeutet werden, verschwindet mit W. Boussets einflußreicher Deutung der Geschichte des Christusglaubens (1913) Noe¨t aus dem Zusammenhang mit Ignatius.76 In den folgenden Ignatius-Editionen und Kommentaren taucht er nicht mehr auf. Eine bis zu Loofs’ Tod lebendige Forschungstradition ist damit abgebrochen. 69 F. Chr. Baur, Die Ignatianischen Briefe und ihr neuester Kritiker. Eine Streitschrift gegen Herrn Bunsen, Tübingen 1848, 109 f. 70 A. Hilgenfeld, Ignatii et Polycarpi ep. (wie Anm. 21), 268. 71 A. Harnack, Die Überlieferung der griechischen Apologeten des 2. Jahrhunderts in der alten Kirche und im Mittelalter, TU 1, 1–2, Leipzig 1882, 265. 72 Vgl. A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 41909, 217 (Anm. 2), 584 (Anm. 4), 744–746. 73 Vgl. Th. Zahn, Ignatii et Polycarpi ep. (wie Anm. 21), 12 f. 101. 74 Vgl. J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers (wie Anm. 3), II/2, 48 und 343. 75 Siehe F. Loofs, Art. Christologie, Kirchenlehre, RE3 IV, 1898, 29 f.; zuletzt: Theophilus von Antiochien Adversus Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenaeus, TU 46, 2, Leipzig 1930, 158–210. 76 Vgl. W. Bousset, Kyrios Christos, Göttingen 61967, 21921, 253–255. 355.
4. Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit des Ignatius?
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4. Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit des Ignatius? 4. 0 Soweit ich sehe, ist Ignatius der einzige Autor, bei dem moderne Historiker keine Hemmungen zeigen, ihn weitgehend aus Ausnahmen bestehen zu lassen, und zwar im Hinblick sowohl auf Sprache, Stil und Umstände der Entstehung seiner Briefe wie auch im Hinblick auf ihren Inhalt. Ich zähle ein paar der in der Literatur meist schon festgestellten »Ausnahmen« auf, weil sie zusammen eindrucksvoller sind; nur in wenigen Fällen erläutere ich etwas näher.
4. 1 Inhalt 4. 1. 1 Bei Ignatius findet sich (an hervorgehobener Briefstelle) die Glaubensregel, die antignostisch und sonst frühestens um 160/170 n. Chr. nachweisbar ist (vgl. oben Nr. 3. 1). 4. 1. 2 Ignatius nennt innerhalb der glaubensregelartigen Passagen die Geburt aus der Jungfrau und aus Maria (Eph. 7, 2; 18, 2; 19, 1; Trall. 9, 1; Smyrn. 1, 1), ebenso den Pontius Pilatus (Magn. 11, 1; Trall. 9, 1; Smyrn. 1, 2). Das alles wird bei den Apostolischen Vätern überhaupt nicht, im übrigen zuerst bei den Gnostikern und Justin erwähnt, häufig dann in den Texten um 180 n.Chr.77 4. 1. 3 Für die christologische Auffassung des Ignatius gibt es Parallelen erst in den Texten nach 160/170.78 4. 1. 4 Das gleiche gilt für die Martyriumstheologie und -terminologie sowie die wahrscheinliche literarische Abhängigkeit von 4 Makk.79 4. 1. 5 Ein Eheschluß vor dem Bischof (Polyc. 5, 2) ist erst wieder bei Tert., mon. 11, 1–2, belegt (vgl. ux. II, 8, 6; pud. 4, 4). 4. 1. 6 Es gibt in der Literatur des zweiten Jahrhunderts nicht ein einziges historisches Zeugnis für die von Ignatius beschriebene Bischofsgestalt, dagegen viele syrische und kleinasiatische Texte, die in unausgleichbarem Widerspruch zu den ignatianischen Aussagen stehen, und zwar in Bezug auf alle wesentlichen Aspekte des Amtes wie Herleitung und Legitimation, Umfang der Kompetenz, Verhältnis zu den Presbytern und zur Gemeinde, Terminologie usw. Noch 77 Vgl. die Stellensammlung A. Harnacks im Anhang zu A. Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der Alten Kirche, Breslau 31897 = Hildesheim 1962, 374–380. 78 Vgl. die Belege insbesondere zu den paradoxen Antithesen und den Ausdrücken für die Gottheit Christi, αι῟μα, πα´ϑος ϑεου῀ unter Nr. 3. 1 und 3. 3. 79 Siehe das Urteil von B. Dehandschutter, L’authenticite´ (wie Anm. 25), 107 f.; die Nachweise im einzelnen bei O. Perler, Das vierte Makkabäerbuch, Ignatius von Antiochien und die ältesten Martyrerberichte, RivAC 25, 1949, 47–72, jetzt in: Ders., Sapientia et Caritas. Gesammelte Aufsätze, hg. von D. van Damme/O. Wermelinger/F. Nuvolone, Par. 29, Freiburg i. d. Schw. 1990, 141–166, bes. 142–159; einschränkend: Th. Baumeister, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, Münster 1980, 286–288.
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nicht einmal in der Traditio apostolica hat das kirchliche Amt vollständig die von Ignatius beschworene Form erlangt; erst in der Didaskalie tritt uns der Bischof in dem von Ignatius verliehenen Gewand entgegen.80 Wie Zahn (ebenso Lightfoot und andere) gesehen haben, wäre nur unter der Voraussetzung einer Jerusalemer apostolischen Stiftung der monarchische Bischof, wie ihn Ignatius darstellt, ca. dreißig Jahre nach Paulus in Syrien und Kleinasien erklärbar (vgl. oben Nr. 1. 1). Dann aber sollte man nicht nur erwarten, daß sich Ignatius zur Propagierung seines Anliegens auf die apostolische Legitimation berufe, sondern vor allem, daß sich diese Form des Amtes in allen Kirchen, in denen die apostolische Autorität etwas gilt, relativ schnell durchsetze. Im übrigen ist ein quasi monarchisch regierender Bischof Jakobus der christlichen Gemeinde in Jerusalem wohl nur als Hypothese zur Erklärung des ignatianischen Amtes in Antiochien zwischen 70 und 100 benötigt worden. Ein solches oder analoges Amt setzt in jedem Fall voraus, daß sich die Christen als eigene Religionsgemeinschaft von den Juden getrennt haben. Den Gang der Ämterentwicklung bis zum Monepiskopat im Hinblick auf die jetzt um 170 datierten pseudepigraphischen Briefe zu erläutern, ist hier nicht der Ort. Ich deute nur an, daß es wohl ebenfalls die gnostische Bedrohung war (in diesem Fall wahrscheinlich der Sakramentalismus des Valentinianers Markus, über den Iren., haer. I, 13, schreibt), wodurch Ignatius veranlaßt wurde, den Bischofstitel, der grundsätzlich jedem Presbyter zukommen konnte, einem einzigen, nicht mehr zu den Presbytern zählenden Mann an der Spitze vorzubehalten. Der ε᾽πι´σκοπος wird die zentrale Figur im christlichen Kult, besonders beim eucharistischen Opfer. Die eine rechtsgültige Eucharistie der katholischen Kirche konnte nur von dem einen, von Gott legitimierten Opferpriester = ε᾽πι´σκοπος vollzogen werden (vgl. Eph. 5, 2; Philad. 4, 1; Smyrn. 8, 1 f.).
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4. 2 Umstände der Entstehung, Sprache, Stil 4. 2. 1 Die Sonderbarkeiten des scenario sind bei R. Joly kurz zusammengestellt.81 Welche historischen Rätsel allein schon der Römerbrief aufgibt, solange man ihn als ein echtes Schreiben der Jahre um 110 n. Chr. betrachtet, hat Christine Trevett schön vor Augen geführt. Dadurch daß ihre Lösungen auf bloßen, wenn auch einfallsreichen Vermutungen und Kombinationen beruhen, die in keinem einzigen wichtigen Punkt einen sicheren Anhalt im Text der Ignatianen haben, werden die Sonderbarkeiten nur noch deutlicher.82 80 Für die Nachweise siehe R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 75–85; R. M. Hübner, Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche, in: Das Priestertum in der Einen Kirche, hg. von A. Rauch und P. Imhof, Aschaffenburg 1987, 45–89, hier 75–79 [erneut im vorliegenden Band, oben S. 51–56]. 81 Vgl. R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 39–52. 82 Chr. Trevett, Ignatius »To the Romans« and »I Clement LIV-LVI«, VigChr 43, 1989,
4. Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit des Ignatius?
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4. 2. 2 Das Briefcorpus insgesamt wie die einzelnen Briefe sind nach einem wohlüberlegten Plan geschrieben, unter Einsatz der asianischen Rhetorik der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts sorgfältig stilisiert, mit raffiniert kalkulierten literarischen Anspielungen ausgestattet,83 welche die ruhige Benutzung wenigstens einer kleinen Handbibliothek voraussetzen. Es gibt kein weiteres Beispiel dafür, daß ein zum Tode verurteilter, schwer bewachter, ja gefesselter Christ auf dem Transport zum weit entfernten Hinrichtungsort derartige schriftstellerische Leistungen vollbringen konnte. Die Briefe sind unwiderleglich ein »Schreibtischprodukt«. 4. 2. 3 Daß eine Anzahl christlich geprägter Wörter, die sonst erst nach 150/160 nachweisbar sind, bei Ignatius vorkommen, hat R. Joly gezeigt (vgl. oben Nr. 3. 3). Daß die gnostischen Wörter darunter tatsächlich nicht allgemein und zeitlich unbestimmbar sind, wie man R. Joly entgegengehalten hat, sondern aus den valentinianischen Schulen kommen, ist hier in Nr. 3. 1 untermauert worden. Ein Wort wie α῎χρονος begegnet im zweiten Jahrhundert nur bei Ignatius und dem Valentinianer Markus. Mit ihm hat er eine so erstaunliche Anzahl von Wörtern gemeinsam, daß eine literarische Beziehung die zwangloseste Erklärung bietet (σιγη´, παρουσι´α, ο᾽ναι´μην, ε᾽στη´ριγμαι, μυστη´ριον, α῎γνοια, οι᾽κονομι´α του῀ πα´ϑους, (προσ)ηλω´ϑη (τω ῀ͺ ξυ´λω), ͺ διυ¨λισμο´ς, (ε᾽πι` γη ῀ ς) φανει´ς, α᾽ο´ρατος, α᾽με´ριστος, προε´ρχομαι, α῎χρονος, α᾽ι´διος, λο´γος, στο´μα − πατη´ρ − λαλει῀ν).84
4. 2. 4 Die besondere Nähe der Ignatianen zu der Sprache der Apologeten der Mitte und des späten zweiten Jahrhunderts, die M. P. Brown in seinen Untersuchungen festgestellt und als charakteristische Eigentümlichkeit der geographischen und zeitlichen Position des Verfassers gewertet hat,85 kann nun sachgerechter gewürdigt werden. 4. 2. 5 Die zahlreichen spezifischen Parallelen zwischen den Ignatianen und der christlichen Literatur der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts sind nicht erklärbar, wenn man die Briefe in die Zeit um 110 n. Chr. setzt. Die Belege, die wegen ihrer Menge hier im einzelnen nicht aufgeführt werden können, findet man in den Kommentaren zu den Briefen und in den Anmerkungen zu den verschiedenen Editionen z.B. folgender Texte: Barn; M. Polyc.86; Melito; 35–52; vgl. auch dies., A Study of Ignatius of Antioch in Syria and Asia, Lewiston/Queenstown 1992. 83 Vgl. O. Perler, Das vierte Makkabäerbuch (wie Anm. 79); dazu R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 93–98; H. Paulsen, Studien (wie Anm. 44), 100–103: zur Rhetorik (Lit.); ders., Ignatius (wie Anm. 2), 935. 84 Th. Lechner konnte in seinen Untersuchungen zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von Eph. 16–20 inzwischen zeigen, daß Ignatius auf den Gnostiker Markus reagiert [Ignatius adversus Valentinianos (wie oben Anm. 4), 190–219. 294–305]. 85 M. P. Brown, The Authentic Writings of Ignatius. A study of linguistic criteria, Durham/N. C. 1963, 11. 86 Dazu R. Joly, Le dossier (wie Anm. 1), 116–120; man kann zwischen beiden Texten noch mehr Übereinstimmungen finden als Joly notiert hat. B. Dehandschutter, L’au-
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Ps.-Hippol., pass.; EpApost.; Diogn.; ActPetri; ActPauli (3 Kor); EvPhil (NHC II, 3); Apelles u. a. 4. 2. 6 Ein Autor gehört in die Zeit, deren Sprache er spricht und deren Denken er erkennen läßt. Der Verfasser der Ignatianen spricht untrüglich die Sprache der Theologen der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, und er denkt wie sie. Man macht ihn zu einem Wunderkind, wenn man ihm in allem einen Ausnahmestatus zubilligt, und hebt zugleich die Kriterien wissenschaftlicher Chronologie auf. Es bedeutet die Sache auf den Kopf zu stellen, wenn man, wie es getan worden ist, auch nur hypothetisch erwägt, daß zum Beispiel die Epistula Apostolorum wegen der offenkundigen sachlichen und sprachlichen Übereinstimmungen mit Ignatius in Syrien und nicht lang nach seinem Tod geschrieben worden sein könnte.87 Solche Erwägungen müßten dann für alle oben genannten Texte gelten.
5. Begründung der Autorität des Briefschreibers
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Das Ziel des Verfassers der Briefe ist es, durch die Propagierung des monarchischen Bischofsamtes in einer Hierarchie göttlichen Rechts die Einheit der katholischen Gemeinde im Glauben an den einen Erlöser, den leidensunfähigen Leidenden, gegenüber den häretischen Abspaltungen zu begründen und der nicht-gnostischen − manchmal wohl sehr klein gewordenen − Restgemeinde die Sicherheit der Legitimität und der von Gott gewollten Glaubensorientierung zu geben. Um seine Theorie, welche die äußerst bedrohte Kirche retten sollte, durchzusetzen, benötigte der Verfasser eine Stimme mit gottgegebener Autorität. Nur eine von Gott autorisierte Stimme konnte in der Kirche Gehör erlangen. Drei solche Stimmen gab es in der Kirche: die Stimme des Apostels, die Stimme des Propheten und die Stimme des Martyrers, aus dem nach der Überzeugung der alten Kirche der Geist Gottes selbst spricht, wie es vom Herrn verheißen ist: Wenn sie euch gefangen vor die Statthalter und Kaiser führen, macht euch keine Sorge, was ihr reden werdet, »denn nicht ihr seid es, die reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch spricht« (vgl. Mt 10, 18–20 par). Zwischen 160 und 180 die Stimme eines Apostels zu beanspruchen, war riskant, weil man zu dieser Zeit scharfsichtig geworden war und Fälscher entlarvt thenticite´ (wie Anm. 25), 108 f., verweist auf die Parallelen zwischen Mart. Polyc. 22, 1 (προ`ς τα` ῎ιχνη ευ῾ρεϑη῀ναι) und Eph. 12, 2, ebenso auf die Grußformel Mart. Polyc. 22, 1 und Polyc. 8, 3. Besonders auffällig erscheint die Übereinstimmung zwischen den von Ignatius im Brief an die Smyrnäer (!) 4, 2 ersehnten Todesarten: προ`ς πυ῀ρ, προ`ς μα´χαιραν, προ`ς ϑηρι´α, und denen, die für Polykarp bestimmt sind. Er soll zuerst vor den Löwen (12, 2), wird dann durch Feuer getötet (15), schließlich trifft ihn noch das ξιφι´διον des confectors (16). 87 Vgl. C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 88.
5. Begründung der Autorität des Briefschreibers
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wurden. Der Presbyter in der Asia, welcher die Paulusakten (samt 3 Kor) in Umlauf gebracht hatte, verlor sein Amt.88 Die Stimme des Apokalyptikers hat noch Hermas um 140/50 mit Erfolg erhoben, als er seiner Kirche mit der Bußpredigt des »Hirten« zu Hilfe kommen wollte. Aber um 160–180 war auch die apokalyptische Prophetie durch die montanistische Bewegung in Mißkredit geraten, konnte jedenfalls nicht auf unumstrittene Anerkennung rechnen. Die Stimme aber des pneumatischen Martyrers erfreute sich zu dieser Zeit der höchsten Wertschätzung; das lehren die Berichte über die unter Marcus Aurelius erfolgten Martyrien.89 Also erhebt der Verfasser der Ignatianen diese unverdächtige Stimme, und er erhebt sie mit Macht und unüberbietbarem Anspruch: Ignatius führt in allen Briefen den Beinamen Theophoros, Gottesträger.90 Er bezeichnet sich als »Logos Gottes« (Rom. 2, 1: ε᾽γω` λο´γος ϑεου῀). Der Geist, der von Gott ist, spricht durch ihn. Er schreit in der Gemeindeversammlung mit gewaltiger, mit »Gottes Stimme«: ε᾽κραυ´γασα μεταξυ` ω῎ν, ε᾽λα´λουν μεγα´ληͺ φωνη῀ͺ, ϑεου῀ φωνη῀ͺ (Philad. 7, 1 ).91 Er erkennt, weil die Fesseln des Martyrers tragend, die Dinge im Himmel (τα` ε᾽πουρα´νια), er kann − andere Christen würden daran ersticken − die Rangordnungen der Engel, die Systeme der Archonten, Sichtbares und Unsichtbares erkennen (Trall. 5, 1 f.) − welcher Apostel hätte je so viel erkannt92? Die Martyrergestalt, welcher der Verfasser der Ignatianen diese Stimme verlieh, besorgte er sich aus dem neunten Kapitel des Briefes des Polykarp an die Philipper und versetzte sie in das (von der Asia aus nicht leicht kontrollierbare) entfernte Antiochien bzw. Syrien. Aus dem seligen Martyrer, der bereits an dem ihm gebührenden Ort beim Herrn weilte (Polyc., ep. 9, 2), machte er einen Bischof, der dort wegen seines Christennamens zwar zum Tode verurteilt worden war und deswegen als geistbegabter Martyrer galt, aber noch nicht hin-
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Vgl. Tert., bapt. 17. Zeugnisse für das Bewußtsein der Geistbegabung des zum Martyrium bestimmten Christen: Mart. Polyc. 5, 2; 12, 3; bes. 16, 2; Brief der Christen von Lyon bei Eus., h. e. V, 1, 9. 10. 29; vgl. V, 3, 2 f.; von diesem Bewußtsein spricht noch Cypr., ep. 68, 5; 81, 2. 90 Zu diesem − vor Ignatius nicht nachgewiesenen − Namen siehe den Exkurs bei H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius (wie Anm. 2), 22 f. 91 Siehe F. J. Dölger, ΘΕΟΥ ΦΩΝΗ. Die »Gottes-Stimme« bei Ignatius von Antiochien, Kelsos und Origenes, AuC 5, Münster 1936, 218–223. 92 H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius (wie Anm. 2), 4, betrachtet es als ein Indiz für die Echtheit, daß der Verfasser »an keiner Stelle aus der Rolle fällt«. − Tut er es hier nicht? Was er da sagt, ist nicht einfach eine rhetorische Fehlleistung − deren es noch etliche gibt − sondern, ernsthaft erwogen, barer Unfug. C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 83 f., erläutert diese Stelle erstaunlicherweise mit den Worten: »Ignatius himself no doubt shares with his opponents a background in which magical superstition and speculation about angels and heavenly powers were rife.« (Ähnlich W. R. Schoedel, Ignatius of Antioch [wie Anm. 2], 145.) Die (nicht mitteilbare!) Himmelsschau des pneumatischen Märtyrers als magischer Aberglaube und Spekulation, die von den Gegnern (!) geteilt werden! − Nur weil unsere Augen gehalten sind, werden die Schlußfolgerungen nicht gezogen. 89
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gerichtet wurde, sondern von Syrien gefesselt durch Kleinasien über Philippi zum Tierkampf nach Rom transportiert werden sollte.93 Dieser Transport des verurteilten, also schon pneumatisch redenden Bischofs durch Kleinasien war nötig, weil der Verfasser seine Botschaft vor allem an die Kirchen der Provinz Asia richten wollte. Und der noch umständlichere Umweg über Philippi war nötig, weil Ignatius (mit seinen seligen Gefährten) im neunten Kapitel des Polykarpbriefes an die Philipper genannt war. Freilich hatte der Verfasser der Briefe aus dem bereits seligen Ignatius und seinen Gefährten (Polyc., ep. 9) einen zwar zum Tode verurteilten, aber erst auf dem Weg zur Vollendung des Martyriums befindlichen und durch Philippi reisenden Bischof gemacht, über dessen weiteres Schicksal im interpolierten 13. Kapitel des Polykarpbriefes von den Philippern nähere Auskunft erbeten wurde. Damit aber niemand zweifeln konnte, daß Ignatius in Rom wirklich von den Tieren zerrissen worden ist, hat der Autor im Brief an die Römer die Martyriumssehnsucht des Ignatius nach tausend Toden, selbst den »Strafen des Teufels« (Rom. 5, 3) so ungeheuerlich gesteigert, wie wir es weder vorher noch nachher in der Kirche jemals finden.94 Ignatius will die Bestien locken, ja zwingen, ihn sofort aufzufressen (Rom. 5, 2). Die Römer mögen den Bestien schmeicheln, daß sie ihm zum Grabe werden und nichts von seinem Leibe übriglassen, damit er als Toter niemandem zur Last falle, die Welt seinen Leib nicht mehr sehe (Rom. 4, 2).95 Das war auch nötig, denn nur so gibt es kein Martyrergrab, nach welchem man in Rom forschen könnte und dessen Fehlen den Autor entlarven würde. Wie wichtig es war, daß nichts vom Martyrerleib übrigblieb, erkennt man wieder an den Schilderungen des Reliquienverlangens im Polykarpmartyrium, wo viele Christen danach begehren, die nicht vom Feuer verzehrten Überreste Polykarps zu beerdigen und so »mit seinem heiligen Leibe Gemeinschaft zu 70 haben« (M. Polyc. 17, 1). Heiden und Juden ma chen den Statthalter auf die Martyrerverehrung der Christen aufmerksam und versuchen zu verhindern, daß * sie die Reliquien aus dem Feuer holen und verehren (σε´βεσϑαι; M. Polyc. 17, 2).96 Wenn der Autor der Ignatianen also sehr wohlüberlegt der Suche nach 93 Vgl. Eph. 1, 2; 3, 1; 12, 1; 21, 2; Magn. 1, 2; Trall. 3, 3; 5, 2; 10; Rom. 1, 1; 2, 2; 4, 1; 4, 3; 5, 1 f. usw. 94 Polykarp flieht und versteckt sich zunächst vor den Häschern. Hätte er das noch tun können, wenn er Ignatius gekannt und den Römerbrief gelesen hätte? 95 C. P. Hammond Bammel, Ignatian Problems (wie Anm. 19), 79, kommentiert Rom. 4, 2: »completely divorced from reality«. Solche rhetorische Fehlleistungen entdecken den Pseudepigraphen. 96 Die Christen von Vienne und Lyon schildern in dem an die Gemeinden in der Asia und Phrygia gerichteten Brief ihre vergeblichen Versuche, die Überreste der Märtyrer zu bestatten. Die gesammelten λει´ψανα wurden von den Soldaten sechs Tage und Nächte bewacht, dann völlig verbrannt und die Asche in die Rhone geworfen, »damit nicht ein Rest von ihnen auf der Erde zu sehen sei« (ο῞πως μηδε` λει´ψανον αυ᾽τω ῀ ν φαι´νηται ε᾽πι` τη ῀ ς γη ῀ ς ε῎τι; bei Eus., h. e. V, 1, 59–62; Zitat 62 [GCS NF VI/1, 426, 20 Sch.]). Wenn die Stellen Rom. ῀ ν του῀ σω´ματο´ς 3, 2 (ο῞ταν κο´σμωͺ μη` φαι´νωμαι) und Rom. 4, 2 (῞ινα . . . μηϑε`ν καταλι´πωσι τω
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einem begehrten Martyrergrab vorgebeugt hat, indem er − gewissermaßen prophetisch − den Ignatius das Grab im Rachen der Bestien finden läßt, so verrät er dennoch im selben Satz seine Fiktion, da er den römischen Christen ungeschickterweise unterstellt, es könnten ihnen die Reliquien zur Last sein (Rom. 4, 2).
6. Aufbau der Briefe Wenn es das Ziel des Briefschreibers ist, die katholische (antignostische) Kirche unter dem einen Bischof (samt Presbytern und Diakonen) zu einen und der Aufruf dazu mit der Stimme des pneumatischen Märtyrers durchgesetzt werden soll, dann muß sich der Aufbau der Briefe wie des gesamten Briefcorpus konsequent daraus ergeben. Erstes Bestreben des Autors »Ignatius« muß es sein, die eigene Lehrautorität zu sichern, da er ja den Adressaten unbekannt ist. Sie wissen aus dem Brief des Polykarp an die Philipper und den darin eingeschobenen Mitteilungen (1, 1 und 13) lediglich, daß ein dem Polykarp bekannter, anscheinend von Syrien kommender Märtyrer Ignatius mit seinen gefangenen Gefährten von den Philippern das Geleit (in eine unbekannte Richtung) erhalten hat, nachdem er offenbar wichtige, von Polykarp jetzt wunschgemäß den Philippern übersandte Briefe (welche von Glaube, Geduld und jeglicher den Herrn betreffenden Erbauung handeln) verfaßt hat. Alles andere, was zur Begründung der Lehrautorität des »Ignatius« erforderlich ist, muß die Selbstvorstellung in den Briefen ergeben − und sie ergibt es. Nach und nach, geschickt dosiert und arrangiert, erfährt der Leser alle »Fakten«, die geeignet sind, die Autorität des Briefschreibers aufzubauen und aufs höchste zu steigern: die Verurteilung um des Namens willen, den gewaltsamen Transport des schikanierten Gefangenen von Syrien zum Tierkampf nach Rom (ungefähr fünfundzwanzigmal werden in den sieben Briefen Verurteilung und Fesseln erwähnt), die enorme Anteilnahme der Christen am Geschick und Weg des bescheiden auftre tenden Bischofs von Syrien, den Gastaufenthalt beim angesehensten Kollegen Kleinasiens, den Empfang hochrangiger Gesandtschaften aus Bischof, Presbytern und Diakonen benachbarter Kirchen, die Predigten in den Gemeinden, die Kontakte mit offenbar bedeutenden Persönlichkeiten in ihnen, die Briefe an alle Kirchen (Rom. 4, 1); und alle diese Nachrichten beständig durchsetzt mit dem Hinweis auf seine pneumatische Begabung, die zugleich keck hervorgekehrt und bescheiden gedämpft wird. Die Selbstinszenierung ist perfekt: Der Transport des verurteilten Bischofs von Syrien hat die gesamte Christenheit in Bewegung gebracht. Sofort nach seiner Verurteilung sind von Syrien aus auf direktem Seeweg (den er nicht μου) die literarische Verarbeitung dieser Mitteilung im Briefe von Lyon darstellen, dann ist die Abfassungszeit der Ignatianen ziemlich genau bestimmbar.
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Zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien
eingeschlagen hat!) Boten nach Rom vorausgeeilt, um die dortigen Christen auf die Ankunft des Märtyrers vorzubereiten (Rom. 10, 2). Von Syrien und Kilikien her gaben Diakone dem Gefangenentransport das Ehrengeleit. Sie wurden von den Gemeinden ebenso mit christlicher Gastfreundschaft aufgenommen wie Ignatius selbst (Rom. 9, 2; Philad. 11, 1; Smyrn. 10, 1). Wer den ruhmreichen Märtyrer aus irgendeinem Grunde verpaßt hatte, eilte von Stadt zu Stadt, um ihn noch zu sehen (Rom. 9, 3). (Der Autor bereitet mit diesen Nachrichten einen Bestseller vor. Die Briefe eines so berühmten Bischofs muß man unbedingt lesen!) Den Höhepunkt der autoritätsbegründenden Selbstvorstellung bildet der Brief an die Römer. Indem Ignatius, von Martyriumssehnsucht getrieben und förmlich außer sich, die römischen Christen davon abbringen will, aus Liebe zu dem inzwischen weltweit bekannten Martyrerbischof Syriens etwa gefährliche Schritte (bei Hofe) zu unternehmen, erreicht er die höchste Rangsteigerung: Er kann seine Autorität demütig der der beiden Apostelfürsten nachordnen (Rom. 4, 3). Das Ziel ist erreicht. Alle Leser werden zukünftig an den glorreichen Martyrer Ignatius von Antiochien glauben und seine Lehren beherzigen. In den folgenden Briefen werden sie nur noch zurückhaltend an die Fesseln des Gefangenen erinnert, sie wissen ja inzwischen reichlich Bescheid. Der Autor kann sich unmittelbar seinen beiden Hauptthemen zuwenden, dem Kampf für den wahren Christusglauben und dem Gehorsam gegenüber dem (den einen Glauben verbürgenden) einzigen Bischof. Alle Mitteilungen über »Fakten« in den Briefen dienen ausschließlich der Autoritätssicherung des Martyrerbischofs. Darüber hinaus erfahren wir keine konkreten Einzelheiten, aus denen etwa die historischen Umstände rekonstruiert werden könnten. Sie bleiben im günstigen Fall in der Schwebe oder werden unrealistisch dargestellt. Liest man unter der skizzierten Rücksicht nacheinander die Briefe, dann läßt sich ein völlig einsichtiger und konsequenter Aufbau des gesamten Corpus feststellen. Das im einzelnen zu demonstrieren, erfordert eine eigene Arbeit.
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7. Schluß R. A. Lipsius hat Th. Zahn vorgehalten, er stelle, »um die Aechtheit der 7 ignatianischen Briefe zu retten, die ganze Kirchen- und Dogmengeschichte des 2. Jahrhunderts auf den Kopf«.97 Vielleicht ist nach mehr als hundert Jahren die Zeit gekommen, sie wieder auf die Füße zu stellen. Die voraufgehenden Thesen sollten dazu einen Anstoß geben.
97 R. A. Lipsius, Der Märtyrertod Polykarps, ZWTh 17, 1874, 213 Anm.; gefunden bei U. Swarat, Alte Kirche und Neues Testament (wie Anm. 14), 46.
Addenda et Corrigenda
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Addenda et Corrigenda S. 63* Die angekündigte Arbeit erschien unter dem Titel: »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna« in dem von M. Vinzent besorgten Aufsatzband: Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert« von R. M. H., mit einem Beitrag von M. Vinzent, SVigChr 50, Leiden/Boston/Köln 1999, 131–206. S. 70* O. Zwierlein, Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse. Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage, UALG 96, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Berlin/New York 2010, 185–187, sieht in dem Terminus technicus μαρτυ´ριον, der sich als solcher »erst seit dem Polykarpmartyrium belegen läßt«, eine Interpolation, die aus der längeren griechischen Rezension g (4. Jh.) in die einzige griechische Hs der kürzeren Rezension G eingedrungen sei. Da jedoch die Ignatianen das Mart. Polyc. voraussetzen, wäre es wohl doch möglich, daß die Rezension g die ursprüngliche, vom Mart. Polyc. beeinflußte Lesart bewahrt hat. M. Theobald, Israel-Vergessenheit in den Pastoralbriefen. Ein neuer Vorschlag zu ihrer historisch-theologischen Verortung im 2. Jahrhundert n. Chr. unter besonderer Berücksichtigung der Ignatiusbriefe, SBS 229, Stuttgart 2016, 275, Anm. 94, rechnet mit dieser Möglichkeit. S. 79* Zur genaueren Datierung des Todesjahres Polykarps zwischen 161 und 168, siehe O. Zwierlein, Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum, Bd. 2, UALG 116/2, Berlin/Boston 2014, 1–36. S. 81* Zu den Belegen für καϑολικη` ε᾽κκλησι´α im Mart. Polyc. vgl. die Corrigenda zum Artikel »Überlegungen zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹«, unten S. 142–144. S. 81 Anm. 66* Der Passus gehört der Edition von O. Zwierlein, Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum, Bd. 1, UALG 116/1, Berlin/Boston 2014, 37, zufolge nicht zur »Urfassung«. S. 86 Anm. 86* MartPolyc 22 gehört nach der kritischen Edition von O. Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 1, S. 44, zum nachgetragenen Corrolarium des Ps-Pionius (ca. 400 n. Chr.) und entfällt deswegen als Parallele zu »Ignatius«. Dagegen stehen die dann genannten Korrespondenzen der Todesarten in der »Urfassung« des Mart. Polyc. S. 87 Anm. 89* Mart. Polyc. 5, 2; 12, 3 und 16, 2 gehören nach der Edition von O. Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 1, nicht zur ursprünglichen Rezension, sondern sind Zeugnis für die Auffassungen z. Zt. des Eusebius von Caesarea.
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S. 88* Mart. Polyc. 17, 1–3 (Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 1, S. 37 f.) ist Teil der Rezension des Ps-Pionius und ist demnach für die vorgetragene Interpretation unbrauchbar; jedoch wird in Mart. Polyc. 18, 2 (Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 1, S. 38 f.), das zur »Urfassung« zählt, die große Kostbarkeit der von den Gläubigen aus der Asche gesammelten und dann beigesetzten Reliquien Polykarps hervorgehoben.
Überlegungen zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹ (καϑολικη` ε᾽κκλησι´α) bei den frühen Kirchenvätern I. Was bedeutet es, daß die Kirche seit unvordenklicher Zeit als ›katholisch‹ bezeichnet wird? Befragt man Systematiker darüber, so erhält man in der Regel eine ziemlich umfassende Auskunft. So schreibt Henri Moureau in dem Artikel »Catholicite´« von 1915, dieser Begriff könne die Universalität der Kirche in mehrfacher Hinsicht bedeuten: 1. in bezug auf die einzelnen Kirchen, insofern sie ein Teil der universalen Kirche sind; 2. in bezug auf den Raum, sei es, daß man darunter den Missionsauftrag der Kirche für die ganze Welt versteht, sei es ihre tatsächliche weltweite Ausbreitung; 3. in bezug auf die Personen, insofern die Kirche sich an alle Völker ohne Unterschied der Rassen oder Nationalitäten wendet, wie an alle Menschen gleich welcher sozialen Situation; 4. in bezug auf die Lehre, insofern die Kirche alle Wahrheiten, die man glauben muß, alle zum Heile notwendigen Mittel ohne irgendeine Verminderung besitzt und lehrt; oder auch, insofern alle Gläubigen der Kirche, die demselben Magisterium unterworfen sind, denselben Glauben haben; 5. in bezug auf die (für das Heil) notwendige Kirchenzugehörigkeit; 6. in bezug auf die Dauer oder die Fortdauer der Kirche ohne Unterbrechung bis an das Ende der Zeiten.1 In den knappen Worten, mit denen Walter Kasper etwas mehr als acht Jahrzehnte später die Bedeutung der Wesenseigenschaft ›katholisch‹ der Kirche zusammenfaßt, kann man die Mehrzahl der Aspekte, die Henri Moureau aufführt, wiederfinden: »Die Katholizität der Kirche besagt 1) Sendung zu allen Menschen, allen Völkern, Kulturen, Rassen und Klassen, 2) Universalität hinsichtlich Raum und Zeit und 3) Besitz der Fülle der Heilsgaben, Dienste und Stände (vgl. Lumen gentium 13). Die Kirche ist katholisch heißt also: Sie verkündet den ganzen Glauben und das ganze Heil für den ganzen Menschen und die ganze Menschheit.«2 1
Vgl. Moureau 1905, hier 1999. Kasper 1996, hier 1466. Vgl. auch Beinert 1983. Beinert sieht z. Zt. der Gegenreformation und Apologetik in der Katholizität »von Raum, Zeit und Personen« eher die quantitative Seite dieser nota ecclesiae betont, während »die qualitative Seite« besonders durch Lumen Gentium ausgearbeitet wird, »die Universalität des Gottesvolkes«, die Gnadenver2
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Unschwer erkennt man in den aufgezählten Punkten die sachliche Übereinstimmung mit dem von Moureau unter Nr. 2, 3, 4 und 6 Gesagten, wobei der Bezug auf die unverkürzte wahre Lehre mit den Worten von »der Fülle der Heilsgaben« und im »ganzen Glauben« eher etwas zurückhaltend angezeigt wird. Die Unterwerfung unter dasselbe Magisterium (in Nr. 4 bei Moureau genannt) erscheint bei Kasper nicht mehr explizit, mag aber im Hinweis auf die Aussagen über die »Dienste und Stände« und die dogmatische Konstitution des Zweiten Vatikanums, Lumen gentium 13 (»integro manente primatu Petri Cathedrae«), eingeschlossen sein. Das wird wohl auch für das Verhältnis von Teilkirchen und Gesamtkirche (Nr. 1 bei Moureau) gelten (vgl. Lumen gentium 13: »Vi huius catholicitatis singulae partes . . .«). Nur Nr. 5 bei Moureau: »La ne´cessite´ d’entrer dans l’E´glise«, also die Heilsnotwendigkeit der Kirche, finde ich bei Kaspar nicht mehr als Aspekt der katholischen Kirche genannt. Wie unterscheidet sich von dieser konfessionell-katholischen Sicht der kirchlichen nota ›katholisch‹ die Auffassung der orthodoxen Kirche? In seiner kurzen Darlegung darüber im Ökumenelexikon zeigt Th. Nikolaou einen quantitativen und einen qualitativen Aspekt der Katholizität auf, wobei der quantitative Aspekt die zeitliche, geographische, politische, kulturelle und rassische Unbegrenztheit der zur einen Gemeinschaft der Gläubigen berufenen Menschen zum Ausdruck bringt. (Hier gibt es keinen erkennbaren Unterschied zur konfessionellen katholischen Auffassung.) Unter qualitativer Rücksicht gilt die Kirche als katholisch, insofern sie als »Stiftung Gottes« »die Fülle des Lebens der Hl. Trinität« widerspiegelt, was so entfaltet wird: Ihre »grundlegende unabdingbare Erscheinungsform« hat die katholische Kirche in der Ortsgemeinde, weil in ihrem gemeinsamen Gebet und sakramentalen (insbesondere eucharistischen) »Leben« »die Anwesenheit des Herrn durch die Gegenwart des Bischofs mitten im Volk die Fülle des Heils sichert«, wie mit Berufung auf den ignatianischen Smyrnäerbrief (8, 2)3 gesagt wird. Zu dieser Katholizität der Ortskirche tritt notwendig durch das Bindeglied des Bischofs »die K(atholizität) desselben Glaubens und derselben Liebe mit bzw. zu den anderen Ortskirchen hinzu«, also die Einheit »der kath. Kirche in der Ökumene« (Martyrium Polycarpi 8, 1), das heißt in der ganzen Welt, insofern alle Bischöfe prinzipiell gleichrangig für die Einheit des Glaubens und der Liebe Sorge tragen. Damit sind »erstens individualistische und isolatorische Tendenzen im Leben der Kirche« ausgeschlossen, ebenso »zweitens die Zusammenfassung der Kirche in einem sichtbaren Oberhaupt«.4 mittlung an alle »Menschen in allen sozio-kulturellen Kontexten, d. h. der Fülle der ganzen Schöpfung«, sowie »die strukturelle K(atholizität), d. h. die notwendige Pluralität von Ämtern, Charismen, Lebensordnungen, geistlichen Wegen«. Andernorts hebt Beinert zusätzlich noch eine eschatologische Komponente hervor: »Kirche ist katholisch, um katholisch zu werden« (Beinert 1996, 1372 f.). 3 Zum Wortlaut dieser und der folgenden Textstellen sowie genaueren Quellen-Angaben siehe unten im Text nach Anm. 20. 4 Nikolaou 1983. − Vgl. auch die kurze, aber präzise Zusammenfassung des orthodoxen Standpunkts in Oberdorfer 2002, hier 904.
I. Auffassungen des ›Katholischen‹ bei neuzeitlichen Systematikern
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Das konkrete Bischofsamt in Form des mit dem ignatianischen Smyrnäerbrief 8, 2 und Epheserbrief 3, 2 begründeten allerorten gleichrangig die Gläubigen leitenden Monepiskopats ist demnach absolut konstitutiv für die qualitative Katholizität der Kirche. Daraus folgt als gravierender Unterschied zur konfessionell-katholischen Auffassung der Ausschluß eines Lehr- und Jurisdiktionsprimates eines einzigen (Ober-)Bischofs. Die Theologen der reformatorischen Kirchen, von denen hier nur die lutherischen erwähnt seien, haben den Begriff der katholischen Kirche erst im Zuge der ökumenischen Bewegung wieder entdeckt5 und vermögen (noch) keine übereinstimmende Interpretation vorzulegen. Die Reformatoren selbst sahen die katholische, das ist die allgemeine, wahrhaft christliche Kirche überall dort gegeben, wo die reine Lehre des Evangeliums verkündet und die Sakramente gespendet werden und zwar durch dafür bestimmte (ordinierte) Amtsträger, wobei die Katholizität nicht an eine einzige Ausprägung des Amtes (also etwa an eine episkopale Kirchenverfassung) gebunden ist.6 Während der sogenannte quantitative Aspekt der Katholizität (Kirche für alle Menschen, an allen Orten, zu allen Zeiten etc.) in Vergangenheit und Gegenwart grundsätzlich akzeptiert ist, wird über die Frage, ob die konfessionellen Unterschiede in Organisation und Lehre die Katholizität zerstören oder nicht, gegenwärtig diskutiert.7 Das bedeutet, daß nicht nur die Gestalt des Amtes, sondern − wenigstens in bestimmtem Umfang − auch die der Lehre die qualitative Katholizität nicht berührt. Hierin liegt eine unübersehbare Differenz zu der orthodoxen und der konfessionell-katholischen Sichtweise. Insgesamt ergibt sich − selbst bei einem eher pauschalen Vergleich wie diesem − eine in qualitativer Hinsicht sehr unterschiedliche Interpretation des Begriffs der Katholizität der Kirche. Das ist erkennbar ein Ergebnis der konfessionellen Entwicklungen, insbesondere der je besonderen Auffassungen über die Grundlagen theologischer Aussagen. Die katholischen Autoren verweisen für ihren umfassend gefüllten (auch den römischen Primat einschließenden) Begriff der Katholizität in der Regel ganz selbstverständlich auf die offiziellen Lehrentscheidungen (vor allem des Zweiten Vatikanums), in welchen für sie Schrift und Tradition sachgerecht ausgelegt und zusammengefaßt sind. Die orthodoxen Theologen begründen zum Beispiel die konstitutive Rolle der Bischöfe mit der frühesten greifbaren Tradition, die offenbar als unveränderlicher Maßstab gilt. Wo aber, wie bei den Theologen der Reformation, die Schrift allein als Norm anerkannt ist, können Dinge, für die das Neue Testament keine in eindeutigem Sinn interpretierbaren Aussagen macht (zum Beispiel die Gestalt des Amtes in der Kirche), nicht als konstitutiv für die Katholizität der Kirche betrachtet werden. 5
Siehe Groscourt 1983, hier 618. Siehe Oberdorfer 2001, hier 903 f., mit Verweis auf die Confessio Augustana und die Apologie der Confessio 7 (BSLK 235, 43–236, 27). 7 Siehe Oberdorfer 2001, 905. Zu den hier gestreiften und anderen Gesichtspunkten des Begriffs vgl. auch den ausführlichen Artikel Steinacker 1989 (Lit.!). 6
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
II.
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Daß der Begriff ›katholische Kirche‹, der ja im Neuen Testament nicht vorkommt, für die reformatorischen Theologen überhaupt eine Rolle spielt und gegenwärtig von ihnen diskutiert wird, liegt vor allem daran, daß er von den Kirchen der Reformation mit den alten Glaubensbekenntnissen rezipiert wurde.8 Im Symbol des Constantinopolitanum von 381, das freilich erst seit dem Chalcedonense (451) ökumenische Anerkennung gefunden hat,9 wird erstmals in einem offiziellen Glaubensbekenntnis formuliert, daß der Christ »an eine heilige katholische und apostolische Kirche« (ει᾽ς μι´αν α῾γι´αν καϑολικη`ν και` α᾽ποστολικη`ν ε᾽κκλησι´αν) glaubt.10 Welche Bedeutungsinhalte damals von den Redaktoren des Symbols mit dem Begriff der Katholizität der Kirche verbunden werden konnten, mag man aus den Erklärungen erkennen, die Cyrill von Jerusalem, einer der namhaften Teilnehmer des Konzils von 381, etwa drei Jahrzehnte zuvor, möglicherweise im Jahre 348, in seiner 18. Katechese den Täuflingen gegeben hat. Da heißt es, nachdem der Prediger den letzten Teil des von allen gesprochenen Glaubensbekenntnisses wörtlich zitiert hat (»und an eine Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, und an eine heilige katholische Kirche, und an die Auferstehung des Fleisches und an ewiges Leben«)11: 8
Siehe Steinacker 1989, 76 f. Dazu Ritter 1965, 209–220; Ritter 1990, 521 f.; Staats 1996, 180–193. 10 Siehe DH 150. − M. Vinzent 1999 a hat in seiner Untersuchung über die »Entstehung des ›Römischen Glaubensbekenntnisses‹« festgestellt, daß in dem ausführlichen Glaubensbekenntnis des Alexander von Alexandria (innerhalb seines um 324 verfaßten Briefes an Alexander von Thessalonich [eher: Byzanz, vgl. H. Ch. Brennecke u. a., Athan., Werke III/1/3, 91 Anm. 1], Urkunde 14 Opitz [Athan., Werke III/1, 19–29, hier 28, 10 f.]) erstmals die Formulierung begegnet: μι´αν και` μο´νην καϑολικη`ν ε᾽κκλησι´αν. »Eine ältere gleichoder auch nur ähnlich-lautende Formel ist nicht bekannt« (Vinzent 1999 a, 337). Wohl auf der Grundlage von Alexanders Bekenntnis heiße es im Symbol des antiochenischen Konzils von 324/325 (in der Retroversion aus dem Syrischen von E. Schwartz = Urkunde 18 Opitz (Athan., Werke III/1, 39, 14): μι´αν καϑολικη`ν ε᾽κκλησι´αν (Vinzent 1999 a, 344). Im Nicaenum findet sich in den Anathematismen der Rekurs auf die »katholische und apostolische Kirche« (Vinzent 1999 a, 350). Arius nimmt die Formulierung ει᾽ς μι´αν καϑολικη`ν ε᾽κκλησι´αν του῀ ϑεου῀ in sein Glaubensbekenntnis vom Ende des Jahres 327 auf (Vinzent 1999 a, 351). Während in den Bekenntnissen bis dahin »stets von der ›katholischen Kirche‹ gesprochen« werde, heißt es in einem Bekenntnis, das Marcell von Ancyra Papst Julius vorgelegt hat und das die Grundlage des Romanum wurde, α῾γι´αν ε᾽κκλησι´αν (bei Epiphanius, haer. 72, 3, 1 [GCS Epiphanius III2, 258, 12 Holl/Dummer]) »in den nachfolgenden Bekenntnissen fällt dieses Bekenntnis zur Kirche überhaupt weg« (Vinzent 1999 a, 376; Zusammenstellung der Bekenntnisse ebd. 331–336). Die Wendung μι´αν α῾γι´αν καϑολικη`ν ε᾽κκλησι´αν begegnet jedoch in dem Bekenntnis, das aus den Taufkatechesen des Cyrill von Jerusalem rekonstruiert wird (hier Catechesis 18, 22 [II, 324 Reischl/Rupp]). Das Verhältnis des Cyrillischen Symbols zum Constantinopolitanum ist noch nicht endgültig geklärt; siehe zur komplizierten Forschungsgeschichte und ihrer Kritik: Ritter 1965, 139– 195; Staats 1996, 158–170; Vinzent 1999 a, 405, klammert die Frage bewußt aus. 11 Cyrill von Jerusalem, Catechesis 18, 22 (II, 324 R./R.). 9
III. Die ältesten Zeugnisse und ihre Datierung
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Katholisch also wird sie (sc. die Kirche) genannt, weil sie sich über die ganze Ökumene ῀ ς) und erstreckt, von einem Ende der Erde zum anderen, und weil sie umfassend (καϑολικω ohne Fehl alle Dogmen lehrt, die zur Kenntnis der Menschen gelangen sollen, über die sichtbaren Dinge und die unsichtbaren, über die himmlischen und irdischen, und weil sie das ganze Menschengeschlecht der wahren Religion (ει᾽ς ευ᾽σε´βειαν) unterwirft, Herrscher und Beherrschte, Gebildete und Ungebildete, und weil sie umfassend (καϑολικω ῀ ς) jede Art Sünde heilt, sei es eine der Seele, sei es eine des Leibes, und weil ihr jedwede Art von Tugend in Werken und Worten und in vielfältigen pneumatischen Gaben gegeben ist.12
Diese Erklärung der Katholizität der Kirche durch Cyrill ist nahezu schon so umfassend wie die der oben zitierten katholischen Theologen. Was die sogenannte quantitative Katholizität betrifft, so werden von Cyrill alle auch heute aufgeführten Punkte aufgezählt. Was die qualitative Katholizität angeht, besteht Übereinstimmung hinsichtlich der Universalität der Lehre und des Heilsangebotes, aber es fehlt − oder wird wenigstens nicht ausdrücklich genannt − die von den katholischen und orthodoxen Theologen betonte wesentliche Bedeutung des kirchlichen Amtes. Dieses erscheint auch in den weiteren Ausführungen Cyrills zur Bedeutung »der heiligen katholischen Ekklesia« nicht. Sie wird da einerseits abgegrenzt gegen die erste, inzwischen abgelöste und verworfene Ekklesia der Juden, andererseits gegen die Vereine oder Konventikel der Häretiker, namentlich der Marcioniten und Manichäer, und ihre Kirchengebäude. Obwohl Cyrill zuletzt lückenlos die Charismenliste des Ersten Korintherbriefs (12, 28) zitiert, dient sie ihm anscheinend nicht als Beleg für ein kirchentragendes Amt. Er lenkt vielmehr sogleich die Gedanken auf die in den Verfolgungen bewährte und durch die Märtyrer siegreiche Tugendkraft der Kirche, die nun, zurecht von den Kaisern und allen Menschengeschlechtern geehrt, durch den gottgelenkten Frieden in der gesamten Ökumene ihre grenzenlose Kraft erweist.13 Solche Vorstellungen, wie sie Cyrill seinen Täuflingen vorgetragen hatte, mögen auch die Konzilsväter mit dem Begriff der katholischen Kirche im Symbol von 381 verbunden haben. Da befinden wir uns aber wenigstens 200 Jahre nach seinem ersten Vorkommen, in einer theologisch und kirchenpolitisch grundlegend veränderten Situation, die sich erkennbar auf die Interpretation des traditionellen Begriffs ausgewirkt hat. Welches aber ist seine ursprüngliche Bedeutung?
III. Das wäre möglicherweise leichter zu ermitteln, wenn über die Chronologie der frühesten Belege für den Ausdruck ›katholische Kirche‹ unter den Gelehrten heute die Übereinstimmung herrschte, die bei hervorragenden protestantischen 12 13
Cyrill von Jerusalem, Catechesis 18, 23 (II, 324. 326 R./R.). Vgl. Cyrill von Jerusalem, Catechesis 18, 24–27 (II, 326–330 R./R.).
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Exegeten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festzustellen ist. Für diese war es unzweifelhaft, daß die ältesten Zeugnisse, nämlich die im Martyrium Polycarpi, eine Stelle im Smyrnäerbrief des Ignatius von Antiochien und eine im Fragment des antimontanistischen Anonymus bei Eusebius, samt und sonders in ungefähr dieselbe Zeit, und das heißt in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehören, und daß die Ignatianen, eben auch wegen des selbstverständlichen Gebrauchs des Begriffs ›katholische Kirche‹, nicht früher geschrieben worden sein können. Spätere Vorkommen gibt es bei Tertullian, im Canon Muratori,14 bei Clemens von Alexandrien und in der Didaskalia. Aber mit diesen Zeugnissen befinden wir uns schon mehrere Jahrzehnte nach dem ersten Aufkommen des Begriffs, so daß sich aus ihnen die Ursprungssituation schwerlich erkennen läßt. Allerdings kann auch nicht behauptet werden, daß der ›Sitz im Leben‹ und damit die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ sich wird aus den frühesten Belegen sicher ermitteln und restlos überzeugend darlegen lassen. Denn zum einen scheint es so zu sein, daß keiner der Autoren der ältesten Textzeugnisse der Erfinder des Begriffs ist (der doch von einem Kopf zu einer Zeit an einem Ort hervorgebracht worden sein muß), daß sie vielmehr ausnahmslos einen schon länger bekannten und im Umlauf befindlichen Ausdruck aufgreifen, so daß wir also mit den frühesten Belegen nicht auch schon die Ursprungssituation erfassen. Zum anderen ist der alte, wenigstens für eine bedeutende Anzahl namhafter Gelehrter geltende Konsens über die Spätdatierung der Ignatianen seit dem Ende des Ersten Weltkrieges mehr und mehr zugunsten einer (in der Zeitspanne allerdings sehr schwankenden) Frühdatierung aufgegeben worden. Die im Jahre 1979 von Robert Joly vorgetragenen Argumente für eine Abfassungszeit dieser Briefe zwischen 160 und 170 im christlichen Milieu Smyrnas15 haben, obwohl sie von den meisten Forschern nicht (und schon gar nicht gründlich) geprüft wurden und insgesamt unwiderlegt geblieben sind, nur vereinzelt zaghafte Zustimmung gefunden. Der von mir 1997 unternommene Versuch, nochmals auf die ungelöste Problematik hinzuweisen und Jolys Argumente mit weiteren, auf anderem Gebiet gewonnenen, zu ergänzen, ist bisher auf keine gedruckte Gegenliebe gestoßen, wenn er von den auf diesem Felde sich verbreitenden Autoren überhaupt zur Kenntnis genommen wurde.16 Gerade begonnen hat die Diskussion der von Thomas Lechner 1999 vorgelegten Dissertation, in der erstmals nach mehr als einem Jahrhundert die äußeren Zeugnisse für die Chronologie der Ignatianen vollständig untersucht werden und die Abfassung des Briefcorpus aufgrund starker innerer Kri14 Da die übliche Datierung des Canon Muratori in das zweite Jahrhundert von Hahnemann 1992 angefochten und eine Entstehung im vierten Jahrhundert und im Osten vorgeschlagen wurde, bleibt dieser Text hier außer Betracht. 15 Joly 1979. 16 Hübner 1997. − Reagiert haben Lindemann 1997; Schöllgen 1998; Edwards 1998; Vogt 1999 a. − [Zu allen mit den Ignatianen zusammenhängenden Fragen, die im folgenden berührt werden, siehe in diesem Band die Einleitung, S. 3–7]
III. Die ältesten Zeugnisse und ihre Datierung
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terien in die Jahre zwischen 165 und 175 gesetzt wird.17 Meine zur selben Zeit erschienene Untersuchung über »die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna« innerhalb einer (die darin vorgetragene These der Spätdatierung vorbereitenden) Aufsatzreihe18 hat noch nicht zu weiteren, neue Gesichtspunkte einführenden Reaktionen geführt. So besteht also gegenwärtig die mißliche Situation, daß die Frage des ersten Vorkommens des Ausdrucks καϑολικη` ε᾽κκλησι´α durch den mangelnden Konsens in der Datierung der Ignatius-Briefe belastet ist. Weil ich jedoch (erstens) der Überzeugung bin, daß die Argumente für eine Spätdatierung, die Robert Joly, Thomas Lechner und ich von jeweils verschiedener Seite her zusammengetragen haben, nicht widerlegt worden sind, weil (zweitens) sämtliche Verteidiger der Frühdatierung, sogar jene, welche die Eusebianische Chronologie aufgeben, es versäumt haben, auch nur irgendwelche, geschweige denn durchschlagende Beweise für den eigenen Ansatz vorzubringen; und weil (drittens) neue, schwerlich abweisbare Belege für meine These gefunden wurden,19 erlaube ich mir, die frühesten Zeugnisse für den Begriff καϑολικη` ε᾽κκλησι´α in der chronologischen Reihenfolge, die ich für die wahrscheinliche halte, vorzustellen und zu diskutieren. Das bedeutet, daß hier die Ignatius-Stelle nach den Zitaten aus dem Martyrium Polycarpi steht.20 17
Lechner 1999. »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna«, in: Hübner 1999, 131–206. Die Veröffentlichung dieses Bandes verdanke ich der Initiative und Arbeit von Markus Vinzent. 19 Eines meiner Hauptargumente für die Datierung der Ignatianen in die Zeit um 175 ist der von mir behauptete Bezug des Autors auf die von Hippolyt, Refutatio IX, 10, 9–12 und X, 27, 1 f. (GCS Hippolytus III, 244, 12–245, 11 und 283, 4–11 Wendland) mitgeteilten paradoxen Antithesen des Noe¨t und seiner römischen Schule. Diese sind als Antwort auf den valentinianischen Mythos vom descensus incognitus des Soter formuliert. (Damit sind wir auf jeden Fall in der Zeit nach ca. 160.) Den Reflex dieser Antithesen kann man außer bei Ignatius auch bei Melito von Sardes, Irenaeus, Tertullian, wohl auch in den Petrusakten feststellen. Mir wurde geantwortet, sowohl Ignatius wie auch Melito hätten die (sich mit den noe¨tianischen im Wortlaut und in der Reihenfolge deckenden!) Antithesen selbständig bilden können, ein Bezug auf den noe¨tianischen Text sei also nicht erwiesen. − Nun habe ich aber inzwischen (durchaus zufällig) die vollständigste Serie der noe¨tianischen Antithesen, einschließlich der Stücke, die jeweils nur bei Ignatius und Melito bzw. Tertullian begegnen und deren Zugehörigkeit zum ursprünglichen noe¨tianischen Text ich vermutete, bei einem Autor gefunden, bei dem niemand sie je erwarten würde: bei Leo dem Großen in seiner berühmten Epistula ad Flavianum (ACO II/2/1, 28 Schwartz, übernommen aus Leo, Sermo 22, 2 [CChr.SL 138, 91 f. Chavasse]). Wer auf der Meinung beharren will, die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Noe¨t, Melito, Ignatius, Irenaeus und Tertullian beruhten auf zufällig identischer rhetorischer Erfindung, der muß das nun auch für Leos Antithesen behaupten und beweisen. Ich jedenfalls betrachte Leos Text als Beleg dafür, daß (erstens) Hippolyt die Antithesen der römischen Schule des Noe¨t zuverlässig wiedergegeben hat (was bestritten wurde) und daß (zweitens) diese Antithesen in der römischen Theologie und weit darüber hinaus eine außerordentliche Rolle gespielt haben, so daß sie noch nach mehr als zweieinhalb Jahrhunderten Leo in Rom zugänglich waren: Die wörtlichen Parallelen bei den genannten Autoren sind nicht anders als durch (direkte oder indirekte) Abhängigkeit erklärbar. Damit sind die Ignatianen in die Zeit nach 160 zu datieren. − Die Ausführung der hier skizzierten Überlegungen muß ich einer anderen Gelegenheit vorbehalten. 20 Um keine Verwirrung zu stiften, schreibe ich nicht ›Ps.-Ignatius‹, sondern behalte die übliche Bezeichnung des von mir für anonym gehaltenen Autors der sieben Briefe bei. 18
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
* (1) Martyrium Polycarpi, Inscriptio ῾Η ε᾽κκλησι´α του῀ ϑεου῀ η῾ παροικου῀σα Σμυ´ρναν τη ῀ͺ ε᾽κκλησι´αͺ του῀ ϑεου῀ τη ῀ͺ παροικου´σηͺ ε᾽ν Φιλομηλι´ωͺ και` πα´σαις ται῀ς κατα` πα´ντα το´πον τη ῀ ς α῾γι´ας και` καϑολικη ῀ ς ε᾽κκλησι´ας παροικι´αις· ε῎λεος και` ει᾽ρη´νη και` α᾽γα´πη ϑεου῀ πατρο`ς και` του῀ κυρι´ου η῾μω ῀ ν ᾽Ιησου῀ Χριστου῀ πληϑυνϑει´η.21 38
Die Kirche Gottes, die in Smyrna in der Fremde wohnt, an die Kirche Gottes, die in Philomelium in der Fremde wohnt, und an alle Gemeinden der heiligen und katholischen Kirche an jedem Ort: Das Erbarmen, der Friede und die Liebe Gottes des Vaters und unseres Herrn Jesus Christus mögen vermehrt werden.
(2) Martyrium Polycarpi 8, 1 ᾽Επει` δε´ ποτε κατε´παυσεν τη`ν προσευχη´ν, μνημονευ´σας α῾πα´ντων τω ῀ ν και` πω´ποτε συμβεβληκο´των αυ᾽τω ῀ͺ μικρω ῀ ν τε και` μεγα´λων, ε᾽νδο´ξων τε και` α᾽δο´ξων, και` πα´σης τη ῀ ς κατα` τη`ν οι᾽κουμε´νην καϑολικη ῀ ς ε᾽κκλησι´ας, τη ῀ς ω ῞ ρας ε᾽λϑου´σης του῀ ε᾽ξιε´ναι, ο῎νωͺ καϑι´σαντες αυ᾽το`ν η῎γαγον ει᾽ς τη`ν πο´λιν ο῎ντος σαββα´του μεγα´λου.22
Nachdem er dann das Gebet beendet und aller gedacht hatte, die ihm jemals begegnet waren, der Kleinen und Großen, der Angesehenen und weniger Angesehenen und der ganzen katholischen Kirche in der Ökumene, und da die Stunde zum Aufbruch gekommen war, setzten sie ihn auf einen Esel und brachten ihn in die Stadt; es war (der Tag) des großen Sabbats.
(3) Martyrium Polycarpi 16, 2 ω ῟ ν ει῟ς και` ου῟τος γεγο´νει ο῾ ϑαυμασιω´τατος Πολυ´καρπος, ε᾽ν τοι῀ς καϑ᾽ η῾μα ῀ ς χρο´νοις διδα´σκαλος α᾽ποστολικο`ς και` προφητικο`ς γενο´μενος ε᾽πι´σκοπο´ς τε τη ῀ ς ε᾽ν Σμυ´ρνηͺ καϑολικη ῀ ς ε᾽κκλησι´ας.23
Von ihnen einer war auch dieser höchst bewundernswerte Polykarp, zu unseren Zeiten apostolischer und prophetischer Lehrer und Bischof der katholischen Kirche in Smyrna.
(4) Martyrium Polycarpi 19, 2 . . . το`ν τη῀ς α᾽φϑαρσι´ας στε´φανον α᾽πολαβω´ν, συ`ν τοι῀ς α᾽ποστο´λοις και` πα῀σιν δικαι´οις α᾽γαλλιω´μενος δοξα´ζει το`ν ϑεο`ν και` πατε´ρα παντοκρα´τορα και` ευ᾽λογει῀ το`ν κυ´ριον η῾μω ῀ ν ᾽Ιησου῀ν Χριστο´ν, το`ν σωτη ῀ ρα τω ῀ ν ψυχω ῀ ν η῾μω ῀ ν και` κυβερνη´την τω ῀ ν σωμα´των η῾μω ῀ ν και` ποιμε´να τη ῀ς κατα` τη`ν οι᾽κουμε´νην καϑολικη ῀ ς ε᾽κκλησι´ας.24 . . . er empfing den Kranz der Unvergänglichkeit und verherrlicht zusammen mit den Aposteln und allen Gerechten jubelnd den Gott und Vater, den Allherrscher, und preist unseren Herrn Jesus Christus, den Erlöser unserer Seelen und Lenker unserer Leiber und Hirten der katholischen Kirche in der Ökumene.
(5) Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 ῞Οπου α῍ν φανη ῀ͺ ο῾ ε᾽πι´σκοπος, ε᾽κει῀ το` πλη ῀ ϑος ε῎στω, ω ῞ σπερ ο῞που α῍ν η῏ͺ Χριστο`ς ᾽Ιησου῀ς, ε᾽κει῀ η῾ καϑολικη` ε᾽κκλησι´α.25
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Martyrium Polycarpi, Inscriptio (260, 16–262, 2 Lindemann/Paulsen). Martyrium Polycarpi 8, 1 (268, 3–7 L./P.). 23 Martyrium Polycarpi 16, 2 (278, 2–4 L./P.). 24 Martyrium Polycarpi 19, 2 (280, 17–21 L./P.). 25 Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 8, 2 (SUC I, 210, 10–12 Fischer). 22
III. Die ältesten Zeugnisse und ihre Datierung
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Wo der Bischof erscheint, dort soll die Menge sein, so wie dort, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist.
(6) Anonymus antimontanista: Eusebius, Historia ecclesiastica V, 16, 9 . . . τη`ν δε` καϑο´λου και` πα῀σαν τη`ν υ῾πο` το`ν ου᾽ρανο`ν ε᾽κκλησι´αν βλασφημει῀ν διδα´σκοντος του῀ α᾽πηυϑαδισμε´νου πνευ´ματος, ο῞τι μη´τε τιμη`ν μη´τε πα´ροδον ει᾽ς αυ᾽τη`ν το` ψευδοπροφητικο`ν ε᾽λα´μβανε πνευ῀μα . . .26 . . . der selbstüberhebliche Geist (sc. der Montanisten) lehrte, die katholische und die ganze unter dem Himmel verbreitete Kirche zu lästern, weil der pseudoprophetische Geist weder Ehre noch Zugang bei ihr erhielt . . .
Zunächst zur Chronologie: Der jüngste Text ist der des anonymen Schriftstellers, der gegen die Montanisten schreibt und den Eusebius auszugsweise in seiner Kirchengeschichte zitiert. Wilhelm Kühnert hat zeigen können, daß der Verfasser, zweifellos »eine führende Persönlichkeit in der kleinasiatischen Kirche jener Tage«, möglicherweise mit Polykrates von Ephesus gleichzusetzen ist.27 Das passende Abfassungsdatum circa 192/193 ist das seit langem − mit einer Ausnahme − allgemein angenommene.28 Zur vermutlichen Abfassungszeit der Ignatianen um 175 habe ich mich soeben geäußert. R. Joly hat (nach anderen Autoren) auf die zahlreichen Übereinstimmungen im Ausdruck und im Denken zwischen dem Martyrium Polycarpi und den Briefen hingewiesen und auf deren Abhängigkeit vom Martyriumsbericht geschlossen.29 Mir erscheinen zusätzlich einige Parallelen zwischen den Briefen und dem Bericht über die Märtyrer von Lyon (circa 177) so spezifisch zu sein, daß eine Abhängigkeit auch von diesem Martyriumsbericht wahrscheinlich wird.30 Irenaeus, der als erster christlicher Autor − vielleicht 180 n. 26 Anonymus antimontanista: Eusebius, Historia ecclesiastica V, 16, 9 (GCS NF 6/1, 464, 7–10 Sch.). 27 Kühnert 1949, Zitat 441. Kritisch zu Kühnerts Identifizierung zuletzt Wünsche 1997, 264 Anm. 72. Weitere Identifizierungsversuche sind kurz aufgezählt bei Trevett 1996, 47 f. und 242 Anm. 5. 28 Das Datum 192/193 bei Kühnert 1949, 442. − Keim 1878, Kapitel V: »Die zwölf Märtyrer von Smyrna und der Tod des Bischof’s Polykarp«, hier 115: »Der Anonymus . . . schreibt gleich nach dem Tod des Commodus im Jahr 193, wie er selbst bestimmt genug angibt (5, 16, 9. 5, 17, 4)«. − Auf die Zeit »nicht später als Januar 193«, bzw. »Winter 192/3« kommt A. (von) Harnack 1896, 365 f.− H. Freiherr von Campenhausen hält die Identifizierung des Antimontanisten mit Polykrates von Ephesus für wahrscheinlich; »jedenfalls [gehöre er] ins letzte Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts und wieder in die Asia« (von Campenhausen 1968, 307). − Trevett 1996, 30: »c. 192–3«. − Wünsche 1997, 259: »ungefähr in die Zeit um das Jahr 193 n. Chr.« − Abweichend von dieser sonst durchgehend übereinstimmenden Datierung betrachtet Garciadiego 1953, 127, das Jahr 165 als das wahrscheinliche Abfassungsdatum. Eine Begründung dafür habe ich nicht gefunden. 29 Vgl. Joly 1979, 115–119; ergänzend Hübner 1997, 67 Anm. 86. 30 Ein erster Hinweis in Hübner 1997, 70 Anm. 96. − D. Völter 1910, 140 f., hat zu zeigen versucht, daß der Verfasser des ca. 180 n. Chr. geschriebenen ignatianischen Römerbriefes, den er vom Verfasser der übrigen gegen 150 n. Chr. angesetzten Ignatius-Briefe unterscheidet, das Martyrium Polycarpi und das Martyrium Lugdunense verwendet.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Chr. − aus den Ignatianen zitiert, ohne deren Verfasser zu nennen, hätte dann die Briefsammlung ziemlich frisch nach der Herstellung in die Hände bekommen.31 So würde gut verständlich, daß er den Namen des Verfassers nicht angibt und auch nicht von einem in Rom vollendeten Martyrium (sondern nur von der − aus den Briefen ersichtlichen − Verurteilung ad bestias) spricht: Er kannte bis dato den Mann, dessen Briefe und dessen Schicksal nicht, und das muß ihn aufs höchste irritiert haben − denn er hätte ihn doch kennen müssen: den Bischof von Antiochien, der in Smyrna lange Zeit als Gast bei dem hochverehrten Polykarp geweilt hat, der so viele nützliche Lehrbriefe gegen die häretische Gnosis an die Kirchen der Asia − seine Heimatkirchen! − geschrieben, ja sogar seinen Lehrer Polykarp, den von ihm gepriesenen Kämpfer gegen die Häresien, so eindringlich über die bischöflichen Aufgaben belehrt hatte; dessen Episteln von Polykarp selbst gesammelt und empfohlen worden sein sollen (er hätte sie doch besitzen müssen, so wie er den Brief Polykarps an die Philipper besaß!); von dessen Martyriumskampf in der Stadt Rom, deren Bischof Eleutherus und deren Gemeinde er noch kürzlich besucht hatte, ihm nichts berichtet worden war. − Wenn Irenaeus die kryptischen Briefe kurz vor oder gar während der Abfassung seines antignostischen Werkes zu lesen bekam, erklärt sich leicht, daß sich seine nicht behobene oder kurzfristig nicht behebbare Irritation im Verschweigen des Namens (Ranges und Sieges) des angeblichen Märtyrer-Bischofs niederschlug.32 Das Datum des Märtyrertodes Polykarps und die Echtheit, Integrität und Abfassungszeit des smyrnäischen Martyriumsberichtes (Martyrium Polycarpi ) sind seit dem 19. Jahrhundert immer wieder kontrovers diskutiert worden, Einigkeit ist noch nicht erreicht. Immerhin hat sich unter hier maßgeblichen Forschern ein gewisser Konsens gebildet. B. Dehandschutter hat nach eingehender Erörterung der verschiedenen Positionen die Authentizität des Textes (bis Kapitel 20 einschließlich) verteidigt und für die Jahre 156–160 als Abfassungszeitraum plädiert.33 Er hat dafür weitgehend die Zustimmung zum Beispiel von V. Saxer, G. Buschmann und Th. Baumeister gefunden.34 Selbst wenn man die Sache 31 Irenaeus, Adversus haereses V, 28, 4 (SC 153, 360, 86–362, 89 R./D./M.), zitiert aus dem Römerbrief (4, 1) des Ignatius folgendermaßen: »Quemadmodum quidam dixit de nostris, propter martyrium in Deum adiudicatus ad bestias, quoniam ›frumentum sum Christi, et per dentes bestiarum molor, ut mundus panis Dei inveniar‹.« − Zur Abfassung von Adversus haereses I-IV in den Jahren 175–180 siehe Hübner 1999, 88 Anm. 111; grundsätzlich zustimmend Wanke 1999, hier 203: »Es ist also durchaus möglich, daß Irenäus Adversus haereses noch unter Marc Aurel begonnen hat.« 32 Zum Verhältnis Irenaeus − Ignatianen siehe Völter 1910, 141; Joly 1979, 100 f. Lechner 1999, 68 f.; Hübner 1999, 141–143. 33 Dehandschutter 1979, 131–155 und 191–219; vgl. den Forschungsbericht Dehandschutter 1993. 34 Saxer 1982 (als interpoliert gelten Saxer [ebd. 999] lediglich die Erwähnung der Taube 16, 1 und der Alke 17, 2). − Buschmann 1994; Buschmann 1998, 37–40. − Baumeister 1996, hier 122–125 ein Forschungsüberblick; 123 zum Todesdatum Polykarps um das Jahr 160; 125 zur vermutlichen Interpolation »der Taube« in c. 16.
IV. Zur Forschungsgeschichte
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vorsichtig beurteilt und mit dem terminus ante quem bis wenig vor 177 n. Chr. hinabrücken wollte,35 bleibt das Martyrium Polycarpi der früheste der zitierten Texte, in denen der Ausdruck ›katholische Kirche‹ begegnet.
IV. Bevor die Bedeutung und der Ursprung dieses Begriffs, dessen erste Vorkommen, wenn man die obige Chronologie einmal hypothetisch gelten läßt, innerhalb eines Zeitraumes von wenigstens etwa 15 und höchstens 35 Jahren und sämtlich in der Provinz Asia (Smyrna und Ephesus) festzustellen sind, erörtert werden, sollen die Historiker gehört werden, die sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts am eingehendsten zu unserer Thematik geäußert haben: Th. Keim, J. B. Lightfoot und F. Kattenbusch. Die drei Autoren kamen aufgrund der von ihnen vertretenen unterschiedlichen chronologischen Einordnung der Ignatianen und des Martyrium Polycarpi zu durchaus unterschiedlichen Auffassungen über den Sinngehalt des Ausdrucks ›katholische Kirche‹. (Die Nachwirkungen dieser verschiedenen Ansätze sind in den Interpretationen des 20. Jahrhunderts noch erkennbar.) Vor ihnen hat Th. Zahn in seinem Werk Ignatius von Antiochien von 1873 relativ kurz, aber entschieden eine Interpretation vorgetragen, die er drei Jahre später in zwei Anmerkungen zu den von ihm edierten Ignatiusbriefen und dem Polykarpmartyrium wiederholt hat.36 Weil sich die drei anderen Autoren − zustimmend oder ablehnend − auf sie beziehen, ist zuerst darüber zu berichten. Bei der Interpretation spielt natürlich die chronologische Einordnung der Texte eine wichtige Rolle. Aber es fällt doch auf, daß auch bei grosso modo gleicher Datierung einzelne Stellen jeweils anders verstanden werden konnten. Das ist ein Hinweis darauf, daß wir uns hier immer im Bereich des Hypothetischen bewegen. Th. Zahn sieht in Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 (Text 5) die Gegenüberstellung der Ortsgemeinde unter dem Bischof und »der allgemeinen Kirche, welche auch schlechtweg die Kirche heisst«, deren Bischof Christus oder Gott ist (so mit Verweis auf Ignatius, Epistula ad Romanos 9).37 Diese Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ »im Sinn von Gesamtkirche im Gegensatz zur Einzelgemeinde«, die ihm als die ursprüngliche gilt (»nativa huius vocabuli notio«38), findet Zahn »vielleicht auch noch« »im Munde Polycarps selber«, 35 Dehandschutter 1993, 501 f., bestimmt aufgrund des unbestrittenen Einflusses des Martyrium Polycarpi auf das Martyrium Lugdunense diesen Terminus als »vernünftige« Grenze. 36 Zahn 1873, 428; vgl. Zahn 1876, 91 Anm. 2 zu Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 8, 2; 133 die Anmerkung zu Martyrium Polycarpi, Inscriptio. 37 Zahn 1873, 428. 38 Zahn 1876, 133 Anm. zu Martyrium Polycarpi, Inscriptio.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
nämlich Martyrium Polycarpi »8 cf. 19« (Text 2; vgl. Text 4), wo ihm ›katholisch‹ die Gesamtheit der Kirchen in der Ökumene anzuzeigen scheint, wie sie Martyrium Polycarpi 5 ausgedrückt ist. (Zahn formuliert hier etwas unsicher, verständlicherweise, denn in Martyrium Polycarpi 8 spricht, genau besehen, nicht »Polykarp selber«, sondern ebenso wie an der von ihm zum Vergleich herangezogenen Stelle, Martyrium Polycarpi 19, der Verfasser des Martyriumsberichtes.) Eine andere Bedeutung des Begriffs der katholischen Kirche erkennt Zahn dagegen in Martyrium Polycarpi, Inscriptio (Text 1) und Martyrium Polycarpi 16 (Text 3). Hier sei »zuverlässig« mit dem Wort ›katholisch‹ die »Einzelgemeinde von Smyrna« »im Gegensatz zu häretischen Sondergemeinden« bezeichnet.39 Zahn hält es demnach für möglich, daß ein und dasselbe Kirchenprädikat in ein und demselben Text verschiedene Bedeutungen hat. J. B. Lightfoot wird in diesem Punkte anderer Meinung sein. Th. Keim datiert in seiner 1878 veröffentlichten Studie »Die zwölf Märtyrer von Smyrna und der Tod des Bischofs Polykarp« die Ignatiusbriefe − eben auch, weil hier das »verrätherische Losungswort« ›katholische Kirche‹ begegnet und weil sie »das Ende der Marc Aurelschen Verfolgung« voraussetzen, in die Zeit nach 180, den Anonymus, wie schon mitgeteilt, ins Jahr 193 und das Martyrium Polycarpi wegen des auffallend reichlichen Gebrauchs des Titels ›katholisch‹ (und aus anderen, hier nicht zu referierenden Gründen) um 250. Er betrachtet als »fixen Punkt der definitiven Entstehung des Namens«, der inhaltlich schon durch Polykarp und bei Justin vorbereitet sei und für den sich »erste sichere Anzeichen« in dem »zwischen 175–192« geschriebenen Werk des Irenäus, der »nie den direkten Ausdruck« hat, fänden, »die Zeit des Kaisers Commodus (180–192)«.40 Seine Deutung, die auf der Grundlage des erstmals ziemlich umfassend gesammelten Materials erfolgt, sei hier zitiert, weil sie ein bemerkenswertes Urteil enthält: »Dieser Name (sc. ›katholische Kirche‹) ist ein wirklicher Kampf- und Friedensruf der Kirche geworden auf der Neige des 2. Jahrhunderts, als die Kirche sich entschloss, in der allgemeinen Verwirrung, welche besonders die Gnosis herbeigeführt, gegenüber allen Scheidewänden der einzelnen Kirchen, selbst der grundsätzlichsten der Pauliner und Judaisten, ein allgemeines Einverständnis auf Grundlage der Apostel Petrus und Paulus, sowie ihrer ordnungsmässigen Nachfolger, der Bischöfe, über die ganze Kirche hin aufzurichten.«41 Keim sieht also in diesem Ausdruck − was zunächst widersprüchlich zu sein scheint − eine polemische und zugleich eine pazifistische Intention vereint: polemische Abgrenzung gegen die Gnosis und einigende Überwindung der zwischen den Kirchen offenbar bereits bestehenden Grenzen (»ein allgemeines« = katholisches »Einverständnis«) durch den Rückgriff auf die volle apostolische (petrinische und paulinische) Tradition und die Sukzession 39
Zahn 1873, 428. Keim 1878, 114–116. 41 Keim 1878, 114. 40
IV. Zur Forschungsgeschichte
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der Bischöfe, die als Nachfolger der Apostel die Einheit der Kirche allerorten in der Ökumene garantieren, der Kirche, »die überall und doch Eine ist«, wie Keim auch formuliert.42 Welches der genannten Momente − Polemik und Einheitsstreben − den Begriff hervorgebracht hat, ob beide zugleich am Werk waren, oder erstlich nur eines, und das zweite, der Gedanke der allumfassenden Einheit, später hinzugetreten ist, darüber erklärt sich Keim nicht weiter, das wird aber noch zu prüfen sein. Wichtig ist die Einsicht, daß das Wort ›katholisch‹ das Element der antignostischen Polemik enthält, die Keim bei den Wegbereitern des Begriffs: Polykarp, Justin, Irenaeus feststellt.43 Merkwürdigerweise schlägt sich diese Einsicht jedoch nicht in der Interpretation des Martyrium Polycarpi nieder. Die Stelle im Smyrnäerbrief des Ignatius (Text 5) läßt Keim unübersetzt und gibt die Passage aus dem Anonymus (Text 6) mit den Worten: »die allgemeine und ganze Kirche unter dem Himmel« wieder.44 In der Art und Weise jedoch, wie der Begriff ›katholische Kirche‹ im Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3) gebraucht wird, wo Polykarp als »apostolischer und prophetischer Lehrer und Bischof der katholischen Kirche in Smyrna« gefeiert wird, findet Keim nicht mehr den allgemeinen, »über alle einzelnen Gemeinden zum Ganzen der Weltkirche« übergreifenden Gedanken ausgedrückt, sondern sieht darin einen »Ehrennamen« der Kirche in Smyrna.45 (Es ist nicht klar erkennbar, ob Keim auch die übrigen Vorkommen des Begriffs im Martyrium Polycarpi in diesem Sinne verstanden wissen will.) Er konstatiert hier »eine Zurückwendung des Allgemeinbegriffs zum Einzelbegriff«, für die es weder zu Polykarps Zeit noch »überhaupt sonst« ein Beispiel gebe, und setzt deswegen das Martyrium Polycarpi in eine spätere Zeit, in welcher der Titel sich mehr eingebürgert habe und als Ehrenbezeichnung verwendbar war.46 Das sind gewiß anfechtbare Behauptungen. J. B. Lightfoot, der versucht hat, die Echtheit der sieben Ignatianen zu erweisen und die Eusebianische Chronologie (also die Abfassung der Briefe in den Jahren 100–118) zu bestätigen, erörtert an drei Stellen seines monumentalen Werkes The Apostolic Fathers ausführlich die Problematik des Begriffs ›katholische Kirche‹.47 Seine Erklärungen bleiben grundsätzlich gleich. Er unterscheidet zwei Hauptbedeutungen des Epitheton ›katholisch‹. In den frühesten Vorkommen bedeute es ›universal‹, also allgemein, universal, umfassend, im Gegensatz zu ›individuell‹, ›partikulär‹. An den späteren Stellen bedeute es 42
Keim 1878, 114. Vgl. Keim 1878, 114 f. 44 Keim 1878, 115. 45 Keim 1878, 116. 46 Keim 1878, 116 f. 47 Lightfoot 1889; zum Begriff ›katholische Kirche‹ vgl. ebd. II/1, 413–415 (innerhalb des Kapitels über »the genuineness« der Ignatianen); II/1, 621–623 (in Auseinandersetzung mit Th. Keim über die Entstehungzeit des Martyrium Polycarpi); II/2, 310–312 (in der Fußnote zu IgnSm 8, 2). Soweit nicht eigens vermerkt, finden sich die Belege für das folgende Referat auf den angegebenen Seiten. 43
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Rechtgläubigkeit und Einheit im Gegensatz zu Häresie und Dissens, wobei diese zweite, spätere Bedeutung aus der früheren erwachse. In der ersten, allgemeinen Bedeutung könnte der Ausdruck zu allen Zeiten Vorkommen, weil die Kirche von Anfang an als Eine verstanden worden sei. Die ältesten Belege für die erste Bedeutung seien Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 (Text 5) und danach im circa 155 oder etwas später geschriebenen Martyrium Polycarpi die Stellen Inscriptio, 8, 1 und 19, 2 (Texte 1, 2 und 4). Im Smyrnäerbrief werde die katholische, das heißt die allgemeine oder universale Kirche, über die Christus präsidiert, der partikulären Gemeinde, über die Polykarp präsidiert, gegenübergestellt. Lightfoot verweist hier zustimmend auf die oben referierte Interpretation Zahns.48 Entsprechend sei der Sinn an den genannten Stellen des Martyrium Polycarpi: überall hier bedeute ›katholisch‹ noch ›universal‹, allein die Idee der Ausbreitung in Einheit sei da vorhanden, eine Erwähnung von Häretikern oder häretischen Gemeinschaften gebe es hier so wenig wie im gesamten Dokument.49 Das früheste Beispiel für die zweite, in jedem Fall spätere, weil eine antihäretische Abgrenzung implizierende Bedeutung sei Martyrium Polycarpi 16, 2 in der oben zitierten Fassung (Text 3). Im Gegensatz zu allen anderen Stellen dieses Martyriumsberichts und zu Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 bezeichne das Wort ›katholisch‹ hier die Gemeinde, über die Polykarp Bischof ist, nicht mehr die universale, allumfassende Kirche. In dieser späteren Bedeutung kennzeichne das Wort ›katholisch‹ eine christliche Gemeinde in einer bestimmten Stadt oder in einem bestimmten Distrikt im Unterschied zum Beispiel zu »einer gnostischen oder ebjonitischen Gemeinde« am selben Ort. Weil Lightfoot diese Bedeutung in Martyrium Polycarpi 16, 2 für einen Anachronismus hält, tilgt er, einer schwachen Handschriftenüberlieferung folgend, hier den Terminus ›katholisch‹ und ersetzt ihn durch ›heilig‹.50 Lightfoot sieht also sehr wohl, daß der Begriff ›katholisch‹ ein polemisches, abgrenzendes Element enthält, wie das schon Keim erklärt hatte. Aber anders als Keim hält er mit großer Bestimmtheit allein den Gedanken der allumfassenden Einheit, Universalität für den ursprünglichen Inhalt (»the archaic sense«) des Wortes ›katholisch‹, so daß er damit einen Hinweis auf die frühe Abfassung der Ignatianen gewinnt.51 Die polemische Bedeutung dagegen erwachse sehr viel später aus der ersten − deutliche Belege dafür findet Lightfoot erst im Muratorischen Fragment, bei Clemens von Alexandria und im Martyrium Pionii.52 Daß Th. Zahn nicht nur in Martyrium Polycarpi 16 (Text 3), sondern ebenso in der Inscriptio (Text 1) mit dem Prädikat ›katholisch‹ die rechtgläubige Ortsgemeinde 48
Siehe Lightfoot 1889, II/2, 310. Vgl. Lightfoot 1889, II/1, 622: Die Erwähnung des »Phrygiers« in §4 habe nichts mit dem Montanismus zu tun. 50 Siehe die Edition des Martyrium Polycarpi in Lightfoot 1889, II/3, 392 f.; vgl. II/1, 413; II/1, 622 f.; II/2, 311. 51 Lightfoot 1889, II/1, 415. 52 Lightfoot 1889, II/1, 413; II/1, 62 f.; II/2, 311. Zum Martyrium Pionii s. u. Anm. 85. 49
IV. Zur Forschungsgeschichte
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im Gegensatz zu den häretischen Konventikeln bezeichnet sah, übergeht Lightfoot mit Stillschweigen, sei es daß er diese Meinung übersehen hat, sei es daß er eine Widerlegung für überflüssig hielt. In diesem Punkte hat A. Harnack sehr entschieden geurteilt. In einer Besprechung des Werkes von Lightfoot schließt er sich dessen (und Zahns) Interpretation von Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 (Text 5) an; die Bedeutung rechtgläubig‹ des Begriffs ›katholisch‹ sei erst »eine lange Weile nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts in Gebrauch gekommen«. Weil nun in Martyrium Polycarpi 16 (Text 3) ›katholisch‹ evidentermaßen ›rechtgläubig‹ bedeute, alle Stellen aber in diesem selben Sinne zu verstehen seien (sonst ergäben sich Tautologien), hält es Harnack für sehr wahrscheinlich, daß ›katholisch‹ nicht − wie es Lightfoot sah − nur in Kapitel 16, sondern an allen vier Stellen des Martyrium Polycarpi in späterer Zeit entweder an die Stelle von ›heilig‹ gesetzt oder interpoliert worden sei.53 Diese Entscheidungen Lightfoots und Harnacks haben freilich der Kritik nicht standgehalten. An allen vier Stellen des Martyrium Polycarpi gilt das Wort ›katholisch‹ heute als ursprünglich.54 F. Kattenbusch befaßt sich innerhalb des 11. Kapitels des zweiten im Jahre 1900 erschienenen Bandes über das »Apostolische Symbol« mit der Bedeutung unseres Begriffs an den Stellen seines frühesten Vorkommens. Nach seiner Chronologie sind das Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2 (wahrscheinlich aus der Zeit Trajans circa 110),55 das Martyrium Polycarpi (um 155 datiert)56 und der »noch im 2. Jahrhundert« schreibende Anonymus antimontanista.57 Insgesamt gilt ihm, daß »die Selbstbezeichung der Kirche als καϑολικη´ zunächst nicht apologetisch, auch nicht polemisch«, sondern »einfach thetisch- r e 1 i g i ö s « ist.58 So hält er im Blick auf den Smyrnäerbrief 8, 2 (Text 5) die Deutung Zahns für möglich, sieht darin also keine polemische Abgrenzung gegen häretische Konventikel, meint aber doch, daß vom Kontext her »καϑολικη´ noch eine spezielle Pointe« habe. »Katholische« Kirche sei hier so viel wie »die einzige, alleinige«, die »rechte« Kirche, und die sei »nur« da, »wo Christus bez. . . . der Bischof ist, der Gott in Christo vertritt«.59 Mir scheint das durchaus richtig gesehen zu sein, allerdings ist damit − entgegen der Auffassung von Kattenbusch − eben doch eine abgrenzend polemische Note im Begriff ›katholisch‹ festgestellt. Auch in dem Prädikat ›katholisch‹ innerhalb der Inscriptio des Martyrium Polycarpi (Text 1) erkennt er − anders als Zahn − nicht »eine Pointe gegen die 53
Siehe (von) Harnack 1885, 401–414, hier 410 f.; vgl. (von) Harnack 1909, 406 Anm. 3; 407 Anm. 2. 54 Gegen die Thesen Lightfoots und Harnacks Funk 1901, I, 334 f.; ebenso Leclercq 1910, hier 2625 f.; Garciadiego 1953, 10 f; 129. Vgl. auch den kurzen, aber genauen Forschungsbericht bei Dehandschutter 1979, 102 f.; vgl. Buschmann 1998, 311; 319. 55 Siehe Kattenbusch 1900, 319. 56 Vgl. Kattenbusch 1900, 923. 57 Kattenbusch 1900, 924. 58 Kattenbusch 1900, 925 Anm. 101 (Hervorhebung Kattenbusch). 59 Kattenbusch 1900, 922.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
ecclesiolae haereticorum«, sondern versteht »καϑολικη´ hier wie einen Exponenten von α῾γι´α«. Die dann folgende Erläuterung zeugt von einem eindringlichen Blick: »die ε᾽κκλησι´α war die von Gott für alle bestimmte, im Glauben für alle zugängliche Heilsgemeinde: καϑολικη´ = quae o m n i b u s patet«. Und noch einmal: »Die καϑολικη` ε᾽κκλησι´α ist für alle da und sie ist die Gemeinde ›aller‹, die α῞γοι sind im Himmel und auf Erden«. Und Kattenbusch fügt hinzu: »Ich ziehe hier etwa als Parallele heran die Stelle von der πι´στις als μι´α καϑολικη` τη ῀ ς α᾽νϑρωπο´τητος σωτηρι´α, Clemens Paedag. I, 6.«60 In der Tat scheint hier Kattenbusch, auch mit der Heranziehung der Clemens-Parallele, in der Hauptsache das Richtige getroffen zu haben. Wenn man diese Deutung von ›katholisch‹ − ungeachtet der Einschätzung Kattenbuschs − mit der Einsicht Keims verbindet, wonach das Wort zugleich eine polemische Abgrenzung gegen die Gnosis anzeigt, dann könnte das auf den Ursprung des Begriffs führen: ›katholisch‹ ist jene Kirche, die das Heil allen, nicht nur bestimmten Auserwählten (zum Beispiel den gnostischen Pneumatikern) garantieren kann. Den Gegensatz zur Häresie (nicht ausdrücklich zur Gnosis) im Sinn von ›rechtgläubig‹ hält Kattenbusch dagegen für das Prädikat ›katholisch‹ in Martyrium Polycarpi 8, 1 (Text 2) für »nicht unmöglich«, meint jedoch, daß diese »antithetisch(e)«, also polemische Note erst »nachträglich« zum ursprünglich »einfach thetisch(en)« Ehrenprädikat: Kirche »für alle« hinzugekommen sei.61 Man wird dagegen festhalten müssen − was ja auch Kattenbusch irgendwie gesehen hat − daß die antithetische Pointe von Anfang an in dem Wort ›katholisch‹ steckt, und man wird fragen müssen, wie wahrscheinlich es ist, daß in ein und demselben Text, in dem das Prädikat ›katholisch‹ − offenkundig höchst absichtsvoll − viermal der Kirche gegeben wird, die polemische Note nur ein einziges Mal zum Vorschein komme. Sollte der Verfasser den Titel nicht vielmehr überall im selben Sinne verwendet haben? Aber Kattenbusch findet die polemische Note an den übrigen Stellen nicht, auch nicht Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3)62, wo sie doch für Zahn und Lightfoot deutlich war, für Lightfoot in solchem Maße, daß er das Wort tilgte, um allerorts eine einheitliche Bedeutung feststellen zu können.
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Kattenbusch 1900, 923 (Hervorhebung Kattenbusch). Kattenbusch 1900, 923. Kattenbusch teilt hierin also die oben referierte Auffassung von Lightfoot, der allerdings eine antihäretische Note nur in Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3), keineswegs in Martyrium Polycarpi 8, 1 (Text 2) gefunden hatte. Aber Kattenbusch hat diese Stelle besser beurteilt. Weniger befriedigend ist die Interpretation des Titels ›katholisch‹ in Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3) im Sinne einer solennen Selbstbezeichnung der auf ihren Bischof stolzen Gemeinde. In Martyrium Polycarpi 19, 2 (Text 4) wird der Titel (etwas unsicher und deswegen nicht weiterführend) als »ehrende Bezeichnung« der einen selben Kirche »in aller Welt« und »für alle Welt« gedeutet. In diesem Sinne wird auch der Anonymus (Text 6) ausgelegt (Kattenbusch 1900, 924). 62 Siehe Anm. 61. 61
V. Bedeutung und Funktion des Begriffs in den frühesten Quellen
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Halten wir von den referierten Interpretationen fest, daß Keim in dem Begriff ›katholische Kirche‹, der für ihn erstmals in dem wenig nach 180 angesetzten ignatianischen Smyrnäerbrief 8, 2 (Text 5) begegnet, auch einen polemischen, gegen die Gnosis gerichteten Ton mithört. Diese antihäretische Pointe vernehmen dagegen Zahn, Lightfoot, Harnack und Kattenbusch nicht schon in der von ihnen übereinstimmend in die Zeit um 110 (oder wenig später) datierten Ignatiusstelle, sondern erst circa 40–50 Jahre später im Martyrium Polycarpi, erstaunlicherweise jedoch nicht durchweg an allen vier und nicht durchweg an denselben Stellen: vielmehr Zahn in der Inscriptio und Kapitel 16, Lightfoot lediglich in Kapitel 16, Harnack dagegen an allen Stellen, Kattenbusch wiederum nur in Kapitel 8. Die Unausgeglichenheit läßt darauf schließen, daß die Interpretationen dieser namhaften Gelehrten nicht fehlerfrei sind. Festzuhalten ist auch die Auffassung Kattenbuschs, daß das Attribut ›katholisch‹ positiv das alle umfassende Heilsangebot der Kirche anzeigt. Spätere Autoren haben ihre Position in dieser Sache weitgehend nach Zahn und/oder Lightfoot ausgerichtet; gelegentlich wird auch Kattenbuschs gedacht. In der Regel folgt man den vorliegenden Deutungen, ohne einen Ausgleich zwischen den eben aufgeführten Differenzen herzustellen.63 Neue Auslegungen sind nur ausnahmsweise anzutreffen.64 Keims Beobachtungen haben nur vereinzelt Anklang gefunden. Wo der Versuch gemacht wurde, seine Einsichten zu berücksichtigen und in die grundsätzlich von Zahn und Lightfoot bestimmten Deutungen zu integrieren, ergab sich ein nicht mehr klar definierbares Bedeutungsgemisch.65
V. Aus dem kurzen Überblick über die Forschungsgeschichte ist ersichtlich, daß eine Erklärung der ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ nur als Hypothese formuliert werden kann. Unsere Quellen sind zu spärlich und zu umstritten, als daß man zu einem unanfechtbaren Ergebnis kommen könnte. Aber wenn es gelingen sollte, eine Hypothese zu bilden, welche die Daten zwanglos zu einer einsichtigen Theorie verbindet, dann kann man dieser 63 So etwa, natürlich mit jeweils individuellen leichten Variationen Uhlhorn 1901, hier 54; Pfleiderer 1902, II, 250 f.; Loofs 1906, 130; Seeberg 1908, 184 f.; Bauer 1920, 270 f., in der Sache unverändert in der zweiten, von H. Paulsen bearbeiteten Auflage 1985, 96 f.; Tixeront 1924, 132 f.; Bethune-Baker 1933, 358; Fischer (in: SUC I, 1956, 211 Anm. 50 zu Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 8, 2; Kelly 1971, hier 10–12; Schoedel 1985, 243 f.; Staats 1986, hier 252; Steinacker 1989, hier 73; H. J. Vogt 1999 b geht auf die Frage nach dem Aufkommen und der Bedeutung des Begriffs nicht ein. 64 Die Interpretationen von Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 8, 2, in Garciadiego 1953, Beinert 1964 und Stockmeier 1973, die hier zu nennen sind, werden weiter unten erörtert. 65 Vgl. Buschmann 1998, 70 f.; 165 f.; 319 f.; 353; seine Ausführungen zur Sache sind etwas schwankend und teilweise nicht ganz widerspruchsfrei.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Hypothese einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit zusprechen als den bisherigen, durchaus nicht übereinstimmenden Meinungen. Dazu nun. Wie oben begründet, wird hier das Martyrium Polycarpi als der älteste Text betrachtet, in dem das Attribut ›katholisch‹ der Kirche gegeben wird. Der Ver* fasser Marcion (Kapitel 20) verwendet es viermal, und zwar an den herausgehobenen Stellen des Briefes: am Anfang in der Adresse und am Ende, wo er die Summe seiner Darstellung zieht (Kapitel 19), dazwischen auf dem ersten Höhepunkt, bei der Wiedergabe des Gebetes des gefangenen Polykarp (Kapitel 8), und, auf einem zweiten Höhepunkt, beim Preis des Bischofs, der das Martyrium vollendet hat (Kapitel 16). Das heißt doch, das Wort wird nicht etwa beiläufig gebraucht, sondern ganz bewußt eingesetzt, und es muß eine Bedeutung haben, auf die es dem Verfasser ankommt und die seine Adressaten (in aller Welt!) kennen, und dann kann diese Bedeutung an allen Stellen nur eine sein. Hier muß man denen Recht geben, die so geurteilt haben. Wenn diese Bedeutung (wenigstens potentiell in der ganzen Welt) allen Kirchen bekannt ist, ergibt sich daraus, daß der Verfasser den Ausdruck nicht selbst erfunden hat, sondern ein geprägtes Wort benutzt. Aber der geballte Einsatz des Wortes ›katholisch‹ könnte anzeigen, daß die Prägung noch nicht sehr lange im Umlauf war und daß der Verfasser gerade bemüht ist, sie verstärkt in Umlauf zu bringen 48 und bekannt zu machen, wozu sich ein Martyri umsbericht an alle Gemeinden der katholischen Kirche allerorts in der Ökumene natürlich hervorragend eignet. Ist das so, dann könnte die Wortprägung noch nicht allzu lange zurückliegen, sie könnte sogar im Raume Smyrna erfolgt sein, und sie könnte − direkt oder indirekt − etwas mit dem Bischof Polykarp zu tun haben. (Zweimal fällt der Terminus in engem Zusammenhang mit ihm!) Es ist jedenfalls davon auszugehen, daß die Wortbildung an einem konkreten Ort und aus einem konkreten Anlaß erfolgte, also nicht, wie das Lightfoot und andere meinten, zu jeder beliebigen Zeit hätte entstehen können. Diese Vermutungen − viel mehr als das ist nicht vorgetragen worden − lassen sich, wenigstens in gewissem Umfang, durch eine nähere Betrachtung der Quellenbelege in Wahrscheinlichkeiten verwandeln. Auszugehen ist von der Stelle, an der sich nach Auffassung fast aller Autoren die Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ am genauesten angeben läßt: Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3). Hier wird Polykarp nach vollendetem Martyrium als »apostolischer und prophetischer Lehrer und Bischof der katholischen Kirche in Smyrna« gepriesen. »In Smyrna« heißt es, nicht »von Smyrna«. Es gibt demnach in dieser Stadt nicht nur eine christliche Gemeinde, vielmehr gibt es neben der »katholischen Gemeinde«, deren Bischof Polykarp ist, wenigstens noch eine andere, die nicht »katholisch« ist und gegen die sich die »katholische« Kirchengemeinde mit dieser Selbstbezeichnung abgrenzt. Daß derartige gespaltene Gemeindeverhältnisse unter den Christen in Smyrna herrschen, läßt sich möglicherweise auch aus der Adresse des Briefes Polykarps an die Philipper erkennen. Sie lautet: Πολυ´καρπος και` οι῾ συ`ν αυ᾽τω ῀ͺ πρεσ-
V. Bedeutung und Funktion des Begriffs in den frühesten Quellen
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βυ´τεροι. Das wird man mit W. Bauer übersetzen müssen: »Polykarp und die bei ihm befindlichen, das heißt auf seiner Seite stehenden Presbyter«.66 Das könnte auch schon heißen: »Polykarp und die Presbyter, die zu seiner Gemeinde, der 49 katholischen Kirche in Smyrna, zählen«. Im Lichte von Martyrium Polycarpi 16, 2 gewinnt diese Deutung erheblich an Wahrscheinlichkeit. Zum ersten Male in der christlichen Literatur wird in Martyrium Polycarpi * 16, 2 einem einzigen in der Gemeinde der Bischofstitel verliehen,67 und dies zugleich mit der Charakterisierung der Gemeinde, für die er Bischof ist, als 66 Bauer 1964, 74. W. Bauer korrigiert an dieser Stelle seine Übersetzung im Ergänzungsband des Handbuchs zum Neuen Testament (1920), 285: »Polykarp und die Presbyter mit ihm«. H. von Campenhausen 1963, 234, hat sich gegen diese Interpretation W. Bauers gewandt, allerdings ohne durchschlagende Gründe dagegen anführen zu können. Er übersetzt: »Polykarp und die Presbyter, die es mit ihm sind« und versteht diese Wendung so, daß Polykarp sich bescheiden als ›Mitpresbyter‹ unter seinen Kollegen begreife: »Polykarp will also nicht als das Haupt seines Presbyteriums gelten, sondern nur als primus inter pares, obwohl an seiner wirklichen, monarchischen Führerstellung schon aufgrund der Ignatiusbriefe gar nicht zu zweifeln ist.« Diese Übersetzung und Deutung hat H. Paulsen 1985 in der von ihm bearbeiteten Neuauflage des Bauerschen Kommentars, HNT 18, 113, übernommen und erklärt, ein Verständnis Polykarps als Presbyter widerspreche »nicht der Inanspruchnahme des Bischofstitels durch Pol.« − Dazu zwei Bemerkungen: 1. Weder beansprucht Polykarp irgendwo den Bischofstitel (siehe folgende Anmerkung), noch ist seine monarchische Führerstellung belegbar, wenn man die ca. 30 Jahre später verfaßten Schriften des sogenannten Ignatius und des Irenaeus beiseite läßt, wie es methodische Klarheit erfordert. Erkennt man das an, dann verschwindet auch die Spannung, die durch die gezwungenen Interpretationen von Campenhausens und Paulsens entsteht, Polykarp sei monarchischer Bischof, lasse davon aber aus Bescheidenheit nichts erkennen und zeige − obwohl genauso wie Ignatius mit dem Kampf gegen die doketische Gnosis beschäftigt (vgl. von Campenhausen 1963, 236 f.) − keinerlei Interesse, den monarchischen Episkopat herauszustellen oder gar zu befestigen. 2. Wenn man Polykarp als (ersten) Presbyter versteht, so ist damit keineswegs die oben referierte Deutung der Adresse des Philipperbriefes durch W. Bauer ausgeschlossen. 67 Polykarp bezeichnet sich in seinem Brief an die Philipper nicht als Bischof, er nennt weder in der Adresse noch im Briefcorpus einen epı´skopos, vielmehr rangieren die Presbyter an erster Stelle als Leitungsinstanz (vgl. Polykarp, Ep. ad Philippenses 5, 3; 6, 1; 11, 1 [248, 24 f.; 248, 27–250, 2; 252, 20–22 Lindemann/Paulsen]). Martyrium Polycarpi 16, 2 ist, wie gesagt, die literarisch älteste Stelle, an der ein einziger in der Gemeinde als Bischof tituliert wird, und zwar so zurückhaltend, daß man noch das Anfanghafte dieser Übung zu spüren meint. Polykarp wird zuerst als »apostolischer und prophetischer Lehrer« gekennzeichnet, die Bischofsbezeichnung wird angehängt, scheint also gerade erst titular − im Sinne des Monepiskopos − verwendet zu werden, nicht aber schon lange ein gebräuchlicher Titel zu sein. Grundsätzlich ließe sich auch Martyrium Polycarpi 16, 2 so verstehen, daß Polykarp nicht der einzige epı´skopos in der katholischen Gemeinde ist, sondern auch andere Presbyter so bezeichnet werden können. Doch die aus der oben zitierten Briefadresse erkennbare herausragende Stellung Polykarps scheint mir dafür zu sprechen, daß in Martyrium Polycarpi 16, 2 ihm allein − vielleicht erst nach seinem Tode − der Titel zuerkannt wird. − Zum Problem der Interpretation von Polykarp, Ep. ad Philippenses, Inscriptio siehe auch die Ausführungen von Joly 1979, 79–81. − E. Schwartz 1909, CCXXV, stellt bei seiner Untersuchung der Bischofslisten fest, »daß vor Soter ein monarchischer Episkopat in Rom nicht vorhanden war.« Die Verhältnisse in Rom und Smyrna waren demnach ähnlich weit gediehen.
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»katholisch«: Das Aufkommen des Monepiskopats und die Katholizität der Kirche scheinen miteinander zusammenzuhängen. Dem aber, dem dieser Bischofstitel der katholischen Kirche zuerkannt wird, werden zugleich, genauer zuvörderst, die drei geistgewirkten Charismen zugeschrieben, die nach dem Ersten Korintherbrief (12, 28–29) die ersten in der Kirche sind: Apostolat, Prophetie, Lehre. Auch das scheint doch für die Charakterisierung des ersten so getitelten Bischofs einer katholischen Kirche von Bedeutung zu sein: ›katholisch‹ ist die Kirche, deren Bischof die ersten Dienste der Paulinischen Gemeinde fortsetzt, die apostolische Lehre und prophetische Rede.68 Gegen wen aber grenzt sich die von einem solchen geistbegabten, charismatischen Bischof geleitete katholische Kirche ab? Hier sind, wie teilweise schon berichtet, von den Forschern, die das polemische Element im Begriff ›katholisch‹ erkannt haben, verschiedene Vorschläge gemacht worden, die natürlich auch von den Datierungsfragen beeinflußt sind. Th. Keim verwies für die Textbelege des Endes des zweiten Jahrhunderts (das sind für ihn Ignatius, Epistula ad Smyrnaeos 8, 2, und der Anonymus, nicht Martyrium Polycarpi ) vor allem auf die gnostischen Konventikel. J. B. Lightfoot nannte als Beispiele »eine gnostische oder ebjonitische Gemeinde«, von der sich die »katholische Kirche« der späteren Zeit, nicht schon der Zeit des Martyrium Polycarpi, absetze. J. N. D. Kelly meint dagegen, daß schon im Martyrium Polycarpi 16, 2 »möglicherweise aus Anhängern von Marcion und Valentinian« (sicher verse hentlich für Valentinus) zusammengesetzte Gemeinden angezeigt seien, von denen sich die »katholische Kirche« unterscheide.69 G. Buschmann schließlich erklärt in seinem Kommentar, daß das Wort ›katholisch‹ in Kapitel 16, 2 − anders als in der Inscriptio und Kapitel 8, 1 sowie im ignatianischen Smyrnäerbrief 8, 2, wo es »universal«, »allgemein«, »im geographischen Sinne« bedeute, − »hier zum ersten Mal« im Sinne von »orthodox« »im Gegensatz zu häretischen Gruppen« gebraucht werde: »Der Übergang von der geographischen zur dogmatischen Bedeutung des Begriffs ›katholisch‹ scheint also in der zweiten Hälfte des zweiten Jhdts. vollzogen und könnte nach Mart(yrium) Pol(ycarpi) im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Montanismus stehen.« Die »antimontanistisch-polemische Intention« sei in Martyrium Polycarpi 4 und 12 deutlich und werde in 16, 2 mit dem Preis des bewunderungswürdigen Märtyrers und »den Begriffen apostolisch, katholisch, prophetisch und Bischof« wieder aufgenommen. Daß diese Begriffe antimontanistisch eingesetzt würden, versucht Buschmann noch weiter zu belegen.70 68 Seltsamerweise findet sich kein Hinweis auf 1 Kor 12, 28 in dem langen Kommentar Buschmanns zu Martyrium Polycarpi 16, 2 (Buschmann 1998, 316–322). 69 Keim 1878, 114–116; Lightfoot 1889, II/1, 414; Kelly 1971, 12 f. 70 Buschmann 1998, 319 f., verweist darauf, daß schon R. Reitzenstein »einen polemisch-antimontanistischen Klang aus Martyrium Polycarpi 16, 2 herausgehört« habe. Reitzenstein 1916, 461, schreibt zu dieser Stelle, es sei auffallend, daß in »16, 2 so nachdrücklich darauf hingewiesen« werde, »daß Polykarp nicht nur Märtyrer, sondern auch Prophet war«, und er folgert: »Ich fühle hier eine Polemik gegen den beginnenden Montanismus,
VI. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Montanisten und Markioniten?
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VI. Gnostiker, genauer: Valentinianer, Ebjoniten, Marcioniten oder Montanisten könnten es nach den referierten Meinungen der Forscher gewesen sein, gegen welche sich eine christliche Gemeinde mit der Selbstbezeichnung ›katholische Kirche‹ frühestens nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts abgrenzte. Welche Gruppe war es nun konkret? Die Entscheidung darüber wird erfolgen müssen unter Berücksichtigung der Wortbedeutung und des zeitlichen Kontextes. Was den chronologischen Faktor betrifft, ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Zeit, in der der Ausdruck ›katholische Kirche‹ entstanden ist, und der Zeit seines ersten literarischen Vorkommens. Mit dem literarisch ältesten Beleg ist nicht automatisch auch schon die historische Situation gegeben, aus der die ursprüngliche Bedeutung des Terminus erkennbar werden könnte. Der Verfasser des Martyrium Polycarpi kann sich mit dem Begriff ›katholische Kirche‹ gegenüber anderen christlichen Gemeinden absetzen wollen als der voraufgegangene Urheber der Begriffsbildung. Andererseits ist die Prägung des Begriffs, wie schon gesagt, vielleicht noch nicht allzu lange vor seiner ersten überlieferten literarischen Verwendung erfolgt, so daß der historische Kontext nicht völlig verändert sein muß. Zuerst sei die Frage gestellt, gegen welche christliche Gruppe sich der Verfasser des Martyrium Polycarpi um 160 herum absetzen könnte. Die von J. B. Lightfoot − lediglich beispielhaft − genannten Ebjoniten scheiden ziemlich sicher aus. Sie spielen in dem Bericht keine Rolle. Wie steht es mit den Montanisten, die G. Buschmann ins Spiel gebracht hat? Es ist besonders das kurze Kapitel 4, das zur antimontanistischen Deutung des Martyrium Polycarpi Anlaß gegeben hat. Darin wird berichtet, daß ein Phrygier namens Quintus, der erst kürzlich aus Phrygien (dem Stammland des Montanismus) gekommen sei, sich selbst und andere freiwillig zum Martyrium gedrängt habe (ein für spätere Montanisten kennzeichnendes Verhalten),71 aber feige wurde und opferte, als er die wilden Bestien erblickte. Der Verfasser des Berichtes tadelt in nahezu autoritativem Ton diese Handlungsweise, weil sie nicht der Lehre des Evangeliums entspreche. Buschmann sieht (keineswegs als einziger) in diesem Abschnitt »die früheste literarische Bezeugung des Montanismus«,72 sogar den »polemische(n) Schlüssel zum ganzen Martyrium) Pol(ycarpi)«,73 und kann dafür gewichtige Gründe anführen.74 Andere Autoren sind zuder den Propheten und Märtyrer sich direkt als Paraklet oder Christus bezeichnen läßt.« Reitzensteins Vermutung einer antimontanistischen Spitze ist demnach durch die Betonung des Prophetentums Polykarps in 16, 2 veranlaßt, ist aber nicht eine Erklärung des Begriffs ›katholisch‹. 71 Vgl. dazu Buschmann 1994, 153–160; eine ausgewogene Bilanz bei Trevett 1996, 121–129. 72 Buschmann 1998, 122. 73 Buschmann 1998, 120. 74 Vgl. Buschmann 1998, 122–129, zugleich in Auseinandersetzung mit der umfangreichen vorangehenden Literatur.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
rückhaltender, sei es, weil sie die antimontanistische Interpretation nicht für zwingend halten,75 sei es, weil sich eine spätere Interpolation dieses Abschnitts nicht absolut sicher ausschließen läßt.76 Wie dem auch sei, auch wenn man Buschmanns These folgt, sind wir mit Kapitel 4 in der Zeit der allerersten Anfänge der Bewegung der Neuen Prophetie, die sich noch völlig innerhalb der Kirchengemeinschaft befindet und sich noch nicht etwa in besonderen, als häretisch betrachteten Gemeinden organisiert hat, so daß sich die sogenannte Großkirche als die ›katholische‹ gegen sie absetzen würde.77 Gerade in Kapitel 4, dem am ehesten antimontanistisch deutbaren Abschnitt, ist von der ›katholischen Kirche‹ nicht die Rede. So wird der Ausdruck auch in Martyrium Polycarpi 16 schwerlich antimontanistisch zu deuten sein, und dar um natürlich auch nicht an den anderen drei Stellen.78 Weder ist der beginnende Montanismus die Ursache für einen von Buschmann − freilich zu Unrecht − angenommenen Übergang des Begriffs zur polemisch-antihäretischen Bedeutung, noch könnte er überhaupt der Anlaß zu seiner Bildung gewesen sein, denn der Verfasser des Martyriumsberichts benutzt ja einen vor dem Aufkommen der Neuen Prophetie schon fest geprägten Ausdruck. Aber auch vom Inhalt des Begriffs ›katholisch‹ im Sinne von ›universal‹, ›all-umfassend‹ im Gegensatz zu ›partiell‹ ergibt sich kein einleuchtender Weg zur Bildung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹. Welches Allumfassende hätte die katholische Kirche welchem Partiellen des Montanismus entgegenzusetzen?
75 Z. B. Dehandschutter 1993, 500; vgl. auch Baumeister 1996, 126. Baumeister sieht von der Chronologie her (noch) keine Schwierigkeiten für eine anti-montanistische Deutung, »da das Wirken des Montanus in der Zeit um 160 begonnen haben kann. Doch hebt der Text wohl eher auf die Fremdheit des Quintus ab, der noch nicht lange in Smyrna war und dort gleich für Unruhe sorgte. Insgesamt behandelt das Schreiben den Martyriumsenthusiasmus nicht im Widerspruch zu einer anderen Gruppe, sondern als Problem innerhalb der Gemeinden der katholischen Kirche.« Entschiedener fällt das Urteil aus in Baumeister 1998, 101: Das »erste prophetische Auftreten des Montanus« wird um 170 angesetzt, und deswegen sei »schon aus Gründen der Chronologie« in Quintus »kaum ein Anhänger des Montanus« zu sehen (ebd. 109). 76 Vgl. Trevett 1996, 41; 47; 124. 77 Siehe Trevett 1996, 41: »If the 170s was the decade of acute confrontation, then the 160s, I suggest, was the decade of the rise of the Prophecy proper«. − H. Kraft 1980, 260 f., vermutet, daß der montanistische Streit erst kurz vor der Abfassung (im Jahr 177) des der Neuen Prophetie gegenüber freundlich gestimmten Martyrium Lugdunense ausgebrochen ist. Erst zu dieser Zeit wird die Zugehörigkeit der Montanisten zur ›katholischen Kirche‹ angefochten. 78 Buschmanns Ausführungen sind nicht ganz schlüssig. Er sieht in der antimontanistischen Ausrichtung des Kapitels 4 den polemischen Schlüssel zum gesamten Bericht (Buschmann 1998, 120), rechnet auch mit einer durch den aufkommenden Montanismus verursachten polemisch-antihäretischen Bedeutung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹, dies jedoch nur in Martyrium Polycarpi 16, nicht an den drei übrigen Stellen, wo die »allgemeine Kirche« »und zwar im geographischen Sinn« gemeint sei; daß auch diese Erklärung unzutreffend ist, hatte schon Kattenbusch 1900, 923; 925, gesehen; ausführlich dazu Garciadiego 1953, 127; 129.
VI. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Montanisten und Markioniten?
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Sollte allerdings das 4. Kapitel des Martyrium Polycarpi doch spätere Interpolation sein,79 oder sollte der gesamte Martyriumsbericht nicht schon um 160, sondern zehn und mehr Jahre später abgefaßt sein,80 dann wäre eine antimontanistische Spitze im viermaligen Gebrauch des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ durchaus möglich. Der einmal zur Abgrenzung gegen eine bestimmte christliche Gruppierung gebildete Begriff läßt sich natürlich auch zur Unterscheidung von anderen nicht mehr akzeptierten Bewegungen verwenden. In diesem Sinne gebraucht den Ausdruck gewiß auch der antimontanistische Anonymus (Text 6), wenn er schreibt, daß »der selbstüberhebliche Geist die katholische und die ganze unter dem Himmel verbreitete Kirche zu lästern lehrte, weil der pseudoprophetische Geist weder Ehre noch Zugang zu ihr erhielt«.81 Der unbekannte Autor schreibt nach allgemeiner Auffassung circa 192/193,82 mehr als dreizehn Jahre nach dem Tod der Prophetin Maximilla, wie er selbst sagt, und zu einer Zeit, als die montanistische Lehre schon mehrfach als Häresie verurteilt worden war und man ihre Anhänger »aus der Kirche ausgestoßen« hatte.83 Er weiß auch von »anderen Häresien, die die Wahrheit nicht besitzen«, und nennt namentlich die der »sogenannten Markianisten«, die »Christus nicht der Wahrheit entsprechend beken nen«.84 Es ist deutlich, daß der Begriff ›katholische Kirche‹ zu dieser Zeit gewissermaßen schon eine Konfession bezeichnet und zur Abgrenzung gegenüber allen bekannten Häretikern und Schismatikern eingesetzt wird.85 Über seine ursprüngliche Bedeutung erfahren wir aus diesem Gebrauch nichts. 79 Kraft 1980, 264, vermutet, daß der Tadel, der in Martyrium Polycarpi 4 gegen das Verhalten des Quintus ausgesprochen wird, ein Reflex auf die lobende Schilderung ähnlichen Verhaltens des Phrygiers Alexandros im Martyrium Lugdunense ist. Dann wäre Kapitel 4 erst nach 178 in den Bericht über das Martyrium des Polykarp eingefügt worden. Butterweck 1995, 112–115, schließt sich der Vermutung von Krafts an. 80 Trevett 1996, 41, hält auch eine spätere Abfassungszeit des Martyrium Polycarpi für möglich. Dehandschutter 1993, 501 f., nimmt als sicheren terminus ante quem die Entstehungszeit des Martyrium Lugdunense, also das Jahr 177 n. Chr., an. − Wenn die Vermutung einer antimontanistischen Spitze zutrifft, würde sehr verständlich, daß der den Montanisten so freundlich gesonnene Irenaeus die Bezeichnung ›katholische Kirche‹ nirgendwo verwendet. 81 Bei Eusebius, Historia ecclesiastica V, 16, 9 (GCS NF VI/1, 464, 7–10 Sch.). 82 Siehe oben Anm. 28. 83 Bei Eusebius, Historia ecclesiastica V, 16, 10. 19 (GCS NF 6/1, 464, 10–14; 468, 3–6 Sch.). 84 Bei Eusebius, Historia ecclesiastica V, 16, 21 (GCS NF VI/1, 468, 16–19 Sch.). 85 Als Abgrenzung der orthodoxen Kirche gegen ein oder mehrere häretische Konventikel am selben Ort versteht Garciadiego 1953, 46; 127–129, das Epitheton ›katholisch‹ an allen Stellen des Martyrium Polycarpi und beim Anonymus antimontanista (Texte 1–4; 6). − Zweifelsfrei konfessionellen Sinn hat der Titel ›katholische Kirche‹ im Martyrium Pionii. Pionius ist, wie auch ein anderer Gefangener, zur Zeit der decischen Verfolgung »Presbyter der katholischen Kirche« in Smyrna (Martyrium Pionii 2, 1; 11, 2 [136, 16; 150, 3 f. Musurillo]). Aus dem Wortlaut des zweimaligen Verhörs ist ersichtlich, daß auch die römischen Behörden von mehreren christlichen Kirchen oder Konfessionen in Smyrna wissen. (Genannt werden vom Verfasser in Kapitel 11, 2 die haı´resis der Phrygier und in Kapitel 21, 5 die der Marcioniten [150, 5; 164, 5 M.].) Im ersten Verhör wird Pionius auf das Bekenntnis
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Könnte der Ausdruck ›katholische Kirche‹ in Opposition zu den Anhängern Marcions gebildet worden sein? Im Martyrium Polycarpi steht er, wie schon gesagt, zweimal (8, 1 und 16, 2) im Zusammenhang mit dem Namen Polykarps, der in seinem Philipperbrief wohl doch gegen Marcion polemisiert hat.86 Dieser hat seine Anhänger auch in einer eigenen Kirche organisiert, gegen die sich die Kirche, die er 144 n. Chr. verlassen hat, als ›katholische‹ absetzen könnte. Vom zeitlichen Ansatz her wäre eine antimarcionitische Bildung des Begriffs durchaus möglich. Schwieriger ist es, einen theologischen Sachverhalt zu finden, der die Verwendung dieser Worte als antimarcionitisch einsichtig machen könnte. Das ›Katholische‹ muß doch, wenn die Begriffsbildung sinnvoll sein soll, in der Kirche ›stecken‹: sie gewährleistet für alle ihre Mitglieder etwas, das die Gruppe, von der sie sich absetzt, eben nicht bietet. In ihr gibt es ein alle umfassendes Angebot − wovon? Von etwas schlechterdings Entscheidendem, von allen Erstrebtem, und das kann nur das Heil, das ewige Leben sein. Die neue Namensgebung kann eigentlich nur durch ein gravierendes Manko im ›Heilsangebot‹ auf der gegnerischen Seite verursacht sein. (Einer unbedeutenden Sache wegen hätte es solch eine grundsätzliche Scheidung nicht gegeben.) Dieses Manko gibt es in der ›katholischen Kirche‹ offenbar nicht: sie bürgt in umfassender, universaler Weise − καϑο´λου − dafür, daß der Zugang zum ewigen Leben allen geöffnet ist. Anscheinend besitzt sie ein Mittel oder ein Vermögen, das ihr diese universale, ›katholische‹ Bürgschaft erlaubt. Nun ist es zweifelsfrei so, daß Marcion denen, die an dem von ihm gerecht und böse genannten Schöpfergott des Alten Testamentes, an seinem Gesetz und Werk, an Ehe und Zeugung festhalten, den Untergang im Endgericht in Aussicht stellt. Die Mehrzahl der Christen schließt er vom ewigen Heil aus. Die ›katholische Kirche‹ dagegen begrenzt die Hoffnung auf das ewige Leben nicht in dieser Weise, sie spricht sie grundsätzlich allen Gläubigen zu. Man könnte demnach annehmen, daß die Bildung des Begriffs ›katholische Kirche‹ in antimarcionitischer Polemik begründet ist. Der Ursprung des Begriffs wäre damit gefunden. Allerdings ist zuzugeben, daß dieser Lösung Schwierigkeiten entgegenstehen. Das Hauptmanko bei Marcion und den Marcioniten, das auch von den Gegnern immer zuerst angeprangert wird, liegt nicht im beschränkten Heilsangebot, sondern in der falschen Gottesauffassung; das begrenzte Heilsangebot ist ja nur eine Konsequenz daraus. Für dieses konzeptionelle Manko hat die ›katholische Kirche‹ aber kein Heilmittel, das die Namensgebung rechtfertigen würde. Auf hin, daß er Christ sei, gefragt: »›Welcher Kirche?‹ (Ποι´ας ε᾽κκλησι´αςͽ) Antwort: ›Der katholischen, es gibt nämlich auch keine andere bei Christus.‹« (Martyrium Pionii 9, 2 [146, 17–20 M.]). Im zweiten Verhör fragt der Prokonsul unmittelbar: »›Welche Religion oder Konfession hast du?‹ (Ποι´αν ϑρησκει´αν η῍ αι῞ρεσιν ε῎χειςͽ) Antwort: ›Der Katholiken.‹ Frage: ›Welcher Katholiken?‹ Antwort: ›Ich bin Presbyter der katholischen Kirche.‹« (Martyrium Pionii 19, 4 f. [160, 23–25 M.]). 86 Siehe zuletzt die umsichtige Diskussion des Marcion-Problems im Philipperbrief des Polykarp bei Lechner 1999, 27–38; 64. − Zum Folgenden vgl. Aland 1992, 93–98.
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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welches in ihrer Verfügung stehende universale Heilsmittel könnte sie verweisen, um die Berechtigung der Hoffnung auf das ewige Leben für alle zu begründen, wenn das Grundübel in der anderen Kirche im verkehrten Gottesbegriff liegt? Dagegen kann sie eigentlich nur Polemik und die Apologie der eigenen Gottesauffassung einsetzen. Wie es von daher zur Bezeichnung ›katholische Kirche‹ gekommen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Auch die Sichtung der Stellen, an denen der scharfe Gegner der Marcioniten Tertullian die Termini ›katholisch‹ und ›katholische Kirche‹ verwendet, erbringt keinen klaren Hinweis auf eine antimarcionitische Bildung. Das Adjektiv catholicus begegnet bei ihm insgesamt achtmal, davon fünfmal in seinen Büchern gegen Marcion und insgesamt viermal in ausdrücklichem oder implizitem Zusammenhang mit ecclesia. Die »katholische Kirche« erscheint bei ihm meist als die Besitzerin und Hüterin der wahren Glaubensregel und Lehre, der auch Marcion und Valentinus in Rom zunächst geglaubt haben;87 sie ist − im Gegensatz zur marcionitischen Kirche − »das wahre und katholische Jerusalem«, weil nachweislich die Prophetien des Alten Testamentes auf Christus, die Apostel und alle Gläubigen gehen, die zu diesem Jerusalem gehören.88 Für Tertullian ist ›katholisch‹ schon deutlich die Bezeichnung für die eine, wahre Kirche (oder Konfession) im Gegensatz zu den häretischen Gemeinschaften. Daß dieser Begriff seinen ersten Einsatz antimarcionitischer Polemik verdanken würde, läßt sich nicht feststellen.
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VII. Nun kann man wegen der spärlichen Quellenzeugnisse auch nicht mit Sicherheit ausschließen, daß es die Grenzziehung gegenüber der marcionitischen Kirche war, die den Titel ›katholische Kirche‹ hervorgebracht hat. Doch gibt es, 87 Vgl. Tertullian, De praescriptione haereticorum 26, 9 (CChr.SL 1, 208, 21–24 Refoule´); Adversus Marcionem IV, 4, 3 (CChr.SL 1, 550, 13–16 Kroymann): »Marcion . . . pecuniam in primo calore fidei catholicae ecclesiae contulit, proiectam mox cum ipso, posteaquam in haeresim suam a nostra veritate desciit.« Vgl. De monogamia 2, 1 (CChr.SL 1, 1230, 6 f. Dekkers), wo von der catholica traditio die Rede ist. De praescriptione haereticorum 30, 2 (CChr.SL 1, 210, 3–5 R.): »constat illos (sc. Marcion und Valentinus) . . . in catholicae primo doctrinam credidisse apud ecclesiam Romanensem sub episcopatu Eleutheri benedicti.« 88 Tertullian, Adversus Marcionem III, 22, 6 (CChr.SL 1, 539, 4 K.): »apud veram et catholicam Hierusalem«. − Von den verbleibenden Stellen betrifft Adversus Marcionem II, 17, 1 (CChr.SL 1, 494, 4 f. K.) den Gottesbegriff: die »universale (catholicae) und höchste Güte« des göttlichen Richters; die beiden anderen sind christologisch: Adversus Marcionem III, 21, 3 (CChr.SL 1, 537, 14–24 K.) gilt Christus als der »universale (catholicum) Tempel Gottes« (das »Haus Gottes« von Jes 2, 2 f.), in dem alle Nationen Gott verehren werden; Adversus Marcionem IV, 9, 9 (CChr.SL 1, 560, 29–31 K.) ist Christus der »universale (catholicus) Priester des Vaters«, durch den die Dankgebete in der Kirche Gott dargebracht werden.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
wie ich schon vor einiger Zeit angedeutet habe, Gründe, die eine antignostische Bildung des Begriffs wenigstens sehr wahrscheinlich machen können.89 Zeit und historische Umstände passen zur gnostischen These; es läßt sich das theologische Manko angeben, welches das Adjektiv ›katholisch‹ schlüssig erklärt; und es lassen sich zeitgenössische Texte nennen, die diese Erklärung stützen. Zunächst zu Zeit und Ort. Die frühesten Belege für den Begriff ›katholische Kirche‹ (Texte 1–6) stammen, wie dargelegt, ziemlich sicher sämtlich aus der Provinz Asia und aus der Zeit zwischen circa 160 und 190. Innerhalb dieses Zeitraums haben Gnostiker, nach dem Zeugnis des Irenaeus besonders der Valentinus-Schüler Marcus (Magus) und dessen Jünger, in der Asia gewirkt.90 Unmittelbare Reaktionen auf die gnostischen Lehren sind zum Beispiel bei Noe¨t von Smyrna (wahrscheinlich einem der Nachfolger des Polykarp), bei Melito von Sardes und beim unbekannten Verfasser der Ignatianen feststellbar.91 Diese Schriftsteller reagieren direkt, unter anderem mit der Formulierung unserer frühesten Glaubensregeln, auf die gnostische Gotteslehre (den Dualismus) und die Christologie (besonders den Doketismus). Aber nicht, um den Unterschied zu diesen fehlerhaften gnostischen Lehren zu markieren, erhielt die Kirche das Eigenschaftswort ›katholisch‹, sondern weil sie etwas dem unzulänglichen Heilsangebot der Gnostiker entgegenzusetzen hatte. Nach deren Überzeugung können nur die zur ›Erkenntnis‹ Gelangten, eben jene, welche die ›Gnosis‹ besitzen, das ewige göttliche Leben erben, und nur die auserwählten Pneumatiker, denen das aus dem Pleroma stammende göttliche Pneuma eingepflanzt ist, sind überhaupt zur rettenden ›Erkenntnis‹ befähigt. Der Rest der Menschheit, die Hyliker und Psychiker, die am göttlichen Pneuma keinen Anteil haben, bleiben vom Pleroma ausgeschlossen, sie haben keinerlei Aussicht, nach ihrem Tod in das ursprüngliche Reich des göttlichen Lebens zurückzugelangen.92 Eine solche Botschaft, als göttliche Offenbarung von elitären Lehrern verkündet, muß eine katastrophale Wirkung bei den Kirchenchristen ausgelöst haben. Die durch die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde begründete Anwartschaft auf das ewige Leben, der Hauptgegenstand der Erlösungshoffnung im zweiten Jahrhundert, war zerstört: Denn nur wer zu den ›Erkennenden‹ gehörte, das heißt wer sich den erlesenen Zirkeln der Gnostiker anschloß, besaß gewissermaßen nachweislich das Pneuma und damit die Garantie für den zukünftigen Eintritt ins ewige Leben. Die Bedrohung, der sich die meisten Kirchenchristen, die von den erwählten Wissenden als »Ungebildete und Nichtswisser« verachtet wurden,93 ausgesetzt fühlten, muß gewaltig gewesen sein. 89 Siehe Hübner 1997, 62 f. − Es geht um eine antignostische Bildung des Begriffs, nicht allein um eine antignostische Verwendung, die, wie oben berichtet, in der Literatur durchaus öfter erwogen wurde. 90 Vgl. Irenaeus, Adversus haereses I, 13, 5 f. (SC 264, 200, 81–201, 96 R./D.). 91 Für Noe¨t siehe Hübner 1999, 95–129. Für Melito Lohse 1970, 179–188. Für die Ignatianen Lechner 1999, 246–307. 92 Vgl. z. B. die Beschreibung der valentinianischen Konzeptionen bei Irenaeus, Adversus haereses I, 5, 6–7, 2 (SC 264, 88, 569–103, 694 R./D.). 93 Irenaeus, Adversus haereses I, 6, 4 (SC 264, 98, 654 f. R./D.).
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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Dieser gnostischen Bedrohung vermag die ›katholische Kirche‹ die trostvolle Verkündigung entgegenzustellen, daß Gott das Heil aller Menschen will; daß Christus der Erlöser aller Menschen, ja der ganzen Welt ist; daß in der Wiedergeburt der Taufe alle Christen mit dem göttlichen Pneuma beschenkt wurden, daß also alle Getauften Pneumatiker sind und damit die sichere Anwartschaft auf das ewige Leben besitzen. Die Bürgschaft der ›katholischen Kirche‹, der Kirche, die für alle Menschen umfassend das Heil gewährleistet und eben deswegen jetzt ›katholisch‹ genannt wird, liegt in ihrer (zum Teil freilich zu diesem Zweck erst jetzt produzierten) apostolischen Lehr-Tradition und in den jetzt stark betonten Sakramenten der Taufe und der Eucharistie, »der Arznei der Unsterblichkeit«, wie sie bei Ignatius genannt wird.94 Katholischer Garant für Lehre und Sakramente wird der Bischof, der jetzt erstmals als Monepiskopos an die Spitze der Presbyter tritt und zunehmend alle Kompetenzen an sich zieht: die des apostolischen Lehrers, charismatischen Propheten und priesterlichen Sakramentenspenders. Die ›katholische Kirche‹ und der Bischof treten in unserem ältesten Zeugnis kaum zufällig gemeinsam auf. Was soeben hypothetisch rekonstruiert worden ist, läßt sich gewiß nicht stringent beweisen, erklärt aber meines Erachtens am zwanglosesten den (nicht gerade reichhaltigen) Quellenbefund. Besonders auffallend in den Texten dieser Zeit sind die Aussagen über das Heil für alle Menschen. So betet Polykarp nach dem Martyriumsbericht (8, 1, Text 2) für »alle, die ihm jemals begegnet sind, Kleine und Große, Berühmte und Ruhmlose, und für die ganze katholische Kirche auf dem Erdkreis«, und der Verfasser bekennt sich zur Anbetung Christi, »der für das Heil der Geretteten der ganzen Welt gelitten hat«.95 Die eindrucksvollsten Aussagen über den universalen Heilswillen Gottes, über die allen Menschen von Gott ermöglichte Rettung (σωτηρι´α) in das ewige Leben stehen in den Pastoralbriefen. Da mir scheint, daß für deren antimarcionitische und zugleich antignostische Ausrichtung und damit für eine Abfassung etwa um die Mitte des zweiten Jahrhunderts (und in der Provinz Asia) von bedeutenden Forschern seit dem 19. Jahrhundert gute und nicht widerlegte Gründe vorgebracht worden sind,96 die jüngst von einem völlig neuen Gesichtspunkt her Verstärkung erhielten,97 und da andererseits die weithin übliche Datierung um 100 n. Chr. eher wie eine Verlegenheitslösung erscheint, für die wirklich durchschlagende Gründe bisher nicht geltend gemacht werden konnten,98 sollen hier die wichtigsten einschlägigen Verse wenigstens kurz erörtert werden.
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Ignatius, Ep. ad Ephesios 20, 2 (SUC I, 160, 1 F.). Martyrium Polycarpi 17, 2 (278, 17–19 L./P.). Ich verweise für eine Begründung der Spätdatierung der Pastoralen auf die eindringlichen Untersuchungen von Holtzmann 1880, besonders 126–158; Pfleiderer 1887, 801– 823; Rist 1942, hier 50–62; von Campenhausen 1963 (1951), 197–252; knapp: Vielhauer 1975, 227–229. [Zur Datierung der Pastoralbriefe siehe in diesem Band die Addenda zu Anm. 59 des Aufsatzes »Die Anfänge von Diakonat . . .«, oben S. 59 f.] 97 Vgl. Trobisch 1996. 98 Was z. B. ein so hervorragender Exeget wie J. Roloff zur Datierung der Pastoralen zu 95 96
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
O. Pfleiderer, der in seinem großen Werk Das Urchristenthum von 1887 unter dem Titel »Antignostischer Katholicismus« nach den Johanneischen Briefen die Pastoralbriefe behandelt, hat die antignostische Tendenz in der »Betonung der Barmherzigkeit und des allumfassenden Heilswillen Gottes«99 scharf erfaßt und treffend erklärt: »Es sollte durch diese Betonung der Universalität des Heilszwecks Gottes der gnostische Partikularismus, nach welchem nur die Geistesmenschen und Wissenden der Erlösung theilhaftig sein sollten, bekämpft werden.«100 Schon der vielfache Gebrauch des Wortes σωτη´ρ (›Erlöser‹, ›Retter‹, ›Heiland‹) ist hier bezeichnend. Während es in den echten Paulusbriefen nur ein einziges Mal vorkommt und nicht titular gebraucht ist,101 begegnet es in den Pastoralen zehnmal, davon neunmal in titularer Verwendung für Gott oder Jesus Christus,102 wobei an einigen Stellen entweder beide identifiziert sind,103 oder aber schwer zu entscheiden ist, ob Gott, der Vater, oder Jesus Christus gemeint ist.104 In den Versen 1, 12–18 des Ersten Timotheusbriefs formuliert der Verfasser erstmals positiv und erkennbar antignostisch sein zentrales Anliegen. Er anvertraut seinem Schüler Timotheus die Verkündigung des glaubwürdigen und überaus zuverlässigen Wortes von der überbordenden Gnade des alleinigen Gottes gegenüber den Sündern, die zu retten Christus Jesus in die Welt kam und deren Glaube an ihn zum ewigen Leben führt. Und nachdem er in Vers 2, 1 »an erster Stelle« zum Gebet »für alle Menschen« aufgerufen hat, nennt er die Verkündigung der universalen Heilsabsicht Gottes als den Zweck seiner Einsetzung zum »Herold und Apostel« und »Lehrer der Heiden« (1 Tim 2, 7): »Dies« (sc. das Gebet) sei »gut und wohlgefällig vor unserem Erlöser-Gott, der will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen«. Bürge dafür ist »der eine Gott« und »der eine Mittler« Gottes und der Menschen, »der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gab« (1 Tim 2, 3–6). Nach einer antimarcionitischen und antignostischen Polemik in den Versen 4, 1–7 und der Betonung des Nutzens der Frömmigkeit auch für das zukünftige Leben in Vers 4, 8 wird erneut der Grund und das Ziel des mühevollen apostolischen Kampfes genannt: die Hoffnung »auf den lebendigen Gott, welcher der Erlöser aller Menschen ist, besonders der Gläubigen« (1 Tim 4, 10). sagen hat, ist angesichts des von den oben genannten Autoren Vorgetragenen durchaus enttäuschend (vgl. Roloff 1988, 45 f.); ähnlich unbefriedigend Schnelle 1999, 346 f. 99 Pfleiderer 1887, 802. 100 Pfleiderer 1887, 811. Nur bei diesem Autor habe ich bisher die obige Erklärung gefunden. Daß Pfleiderer aus der allumfassenden Heilszusage Gottes den Ausdruck ›katholische Kirche‹ ableiten würde, habe ich nicht feststellen können. 101 Phil 3, 20. 102 1 Tim 1, 1; 2, 3; 4, 10; 2 Tim 1, 10; Tit 1, 3; 1, 4; 2, 10; 2, 13; 3, 4; 3, 6. 103 So Tit 2, 13; vgl. dazu Gnilka 1994, 355. 104 So etwa Tit 2, 10; 3, 4. Bekanntlich vermeidet der Verfasser der Pastoralen den Paulinischen Titel ›Sohn Gottes‹ für Jesus Christus.
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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Die Themen der ebenfalls antignostisch ausgerichteten apostolischen Verkündigung im Zweiten Timotheusbrief werden ganz ähnlich angegeben.105 Aus dem Titusbrief, in dessen Eingangsgruß sofort alle wichtigen Themen angezeigt werden,106 soll nur der Vers 2, 11 zitiert werden: »Erschienen ist die Gnade Gottes, Rettung bringend allen Menschen«. Im übrigen möge der Hinweis auf die darauf folgenden Verse 2, 11–14 und 3, 3–7 genügen, die sachlich voll dem entsprechen, was aus dem Ersten Timotheusbrief angeführt wurde. In allen drei Briefen zeigt sich der Autor in Übereinstimmung mit den Gnostikern hinsichtlich des Zieles des menschlichen Lebens: Es geht um die Erkenntnis der Wahrheit107 und den Gewinn des ewigen Lebens.108 Doch während die Gnostiker den bloß Gläubigen beides absprechen, sind für den Verfasser der Pastoralen gerade die Gläubigen »die, welche die Wahrheit erkannt haben«,109 ist Gott der Erlöser »besonders der Gläubigen«,110 und die Gnostiker, welche meinen, Gott zu kennen, sind die Ungläubigen,111 die von der Wahrheit abgewichen sind.112 Dem elitären Wahrheitsanspruch der Gnostiker wird »die Erkenntnis der Wahrheit gemäß der Frömmigkeit«113 entgegen gesetzt: die Botschaft von der universalen Heilsabsicht Gottes, die verwirklicht wird durch die Epiphanie des Erlösers Christus Jesus im Fleisch,114 verkündet durch die überlieferte apostolische Lehre: Schrift, Evangelium, Glaubensformel,115 zugänglich durch den Glauben an die Ökonomie Gottes in Christus,116 durch die Taufe und Geistbegabung.117 Die entscheidende Rolle in der Befestigung des lebenspendenden Glaubens118 spielt der in die apostolische Nachfolge berufene, durch Handauflegung öffentlich legitimierte kirchliche Lehrer.119 Auf diese Weise wird die Kirche jetzt »Säule und Fundament der (Glaubens-)Wahrheit«.120 In der Kirche (und zunehmend in ihrem amtlichen Repräsentanten) 105 Das zeigen bereits ein paar Stichworte aus den ersten zehn Versen: Verkündigung des Lebens in Christus (2 Tim 1, 1), unsere Rettung und Berufung gemäß der ewigen Gnadenabsicht Gottes, verwirklicht durch die Epiphanie unseres Erlösers Christus Jesus, Leben und Unvergänglichkeit durch das Evangelium (2 Tim 1, 8–10). 106 Tit 1, 1–3 gibt Ziel und Weg an: Glaube der Erwählten Gottes, Erkenntnis der (frommen) Wahrheit, Hoffnung auf das ewige Leben, das von Gott seit Ewigkeit verheißen, jetzt offenbart und verkündet wird auf Anordnung des Erlöser-Gottes. 107 Vgl. 1 Tim 2, 4; 4, 3; 6, 5; 2 Tim 2, 15; 2, 18; 2, 25; 3, 7 f.; 4, 4; Tit 1, 1; 1, 14. 108 Vgl. 1 Tim 1, 16; 4, 8; 6, 12; 6, 19; 2 Tim 1, 1; 1, 10; 2, 11; Tit 1, 2; 3, 7. 109 1 Tim 4, 3. 110 1 Tim 4, 10. 111 Vgl. Tit 1, 15 f. 112 Vgl. 1 Tim 6, 5; 2 Tim 2, 18; 2, 25; 3, 7 f.; 4, 4. 113 Tit 1, 1. 114 Vgl. 1 Tim 1, 16; 2 Tim 1, 9 f. 115 Vgl. 2 Tim 3, 14–16; 1 Tim 1, 11; 2 Tim 2, 8; Tit 1, 3; 1 Tim 2, 5 f. und 3, 16; 2 Tim 2, 8. 116 Vgl. 1 Tim 1, 4. 117 Vgl. Tit 3, 5–7. 118 Vgl. 1 Tim 1, 16; 4, 8–10; 2 Tim 3, 15. 119 Vgl. 1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6–8. 11–14; 2, 1 f.; Tit 1, 5–9. 120 1 Tim 3, 15. Die Gleichsetzung von Glaube und Wahrheit (aus dem Vergleich von
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erblickt der Verfasser der Pastoralen die entscheidende Grundlage für die Erlangung des ewigen Heils.121 Wäre es nicht gut verständlich, daß diese Kirche in einer Situation, in der sie − im Unterschied zu anderen Kirchen − als Bürgin und Vermittlerin des allumfassenden Heils Gottes fungiert − des ›katholischen Heils‹, wie es wenig später heißen wird − das Attribut ›katholisch‹, ›allumfassend‹ als ihr Kennzeichen erhält? Sehr dicht sind die Aussagen über das allen Menschen in Christus zugängliche Heil und unsterbliche Leben in einer Pascha-Predigt, die üblicherweise unter der Bezeichnung Pseudo-Hippolyt zitiert wird. Sie gehört stilistisch, theologisch und ungefähr auch zeitlich in die Nachbarschaft der Pascha-Homilie Melitos, ist ebenso monarchianisch, zeigt die gleiche (Pneuma-Sarx-) Christologie und deutliche antignostische, insbesondere antidoketische Formulierungen.122 Auch weist sie, ohne daß irgendein Abhängigkeitsverhältnis vorläge, zahlreiche, sehr spezifische Parallelen mit den Ignatianen auf und zeigt wie diese Vertrautheit mit valentinianischen Vorstellungen. Hier begegnet an einer Stelle tatsächlich ein Zeugnis dafür, daß das ›Heil für alle‹, für das die Kirche bürgt und dessen Gewährleistung ihr nach der hier vorgetragenen These die Bezeichnung ›katholisch‹ eingebracht hat, mit dem Wort καϑο´λου − ›allgemein‹, ›universal‹ ausgedrückt wird. Zwar befinden wir uns mit dieser Predigt wohl nicht mehr in der Zeit der Bildung des Begriffs ›katholische Kirche‹, aber das vermutete Motiv für seine Prägung, die antignostisch ausgerichtete, universale Heilszusage der Kirche, wird vom Verfasser so kräftig formuliert und zugleich mit dem Stichwort καϑο´λου ausgedrückt, daß man die entsprechenden Aussagen zwanglos als treffenden Beleg für die vorgeschlagene Interpretation werten kann. Der Prediger beginnt mit einem Preis des »mystischen Pascha«, des ewigen, unauslöschlichen, leuchtenden Tags für alle an Christus Glaubenden, da alles, das ganze All mit Leben und unermeßlichem Licht erfüllt ist, weil der unsterbliche, göttliche Christus für alle aufstrahlt.123 Er nennt dann die alttestamentlichen Vorbilder (τυ´ποι) der jetzt eingetretenen Wahrheit: das »Lamm« und das »Zeichen 1 Tim 6, 21 und 2 Tim 2, 18 unmittelbar erkennbar) ist ein bleibendes Erbstück der bekämpften Gnostiker und ihrer philosophischen Interpretation der christlichen Botschaft. 121 Pfleiderer 1887, 817, markiert scharf den dadurch eingetretenen folgenreichen Wandel: »Nicht mehr Jesus Christus allein, wie I Cor. 3, 11, auch nicht Christus zusammen mit Aposteln und Propheten, wie Eph. 2, 20, sondern rundweg die Kirche selbst heisst jetzt der feste Grund der Wahrheit . . .« 122 Diese Einschätzung des Textes, der hier in der Edition von Nautin (SC 27) zitiert wird, geht vor allem auf die Untersuchungen von Cantalamessa 1967 zurück. Cantalamessas Ergebnisse wurden grundsätzlich von Visona` 1989 bestätigt, der jedoch die mögliche Abfassungszeit nicht auf das 2. Jh. einschränken möchte. Rouwhorst (1996, 156 f.) und Stewart-Sykes (2001, 228–232) stimmen weitgehend Cantalamessa zu, datieren aber die Homilie etwas später als die Melitos. Über die Forschungsgeschichte unterrichtet kurz in der Einleitung zu einer deutschen Übersetzung Hausammann 2000, 9 f. 123 Vgl. Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 1 (SC 27, 117, 1–11 Nautin). Fünfmal begegnen in den wenigen Zeilen die griechischen Äquivalente für »alle(s)«, »das Ganze«; »das All«.
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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des (an die Pfosten gestrichenen) Blutes«, das Schutz für das ganze (Volk) bewirkte, und die gegenwärtige Verwirklichung der angekündigten Wahrheit: das »Lamm aus den Himmeln«, »den Logos«, und den »Mischbecher voll des göttlichen Blutes und Geistes«.124 Und er fährt (schlußfolgernd) fort: Wie würden nicht (diese) Wirklichkeiten die universale Rettung aller verkünden, wenn doch schon deren Vorbilder allein rettend sind?125
Das Todes-Pascha Christi, aus dem Gottes Allmacht paradoxerweise Unsterblichkeit, Leben, Heilung, Auferstehung wirkt,126 und die Eucharistie, die daran Anteil gewährt,127 sind die Bürgschaft für das universale Heil aller (τη`ν καϑο´λου σωτηρι´αν). »Dieses Pascha«, heißt es, nachdem der ganze Kosmos, die Engel des Himmels, die Chöre der Sterne, Luft, Wasser, Erde und »jede Menschenseele, die durch die Auferstehung zur neuen Geburt belebt ist«, zur Festesfeier aufgerufen wurden, »dieses Pascha ist das gemeinsame Fest aller«, »das unsterbliche Leben der ganzen Welt«, »die unvergängliche Nahrung der Menschen, die himmlische Beseelung aller«.128 Es ist »ein kosmisches und universales (καϑο´λου) Geheimnis« − der Prediger wiederholt das kennzeichnende Wort.129 Wenn an anderer Stelle die Freiheit und absolute Gleichheit aller in Recht, Gesetz und Ehre gepriesen wird, weil »alle durch das kostbare Blut« Christi erkauft wurden130 und »in allen das wirklich unsterbliche Leben ist«, wie es nach einer wiederholten Würdigung dieser durch »die Ankunft Christi« allen gewährten Geschenke heißt,131 dann klingt das zugleich wie eine Zurückweisung des privilegierten Pneumatiker-Status bei den Gnostikern. Gegen die gnostische Abwertung des Leiblichen ge richtet, erklärt der Prediger wenig später, daß Christus Gott und »auch Mensch« war,132 daß er den »armseligen und toten Leib« angezogen hat und also »alle unsere Leiber von den Krankheiten heilte«.133 Die verschiedenen Aufenthaltsorte von Geist (πνευ῀μα), Seele und Leib des am Kreuze Gestorbenen: Himmel, Paradies, Erde werden im Hinblick auf die universale Rettung gedeutet: »Geteilt ist der Unteilbare, damit alles gerettet wer124 125
Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 2 (SC 27, 119, 8–20 N.). Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 3 (SC 27, 121, 3 f. N.): Πω ῀ ς ου῏ν τη`ν καϑο´λου
σωτηρι´αν τω ῀ ν ο῞λων ε᾽παγγε´λλεται τα` ε῎ργα, ω ῟ ν και` μο´νοι οι῾ τυ´ποι ει᾽σι` σωτη´ριοιͽ 126
Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 1 (SC 27: 119, 1–7). Vgl. Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 39; 49; 50 (SC 27, 161, 8–13; 175, 11–177, 6 N.); die letzten zwei Zeilen lauten: »Wir haben mit unauslöschlicher pneumatischer Gnosis gegessen, und weil wir essen, sterben wir nicht.« Die engste zeitgenössische Parallele ist Ignatius, Ep. ad Ephesios 20, 2 (SUC I, 160, 1 f. F.), wo das eucharistische Brot als »Arznei der Unsterblichkeit, ein Gegengift, nicht zu sterben, sondern auf immer in Jesus Christus zu leben«, bezeichnet wird. 128 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 3 (SC 27, 121, 4–123, 4 N.). 129 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 16 (SC 27, 145, 3 f. N.) 130 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 42 (SC 27, 163, 10 f. N.). 131 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 44 (SC 27, 165, 1–4 N.). 132 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 46 f. (SC 27, 167, 16–173, 10 N.). 133 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 48 (SC 27, 173, 11–20 N.). 127
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
de«.134 In der dreitägigen Grabesruhe sieht der Prediger zweierlei angezeigt: daß der »Erstgeborene von den Toten« »das Menschengeschlecht vollständig und ganz rette − diejenigen vor dem Gesetz, die unter dem Gesetz und die, welche in seiner Nachfolge standen«,135 »oder vielleicht auch, daß er das (menschliche) Lebewesen vollständig wieder auferwecke: Seele und Geist (πνευ῀μα) und Leib.«136 Diese letzte Auslegung ist deutlich antignostisch. Der Schlußhymnus preist wie der am Anfang das »göttliche Pascha« als die »gemeinsame Feier aller, als kosmisches Fest, als Freude, Ehre, Nahrung, köstlichen Genuß für das All«, da »allen das Leben geschenkt wurde«. Und unter Benutzung der gnostischen (valentinianischen) Metapher für das endzeitliche Heil, das »hochzeitliche Brautgemach«, das bei den Gnostikern allein den Pneumatikern vorbehalten ist, heißt es (antignostisch): »Alle sind mit den Brautgewändern bekleidet, niemand wird hinausgeworfen, weil er kein Hochzeitskleid trägt«; »in allen brennt göttlich und pneumatisch das Feuer der Gnade, gewährt durch Leib und Geist (πνευ´ματι) und Öl Christi«,137 das heißt zugleich: durch Menschheit und Gottheit Christi, und durch Leib und Blut der Eucharistie und die Taufe. Diese massive Betonung der Rettung aller, des ganzen Kosmos, aller Menschen und des ganzen Menschen, ist offenkundig antignostisch. Sie wird mit dem Wort καϑο´λου: allumfassende, universale, ›katholische‹ Rettung ausgedrückt, weil sie Frucht ist des »universalen (καϑο´λου) Pascha-Geheimnisses«. Sie wird zugänglich durch die »unvergängliche Nahrung« des »göttlichen Pascha«, die Eucharistie, die nur in »der einen Kirche« gewährt wird,138 und deswegen, weil diese Kirche für das Heil aller bürgt, heißt sie die ›katholische‹. Die zweite Stelle, an der vom »universalen Heil« die Rede ist, steht im Paedagogus (I, 6) des Clemens von Alexandria,139 einer Schrift, die zeitlich vielleicht nicht sehr weit von der zitierten Paschapredigt entfernt ist. Kattenbusch hatte schon, wie erwähnt, auf diese Stelle als Parallele für seine Interpretation des Begriffs ›katholische Kirche‹ im Sinne einer »für alle zugängliche(n) Heilsgemeinde« verwiesen, allerdings eine polemische Note in diesem Kirchenprädikat nicht sehen wollen.140 Doch zeigt gerade der ausdrücklich antignostische Kon-
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Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 56 (SC 27, 185, 1–8 N.). Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 58 (SC 27, 187, 2–5 N.); der Text ist hier verderbt, ich folge der Übersetzung von Hausammann 2000, 53. 136 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 58 (SC 27, 187, 5–7 N.). 137 Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 62 (SC 27, 189, 12–191, 11 N.). 138 Vgl. Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha 3; 4; 8; 25–27; 39; 40; 41; 49; 50; 62 (SC 27, 121, 17–123, 5; 123, 10–14; 133, 19–135, 1; 153, 12–20; 161, 6–12; 161, 15–163, 2; 163, 3–8; 175, 11–22; 177, 1–6; 189, 14–17; 191, 7–11 N.). Die auffallend starke Betonung der Eucharistie und ihre Gewährung allein in der »einzigen Kirche« (ebd. 41 [SC 27, 163, 3–8 N.]) teilt der Prediger mit dem Verfasser der Ignatianen. Die Taufe, auf die vielleicht nur angespielt wird (ebd. 3; 62 [SC 27, 121, 15–17; 191, 11 N.]), tritt dagegen zurück. 139 Text s. u. Anm. 146. 140 Kattenbusch 1900, 923. 135
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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text im Paedagogus I, daß der Begriff ›katholisch‹ von Anfang an zugleich auch polemisch-abgrenzend aufgefaßt ist.141 Im Zusammenhang begegnet eine ansehnliche Zahl der Gedankenelemente, die oben zur hypothetischen Rekonstruktion der Entstehung des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ genannt wurden. Das kann als Bestätigung dafür gelten, daß diese Überlegungen nicht verfehlt sind. Wie in der Paschapredigt ist auch bei Clemens (und den Gnostikern) das Ziel des Menschen das ewige Leben, das durch die Erkenntnis Gottes gewonnen wird: Wer Gott erkannt hat, dem mangelt nichts. Er besitzt die Vollkommenheit. Die Gnosis ist die Nahrung zum ewigen Leben.142 Aber während die Valentinianer den Psychikern, das heißt den gewöhnlichen Christen, die heilbringende Gnosis absprechen, sagt Clemens über die, die in Christus sind: Es sind also nicht die einen ›Gnostiker‹, die anderen ›Psychiker‹ im Logos selbst, vielmehr sind sie alle . . . gleich und ›Pneumatiker‹ beim Herrn.143
»Der Herr selbst hat aufs gewisseste die Gleichheit des Heils offenbart«: Jeder Glaubende, heißt es mit Johannes 6, 40, empfängt nach dem Willen des Vaters ewiges Leben und Auferstehung am jüngsten Tag.144 Die erwartete Gleichheit des Heils ist begründet in Gottes universalem Heilswillen, das Instrument zu ihrer Verwirklichung ist die Kirche, der Glaube, die Taufe, durch die alle Pneumatiker sind: Gottes »Wille ist das Heil der Menschen, und dieses wird Kirche genannt.« Alle Gläubigen (nicht etwa nur die Gnostiker) sind von Gott Berufene, »Gottesgelehrte« (1 Thess 4, 9), und besitzen mit der vollkommenen Lehre »des ewigen Erlösers das ewige Heil«.145 Die Gleichheit des von Gott allen Glaubenden in der Kirche gewährten Heils ist der Grund dafür, daß dieses Heil καϑολικη´, »universal«, heißt (und ebenso die Kirche): Der Glaube ist das einzige universale (καϑολικη´) Heil der Menschheit, die Gleichheit und Gemeinschaft des gerechten und liebenden Gottes ist ein und dieselbe gegenüber allen Menschen.146
Zugänglich wird das Heil durch die Taufe: »Wenn wir getauft werden, werden wir erleuchtet (zur Erkenntnis Gottes147), . . . zu Söhnen gemacht, . . . vervollkomnet, . . . unsterblich gemacht.«148 Die Taufe ist die »einzige heilende Arznei 141 Siehe H.-I. Marrou in der Einleitung zu seiner Edition des Paedagogus (SC 70, 29– 34): »Pole´mique anti-gnostique«. 142 Vgl. Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 26, 2 f.; 36, 4 (SC 70, 158; 176 M.). 143 Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 31, 2 (SC 70, 168 M.). 144 Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 28, 5 (SC 70, 162–164 M.). 145 Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 27, 2 f. (SC 70, 160 M.); vgl. I, 29, 1 f. (SC 70, 164 M.). 146 Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 30, 2 (SC 70, 166 M.): ο῞τι γε μι´α καϑολικη`
τη ῀ ς α᾽νϑρωπο´τητος σωτηρι´α η῾ πι´στις, ι᾽σο´της δε` και` κοινωνι´α του῀ δικαι´ου και` φιλανϑρω´που ϑεου῀ η῾ αυ᾽τη` προ`ς πα´ντας. 147 148
Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 25, 1 (SC 70, 156 M.). Clemens von Alexandrien, Paedagogus I, 26, 1 (SC 70, 158 M.).
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
(φα´ρμακον)« − Clemens verwendet hier für die Taufe das Wort, das der Verfasser der Ignatianen für die Eucharistie gebraucht.149 Bewirkt wird das durch »den heiligen Geist, der vom Himmel her in uns einfließt«‹ und alle Glaubenden zu Pneumatikern macht: »Als Pneumatiker hat der Apostel die bezeichnet, die durch den heiligen Geist (πνευ´ματι) zum Glauben gekommen sind.«150 Gegenüber der Taufe ist in diesem 6. Kapitel des Buches, in dem sich Clemens gerade an die Getauften wendet, die Eucharistie naturgemäß nicht so stark herausgehoben, aber auch von ihr wird gesagt, daß Fleisch und Blut des Herrn »zur Unvergänglichkeit nähren«,151 denn das Fleisch ist das Gleichnis des heiligen Geistes, und der Herr, »die Nahrung«, ist »Geist und Logos«, »fleischgewordener Geist (πνευ῀μα) und geheiligtes himmlisches Fleisch«.152 Es ist also die Anteilhabe am göttlichen Geist, der in Taufe und Eucharistie wirkt, welche alle empfangenden Gläubigen zu Pneumatikern und damit unsterblich macht. Auch wenn die Predigt In sanctum pascha und der Paedagogus des Clemens gewiß nicht aus der Entstehungszeit des Begriffs ›katholische Kirche‹ stammen und auch wenn dieses Kirchenprädikat in diesen Schriften nicht vorkommt, so scheint mir die klar antignostisch ausgerichtete Hervorhebung der Gleichheit und Allgemeinheit des ›Heils für alle‹, die mit dem Wort ›katholisch‹ bezeichnet werden, doch die beste Erklärung dafür zu bieten, daß die Kirche ›katholisch‹ genannt wurde: Sie bot mit ihrer apostolischen Lehre und Tradition gewissermaßen die Garantie für den allgemeinen Heilswillen Gottes, und sie konnte mit Taufe und Eucharistie, die gegenüber der Lehre zunehmend an Bedeutung gewannen, allen Gläubigen ›die Arzneien‹ der Unsterblichkeit zur Verfügung stellen, Instrumente des göttlichen Pneuma, das ewiges Leben wirkt. Die Kirche wird im Paedagogus nicht ›katholisch‹ genannt, aber doch als die »einzige und alleinige Mutter« bezeichnet, welche die »pneumatische Nahrung«, den Logos, ihren Kindern darbietet.153 Der innere Zusammenhang, der im zitierten Kapitel des Paedagogus zwischen dem universalen Heilswillen Gottes, dem einen Glauben, der einen Kirche und dem allgemeinen Heil besteht, zeigt, daß das Prädikat ›katholisch‹ ganz natürlich vom so gekennzeichneten Heil auf die dieses alleine verbürgende Kirche übergehen konnte. Die das alle umfassende ›katholische‹ Heil gewährleistende Kirche ist − im Unterschied und im Gegensatz zu den gnostischen Konventikeln − die ›katholische Kirche‹. Es scheint aber nicht so, daß sich Clemens dieser hier vermuteten Herkunft des Ausdrucks bewußt gewesen wäre. Denn zum einen taucht dieses Kirchenprädikat in dem beschriebenen Zusammenhang mit dem ›katholischen Heil‹ nicht auf, obwohl das doch sehr passend gewesen wäre; zum anderen spricht er 149 Clemens von Alexandrien, Ephesios 20, 2, oben Anm. 127. 150 Clemens von Alexandrien, 151 Clemens von Alexandrien, 152 Clemens von Alexandrien, 153 Clemens von Alexandrien,
Paedagogus I, 29, 5 (SC 70, 166). Vgl. Ignatius, Ep. ad Paedagogus Paedagogus Paedagogus Paedagogus
I, I, I, I,
28, 1 f. und 36, 3 (SC 70, 162; 176 M.). 47, 1 (SC 70, 194 M.). 43, 2 f. (SC 70, 188 M.). 42, 1 (SC 70, 186 M.).
VII. ›Katholisch‹ in Abgrenzung zu Gnostikern?
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dort, wo er in den Stromata am nachdrücklichsten − in Absetzung von den vielen neueren Konventikeln der Gnostiker − die eine, wahre, alleinige, alte und katholische Kirche heraushebt, nicht ausdrücklich vom ›katholischen Heil‹.154 Das könnte man als Einwand gegen die Richtigkeit der hier vertretenen Herleitung unseres Begriffs werten. Doch ist dieser Einwand nicht zwingend. Clemens benutzt offenbar einen ihm bekannten Begriff, wie er zu seiner Zeit in Abgrenzung gegenüber verschiedenen Häretikern längst geläufig war. Die genauen Umstände seiner Entstehung sind inzwischen vergessen, Clemens muß den ursprünglichen Gedanken, der zur Wortbildung führte, nicht kennen. Im übrigen gleichen die im Kontext der Stromata-Stelle hergestellte theologische Verknüpfung zwischen dem Heilswillen des einen Gottes, der einen Kirche, die nach dem Willen des einen Gottes durch den einen Herrn die Auserwählten zusammenführt, dem einen Glauben, der einen apostolischen Lehre und Tradition und die antignostische Ausrichtung des ganzen Zusammenhangs den Ausführungen im Paedagogus so sehr, daß das Adjektiv ›katholisch‹ im Paedagogus bei der Kirche, in den Stromata beim Heil eher zufällig zu fehlen scheint.155 Wenn man nun begründet annehmen kann, daß die ursprüngliche Bedeutung der Worte ›katholische Kirche‹ gefunden ist, dann bleibt die Frage, ob mit dem Prädikat ›katholisch‹ zuerst die Ortsgemeinde oder aber die Gesamtkirche gekennzeichnet wurde. (In Martyrium Polycarpi 16 trägt die Ortsgemeinde den Titel, an den drei anderen Stellen die Gesamtkirche.) Geht man davon aus, daß der ›Erfinder‹ dieses Kirchenprädikats ein nachdenklicher Theologe war, so wird ihm dieses Wort als Prädikat der Gesamtkirche erschienen sein. Denn die Katholizität − die obige Herleitung einmal vorausgesetzt − ist ja nicht in den Mitgliedern der Ortsgemeinde begründet, sondern im allgemeinen Heilswillen Gottes und der Erwählung seiner Kirche (der »Kirche Gottes«156) als des Instrumentes seiner Gnade. Von der durch Gott beschenkten, ›katholischen‹ Gesamtkirche her kommt dann ganz selbstverständlich dieses Prädikat jeder Ortsgemeinde der ganzen ›katholischen‹ Kirche in der Ökumene zu, denn die Gesamtkirche besteht ja in den Einzelgemeinden. So mag die eben angestellte Überlegung, ob mit dem Epithet ›katholisch‹ zuerst die Ortsgemeinde ausge154 Siehe Clemens von Alexandrien, Stromata VII, 106, 3; 107, 2–5 (GCS Clemens Alexandrinus III, 75, 7–9; 76, 1–12 Stählin/Früchtel/Treu). 155 Vgl. Clemens von Alexandrien, Stromata VII, 106, 1–108, 2 (GCS Clemens Alexandrinus III2, 74, 29–76, 30 S./F./T.) mit den oben zitierten Stellen aus dem Paedagogus, besonders auffällig: Stromata VII, 107, 3–5 und Paedagogus I, 42, 1 über die Einzigkeit Gottes, des Herrn, der Kirche. − Garciadiego 1953, 42–47 und 93–98, behandelt alle Stellen, an denen Clemens das Wort καϑολικο´ς benutzt, und bemüht sich (ebd. 131–137), die Bedeutung von καϑολικη` ε᾽κκλησι´α an den beiden einzigen (oben zitierten) Stellen des Vorkommens zu ermitteln (Ergebnis ebd. 137: »perfeccio´n transcendente de la Iglesia«). Eine Aufhellung der Entstehung unseres Begriffs ergibt sich nicht, das oben ausgewertete Kapitel I, 6 des Paedagogus bleibt undiskutiert. 156 So heißt es in der Inscriptio des Martyrium Polycarpi (Text 1) und an vielen anderen Stellen der frühchristlichen Literatur.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
zeichnet wurde und von daher die Gesamtkirche oder umgekehrt, rein theoretisch sein und sich für den ›Erfinder‹ gar nicht gestellt haben, weil er beide in einem sah: Die Ortskirche hat alles, was die Gesamtkirche charakterisiert, beide sind, weil sie in einander existieren, zugleich ›katholisch‹. Von hier aus läßt sich der Befund im Martyrium Polycarpi gut verstehen. In Kapitel 16 (Text 3) wird Polykarp als Bischof der örtlichen »katholischen Kirchengemeinde in Smyrna« vorgestellt; in der Inscriptio, in Kapitel 8 und 19 (Texte 1, 2, 4) ist es die in der Ökumene verbreitete Gesamtkirche, die den Titel›katholisch‹ trägt. Akzeptiert man die oben gegebene Erklärung, so besteht in diesem Gebrauch kein Widerspruch, nicht einmal eine Spannung, er ist konsequent. Versteht aber der Verfasser des Polykarpmartyriums den Ausdruck ›katholische Kirche‹ noch ebenso wie sein ›Erfinder‹, nämlich im Sinne einer − im Unterschied zu den Gnostikern − allen Getauften das ewige Heil gewährleistenden Kirche? Das ist möglich, denn der Autor schreibt wahrscheinlich zeitlich und räumlich ziemlich nahe am ›Ursprung‹ des Begriffs, und einige Indizien weisen in diese Richtung, aber sicher feststellbar ist es nicht. Für diese Ansicht spricht, daß der Verfasser das Heil aller im Auge hat: Polykarp betet für »die ganze katholische Kirche auf dem Erdkreis«, und von Christus wird gesagt, daß sein Leiden für »das Heil der Geretteten der ganzen Welt« erfolgte.157 Polykarp selbst wird als Garant der apostolischen Lehre vorgestellt.158 Das alles ist ziemlich deutlich antignostisch. So mögen es tatsächlich gnostische Konventikel sein, gegen die sich die katholische Kirche in Smyrna unter ihrem Bischof Polykarp abgrenzt. Es läßt sich aber durchaus nicht ausschließen, daß die katholische Gemeinde in Smyrna sich zugleich auch gegen marcionitische Gemeinden absetzt, zumal Gnostiker und Marcioniten von ihren kirchlichen Gegnern damals nicht so säuberlich geschieden wurden wie von den Gelehrten heute.159
VIII.
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Von den eingangs zitierten sechs frühesten Texten mit dem Begriff ›katholische Kirche‹ bleibt nur noch der aus dem Smyrnäerbrief des Ignatius (Text 5) zu erörtern. Den meisten Interpreten gilt er als der älteste Beleg, und viele meinten, 157
Siehe Martyrium Polycarpi 8, 1 (Text 2) und 17, 2 (278, 17–19 L./P.). Vgl. Martyrium Polycarpi 16, 2 (Text 3). 159 Etwa zur gleichen Zeit wie der Ausdruck ›katholische Kirche‹ scheint die Bezeichnung ›katholische Briefe‹ in Gebrauch gekommen zu sein. So werden eine Briefgruppe des Neuen Testaments, ein Brief des Montanisten Themiso (bei Eusebius, Historia ecclesiastica V, 18, 5 [GCS NF VI/1, 474, 15 f. Sch.), Briefe des Dionys von Korinth um 170 n. Chr. (ebd. IV, 23, 1 [374, 5 Sch.]) und die Epistula Apostolorum 1 (207 Schneemelcher) genannt. Das Aufkommen dieses Titels, der möglicherweise ebenfalls mit einer antignostischen Reaktion zusammenhängt, ist ein komplexes Phänomen, das einer eigenen Untersuchung bedürfte. Für eine erste historische Einordnung siehe Trobisch 1996, 62–65; 125–160. 158
VIII. ›Katholisch‹ versus ›gnostisch‹ im Smyrnäerbrief des Ignatius
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hier die ursprüngliche Bedeutung zu erfassen, weil sie ›Ignatius‹ als den Urheber der Wortprägung betrachteten.160 Daß er dies keineswegs sein kann, daß er vielmehr einen bereits bekannten Begriff benutzt, ist schon gesagt worden. Da er vermutlich etwa ein bis zwei Jahrzehnte nach der Abfassung des Polykarpmartyriums und in dessen Kenntnis schreibt,161 wird sich sein Verständnis des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ von dem bisher erörterten nicht grundsätzlich unterscheiden, aber er scheint die Merkmale des ›Katholischen‹ der Kirche in einer bestimmten Richtung erweitert zu haben. In der Tat wird die antihäretische, speziell die antignostische (und wohl auch antimarcionitische)162 Note in der Verwendung unseres Begriffs deutlich erkennbar, wenn man die Stelle im größeren Zusammenhang liest. Im gesamten Brief geht es um die Befestigung der Glaubenstradition, die Verteidigung der Eucharistie und die Stärkung des Bischofsamtes und der Hierarchie. Sogleich im ersten Kapitel wird der »unerschütterliche Glaube« in einer Glaubensregel zusammengefaßt, in der vor allem die wahrhaft fleischliche Geburt, das wahre Leiden, die wahre Auferstehung des Gottes Jesus Christus betont werden. In Kapitel 2 und 3 wird die Auferstehung im Fleisch mit einer theologisch-systematischen Überlegung und mit einem (apokryphen) Jesuswort begründet.163 In Kapitel 4 beginnt die (bis zum Ende des Kapitel 9 fortgeführte) direkte Polemik gegen die Häretiker, die »Jesus Christus, unser wahres Leben«, das heißt konkret: seine Geburt und sein Todesleiden im Fleisch, leugnen und dadurch zu Anwälten des Todes werden. Nach dem Tadel des lieblosen Verhaltens der »Heterodoxen« im 6. Kapitel werden die Anklagen gegen sie im siebten und achten erweitert und verstärkt und wird die Gemeinde zum richtigen, dem der Häretiker entgegengesetzten Verhalten aufgefordert; in diesem Kontext spricht der Verfasser das einzige Mal im gesamten Briefcorpus von der »katholischen Kirche«: (7, 1) Von Eucharistie und Gebet halten sie sich fern, weil sie nicht bekennen, daß die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers Jesus Christus ist, das für unsere Sünden gelitten hat, welches der Vater in seiner Güte auferweckt hat. Die nun der Gabe Gottes widersagen, sterben an ihren Streitereien. Es wäre ihnen jedoch nützlich zu lieben, damit sie die Auferstehung erlangten. (2) Es gehört sich also, sich von solchen Leuten fernzuhalten und we160 Im Gegensatz dazu hat Holtzmann 1886, 122; 140 − ebenso wie der oben referierte Keim − wegen des Vorkommens des Begriffs ›katholische Kirche‹ die Ignatianen »um 170, spätestens 180« datiert. 161 Es fällt doch sehr auf, daß der Begriff ›katholische Kirche‹ nur im Smyrnäerbrief des Ignatius auftaucht, der darüber hinaus ebenso wie dessen Brief an Polykarp bemerkenswert zahlreiche Parallelen mit dem Martyrium Polycarpi und Polykarps Brief an die Philipper aufweist; vgl. dazu Joly 1979, 115–120. Dies ist vielleicht der deutlichste Hinweis, der sich finden läßt, auf den Ort der ersten Bildung unseres Ausdrucks. 162 Siehe dazu die folgende Anmerkung. 163 Eine antimarcionitische Tendenz in der Verwendung dieses wohl aus dem Kerygma Petrou übernommenen apokryphen Herrenwortes im Smyrnäerbrief und dann überhaupt in den Ignatianen hat Vinzent 1999 b, 240–286, festgestellt; dazu zuletzt auch Vinzent 2002, 88–92.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
der privat über sie zu reden noch öffentlich; sich vielmehr an die Propheten zu halten, vorzüglich an das Evangelium, in dem für uns das Leiden offenbart und die Auferstehung vollendet ist. Die Spaltungen aber meidet als der Übel Anfang. (8, 1) Folgt alle dem Bischof wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Niemand soll ohne Bischof etwas tun, was die Kirche betrifft! (Nur) jene Eucharistie soll als zuverlässig gelten, die unter dem Bischof oder einem von ihm Beauftragten stattfindet. (2) Wo der Bischof erscheint, dort soll die Menge (sc. der Gemeinde) sein, so wie dort, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist. Es ist nicht erlaubt, ohne Bischof sei es zu taufen, sei es eine Agape zu halten; doch was jener für gut befindet, das ist auch Gott wohlgefällig, auf daß alles, was ihr tut, sicher und zuverlässig sei. (9, 1) Vernünftig ist es also für uns, nüchtern zu werden, solange wir noch Zeit haben, uns zu Gott zu bekehren. Gut ist es, Gott und Bischof zu kennen. Wer den Bischof ehrt, ist von Gott geehrt; wer etwas dem Bischof gegenüber heimlich tut, dient dem Teufel.164
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Der Leser, der die oben referierten Texte des Pseudo-Hippolyt und des Clemens von Alexandrien überdacht hat, wird unschwer feststellen, daß wir uns mit dem Smyrnäerbrief auf derselben geistigen Ebene und im selben Problemfeld befinden. Es geht um den Gewinn des wahren, göttlichen Lebens durch die Erkenntnis Gottes und den Weg dazu. Über das Ziel besteht Einigkeit, der Weg dahin ist zwischen Gnostikern und Kirchlichen strittig geworden. Das ersehnte ewige Leben, erklärt Ignatius, erlangt der Mensch nur durch Jesus Christus (er ist die »Erkenntnis, die Gnosis, Gottes«),165 das heißt genauer und konkreter: er erlangt es durch Leiden, Tod, Auferstehung »unseres Erlösers Jesus Christus«,166 des »im Fleische gekommenen Gottes«.167 Erreichbar aber wird »Jesus Christus, unser wahres Leben«,168 in der Eucharistie; allerdings nur in der gewissermaßen amtlichen, der unter dem einzigen Bischof vollzogenen, die allein sicher, gültig und wirksam ist. Deswegen muß die Gemeinde dort sein, wo der Bischof ist, weil nur dort »die katholische Kirche ist, wo Jesus Christus ist«, das bedeutet nach dem vorher Gesagten: wo der ganze Jesus Christus, »der Menschensohn und Gottessohn«,169 sein Leiden und seine Auferstehung, geglaubt werden. »Die katholische Kirche« ist offenbar auch hier die »Heil und ewiges Leben«170 verbürgende Kirche, weil in ihr der wahre Christus geglaubt wird und weil in ihr der einzige Bischof, der an Gottes Stelle steht,171 für die wahre Eucharistie, »die Arznei der Unsterblichkeit, das Gegengift gegen 164 Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 7, 1–9, 1 (SUC I, 208, 16–212, 4 F.), übersetzt in Anlehnung an Fischers Übertragung daselbst; eine enge sachliche, auch sprachliche Parallele steht in der Ep. ad Ephesios 16–18. 20 (SUC I, 154, 14–156, 9; 158, 10–160, 2 F.); dazu siehe Lechner 1999, 121–245; 301–307. 165 Ignatius, Ep. ad Ephesios 17, 2 (SUC I, 156, 1 f. F.): . . . λαβο´ντες ϑεου῀ γνω ῀ σιν, ο῞ ε᾽στιν
᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. 166
Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 7, 1 (SUC I, 208, 17 F.). Ignatius, Ep. ad Ephesios 7, 2 (SUC I, 146, 20 F.). 168 Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 4, 1 (SUC I, 206, 14 F.); vgl. Ep. ad Ephesios 3, 2; 7, 2; 11, 1 (SUC I, 144, 12 f.; 146, 20; 150, 13 F.). 169 Ignatius, Ep. ad Ephesios 20, 2 (SUC I, 158, 16 F.). 170 Ignatius, Ep. ad Ephesios 18, 1 (SUC I, 156, 5 F.). 171 Ignatius, Ep. ad Magnesios 6, 1 (SUC I, 164, 17 F.). 167
VIII. ›Katholisch‹ versus ›gnostisch‹ im Smyrnäerbrief des Ignatius
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den Tod, das Leben in Christus auf immer«,172 Gewähr leistet. Deswegen gehören Erkenntnis Gottes und (An-)erkenntnis des Bischofs zusammen.173 ›Katholisch‹, Heil und ewiges Leben verbürgend, ist also − im Gegensatz zu der Anwaltschaft des Todes und der Unwahrheit174 − ganz gewiß die Ortskirche unter ihrem Bischof und dann ebenso die in den Ortskirchen existierende Gesamtkirche. Ignatius scheint die antignostischen Charakteristika des ›Katholischen‹ ausgebaut zu haben. Die Pastoralbriefe175 und das Martyrium Polycarpi 16 (Text 3) stel- * len dem Anspruch der Gnostiker auf eine aus geheimer Offenbarung geschöpfte, das ewige Leben eröffnende Gotteserkenntnis den Bischof als den von Gott beauftragten und beglaubigten, die reine Tradition mit apostolischer Autorität bewahrenden und verteidigenden Lehrer entgegen. Das bleibt bei ›Ignatius‹, wird aber um ein kennzeichnendes Element erweitert, das die Gewichte nachhaltig verschiebt. Er führt die − nachmals klassischen − Kennzeichen des ›Katholischen‹ an: die Tradition der Schrift (Propheten und Evangelium),176 die Glaubensregel,177 die amtliche Hierarchie aus Bischof, Presbytern und Diakonen;178 aber der Bischof erscheint bei ihm, wenn ich mich nicht täusche, nicht so sehr als Lehrer179 denn viel mehr als der einzige bevollmächtigte Sakramentenspender, der für die zuverlässige Wirkung der Sakramente garantieren sollte. Das war offenbar eine für die Sicherung der ›katholischen Gemein de‹ gegen- 69 über den konkurrierenden häretischen Gemeinschaften notwendige Ergänzung. Sie setzt eine weitere theologische Diskussion über die Bedeutung der Sakramente und die Qualifikation des Sakramentenspenders zwischen den Gnostikern und Gemeinkirchlichen voraus. Das zeigt, daß die Ignatianen − ebenso wie die ihnen besonders in diesem Punkt verwandte Homilie In sanctum pascha des Pseudo-Hippolyt − doch einige Zeit nach den Pastoralbriefen und dem Martyrium Polycarpi abgefaßt sind, denn darin ist von dieser neuen Problematik nichts zu bemerken. Aber darauf ist hier nicht mehr einzugehen.180 172
Ignatius, Ep. ad Ephesios 20, 2 (SUC I, 160, 1 f. F.). Vgl. Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 9, 1 (SUC I, 212, 2 F.). 174 Vgl. Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 5, 1 (SUC I, 206, 21 F.). 175 Vgl. Tit 1, 7–9. 176 Siehe Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 7, 2 (SUC I, 210, 3 F.). − Ich begnüge mich für das Folgende mit den Belegen aus dem oben referierten und zitierten Smyrnäerbrief. Da Ignatius in allen Briefen im Grunde dasselbe sagt, bringt es keinen Gewinn, sämtliche Parallelen anzuführen. 177 Siehe Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 1,1 f. (SUC I, 204, 10–15 F.); zu den Glaubensregeln der Ignatianen siehe Hübner 1999, 131–144; 154–177. 178 Siehe Ignatius, Ep. ad Smyrnaeos 8, 1 (SUC I, 210, 6–9 F.). 179 Christus gilt dem Ignatius als der einzige Lehrer (Ep. ad Ephesios 15, 1 [SUC I, 154, 6 F.]; vgl. Ep. ad Magnesios 9, 1 f. [SUC I, 166, 20–168, 2 F.]); weder διδα´σκαλος noch διδα´σκω noch διδασκαλι´α oder διδαχη´ werden im Zusammenhang mit dem Bischof gebraucht, auch nicht im Brief an Polykarp. Vielmehr heißt es, man solle auch den schweigenden (also offenbar lehrunfähigen) Bischof ehren (Ep. ad Ephesios 6, 1 [SUC I, 146, 9–12 F.]; vgl. Ep. ad Philadelphios 1, 1 [SUC I, 194, 11–14 F.]); umso mehr wird die üble διδασκαλι´α oder διδαχη´ der Häretiker angeprangert (vgl. Ep. ad Ephesios 9, 1; 16, 2; 17, 1 [SUC I, 148, 11; 154, 16; 154, 20 f. F.]). 173
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Daß es die lokale Gemeinde ist, die im Smyrnäerbrief als »die katholische Kirche« bezeichnet wird, und dies in polemischer Abgrenzung gegen gnostischdoketische Häretiker, hat A. Garciadiego in seiner gründlichen, 1953 veröffentlichten Untersuchung, zugleich in Auseinandersetzung mit den oft gegenteiligen, Th. Zahn folgenden Meinungen, mit Entschiedenheit festgestellt.181 Obwohl er weiß, daß die gnostische Häresie erst zwischen den Jahren 130 und 160 akut wird, glaubt er doch − mit Verweis auf die für echte Paulusbriefe gehaltenen Pastoralen und die Johanneischen Schriften182 und unter der fraglosen Voraussetzung der Echtheit und frühen Abfassungszeit der Ignatianen −, die zahlreichen, von ihm aufgelisteten antignostischen Äußerungen im Smyrnäerbrief und den anderen Ignatianen183 als eine Reaktion auf entsprechende gnostische Tendenzen des letzten Drittels des ersten Jahrhunderts erklären zu können.184 Daß dies nicht mehr möglich ist, wenn man die Gnostiker als Valentinianer identifiziert, ist evident. Garciadiego betrachtet die Stelle im Smyrnäerbrief 8, 2 als jene, die uns die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs ›katholische Kirche‹ erkennen läßt,185 und bestimmt den Sinn des Epithets ›katholisch‹ als »excelencia y diferencia«.186 Die »Vortrefflichkeit« oder auch »Vollkommenheit« (»perfeccio´n«) sieht er darin begründet, daß die Kirche − im Unterschied zu den Häretikern − »Jesus Christus besitzt« und zwar den ganzen Jesus Christus, daß sie vollständig seine Lehre besitzt.187 Das ist für Ignatius gewiß richtig erkannt; aber die ursprüngliche Bedeutung des Kirchenprädikats ›katholisch‹ ist (mit der »diferencia«) doch wohl nur zur Hälfte erfaßt.188 180 Dieses Thema wird in der Münchener Dissertation von Herbert Schmid 2007 über die Sakramente im Philippusevangelium gründlich behandelt. 181 Vgl. Garciadiego 1953, 117–129, besonders 118; 121; 125; 129. 182 Vgl. Garciadiego 1953, 118 f. 183 Vgl. Garciadiego 1953, 119–121. 184 Vgl. Garciadiego 1953, 118 f. 185 Vgl. Garciadiego 1953; 117: »el primitivo valor«; vgl. 127. 186 Vgl. Garciadiego 1953, 125: »En conclusio´n: nuestro epı´teto en Smyrn. 8, 2 tiene manifiestamente un alcane discriminativo, en cuanto tal epı´teto a lo menos se aplica a la Iglesia en un contexto en que e´sta se contrapone a los conventı´culos here´ticos, para exaltar su excelencia y diferencia.« Vgl. ebd. 129. 187 Garciadiego 1953, 126 f. 188 Garciadiegos 1953 in Mexiko erschienene Dissertation ist in Deutschland schwer zugänglich und wohl deshalb in der wissenschaftlichen Diskussion kaum berücksichtigt worden. Auf sie stützt sich immerhin Beinert 1964, 36–47, bei seiner Interpretation der Smyrnäerbriefstelle. Obwohl er die Frage offen läßt, ob der Bischof oder ein anderer »die Formel ›katholische Kirche‹ geprägt hat« (ebd. 41), glaubt er doch, ihren ursprünglichen Sinn gefunden zu haben, wenn er die Katholizität der Kirche bei Ignatius (und im Martyrium Polycarpi) als »die Begabung mit der allumfassenden Lebensfülle Christi«, »die Fülle der Gnade und Wahrheit Christi« bestimmt (ebd. 45). Die antihäretische Bedeutung hält er für »sekundär« (ebd. 42). Da diese Inhaltsbestimmung durch eher systematische Überlegungen ohne exakte Textbelege gewonnen ist, bleibt sie zu wenig konkret. − P. Stockmeier 1973, 66 Anm. 13, nennt zwar die Arbeit von Garciadiego, konnte sie aber wohl nicht einsehen, da er − ohne Auseinandersetzung − zu einem entgegengesetzten Ergebnis gelangt. Der Begriff ›katholisch‹ sei beim »sprachschöpferische(n) Antiochener« (ebd. 64) »nur in sekun-
Schluß
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Schluß Es hat sich gezeigt, daß bei der hier vorgenommenen zeitlichen und räumlichen Einordnung der frühesten Zeugnisse für den Ausdruck ›katholische Kirche‹ ein kohärentes, jedenfalls zwanglos nachvollziehbares Ergebnis erreicht wird. Als die ersten Belege haben danach das Martyrium Polycarpi (Texte 1–4) und der Smyrnäerbrief des sogenannten Ignatius von Antiochien (Text 5) zu gelten. Das Polykarpmartyrium ist in der Zeit um 160/170 in Smyrna geschrieben worden, die Ignatianen wurden wohl ebenfalls in Smyrna oder nahebei um 175 herum verfaßt. In diesem Raum und nicht allzu lange vor der Veröffentlichung dieser Schriften (zwischen circa 150 und 160/170) scheint der Begriff ›katholische Kirche‹ in einer Situation akuter Auseinandersetzung mit wahrscheinlich valentinianischen Gnostikern von einem Theologen geprägt worden zu sein, einer Situation, die bereits in den − hier um die Mitte des zweiten Jahrhunderts datierten und in denselben geographischen Raum gesetzten − Pastoralbriefen erkennbar ist. An Hand der Texte dieser Zeit konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß der Begriff ›katholische Kirche‹ einen antignostischen Ursprung hat und jene Kirche bezeichnet, die − im Unterschied zu den genannten Gnostikern − das Heil, das heißt für die damaligen Menschen präzise: das ewige Leben, nicht nur partikulär den die Gnosis besitzenden Pneumatikern, sondern umfassend (›katholisch‹) allen Menschen gewährleisten kann, und zwar deswegen, weil sie die Kirche des alle Menschen zum ewigen Leben berufenden Gottes ist, wie das zuerst in den Pastoralbriefen nachdrücklich verkündet wird. Die Bürgschaft für Gottes »katholisches Heil« − so heißt es tatsächlich an zwei Stellen der zeitgenössischen christlichen Literatur −, kennzeichnet diese Kirche − in Abgrenzung von anderen − als ›katholische Kirche‹, ein Titel, der zugleich für die Ortskirche wie für die Gesamtkirche gilt. Der Begriff ›katholisch‹ enthält also − das hat Th. Keim richtig gesehen189 − ein negativ-polemisches und ein positives Element, welches F. Kattenbusch zutreffend mit den Worten: Kirche »für alle« bestimmt hat.190 In dieser positiven Bedeutung entspricht das Kirchenattribut ›katholisch‹, das nicht in der Schrift steht, durchaus dem, was der Neutestamentler H. Merklein als evangeliumsgemäß festgestellt hat.191 Die Ausbildung dessen, was gemeinhin als die grundlegenden Merkmale des ›Katholischen‹ gilt (Schriftkanon, Glaubensregel, Amt), vollzieht sich dabei foldärer Weise« antihäretisch gemeint (ebd. 68), bezeichne »positiv die in Christus gründende Fülle der Kirche« (ebd. 71), komme aber nicht − wenigstens nicht primär − den lokalen Gemeinden zu, sondern meine »zunächst jene transzendente Kirche . . ., die von Christus repräsentiert wird« (ebd. 74; vgl. 70 f.). − Kritisch gegenüber der Deutung Stockmeiers: Staats 1986, 253 f. 189 Vgl. Keim 1878, 114. 190 Kattenbusch 1900, 923. 191 Vgl. Merklein 1996.
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gerichtig, läßt aber eine aufschlußreiche zeitliche Entwicklung erkennen. Die apostolische Tradition des in den inspirierten Schriften bezeugten universalen Heilswillens Gottes verlangt den in der apostolischen Sukzession stehenden, öffentlich beglaubigten Lehrer als Übermittler, Verteidiger und Interpreten, der die lebenspendende Botschaft des Evangeliums in der (antignostischen) Glaubensformel konzentriert. Dieses Stadium ist in den Pastoralbriefen schon kräftig angebahnt, im Polykarpmartyrium erscheint es in Vollgestalt. In dieser Zeit erfolgt zugleich der Wechsel von der kollegialen Gemeindeleitung zum Mon* episkopat, der erstmals im Martyrium Polycarpi 16 (Text 3) angedeutet ist (wo Polykarp als »Bischof der katholischen Kirche in Smyrna« tituliert wird) und der nicht viele Jahre später in den Ignatianen in seiner nachhaltigen Gestalt propagiert wird. Auch hier, im Smyrnäerbrief 8 (Text 5), wird der Bischof (Polykarp von Smyrna!) in einem Atemzug mit der »katholischen Kirche« genannt. Katholische Kirche und Monepiskopat erscheinen in diesen beiden frühesten Zeugnissen ihres Vorkommens gemeinsam am selben Ort, verbunden mit derselben Person. Ist es zuviel gefolgert, wenn man annimmt, daß sie sich zusammen zu gleicher Zeit im Raume Smyrna ausgebildet haben? Als letztes tritt − wohl ebenfalls in Konkurrenz und Auseinandersetzung mit den Gnostikern − das Sakramentale hinzu, das eine geschichtsträchtige Verschiebung bringt: Taufe und Eucharistie werden verstanden als die pha´rmaka, die ewiges Leben garantieren. Ihre wirksame Spendung erfordert den dafür zuverlässig ausgewiesenen, vollmächtigen Verwalter, den einzigen Bischof in der Gemeinde. Dieses Stadium ist in den Ignatianen manifest: Die ›katholische Kirche‹ ist jetzt jene, welche die unverfälschte apostolische Lehre und vor allem das universale Heilsinstrument im Bischof besitzt. Inwieweit das Verlangen nach einem sicheren Sakramentenempfang die Ausbildung des Monepiskopats gefördert und dessen Gestalt geformt hat, ist eine noch nicht beantwortete Frage, die weiterer Klärung bedarf.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
Addenda et Corrigenda S. 98 Anm. 14* Ch. Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen 2007, 231–234, berichtet kritisch über die Diskussion der These von Hahnemann. Er kommt, wie die meisten Autoren, zum Schluß, daß die »Mehrzahl der Argumente . . . nach wie vor für eine Datierung um 200 n. Chr.« spreche (S. 234). Aus diesem Grunde werden im Folgenden die zwei oder drei Stellen, an denen im Muratorischen Fragment die ecclesia catholica genannt wird, im Zusammenhang zitiert. Zur Beurteilung genügt die deutsche Übersetzung, die ich von W. Schneemelcher aus der »Haupteinleitung« zu seiner Ausgabe der NTApo 5I, 1987, 29, übernehme (die deutsche Übersetzung von Ch. Markschies, NTApo 7I, 1 [2012], 120, weicht an wenigen Stellen von der Übersetzung Schneemelchers ab). Der unbekannte Verfasser wendet sich nach dem Bericht über die Apostelgeschichte (»die Taten aller Apostel«) des Lukas den Briefen des Paulus zu und erklärt, daß dieser, der »Regel« (ordine¯ ) des Johannes (scil. in der Apokalypse) folgend, namentlich an sieben Kirchen geschrieben habe: (46) »Über sie müssen wir einzeln (47) handeln, da der selige (48) Apostel Paulus selbst, der Regel seines Vorgängers (49) Johannes folgend, mit Namensnennung nur an sieben (50) Gemeinden (ecclesiis) schreibt in folgender Ordnung: an die Korinther (51) der erste (Brief), an die Epheser der zweite, an die Philipper (52) der dritte, an die Kolosser der vierte, an die Galater der (53) fünfte, an die Thessalonicher der sechste, an die Römer (54) der siebente. Aber wenn auch an die Korinther und an die Thessa- (55) lonicher zu ihrer Zurechtweisung noch einmal geschrieben wird, (56) so ist doch deutlich erkennbar, daß eine Gemeinde (ecclesia) über den ganzen Erdkreis (57) verstreut ist. Denn auch Johannes in der (58) Offenbarung schreibt zwar an sieben Gemeinden, (59) redet jedoch zu allen. Aber an Philemon einer (60) und an Titus einer und an Timotheus zwei, aus Zuneigung (61) und Liebe (geschrieben), sind doch zu Ehren der katholischen Kirche (ecclesiae catholicae) (62) zur Ordnung der kirchlichen (63) Zucht heilig gehalten. Es läuft auch (ein Brief) an (64) die Laodicener, ein anderer an die Alexandriner um, auf des Paulus (65) Namen gefälscht für die Sekte des Markion, und anderes mehr, (66) was nicht in die katholische Kirche (in catholicam ecclesiam) aufgenommen werden (67) kann; denn, Galle mit Honig zu mischen, geht nicht (68) an. Ferner werden ein Brief des Judas und zwei mit der Aufschrift (oder: zwei des oben erwähnten) (69) Johannes in der katholischen Kirche (in catholica) gehalten . . .«
So wie der Verfasser den Ausdruck »katholische Kirche« verwendet, entspricht dieser ziemlich genau dem des (ca. 193 n. Chr. schreibenden) Anonymus antimontanista, den Eusebius zitiert (weiter unten Text 6): »Die katholische und die ganze unter dem Himmel verbreitete Kirche« distanziert sich von dem sie lästernden Geist (der Schriften) der Montanisten, heißt es da. Ebenso wird im Muratorianum die »eine über den ganzen Erdkreis« verbreitete Kirche (Z. 55 f.) als die katholische bezeichnet (Z. 61 und 66; Z. 69 ist der Text unsicher), welche die häretischen Schriftfälschungen der Markioniten und anderer (Z. 63–65) ausscheidet. Unter diesen anderen werden in einer historisch wirr anmutenden Zusammenstellung auch Valentin, Basilides und die »Kataphryger« (also die Montanisten) genannt. (Eine entwirrende Interpretation gibt Ch. Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 233 f.; ausführliche Deutung: H. Frhr. von Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, Tübingen 1968, 282–303). Der polemische Akzent des Ausdrucks »katholische Kirche« ist manifest, seine Entstehung scheint, an den Namen erkennbar, noch nicht lange zurückzuliegen; siehe dazu weiter unten bei Anm. 81 bis 85).
Addenda et Corrigenda
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S. 100* Im Jahre 2014 hat O. Zwierlein auf der Grundlage umfassender chronologischer, überlieferungsgeschichtlicher und echtheitskritischer Untersuchungen eine neue kritische Edition des Martyrium Polycarpi vorgelegt, die alle bisherigen Ausgaben als überholt erweist: Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum, Bd. 1: Editiones criticae, mit armenisch-deutschem Text und englischer Übersetzung von Daniel Kölligan; Bd. 2: Textgeschichte und Rekonstruktion. Polykarp, Ignatius und der Redaktor Ps.Pionius, WALG 116, Berlin/Boston 2014. Zwierleins Untersuchungen haben ergeben, daß das Polykarp-Martyrium und das Pionius-Martyrium ihre letzte Gestalt, nach mehrfachen vorhergehenden Überarbeitungen, in einer Zusammenstellung von »Polykarp-Schriften« erhalten haben, welche ein um 400 n. Chr. tätiger Redaktor, der sich Pionius nannte, mitsamt einer von ihm verfaßten Polykarpvita veranstaltete. Auf ihn gehen zahlreiche, nicht leicht auszuscheidende Interpolationen in den beiden Martyria zurück. Den entscheidenden Durchbruch für die Ermittlung der verschiedenen Redaktionsstufen und die Rekonstruktion der Urfassung des Martyrium Polycarpi brachte eine altarmenische Fassung dieses Textes, welche einen »der Urfassung des Polykarpmartyriums sehr nahen Kurztext« darstellt, den Zwierlein (Bd. 1, S. 2 f.) der ersten Ausgabe von Eusebs Kirchengeschichte (um 295 n. Chr.) zuordnet. Die kritische Edition (Bd. 1, S. 12–44) bietet im Parallel-Druck 1. die erschlossene Urfassung des Martyrium Polycarpi, 2. dessen aus den Jahren ca. 307–312 n. Chr. stammende Rezension, 3. die von Ps.-Pionius ca. 400 n. Chr. redigierte Fassung, sowie 4. den Text der Hist. eccl. IV, 15 des Eusebius von Caesarea nach der Edition von E. Schwartz. Aus der kritischen Edition Zwierleins ergibt sich, daß sämtliche (hier als Texte 1–4 gezählten) Stellen, an denen der Ausdruck »Katholische Kirche« steht, in der »Urfassung« und in der altarmenischen Übersetzung fehlen. Die Texte 2 und 3 gehören der Rezension des Martyriums aus den Jahren ca. 307–312 an, die »wie es scheint, nach der Verfolgung des Diocletian oder des Galerius erweitert und interpoliert worden« sei (Zwierlein, Bd. 1, S. 12). Text 1, die Inscriptio, ist von diesem Redaktor lediglich mit dem Zusatz και` καϑολικη ῀ ς nach α῾γι´ας interpoliert worden. Text 4 (Mart. Polyc. 19, 2, ed. Zwierlein, Bd. 1, S. 40) ist vollständig Produkt des um 400 n Chr. redigierenden Ps. Pionius. Damit entfallen die hier als älteste angeführten Belege für den Ausdruck »katholische Kirche«. Gleichwohl ist der anschließende Bericht über die Forschungsgeschichte aufschlußreich, weil er zeigt, wie schwierig Chronologie und Bedeutung dieser Texte ohne hinreichende kritische Edition zu bestimmen sind, und wie scharfsichtig − trotz dieser widrigen Situation − einige Forscher aufgrund ihrer hervorragenden Quellenkenntnis geurteilt haben: Th. Keim datiert die Ignatianen, auch wegen des Vorkommens des damals noch seltenen Wortes »katholische Kirche« nach 180, das Martyrium Polycarpi, unter anderem wegen des häufigen Gebrauchs dieses Titels, in die Zeit um 250 (siehe unten bei Anm. 40 ff.). A. Harnack erklärte alle Vorkommen dieses Ausdrucks, der für ihn »rechtgläubig« bedeutete, im Polycarpmartyrium für interpoliert (siehe unten bei Anm. 53). (Rezipiert wurden diese Thesen in der folgenden Forschung nicht.) Bei den alten Forschern Th. Keim und F. Kattenbusch finden sich auch die m. E. treffenden Aussagen über die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks, der einerseits einen polemisch-abgrenzenden Akzent hat, zugleich aber auch einen universal-einenden: Die katholische Kirche grenzt sich gegen eine partikuläre (häretische) Gemeinde ab, steht aber allen, das umfassende »katholische« Heil verbürgend, offen (S. 16). Die auf die Forschungsgeschichte folgende Befragung der Quellen, gegen welche Abweichler die Formulierung »katholische Kirche« gebildet wurde, und der Nachweis für eine ursprünglich anti-gnostische Ausrichtung (Abschnitte V-VIII) bleiben − bis auf einige an Ort und Stelle vermerkte Corrigenda − unberührt davon, daß die Texte 1–4 aus dem Polykarpmartyrium nicht die frühesten Vorkommen darstellen. − O. Zwierlein, Die Urfassungen, Bd. 2, S. 256–262, diskutiert Ursprung und Bedeutungsgeschichte der Bezeichnung »Katholische Kirche«, wie sie sich ihm nach der − durch seine kritische Edition und Studien bedingten − neuen Chronologie der Texte ergeben.
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Zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹
S. 110* Kapitel 20 mit dem Namen Marcion gehört zum »Corollarium Pseudo-Pionii de fictis libelli fatis« (ed. Zwierlein, Urfassungen, Bd. 1, S. 41). S. 111 mit Anm. 67* und S. 131*, S. 134*. Wie oben in den »Addenda« zu S. 7 dargelegt, gehören sämtliche Stellen, an denen im Polykarp-Martyrium von der »katholischen Kirche« die Rede ist, einer Rezension vom Anfang des 4. Jahrhunderts an. Das betrifft ebenso den Bischofstitel und die paulinischen, aus 1 Kor 12, 28 f. abgeleiteten, Prädikate, die MartPol 16, 2 mit dem Titel verbunden werden. Diese Stelle ist also nicht die literarisch älteste, an der ein einziger in der Gemeinde als Bischof bezeichnet wird, und zeigt auch nicht, wie in Anm. 67 gesagt, »das Anfanghafte dieser Übung«, sondern belegt, daß die Formulierung auf einen theologisch gut geschulten und überlegenden Kopf späterer Zeit zurückgeht. Irenaeus, Adv. haer. III, 3, 4 (SC 211, 38, 67–70 R./D.) sagt, daß Polykarp »von den Aposteln in der Kirche von Smyrna als episcopus eingesetzt« worden sei; aber noch in seinem Brief an den aus der Asia stammenden Florinus in Rom (ca. 195?) bezeichnet er den Polykarp als μακα´ριος και` α᾽ποστολικο`ς πρεσβυ´τερος (bei Eusebius, Hist. eccl. V, 20, 7 [GCS NF 6/1, 484, 14 f. Sch.]). Polykrates von Ephesus nennt um dieselbe Zeit in seinem Brief an Viktor von Rom den Polykarp von Smyrna και` ε᾽πι´σκοπος και` μα´ρτυς (bei Eusebius, Hist. eccl. V, 24, 4 [GCS NF 6/1, 490, 22 Sch.]). S. 114 Anm. 76* Die Autoren, die Kap. 4 des Polykarpmartyriums für eine spätere Interpolation halten, werden durch die kritische Edition von O. Zwierlein, Urfassungen, Bd. 1, S. 20, bestätigt: Dieses Kapitel gehört der Rezension α (ca. 307–312 n. Chr.) an, der letzte Satz sogar der des Ps-Pionius. S. 115 Anm. 80* Das Fehlen des Ausdrucks ›katholische Kirche‹ bei Irenaeus erklärt sich jetzt unkomplizierter: In der ›Urfassung‹ des Polykarp-Martyriums, die Irenaeus zweifellos kannte, kommt dieser Ausdruck nicht vor. S. 115 f. Anm. 85* Sowohl die Nennung der Phrygier wie die der Markioniten fehlt in der ›Urfassung‹ des Martyrium Pionii, ed. Zwierlein, Urfassungen, Bd. 1, S. 95; 111. − Sämtliche anschließend in der Fußnote 85 genannten Vorkommen der Worte ›katholisch‹ und ›Katholik‹ im Martyrium Pionii stehen nicht in dessen ›Urfassung‹, sondern gehören der Rezension des Pionius und Späterer an. Sie besagen also nichts für die Abfassungszeit des Martyriums (kurz nach 250). Zwierlein, Urfassungen, Bd. 2, S. 91 f., führt alle Stellen auf und rechnet sie dem »Sprachgebrauch der Wende des 4. zum 5. Jh.« zu. S. 117 Anm. 87* Bei der Ausarbeitung dieser Studie habe ich bedauerlicherweise die Ausführungen zu den ältesten Zeugnissen für »catholica ecclesia« in H. Koch, Cyprianische Untersuchungen, AKG 4, Bonn 1926, 104 f. Anm. 1, übersehen. Koch führt alle auch hier genannten Stellen des Vorkommens des Adjektivs »catholica« bei Tertullian an und belegt mit parallelen Texten, daß Adv. Marc. IV, 4, 3 (CChr.SL 1, 550, 13 f. Kroymann): ». . . pecuniam in primo calore fidei catholicae ecclesiae contulit« das Wort »catholicae« wahrscheinlicher zu »fidei« als zu »ecclesiae« gehört. Sonst kommt der Ausdruck catholica ecclesia bei Tertullian nicht mehr vor. Kochs gegen Ende seiner Anmerkung geäußerte Vermutung, daß die »bündige Bezeichnung . . . wohl zuerst im Volksmunde« aufkam und »dann allmählich in die Schriftsprache Eingang« fand, leuchtet dagegen weniger ein als die hier weiter geführten Überlegungen von Th. Keim und F. Kattenbusch.
Addenda et Corrigenda
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S. 119 Anm. 95* Sowohl MPol 8, 1 wie 17, 2 gehören der Rezension α von ca. 307–312 an (ed. Zwierlein, Urfassungen Bd. 1, S. 24 f., 38), entfallen also als Beleg für die frühe Zeit. Darüber hinaus waren sie von mir zu Unrecht als Zeugnis für den universalen Heilswillen Gottes angeführt worden, denn es ist da nur »vom Heil der Geretteten der ganzen Welt« und dem der »ganzen katholischen Kirche«, aber nicht »aller Menschen«, wie in den folgenden Texten aus den Pastoralbriefen und anderen Schriften, die Rede. Entsprechend sind weiter unten die Aussagen bei Anm. 157 und 158 zu korrigieren. S. 131* und S. 134* Siehe Addenda zu Anm. 67.
Acta Iohannis, Kapitel 94 –102 und 109: gnostisch oder monarchianisch? Die Nachwirkungen der paradoxen Antithesen des Noe¨t von Smyrna Inhaltsübersicht 0. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Der Grundstock der Acta Iohannis: theologischer Charakter, Verfasser, Adressaten − Ort und Zeit der Abfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
1. 2. 3. 4. 5.
Gottesauffassung . . . . . . . . Inkarnation und Passion? . . . . Sakramente, liturgische Feiern? Autor und Adressaten . . . . . Ort und Zeit der Abfassung . .
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150 156 159 161 165
II. Sind die Kap. 94–102 und 109 der Acta Iohannis gnostisch oder monarchianisch? 169
. . . . . . . . . . .
169
2. Die paradoxen Antithesen Acta Iohannis Kap. 101 . . . . . . . . . . . . . . .
183
a) Die antithetischen Passionsaussagen Kap. 101, 7–11: monarchianische Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Die Passions-Antithesen bei Manichäern und Audianern . . . . . . b) Das Todesleiden des Logos Kap. 101, 12–16: monarchianische Parallelen .
185 193 195
3. Die paradoxen Antithesen im »Christushymnus« Kapitel 94–96 . . . . . . . .
202
1. Argumente jüngerer Zeit für den gnostischen Charakter
a) Die gnostische Deutung durch Junod/Kaestli . . . . . . b) Parallelen bei Noe¨t von Smyrna . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung zu Kapitel 94–96 und Weiterführung d) »Charis«, »Ogdoas«, »Zwölfzahl« − Gnostischer Mythos im Christushymnus Kap. 94–96? . . . . . . . . . . . . .
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. III. Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein Autor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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205 212 219 222 232 232 235
Vorbemerkung Die Frage nach dem theologischen Charakter der Kap. 94–102 und 109 der Johannesakten ergab sich bei einer Untersuchung der ältesten frühchristlichen Eucharistiegebete, welche wir in der Didache, den Petrus-, Thomas- und Johannesakten finden. In diesen letzteren stehen zwei solche Gebete, jeweils innerhalb der Berichte über eine Eucharistiefeier des Apostels, eines in Kap. 85,
148 das andere in Kap. 109. Dieses Kap. 109 zählt mit den Kap. 94–102 zu den Textstücken, die nach Auffassung der überwiegenden Anzahl der Forscher einen grundsätzlich anderen theologischen Charakter haben als der sog. »Grundstock«, der die Hauptmasse der Johannesakten bildet; diese Kapitel seien christlich-gnostisch, sehr wahrscheinlich später abgefaßt und vom selben oder einem zweiten Autor in den vorhandenen Textbestand eingeschoben worden. Seit dem Erscheinen der von einem ausführlichen Kommentar begleiteten maßgeblichen kritischen Edition der Acta Iohannis durch Eric Junod und Jean-Daniel Kaestli (1983) kann diese These, für welche die beiden Autoren eintreten, als communis opinio gelten.1 Die vorliegende Untersuchung ist eigentlich eine Vorarbeit zu der geplanten Studie über die frühchristlichen Eucharistiegebete, denn um eine möglichst angemessene Interpretation des Eucharistiegebetes in ActIoh 109 zu gewinnen, 1 Die kritische Edition mit französischer Übersetzung und ausführlichem Kommentar bieten E. Junod/J.-D. Kaestli, Acta Iohannis, Tom. I: Praefatio-Textus, Tom. II: Textus alii − commentarii − indices, CCSA 1–2, Turnhout 1983. − Ich zitiere den Text der Act Ioh, wenn nicht anders angegeben, nach dieser Edition, und zwar unter Angabe der Kapitelund Zeilenzahl. Auf die erläuternden Anmerkungen und den Kommentar verweise ich unter Nennung der Autoren, des Titels, der Tomus- und Seitenzahl (Junod/Kaestli, ActIoh, I, . . .). − Die kritische Edition von Junod/Kaestli hat die von M. Bonnet in der Reihe der Acta Apostolorum Apocrypha (= AAA), Bd. II/1, Hildesheim/New York 1972 (= Leipzig 1898), 151–216, abgelöst; auch auf diese Edition wird gelegentlich Bezug genommen. − Lehrreich sind immer noch die deutsche Übersetzung und die Anmerkungen von G. Schimmelpfeng und E. Hennecke, Johannesakten, in: E. Hennecke (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung und mit Einleitungen, Tübingen/Leipzig 1904, 423–459, sowie in desselben Herausgebers »Handbuch zu den Neutestamentlichen Apokryphen – Billige Ausgabe«, Tübingen 1914 [=1904], 492–543: Johannesakten. − Die einschlägige deutsche Übersetzung samt Einleitung stammt von K. Schäferdiek, Johannesakten, in: E. Hennecke−W. Schneemelcher (Hgg.), Neutestamentliche Apokryphen II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 31964, 125–176, und (wesentlich ergänzt und verbessert aufgrund der kritischen Edition von Junod/Kaestli), in: W. Schneemelcher (Hg.), NTApo II5, 1989, 138–190. − Gesamtwürdigungen geben E. Plümacher, Apokryphe Apostelakten, RESuppl 15, 1978, 11–70; E. Junod/J.-D. Kaestli, Le dossier des ›Actes de Jean‹: e´tat de la question et perspectives nouvelles, ANRW II. 25. 6, 1988, 4293–4362. Die Autoren weisen ebd. 4293 darauf hin, daß diese Studie vor der Redaktion ihrer ›Acta Iohannis‹ beendet wurde; auf diese solle man sich beziehen, um für den größten Teil der Fragen ausführlichere Darlegungen zu finden. Deswegen wird im Folgenden nur ausnahmsweise auf diese Studie von 1988 hingewiesen; K. Schäferdiek, Johannes-Akten, in: RAC 18, 1998, 564–595; H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, Stuttgart 2005, 29–59. − Einen kritischen Forschungsbericht bietet A. Jakab, Actes de Jean: E´tat da la recherche (1982–1999), RSLR 36, 2000, 299–334. − In einem 2013 erschienenen Aufsatz hat J.-D. Kaestli die in den »Acta Iohannis« (1983) vorgetragene Interpretation grundsätzlich aufrechterhalten und verteidigt: »Los Hechos de Juan. Cuestiones en debate acerca de la composicio´n del texto, du sus conceptiones cristolo´gicos, du sus relaciones con en cuarto evangelio y con la gnosis valentiniana«, in: P. de Navascue´s Benlloch/M. Crespo Losada/A. Sa´ez Gutie´rrez (Hg.), Filiacio´n V. Cultura pagana, religio´n de Israel, orı´gines del cristianesimo. Actas de las IX y X Jornadas de Estudio ›La filiacio´n en los inicios de la reflexio´n cristiana‹, Madrid 2013, 289–309. Auf Kaestlis Stellungnahme wird hier bei der Behandlung der einzelnen Themen hingewiesen.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis
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schien es mir notwendig zu sein, die Frage nach dem theologischen Charakter der eingeschobenen Kap. 94–102 und 109 zu klären. Entgegen meiner ursprünglichen und lange bewahrten Tendenz, der, wie es mir anfangs schien, bestens begründeten Auffassung von Junod/Kaestli (und ihren Vorgängern und Nachfolgern) mich anzuschließen, ergab eine langwierige Untersuchung ein Ergebnis, welches der (von mir spät entdeckte) Carl Schmidt bereits 1903 (!) in seiner Studie »Die alten Petrusakten« entschieden formuliert hat: Die Johannesakten − einschließlich der fraglichen Kap. 94–102. 109 − gehören, ebenso wie die Petrusakten, zur Literatur des in den letzten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts lebendigen großkirchlichen Monarchianismus.2 Dies zu zeigen ist nicht möglich, ohne daß − wenigstens in den wesentlichen Zügen − der theologische Charakter des »Grundstocks« dargestellt wird. Dabei ergeben sich zugleich Hinweise, welche die Zeit der Abfassung abzugrenzen und die Autorenfrage (ein oder zwei Verfasser?) zu beantworten helfen. Dieser Aufgabe ist der 1. Teil der Untersuchung gewidmet.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis: theologischer Charakter, Verfasser, Adressaten − Ort und Zeit der Abfassung Die ActIoh sind nur unvollständig erhalten, es fehlt der Beginn, und es werden Lücken in unterschiedlichem Ausmaß angenommen.3 Der heute vorliegende Text ist aus verschiedenen Johannes-Traditionen zusammengesetzt und von einem oder mehreren Autoren oder Redaktoren bearbeitet worden. Die Überlieferung der jetzt vereinigten Stücke ist unterschiedlich, was zu Problemen der Anordnung führt. Aufgrund dieser Situation werden die Fragen nach Ort und Zeit der Abfassung oder Redaktion, nach der Anzahl der Bearbeiter, ihrem theologischen Charakter und ihren Intentionen gegenwärtig nicht übereinstimmend beantwortet. Hier soll vornehmlich die Frage nach dem theologischen Charakter der Kap. 94–102. 109 behandelt werden. Diese, wie es scheint, bereits fertig vorgeformten Stücke gelten nach fast einhelligem Urteil als ein redigierter Einschub in das sogenannte »Evangelium«, einen Selbstbericht des Johannes, welcher die Kap. 2 C. Schmidt, Die alten Petrusakten im Zusammenhang der apokryphen Apostellitteratur nebst einem neuentdeckten Fragment untersucht, TU 24, 1, Leipzig 1903, 124–129. 151. 3 Über Überlieferung, Bestand, Gliederung der ActIoh unterrichten ausführlich, außer Junod/Kaestli in ihrer kommentierten Edition, E. Plümacher, K. Schäferdiek und H.-J. Klauck in den oben Anm. 1 genannten Veröffentlichungen. P. J. Lalleman hat in seiner den Johannesakten gewidmeten großen Monographie: The Acts of John. A Two-Stage Initiation into Johannine Gnosticism, Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 4, Leuven 1998, 5–68, diese Fragen behandelt und gelangt zu einer von Schäferdiek und Junod/ Kaestli abweichenden Gliederung, siehe dazu die folgende Anmerkung.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
87–105 umfaßt und lediglich in einer einzigen Handschrift überliefert ist.4 Von diesem Einschub kann man mindestens sagen, daß er sehr viele in gnostischen Texten verwendete Begriffe, Formulierungen, Motive enthält. Die Frage ist nun, ob diese Kapitel tatsächlich im eigentlich gnostischen Sinn5 zu deuten sind und von einem zweiten Autor interpoliert wurden, der damit die gesamten Johannesakten gnostisch verstanden wissen wollte; oder ob diese Stücke nicht als gnostische Interpolation zu betrachten sind, sondern von dem einen Autor/Redaktor der ActIoh − aus welchen Gründen auch immer − in den bereits vorhandenen Text − »den Grundstock« − integriert wurden und in der Linie dieses Textes, der keinerlei gnostische Formulierungen aufweist, zu interpretierten sind. Für diesen »Grundstock« läßt sich eine weitgehend einheitliche theologische Ausrichtung feststellen. 1. Gottesauffassung Betrachtet man zunächst allein die für die Gottesauffassung kennzeichnenden Begriffe und Formulierungen, so wird man geneigt sein, den Verfasser und die angesprochenen Hörer oder Leser dem in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vorherrschenden kirchlichen Monarchianismus zuzurechnen: Der einzige wahre Gott ist der fast in jedem Kapitel mit »Herr«, »Gott«, »mein« (»dein«, »unser«, »euer«) Gott angeredete oder bezeichnete Jesus Christus. »Wir verherrlichen Dich . . ., heiliger Jesus, denn du bist allein Gott und kein anderer«, betet der Apostel Johannes.6 Auf Jesus Christus werden die biblischen und philoso4 Dieses nur in einer einzigen Handschrift überlieferte Stück, das M. Bonnet als Kap. 87– 105 beziffert hat und zwischen Kap. 98 und 106 des von ihm rekonstruierten Grundtextes eingeordnet hat, wurde von K. Schäferdiek mit überzeugend wirkenden Argumenten (unter Beibehaltung der Kapitel Zählung Bonnets) zwischen die Kap. 36 und 37 plaziert, wobei er nach Kap. 36 einen größeren Textausfall annimmt (in: NTApo II3, 1964, 123– 134). E. Junod und J.-D. Kaestli haben in der Praefatio zu ihrer Edition mit weiteren Begründungen ebenso entschieden (CCSA 1, 72–75). P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 25–28, ist aufgrund einer neuerlichen Strukturanalyse zur Einordnung Bonnets zurückgekehrt. Die Frage kann hier offen bleiben; für die im Folgenden behandelten Themen ist sie ohne entscheidendes Gewicht. 5 Zu der Frage, was hier als Gnosis und gnostisch im eigentlichen Sinn gelten soll, und ob der Valentinianismus und seine Ableger als gnostisch zu betrachten seien, siehe weiter unten die Erörterung in Anm. 108. 6 ActIoh 77, 16–19: δοξα´ζομε´ν σε . . . α῞γιε ᾽Ιησου῀, ο῞τι συ` μο´νος ϑεο`ς και` ου᾽χ ε῞τερος. Es gibt zahlreiche ähnliche Aussagen; vgl. z. B. Kap. 42, 7–8: Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιωα´ννου, ει῟ς ϑεο`ς ο῾ ῀ ν ϑεο´ς, . . . ο῾ ε᾽λεω ῀ ν η῾μα ῀ ς, ο῞τι συ` μο´νος ϑεο´ς. Kap. 107,1–5: μη` ου῏ν λυπει´σϑω ο῾ α᾽γαϑο`ς υ῾μω μο´νος, ο῾ ει῟ς, . . . ο῾ πα´σης λεγομε´νης και` νοουμε´νης προσηγορι´ας α᾽νω´τερος και` υ῾ψηλο´τερος ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. − Der Formulierung in ActIoh 77, 16–19 gleicht sehr − bis auf zwei Wörter − das monarchianische Bekenntnis des römischen Bischofs Zephyrin, das uns Hippolyt, Ref. IX, 11, 3 (GCS Hippolytus III, 246, 2 f. Wendland) aufbewahrt hat: »Ich kenne einen einzigen Gott, Christus Jesus, und außer ihm, dem gezeugten und leidensfähigen, keinen anderen.« Die Äquivalente zu den Worten »gezeugt und leidensfähig« fehlen im Text der ActIoh, das wird noch zu erörtern sein. − Daß die Formulierung ActIoh 77, 16–19 ihr Vorbild in MartPetri 10, 4 hat, haben K. Sier und O. Zwierlein gezeigt, siehe dazu
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 1. Gottesauffassung
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phischen Gottesprädikate übertragen. Er ist »König«, der »Herrscher des Alls«, ihn fürchten alle irdischen, überirdischen und unterirdischen Mächte, die gesamte Schöpfung, durch die er sich (als Schöpfer) erkennen läßt, gehorcht ihm.7 Dieser alleinige und einzige, höchste Gott Jesus Christus (Kap. 107) wird im folgenden Kap. 108 von Johannes mit diesen Worten angefleht: ». . . der Du der alleinige Beschützer Deiner Knechte bist und der alleinige Arzt, der umsonst heilt; allein Erbarmer und die Menschen liebend; allein Erlöser und Gerechter (vgl. Jes 45, 21!); der Du immer bist und in allen bist und überall gegenwärtig, das All umfassest und das All erfüllst, Gott Herr Jesus Christus.«8 Das sind sozusagen klassische monarchianische Aussagen. Daß der einzige Gott, außer dem es keinen anderen gibt, der alleinige Erlöser (σωτη´ρ) und Gerechte (δι´καιος) ist, wird in Jes 45, 21 (LXX) gesagt. Dieser Vers kann als einer der wichtigen Schriftbelege der Monarchianer für den Erlöser Jesus Christus als den einzigen wahren Gott gelten.9 Der Autor verdankt dieses Zitat auch eher einer monarchianischen Tradition, da er vom Alten Testament kaum Gebrauch macht.10 Und wenn der Gott und Herr Jesus Christus als der »alleinige Arzt« gepriesen wird, dann hat das seine engste Parallele beim monarchianischen Verfasser des Christus-Hymnus IgnEph 7, 211: »Ein einziger ist Arzt, . . . Gott, . . . Jesus Christus, unser Herr.«12 weiter unten Anm. 81. − Zum Monarchianismus des 2. Jahrhunderts siehe den Aufsatz: Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς, in: R. M. Hübner, Der paradoxe Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, mit einem Beitrag von M. Vinzent, SVigChr 50, Leiden/ Boston/Köln 1999, 207–240, sowie die übrigen Beiträge dieses Bandes. − Die soziolinguistische Methode, mit der J. A. Snyder, Language and Identity in Ancient Narratives. The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the Acts of the Apostles, Acts of John, and Acts of Philipp, WUNT II/370, Tübingen 2014, 109–141, die Art und Weise untersucht, in der in zwei Handschriften der Johannesakten (= RZ) verschiedene Sprecher gegenüber verschiedenen Adressaten von »Jesus/Gott« reden, scheint mir für die hier vorgetragene monarchianische Deutung keinerlei neue Aspekte zu ergeben. 7 Vgl. u. a. ActIoh 22, 8. 12; 23, 2–6; 79, 8–14; 107, 1–5; 112, 4–5. 14–17. 8 ActIoh 108, 4–9. − Das Wort μο´νος, »der alleinige«, steht an dieser Stelle aus stilistischen Gründen jeweils nur vor dem ersten Substantiv oder Adjektiv, gilt aber selbstverständlich auch für das jeweils folgende Substantiv oder Adjektiv. 9 Siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradoxe Eine (wie Anm. 6), Register 287, s. v. Jes 45, 21. E. Plümacher, Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hg. von J. Schröter und R. Brucker, WUNT 170, Tübingen 2004, 272 f., sieht in dem Titel: »der alleinige Erlöser und Gerechte« ebenso wie in den anderen in ActIoh 108, 5–7 allein dem einzigen Gott Jesus Christus zugeschriebenen Tugenden eine Polemik gegen den (diese Titel und Tugenden beanspruchenden) Kaiser. Das kann sehr gut zutreffen. 10 Siehe dazu: I. Karasszon, Old Testament quotations in the Acts of Andrew and John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, Studies in the Apocryphal Acts of the Apostles 1, Kampen 1995, 57–71, hier 67–70 (mit wohl doch zu positiver Einschätzung der Kenntnisse des AT beim Autor der ActIoh). Jes 45, 21 wird von Karasszon nicht erwähnt. 11 Die monarchianische Interpretation und die Datierung der sieben Ignatiusbriefe spielt im Zusammenhang mit den Johannesakten (wie auch mit einem Großteil der christlichen Literatur der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts) eine bedeutende Rolle. Vgl. dazu oben S. 3–7.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Als monarchianisch läßt sich auch die Bezeichnung Jesu Christi als »Vater« werten.13 Und in den die längste Rede des Johannes abschließenden Worten in Kap. 104: (Ich verkünde euch nicht einen Menschen, sondern einen unwandelbaren Gott etc.) begegnet ein Begriff, der sich, soweit aufgrund der bisherigen Quellenlage erkennbar ist, erst seit dem von Hippolyt als monarchianischen Erzketzer gebrandmarkten Noe¨t von Smyrna in den Gottesprädikaten verbreitet hat. Johannes beendet seine Mitteilungen, den sog. Evangeliumsbericht, folgendermaßen: »Seid nun auch ihr, Geliebte, überzeugt, daß ich euch nicht einen Menschen zu verehren verkünde, sondern einen unwandelbaren Gott, einen ›ungreifbaren‹ Gott (ϑεο`ν α᾽κρα´τητον), einen Gott höher als jede Gewalt und jede Macht und alle Engel und genannten und gedachten Schöpfungen und älter und stärker als sämtliche Äonen.«14 Der hier als Gottesprädikat verwendete Begriff α᾽κρα´τητος findet sich in dieser Funktion − wenn man von gnostischen Texten absieht − erstmals in der mit paradoxen Antithesen gebauten Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna, der äl12 Als Arzt wird Jesus in der christlichen Literatur seit dem 2. Jh. häufig bezeichnet, in den ActIoh bereits in Kap. 22, 5 f. Die wörtliche Bezeichnung als »alleiniger« oder »einziger« Arzt begegnet im 2. Jh. meines Wissens nur ActIoh 108 und IgnEph 7, 2; siehe dazu R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 174 f. (Lit.). − Daß IgnEph 7, 2 vermutlich eine konkurrierende Formulierung zu dem − von Aelius Aristides, Or. 47, 57, als »dem wahren Arzt« gepriesenen − Gott Asklepios sei, hat K. H. Rengstorf, Die Anfänge der Auseinandersetzung zwischen Christusglaube und Asklepiosfrömmigkeit, Münster 1953, 15, erklärt. E. Plümacher, Geschichte und Geschichten (wie Anm. 9), 272 f., sieht in der Epiklese ActIoh 108 (»alleiniger Arzt, der umsonst heilt«) eine Kritik an dem als gewinnsüchtig geltenden Asklepios. − Eine sachlich äquivalente, aber nicht wörtlich gleiche Parallele könnte man in ActThom 143 (AAA II/2, 249, 22 f. Bonnet) sehen. Zu Gott, als dem Arzt, der durch den Logos und die Sophia heilt und lebendig macht, bei Theophilus, Ad Autolycum I, 7, und zum »einzigen Arzt«, dem Logos, bei Klemens von Alexandria, Quis dives salvetur 29, 1 und Parallelen, siehe G. Dumeige, Le Christ me´decin dans la litte´rature chre´tienne de premiers sie`cles, RivAC 48, 1972, 115–141, hier 122. 125–129. − Siehe dazu zuletzt M. Dörnemann, Einer ist Arzt. Christus. Medizinales Verständnis von Erlösung in der Theologie der griechischen Kirchenväter des zweiten bis vierten Jahrhunderts, ZAC 17, 2013, 102–124. 13 ActIoh 77, 15 f. wird Jesus Christus, »der alleinige Gott« (77, 19) von Johannes angerufen als »der Vater, der sich erbarmt und Mitleid hat.« ActIoh 112, 13–15 wird der als »Gott Herrr Jesus« Angerufene »Vater der Überhimmlischen, Gott der Himmlischen« genannt. Einmal ist es also die göttliche Eigenschaft des Erbarmens, dann die Schöpfertätigkeit, die zur Übertragung des Vatertitels führt. Zu monarchianischen Parallelen siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 20–22 (Lit.). 14 ActIoh 104, 1–5 (CCSA 1, 217). Das Wort α᾽κρα´τητον ist eine allgemein anerkannte Konjektur von James für das vom einzigen Kodex C gebotene α᾽κρα´τειστον. − R. I. Pervo, Johannine Trajectories in the Acts of John, Apocrypha 3, 1992, 47–68, hier 61 f., sieht die Verwandtschaft zwischen der Theologie der Johannesakten mit dem »modalistischen Monarchianismus« einiger apokypher Apostelgeschichten, hält jedoch eine ausdrückliche Beziehung zu den Theologien des Noe¨t oder Praxeas für fragwürdig. Die hier und im Folgenden festgestellten, z.Teil wörtlichen Übereinstimmungen zwischen den ActIoh und den Noe¨tiana sind Pervo unbekannt geblieben.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 1. Gottesauffassung
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testen, die wir kennen, mit welcher dieser polemisch auf die valentinianische Konzeption des für die Archonten »unsichtbar und ungreifbar« (α᾽κρα´τητος) aus dem Pleroma herabsteigenden Erlösers antwortet.15 Dieses absolut ungewöhnliche Gottesprädikat kommt bei Hippolyt nur in seinem Bericht über Noe¨t vor; es fehlt im Neuen Testament und ist weder bei den sogenannten Apostolischen Vätern noch bei den Apologeten zu finden, was seine Besonderheit zeigt. Die Glaubensregel des Noe¨t wurde offenbar als so treffsichere Antwort auf die abgelehnte gnostische Erlöserkonzeption empfunden, daß sie von den zeitgenössischen Autoren mehrfach übernommen wurde, und mit ihr das kennzeichnende Wort α᾽κρα´τητος (oder dessen Fast-Äquivalent α᾽ψηλα´φητος) oder die lateinischen Übersetzungen incomprehensibilis, inadprehensibilis, so von Melito von Sardes, von dem Verfasser der Ignatianen, von Irenaeus und von Tertullian.16 Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt das Gottesprädikat α᾽κρα´τητος in ActIoh 104 ebenfalls aus einer letztlich noe¨tianischmonarchianischen Tradition, auch wenn es, anders als bei den genannten Autoren, nicht mehr im Zusammenhang der übernommenen noe¨tianischen Antithesen steht, sondern daraus gelöst ist, was für eine spätere Entwicklung spricht.17 Hinweise auf die Antithesen des Noe¨t gibt es jedoch möglicherweise auch an anderen noch zu behandelnden Stellen der Johannesakten. Wenn dem so ist, kann das Vorkommen des höchst seltenen und in christlichen Texten späten Wortes α᾽κρα´τητος auch als ein Anhaltspunkt für die Datierung der Johannesakten gelten (terminus ante quem non). Sehr viel weniger wahrscheinlich, wenn auch nicht völlig auszuschließen, ist es, daß der Autor das Wort α᾽κρα´τητος aus einem gnostischen Text übernommen hat, denn der gesamte Kontext (Kap. 103–105) enthält nichts Gnostisches (der sog. »gnostische« Einschub endet mit Kap. 102), die Gottesaussagen bleiben monarchianisch, und in diesem Sinne läßt sich auch die Rede vom »Mitleiden« (συμπα´σχει) des Herrn 15
Die Glaubensregel des Noe¨t überliefert Hippolyt, Ref. IX, 10, 9 f. (GCS Hippolytus III, 244, 12–17 W.); zu ihrem antivalentinianischen Charakter und zum α᾽κρα´τητος siehe meine Untersuchung in der FS für Luise Abramowski (1993), wieder abgedruckt in: R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 59–129. Entsprechend seiner Herkunft aus dem gnostischen Mythos vom descensus incognitus ist α᾽κρα´τητος mit »ungreifbar«, »unanfaßbar« zu übersetzen, so auch in den Antithesen des Noe¨t und deren Parallelen bei zeitgenössischen Autoren. Mit der (späteren) Loslösung aus diesem Zusammenhang, die auch hier in ActIoh 104 festzustellen ist, gewinnt das Wort eher die Bedeutung »unbegreifbar« oder »unbezwinglich« oder ähnlich. 16 Siehe Melito, Frgm. 13; IgnPol 3, 2; Irenaeus, Adv. haer. III, 16, 6; Tertullian, Apologeticum 17, 1–3; weitere Belege in den im Aufsatz-Band »Der paradox Eine« (wie Anm. 6) versammelten Untersuchungen: »Melito von Sardes und Noe¨t von Smyrna« (1–37); »Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna . . . bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian« (39–94); »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna« (131–206). 17 Das Wort α᾽κρα´τητος als Gottesprädikat ließ sich in der frühchristlichen Literatur − außer bei den genannten Autoren und in den gnostischen Texten − nur noch in einem von Laktanz überlieferten Fragment der Erythräischen Sibylle finden: Frgm. 5 (GCS 8, 232, 1 Geffcken).
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
mit allen Leidenden, bei denen er ist, im unmittelbar vorausgehenden Kap. 103 deuten.18 Stammt das Wort α᾽κρα´τητος, wie zu vermuten ist, aus einer monarchianischen Tradition, dann wird das auch für die vorhergehende Versicherung des Johannes gelten: »Nicht einen Menschen zu verehren verkündige ich euch, sondern einen unwandelbaren Gott . . .« (ActIoh 104, 1 f.). Das bedeutet, daß man diesen Satz nicht notwendig im Sinne eines Doketismus zu interpretierten hat.19 Vielmehr erscheint er im hier gegebenen Zusammenhang mit den negativen philosophischen Gottesprädikaten eher als eine monarchianische Antwort auf die Bestreitung der wahren Gottheit Christi, einer Bestreitung, wie sie etwa in den von einem Anonymus bei Eusebius berichteten Aussagen des Theodot und Artemon, Jesus Christus sei »ein bloßer Mensch«, zum Ausdruck kommt, oder auch in den Fragen des Simon Magus in den Petrusakten 23: »Wird ein Gott geboren? Wird er gekreuzigt? Wer einen Herrn hat, ist nicht Gott.«20 Nun ist der Doketismus des Autors der ActIoh wenigstens in einigen Kapiteln manifest,21 sodaß er auch den Satz: »Nicht einen Menschen zu verehren verkündige ich euch« in diesem Sinne gemeint haben kann. Das schlösse aber nicht aus, daß der Satz ursprünglich, von seiner Herkunft her, eine monarchianische Aussage war. Je stärker die Gottheit Christi betont wird, desto stärker wird zwangsläufig die Tendenz, die leidensfähige und sterbliche Menschheit bis zur vollkommenen Leugnung abzuschwächen.22 Diese Tendenz kann 18 ActIoh 103, 9: . . . α῞πασιν η῾μι῀ν συνω`ν πα´σχουσι συμπα´σχει και` αυ᾽το´ς. Vgl. z. B. Melito, De pascha 46, 306 f. (22 Hall): »Erfahret also, welcher der Leidende ist und welcher der mit ῀ ν)«; Frgm. 13, 38 (81 Hall): »(For our Lord . . .) sufdem Leidenden Mitleidende (συμπαϑω fered in order to have compassion.« − Siehe die Diskussion dieses Terminus unten Anm. 189. 19 In doketischem Sinn versteht diese Stelle z. B. P. Weigandt, Der Doketismus im Urchristentum und in der theologischen Entwicklung des zweiten Jahrhunderts, Diss. theol. Heidelberg 1961, 84 Anm. 221. 20 Eusebius, Hist. eccl. V, 28, 1–6; ActPetri 23 (AAA I, 71, 27 f. Lipsius). Als Ausdruck einer negativen Theologie, nicht eines christologischen Doketismus, interpretieren auch Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 491–493, das Kap. 104; ähnlich urteilt auch H.-J. Klauck, Die apokryphe Bibel. Ein anderer Zugang zum frühen Christentum, Tübingen 2008, 324 f. (s. unten Anm. 33). 21 Siehe unten Anm. 35. 22 C. Schmidt, Die alten Petrusakten (wie Anm. 2) stellt bei der Diskussion des Doketismus und der (von ihm »im vollen Umfang« bejahten) Frage, ob die Johannesakten monarchianischen Charakters seien (S. 125), fest: »Im 2. Jahrh. konnte man, ohne sich einer Ketzerei schuldig zu machen, doketische Gedanken über Christus hegen. Gerade der Monarchianismus, der in Christus den Gott schlechthin erblickte und verehrte, musste in konsequenter Gedankenfolge seine leibliche Erscheinung in Schein auflösen.« − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 209, zitiert zustimmend das Urteil von S. Pe´trement, Le Dieu se´pare´. Les origines du gnosticisme, Paris 1984, 61: »le de´sir d’accentuer la divinite´ du Christ est la racine du doce´tisme.«; ebenso 208. − Ein Wort zur Bestreitung des Monarchianismus in den Johannesakten: In der »Conclusion« ihres Kommentars zu den Acta Iohannis (Bd. II, 690) weisen Junod/Kaestli das Argument von C. Schmidt über den Monarchianismus dieser Schrift als »irrecevable« zurück: Die Johannesakten gehörten in keiner
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 1. Gottesauffassung
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man nicht nur bei den doketischen Gnostikern feststellen, sie kann sich auch, wie noch im vierten Jahrhundert der Urheber des Monophysitismus, Apolinarius von Laodicea, beweist, durchaus bei »großkirchlichen« Theologen durchWeise zum »Modalismus«, selbst nicht in dessen »vorgeblich naiver Form« (für Kleinasien werden Praxeas und Noe¨t genannt). Der Text der Acta Iohannis »schwäche nicht die Unterscheidung Vater-Sohn ab, er eliminiere sie, was eine völlig andere Sache sei.« Man könne nicht von Modalismus in einem Text reden, »welcher die Inkarnation und die Passion Christi ignoriere, ebenso wie das Begriffspaar Vater-Sohn.« Dazu ist Mehreres zu bemerken: 1) Auch der römische Bischof Zephyrin verschweigt bewußt in seinem oben (Anm. 6) zitierten Glaubensbekenntnis, mit welchem er in dem Streit, ob »Vater« und »Sohn« zwei (reale) »Personen« seien, Stellung bezieht, die Worte »Vater« und »Sohn«: Der einzige Gott, von dem er weiß, ist Christus Jesus, der geboren wurde und gelitten hat, und kein anderer. Das ist genauso wie das abgewandelte seines Nachfolgers Kallist ein eindeutig monarchianisches Bekenntnis. (Vgl. R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine [wie Anm. 6], 234 f.) Das Fehlen der Unterscheidung Vater-Sohn in den Johannesakten kann also nicht als Argument gegen ihren Monarchianismus gelten, der weder in Kleinasien, noch in Rom, noch in Afrika in einer völlig gleichförmigen Gestalt anzutreffen war. Der Verfasser der ActIoh kann das Wort »Sohn« schon deshalb nicht für Jesus verwenden, weil der aus Maria Geborene − und das ist z. B. für Melito oder den Verfasser der Ignatianen der »Sohn« − für ihn ein Phantom ist. Daß aber Inkarnation und Passion (möglicherweise!) nicht erwähnt, die wahre Menschheit und Passion des Herrn geleugnet werden, schließt ebenfalls nicht, wie erörtert, einen monarchianischen Glauben aus. − 2) Wie noch deutlicher werden wird, setzen die Johannesakten den Noe¨t von Smyrna voraus. Dessen von Hippolyt, Ref. IX, 10, 10–12 und X, 27, mitgeteilte Lehre ist so wenig wie die des Praxeas ein »naiver Modalismus«, vielmehr mit ihren paradoxen Antithesen über Geburt, Leiden und Sterben des »unerzeugten«, »leidensunfähigen«, »unsterblichen«, einen Gottes eine höchst reflektierte Antwort auf die Polemik der Gnostiker (insbesondere der Valentinianer), welche das Problem des (den Tod) erleidenden göttlichen Erlösers durch die Aufspaltung der Erlösergestalt »lösten«. (Siehe dazu R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine [wie Anm. 6], 39–129.) Diese paradoxen Antithesen des Noe¨t sind, wie ihre beständige Wiederaufnahme durch die Jahrhunderte in Ost und West zeigt, der provokative Motor der Geschichte der Christologie geworden. (Vgl. meinen Beitrag: Die eine Person und die zwei Naturen − Der Weg zur Zweinaturenlehre, in: J. Rohls/L. Mödl/G. Wenz (Hg.), Das Wesen des Christentums, Göttingen 2003, 139–168; erneut im vorliegenden Band unten S. 439 ff.). − 3) Die Rede vom »Modalismus« oder »Sabellianismus« sollte, wenigstens für die Theologen der frühen Zeit, aufgegeben werden, denn sie ist eine von der ausgebildeten Trinitätslehre und den Häresiologen des vierten Jahrhunderts her konstruierte Begriffsbildung, die den Monarchianern eine »Glaubensformel« unterschiebt, die man bei keinem von ihnen findet. Vom historischen Sabellius wissen wir nur das, was sein Zeitgenosse Hippolyt in der Refutatio mitteilt: Er war nach Epigonos und Kleomenes Haupt der römischen Schule des Noe¨t von Smyrna und hat das gelehrt, was seine Vorgänger (und ursprünglich auch der zur selben Schule gehörige spätere Bischof Kallist) gelehrt haben, und was Hippolyt, Ref. IX, 10, 10– 12 und X, 27 (wohl ziemlich korrekt, wenn auch außerhalb des Kontextes und zugespitzt) wiedergibt. Als angemessen zu rechtfertigen ist allein die Bezeichnung »Monarchianismus«, weil in den Zeugnissen dieser Theologen die »Monarchie« Gottes verteidigt wird. Wenn man will, kann man den vom »reflektierten«, auf die Gnosis reagierenden Monarchianismus des Noe¨t und Praxeas einen frühen Monarchianismus z. B. des »Hirten« des Hermas, des 2. Clemens-Briefes, des Barnabas, als »naiven« Monarchianismus unterscheiden, obwohl mit diesem Ausdruck verdeckt werden könnte, daß diese Gotteslehre durch intensives Studium des Alten Testaments und theologisches Nachdenken begründet wurde. (Vgl. R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine [wie Anm. 6], 207–240).
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
setzen.23 Wenn es zutrifft, daß der Autor der ActIoh mit einem monarchianischen »Milieu« verbunden war (und anders lassen sich die überaus zahlreichen und konsequenten monarchianischen Gottesaussagen schwerlich erklären), dann war es jedenfalls eines, in dem sich die doketische Tendenz kräftig bemerkbar gemacht hatte.24 Von dem Monarchianismus des Noe¨t von Smyrna mit seinen paradoxen Aussagen, die sich bei Melito und dem Verfasser der Ignatianen wieder finden, nämlich daß ein und derselbe, der eine Gott, ungeboren und (wie immer stillschweigend zu ergänzen: als Mensch) geboren sei, nicht leidensfähig sei, und doch (als Mensch) den Tod gelitten habe, unterscheidet sich der Verfasser der ActIoh, welcher das Menschsein Christi auflöst, deutlich.25 Wie das dem ersten Anschein nach seinem Doketismus entgegenstehende Wort des Herrn, des Gott-Logos, zu verstehen ist, daß »er nicht gelitten und doch gelitten habe« (Kap. 101, 7) wird im letzten Kapitel dieses Beitrags erörtert.26 2. Inkarnation und Passion? Das führt zur Frage: Wie steht es mit den Aussagen zur Menschwerdung, zum irdischen Leben, zu Leiden und Tod des Erlösers? Inkarnation, Leiden und Tod Jesu werden in dem hier behandelten (nichtgnostischen) Teil der ActIoh nicht ausdrücklich erwähnt, und es gibt auch anscheinend keine Reflexion darüber.27 Das mag ein Indiz dafür sein, daß sie für 23
Dazu R. M. Hübner, Die eine Person und die zwei Naturen (wie Anm. 22), 163–165; erneut im vorliegenden Band S. 461–463. 24 Derartige Tendenzen lassen sich z. B. in den ActPetri 20 (AAA I, 67, 24–28 Lipsius) feststellen, ähnlich in der Ascensio Iesaiae (aeth.), 9, 13 (NTApo II4, 558), auch bei Klemens von Alexandria, Strom. VI, 9, 71, 1 f. (GCS Clem. Alex. II4, 467, 7–15 Stählin/ Früchtel/Treu). − Die Doketismus-Frage der Johannesakten diskutiert unter Berücksichtigung einschlägiger Literatur P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 204–215. 25 K. Schäferdiek hatte (nach Harnack, Schimmelpfeng und Plümacher) in NTApo II3, 1964, 142 f., eine Verwandtschaft des Monarchianismus der ActIoh mit dem des Noe¨t und Praxeas erwogen, aber nach der von ihm als berechtigt bezeichneten Kritik von E. Junod und J.-D. Kaestli (in deren Aufsatz: Les traits caracte´ristiques de la the´ologie des »Actes de Jean«, RThPh 109, 1976, 125–145, hier 138 f.) in seinem Artikel »Herkunft und Interesse der alten Johannesakten«, ZNW 74, 1983, 247–267, hier 266f., den Begriff »Christomonismus« anstelle des verworfenen »Monarchianismus« benutzt. Als Gründe für die Begriffswahl führt er insbesondere an: eine nicht hinterfragbare Einheit des Offenbarers mit Gott und die Außerleiblichkeit oder Überleiblichkeit des Offenbarers Christus, welche in der Polymorphie anschaulich wird. Dem ist (nach anderen) auch P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 167 f., gefolgt. − Das oben Angeführte zeigt jedoch deutlich die Herkunft aus dem noe¨tianischen Monarchianismus, in welchem die Einheit des Offenbarers mit Gott selbstverständlich ist: Der eine Gott ist in Jesus Christus offenbar geworden. Die »Außerleiblichkeit« oder »Überleiblichkeit« Christi läßt sich, wie oben dargelegt, als einseitig weitergeführte Konsequenz aus dem ursprünglichen Monarchianismus, also als eine Variante dieser Theologie, verstehen. Die gelehrte neue Begriffsbildung scheint mir gegenüber der althergebrachten, durch die antike Terminologie gerechtfertigten, keinen Gewinn zu bringen. 26 Siehe unten S. 185 ff. 27 Vgl. Junod/Kaestli, Acta Iohannis, I, 490–493; P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 35.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 2. Inkarnation und Passion
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das theologische Denken und Anliegen des Verfassers keine Rolle spielten oder daß er sie nicht in realem Sinne auffaßte. Es gibt bei ihm Aussagen, die als solche und von ihrer Herkunft her durchaus als Hinweis auf die Menschwerdung und sogar das (Todes)leiden verstanden werden könnten.28 Jedoch wird eine solche wörtliche Auslegung durch die Leugnung der wahren Leiblichkeit Jesu in den Kapiteln 87–93 zunichte gemacht,29 es sei denn man gesteht dem Autor, der gewiß kein Systematiker war, zu, daß er widersprüchliche Vorstellungen gehabt und widersprüchliche Aussagen nicht bereinigt hat. Auch die von ihm genannte »Auferstehung der Toten« setzt zwar − ebenso wie die vielen berichteten Totenerweckungen − den realen Tod der Menschen voraus, denn sie ist mehrfach gleichbedeutend mit dem »ewigen Leben«, mit dem »Übergang zum Herrn«, der »Ruhe bei ihm«, dem »unsagbaren und unaussprechlichen Heil«, oder aber führt zur ewigen Höllenstrafe;30 aber ein realer Tod Jesu ist, obwohl er nicht ausdrücklich bestritten wird, durch seine Auferstehung, die uns durch ihn gezeigt wurde (so heißt es im Kap. 10931) nicht gegeben. Das muß man aus den Erzählungen über Jesu Polymorphie: sein »vielgestaltiges Aussehen« (Kap. 82, 6), »seine vielgesichtige Einheit« (Kap. 91, 7), schließen; hier erscheint er wechselweise als Kind, Jüngling, schöner oder häßlicher Mann, dessen Augen immerzu geöffnet sind, dessen Brust sich mal weich, mal steinhart anfaßt (Kap. 88–89), dessen Füße keine Spuren auf dem Boden hinterlassen (Kap. 93), dessen Leib sich mal »stofflich und fest«, dann wieder »unstofflich, unkörperlich und gänzlich wie nichts« anfühlt (Kap. 93) und der »überhaupt nicht als Mensch« erscheint (Kap. 90).32 28
Vgl. ActIoh 77, 4–8: In einem Gebet preist Johannes den Herrn Jesus Christus so: »O welche Größe stieg in die Sklaverei herab! O unsagbare Freiheit, die von uns versklavt ward! O unaussprechlicher Adel, (von uns) in Gefangenschaft genommen! . . . Alleiniger König, uns aber unterworfen.« In ActIoh 106, 11–13 spricht Johannes vom »Geheimnis der für die Menschen geschehenen Heilsordnung (τη῀ς οι᾽κονομι´ας μυστη´ριον), die der Herr durchgeführt hat.« Damit ist üblicherweise die gesamte Heilsveranstaltung von der Inkarnation bis zu Tod und Auferstehung bezeichnet; siehe z. B. Irenaeus, Adv. haer. III, 18, 2: Verbum Dei existens a Patre descendens et incarnatus et usque ad mortem descendens et dispensationem (= οι᾽κονομι´αν) consummans salutis nostrae; Adv. haer. V, 17, 4: η῾ του῀ ξυ´λου οι᾽κονομι´α; IgnEph 18, 2; zu μυστη´ριον siehe unten Anm. 155. 29 Vgl. die entsprechende Bemerkung zu der in der Anm. zuvor zitierten Stelle ActIoh 77 bei Junod/Kaestli, Acta Iohannis I, 278; sie verweisen für die Antithesen mit Recht auf die Parallele in ActThom. 80 (AAA II/2, 195–196 Bonnet). 30 ActIoh 23, 5: »Auferstehung der Toten«, vgl. ActIoh 84, 13 f.: »Auferstehung zu Gott«; ActIoh 47, 10–13: wahres Leben in alle Ewigkeit; ActIoh 64, 10 f.: Übergang zum Herrn; vgl. ActIoh 114; ActIoh 113, 23–25: »Ruhe« bei Jesus, »Heil«; ActIoh 36, 8: »unauslöschliches (Höllen)feuer«. 31 ActIoh 109, 5 f.: δοξα´ζομε´ν σου τη`ν δειχϑει῀σαν η῾μι῀ν δια` σου῀ α᾽να´στασιν. 32 ActIoh 90, 10 f.: α῎νϑρωπον δε` ου᾽δε` ο῞λως. ActIoh 93,2–6: α῎λλοτε πα´λιν ψηλαφω ῀ ντο´ς μου αυ᾽το`ν α῎υλον η῏ν και` α᾽σω´ματον το` υ῾ποκει´μενον και` ω῾ς μηδε` ο῞λως ο῎ν. Ausführlich zu den Polymorphie-Schilderungen: Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 466–493; dort 470 Anm. 1 und 2 wird die voraufgehende Literatur verzeichnet. Sehr differenziert behandelt dieses Thema: H.-J. Klauck, Die apokryphe Bibel (wie Anm. 20), 311–325. Klauck würdigt auch
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Damit soll, wie schon gesagt, die absolute Göttlichkeit Jesu, die durch nichts Menschliches beeinträchtigt ist, dargetan werden.33 Der Autor äußert diese seine Intention deutlich: Es ist die »vielgesichtige Einheit und unaufhörlich auf uns blickende Weisheit« Jesu, die Johannes erkannt hat (Kap. 91, 6 f.), welchen der Herr, als der Apostel »neugierig« die nicht-menschliche, sich immerzu wandelnde Gestalt Jesu von hinten zu betrachten suchte, handgreiflich zurückwies und mahnte, ihn, »den Unversuchbaren«, also Gott, »nicht zu versuchen« (Kap. 90, 7–22).34 Wird derart die von menschlicher Leiblichkeit nicht berührte Gottheit Jesu mit den Polymorphie-Berichten herausgestellt, so wird man doch zugestehen müssen, daß in der Konsequenz davon seine reale Menschheit aufgehoben ist.35 Daraus ergibt sich dann aber auch, daß der Tod Jesu für den Verfasser keine Heilsbedeutung haben kann. Die liegt vielmehr in der Befolgung von Jesu Lehre. Die zahlreichen Reden, Predigten, Gebete lassen erkennen, daß es auf das Wort ankommt. Das zeigt sich auch, wenn man nach einem Gemeindeleben, Sakramenten, kultischen Feiern fragt.
die Arbeiten von H. Garcia, La polymorphie du Christ. Remarques sur quelques de´finitions et sur de multiples enjeux, Apocrypha 10, 1999, 16–55, und P. Foster, Polymorphic Christology: Its Origins and Development in Early Christianity, JThS NS 58, 2007, 66–99. 33 Auch H. J. Klauck, Die apokryphe Bibel (wie Anm. 20), 324 f., vgl. 373 f., sieht in den Schilderungen der Polymorphie des Erlösers, die in ActIoh 104 abgeschlossen werden, eine eminent theologische Aussage negativer, apophatischer Theologie: ». . . der eigentliche Clou der Polymorphie (scheint) zu sein, daß Christus als Gott zuletzt gar keine Gestalt mehr hat, die man sprachlich schildern könnte.« 34 ActIoh 90, 21 f.: Σο`ν λοιπο`ν η῎τω μη` πειρα´ζειν το`ν α᾽πει´ραστον. Diese Formulierung ist wahrscheinlich eine Anspielung auf Jak 1, 13: ο῾ γα`ρ ϑεο`ς α᾽πει´ραστο´ς ε᾽στιν κακω ῀ ν. Auf denselben Schriftvers ist auch in dem von Bonnet als Nr. 57* gezählten (jetzt von Junod/ Kaestli, Acta Iohannis, I, 151–153, nicht mehr zu den ActIoh gerechneten) Kapitel angespielt (AAA II/1, 179, 26–28): ο῾ γα`ρ σε` πειρα´ζων το`ν α᾽πει´ραστον πειρα´ζει. − Auf eine weitere Jakobus-Brief-Stelle (Jak 2, 19) ist in ActIoh 79, 12 f. Bezug genommen: (το`ν μο´νον ϑεο`ν . . .,) ο῝ν δαι´μονες α᾽κου´οντες φρι´ττουσιν. Vielleicht hat der Verfasser, der den Namen des Jakobus in den Kapiteln 88–91 fünfmal nennt, außer den Evangeliumsberichten und der Apg weitere Jakobus-Literatur herangezogen. − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 146, hält die Übereinstimmung zwischen Jak 1,13 und ActIoh 90, eher für zufällig. Er hat allerdings den Bezug auf Jak 2,19 nicht bemerkt. 35 Zwar ist es das erste Ziel der Polymorphie-Erzählungen gewiß, die wahre Gottheit Christi aufzuweisen, wie das Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 472. 491–493, betont haben. Die bis zur Negierung des Menschseins Jesu gehenden Aussagen kann man jedoch schwerlich anders als doketisch bezeichnen; siehe dazu u. a. K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse der alten Johannesakten (wie Anm. 25), 267: »doketische Herrlichkeitschristologie«. − G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannesakten, Witterschlick/Bonn 1988, 104 f. 155–160. 213–215; P. D. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 204–212; R. I. Pervo, Johannine Trajectories in the Act of John (wie Anm. 14), 59–62; vgl. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 46. 54 f.; ders., Die apokryphe Bibel (wie Anm. 20), 318 f. 374.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 3. Sakramente, liturgische Feiern?
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3. Sakramente, liturgische Feiern? Am umfassendsten wird von liturgischen Begehungen an zwei Stellen berichtet. In Kap. 46 erzählt der Autor anläßlich einer Versammlung der »Brüder« − die »Schwestern« sind in diesem Wort eingeschlossen − im Hause des bekehrten Andronikos, »des Ersten der Epheser« (Kap. 31, 7), von der an die »Brüder gerichteten Homilie« des Johannes, von dem Gebet, der Eucharistie und der folgenden Handauflegung auf einen jeden der Versammelten.36 Das scheint doch die Wiedergabe des Ablaufs einer üblichen gemeindlichen Eucharistiefeier zu sein, wie sie etwa auch Justin für seine römische Gemeinde beschreibt.37 In Kap. 84 zählt Johannes in einer Rede die Güter auf, deren ein vom Tode Erweckter, der sich nicht zum Herrn Jesus Christus bekehren wollte, bei denen, »die auf den Herrn hoffen«, verlustig geht; darunter sind auch etliche liturgische Übungen: Der »Feind Gottes« ist fern »von der Auferstehung zu Gott; von dem Wohlgeruch (scil. der Christen), an dem er Anteil haben sollte; von ihrem Fasten; von ihren Bittgebeten; von ihrem heiligen Bad; von ihrer Eucharistie; von ihrer Nahrung des Fleisches; von ihrem Trank; von ihrer Kleidung; von ihrer Agape; von ihrem Begräbnis; von ihrer Enthaltsamkeit; von ihrer Gerechtigkeit.«38 Diese Aufzählung vermittelt den Eindruck, daß hier Stationen der Eingliederung in eine Gemeinde und Elemente des Gemeindelebens angegeben sind: die Vorbereitung zur Taufe mit Fasten und Gebeten, die Taufe selbst, das »heilige Bad«, mit der zugehörigen Eucharistie39; dann die Teilhabe − natürlich derer, die dessen bedürfen − an den Lebensmittel- und Bekleidungsgaben und der Agapefeier der Gemeinde; schließlich deren Sorge um die Bestattung, und wieder allgemein Ideale christlichen Lebens: »Enkrateia« (wohl »Enthaltsamkeit«) und »Gerechtigkeit«.
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ActIoh 46, 5–8. − Sämtliche eucharistischen Berichte und Gebete der ActIoh werden ausführlich behandelt von J. Verheyden, Eating with Apostles. Eucharist and Table Fellowship in the Apocryphal Acts of the Apostles − the Evidence from the Acts of John and the Acts of Thomas, in: D. Hellholm/D. Sänger (Hg.), The Eucharist − Its Origins and Contexts. Sacred Meal, Communal Meal, Table Fellowship in Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity, 3 vols., WUNT 376, Tübingen 2017, II, 1055–1104. 37 Vgl. Justin, Apol. 65. 38 ActIoh 84, 10 f. 13–18. 39 Ebenso urteilt R. H. Miller, Liturgical Materials in the Acts von John, StudPatr 13, 1975, 375–381, hier 378 f.; er interpretiert den »Wohlgeruch« der Christen als »pre-baptismal anointing«. Diese Erklärung ist nicht auszuschließen. Näher scheint mir jedoch ein Bezug auf 2 Kor 2, 14–15 zu liegen. Hier ist vom »Duft der Erkenntnis« Christi die Rede, der vom Gläubigen (hier Paulus) allerorten ausgeht und ihn zum »Wohlgeruch Christi« unter den Geretteten und Verlorenen macht. − J. P. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 145 f., meint, daß in der von ihm eingeteilten »section A« der ActIoh (= Kap. 18– 86; 106–108; 110–115) »some acquaintance with 2 Cor (and other letters?)« erkennbar sei. 2 Kor 2, 14 f. nennt er allerdings nicht unter den Bezugstellen. Eine ausdrückliche Referenz auf Paulus und seine Briefe gebe es in den ActIoh jedoch nicht.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Obwohl hier die Taufe genannt ist, wird sie doch bei keiner der in den Act Ioh geschilderten Neubekehrungen erwähnt, so daß die meisten Forscher wohl mit Recht schließen, daß sie für den Verfasser und seinen Adressatenkreis keine Rolle spielte, daß er vielmehr in Kap. 84 nur einen traditionellen Katalog wiedergebe.40 Dieser könnte natürlich, wie auch die Elemente seiner monarchianischen Theologie, aus seiner Herkunftsgemeinde stammen, von der sich der Autor inzwischen gelöst hat. Diese Traditionen können ihm aber auch auf andere Weise bei seiner Sammlung der johanneischen Berichte zugekommen sein. In seinem gegenwärtigen christlichen Kreis scheint die Taufe jedenfalls nicht zum Christwerden erforderlich zu sein. Ein Bekehrter ist offenbar mit seiner Hinwendung zu Christus unmittelbar Christ: Er hat »Gemeinschaft mit seinem Namen.«41 Christ zu sein heißt dem Gott Jesus Christus (sklavisch) zu dienen (δουλευ´ειν)42; sich »seinem Weg, seiner Lehre, seiner Zuversicht und unübertrefflichen Verheißung« zuzuwenden.43 Wer zu denen gehören will, »die auf Christus hoffen«, beteuert, daß er »den Ungläubigen, den Zügellosen, den Gottlosen« (scil. in sich selbst) hat sterben lassen und als »Gläubiger, Gottesfürchtiger, die Wahrheit Erkennender« vom Tode zum (wahren) Leben erweckt worden ist.44 Damit ist seine vollständige »Rettung« vollzogen (Kap. 77, 2); dieser Christgewordene wird sogleich, sicher mit dem Bruderkuß, begrüßt (Kap. 78, 1 f.), wie das sonst nach der Taufe zu geschehen pflegt.45 Er ist nun »Mitsklave und Miterbe« und mit den Brüdern »Teilhaber an der Königsherrschaft des Herrn« (Kap. 106, 2–4). Offenkundig ist das Entscheidende die Bekehrung, nicht ein kultischer Vollzug. Sah man im Autor der Johannesakten bisweilen einen Vertreter eines strengen, insbesondere geschlechtlichen Enkratismus,46 so hat P. J. Lalleman durch seine sorgfältige und ausgewogene Untersuchung zeigen können, daß der Verfasser − wenigstens der heute vorliegenden Akten − eher moderate Positionen hat und nicht als Propagator eines »strikten Asketismus betrachtet werden kann«.47 Christliches Leben bedeutet für den Verfasser »Sorge um die Seele« (Kap. 34, 1 f), also um die geistigen Güter, und damit »Verachtung der zeitli40 Vgl. R. H. Miller, Liturgical Materials, 378 f., welcher eine Exorzismus-Formel annimmt; zustimmend K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse (wie Anm. 25), 264; ders., Johannes-Akten (wie Anm. 1), 582: »vorgeformte exorzistische Formel.« 41 ActIoh 82, 3–5: Hier betet die von Johannes auferweckte Drusiana: »Gott der Äonen Jesus Christus, Gott der Wahrheit, der du mir gewährt hast, Wunder und Zeichen zu sehen; der du mir die Gnade geschenkt hast, Gemeinschaft mit deinem Namen zu erlangen . . .« In ActPetri 5 (AAA I, 50, 32f. Lipsius) heißt es vom getauften Theon − sachlich entsprechend −, daß »Gott ihn seines Namens für würdig erachtet habe«. 42 ActIoh 75, 2 f.; vgl. z. B. auch Kap. 68, 1 f.: ε῞καστος η῾μω ῀ ν α᾽σκει῀ πι´στιν. 43 ActIoh 22, 15–17. 44 ActIoh 76, 35–40. 45 Siehe Justin, Apol. I, 65, 2. 46 Siehe z. B. G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannesakten (wie Anm. 35), 177 f., 234–236. 47 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 231–240; Zitat 239.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 4. Autor und Adressaten
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chen Dinge.«48 Nahrungsaskese ist nicht erkennbar,49 jedoch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber weltlichen Gütern50 und besonders hinsichtlich der Ehe. Aber obwohl an einigen Stellen eine Geringschätzung, ja Abwertung des Leiblichen und vor allem Geschlechtlichen geäußert wird,51 und obwohl der Apostel Johannes vor seinem Tode das zur Freude des »heiligen, reinen, unbefleckten, einzigen . . . Gottes Jesus Christus« »rein«, »enthaltsam«, »keusch« geführte Leben preist,52 und denen, »die rein leben« der ungehinderte Weg zu Gott nach dem Tod zugesagt ist,53 bleibt die Ehe grundsätzlich erlaubt, wird eheliche Enthaltsamkeit, die als »Gottesfürchtigkeit« (ϑεοσε´βεια) gilt, nur in Einzelfällen geübt,54 und Johannes ist der einzige, von dem der Herr ein eheloses, enkratitisches Leben gefordert hat.55 Im übrigen überschreiten die Anforderungen, die Johannes an die zur Bekehrung Aufgerufenen richtet, nicht das, was von einem jeden Christen zu verlangen ist: Er warnt in seiner Missionsrede im Theater von Ephesus vor Raffgier, Habsucht, Eitelkeit, Ehebruch, Hartherzigkeit gegenüber den Bedürftigen, vor Zorn, Trunksucht, Streitsucht, Mord, Giftmischerei, Knabenliebe, Diebstahl und Raub; wer diese Vergehen begeht, den erwarten die ewigen Strafen in Feuer und Finsternis.56 Einen Hinweis auf irgendeinen ethischen Rigorismus, gar auf eine asketische Gnosis, kann man diesen Forderungen nicht entnehmen. 4. Autor und Adressaten Wer ist der Autor dieser bisher besprochenen Kapitel, des »Grundstocks«, der Johannesakten, wie läßt er sich theologisch einordnen und für wen und wann hat er geschrieben? Diese Fragen lassen sich gegenwärtig noch nicht sicher beantworten. 48
Vgl. ActIoh 60, 10–14; 70, 2–3. Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 238. 50 Vgl. die Warnungen des Johannes vor Streben nach Reichtum und Kostbarkeiten und vor Habsucht und Geiz in ActIoh 34–36. 51 Vgl. ActIoh 29, 19: Der Leib gilt als etwas Totes. ActIoh 63, 8–13: Der eheliche Vollzug wird als etwas »Ekelhaftes« (μυ´σος) bezeichnet. 52 ActIoh 107, 2–9. 53 ActIoh 114, 9–11. 54 Vgl. ActIoh 63–64. 55 Siehe ActIoh 113–114. − Wenn jedoch, wie Junod/Kaestli, Acta Iohannis I, 143–145, anzunehmen bereit sind, das sog. dritte Zitat aus dem lateinischen Brief des Pseudo-Titus (Spanien, 5. Jh., Text Acta Iohannis, I, 139 f.), das eine Rede des Johannes gegen die Ehe enthält, ursprünglich zu den Johannesakten gehört hat, müßte man mit einem ausgeprägten Enkratismus von dessen Autor rechnen. Junod/Kaestli halten es für möglich, daß spätere Kopisten und Bearbeiter die stärksten enkratitischen Teile zensiert und ausgeschieden haben. E. Peterson, Einige Bemerkungen zum Hamburger Papyrus-Fragment der Acta Pauli, in: Ders., Frühkirche, Judentum und Gnosis, Rom/Freiburg/Wien 1959, 183–208, rechnet die Johannes-Akten wie andere apokryphe Apostelgeschichten zur enkratitischen Theologie und notiert zahlreiche sachliche und terminologische Übereinstimmungen mit dem Enkratismus Tatians. 56 Siehe ActIoh 34–36. 49
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Der Verfasser hat sehr verschiedene und unzusammenhängende JohannesTraditionen gesammelt, aber zielbewußt geordnet und eigenständig zu einem Ganzen redigiert. Der Stil ist weitgehend so einheitlich, daß man schließen darf, daß der Großteil der Formulierungen auf ihn selbst zurückgehe. Er ist zweifellos rhetorisch gebildet, deutlich dem Asianismus verhaftet; er benutzt literarische Modelle, christliche und nichtchristliche, läßt auch einige philosophische Kenntnisse durchblicken57 und ließe sich gut als ein Lehrer verstehen, der sein geschultes Talent in den Dienst christlicher Verkündigung gestellt hat, wie er auch seinen Helden, den Apostel Johannes, vornehmlich als διδα´σκαλος tituliert und als Lehrer mit zahlreichen Reden, Homilien und Gebeten vor den Gläubigen als seinen Schülern auftreten läßt.58 Diese Redestücke erwecken den Eindruck, weitgehend, wenn auch manchmal unter Verwendung vorliegenden Materials, von ihm selbst formuliert zu sein. Das gilt auch für die Eucharistiegebete, die immer der jeweiligen Situation angepaßt sind und nichts traditionell Formelhaftes erkennen lassen.59 Die theologische Herkunft des Verfassers und seine theologische Position zur Zeit der Abfassung und Redaktion der Johannesakten werden unterschiedlich eingeschätzt. Die ungebrochene monarchianische Gottesauffassung, die ihre engsten Parallelen bei Melito und in den Ignatianen hat, die Aussagen, die man traditionell als Hinweise auf die Inkarnation und Heilsökonomie deuten könnte, die Aufzählungen kultischer Handlungen und Berichte über Brüder-Gemeindeversammlungen mit Gebet, Homilie und Eucharistie, die moralischen Anforderungen, die gepredigten eschatologischen Aussichten: ewiges Leben in der Teilhabe am Königreich Gottes oder ewige Verdammnis − das alles (und anderes, 57 Vgl. zu diesen Punkten, über die Konsens besteht, Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 448–456. 460–463. 555–557. 683 f. 687; G. Sirker-Wicklaus (wie Anm. 35), 37–51. E. Plümacher hat in seinem vorzüglichen Aufsatz: »Paignion und Biberfabel. Zum literarischen und popularphilosophischen Hintergrund von Acta Iohannis 60 f. und 48–54«, Apocrypha 3, 1992, 69–109 (jetzt aktualisiert in: Ders., Geschichte und Geschichten [wie Anm. 9], 176–206), ausführlich gezeigt, daß der Autor mit der zeitgenössischen Popularphilosophie und Roman- und Fabelliteratur bestens vertraut war und daraus sowohl inhaltlich wie formal zahlreiche − manchmal nicht widerspruchsfrei redigierte − Anleihen gemacht hat. Er rechnet den Verfasser zur Schicht der »Gebildeten« seiner Zeit; vgl. dazu auch schon seinen Artikel: Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 54–68: §8 Literarische Stellung, und §9 Sprache und Stil; ferner (kurz): »Johannesakten«, in: RGG IV4, 2001, 539 f. − F. Siegert, Analyses rhe´toriques et stylistiques portant sur les Actes de Jean et les Actes de Thomas, Apocrypha 8, 1997, 231–250, bes. 237–241; K. Schäferdiek, Johannesakten (wie Anm. 1), 582 f.; P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 12. 21. 54–57. 74–98. 58 Johannes wird z. B. in Kap. 37, 73, 74 als »Lehrer« bezeichnet; die typische »Vater«- und »Kind«-Anrede für Lehrer und Schüler liest man in Kap. 27, 78, 81 u. a. Vgl. Irenaeus, Adv. haer. IV, 41, 2: qui enim ab aliquo edoctus est verbo filius docentis dicitur, et ille eius pater. 59 Ähnlich P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 159: »I also suggest that the prayers of the AJ were not derived from actual worship, but originated with the author himself.«
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 4. Autor und Adressaten
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hier nicht Erwähntes) kann man durchaus als Indizien dafür werten, daß der Verfasser aus einem »gemeinkirchlichen« Milieu stammt, wie es um 180 n. Chr. in den Gemeinden des westlichen Kleinasiens anzutreffen ist. Kommt der Verfasser aus einer solchen Gemeinde, dann hat jedoch seine theologische Einstellung, als er die Johannesakten zusammenschrieb, in einigen Punkten Veränderungen erfahren, die aber in ihrem Umfang schwer anzugeben sind. Die strikte monarchianische Gottesauffassung, die auf jeden Fall konsequent beibehalten ist, scheint durch eine Neigung zum Doketismus gegenüber ihrer ursprünglichen, bei den Noe¨tianern, bei Melito und in den Ignatianen erkennbaren Gestalt, verändert zu sein. Wenn enkratitische Äußerungen eventuell von späteren Rezensoren ausgesondert wurden, wie das E. Junod und J.-D. Kaestli erwägen, so wäre auch eine Radikalisierung der moralischen Anforderungen erfolgt.60 In der vorliegenden Gestalt der ActIoh läßt sich jedoch ein Enkratismus nicht sicher feststellen. Gnostisches Gedankengut im eigentlichen Sinn, wie es von der Mehrzahl der Forscher für die Kapitel 94–102 und 109 angenommen wird, vermögen die Interpreten in den besprochenen Stücken (dem »Grundstock«) nicht zu finden.61 Die aktuelle Zugehörigkeit des Verfassers zu einer Gemeinde wird unterschiedlich beurteilt. E. Junod und J.-D. Kaestli schließen ihre Analysen mit der Feststellung, daß die ActIoh nicht eine konkrete Gemeinde beschreiben: Der Autor habe seinen Platz inmitten einer kultivierten Gruppe, die sich dem Christentum angeschlossen habe, ohne jedoch das spirituelle Ideal, das sie vor der Konversion hatte, aufzugeben.62 Dagegen hat K. Schäferdiek versucht, insbesondere auch aufgrund der beschriebenen festen gottesdienstlichen Ordnung (sonntägliche Versammlungen, Predigt, Eucharistie), die Umrisse einer christlichen geschlossenen Gemeinschaft mit Elitebewußtsein zu zeichnen.63 P. J. Lalleman wiederum kommt zur Schlußfolgerung, daß der Text keine sichere Entscheidung über die Umstände seiner Entstehung zulasse. Er könne seinen Ursprung in einer kleinen Gemeinde ohne Amtsträger und ohne feste Strukturen gehabt haben, oder von einem Autor stammen, der an diesen Dingen kein Interesse hatte. Das weise auf eine Verbindung mit einer johanneischen Gemeinde, wie sie mit ihren lockeren Strukturen in den Johannesbriefen reflektiert sei.64 Mir erscheinen die Schlußfolgerungen von K. Schäferdiek als die gerechtfertigsten. Die mehrfach ausführlich berichteten Brüderversammlungen und Eucharistiefeiern setzen doch sehr wahrscheinlich die Zugehörigkeit des Autors 60
Siehe oben Anm. 55. Vgl. Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 680–682; K. Schäferdiek, NTApo II5, 152 f.; ders., Johannes-Akten (wie Anm. 1), 574 f. 592; P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 30–38; H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 30. 62 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 686 f. 63 K. Schäferdiek, Johannes-Akten (wie Anm. 1), 581–583; zuvor ders., Herkunft und Interesse (wie Anm. 25), 264. Vgl. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen (wie Anm. 35), 198–202. 64 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 58 f. 61
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
zu einer umschriebenen christlichen Gemeinde voraus.65 Diese mag − wegen einiger vielleicht gegebener Besonderheiten (keine Taufe (?), Doketismus, fehlende Presbyter oder Episkopen) − eher in den Randzonen der christlichen »Großkirche« ihren Platz gehabt haben, muß jedoch von ihr keineswegs getrennt gewesen sein. Es gibt im zweiten Jahrhundert noch nicht die klaren Grenzen zwischen »Orthodoxie« und »Häresie« der späteren Zeit. Die Vielfalt theologischer Auffassungen und organisatorisch struktureller Möglichkeiten innerhalb der christlichen Gemeinden, die, wie noch Tertullian sagen kann, ihr »Einssein« allein durch »das gegenseitige Gewähren des Friedens, die Benennung als Bruderschaft und die (ausgiebig) geübte Gastfreundschaft beweisen«, konnte sehr groß sein.66
65 Siehe ActIoh 26; 46; 62 f.; 66–70; 72; 85 f.; 106–110. Für die Zugehörigkeit des Autors zu einer geschlossenen christlichen Gemeinde sprechen auch jüngere Beobachtungen über die Beziehungen der ActIoh zum Alten und Neuen Testament und eine besondere Sprache. F. Siegert, Analyses rhetoriques (wie Anm. 57), 237–244, hat in den Johannesakten einen vom Neuen Testament und der Septuaginta beeinflußten »semantisierenden«, »kirchlichen« Stil nachgewiesen, welcher seinen »Sitz im Leben« nur »in einer nach außen genügend geschlossenen frommen Gemeinschaft« haben könne (S. 249 f.). P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 142–144, hat beim Autor eine gewisse Kenntnis alttestamentlicher Geschichten festgestellt, ebenso weitere typisch »jüdische Formulierungen«, die wahrscheinlich vom Vokabular früher christlicher Gemeinden abhingen. Eine sorgfältige Analyse (74–98) führt zur Überzeugung, daß der Verfasser die kanonische Apg in verschiedener Hinsicht (literarisches Modell, Vokabular) benutzt hat und vom Lukas-Evangelium beeinflußt ist. Im übrigen seien nur einige wenige lexikalische Reminiszenzen aus dem Neuen Testament einigermaßen sicher feststellbar (»1 Jn, Rev, Paul and James«, S. 144–146); zu Jak 1, 13 und 2, 19 vgl. oben Anm. 34. − E. Junod/J.-D. Kaestli, Les traits caracte´ristiques de la the´ologie des »Actes de Jean«, RThPh Ser. III, 26, 1976, 125–145, hier 129–131, haben festgestellt, daß es zwar keine ausdrückliche Referenz auf eine neutestamentliche Schrift gebe, jedoch häufige Reminiszenzen, vor allem und von besonderer Art in der Rede des Johannes über die Polymorphie Jesu (Kap. 88–93). Aber nirgendwo werde auf einen neutestamentlichen Text als auf eine kanonische Autorität Bezug genommen; vgl. auch dies., Acta Iohannis II, 595–600. − J. A. Snyder, Language and Identity (wie Anm. 6), 137–139, hat mit ihrer sozio-linguistischen Methode ermitteln können, daß der Autor der (in den Handschriften »RZ« überlieferten) Erzählungen, jedenfalls für eine christliche Hörerschaft, zunächst also wohl für »seine Gemeinde« geschrieben hat. − E. Plümacher, Geschichte und Geschichten (wie Anm. 9), 227 f., 270 f., kommt aufgrund seiner Untersuchungen (zu ActIoh 37; 45; 55; 58, 1–6) zu dem Ergebnis, daß der Verfasser »zumindest auch« (227) für die gebildeten »Polishonoratioren, zu denen er vielleicht selbst gehörte bzw. einmal gehört hatte«, geschrieben habe (270). 66 Siehe Tertullian, De praescr. haer. 20, 8 (CChr.SL 1, 202, 26–28 Refoule´): Probant unitatem [scil. tot ac tantarum ecclesiarum] communicatio pacis et appellatio fraternitatis et contesseratio hospitalitatis. − Zu den in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Einsichten über das Verhältnis von »Orthodoxie«, »Häresie« und Einheit der Kirche siehe die Zusammenfassung bei W. A. Bienert, Dogmengeschichte, Stuttgart u. a. 1997, 53–56. Aus der dort genannten Literatur sei besonders auf die (vorhergehende Studien berücksichtigenden) Arbeiten von A. M. Ritter hingewiesen.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 5. Ort und Zeit der Abfassung
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5. Ort und Zeit der Abfassung Wann und wo wurden die bisher besprochenen Kapitel der Johannesakten verfaßt? Im Jahr 2000 hat Attila Jakab über die jüngere Diskussion dieser Fragen (zwischen 1982 und 1999) berichtet, eine Einigung war bis dahin nicht erreicht. Als Abfassungsorte waren vorgeschlagen worden (u. a.) Alexandria, Ägypten, Syrien, westliches Kleinasien.67 Wenn man, wie das mehrfach geschehen ist, aus dem Vorhandensein spezifischer Wörter, Titel, literarischer Figuren und Ähnlichem erschließen will, wo ein Text geschrieben ist, so erhebt sich sofort die Frage, ob das bemerkte Specificum eine Schlußfolgerung für den gesamten Text zuläßt oder vielleicht nur für ein möglicherweise aufgenommenes und bearbeitetes Traditionsstück, in welchem das kritische Wort steht, gelten kann.68 So deuten z. B. die hier festgelegten Reflexe der theologischen Sprache des Noe¨t von Smyrna − wie bei Melito von Sardes und wie in den angeblich in Smyrna und Troas geschriebenen Ignatianen − auf die Provinz Asia. Das kann dann aber zunächst nur für ein mögliches Traditionsstück gelten, denn andere spezifische Termini weisen auf andere Gegenden,69 und Reflexe der noe¨tianischen paradoxen Antithesen lassen sich z. B. auch in den (wo entstandenen?) gnostischen Nag-HammadiSchriften finden.70 Aus diesem Grunde scheint es geraten zu sein, die Frage des Abfassungsortes offen zu lassen, bis unanfechtbare Gründe gefunden sind. Allerdings haben sich die Hinweise auf Kleinasien, ohne daß sie schon als durchschlagend gelten könnten, vermehrt: Die Wort-Spuren der noe¨tianischmonarchianischen Theologie sind recht breit gestreut und finden sich − jetzt greife ich etwas vor − auch in ziemlich sicher vom Autor selbst formulierten Redestücken (Kap. 94, 95, 101, 103, 104).71 P. J. Lalleman argumentierte sehr ausführlich gegen eine Herkunft aus Ägypten/Alexandria und auch aus Syrien und plädierte mit verschieden gewichtigen − von A. Jakab allerdings nicht anerkannten72 − Gründen, von denen ihm die Verbindung der Johannesakten zu den johanneischen Schriften und den Ignatianen (neben den Parallelen zu Melito und Ps-Hippolyt, in s. pascha) als die stärksten galten, für die Asia und den Favoriten Smyrna als Ursprungsraum.73 Aufgrund wieder anderer historischer 67
A. Jakab, Actes de Jean (wie Anm. 1), 327–334, hier 329. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 267, vermerkt zu diesem Problem: »It is exactly this use of sources that prevents a conclusion regarding the place of origin of the text.« 69 Siehe den Bericht von A. Jakab, Actes de Jean (wie Anm. 1), über die Diskussion der Gründe für die verschiedenen vorgeschlagenen Herkunftsorte. Jakab selbst neigt dazu, alexandrinischen Ursprung anzunehmen und folgt damit − wie schon vor ihm zahlreiche andere Autoren − dem Plädoyer von Junod/Kaesli, Acta Iohannis, II, 689–694. 70 Siehe dazu unten Anm. 162. 71 Siehe dazu unten S. 183 ff. 72 A. Jakab, Actes de Jean (wie Anm. 1), 330: »sur aucune base solide«. 73 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 256–268: sowohl der »Grundstock« wie der sog. gnostische Einschub (Kap. 94–102. 109) seien in der Asia entstanden. 68
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Beobachtungen hat E. Plümacher in seinem Aufsatz »Apostolische Missionsreise und statthalterliche Assisetour«, seine frühere Entscheidung für Ägypten/Alexandria korrigierend, ebenfalls Kleinasien als Herkunftsgebiet benannt.74 Daß hier so vielfältige und verschiedene Argumente in Richtung »Kleinasien« zusammenlaufen, scheint mir eine Entscheidung für dieses Gebiet als Herkunftsort der Johannesakten zu empfehlen. Sicherheit werden hoffentlich weitere so sorgfältige Untersuchungen, wie sie E. Plümacher vorgelegt hat, bringen.75 Mit einer Entscheidung über die Zeit der Abfassung oder Endredaktion der Johannesakten steht es etwas besser. Auch in dieser Frage gehen die Vorschläge weit auseinander und pendeln zwischen dem zweiten Viertel des zweiten und der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts.76 Die frühe Datierung in die Jahre 125–150 beruht vor allem auf der Annahme, daß die Ignatianen in den beiden ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts geschrieben wurden und daß die Petrusakten die Johannesakten voraussetzen.77 Otto Zwierlein hat jüngst (nach mehreren voraufgehenden ähnlich urteilenden Autoren) beide Annahmen gründlich widerlegt. Seine − oben bereits zitierte − Analyse des Briefes des Polykarp von Smyrna an die Philipper beweist, daß dessen 13. Kapitel, welches die Authentizität der Ignatius-Briefe sichern sollte, interpoliert ist. Für die fiktiven Ignatianen ergibt sich eine Abfassung in den Jahren um 180.78 In dem zuerst im Jahre 2010 in der ZPE 174 erschienenen, dann im Sammelband »Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom« 2013 wieder abgedruckten Artikel: »Die Datierung der acta Iohannis und der Papyrus Kellis Gr. Fragm. A.I.« prüft Zwierlein (nach dem Bericht über den Forschungsstand) seine ein sicheres Urteil zulassende Auswahl aus den von Junod/Kaestli und insbesondere von Lal74 E. Plümacher, Apostolische Missionsreise und statthalterliche Assisetour. Eine Interpretation von Acta Iohannis c. 37; 45; 55 und 58, 1–6, in: Ders., Geschichte und Geschichten (wie Anm. 9), 207–228, hier 227 f. Plümacher arbeitet in diesem Artikel heraus, daß die Missionsreisen und städtischen Aufenthalte des Apostels Johannes sehr genau mit den Gerichtsreisen des Prokonsuls zu den nahmhaften Conventsstätten (Ephesus, Smyrna, Pergamon) der Provinz parallelisiert werden können; das passe »weit eher« zur Situation »in Kleinasien als in Ägypten oder Syrien« (228). − Auch J. N. Bremmer, The Apocryphal Acts: Authors, Place, Time and Readership, in: Ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, Leuven 2001, 149–170, hier 158 f., revidierte sein Votum für Ägypten − die Ausführungen von P. J. Lalleman, The Acts of John, 256–261, galten ihm als »the definitive refutation of East Syria and Egypt« (158 Anm. 39) − und bevorzugte mit Hinweis auf die »proˆtos-teˆs po´leos-Terminologie« die Regionen Ostphrygien, Bithynien, Pisidien. 75 Siehe auch Plümachers dritten großen Aufsatz: Der ϑεο`ς α῎φϑονος von Acta Iohannis 55 und sein historischer Kontext, in: Ders., Geschichte und Geschichten (wie Anm. 9), 229–273. 76 Siehe A. Jakab, Actes de Jean (wie Anm. 1), 327–334. 77 Diese Argumentation findet sich bei P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 268–270; ähnlich in seinem Aufsatz: The Relationship between the Acts of John and the Acts of Peter, in: J. N. Bremmer (Ed.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, Leuven 1998, 161–177; die Johannesakten werden (177) Mitte des 2. Jahrhunderts, die Petrusakten an dessen Ende datiert. 78 Siehe oben S. 6 f.
I. Der Grundstock der Acta Iohannis − 5. Ort und Zeit der Abfassung
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leman zusammengestellten Parallelen zwischen den Acta Petri und den Acta Iohannis79 mit dem eindeutigen Ergebnis: »Die acta Iohannis speisen sich sowohl aus den Petrus- als auch aus den Paulusakten und dürften aufgrund der fortgeschrittenen Weiterentwicklung bestimmter Motive, die in den Vorbildern erst rudimentär angelegt sind, um mehrere Jahrzehnte jünger als die beiden Musterromane sein.«80 Die Beobachtung, daß das Gebet in ActIoh 77 vom Martyrium Petri 10, 4 abhängig ist, und, wie Zwierlein vorsichtig vermutet, von dessen späterer »Beta-Fassung«, »dürfte das Datum der Johannesakten eher in die Mitte als an den Anfang des 3. Jahrhunderts rücken.«81 Auf jeden Fall sind sie auch später als die von den Petrusakten beeinflußten Paulusakten geschrieben,82 deren Priorität gegenüber den Johannesakten D. R. MacDonald und O. Zwierlein durch den Vergleich unterschiedlicher Textstellen demonstriert haben.83 Damit wird K. Schäferdieks wiederholt vorgetragener Ansatz der Abfassung in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts bestätigt.84 Mit dem oben versuchten Nachweis der Verwandtschaft der monarchianischen Gottesaussagen mit denen der Ignatianen und Melitos und der Verwendung speziell noe¨tianischer Terminologie, gelangt man, wenn er akzeptiert 79 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 697–700; P. J. Lalleman, The Relationship between the Acts of John and the Acts of Peter (wie Anm. 77), 170–177. 80 O. Zwierlein, Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom Neuen Testament zu den apokryphen Apostelakten, UaLG 109, Berlin/Boston 2013, 233–261, Zitat 235. 81 O. Zwierlein, ebd. 248. − R. M. MacDonald hat in dem Artikel: »The Acts of Peter and the Acts of John: Which Came First?«, in: E. H. Lovering (Hg.), Society of Biblical Literature 1993 Seminar Papers, Atlanta 1993, 623–626, zu zeigen versucht, daß die Johannesakten von den Petrusakten abhängig sind. − P. J. Lallemans (Anm. 77) zitierter Versuch, das umgekehrte Abhängigkeitsverhältnis zu erweisen, stieß auf die Kritik von E. Norelli, Sur les Actes de Pierre: A propos d’un livre re´cent, Apocrypha 11, 2000, 227–258, hier 253 f. − Chr. M. Thomas, The Acts of Peter. Gospel Literature and the Ancient Novel. Rewriting the Past, Oxford/New York 2003, hat (die Arbeiten von G. Poupon fortführend und modifizierend) verschiedene Redaktionsstufen der ActPetri zu ermitteln versucht. Sie datiert die erste geschlossene Erzählung der gesammelten Petrustraditionen »in the 170s«; vor Ende des 2. Jahrhunderts sei dieser Text mit Kap. 1–3 und 40–41 interpoliert und entsprechend nochmals redaktionell bearbeitet worden. Die erste Fassung der Petrusakten gehe den Paulusakten vorauf (Poupon, S. 37–39. 135–136 [Anm. 140–151]). − K. Sier, Zum Text der Martyrien von Petrus und Paulus, ZPE 173, 2010, 35–44, hat für die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen MartPetr 10, 4 und ActIoh 77, sowie zwischen MartPetr 10, 1 und ActIoh 103 eine Abhängigkeit des ›Johannes‹ von ›Petrus‹ veranschlagt (S. 39–41). Diese Abhängigkeit sichert O. Zwierlein in dem genannten Aufsatz in ZPE 174, jetzt in: Ders., Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom (wie Anm. 80), 243 f. 247 f. 82 Dazu zuletzt, die Diskussion zusammenfassend und weiterführend, O. Zwierlein, Die versprengte Replik der Quo vadis-Szene im P. Hamb. bil. 1« (2011), jetzt in: Ders., Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom (wie Anm. 80), 185–189. 83 D. R. MacDonald, The Acts of Paul and the Acts of John: Which Came First? (wie Anm. 81), 506–510; O. Zwierlein, Die literarische Abhängigkeit der acta Iohannis von den Paulusakten, in: Ders., Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom (wie Anm. 80), 248–251. 84 K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse (wie Anm. 25), 263; ders. in: NTApo II5, 155, und »Johannes-Akten«, RAC 18, 1998, 581.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
wird, jedenfalls zu einem terminus ante quem non für die Abfassungszeit. Noe¨t war sehr wahrscheinlich einer der Nachfolger des Polykarp von Smyrna zu der Zeit (oder kurz vor der Zeit), als Irenaeus sein Werk Adversus haereses, in dem er selbst Noe¨ts regula fidei verarbeitete, schrieb.85 Vor 180 n. Chr. kann dann dieser Teil der Acta Iohannis nicht verfaßt worden sein. Veranschlagt man, daß die Spuren Noe¨ts in den Formulierungen des Irenaeus noch sehr präzise umrissen sind, in denen der Johannesakten dagegen etwas verwischt, so daß nicht direkte, sondern nur vielleicht mehrfach vermittelte Übernahme angenommen werden kann, dann verschiebt sich der terminus ante quem non gegen das Ende des zweiten und den Anfang des dritten Jahrhunderts. Auf den gleichen Zeitraum führt die aufgewiesene literarische Abhängigkeit von den ins letzte Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts datierten Paulusakten.86 Die deutlichen Reflexe paradoxer christologischer Antithesen in den manichäischen Herakleidespsalmen, welche gemeinhin Ende 3., Anfang 4. Jahrhundert angesetzt werden, ergeben die Grenze der Abfassungszeit der Johannesakten.87 Nachdem im ersten Teil der Untersuchung, wenigstens im Überblick, die besondere monarchianische Theologie des »Grundstocks« der Johannesakten dargelegt worden ist und Spuren des Noe¨t von Smyrna aufgezeigt werden konnten, sollen im zweiten Teil die als gnostischer Einschub geltenden Kap. 94–102 und 109 untersucht werden. In einem ersten Abschnitt II. 1. werden die Argumente überprüft, welche vor allem in jüngerer Zeit für einen gnostischen Charakter dieser Kapitel beigebracht wurden. Das Ergebnis ist negativ. Sodann werden in Abschnitt II. 2. die antithetischen Passionsaussagen in Kap. 101 und in Abschnitt II. 3 die paradoxen Antithesen im »Christushymnus« in Kap. 94–96 untersucht; sie gelten den meisten Autoren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als manifest gnostisch. Hier werden vorzugsweise die von Junod/Kaestli mit Entschiedenheit vorgetragenen Thesen mit den speziellen Begründungen geprüft, und es wird − als Gegenvorschlag − eine Interpretation markanter paradoxer Antithesen durch eine Rückführung auf die des Noe¨t von Smyrna und der von ihm beeinflußten kleinasiatischen Theologen vorgetragen.
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Zu Noe¨t siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 88 f. E. Plümacher, Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 25. 28, datiert die Paulusakten − aufgrund des ältesten Zeugnisses bei Tertullian, De baptismo 17, 5 − in die Zeit vor 200; ebenso W. Schneemelcher, NTApo II5, 214, der auch die Abhängigkeit von den Petrusakten und einen möglichen Abfassungszeitraum 185–195 annimmt. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 180, plädiert für die Jahre ca. 170–180, da er eine Priorität der Johannesakten vor den Paulusakten voraussetzt. 87 Siehe dazu weiter unten S. 194 f. 86
II. 1. Argumente jüngerer Zeit für den gnostischen Charakter
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II. Sind die Kap. 94–102 und 109 der Acta Iohannis gnostisch oder monarchianisch? 1. Argumente jüngerer Zeit für den gnostischen Charakter Stilistisch und − nach der Mehrheitsmeinung − auch theologisch anderer Art als die bisher besprochenen Teile der Johannesakten sind die in den Kapiteln 94– 102 (und 109) enthaltenen Texte. Sie sind eingebettet in einen »Evangeliumsbericht«, der in Kap. 87/88 mit den Nachrichten und Erklärungen des Johannes über die polymorphen Erscheinungen des Herrn beginnt und mit Kap. 105 endet.88 Dem schließen sich an die Mitteilungen über eine sonntägliche Eucharistiefeier (Kap. 106–110), sodann über die Abschiedsreden, die letzten Gebete und den Tod des Johannes (Kap. 111–115). Der »Evangeliumsbericht« (Kap. 87/88–105) unterscheidet sich von den übrigen Stücken der ActIoh durch die deutliche Bezugnahme vor allem auf das Johannesevangelium und etliche synoptische Evangelienstellen;89 wenn man die Kap. 94–102. 109 ausnimmt, ist auch eine grundsätzlich einheitliche Theologie festzustellen.90 Die Fremdartigkeit der in den »Evangeliumsbericht« eingebrachten Texte der Kap. 94–102 ist seit alters von fast allen Autoren hervorgehoben worden. Darin enthalten sind im wesentlichen ein von Jesus vorgetragenes, sehr rätselhaftes »Lied«, bei welchem die Jünger um ihn, der sich tanzend im Zentrum ihres Kreises befindet, herumtanzen (Kap. 94–95), sodann die allein an Johannes gerichtete Erklärung des Sinnes des Liedes und Tanzes, die das wahre Leiden und Nichtleiden des Herrn erkennen lassen sollten (Kap. 96–101). Lied und Erklärung nehmen auf synoptische und besonders stark auf johanneische Evangelientexte Bezug, aber in der Absicht, deren Aussagen über das Todesleiden Jesu als irrig zu kennzeichnen und gewissermaßen durch eine Gegenoffenbarung zu ersetzen.91 88 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 42–46, hat eine überzeugende Darstellung des Aufbaus des Evangelienberichtes gegeben. 89 Siehe bei P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), die Tabelle S. 73 und die Analyse S. 110–134. 90 Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 12. 30–38. 91 Das hat besonders herausgearbeitet J.-D. Kaestli, Le myste`re de la Croix de lumie`re et le Johannisme. Actes de Jean ch. 94–102, in: Cahier biblique 26, 1987, 35–46; vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 110–123. − R. I. Pervo, Johannine Trajectories (wie Anm. 14), 47–68, sieht in den Johannesakten ein Zeugnis für die weitergehende Bearbeitung der johanneischen Tradition in wenigstens zwei johanneischen »Schulen« oder Zirkeln. Das Ergebnis in den ActIoh, insbesondere in den Kap. 87–105, erscheine als eine Parodie der »orthodoxen« Interpretation des Johannesevangeliums, ein »anti-ecclesiastical redactor« habe in den Kapiteln 94–102 eine revolutionäre, neue Edition von Joh 13–19, »a gnostic gospel«, geschaffen (S. 63–67). − T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums im 2. Jahrhundert, Studien zur vorirenäischen Aneignung und Auslegung des vierten Evangeliums in christlicher und christlich-gnostischer Literatur, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 2, Leipzig 2000, behandelt 265–281 die Johannesakten. Er kommt nach sehr
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
E. Junod und J. D. Kaestli haben mit ihren Analysen zu zeigen versucht, daß Kap. 94–102 vom umgebenden Text klar geschieden sind und nicht von Anfang an mit dem übrigen in einer Schrift vereinigt gewesen sein konnten, vielmehr später hinzukamen. Sie sind der Meinung, daß sowohl das Vokabular wie die offenkundige Literaturgattung einer »Offenbarungsrede« auf eine andere, und zwar typisch gnostische Herkunft dieser Kapitel deuten, wie durch den Aufweis zahlreicher Parallelen in Kirchenväter-Mitteilungen und Nag Hammadi-Schriften belegt werden sollte.92 Daß diese Stücke aus gnostischen Kreisen stammen, kann heute als communis opinio gelten, wenn auch eine valentinianische, und speziell östlich-valentinianische Ausrichtung, wie sie E. Junod und J. D. Kaestli nachzuweisen versuchen, weithin nicht anerkannt wird.93 Die beiden Autoren treten − allerdings nicht mit letzter Entschiedenheit − dafür ein, daß nicht ein und derselbe Verfasser der ActIoh die möglicherweise aus Syrien stammenden gnostischen Textstücke in seine Erzählungen eingefügt hat, sondern daß sie eher innerhalb einer gnostisch orientierten, mit der johanneischen Tradition verbundenen Gemeinde in die ActIoh interpoliert worden sind.94 sorgfältigen Analysen zu dem Ergebnis, daß sowohl im narrativen Teil wie im »Offenbarungsredenteil« (Kap. 97–102) Bezüge zum »Text des vierten Evangeliums« gegeben sind. In dem freien und kreativen Umgang »mit dem Stoff des Evangeliums« realisiere sich »die Inanspruchnahme des JohEv für die Botschaft der ActIoh« (S. 280 f.). − Gegen die geläufige Annahme, daß in den ActIoh 87–105 auf das Johannesevangelium Bezug genommen werde, hat I. Czachesz, The Gospel of the Acts of John: Its Relation to the Fourth Gospel, in: T. Rasimus (Hg.), The Legacy of John. Second-Century Reception of the Fourth Gospel, NT.S 132, Leiden/Boston 2010, 49–72, argumentiert. Er führt Gründe dafür an, daß Act Ioh 87–105 nicht direkt vom 4. Evangelium beeinflußt sind, sondern wie dieses eine Verarbeitung vorjohanneischer Traditionen (eines »Proto-John«) darstellen. Seine Rekonstruktionen (S. 65–69) sind jedoch sehr spekulativ und entbehren einer sicheren Begründung. Auch rechnet I. Czachesz damit, daß der Autor der ActIoh das Johannesevangelium für dessen Art der Bearbeitung von »Proto-John« kritisiert (S. 69), also doch das vierte Evangelium kennt. Deshalb spielt eine Entscheidung in dieser Sache für die hier vorgetragenen Überlegungen keine Rolle. 92 Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 581–677. J. D. Kaestli hat in seiner Studie »Le myste`re de la Croix« (wie Anm. 91) den gnostischen Charakter insbesondere der Christologie und den Dualismus der Kap. 94–102 nochmals betont (S. 35. 38. 42–46). 93 Siehe K. Schäferdiek, NTApo II5, 153; ders., Johannes-Akten (wie Anm. 1), 574 f.; P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John, An Interpretation of the Hymn and Dance in Light of the Acts Theology, San Francisco 1991, 142 f.; R. Pervo, Johannine Trajectories (wie Anm. 14), 66 f. (nicht genuin valentinianisch); ähnlich G. Luttikhuizen, A gnostic reading of the Acts of John, in: J. N. Bremmer, The Apocryphal Acts of John (wie Anm. 10), 119–152; P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 32–35. 50–52. 135–142; T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums (wie Anm. 91) 266 (mit Hinweis auf die Begründung bei Junod/Kaestli, ActaIoh, II, 627–632); H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten (wie Anm. 1), 32 (Berührungen mit dem Valentinianismus, jedoch anscheinend »den großen Systembildungen« noch vorausliegend); ders., Die apokryphe Bibel (wie Anm. 20), 320. 94 Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 700–702. J.-D. Kaestli hat in dem in Anm. 1 genannten Aufsatz »Los Hechos de Juan« (2013), 293–308, die zentralen in »Acta Iohannis I und II« vorgetragenen Thesen bestätigt.
II. 1. Argumente jüngerer Zeit für den gnostischen Charakter
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Junods und Kaestlis gnostische Interpretation soll hier vor allem nur in einem entscheidenden Stück, ihrer Deutung der christologischen Antithesen im Hymnus des tanzenden Christus (ActIoh 95) und der »mythischen« Ausdrücke im selben Kapitel eingehender referiert und mit einer Gegenthese beantwortet werden. Zunächst sei über einige, auch kritische, Erwiderungen und/oder Modifikationen ihrer Thesen berichtet. Gerlinde Sirker-Wicklaus hat in ihrer Dissertation von 1988 die von Junod/Kaestli vertretene Aussonderung der Kap. 94–102 in Frage gestellt und ist, ebenso wie Schäferdiek zehn Jahre später, für eine einheitliche Redaktion eines einzigen Verfassers eingetreten.95 Die von Junod/Kaestli beigebrachten »Parallelen« aus gnostischen Schriften hat sie als unzureichend für eine gnostische, insbesondere valentinianische, Deutung dieser Kapitel erklärt.96 Sie vertritt die Ansicht, der Verfasser habe − ebenso wie der Autor des Johannesevangeliums − lediglich gnostische Vorstellungsinhalte verwendet, die nicht »einem bestimmten gnostischen Mythos zugeordnet werden können«, die aber in gewissem Sinn seiner Weltsicht entsprachen und mit denen er seiner Auffassung von Gott, Kosmos und Mensch einen markanten Ausdruck verleihen konnte.97 Nach G. Sirker-Wicklaus (jedoch ohne Bezug auf sie) hat sich Gerard Luttikhuizen in seinem Aufsatz »A gnostic reading oft he Acts of John« (1995) intensiv mit der Frage einer gnostischen Konzeption in den Kapiteln 94–102 (und 109) beschäftigt.98 Er stellt aufgrund der Auswertung zahlreicher von ihm als Parallelen gewerteter »gnostischer«, auch valentinianischer Texte99 zu etlichen in diesen Kapiteln vorkommenden Vorstellungen, Motiven, Aussagen, Begriffen − ähnlich wie es Junod/Kaestli getan haben − evident gnostische mythische Ideenmuster fest, wenn er auch gegenüber einer valentinianischen Deutung dieser Denkstrukturen skeptisch ist.100 »Die Gnostiker der Kapitel 94–102«, so 95 G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannesakten (wie Anm. 35), bes. 91–98; K. Schäferdiek, Johannes-Akten (wie Anm. 1), 574–577, hat die Argumente seiner Schülerin für eine einheitliche Redaktion verstärkt; vgl. seine (kürzeren) Ausführungen in: Ders., NTApo II5, 1989, 152. 96 Siehe G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen (wie Anm. 35), 122–127. 133–141. 155–157 (passim). 97 Siehe G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen (wie Anm. 35), 217. 98 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 119–152. 99 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 123–127, unterscheidet hier (noch) im Anschluß an B. Layton einerseits »klassisch gnostische Schriften« wie das Apocryphon Johannis (NHC III, 1; BG 2) und die mit dessen mythologischer Gnosis verwandten Texte, die weitgehend identisch seien mit den von H.-M. Schenke ausgemachten Sethianischen Texten, und andererseits Schriften aus den Schulen der Valentinianer, die eine Reform der klassischen mythologischen Gnosis gebracht hätten und wie andere Schriften nur insoweit als »gnostisch« bezeichnet werden könnten als sie von der klassischen Gnosis beeinflußt seien. − Später hat Luttikhuizen die von ihm übernommene Position selbst in Frage gestellt, s. seinen Aufsatz: »Sethianer«?, ZAC 13, 2009, 76–86. 100 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 134–149, nimmt gnostische (auch valentinianische) Herkunft z. B. für folgende Vorstellungen an: Scheidung der Gnostiker und der unverständigen Menge durch das Lichtkreuz; Ogdoas; physische Leidensunfähig-
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
formuliert er seine These über die Gründe und Bedeutung dieses Einschubs in die bereits vorliegenden Johannesakten, waren angezogen von den Erzählungen über die Taten des Johannes in der Asia, weil in diesen »demonstriert sei, was als wahres spirituelles Leben« zu gelten habe.101 Zugleich ließen sich in diesen Erzählungen (scil. des Grundstocks), die an sich nichts spezifisch Gnostisches enthalten, schwerlich data finden, die mit den gnostischen Denkvorstellungen der Kap. 94–102 unvereinbar seien. So wurden die Erzählungen der Johannesakten durch die Einfügung zu einem für Gnostiker attraktiven Text.102 Diese These hat Luttikhuizens Schüler Pieter J. Lalleman in seiner Dissertation »The Acts of John. A Two-Stage Initiation into Johannine Gnosticism« (1998) weiter fortgeführt und spezifiziert. Er schreibt die Kapitel 94–102. 109 einem gnostischen Autor zu, der diese Stücke in die schon vorhandenen »ungnostischen« Johannesakten eingeschoben habe, um diese Texte insgesamt auf eine höhere, eben gnostische Ebene zu heben.103 Mit Hinweis auf Junod/ Kaestli und Luttikhuizen erklärt Lalleman, der gnostische Charakter der Kap. 94–102 sei so allgemein akzeptiert, daß ein Beweis dafür nicht mehr notwendig sei. Er erwähnt dann aber doch wenigstens eines der Argumente, nämlich die in Kap. 94–102 enthaltene Darstellung der Entfremdung der Menschheit von ihrem göttlichen Ursprung und die Ermöglichung ihrer Rückkehr aufgrund der Erkenntnis, die sie durch die Offenbarung Christi erhält.104 Nun reicht dieses Argument allerdings nicht, den gnostischen Charakter eines Textes zu erweisen. (Man könnte durchaus behaupten, daß es in bestimmtem Sinne auch für das Johannesevangelium gelte.105) So stellt Lalleman denn auch einen Katalog charakteristischer Lehrelemente dessen zusammen, was als gnostisch (im weiten Sinne) gelten solle, um prüfen zu können, welche Textteile zu Recht als gnostisch zu bezeichnen seien. keit Jesu; Christologie; wachsende Erkenntnis der Erwählten. Sein Urteil (145): »Whereas the underlying mythical thought pattern is evidently Gnostic, I doubt whether it is possible to be more specific and to define this Gnostic thought structure as Valentinian.« − Die Tragweite seiner Belege für gnostische Denkstrukturen wird hier im Zusammenhang mit der Argumentation von P. J. Lalleman erörtert. 101 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 150; der Verfasser führt als Beispiele an: die spirituelle Auferstehung, die Verachtung des Leiblichen, die Hochschätzung der Enthaltsamkeit, die Selbstbeherrschung (150–152). 102 Ebd. 152. 103 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 25–68. 104 P. J. Lalleman, The Acts of John, 32. 105 Dieses Argument genügt eigentlich schon deswegen nicht, weil es in den ActIoh zwar eine Entfremdung, aber keinen vorzeitlichen »Fall« der Menschheit aus dem göttlichen Raum gibt, wie Lalleman, ebd. 198, selbst feststellt (s. unten Anm. 118), und die »Rückkehr« nicht wie im Gnostizismus in das »Pleroma« erfolgt, sondern − das hat C. Schmidt, Die alten Petrusakten (wie Anm. 2), 129, bereits 1903 hervorgehoben − in die α᾽να´παυσις Christi, das ist: Gottes (ActIoh 96, 13–19; 99, 8–9; 100, 4–7); vgl. auch P. Weigandt, Der Doketismus (wie Anm. 19), 86 Anm. 1. − Das Konzept der Entfremdung der Menschen von Gott und ihrer Erlösung durch die Erkenntnis der Wahrheit, die der Offenbarer schenkt, ist durchaus johanneisch (z. B. Joh 8, 31–32).
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Dies sind die von ihm genannten Characteristica: 1. der Dualismus zwischen einem absolut transzendenten Gott und einem Kosmos, der nicht dessen Schöpfung ist, sondern das Werk eines unvollkommenen und bösen Demiurgen (der mit dem Gott des Alten Testaments identifiziert wird). Das Ergebnis ist »a strong anticosmism«; 2. die wesenhafte Göttlichkeit des inneren Menschen, der ein der materiellen Welt fremder Lichtfunke ist; 3. Erlösung durch eine aus der Welt des Lichts kommende Offenbarung des Wissens über die eigene Herkunft; dieses Wissen ist zugleich Erkenntnis Gottes; 4. Ausdruck der genannten Lehren in der Form von Mythen, die von den vielen Hypostasen im Universum handeln. Auch wenn die Mythen nicht ausdrücklich vorgetragen werden, sind sie vorausgesetzt. Asketismus, Doketismus, Allegorisierung von AT und NT seien für die gnostische Religion lediglich akzidentell, sagt Lalleman abschließend zu Recht. Sein Urteil in Bezug auf ActIoh 94–102 und 109 lautet: Der erste Punkt (Dualismus) sei weniger klar gegeben als die anderen. Doketismus und Allegorisierung stächen hervor, Spuren von Mythen und Hypostasen zeigten sich ebenfalls.106 Den gnostischen Charakter der Kap. 94–102 und 109 untersucht Lalleman in einem späteren Abschnitt genauer durch einen Vergleich mit als gnostisch geltenden Texten, in denen die engsten Parallelen zu ActIoh 94–102 (und 109) gesehen werden. Bevor diese Vergleichung gewürdigt wird, sei eine vorläufige Beurteilung seiner bisherigen Feststellungen gegeben: Der für ein als gnostisch zu beurteilendes System entscheidende Lehrpunkt ist der an erster Stelle aufgeführte: der Dualismus zwischen einem absolut transzendenten ersten Gott und einem minderen Schöpfergott.107 Ist dieser Dualismus nicht gegeben, kann von 106 P. J. Lalleman, The Acts of John, 33 f.; für die letzte Behauptung verweist Lalleman auf sein Kap. 4: Christology, 153–215. Obwohl der Autor dort (186–199) eine Deutung des »Lichtkreuzes« (ActIoh 98) und der Bezeichnung »α῎νϑρωπος« für Christus (vor allem Act Ioh 101, 14–16) im eigentlich gnostischen Sinn ausschließt, beendet er seine Untersuchung doch mit den Worten: »As a result, the AJ takes an important step towards the incorporation of α῎νϑρωπος into the developing Gnostic myth. The concepts of α῎νϑρωπος and the cross go together in expressing the mystery of salvation, which lies in the identification of the saved humans with the divine.« (199) − Die unten folgenden Analysen werden zeigen, daß dieses Ergebnis, zu dem ihn offenbar auch die − irrtümliche − Frühdatierung der Johannesakten geführt hat, nicht zu rechtfertigen ist. S. 186–190 hat er jedoch mit entscheidenden nichtvalentinianischen Texten zu zeigen vermocht, daß die Interpretation des »Lichtkreuzes« im valentinianischen Sinn durch Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 611–614, nicht stichhaltig ist. Lalleman (190) hält − möglicherweise mit Recht − dafür, daß das »Lichtkreuz« eine Schöpfung des Autors der Johannesakten ist, zu der er sich durch verwandte Versuche, das schändliche Holzkreuz in ein wunderbares Heilszeichen umzuwandeln, anregen ließ, z. B. durch Ps.-Hippolyt, In s. pascha 51; EvPetr 39–42; IgnTrall 11, 2. − P. Foster, Do Crosses Walk and Talk? A Reconsideration of Gospel of Peter 10. 39–42, JThS NS 64, 2013, 88–104, untersucht diese und verwandte Texte, erwähnt jedoch erstaunlicherweise das Lichtkreuz der Johannesakten nicht. 107 Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John, 33: »The Gnostic form of Christianity . . . is always characterised by a negative attitude towards the world and its creator.«
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»Gnosis« im eigentlichen Sinn nicht geredet werden.108 Je nachdem wie die Entscheidung über diesen Lehrpunkt ausfällt, werden die drei übrigen einzuschätzen sein: Werden hier gnostische Vokabeln, Motive etc. lediglich als metaphorische Ausdrucksmittel verwendet oder zeigen sie − wenigstens hintergründig − ein echt gnostisches Denksystem an? Nun ergibt sich bei einer sorgfältigen Lektüre der Kap. 94–102 und 109, daß der beschriebene Dualismus − anders als Lalleman urteilt − in keiner Weise zu finden ist; vielmehr bleibt es beim ungebrochenen Monarchianismus der voraufgehenden und folgenden Kapitel. Es ist unverändert − wie im »Grundstock« − von dem »Herrn« die Rede (ActIoh 97, 1; 97, 7; vgl. 99, 8; 102, 5; 109, 12); dieser ist »Gott« (97, 12), »wahrhaft Gott« (98, 6). Er vereinigt auf sich zahlreiche, mit einer Ausnahme109 sämtlich aus den Evangelien stammende Bezeichnungen wie Gnade, Kreuz, Christus usw. einschließlich Logos, Sohn, Vater, Geist (98. 109). Diese Polyonymie ist Hinweis auf die Unerkennbarkeit und Namenlosigkeit und Unaussprechbarkeit des einzigen Gottes.110 Sogar der klassische monarchianische »Schriftbeleg« wird dem Herrn in den Mund gelegt: »Erkenne nämlich, daß ich ganz beim Vater bin und der Vater ganz bei mir (ist)« (ActIoh 100, 11 f.; vgl. Joh 14, 10 f. par.)111 Von einem minderwertigen 108 Diesen Dualismus bezeichnet Irenaeus in den ersten erhaltenen Sätzen seiner Vorrede zu seiner Widerlegung als die Lehre, welcher sich die Besitzer einer »Gnosis« rühmen, gegen die insgesamt sein Werk gerichtet ist: »Viele verderben sie, indem sie diese unter Vortäuschung einer Gnosis (προφα´σει γνω´σεως) von dem, der das All erstellt und geordnet hat, abbringen, als ob sie etwas Höheres und Größeres aufzeigen könnten als den Gott, der Himmel und Erde und alles darin gemacht hat.« (Irenaeus, Adv. haer. I, Prol. 1 [SC 264, 18 f. Rousseau/Doutreleau]; vgl. die ganz ähnlichen Aussagen am Ende des ersten Buches Adv. haer. I, 31, 3). »Fälschlich sogenannte Gnostiker« (γνωστικοι´; z. B. Adv. haer. I, 11, 1. 5; I, 13, 1; gnostici: z. B. Adv. haer. II, Prol. 1) sind dementsprechend für Irenaeus alle die, welche in der Nachfolge des Simon Magus, so vor allem die Valentinianer, diesen Dualismus gelehrt haben und von ihm im ersten Buch widerlegt worden sind: Adv. haer. II, Prol. 1. Als das »erste und wichtigste Kapitel« im Kampf gegen die Gnostiker bezeichnet er in Buch II, 1, 1 die Aufgabe zu zeigen, daß der demiurgus deus der alleinige Gott, Herr, Schöpfer, Vater ist und der Demiurg nicht etwa das Produkt eines vorzeitlichen Falles (extremitatis fructum). Gleiche Aussagen kehren in allen folgenden Büchern immer wieder. − Mir scheint es berechtigt zu sein, Irenaeus zu folgen und alle die seiner Zeitgenossen zu Vertretern einer »Gnosis« zu rechnen, die er in diesem Sinne kennzeichnet und in seinem Werk bekämpft. 109 Diese Ausnahme ist das Wort νου῀ς; es begegnet z. B. ebenfalls unter den elf Namen Gottes in der Schrift »An Diognet« 9, 6; s. dazu H. E. Lona, An Diognet, KfA 8, Freiburg/ Basel/Wien 2001, 278. 110 Vgl. dazu Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 617–621; sie ziehen vor allem Parallelen aus gnostischen Texten heran und sehen in den vielen Namen Emanationen des ewigen, unaussprechlichen Namens (Gottes); Kritik bei G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannesakten (wie Anm. 35), 122–127; P. J. Lalleman, The Acts of John, 174–179: ». . . nothing in the lists of predicates is inherently Gnostic« (178). Anscheinend im Widerspruch zu den obigen Aussagen stellen E. Junod und J.-D. Kaestli fest, daß alle »Namen« in den Kapiteln 98 und 109 ebenso wie in Kap. 94 einen einzigen Gott bezeichnen: »En fait, tous les noms servent a` ce´lebrer un seul eˆtre divin« (646). 111 J.-D. Kaestli, Le myste`re de la Croix (wie Anm. 91), 45, hat zu ActIoh 100, 11–12
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Demiurgen oder einem ähnlichen Wesen findet sich nicht die geringste Andeutung.112 Das macht skeptisch auch gegenüber der Behauptung eines strengen »anticosmism«. Die Begriffe und Aussagen, die darauf hinweisen könnten, sind dann eher als − gewiß etwas radikale − Metaphern für die auch im »Grundstock« der ActIoh vorhandene Abwertung alles Leiblichen und Stofflichen zu werten. Das sollte dann auch für die umstrittene Stelle ActIoh 98, 18 f. über »Satan und die niedere Wurzel, aus der die Natur des Werdenden hervorgegangen ist« gelten. In Kap. 98 zeigt und erklärt »der Herr« dem Johannes ein »Lichtkreuz«, das, wie die vielen (im Neuen Testament begegnenden), hier von ihm aufgezählten Namen, eine Bezeichnung für ihn selbst, Christus, sei (Kap. 98, 9–12). (Nach dieser Aufzählung der vielen Namen wird der Text unsicher. Ich folge der Rekonstruktion von Junod/Kaestli und schließe mich einer Konjektur von P. J. Lalleman an, welcher bei der zweiten Nennung der Sophia ein μη` einschiebt113). Von dem »Lichtkreuz« sagt nun der mit ihm identische »Herr«, es sei »Begrenzung von allem . . . und Harmonie der Weisheit (Sophia). Wenn nun aber die Weisheit (Sophia) 〈nicht, cj. Lalleman〉 in Harmonie sich befindet, gibt es Rechte und Linke, Kräfte, Gewalten, Herrschaften und Dämonen, Wirkkräfte, Drohungen, Zornausbrüche, Verleumdungen, Satan und die niedere Wurzel, aus der die Natur der Gewordenen hervorging.« (. . . Σατανα῀ς, και` η῾ κατωτικη` ῀ ν γινομε´νων προη ῀ λϑεν φυ´σις) (Kap. 98, 14–19). ρ῾ι´ζα, α᾽φ ᾽ η῟ς 〈η῾〉 τω Obwohl Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 663, festhalten, daß in Kap. 98 kein Demiurg als Vater der psychischen und hylischen Wirklichkeiten genannt wer»l’unite´ totale de Pe`re et du Fils« festgestellt; vgl. J. P. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 181. 112 Schon P. Weigandt, Der Doketismus im Urchristentum (wie Anm. 19), 86, hatte festgestellt: »Wir vermögen in den Acta Johannis nur ein Produkt eines gnostisierenden Vulgärchristentums zu sehen. Es muß aber trotz aller gnostisierenden Neigungen hervorgehoben werden, daß es für diese Schrift offensichtlich nur e i n e n Gott gibt, zu dem die Seelen einmal zurückkehren werden, und daß ein Demiurg fehlt.« (Hervorhebung Weigandt). − Der Widerspruch gegen Weigandt, den E. Junod/J.-D. Kaestli, Acta Iohannis, II, 602 f. mit der Behauptung formulieren, der Gekreuzigte in ActIoh 97–99 sei »eine Kreatur niederer Mächte oder des Demiurgen«, hat keine Grundlage im Text. − Dagegen hat G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 138 f. mit Recht erklärt, daß die gnostische Auffassung, der Gekreuzigte sei ein Geschöpf der Archonten, sein Leib stamme aus einer niederen Welt, in den ActIoh nicht begegne. − P. J. Lalleman, The Acts of John, selbst erklärt, daß es »nur den einzigen Gott Christus in den Johannesakten« gebe (153 Anm. 1); siehe auch die Schlußfolgerung der Analyse der Namenslisten in ActIoh 98 und 109: »These lists thus share the view found in the earlier sections of AJ that Christ and God must not be distinguished because Christ is God himself and accordingly not human« (177). 113 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 192. J.-D. Kaestli, Los Hechos de Juan (wie Anm. 1), 308 f., verwirft die Konjektur von Lalleman, deutet weiterhin die in ActIoh 98 aufgezählten Namen des Lichtkreuzes, also Christi, als valentinianische Äonen (ebd. 292 f.) und sieht in dieser Passage »la referencia a un mito de los origenes«.
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de und daß es keine Spur gebe von Spekulationen über die verschiedenen Leidenschaften der Sophia, welche − nach den Berichten z. B. bei Irenaeus − als Material für die verschiedenen Teile der Schöpfung dienten, sehen sie dennoch »in dieser Aussage ein Zeugnis eines radikalen ontologischen Dualismus: Die geschaffene Welt erhält ihr Wesen von einem Prinzip, das diabolisch oder mit dem Teufel eng verwandt ist.« Nun gibt es zweifellos in diesen diskutierten Kapiteln zahlreiche Ausdrücke und Formulierungen, die in echt gnostischen Texten begegnen und möglicherweise auch von diesen angeregt sind. Es ist aber bei solchen Übernahmen nicht auszuschließen, daß auch Vorstellungen aufgenommen werden, die dem sonst feststellbaren Denken des Autors/Redaktors widersprechen oder wenigstens nicht vollständig damit harmonieren. Das scheint auch hier der Fall zu sein (und deswegen kann schon die Textüberlieferung unsicher sein und gibt es bisher keine übereinstimmende Deutung): Denn nirgendwo wird die »Natur der gewordenen Dinge, die aus der niederen Wurzel stammen« oder die »niedere Natur« (η῾ κατωτικη` φυ´σις, 100, 1 f.), auch wenn sie wie hier (98, 16–19; vgl. 23, 2–6) in eine Reihe mit Satan, Dämonen und negativen Kräften gestellt wird, auf eine Produktion durch den Satan oder einen Dämon zurückgeführt. In dem von den Autoren zu dem »gnostischen« Bestand gerechneten Eucharistiegebet in Kap. 109, 12 f. wird Jesus (der alleinige Gott) von Johannes »als die Wurzel (ρ῾ι´ζα) der Unsterblichkeit und die Quelle der Unvergänglichkeit und die Grundlage (ε῞δρα) der Äonen angerufen. Das Wort ε῞δρα drückt, wie es auch ε῾δρα´ζειν kann, hier zugleich die göttliche Schöpfung aus.114 Das heißt: Jesus, der alleinige Gott, ist die schöpferische Grundlage der Äonen, sie sind sein Werk, sein Leib ist nicht ihr Produkt. Nichts deutet darauf hin, daß der Gott Jesus der Schöpfer lediglich der »Äonen« und nicht auch der Welt sei. Wenn man annimmt, daß die sogenannten »gnostischen« Kapitel 94–102. 109 zwar später als der Grundtext konzipiert und eingefügt worden sind, jedoch nicht von einem zweiten, sondern von demselben Autor, welcher die eingefügten Kapitel sorgfältig mit den anderen verknüpft hat − dafür haben mit guten Gründen Sirker-Wicklaus und Schäferdiek plädiert115 und dafür sollen weiter unten auch Argumente beigebracht werden − dann ergibt sich schon aus dem unmittelbar von Kap. 109 stehenden Gebet des Johannes, welches in das Eucharistiegebet Kap. 109 übergeht, daß der Gott Jesus Christus der Schöpfer von allem ist: »Der Du ewig bist«, betet Johannes, »und in allen bist und überall gegenwärtig bist und das All umgreifst und das All erfüllst, Gott Jesus, Christus Herr« (Kap. 108, 7–9).
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Cf. Lampe, PGL s. v.; Ps.-Hippolyt, In s. pascha 51 (SC 27, 159, 2 f. Nautin): ε῞δρασμα
τω ῀ ν ο῞λων, στη´ριγμα του῀ παντο´ς). 115
Siehe unten S. 232–234.
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Kann man einen einzigen Autor/Redaktor annehmen − das erscheint mir als die begründetste These − dann kommen die mehrfachen, oben angeführten Aussagen über Jesus Christus als Schöpfer hinzu.116 Für eine Schöpfertätigkeit irgendwelcher dämonischer Kräfte bleibt kein Raum. Die negativen Aussagen über die »niedere Natur« in den ActIoh sind dann nicht im ontologischen Sinn zu werten, sondern ähnlich den Aussagen über den verworfenen oder gottfernen Kosmos und seinen Herrscher im Johannesevangelium (u. a. 8, 23: υ῾μει῀ς ε᾽κ
τω ῀ ν κα´τω ε᾽στε´, ε᾽γω` ε᾽κ τω ῀ ν α῎νω ει᾽μι´· υ῾μει῀ς ε᾽κ του´του του῀ κο´σμου ε᾽στε´, ε᾽γω` ου᾽κ ει᾽μι` ε᾽κ του῀ κο´σμου του´του; 12, 31; 14, 17. 30; 15, 18–19; 16, 8–11; 17, 6–26),
im ersten Johannesbrief (2, 15–17 und passim) oder im Jakobusbrief (4, 4) aufzufassen. Dies erinnert stark an die spannungsreiche Konzeption des Tatian, bei dem die Materie, und sogar die Seele, ihre »Entstehung von unten« haben (Or. 13, 3: κα´τωϑε´ν ε᾽στιν η῾ γε´νεσις; vgl. 16, 6: υ῞ληͺ δε` τη῀ͺ κα´τω), und der (Or. 15, 8) Materie, (materielle) Dämonen und Schlechtigkeit (πονηρι´α) in einem Atemzug nennt, gleichwohl nur einen einzigen guten Schöpfergott kennt.117 Ein strenger »anticosmism« (Lalleman) oder ein »radikaler ontologischer Dualismus« der auf ein dämonisches Schöpfungsprinzip zurückzuführen wäre (nach Junod/Kaestli), sind also in den »gnostischen« Kapiteln 94–102. 109 nicht nachzuweisen. Konsequent fehlt auch ein ausgebildeter Mythos über ein mit göttlichen Hypostasen bevölkertes Pleroma, über die Schöpfung von Kosmos und Mensch und über den vor den Äonen der kosmischen Sphären verborgenen Abstieg des Erlösers aus dem Reich des Lichtes zur befreienden Mitteilung der Gnosis an die in den Menschen eingekerkerten göttlichen Lichtfunken, die mit ihm von einer Natur sind; es fehlt also der »komplexe Mythos«, den A. Luttikhuizen im Anschluß an B. Layton als »distinguishing mark« echt gnostischer Texte bezeichnet hat.118 Die Spuren von Mythen und Hypostasen, die Lalleman 116
Vgl. oben Anm. 7. Siehe dazu J. Trelenberg, Tatianos, Oratio ad Graecos. Rede an die Griechen, BHTh 165, Tübingen 2012, 31–33. − Die Nähe der Thomasakten und auch der Johannesakten zur Theologie und Terminologie Tatians belegt mit zahlreichen Parallelen Erik Peterson, Einige Bemerkungen zum Hamburger Papyrus-Fragment der Acta Pauli (wie Anm. 55). Er beschließt seine Untersuchung (S. 208 Anm. 92) mit dem Ergebnis, »daß die Theologie Tatians die der apologetischen Apostelgeschichten gewesen ist.« 118 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 125; er verweist in Anm. 15 auf die entsprechende Erklärung von B. Layton, The Gnostic Scriptures. A New Translation with Annotations and Introductions, Garden City NY 1987, 9: »a complex and distinctive myth of origins . . . is the distinguishing mark of gnostic literature; without it, classic gnostic scripture could not be recognized.« − Auch K. L. King, Epistle of Peter to Philipp, WUNT 254, Tübingen 2010, 445–465, sieht »Gnosis« dann gegeben, wenn das Übel in der Welt auf einen Fall (der Sophia) vor der Schöpfung zurückgeführt werden kann. − Herbert Schmid hat in seiner Habilitationsschrift: »Gab es eine ›sethianische‹ Religion neben dem Christentum. Ein Beitrag zur Diskussion um den kirchengeschichtlichen und religionsgeschichtlichen Begriff der ›Gnosis‹«, München 2013, 194 f. festgestellt, daß sowohl Valentinianer wie die anderen »Gnostiker« einen deutlichen Graben zwischen den vollkommenen Gott und den »Schöpfer der irdischen Welt« legen, Schöpfung und Fall identisch sind. − P. J. Lalleman, The Acts of John, 140, Anm. 321, stellt fest, daß ein »gnostisches Pleroma« in den 117
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festzustellen meint (Punkt 4), ohne sie zu nennen (vielleicht meint er die Ogdoas und die Zwölf-Zahl, Kap. 95, 23. 25?119) wären dann allenfalls Begriffe und Motive, die das Interesse des Lesers erregen sollen, sind aber nicht Ausdruck einer zugrundeliegenden systematischen gnostischen Struktur. Als Zwischenbilanz läßt sich demnach festhalten, daß keines der von Lalleman aufgeführten, gnostische Texte charakterisierenden Elemente in den Kapiteln 94–102 und 109 sicher nachweisbar ist. Was fördert an echt gnostischen Strukturen in diesem Text sein Vergleich mit einschlägigen gnostischen Zeugnissen zutage? Er zieht die folgenden, den Johannesakten, wie er sagt, am nahesten kommenden Texte heran: 1. das Apokryphon des Johannes, 2. die Excerpta ex Theodoto, 3. die Fragmente des Valentinus (die er nicht zu den gnostischen Schriften im strikten Sinn rechnet), 4. den Brief des Petrus an Philippus und 5. die Apokalypse des Petrus.120 Die Ergebnisse des Vergleichs fallen für die einzelnen Texte unterschiedlich aus: Zu 1. Zunächst zum Apokryphon des Johannes (ApocrJo), das in drei verschiedenen Versionen vorliegt und von dem oder von dessen Vorgängertext Irenäus, Adv. haer. I, 29, Wesentliches zusammenfaßt. Lalleman zieht zum Vergleich die Version des Codex BG 2 heran, die ebenso wie NHC III, 1 eine selbständige koptische Übersetzung eines kürzeren griechischen Originals ist. (NHC II, 1 und IV, 1 sind dagegen etwas im Dialekt unterschiedene Abschriften »derselben koptischen Übersetzung eines längeren griechischen Urtextes«.)121 Die Parallelen, die Lalleman (nach anderen Autoren) heraushebt, betreffen lediglich die Rahmenhandlung des ApocrJo. Zwischen den in dessen Hauptcorpus ausführlich mitgeteilten »klassisch« gnostischen Mythen und den ActIoh gibt es keinerlei Übereinstimmungen, so daß eine gnostische Deutung ActIoh »fast ganz fehle«; das Wort komme überhaupt nicht vor; ebd. 198 sagt er, daß nirgendwo zu lesen sei, die (spirituelle) Menschheit habe ihren Ursprung im Himmel und sei von da herabgekommen. − G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 138 f., hält fest, daß der Leib des Gekreuzigten nicht ein Produkt der Weltherrscher, der Archonten, sei und daß es auch keinen descensus incognitus des Erlösers gebe. − Bereits 1961 hatte P. Weigandt, Der Doketismus im Urchristentum (wie Anm. 19), gegen andere Forschungsmeinungen erklärt, daß es in den Johannesakten keine »Äonen« gebe, kein gnostischer Erlösungsmythos enthalten sei und konsequent auch von keiner »unio mystica« der Erlösten mit dem Erlöser gesprochen werden könne, siehe l. c., Bd. II, Anm. 224; 233; 236. 119 Siehe dazu unten S. 222 ff. 120 P. J. Lalleman, The Acts of John, 135–142. 121 Siehe die Konkordanz der deutschen Übersetzungen von M. Waldstein samt Einleitung in: Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe, eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, hrsg. von H.-M. Schenke/ H.-G. Bethge/U. U. Kaiser, unter Mitwirkung von K. Schwarz, Berlin/New York 2 2010, 74–122, Zitat 74.
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dieser Schrift von hier aus entfällt.122 Geht man die Vergleichspunkte, die Lalleman aufzählt, aber teilweise nicht ganz korrekt angibt, in den beiden Texten durch, so ergeben sich derart viele Unterschiede, daß man eine literarische Beziehung eher ausschließen wird.123 Lalleman zieht aus dem (nur oberflächlich durchgeführten) Vergleich weitreichende Schlüsse: »It is remarkable that the frame oft he Apocryphon combines elements found in AJ 90 (polymorphy), 97 and 103 and is thus intertextually related to the final version of our text.«124 Ein späterer Redaktor des ApocrJoh habe sich von dieser Endversion der ActIoh beeinflussen lassen und dem ApocrJoh einen ähnlichen novelistischen Rahmen hinzugefügt; die ActIoh seien also der frühere Text (»architext«) und − das wird als »tentative conclusion« formuliert − sie stellen ein frühes Stadium der gnostischen Bewegung dar.125 Diese Schlußfolgerungen entfallen mit der nicht erwiesenen, m. E. höchst unwahrscheinlichen literarischen Beziehung zwischen den ActIoh und dem ApocrJoh. Daß ein paar nicht sehr spezifische Elemente in den beiden Rahmenerzählungen vergleichbar sind, wird man mit K. Schäferdiek besser dadurch erklären, daß die Autoren dieser Schriften unabhängig voneinander auf ähnliche (vielleicht z. T. noch mündliche) Traditionen zurückgegriffen haben.126 122
Siehe P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 137. P. J. Lalleman, The Acts of John, 136, nennt (ohne Stellenangaben) folgende Korrespondenzen: 1. und 2. »flight of John from Jerusalem; meeting of John and the Revealer on a lonely mountain.« Das geschieht in ApocrJo, BG 2, p. 19–21, als sich Johannes nach dem Weggang Jesu aus dem Kosmos aufgrund eines Vorwurfs eines Pharisäers vom Tempel abkehrte und »einem Berg, einem wüsten Ort zuwandte«; die Offenbarung einer polymorphen Lichtgestalt erfolgt aus dem geöffneten Himmel. − Gänzlich anders ist es in den Act Ioh 97: Johannes flieht während der Kreuzigung zum Ölberg (der nicht wüst ist), und ihm erscheint in einer Höhle »der Herr« und beginnt seine Offenbarungsrede. 3. »polymorphous appearance of the Lord in which light also plays an important role«. BG 2, p. 21, erscheint im Licht ein Kind, wandelt sich in einen alten Mann (und einen Diener, NHC II, 1, p. 2, 5), und die dreigestaltige oder dreigesichtige Erscheinung erklärt dem Johannes, sie sei der Vater, die Mutter, der Sohn, weiter der ewig Seiende, Unbefleckte usw. Das alles unterscheidet sich, wie auch Lalleman (137) bemerkt, von den Polymorphie-Aussagen der ActIoh, und zwar so sehr, daß eine literarische Beziehung nicht angenommen werden kann. 4. »John receives a revelation followed by a command to hide its contents«. Lalleman hat als Parallele wohl ActIoh 102, 1–2 im Auge (zitiert unter Nr. 5). Das mehrfache Vorkommen einer ähnlichen − doch keineswegs außerordentlichen − Anweisung zur Geheimhaltung läßt einen Schluß auf Intertextualität schwerlich zu. Junod/Kaestli verweisen in ihrem Kommentar, Acta Iohannis, II, 676 u. a. auf die Parallelen EvThom 13; ActThom 47 und EpJac (NHC I, 2) 1, 8–25; zu diesen und weiteren »gleichsam technische(n) Formeln« s. H.-Ch. Puech in: NTApo I3, 136 (Lit.); 240 f. 5. »disappearance of the Saviour ends the conservation.« Dieser Punkt ist zu selbstverständlich, als daß er ins Gewicht fiele; zudem sind die Formulierungen grundverschieden: BG 2, p. 76 Ende: »Er vertraute ihm das Geheimnis an, und sogleich entschwand er ihm.« − ActIoh 102, 1–2: »Nachdem er dieses zu mir geredet hatte und anderes, das ich nicht zu sagen weiß, wie er es will, wurde er aufgenommen (vgl. Mk 16, 19; Apg 1, 2. 11), wobei niemand aus der Menge ihn sah.« 124 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 136 f.; ActIoh 103 ist wohl versehentlich statt 102 angegeben. 125 P. J. Lalleman, The Acts of John, 137; 142. 126 Vgl. K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse (wie Anm. 25), 255 f., der auf die gleiche 123
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Zu 2. Mit den Excerpta ex Theodoto gibt es zwar »einige klare begriffliche Ähnlichkeiten«, jedoch keine sicheren intertextuellen Verbindungen, stellt Lalleman fest.127 Zu 3. Textliche Beziehungen zwischen Valentinus und den Johannesakten können nicht bewiesen werden, erklärt Lalleman.128 Zu 4. Mehrere Motive (die z. B. Ort, Licht, Herrenstimme, »Himmelfahrt« betreffen) im Brief des Petrus an Philippus (NHC VIII, 2) ähneln Aussagen in den ActIoh; aber das sind nicht gnostische Strukturen. Die bedeutenden theologischen Unterschiede, folgert Lalleman, machen einen Bezug zwischen den beiden Schriften unwahrscheinlich.129 Zu 5. Das Urteil Lallemans über das Verhältnis zwischen der Apokalypse des Petrus (ApcPt, NHC VII, 3) und den ActIoh 94–102. 109 ist in dem Punkt, der nicht lediglich Begriffe und einzelne Motive, sondern eine Konzeption betrifft, wegen der von ihm gezogenen Schlußfolgerungen näher zu betrachten. Lalleman hält es für möglich, wenn auch unbeweisbar, am Ende aber sogar für evident (!), daß die komplizierte Christologie der ApcPt, über die er gemäß der Analyse von H. W. Havelaar berichtet, eine weitgehende Übernahme und Modifikation der Christologie der ActIoh (94–102. 109) sei.130 Auf eine ins Einzelne gehende Begründung, wie sie in diesem Fall notwendig wäre, verzichtet der Autor hier und urteilt eher pauschal und kühn. Die Differenzen zwischen beiden Schriften in der christologischen Gesamtkonzeption und in der Auffassung der einzelnen Elemente sind jedoch so gravierend, daß dieses Urteil als verwunderlich, ja als durchaus unangemessen bezeichnet werden muß. Es kann genügen, die in der ApcPt genannten Bestandteile Christi aufzuzählen, um zu erkennen, wie fremd dem gegenüber die Christologie der ActIoh ist. In der ApcPt ist Christus aus vier »Elementen« oder »Bestandteilen« zusammengesetzt, aus drei spirituellen (das sind: heiliger Geist, vernünftiges Pleroma, vom Geist gewebter immaterieller Leib, welcher mit dem lebendigen Erlöser identisch ist) und einem von den Archonten verfertigten materiellen Leib, der gekreuzigt und vom Erlöser verflucht wird!131 Nicht nur nicht Pleroma, Archonten, verAuffassung von M. Hornschuh, Die Apostel als Träger der Überlieferung, in: NTApo II3, 47 f. verweist. 127 P. J. Lalleman, The Acts of John, 139, nennt unter anderem »the equivocation of Christ, Horos and the cross.« 128 P. J. Lalleman, The Acts of John, 138. 129 P. J. Lalleman, The Acts of John, 140. 130 Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John, 140 f. 142, mit Verweis auf H. W. Havelaar, The Coptic Apocalypse of Peter (Nag Hammadi Codex VII, 3). A Study of Generic, Intertextual and Christological Questions, Diss. Groningen 1993, 163; vgl. Havelaars Übersetzung der ApcPt und die Einleitung dazu in: Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 410–416. − Schon G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 141 f., hatte eine gewisse Verwandtschaft zwischen der Christologie der ActIoh 101, 14–16 und der ApcPt (NHC VII, 3) behauptet; siehe dazu weiter unten. − Eine sehr klare Darstellung der Kosmologie, Soteriologie, Christologie und Passion in der ApcPt gibt D. Voorgang, Die Passion Jesu und Christi in der Gnosis, Frankfurt/M. 1991, 194–202. 131 Siehe ApcPt (NHC VII, 3) 81, 3–83, 15; vgl. die Beschreibung der Christologie durch
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fluchter materieller Leib, sondern eigentlich gar nichts von dem oben Aufgezählten ist in der schlichten Christologie der Kapitel 94–102. 109 der ActIoh zu finden. Der »Herr«, der dem Johannes während der Kreuzigung in der Höhle auf dem Ölberg erscheint, ist der einzige, wahre Gott, der von dem in keiner Weise beschriebenen Leib, der dem Leiden unterworfen ist und gekreuzigt wird, völlig getrennt ist und mit ihm nichts zu tun hat.132 Er ist also nicht ein Mensch, sondern ganz »unwandelbarer, ungreifbarer Gott«, wie Johannes, seinen Bericht über die besondere Offenbarung des Herrn an ihn abschließend, seinen Zuhörern ausdrücklich sagt.133 Lalleman selbst legt dar, daß die übliche gnostische Aufspaltung »des einen Herrn Christus«, wie sie in der von ihm verglichenen Apokalypse des Petrus (p. 81, 7–24) erfolgt, den ActIoh völlig fremd ist, und stellt für deren Person des »Herrn« die »essential unity« fest.134 Wahrscheinlich hält er es nur aufgrund der von ihm vertretenen Frühdatierung der ActIoh für möglich, daß diese gegenüber der Apokalypse des Petrus der »architext« sein könnten.135 Diese Datierung ist jedoch unhaltbar, wie oben gezeigt. Damit ist − zum großen Teil schon durch Luttikhuizens und Lallemans eigene Feststellungen − erwiesen, daß in den als gnostischer Einschub geltenden Kapiteln 94–102. 109 der ActIoh charakteristische gnostische Konzeptionen nicht zu finden sind. Aus den vorhandenen, vielleicht aus solchen Texten entliehenen Motiven und Wörtern darf man nicht auf ein zugrundeliegendes gnostisches Ideengebäude schließen, so verführerisch das sein mag.136 Gleichwohl H. W. Havelaar in: Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 412; ausführlicher dies., The Coptic Apocalypse of Peter (Nag Hammadi-Codex VII, 3), TU 144, Berlin 1999, 171–177. 132 ActIoh 97, 1–12; 98, 3–6; 104, 1–3. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 186, hält dafür, daß der Leib, der am Kreuz hängt, eine polymorphe Erscheinung Christi sei; er ist somit ein reines Scheingebilde. 133 ActIoh 104, 1–3; vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John, 177, zitiert oben Anm. 112. 134 Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John, 141. 184. 186; vgl. 200; Zitat 186: »Moreover, a closer look at the text [scil. ActIoh] makes it evident that there are no other differentiations within the person of the Lord than those indicated by means of polymorphy, the concepts that serve to preserve his essential unity. We may conclude that the AJ contains a ›monophysitic‹ description of Christ, which makes it unique among Gnostic texts.« (Aus dem letzten Satz ergibt sich, pace Lalleman, daß die ActIoh keinen gnostischen Text enthalten oder kein gnostischer Text sind.) 135 P. J. Lalleman, The Acts of John, 141 f. 136 Was H.-M. Schenke in der Einleitung zur deutschen Übersetzung von Rheg (NHC I, 4) in Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 31, dargelegt hat, kann auch für ActIoh 94–102. 109 gelten: »Mit bloßen Begriffen kann man allerdings keine gnostische Schrift identifizieren, weder als valentinianisch noch als irgendeiner anderen Spielart angehörig; das geht vielmehr nur mit Hilfe ganzer Vorstellungskomplexe. Und Tatsache ist, daß ein typisch valentinianischer Vorstellungskomplex sich in unserer Schrift nicht findet.« − Auch das Urteil von U. C. von Wahlde in seinem Festschriftartikel über das Verhältnis Johannesevangelium − Gnostizismus kann ebenso für das Verhältnis Acta Iohannis − Gnostizismus gelten: »By picking and choosing, one can find elements of similarity between the Gospel and various Gnostic documents, but a central, unifying element of thought is not
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
halten beide Autoren daran fest, daß dieses Stück ein gnostischer oder vorgnostischer Text ist.137 Es scheint, daß es das angeblich vorhandene, oben als Nr. 2 angeführte gnostische Charakteristicum ist, das sie noch auf dieser These beharren läßt, obwohl sie selbst, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, die systematischen Voraussetzungen für diese These demoliert haben. Doch lesen sie, jeder auf etwas andere Weise, die wesenhafte Göttlichkeit der »Lichtfunken« in den Gnostikern und deren Identität mit dem göttlichen Erlöser in die Texte hinein.138 Nirgendwo wird in den ActIoh davon klar und ausdrücklich found in the Gospel of John nor does any single document in the collection found at Nag Hammadi match closely the thought and world view of the Gospel. In its most optimistic form, it is as if one can identify various ›spokes‹ of the Gnostic ›wheel‹ but not the unifying ›hub‹.« (The Johannine Literature and Gnosticism: New Light on their Relationship?, in: From Judaism to Christianity: Tradition and Transition. A Festschrift for Thomas H. Tobin, S. J., on the Occasion of His Sixty-fifth Birthday, ed. by P. Walters, SNovTest 136, Leiden/Boston 2010, 221–254, hier 225). 137 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), bes. 134–149 passim. P. J. Lalleman, The Acts of John, 142, äußert nach Abschluß seines Vergleichs mit den genannten gnostischen Schriften als Hypothese: »AJ occupies a position early in the Gnostic movement.« Evidenz für diese − auch durch die Frühdatierung der ActIoh verursachte Hypothese − soll im Kapitel »Christology« erbracht werden. Dort heißt es zu mehreren besprochenen Stellen der ActIoh, weil sie von den verglichenen gnostischen Texten grundlegend abweichen, sie könnten als vor-gnostisch betrachtet werden, so z. B. 186 bezüglich der Christologie: vermutlich »a kind of proto-Gnosticism«; 201: »AJ contains a pre-Valentinian form of Gnosis.«; 200: ». . . the present exegesis is no effort to play down the Gnostic character of this section of the AJ [scil. cc. 94–102], but an effort to bring out the pecularity of its form of Gnosis as well as the fluency of bounderies between second-century Christian groups.« 138 G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 135 f., glaubt, daß an Stellen wie ActIoh 98, 1–3 und 100, 2–7 möglicherweise auf die Vorstellung der gefallenen göttlichen und in der Welt der Finsternis festgehaltenen Lichtpartikel angespielt werde, und er interpretiert die enge Verwandtschaft (101, 6: συγγενη´ς) zwischen dem Erlöser und seinen Gliedern (= den Gnostikern) als »Konsubstantialität« (S. 145; 148), so daß er sehr umfassend formulieren kann: »we seem to be dealing in AJ 97–102 with an expression of a typically Gnostic mythological thought pattern.« (S. 144) − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 194 (vgl. 199), schließt sich seinem Lehrer Luttikhuizen in der Interpretation von ActIoh 101, 6 grundsätzlich an, ebenso (S. 195) in der Deutung von ActIoh 100, macht jedoch darauf aufmerksam, daß auch bei Melito »von der Sammlung der zerstreuten Glieder des Menschen« die Rede ist, in Texten »not obviously Gnostic« (!). − Siehe auch zu den einzelnen angeblich gnostischen Komplexen die oben Anm. 118 zitierten Urteile von P. Weigandt und P. J. Lalleman. − Die »Verwandtschaft« (συγγενη´ς) des Johannes mit Christus (der auch Logos und Geist heißt, ActIoh 98) in ActIoh 101, 6 hat enge Parallelen in den Stellen, die E. Peterson (wie oben Anm. 55 und 117), 206 Anm. 84, zitiert: Tatian, Or. ad Graec. 13, 3 (OECT 28, 4 f. Whittaker) heißt es, daß die der Weisheit (= dem Logos-Geist) gehorchenden (geschöpflichen) Seelen den ihnen verwandten (göttlichen) Geist (το` πνευ῀μα συγγενε´ς) an sich zogen; und »Acta Thomae 34: ευ῟ρον ε᾽κει῀νον το`ν φεγγω´δη (= Jesus-Licht) ο῎ντα μου συγγενη῀« (AAA II/2, 151, 16 f. Bonnet; »ich fand jenen Lichtvollen als mir verwandt.«). − Den von Lalleman (195 Anm. 185) zitierten Melito-Texten (Frgm. 13 und New Fragm. 2, 4) ließen sich weitere Stellen (z. B. bei Hippolyt; Ps.-Hippol., In s. pascha, Alexander von Alexandrien (= Melito?), De anima et corpore, u. a.) hinzufügen. Die Vorstellung von den zerstreuten pneumatischen Spermien der Menschheit und
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geredet. Die Schlüsse auf eine zugrundeliegende gnostische Denkstruktur, die Luttikhuizen und Lalleman aus einigen mit dem gnostischen Mythos verwandt erscheinenden Worten und Aussagen ziehen, wären allenfalls zulässig, wenn die zentralen gnostischen Lehren in diesen Kapiteln erkennbar wären. Das ist jedoch an keiner Stelle der Fall. Zu Beginn seines Kapitels »The Acts of John and other Gnostic literature« stellt P. J. Lalleman fest: »But despite the numerous correspondences between ideas expressed in the Gnostic part oft he AJ and in other Gnostic texts, so far no real lexical or structural parallel that would settle the question hat yet been found.«139 Dieses Urteil hat auch nach seinem Versuch, den genuin gnostischen Charakter von ActIoh 94–102. 109 zu erweisen, seine Gültigkeit behalten. In keinem Punkt brachte der Vergleich mit den gnostischen Texten, welche nach seiner Meinung den ActIoh am nächsten kommen, offenkundige gnostische Denkstrukturen zum Vorschein, vielmehr zeigt sich, daß die wesentlichen theologischen Züge, die auch im »Grundstock« erkennbar sind, unverändert erhalten blieben: der (besondere) Monarchianismus und die doketische Christologie, in der Christus nicht in zwei oder mehrere Gestalten aufgespalten wird. Wahrscheinlich aus gnostischen Texten stammende typische Vokabeln, Motive, Formulierungen begegnen in diesem Abschnitt jedoch mehrfach. Möglicherweise hat der Autor gnostische Schriften (die bisher nicht identifiziert werden konnten) gelesen und ihm nützlich Erscheinendes daraus gesammelt, um es seinen eigenen theologischen Vorstellungen dienstbar zu machen. Daß dadurch eine Schrift entstand, von der auch »echte Gnostiker« angezogen werden konnten, liegt auf der Hand. Die Verwendung der ActIoh bei den Manichäern beweist es. Solche Benutzer mögen auch manches, was ihrem Denken entsprach, hinzugetan haben.140 2. Die paradoxen Antithesen Acta Iohannis Kap. 101 Wenn hier so stark bezweifelt wurde, daß es ein gnostischer Autor ist, der die Kapitel 94–102. 109 redigiert hat, so bleibt noch die schwierige Aufgabe, die im »Christushymnus« (Kap. 94–96) und in den folgenden Kapiteln (bis Kap. 102) vorhandenen rätselhaften, insbesondere »christologischen« Antithesen und Aussagen über das (Todes-)Leiden des Menschen und des Logos zu erklären und ihrer Sammlung und Rückführung durch den Erlöser stammt aus dem gnostischen Mythos, wird aber von den kirchlichen Autoren aufgegriffen und antignostisch umgedeutet: Der Erlöser vereinigt sich mit »Adam«, das ist: mit der gesamten gefallenen Menschheit, und führt seinen wiederhergestellten Leib zum Vater hinauf, siehe R. M. Hübner, Die Einheit des Leibes Christi bei Gregor von Nyssa. Untersuchungen zum Ursprung der ›physischen‹ Erlösungslehre, PP 2, Leiden 1974, 296–311. 139 P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 135. 140 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 666, äußern die Hypothese, daß die schwer deutbare partizipiale Aussage vom Lichtkreuz ActIoh 99, 2 f.: ει῏τα και` ει᾽ς πα´ντα πηγα´σας, eine manichäische Hinzufügung sei. Zur Verwendung der ActIoh bei den Manichäern siehe unten S. 193–195.
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die für diese Texte besonders entschieden vorgetragenen gnostischen Interpretationen zu überprüfen.141 Ich beginne mit den Antithesen in Kap. 101, weil sich, wir mir scheint, für diese eine wahrscheinliche Erklärung eher finden läßt, von der aus dann der Zugang zu den Antithesen des »Christushymnus« (Kap. 94–96) gewonnen wird. Auch wird sich dann die (erst bei dieser Gelegenheit ausführlicher referierte) gnostische Interpretation dieser Texte durch Junod/Kaestli leichter beurteilen lassen. Im Folgenden soll versucht werden, die genannten paradoxen Antithesen und Aussagen − wenigstens zum Teil − von monarchianischen Texten her zu erklären. Mir ist bewußt, daß diese nicht-gnostische Deutung nur eine − vielleicht gewagt erscheinende − These ist und wohl nicht jeden überzeugen wird. Sie kann jedoch als eine bessere These als die gnostische gelten, weil sich eben genuin gnostische Denkstrukturen nicht nachweisen ließen, vielmehr sogar ausgeschlossen werden konnten.
141 In gnostischem Sinn interpretieren die Antithesen in jüngerer Zeit z. B. Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 646–650; P. G. Schneider, The Mystery oft the Acts of John (wie Anm. 93), 98–113; G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 139–145; P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 183–185. 192 f. 198 f. − Ebenfalls im gnostischen Sinne hatte ganz selbstverständlich, wie es scheint, A. Böhlig ActIoh 98–101 schon 1978 in der FS für H. Jonas interpretiert: »Zur Vorstellung vom Lichtkreuz in Gnostizismus und Manichäismus«, erneut in: A. Böhlig, Gnosis und Synkretismus. Gesammelte Aufsätze zur spätantiken Religionsgeschichte I, WUNT 47, Tübingen 1989, 135–163. Der Autor gerät dabei jedoch unbemerkt in Widersprüche, die seine Interpretation aufheben. (Ich greife jetzt in der Argumentation etwas vor.) So erklärt er S. 151 f. das in Antithesen formulierte Leiden des Logos in Kap. 101 als das Leiden des »Urmenschen« (scil. aus dem Pleroma), obwohl er S. 141 ausdrücklich festgestellt hat, daß »von einem Leiden« (scil. des durch das Lichtkreuz ausgestreckten pleromatischen Christus) im gnostischen Valentinianismus »nicht die Rede sein kann.« − Das bedeutet eigentlich, daß die ausdrückliche doppelte Aussage vom Leiden des Logos in ActIoh 101 eine gnostische Interpretation dieses Textstückes rigoros ausschließt. Vielleicht weil ihm an seiner Gleichsetzung von Christus (= Logos = Kreuz) und »Urmensch« Zweifel gekommen sind, schließt Böhlig in Klammern daran die Frage: »Oder handelt es sich einfach« (scil. beim Leiden des Logos!) um den Menschen als leibliche Hülle?«, eine Deutung, die vom Text her ausgeschlossen ist. − Von A. Böhligs und E. Junods/J. D. Kaestlis Interpretation in gewissem Sinn beeindruckt zeigt sich W. A. Löhr in seinem Artikel: Deutungen der Passion Christi bei Heiden und Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, in: J. Frey/J. Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, Tübingen 12005, 22012, 545–574. Er sieht die Bedeutung des Lichtkreuzes in ActIoh 98–100 »stark von der valentinianischen theologia crucis geprägt« (568; vgl. 570. 571. 573), bezieht leider auch die spätere manichäische Interpolation Kap. 99, 2–3 ει῏τα και` ει᾽ς πα´ντα πηγα´σας in die Deutung des Lichtkreuzes und Leidens mit ein (568. 571); er weicht jedoch in der Auslegung von Kap. 101, 14–16, von diesen Autoren ab (569 f.), siehe unten Anm. 183, und deutet das Leiden des Logos (Kap. 101), wie es hier geschieht, nach Kap. 96, 4 und 103 f. als barmherziges Mitleiden Gottes mit den irdischen Leiden des Menschen (S. 570–572. 573), siehe unten Anm. 184.
II. 2. a) Kap. 101, 7–11: monarchianische Parallelen zu den Passionsaussagen
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a) Die antithetischen Passionsaussagen Kap. 101, 7–11: monarchianische Parallelen In ActIoh 94–102 geht es um das Leiden des Herrn, das scheinbare und das wahre, das der Herr selbst erklärt. Er rezitiert zum gemeinsamen Tanz mit den Jüngern vor seiner Gefangennahme durch die Juden142 einen an den »Vater« gerichteten »Hymnus«, der in Kap. 95 in meist antithetisch formulierte Selbstaussagen übergeht; diesen respondieren die Jünger jeweils mit »Amen«.143 Danach sagt er dem (ungenannten) Johannes allein, daß er als »vom Vater« gesandter »Logos« (Kap. 96, 6) ihm und den anderen mit dem Tanz das Mysterium des Leidens gezeigt habe, des Leidens des Menschen, das er (der Logos) leiden werde und das dessen (des Johannes) Leiden ist (Kap. 96, 1–7. 25–28; vgl. 101, 1–3). Weder die Jünger noch Johannes haben jedoch die Bedeutung des rezitierten Tanzliedes und die in Kap. 96 nachfolgende Erklärung des Leidens verstanden, denn sie fliehen, als der Herr den gemeinsamen Tanz beendet hatte und weggegangen war, »wie Verwirrte und Schlaftrunkene auseinander«. Johannes erträgt es nicht, den Herrn leiden zu sehen, und flüchtet weinend auf den Ölberg. »Als er am Freitag zur sechsten Stunde des Tages aufgehängt ward und Finsternis über die ganze Erde hereinbrach«, stand der Herr mitten in der Höhle und sagte ihm, daß er nur »für die Menge unten in Jerusalem gekreuzigt, mit Lanzen und Rohren gestoßen und mit Essig und Galle getränkt« werde (Kap. 97, 1–10).144 Aber er sei nicht der, für den die Menge ihn halte. Was sie 142
Zur Gefangennahme durch die Juden siehe unten Anm. 167. Zum Hymnus und seinen Antithesen und den angeblich gnostischen Vorstellungen, siehe unten S. 202 ff. 144 ActIoh 97,9 f.: λο´γχαις νυ´σσομαι και` καλα´μοις, ο῎ξος τε και` χολη`ν ποτι´ζομαι. K. Schäferdiek, Johannesakten, in: NTApo II5, 154 Anm. 100, bemerkt zum »Stoßen mit Lanzen und Rohren«, das wirke »wie eine Vermengung aus Joh 19, 34: › . . . stieß (ihn) mit der Lanze (in die Seite)‹« (λο´γχηͺ αυ᾽του῀ τη`ν πλευρα`ν ε῎νυξεν) »und Ev. Petr. 9: › . . . stießen ihn mit einem Rohr‹« (καλα´μωͺ ε῎νυσσον αυ᾽το´ν) »(vgl. Mk 15, 19; Mt 27, 30)«. Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 595, vergleichen den Wortlaut ActIoh 101, 7–8 (νυγε´ντα και` ου᾽κ ε᾽πλη´γην) und 101, 12 (λο´γου νυ´ξιν) und heben hervor, daß Joh 19, 34 die einzige Stelle im NT ist, wo λο´γχη und νυ´σσω vorkommen. Diese und noch weitere, unmittelbar folgende Formulierungen (101, 12–13: λο´γου αι῟μα, λο´γου τραυ῀μα) sprechen dafür, daß der Verfasser − trotz der mit Joh 19, 34 nicht voll übereinstimmenden Ausdrucksweise − doch diese Stelle, die in der gleichzeitigen christlichen Literatur von großer Bedeutung ist, im Auge hat, und nicht Mk 15, 19 (siehe dazu folgende Anm.). − Auch Orac. Sibyll. I, 374 f. (GCS 8, 24 G.) πλευρα`ν νυ´ξωσιν καλα´μοισιν, und Orac. Sibyll. VIII, 296 (160 G.): πλευρα`ς νυ´ξουσιν καλα´μωͺ, erfolgt die Öffnung der Seite Christi mit dem »Rohr« oder den »Rohren«. Der Verfasser der ActIoh benutzt hier offenbar christliche Traditionen, wie er es auch für den zweiten, ebenfalls vom Wortlaut der Evangelien (Mk 15, 36; Mt 27, 48; Lk 23, 36; Joh 19, 29) abweichenden Teil des obigen Zitates (ο῎ξος και` χολη`ν ποτι´ζομαι) tut. − Schäferdiek (a. a. O. und 169, Anm. 37) verweist auf folgende Parallelen: Barn. 7, 3; EvPetr 16; Ephraem der Syrer, Diatessaron-Komm. XX, 27. Melito, De pascha 79, 573 f., und Orac. Sibyll. I, 367, sowie Orac. Sibyll. VIII, 303 (nach Ps 68, 22, LXX), werden zusätzlich genannt von J. M. Roessli, The Passion Narrative in the Sibylline Oracles, in: T. Nicklas/ A. Merkt/J. Verheyden (Hg.), Gelitten, Gestorben, Auferstanden. Passions- und Oster143
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von ihm sagen werden, sei niedrig und seiner nicht würdig (Kap. 99, 5–7). Nichts von dem, was sie über ihn berichten werden, habe er erlitten (Kap. 101, 1). Dann − nach langen (schon Kap. 98, 1 einsetzenden) Erklärungen über das »Kreuz des Lichtes«, dessen Name nur einer der vielen Namen der Schrift für ihn, den offenbarenden Logos, sei (Kap. 98–100)145 − folgen, weiter an Johannes gerichtet, weil dieser als sein »Verwandter« (συγγενη´ς) das »Mysterion des Leidens«,146 das er tanzend gezeigt habe, in Grenzen zu erkennen vermöge (Kap. 101, 2–6), die antithetischen »christologischen« Aussagen. Es sind die letzten, also bedeutsamsten Worte des Offenbarers, die mitgeteilt werden. Danach, heißt es Kap. 102, 1–2, »wurde er aufgenommen« (α᾽νελη´μφϑη; vgl. Mk 16, 19; Apg 1, 2. 11). Hier die letzten Worte des Herrn ActIoh 101, 6–16: »Du hörst, daß ich gelitten habe, und doch habe ich nicht gelitten; daß ich nicht gelitten habe, und doch habe ich gelitten; daß ich gestoßen wurde, und doch wurde ich nicht geschlagen; daß ich aufgehängt wurde, und doch wurde ich nicht aufgehängt; daß Blut aus mir floß, und doch floß es nicht; und einfachhin: was jene über mich sagen, das habe ich nicht erduldet; was sie aber nicht sagen, das habe ich gelitten.147 traditionen im antiken Christentum, WUNT II/273, Tübingen 2010, 299–327, hier 315– 317; ebd. 307–311 zu Orac. Sibyll. VIII, 296 und Parallelen. Siehe dazu auch: T. Nicklas, Apokryphe Passionstraditionen im Vergleich: Petrusevangelium und Sibyllinische Orakel (Buch VIII), in: Th. J. Kraus/T. Nicklas (Hg.), Das Evangelium nach Petrus. Text, Kontexte, Intertexte, TU 158, Berlin/New York, 2007, S. 263–279, hier 270–273. − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 129–131, erklärt die Beziehungen zwischen ActIoh 97, 8–10 und EvPetr 9 als sicher, aber schwer zu deuten. Vgl. auch I. Czachesz, The Gospel of the Acts of John (wie Anm. 91), 56. − Zahlreiche weitere Stellen zur Tränkung Jesu »mit Essig und Galle« bespricht W. Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen 1909, 217–220. Vgl. auch F. R. Prostmeier, Der Barnabasbrief, KAV 8, Göttingen 1999, 285–290. 145 Siehe dazu oben Anm. 106 und unten Anm. 170. 146 Zu diesem Begriff siehe Anm. 155. 147 ActIoh 101, 6–11 (Junod/Kaestli I, 213): α᾽κου´εις με παϑο´ντα και` ου᾽κ ε῎παϑον, μη` παϑο´ντα και` ε῎παϑον. νυγε´ντα και` ου᾽κ ε᾽πλη´γην. κρεμασϑε´ντα και` ου᾽κ ε᾽κρεμα´σϑην. αι῟μα ε᾽ξ ε᾽μου῀
ρ῾ευ῀σαν, και` ου᾽κ ε῎ρευσεν. και` α῾πλω ῀ ς α῝ ε᾽κει῀νοι λε´γουσιν περι` ε᾽μου῀ ταυ῀τα μη` ε᾽σχηκε´ναι, α῝ δε` μη` λε´γουσιν ε᾽κει῀να πεπονϑε´ναι. − Junod/Kaestli, ebd. 212, übersetzen die hervorgeho-
benen Worte: »que j’ai e´te´ transperce´, or je n’ai pas e´te´ frappe´«. Sie sehen also in dieser Formulierung einen Hinweis auf das »Stechen in die Seite« in Joh 19, 34; auf diese Stelle ist deutlich mit den weiteren zitierten Worten: αι῟μα ε᾽ξ ε᾽μου῀ ρ῾ευ῀σαν Bezug genommen, ebenso wie mit den sogleich folgenden ActIoh 101, 12–13: λο´γου νυ´ξιν, λο´γου αι῟μα, λο´γου τραυ῀μα. Auch ActIoh 97, 9 ist am ehesten auf sie zu beziehen (siehe Anm. 144). Diese ingesamt sechs auf Joh 19, 34 zielenden Formulierungen zeigen die herausragende Bedeutung, die dieser Vers offenbar für den Verfasser hat. Das entspricht völlig dem Rang, den Joh 19, 34. (37) in der oftmals anti-gnostischen christlichen Literatur besonders der letzten beiden Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts hat (so bei Noe¨t von Smyrna, Melito von Sardes, Apollinaris von Hierapolis, Ps.-Hippolyt, In sanctum pascha, Irenaeus, Tertullian, Klemens von Alexandria; siehe dazu: »Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna«, in: R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 123–126. Der Verfasser der
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Was dies aber ist, will ich dir eröffnen, denn ich weiß, daß Du verstehen wirst: Begreife mich also als des Logos Festnahme, des Logos Durchstoßung, des Logos Blut, des Logos Verwundung, des Logos Aufhängung, des Logos Leiden, des Logos Anheftung, des Logos Tod. . . .148 An erster Stelle erkenne also den Logos, dann wirst du den Herrn erkennen, den Menschen an dritter Stelle und das, was er erlitten hat.«149
Die Paradoxien sind nicht mehr zu steigern: Ein und derselbe, der Herr, der göttliche Offenbarer, der Logos, hat nicht gelitten und hat (doch) gelitten. Er hat nicht das physische Leiden des als Mensch geltenden Herrn, die einzelnen aufgezählten Martern der evangelischen Passionsberichte, erlitten; aber, zweimal wird es gesagt − und muß daher als die zentrale Offenbarung gelten −, daß er ein für die Menge nicht erkennbares Leiden erlitten habe, daß die Martern bis zum Tod den unsterblichen, göttlichen Logos (in irgendeiner Weise) selbst betrafen; inwiefern, das wird noch zu erörtern sein.150 Formal und zum Teil im Wortlaut gleichen diese paradoxen Antithesen denen der Monarchianer, des Noe¨t von Smyrna und seiner römischen Schüler (Kleomenes, Sabellius, Kallist), des Melito von Sardes, des »Ignatius« und anderer. Deutliche Reflexe davon sind in den Petrusakten, bei Irenaeus, Tertullian (und vielen späteren Autoren) zu finden. Die grundlegende Antithese: daß ein und derselbe nicht litt und doch litt, ist in fast allen antithetischen monarchianischen Aussagen gegeben. Die Verneinung der einzelnen Martern in den ActIoh, dann aber ihre entschiedene Aussage vom göttlichen Logos hat ebenso ihre formale Entsprechung in den monarchianischen Texten. Der sachliche Unterschied besteht darin, daß in den ActIoh das wahre menschliche Leiden geleugnet, bei den Monarchianern ActIoh leugnet, was Joh 19, 35 durch Augenzeugenschaft und Joh 19, 37 durch prophetische Vorhersage bestätigt wird: daß der (menschliche) Leib Christi durchbohrt wurde und gelitten hat. Es ist vielmehr der Logos, der gelitten hat. Wie das zu verstehen sein könnte, soll weiter unten erklärt werden. T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums (wie Anm. 91), 275 f., 278 f., vgl. 281, sieht sowohl in ActIoh 97, 8–10 wie 101, 6–9 einen klaren Bezug auf Joh 19, 34. 148 Das hier, ActIoh 101, 14, ausgelassene Textstück ist wohl verderbt überliefert, die »Rekonstruktion« der Herausgeber: και` ου῞τως χωρη´σας α῎νϑρωπον λε´γω ist zweifelhaft und ergibt keinen sicheren Sinn. W. Löhr, Deutungen der Passion Christi (wie Anm. 141), 569, folgt dennoch der (einzigen) Handschrift C, vergleicht Kap. 96, 11 (τι´ς ει᾽μι ε᾽γω` γνω´σηͺ ο῞ταν α᾽πε´λϑω) und übersetzt: »und so rede ich, nachdem ich mich von den Menschen zurückgezogen habe.« Das ergibt einen akzeptablen Sinn. Siehe auch unten Anm. 183. 149 ActIoh 101, 12–16: νο´ησον ου῏ν με λο´γου αι῞ρεσιν, λο´γου νυ´ξιν, λο´γου αι῟μα, λο´γου τραυ῀μα, λο´γου ε᾽ξα´ρτησιν, λο´γου πα´ϑος, λο´γου πη ῀ ξιν, λο´γου ϑα´νατον. . . . το` με`ν ου῏ν πρω ῀ τον λο´γον νο´ησον, ει῏τα κυ´ριον νοη´σεις, το`ν δε` α῎νϑρωπον τρι´τον και` το` τι´ πε´πονϑεν. 150 Vgl. G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 139: »In c. 101 it is denied that the Lord suffered in a physical way, but it is not denied that he suffered. The passages speaking about his true suffering, however, are rather cryptic.« − Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 200: »Contrary to common Gnostic practice, section C [scil. ActIoh 94–102. 109] not only never denies that the Lord suffered but also understands his passion as something beneficial to the Gnostics. If Voorgang (Die Passion Jesu [wie Anm. 130], 258) is correct, it is the only known Gnostic text to do so.«
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aber − gegen die Gnostiker und Markioniten − behauptet wird. Der Herr ist in den Johannesakten nicht »Gott und Mensch«, wie das z. B. die Monarchianer Melito und Ignatius sagen, sondern er ist »nicht Mensch, sondern unwandelbarer, ungreifbarer Gott«.151 Übereinstimmend aber werden Martern und Tod von Gott oder dem göttlichen Logos ausgesagt. Es seien zunächst einige Texte zum Vergleich zitiert; die Frage des Todesleidens Gottes / des Logos wird danach erörtert.152 Hippolyt referiert die »Häresie« des Noe¨t von Smyrna, die bis zu seiner Zeit in dessen römischer Schule gelehrt wurde, im 10. Buch der Refutatio. (Ich zitiere die Texte zum leichteren Vergleich mit einigen Auslassungen, die jedoch den Inhalt nicht verfälschen): »Noe¨t, der aus Smyrna stammt, . . . sagt: Ein einziger sei der Vater und Gott des Alls, dieser habe alles gemacht . . .; dieser sei unsichtbar, wenn er nicht gesehen werde, sichtbar aber, wenn er gesehen werde; er sei unerzeugt, solange er nicht geboren werde, erzeugt aber, wenn er aus der Jungfrau geboren werde; er sei leidensunfähig und unsterblich . . ., leide aber und sterbe, sobald er an das Leiden herantrete«.153
In dem ausführlicheren Referat Hippolyts im später geschriebenen Buch IX, 10, heißt es: (9) Die Nachfolger des Noe¨t, die seine Lehren erwählt haben, reden so: »Ein und derselbe Gott sei aller Dinge Schöpfer und Vater. . . . (10) Wenn er nicht gesehen werde, sei er unsichtbar, 〈sichtbar aber, wenn er gesehen werde〉; er sei unfaßbar, solange er sich nicht erfassen lassen wolle; erfassbar aber, sobald er erfaßt werde; so sei er im selben Sinne ungreifbar und greifbar, unerzeugt und gezeugt (geboren), unsterblich und sterblich. . . . (12) dieser . . . habe sich selbst den Geist übergeben, sei gestorben und nicht gestorben,
151 Melito, De pascha 8: φυ´σει ϑεο`ς ω῍ν και` α῎νϑρωπος. Vgl. IgnEph 20, 2: Jesus Christus ist υι῾ο`ς α᾽νϑρω´που und υι῾ο`ς ϑεου῀. ActIoh 104, 1–3: . . . ου᾽κ α῎νϑρωπον υ῾μι῀ν καταγγε´λλω σε´βειν, α᾽λλα` ϑεο`ν α᾽μετα´τρεπτον, ϑεο`ν α᾽κρα´τητον κτλ.
152 Die im Folgenden zitierten monarchianischen Texte werden ausführlich vorgestellt und diskutiert in: R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), cf. Indicem sub voce. 153 Hippolyt, Ref. X, 27, 1 f. (GCS Hippolytus III, 283, 1. 4–10 W.): . . . Νοητο´ς, τω ῀ͺ με`ν γε´νει ω ῍ ν Σμυρναι῀ος . . . λε´γων ε῞να το`ν πατε´ρα και` ϑεο`ν τω ῀ ν ο῞λων. του῀τον πα´ντα πεποιηκο´τα . . .. του῀τον ει῏ναι α᾽ο´ρατον, ο῞ταν μη` ο῾ρα῀ται, ο῾ρατο`ν δε`, ο῞ταν ο῾ρα῀ται. α᾽γε´ννητον δε´, ο῞ταν μη` γεννα ῀ ται, γεννητο`ν δε´, ο῞ταν γεννα ῀ ται ε᾽κ παρϑε´νου. α᾽παϑη ῀ και` α᾽ϑα´νατον . . ., ε᾽πα`ν δε` πα´ϑει προσε´λϑη, ͺ πα´σχειν και` ϑνη´ͺσκειν. Zur Formulierung: »an das Leiden herantreten« vgl. Anm. 162. (Ich zitiere weiterhin die Edition von P. Wendland, weil die von M. Marcovich, PTS 25, Berlin/New York 1986, an vielen Stellen zu risikofreudig ist; die Editionen werden jedoch verglichen und plausible Konjekturen von Marcovich übernommen.)
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habe sich selbst am dritten Tage auferweckt, er sei im Grabe bestattet, mit der Lanze verwundet und mit Nägeln befestigt worden: dieser sei der Gott und Vater des Alls«.154
In Melitos berühmtem Fragment 13 (Ex tractatu de anima et corpore) werden die gleichen Antithesen zweimal formuliert (das folgende Zitat umfaßt den ersten Teil). Hier wird die Paradoxie des Leidens des leidensunfähigen Gottes in gleicher Weise als »Mysterium« bezeichnet wie ActIoh 96, 1–6 und 101, 1–3 (vgl. bis 16):155 »Was ist dies für ein neues Mysterium? Der Richter wird gerichtet und schweigt; der Unsichtbare wird gesehen und errötet nicht; der Ungreifbare wird ergriffen und widersetzt sich nicht; der Unermeßliche wird gemessen und leistet keinen Widerstand; der Leidensunfähige leidet und rächt sich nicht; der Unsterbliche stirbt und erwidert kein Wort; der Himmlische wird begraben und duldet es. Was ist dies für ein neues Mysterium?«156
Ebenso wie die Antithesen des Melito setzen auch die der Ignatianen in Eph 7, 2 und Pol 3, 2 die paradoxen Antithesen des Noe¨t von Smyrna voraus.157 Beide Stellen muß man zusammen nehmen: Hippolyt, Ref. IX, 10, 9 f. 12 (244, 12–17; 245, 6–10 W.): (9) ε῞να και` το`ν αυ᾽το`ν ϑεο`ν ει῏ναι πα´ντων δημιουργο`ν και` πατε´ρα. . . . (10) ο῞τε με`ν γα`ρ ου᾽χ ο῾ρα ῀ ται η῏ν α᾽ο´ρατος, 〈ο῞τε δε` ο῾ρα ῀ ται ο῾ρατο´ς〉, α᾽χω´ρητος δε` ο῞τε μη` χωρει῀σϑαι ϑε´λει, χωρητο`ς δε` ο῞τε χωρει῀ται· ου῞τως κατα` το`ν αυ᾽το`ν λο´γον α᾽κρα´τητος και` κρατητο´ς, α᾽γε´ν〈ν〉ητος 〈και` γεννητο´ς〉, α᾽ϑα´νατος και` ϑνητο´ς. . . . (12) του῀τον . . . ε῾αυτω ῀ͺ το` πνευ῀μα παραδο´ντα, α᾽ποϑανο´ντα και` μη` α᾽ποϑανο´ντα και` ε῾αυτο`ν τη ῀ͺ τρι´τηͺ η῾με´ραͺ α᾽ναστη´σαντα, το`ν ε᾽ν μνημει´ωͺ ταφε´ντα και` λο´γχηͺ τρωϑε´ντα και` η῞λοις καταπαγε´ντα, του῀τον το`ν τω ῀ ν ο῞λων ϑεο`ν και` πατε´ρα ει῏ναι λε´γει κτλ. 155 Zum μυστη´ριον καινο´ν, dem »Geheimnis« des Leidens des Herrn, oder dem μυστη´ριον του῀ πα´σχα bei Melito, De pascha 2; 11; 31; 34; 56–65, und den Parallelen in der Literatur 154
des 2. Jh.s siehe den Kommentar von O. Perler, Me´liton de Sardes, Sur la Paˆque, SC 123, 132 f. Vgl. auch W. Kinzig, Novitas Christiana, FKDG 58, Göttingen 1994, 132–136. Außer den dort genannten Stellen vgl. IgnEph 19, 1; Justin, Dialog. 74, 2; 91, 1; 97, 4; 106, 1; 138, 2. − Die vielleicht unmittelbare Vorlage für die ActIoh mag, wie für etliche andere Stellen, in den Petrusakten zu finden sein: Vgl. MartPetri 8, 1 in der neuen kritischen Edition von O. Zwierlein, Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse. Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage, UaLG 96, Berlin/New York 22010, 412, 13 f.: ω῏ ο῎νομα σταυρου῀, μυστη´ριον ο῞λον α᾽πο´κρυφον; 414, 2 f.: και` κρυπτο´μενον τη ῀ͺ ψυχη ῀ͺ μου του῀ σταυρου῀ μυστη´ριον; vgl. 414, 9 f.: το` ο῞λον τη ῀ ς σωτηρι´ας μυστη´ριον. − Bereits G. Ficker hatte einen Großteil dieser Stellen und noch weitere als Parallelen neben ActIoh 101 zu Mart Petri 8 in seinem überaus reichhaltigen und gründlichen Kommentar in Hennecke, NTApo Hdb. (1914), 477, notiert. Vgl. auch H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen, BZNW 8, Gießen 1929, 102. Die Vielzahl der Parallelen in den Texten des zweiten Jahrhunderts zeigt, daß der Kreuzestod das große theologische Problem war. 156 Melito, Frgm. 13 (SC 123, 238, 11–18 Perler); vgl. die englische Übersetzung von St. G. Hall, Melito of Sardis, On Pascha and Fragments, Oxford 1979, 80; diese Antithesen gleichen zum Teil denen in New Fragment II, 10–14 (ebd., 89–91 Hall). − Zu »Melito und Noe¨t« siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 15– 19. 157 Nachweis in dem Kapitel »Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna«, in: R. M. Hübner/ M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 131–206.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
IgnEph 7, 2: »Einer ist Arzt, fleischlich und pneumatisch, erzeugt und unerzeugt, im Fleisch gekommener Gott, im Tode wahrhaftiges Leben, sowohl aus Maria als auch aus Gott, zuerst leidensfähig und dann leidensunfähig, Jesus Christus, unser Herr.«
IgnPol 3, 2: »Harre auf den, der über der Zeit ist, den Zeitlosen, den Unsichtbaren, der unseretwegen sichtbar ward, den Ungreifbaren, den Leidensunfähigen, der unseretwegen leidensfähig wurde, der auf jede Weise unseretwegen geduldet hat.«
Die zentrale Antithese, die besagt, daß ein und derselbe, Gott, litt und nicht litt, deren Worte α᾽παϑη´ς und παϑητο´ς sich in den Ignatianen nur an diesen beiden Stellen, bei den sogenannten Apostolischen Vätern überhaupt nicht finden, begegnet − allerdings nicht sogleich erkennbar − innerhalb der den noe¨tianischen weitgehend entsprechenden Antithesen in den monarchianischen Petrusakten (Actus Vercellenses Kap. 20).158 Sie ist wiederholt bei Irenaeus anzutreffen, in deutlicher Parallele zu Noe¨t, jedoch vom einen Christus Jesus ausgesagt.159 Das gleiche trifft für Tertullian zu.160 Den zitierten Texten lassen sich durchaus noch weitere hinzufügen.161 158
ActPetri 20 (AAA I, 68, 3–10 Lipsius), zur Textherstellung siehe R. M. Hübner, Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna (wie Anm. 16), 69 f. 159 Irenaeus, Adv. haer. III, 16, 6 (SC 211, 312. 314 Rousseau/Doutreleau): »et unus Christus Iesus Dominus noster . . . invisibilis visibilis factus, et incomprehensibilis factus comprehensibilis, et impassibilis passibilis, et Verbum homo«; vgl. Adv. haer. IV, 20, 8 (SC 100, 650. 652 Rousseau); siehe R. M. Hübner, Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna (wie Anm. 16), 79–85. 160 Vgl. Tertullian, De carne Christi 5, 1–7; siehe dazu die eindringliche Analyse von M. Vinzent, »Ich bin kein körperliches Geistwesen.« Zum Verhältnis von κη´ρυγμα Πε´τρου, »Doctrina Petri«, διδασκαλι´α Πε´τρου und IgnSm 3, in: R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 241–286; hier 260–271. − I. Bochet, Transcendance divine et paradoxe de la foi. La pole´mique de Tertullien contre Marcion, RechScRel 96, 2008, 255– 274, hat die Verwandtschaft der Paradoxien des Tertullian mit denen der Noe¨tianer und der Ignatianen nicht erkannt. Das gilt auch für J.-Cl. Fredouille, der in seinem Artikel: »Paradoxon«, in: RAC 26, 2015, 968–986; hier 983 f., die berühmte Paradoxie De carne Christi 5, 4 behandelt. 161 Vgl. z. B. noch: Orac. Sibyll. VIII, 249 f. (GCS 8, 157 G.); Methodius, De resurrectione III, 23, 4 (GCS 27, 420, 25–421, 6 Bonwetsch): »Tod des Todlosen« scil. »Wortes Gottes«; Methodius, C. Porphyr. 2, 2 (GCS 27, 505, 20–22 Bonwetsch): ο῾ υι῾ο`ς του῀ ϑεου῀ . . . και` ε῎παϑεν α᾽παϑη`ς με´νων, και` ε῎ϑανεν α᾽ϑανασι´αν τω ῀ͺ ϑνητω ῀ͺ ποριζο´μενος. − Apoc. Esr. 7, 1 (PVTG 4, 33 Wahl); siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 183–186. − Die noe¨tianischen Antithesen haben eine weite Verbreitung im Osten wie im Westen gefunden, um noch ein Beispiel zu zitieren: Sie begegnen auch in der so-
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Wie tiefgreifend und weitreichend die Wirkung der paradoxen christologischen Antithesen, die wir erstmals bei Noe¨t und seinen Schülern finden, gewesen war, läßt sich auch in gnostischen und ehemals gnostischen Schriften feststellen. In der, nach Meinung von H.-M. Schenke, ursprünglich »sethianischen«, später jedoch »christianisierten« und nicht mehr als »gnostisch« zu bezeichnenden Schrift »Melchisedek« (NHC IX, 1), werden ähnliche, entschieden antidoketische, paradoxe Antithesen vorgetragen. Sie lauten in der (freien) Übersetzung von H.-M. Schenke: »〈und〉 sie werden [a]uch von ihm [scil. dem Erlöser] sagen, er sei einer, der nicht als Mensch geboren wurde, obgleich er doch als Mensch geboren worden ist, . . . einer, der kein Fleisch trägt, obgleich er doch im Fleisch Wohnung genommen hat, einer, der nicht dem Leiden unterworfen war, obgleich er doch dem Leiden unterworfen wurde, einer, der nicht von den Toten aufzuerstehen brauchte, obgleich er doch von den Toten auferstanden ist.«162 genannten Mystagogia (wahrscheinlich einem ehemaligen Eucharistiegebet) im Testamentum domini c. 28 (61 Rahmani): »Ipsum confitemur passibilem et impassibilem, filium non creatum, mortuum et vivum, filium patris, incomprehensibilem et comprehensibilem.« − Die Verwandtschaft dieses Textes mit den Antithesen im Hymnus ActIoh 94 hat auch erkannt D. I. Pallas, Ο ΥΜΝΟΣ ΤΩΝ ΠΡΑΞΕΩΝ ΤΟΥ ΙΩΑΝΝΟΥ ΚΕΦ. 94–97, in: Me´langes offerts a` Octave et Melpo Merlier, CIFA 93, Athe`nes 1956, 221–264 = t. 2, 1–44, hier 24. − In dem syrisch überlieferten Traktat, den J. P. Paulinus Martin in J. B. Pitra, Analecta Sacra IV, Paris 1883, unter dem Titel »Sancti Gregorii Thaumaturgi sermo de passibili et impassibili« ediert (S. 103–120) und ins Lateinische übersetzt hat (S. 363–376), wird für die zweifelsfrei vorausgesetzten noe¨tianischen paradoxen Antithesen des Leidens des Leidensunfähigen und Sterbens des Unsterblichen eine höchst reflektierte »Lösung« dargelegt. (Bonwetsch S. 421 zitiert im Apparat zu Method., De resurr. III, 23, 4, einige parallele Stellen aus der deutschen Übersetzung von Victor Ryssel). L. Abramowski hat in ihrer Untersuchung »Die Schrift Gregors des Lehrers ›Ad Theopompum‹ und Philoxenus von Mabbug«, ZKG 89, 1978, 273–290, gezeigt, daß dieser ursprünglich griechisch geschriebene Text von einem Autor stammt, der bei Philoxenus »Lehrer Gregor« heißt. Sie hält dafür, daß Methodius an den oben zitierten Stellen in C. Porphyrium und De resurrectione von Gregor dem Lehrer beeinflußt ist und scheint den Traktat, in dem das Wort Logos nicht vorkommt und Jesus − wie in den Johannesakten − der einzige wahre Gott und nur scheinbar Mensch ist, vorsichtig vor 200 einzuordnen (S. 276). Der Traktat enthält noch etliche andere (bisher nicht bemerkte) Parallelen zu noe¨tianischen Texten, die für die schwer zu lösende Frage der chronologischen Einordnung noch untersucht werden müßten. 162 Melchisedek (NHC IX, 1) p. 5, 1–11, übers. von H.-M. Schenke, Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 477; vgl. Schenkes »Einleitung«, ebd. 475 f., zum nicht-gnostischen Charakter der Schrift. − D. Voorgang, Die Passion Jesu und Christi (wie Anm. 130), 217–220, rechnet die Schrift noch der »sethianischen« Gnosis zu, hat aber Schwierigkeiten, die antidoketischen Antithesen zu deuten. − In den Übersetzungen von S. Giversen/B. A. Pearson wie auch von K. Koschorke und D. Voorgang, die dem koptischen Wortlaut genauer folgen, kommen die erste und die vorletzte der zitierten Antithesen denen Noe¨ts verblüffend nahe: Giversen/Pearson, in: The Nag Hammadi Library in English, Leiden u. a. 31988, 440: »[Furthermore], they will say of him that he is unbegotten though he has been begotten, . . ., (that) he did not come to suffering 〈though〉 he came to suffering.« − Vgl. K. Koschorke, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum (NHS
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
In den in der obigen Anmerkung genannten anderen Übersetzungen, die offenbar wörtlicher dem koptischen Text folgen, vermag man die Nähe zu Noe¨ts Antithesen noch deutlicher zu erkennen. Auch in der nach H.-M. Schenke und W.-P. Funk ebenfalls nicht (mehr) als »gnostisch« aufzufassenden Schrift »Silvanus« (NHC VII, 4) begegnet eine an Noe¨t erinnernde kurze AntithesenReihe, in der allerdings die zentrale Antithese (»der Leidensunfähige leidet«) nur implizit gegeben ist: »So ist auch Christus, selbst wenn er sich im Mangel befindet, doch ohne Mangel, und selbst wenn [er gezeugt] wurde, ist er doch ungezeugt. So ist Christus, auch wenn er ergriffen wird, in seiner Substanz doch ungreifbar.«163
Die hier als »zentrale« genannte Antithese scheint sich sogar in die (gnostische?) Schrift Zostrianos (NHC VIII, 1) verirrt zu haben: »und es war dort auch der, der leidet, obgleich er leidensunfähig ist.«164
Es ist dies die einzige Stelle, an der im »Zostrianos« die Passion erwähnt wird, und D. Voorgang erklärt diese Vorstellung für »völlig zusammenhanglos, so daß die Vermutung nahe liegt, daß hier − wahrscheinlich christliche − Tradition aufgenommen ist.«165 Er verweist dabei auf eine Studie von Luise Abramowski, die den Satz für »eine kaum verhüllte christologische Aussage« hält − völlig zu 12), Leiden 1978, 164 f.: »[Sie] werden . . . über ihn sagen: ›Er ist ungezeugt‹ − obwohl er gezeugt ist; . . ., ›er ist nicht zum Leiden gekommen‹, 〈obwohl〉 er zum Leiden gekommen ist.« − Vgl. D. Voorgang, Die Passion Jesu und Christi (wie Anm. 130): »Sie sagen, er ist ungezeugt, obwohl er gezeugt ist, . . ., er ist nicht zum Leiden gekommen, obwohl er zum Leiden kam.« − Das entspricht sehr genau dem von Hippolyt, Ref. X, 27, wiedergegebenen Worten des Noe¨t:
α᾽γε´ννητον δε´, ο῞ταν μη` γεννα ῀ ται, γεννητο`ν δε´, ο῞ταν γεννα ῀ ται ε᾽κ παρϑε´νου. α᾽παϑη ῀ και` α᾽ϑα´νατον, ο῞ταν μη´τε πα´σχηͺ μη´τε ϑνη´ͺσκη. ͺ ε᾽πα`ν δε` πα´ϑει προσε´λϑͺη, πα´σχειν και` ϑνη´ͺσκειν. (s. oben Anm. 153). − Die Formulierung τω ῀ͺ πα´ϑει προσελϑει῀ν scheint spezifisch zu sein; sie
könnte auch der »Valentinianischen Abhandlung« (NHC XI, 2) 33, 23–26 (The Nag Hammadi Library2, 438) zugrunde liegen: »he did not [at all] want [to] accede to the suffering [but he was] detained.« Vgl. Irenaeus, Adv. haer. IV, 22,1: »veniente Christo ad passionem«, und Adv. haer. V, 33,1: »Propter hoc autem ad passionem veniens«. Einen Nachklang gibt es wahrscheinlich auch im Testamentum Domini 22 (p. 33 Rahmani): »Unigenitus, veniens ad passionem«. 163 »Die Lehren des Silvanus« (NHC VII, 4) § 8, 24–26, übersetzt von H.-M. Schenke/ W.-P. Funk, Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 426. In den noe¨tianischen Antithesen (oben Anm. 153 f.) könnte den letzten beiden Antithesen hier α᾽κρα´τητος και` κρατητο´ς, α᾽γε´ννητος και` γεννητο´ς entsprechen. − Vgl. auch Silv. §11, 14 (ebd. 428): »Und das Leben ist um deinetwillen gestorben.« (Das »Leben« ist mit dem GottLogos identisch.) W. P. Funk, Bemerkungen zu den Lehren des Silvanus, in: M. Krause (Hg.), Essays on the Nag Hammadi Texts in honour of P. Labib, NHS 6, Leiden 1975, 286– 290, hier 289, erklärt mit sorgfältiger Begründung die Übersetzung: »und wenn [er] ge[zeugt] wurde, ist er doch ungezeugt« für »grammatisch ausgeschlossen«; er nimmt einen Substantiv-Ausfall an und schlägt als Ergänzung vor: »Ebenso ist Christus . . ., wenn er als Mensch gezeugt wurde, doch ungezeugt.« 164 Zostrianos (NHC VIII, 1) p. 48, 27 f., übersetzt von H.-M. Schenke, Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 453. 165 D. Voorgang, Die Passion Jesu und Christi (wie Anm. 130), 213.
II. 2. Anhang: Passions-Antithesen bei Manichäern und Audianern
193
Recht.166 Die angeführte Zitatenreihe beweist, daß der Satz letztlich aus der monarchianischen Christologie stammt. Aus den zitierten Texten insgesamt ist ersichtlich, daß nicht nur die zentrale Antithese: »der Leidensunfähige leidet« überall (einmal wenigstens implizit) gegeben ist, sondern die Konzentration auf die Leidensaussagen in den ActIoh auffallende Parallelen vor allem in den Antithesen der Noe¨tianer und den diesen eng verwandten des Melito von Sardes hat. Dabei sind zahlreiche wörtliche Übereinstimmungen zwischen den ActIoh, den oben angeführten und weiteren parallelen Texten der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zu vermerken.167 Das läßt sich eigentlich nur so erklären, daß der Autor dieser Kapitel der ActIoh aus der gleichen christlichen Tradition geschöpft hat. In allen gnostischen Texten wird das Leiden vom göttlichen Erlöser strikt ausgeschlossen, nur die Monarchianer können vom Leiden und Tod Gottes reden. Der Aufweis des Nachwirkens der noe¨tianischen Antithesen in ActIoh 101 trifft sich mit der oben (S. 152–154) gemachten Feststellung, daß auch das in Kap. 104 verwendete ungewöhnliche Gottesprädikat α᾽κρα´τητος letztlich aus derselben Antithesen-Reihe stammt. Damit ist der terminus post quem (ca. 180) auch für die letzte Fassung der Johannesakten gegeben und die frühe Datierung (140–160) ausgeschlossen. Zugleich sind auch alle Deutungen der Kap. 94–102 als eines vor-gnostischen Textes hinfällig, und die Argumente für einen einzigen Verfasser oder Redaktor des »Grundstocks« und der (etwas später eingearbeiteten) Kap. 94–102 haben sich verstärkt. Anhang: Die Passions-Antithesen bei Manichäern und Audianern Zu einigen der im Voraufgehenden besprochenen Antithesen sowie weiteren Versen der Kap. 94–101 gibt es auffallende Parallelen in einem der manichäi166 L. Abramowski, Nag Hammadi 8, 1 »Zostrianus«, das Anonymum Brucianum, Plotin Enn. 2, 9 (33), in: Platonismus und Christentum. FS für H. Dörrie, hg. von H.-D. Blume/ F. Mann, JbAC.E 10, Münster 1983, 1–10, hier 2. Frau Abramowski zeigt noch weitere christliche Spuren im »Zostrianus« auf, der »demnach nicht als genuin nichtchristliches gnostisches Produkt gelten« kann, »sondern nur als eins, das nichtchristlich scheinen will.« (ebd. 2). − H.-M. Schenke, Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 440, hält dafür, daß in der Schrift »ein (nicht-christlicher) philosophisch orientierter gnostischer Sethianismus« verkündet wird. − Die Verwandtschaft der christologischen paradoxen Antithesen in ActIoh 101, im manichäischen Psalm (A Manichaeen Psalm-Book II, 191) − siehe S. 194 f. − und »Zostrianus« p. 48, 27–28, hat auch S. Pe´trement, Le Dieu se´pare´ (wie Anm. 22), 221, vermerkt. Sie betrachtet diese Texte als gnostisch, obwohl deren Paradoxien der logischen Lösung des Problems des leidenden leidensunfähigen Gottes, über welche sie zuvor aus gnostischen Schriften und Autoren berichtet, widersprechen. 167 In den Anmerkungen oben 144, 147 und unten Anm. 172 f. sind zahlreiche terminologische Übereinstimmungen in den Passionsaussagen zwischen den Johannesakten und »großkirchlichen« Texten angegeben. Vgl. zusätzlich: zur Gefangennahme Jesu durch die Juden (ActIoh 94, 1–2) die bei W. Bauer, Das Leben Jesu (wie Anm. 144), 173–209, genannten Parallelen; gleiche oder äquivalente Begriffe zum Passionsbericht in ActIoh 101, 7– 14 gibt es auch bei Melito, De pascha 96.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
schen Herakleides-Psalmen. Zwei Antithesen finden sich im Bericht des Gregor Barhebraeus (1225/6–1286) über die Audianer, einer nach dem Syrer Audi(us) benannten, von ihm nach dem Konzil von Nicaea (325) begründeten schismatischen Kirche, die vielleicht noch lange nach dem 5. Jahrhundert weiterbestanden hat. (Siehe H.-Ch. Pue¨ch, Audianer, in: RAC 1, 1950, 910–915). Eine Interpretationshilfe für die hier angeführten Antithesen der Johannesakten ergibt sich aus den späteren Parallelen leider nicht. Weil diese Reflexe jedoch die Faszination deutlich machen, die von den ursprünglich noe¨tianischen Antithesen ausging, seien sie hier anhangweise zitiert. Im Falle des manichäischen Psalmes läßt sich zeigen, daß nicht nur, wie das bislang erkannt ist, die Acta Iohannis, sondern noch andere monarchianische Texte als inspirierende Quellen benutzt wurden. 1. Bar Hebraeus, »Les he´re´sies christologiques«, ed. F. Nau, PO 13/2, Fasc. 63, 1917, p. 259, 15–260, 1: Audi . . . a enseigne´ . . . que le Christ est une cre´ature, et qu’il est descendu dans tous les firmaments, et que leur habitants ne l’ont pas connu, et que le corps de Notre-Seigneur e´tait ce´leste, et qu’il fut blesse´ par la lance et ne fut pas blesse´, et qu’il fut pendu sur le bois et qu’il n’y fut pas pendu, . . .«. In diesen zwei Antithesen scheinen die der ActIoh 101, 7–8 aufgegriffen und expliziert worden zu sein: (α᾽κου´εις με) . . . νυγε´ντα και` ου᾽κ ε᾽πλη´γην κρεμασϑε´ντα και` ου᾽κ ε᾽κρεμα´σϑην. Darauf hat zuerst H.-Ch. Puech, Fragments retrouve´s de l’›Apokalypse d’Alloge`ne‹ (1936), in: ders., En queˆte de la Gnose I, Paris 1978, 276–280, aufmerksam gemacht; die Antithesen habe entweder Bar Hebraeus oder der Autor einer von ihm ausgeschöpften Quelle aus den Johannesakten aufgenommen. Eine genauere Analyse geben E. Junod/J. D. Kaestli, L’histoire des Actes apocryphes des Apoˆtres (wie Anm. 168), 40–42. K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse der alten Johannesakten (wie Anm. 25), 251–253, nimmt − m. E. zu Unrecht − in ActIoh 101, 7–8 und dem (erweiterten) syrischen Gegenstück bei Bar Hebraeus ein Mißverständnis des ursprünglichen Textes an, insofern gleicherweise irrtümlich auf den Lanzenstich Joh 19, 34 statt auf die Geißelung Mk 15, 19 Bezug genommen werde; vgl. jedoch dazu oben Anm. 144 und Anm. 147. 2. Aus dem Amen-Hymnus des Herakleides Her-IV (PsB II, 191, 1–9), ed. Siegfried G. Richter, Die Herakleides-Psalmen, Corpus Fontium Manichaeorum. Series Coptica. I: Liber Psalmorum, Pars II, Fasc. 2, Turnhout 1998, p. 62–63. (Bis zur Neu-Edition Richters wurde zitiert die Ausgabe von C. R. C. Allberry, A Manichaean Psalm-Book, Part II, Stuttgart 1938, PsB II, 191, 1–9). Her-IV (PsB II, 191, 1–9), übers. v. S. G. Richter: 191, 1 »Die Zwölfheit der Apostel bildete einen Reigen um das Amen. 2 Das Amen antwortete ihnen, es kündete ihnen von seinen Wundern: 4 Amen, ich wurde ergriffen − Amen ich wurde nicht ergriffen. 5 Amen, ich wurde verurteilt (κρι´νειν) − Amen ich wurde nicht verurteilt (κρι´νειν).
II. 2. b) Kap.101, 12–16: Todesleiden des Logos − monarchianische Parallelen
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6 Amen, ich wurde gekreuzigt (σταυρου῀ν) − Amen, ich wurde nicht gekreuzigt (σταυρου῀ν). 7 Amen, ich wurde durchbohrt − Amen ich wurde nicht durchbohrt. 8 Amen, ich erduldete Leid − Amen ich erduldete kein Leid 9 Amen, ich bin in meinem Vater − Amen mein Vater ist in mir.«
Herakleides, der Dichter des Amen-Psalmes, hat sich, wie von Forschern nachgewiesen wurde, von dem Christus-Hymnus und der anschließenden Christus-Rede ActIoh 94–101 inspirieren lassen und sie als Modell benutzt. Die drei Antithesen PsB II, 191, 6–8 gelten als in umgekehrter Reihenfolge aufgenommene und bearbeitete Antithesen auf ActIoh 101, 7–8. Die zwei ersten in PsB II, 191, 4–5 haben jedoch kein Gegenstück in den ActIoh, finden sich aber z. B. in der sehr umfangreichen Antithesen-Reihe in Melitos berühmtem Frgm. 13, 12–14. (21–23) ed. O. Perler, SC 123, p. 238: Iudex iudicatur, . . ., incomprehensibilis prehenditur, (iudicatum esse iudicem, [et incomprehensibilem prehensum esse]); hier und in anderen Texten Melitos gibt es noch weitere wörtlich mit PsB II, 191, 1–9 übereinstimmende Verse, sodaß sich die Annahme nahelegt, Herakleides habe über die Johannesakten hinaus noch weitere Quellen herangezogen. (Daß die paradoxen christologischen Antithesen bei den Gnostikern, Manichäern, Priszillianisten, »Großkirchlichen« letztlich auf die des Noe¨t von Smyrna zurückzuführen sind, wie zuvor dargelegt wurde, ist in der Forschung der letzten Jahrzehnte nicht bemerkt worden).168 b) Das Todesleiden des Logos Kap. 101, 12–16: monarchianische Parallelen Nun zu der Frage, wie das Todesleiden des Logos in Kap. 101 zu verstehen ist. Es ist auffallend, daß in Kap. 101, 12–14 von den verschiedenen Martern, schließlich dem Tod des Logos die Rede ist, des Logos, der wie er 96, 6 selbst sagt, als Offenbarer »vom Vater gesandt wurde«.169 Diese Formulierung könnte den Eindruck erwecken, daß der »Vater« und der »Logos« als zwei unterschie168
Literatur zu den Antithesen der Herakleides-Psalmen: P. Nagel, Die apokryphen Apostelakten des 2. und 3. Jahrhunderts in der manichäischen Literatur, in: Gnosis und Neues Testament, hg. von K.-W. Tröger, Gütersloh 1973, 149–182, hier 168–171 (P. Nagel behandelt nicht die hier zitierten Antithesen). J.-D. Kaestli, L’utilisation des Actes apocryphes des Apoˆtres dans le Maniche´isme, in: Gnosis und Gnosticism, NHS 8, Leiden 1977, 107–116, hier 113 (lediglich Anzeige der Parallelen). E. Junod/J.-D. Kaestli, L’histoire des Actes apocryphes des Apoˆtres du IIIe au IXe sie`cle: le cas des Actes de Jean, Gene`ve/Lausanne/Neuchaˆtel 1982, 49–56, bes. 54–56 zu den Antithesen. S. Richter, Exegetisch-literarkritische Untersuchungen von Herakleidespsalmen des koptisch-manichäischen Psalmenbuches, Altenberge 1994. Richter (S. 108–143) vermerkt und vervollständigt die bisher festgestellten Parallelen zu ActIoh. S. 136–140, und S. 267–271 behandelt er die Antithesen von Psalm Her. IV, 191, 1–9 und ihre Parallelen in ActIoh 101, 6–8 und gnostischen Texten. 169 ActIoh 96, 6 (205 Junod/Kaestli): . . . ει᾽ μη´ (ει᾽μι C) σοι λο´γος υ῾πο` πατρο`ς ε᾽στα´λην. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 182, zieht die Lesart der Handschrift C der Konjektur von Junod/Kaestli vor, vielleicht mit Recht; er sieht damit die Möglichkeit, daß »Vater« und »Logos« als zwei getrennte »Personen« aufgefaßt werden, vermieden: »in reality Logos is just one of the forms which the God Christ can assume«.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
dene göttliche Gestalten (»Personen«) aufgefaßt würden. Aber diese Vorstellung läßt sich nicht halten. Denn aus anderen Textstellen der ActIoh geht unzweifelhaft hervor, daß »Logos« ebenso wie »Nous«, »Christus«, »Sohn«, »Vater«, »Pneuma«, »Leben«, »Wahrheit«, »Charis«, und andere in Kap. 98, 8–13 genannte Namen anthropomorphe Bezeichnungen des einen unnennbaren Gottes sind.170 Die Leiden des Logos sind also letztlich die Leiden des nichtleidensfähigen einen Gottes. Jedoch wird hier nicht (mehr) wie in den meisten monarchianischen Texten vom »Leiden Gottes« und »Blut Gottes« (»Ignatius«) oder vom »Tode Gottes« (Melito) gesprochen,171 sondern vom »Leiden«, »Blut« und »Tod« des Logos. Die Formulierung, daß der Logos vom Vater gesandt und dem Leiden unterworfen wurde, begegnet seit der Rezeption der johanneischen Tradition bei den Monarchianern mehrfach, ohne daß der rigorose Monotheismus dadurch aufgehoben würde172; sie findet sich beispielsweise auch noch bei Irenaeus.173 170 Die Identität des in Kap. 98 mit »Vater«, »Logos«, »Pneuma« angeredeten Subjekts ergibt sich auch aus Kapitel 94; 96, 20–23, sowie 109 (hier kehren die Namen − mit Ausnahme von »Pneuma« − aus Kap. 98 wieder). In Kap. 98 werden die verschiedenen Namen zunächst vom »Lichtkreuz« ausgesagt. Die Autoren sind sich aber einig, daß diese Namen die eine göttliche, heilbringende Gestalt anzeigen: so schon H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen (wie Anm. 155), 102; Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 605; G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen (wie Anm. 35), 122–127; P. J. Lalleman, The Acts of John, 174–184; 181: »The God Christ is indeed polyonymous«. − O. Zwierlein hat nachgewiesen, daß die unmittelbare Vorlage für die Namenslisten in ActIoh 98, 7–12 und 109 der Katalog der Petrusakten: ActPetri 20 (cod. Verc., AAA I, 68, 11–14 Lipsius) ist, siehe seinen Aufsatz: Die Datierung der acta Iohannis, in: Ders., Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom (wie Anm. 80), 233–261, hier 238–243. 171 IgnEph 1, 1: »Blut Gottes«; IgnRöm 6, 3: »Leiden meines Gottes«; Melito, De pascha 96 (54 Hall): »Gott ist ermordet worden«. − Diese Stellen und zahlreiche weitere monarchianische Parallelen werden diskutiert in R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 179–202. 172 Vgl. IgnMagn 8, 2: . . . ο῞τι ει῟ς ϑεο´ς ε᾽στιν ο῾ φανερω´σας ε῾αυτο`ν δια` ᾽Ιησου῀ Χριστου῀ του῀
υι῾ου῀ αυ᾽του῀, ο῞ς ε᾽στιν αυ᾽του῀ λο´γος α᾽ι´διος ου᾽κ α᾽πο` σιγη ῀ ς προελϑω´ν, ο῝ς κατα` πα´ντα ευ᾽ηρι´στησεν τω ῀ͺ πε´μψαντι αυ᾽το´ν. − Diognet. 11, 3: ου῟ χα´ριν α᾽πε´στειλε (scil. ο῾ πατη`ρ) λο´γον, ῞ινα κο´σμωͺ φανη ῀ͺ· ο῝ς υ῾πο` λαου῀ α᾽τιμασϑει´ς, κτλ. − Vgl. auch Theophilus von Antiochien, Ad
Autolycum II, 22; Orac. Sibyll. VIII, 249 f. (GCS 8, 157 G.): Leiden »unseres Gottes«: VIII, 285–304 (160 f. G.): Leiden des Logos. (Zur Passion des »Logos« in den Orac. Sibyll. VIII siehe T. Nicklas, Apokryphe Passionstraditionen [wie Anm. 144], 263–279, hier 270– 276; J.-M. Roessli, The Passion Narrative in the Sibylline Oracles [wie Anm. 144], 299– 327.) − Vgl. die mit Melitos Paschapredigt verwandte Homilie Ps.-Hippolyt, In s. pascha 45 (SC 27, 165, 6–10 N.): Leibnahme und Todeskampf (α᾽γω´ν) des Logos. − Zur Wiederherstellung des ursprünglichen Textes von IgnMagn 8, 2, siehe R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche, Bruxelles 1979, 71 f.; W. Schmithals, Zu Ignatius von Antiochien, ZAC 13, 2009, 181–203, hier 188 f.; O. Zwierlein, Petrus in Rom (wie Anm. 155), 187 f. − Zur Deutung von Ignatius, Diognet, Theophilus im Sinne monarchianischer Theologie siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), bes. 137–140. 192–199. 236 f.; ebd. 183 f. zur chronologischen Einordnung von Orac. Sibyll. VIII. 173 Irenaeus, Adv. haer. I, 10, 3 (SC 264, 162/4 R./D.): et quare Verbum Dei caro factum est et passus est; Adv. haer. V, 18, 1 (SC 153, 236 Rousseau): ipsum Verbum Dei incarnatum
II. 2. b) Kap.101, 12–16: Todesleiden des Logos − monarchianische Parallelen
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Die Übereinstimmungen im Vokabular zwischen den Johannesakten und den Monarchianern gehen noch weiter: Daß »Vater«, »Sohn«, »Logos«, »Pneuma« nur Namen des einen Gottes sind, daß der Logos der eine Gott ist, der Fleisch wurde und (von den Todesmächten) ergriffen ward, sagte der römische Bischof Kallist (ca. 217–222), der Förderer der theologischen Schule Noe¨ts, in einer eigenen Lehrformel, mit der er die Aporien der Glaubensformel seines Vorgängers Zephyrin zu beheben suchte.174 Den Presbyter Hippolyt, der uns beider Lehraussagen überliefert, schmähte er öffentlich als einen »Ditheisten« (Δι´ϑεοι´ ε᾽στε), weil dieser den Logos-Sohn als eine zweite Person vom Vater unterschied.175 Mir scheint, daß wir bei Kallist mit der Ineinsetzung der verschiedenen Gottesnamen eine ziemlich genaue Entsprechung zu den oben genannten Texten der ActIoh haben, nur daß dort die Namensliste noch um viele aus den Evangelien stammenden Bezeichnungen erweitert ist, was jedoch keinen grundsätzlichen Unterschied begründet. Noch in zwei weiteren bedeutenden theologischen Aussagen kommen Kallist und der Autor der ActIoh überein: (1) In Kallists Lehrformel steht als Schriftbeleg für die Einheit (Einpersönlichkeit) von Vater und Sohn das Zitat Joh 14, 10 (11).176 Der Verfasser der Johannesakten zitiert den Vers nicht wörtlich, aber er spielt Kap. 100, 11 f. unzweideutig auf ihn oder auch die Parallelen Joh 10, 38; 17, 5. 21 an.177 (2) Kallist spricht, um einerseits dem Vorwurf des Ditheismus zu begegnen, andererseits einen Patripassianismus zu vermeiden, vom »Mit-leiden« des »Vaters«, das heißt des einen Gottes, mit dem Sohn. Dieser Begriff könnte seine persönliche theologische Leistung in der aktuellen Debatte zwischen den Monarchianern und den Vertretern einer göttlichen Personenlehre sein. Friedrich Loofs, dem wir die gründlichste, leider kaum nach beachtete Untersuchung der Theologie des zweiten Jahrhunderts verdanken, nennt das »Mit-leiden« (συμπεπονϑε´ναι) »Kallists Neuerung«.178 suspensum est super lignum, per multa ostendimus, et ipsi autem haeretici crucifixum confitentur; ähnlich Melito, New Fragment II, 21, 220 f. (p. 94 Hall): ». . . they have no faith in the living cross nor in the Word who was crucified upon it«. 174 Kallists Lehrformel überliefert in zweifacher Fassung Hippolyt, Ref. IX, 12, 16–19 (GCS Hippolytus III, 248, 25–249, 12 W.) und X, 23, 3 f. (283, 12–284, 3 W.); Ref. IX, 12, 16 (248, 25–27 W.): (Κα´λλιστος) . . . ε᾽φευ῀ρεν αι῞ρεσιν τοια´νδε, λε´γων το`ν λο´γον αυ᾽το`ν ει῏ναι υι῾ο´ν, αυ᾽το`ν και` πατε´ρα ο᾽νο´ματι με`ν καλου´μενον, ε῝ν δε` ο῍ν το` πνευ῀μα α᾽διαι´ρετον κτλ.; siehe dazu R. M. Hübner, Art. Kallist von Rom, in: LACL, 32002, 420–422. 175 Vorwurf des Ditheismus gegenüber Hippolyt seitens des Kallist: Hippolyt, Ref. IX, 11, 3; IX, 12, 16 (246, 7; 248, 23 W.). 176 Kallist bei Hippolyt, Ref. IX, 12, 17 (248, 30–249, 2 W.); zu dieser für die Monarchianer zentralen Bibelstelle siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 61 f. 177 T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums (wie Anm. 91), 277 f., erörtert diese Stellen. 178 F. Loofs, Theophilus von Antiochien, Adversus Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenaeus, TU 46, 2, Leipzig 1930, 172 f.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Vom »Mit-leiden« (συμπα´σχειν) des Herrn, des »ungreifbaren Gottes« (104, 2–3), wird auch in ActIoh 103, 9 gesprochen. In diesem Begriff sehe ich die einleuchtendste Lösung für das Problem des Leidens des nichtleidensfähigen Logos in ActIoh 101. Zunächst zu Kallist. Er erklärt gemäß Hippolyt folgendermaßen: Der »Vater«, welcher identisch ist mit dem einen (leidensunfähigen und unsterblichen) Gott oder dem »Logos« oder dem »göttlichen Pneuma«, sei in der Jungfrau Fleisch geworden; »das Sichtbare, der Mensch, sei der Sohn, das im Sohn aufgenommene Pneuma sei der Vater«, nicht zwei Götter, sondern einer. Der Vater, der das Fleisch angenommen habe, »vergöttlichte es, indem er es mit sich vereinigte, und machte es zu Einem (ε῞ν), so daß Vater und Sohn ein einziger Gott genannt würden, und, da dies eine einzige Person sei, nicht zwei (Personen) sein könnten, und so habe der (leidensunfähige) Vater mit dem Sohn mitgelitten (συμπεπονϑε´ναι); er will nämlich nicht sagen, der Vater habe gelitten (πεπονϑε´ναι).« So wolle Kallist, sagt Hippolyt, die »Blasphemie« vermeiden, daß der Vater gelitten habe.179 Das (Todes-)Leiden betrifft nur »den dem Fleisch nach sichtbaren und (von den Mächten) ergriffenen Sohn.«180 Inwiefern läßt sich Kallist’s Konzeption vom »Mit-leiden« des mit dem »Logos« oder »Pneuma« identischen »Vaters« zur Erklärung des Nichtleidens und Leidens des mit dem »Vater« oder »Pneuma« identischen »Logos« und »Mitleidens« des Herrn in ActIoh 101–104 heranziehen? Fest steht − nach dem oben Erörterten − daß der Logos der Johannesakten, ganz entsprechend der noe¨tianischen paradoxen Antithese, nicht gelitten und doch gelitten hat. Wie das?: Indem der Nichtleidensfähige »mitleidet«. Sein Leiden, das kein (menschliches und kein göttliches) Leiden ist, besteht im »Mitleiden«. Mit wem aber leidet er? Nicht wie bei Kallist mit dem »Fleisch« oder dem »Menschen«, in dem er auf der Erde erschienen ist, denn dieser ist, anders 179
Kallist bei Hippolyt, Ref. IX, 12, 16–19 (248, 25–249, 10 W.); vgl. Ref. X, 27, 3 (283, 12–284, 3 W.). − Kallists »Lösung« für das damals heftig diskutierte Problem, daß der Erlöser nur der eine unsterbliche Gott sein könne, der Gott Christus aber die Erlösung durch Leiden und Tod gebracht hat, ist auch die »Lösung« der Praxeaner, über die Tertullian, Adv. Prax. 27–30, berichtet und spottet: Quid est enim compati quam cum alio pati? Porro si impassiblis Pater, utique et incompassibilis (Adv. Prax. 29, 5 [CChr.SL 2, 1203, 28–30 Kroymann/Evans]). Er scheitert mit seiner Zwei-Naturen-»Lösung« allerdings ebenfalls, unleugbar zuletzt an der Auslegung von Mt 27, 46 in Adv. Prax. 30. (Bricht das Buch deswegen kurz darauf ab?). − Zur Genese und Aporetik der Zwei-Naturen-Christologie, siehe meinen Vortrag: »Die eine Person und die zwei Naturen − Der Weg zur Zweinaturenlehre« (wie Anm. 22), unten S. 439 ff. 180 Kallist bei Hippolyt, Ref. X, 27, 4 (GCS Hippolytus III, 283, 19–284, 2 W.): του῀τον
το`ν λο´γον ε῞να ει῏ναι ϑεο`ν ο᾽νομα´ζει και` σεσαρκω ῀ σϑαι λε´γει. και` το`ν με`ν κατα` σα´ρκα ο῾ρω´μενον και` κρατου´μενον υι῾ο`ν ει῏ναι ϑε´λει, το`ν δε` ε᾽νοικου῀ντα πατε´ρα, ποτε` με`ν τω ῀ͺ Νοητου῀ δο´γματι περιρρηγ(νυ´)μενος κτλ. In den beiden Wörtern »gesehen und ergriffen« haben wir noch
einen Nachklang aus den paradoxen Antithesen des Noe¨t (siehe Hippolyt, Ref. IX, 10, 10 [244, 14–16 W.]). Hippolyt nennt dessen Namen anschließend nicht zu Unrecht; vgl. dazu R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 112 f.
II. 2. b) Kap.101, 12–16: Todesleiden des Logos − monarchianische Parallelen
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als bei Kallist, nur ein polymorphes Scheingebilde, nicht ein Mensch; sondern er leidet mit dem Leiden seiner Jünger, der einstigen und der jetzigen: »mit uns allen, die wir leiden, ist er zusammen und leidet selbst auch mit«.181 Ausdrücklich sagt der Logos in Kap. 96, 4 zu dem seiner Offenbarung Lauschenden (wohl dem Johannes und zugleich allen zukünftigen Jüngern): »Dein ist dieses Leiden des Menschen (= das menschliche Leiden), das ich leiden werde.«182 Im »Mit-leiden« mit dem Leiden des realen Menschen besteht das Leiden des Logos. Daß das »Mit-leiden« vom »Herrn« ausgesagt wird (Kap. 103), das Leiden aber vom Logos (Kap. 96; 101), hebt die hier gegebene Erklärung nicht auf, denn der »Herr« ist keine andere »Person« als der eine »unwandelbare, unfaßbare Gott« (Kap. 103, 12; 104), der mit dem ihm verbundenen Scheinmenschen eine »vielgesichtige Einheit« bildet (Kap. 91). Der letzte vom Logos gesprochene Satz findet so eine zwanglose Deutung: »An erster Stelle erkenne den Logos, dann wirst du den Herrn erkennen, an dritter Stelle den Menschen und was er gelitten hat.«183 Es ist die Offenbarung der erschienenen Erlösergestalt: Der »Herr« ist der mit dem scheinbaren Menschen vereinigte göttliche Logos; das Leiden ist zugleich das Leiden des realen Menschen und das »Mit-leiden« Gottes.184 181 ActIoh 103, 9. 12 f.: α῞πασιν η῾μι῀ν συνω`ν πα´σχουσιν συμπα´σχει και` αυ᾽το´ς· . . . ϑεο`ς ω῎ν, βοη´ϑειαν η῾μι῀ν προσα´γει τη ῀ͺ ι᾽δι´αͺ ευ᾽σπλαγχνι´αͺ. 182 ActIoh 96, 4: ο῞τι σο´ν ε᾽στιν του῀το το` α᾽νϑρω´που πα´ϑος ο῝ με´λλω πα´σχειν. 183
ActIoh 101, 14–16; die Einleitung zu diesem Satz ist verderbt und scheint mir nicht mehr sicher herstellbar zu sein. Das beeinträchtigt aber nicht das Verständnis der anschließenden Worte des »Herrn«; vgl. aber den Kommentar von Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 673; siehe auch oben Anm. 148. − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 199, trägt nach seiner genauen Untersuchung: »The meaning of ›man‹ (α῎νϑρωπος)« für den zitierten Satz folgende Deutung vor: »We see that in 101. 14 and 101. 16 α῎νϑρωπον is used with deliberate ambiguity: it denotes humanity and is at the same time a Christological predicate: Consequently, the word signals the parallel fates of the Lord and men and points to the essential identity of the two.« Das stimmt − bis auf das letzte (hier kursiv gesetzte) Stück des Satzes − anscheinend mit der oben gegebenen Auslegung überein. Lalleman (199) sieht hier den Beginn des sich entwickelnden gnostischen Mythos des Mysteriums der Erlösung, »which lies in the identification of the sacred humans with the divine.« Diese fast gnostische Interpretation läßt sich nach den oben voraufgegangenen Analysen nicht halten. − W. A. Löhr, Deutungen der Passion Christi (wie Anm. 141), 570, erklärt die in ActIoh 101, 14–16 genannten »drei Aspekte« (in Absetzung von A. Böhligs und E. Junods und J. D. Kaestlis Auslegung) so: »Der Logos (der beim Vater ist und vom Vater gesandt wird), dann der Herr (der Johannes in der Grotte erscheint) sowie an dritter Stelle der Mensch Jesus Christus, der sichtbar am hölzernen Kreuz gestorben ist.« − Der sichtbare Tod des Menschen Jesus Christus ist jedoch das Schein-Leiden und der Schein-Tod des Schein-Menschen Jesus Christus. Bliebe bei dieser Deutung das Leiden des Menschen (ActIoh 101, 15 f.) nicht unerklärt? 184 In seinem nicht gerade eindringlichen Artikel »The Acts of John and the Fourth Gospel«, in: From Judaism to Christianity: Tradition and Transition, FS Thomas H. Tobin, hg. von P. Walters, Leiden/Boston 2010, 253–265, erklärt H. W. Attridge zu dem συμπα´σχει in ActIoh 103, 9: ». . . such suffering is ultimately meaningless.« (p. 264). Die oben gegebene Erklärung kann zeigen, daß dieses Urteil nicht zutrifft. Auch die häufige Erwähnung der »Gnade« (z. B. Kap. 91, 6; 98, 12; 103, 1; 109, 7), der »Liebe« (103, 2), des »Erbarmens« (103, 12 f.; 107, 1 f.; 108, 4–6. 9 f.) des Gottes Jesus Christus wäre dann »bedeutungslos«. − Vgl. dagegen W. A. Löhr, Deutungen der Passion Christi (wie Anm. 141),
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Diese hier vorgetragene Deutung des »Leidens« und »Mit-leidens« des Logos scheint mir angesichts der aufgezeigten vielfältigen gedanklichen und begrifflichen Nähe zu den noe¨tianischen Monarchianern einleuchtender zu sein als die mehrfach vorgebrachte Erklärung durch mögliche Analogien zu gnostischen oder ehemals gnostischen Texten.185 Eine Parallele aus der Pascha-Homilie des (monarchianischen) Melito von Sardes läßt sich als verstärkender Beweis anführen. De pascha 46 heißt es: »Erfahret nun, wer der Leidende ist und wer der mit dem Leidenden Mit-leidende; und warum der Herr auf der Erde erschien: damit er den Leidenden, mit dem er sich bekleidet hat, in die Höhe der Himmel hinaufführe.«186
569 f.: Er erkennt in Kap. 96, 3 ff und in den Antithesen in Kap. 101 die klare Aussage vom Leiden und Tod des Logos und er deutet (S. 571 f. 573) dieses Leiden − m.E. völlig zu Recht − gemäß Kap. 103 als Mitleiden Gottes mit den konkreten irdischen Leiden des Menschen: »dieser leidende Logos ist in allem Leiden, in allen Nöten der Kreatur anwesend und leidet mit«. (S. 573); die »Barmherzigkeit« sei »eine der wichtigsten Eigenschaften Gottes« in den Acta Iohannis (S. 571). Mit dieser Interpretation des Leidens des Logos entspricht W. A. Löhr − meines Wissens als einziger Autor − dem hier Vorgetragenen. Die zur Befestigung dieser Deutung im hier Folgenden herangezogenen Parallelen zum »Mitleiden« Gottes in der frühchristlichen monarchianischen Literatur bringt Löhr allerdings nicht, obwohl er auf die antithetische Christologie des Noe¨t von Smyrna verweist. (S. 574). 185 Autoren, die in Kap. 94–102 einen gnostischen Text sehen, erklären das »Leiden« des Logos gewissermaßen als Konsequenz seiner gesamten erlösenden Offenbarungstätigkeit, die er mit dem descensus aus dem Pleroma beginnt; das »Leiden« ende, wenn die leidvolle Unvollkommenheit des Erlösers durch die Rückführung aller seiner mit ihm substanziell identischen Glieder (d. h. der Gnostiker) ins Pleroma aufgehoben sei. Vgl. in diesem Sinne schon H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen (wie Anm. 155), 106–108; Junod/Kaestli, Acta Iohannis, bes. II, 604–606. Grundsätzlich ähnlich, trotz ihrer Kritik an der Interpretation des »Leidens« des Logos: G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen (wie Anm. 35), 155–158; G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 139–145. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 183 f. 190–202; bes. 193. − Die Voraussetzungen für eine derartige Interpretation sind jedoch nicht gegeben. Es fehlt ein ausgebildeter descensus- und ascensus-Mythos ebenso wie eine klare Aussage über die Identität der »Gnostiker« mit dem Erlöser. Die Begriffe und Aussagen, die zu dieser Deutung Anlaß gaben, mögen Bruchstücke aus gnostischen Texten sein (wie sie sich z. B. auch bei Melito oder in den Ignatianen finden); diese Bruchstücke sind aber nicht zu einem gnostisch interpretierbaren, geschlossenen System gefügt. (Siehe darüber schon oben S. 177–183). − Im übrigen ist das Leiden des Logos, von dem in Kap. 101 die Rede ist, präzise das Kreuzesleiden, in keiner Weise der descensus des Erlösers in die unvollkommene Welt. − Obwohl P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John (wie Anm. 93), 105, erkennt, daß das Leiden des Logos in ActIoh 101 den Kreuzestod betrifft und nicht die von Junod/Kaestli behauptete »Unvollständigkeit« des Erlösers, die erst mit der Rückkehr aller seiner Glieder ins Pleroma aufgehoben wird, bleibt seine eigene Antwort auf das Problem (S. 110) unzulänglich und erklärt nicht das Leiden des Logos: ». . . the Lord could not have suffered the physical torture of the cross because he was not human«; S. 110 Anm. 1 scheint er jedoch zu der verworfenen »Lösung« zurückzukehren: »However, the Lord is suffering on a higher plane. As the body of the elect, the Lord suffers because they have not all returned.« 186 Melito, De pascha 46, 306–310 (22–24 Hall); vgl. De pascha 66, 451–454 (34 Hall): »Dieser kam aus den Himmeln auf die Erde wegen des Leidenden, diesen zog er an durch der Jungfrau Schoß und kam hervor als Mensch; er lud auf sich die Leiden des Leidenden . . .«; De
II. 2. b) Kap.101, 12–16: Todesleiden des Logos − monarchianische Parallelen
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»Der mit dem Leidenden Mit-leidende« (ο῾ τω ῀ͺ πα´σχοντι συμπαϑω´ν) ist der »Herr«, das ist bei Melito Christus oder das göttliche Pneuma oder Gott.187 Der »Leidende« (ο῾ πα´σχων) ist, wie R. Cantalamessa in der Festschrift für Card. Danie´lou gezeigt hat, zunächst der gefallene Adam, der erlösungsbedürftige, leidende Mensch, mit dem der Herr »mitleidet«188 − da sind wir sehr nah bei der Konzeption von ActIoh 103. Der »Leidende« ist aber zugleich auch der Mensch Jesus, mit dem sich der niedersteigende göttliche Erlöser vereinte − das entspricht der Konzeption des Kallist. Wenn Cantalamessa richtig gesehen hat − und dafür sprechen die von ihm verglichenen Texte −, daß Melito mit seiner Aussage über die sympatheia des Erlösers mit dem von ihm angenommenen, leidenden Menschen den Valentinianer Theodot korrigierend aufnimmt, dann stammt der Gedanke der sympatheia Gottes, der von Clemens ebenso verworfen wird wie vom schon zitierten Tertullian, letztlich von den Valentinianern.189 Hat ihn der Verfasser der Johannesakten unmittelbar aus entsprechenden gnostischen Texten übernommen? Absolut ausschließen läßt sich das vielleicht nicht. Jedoch zeigt ein Blick auf die Gestalten, die einerseits bei Theodot, andererseits in den ActIoh »leiden« oder »mitleiden«, daß ein direkter Bezug nur zu den monarchianischen Texten besteht: Bei Theodot ist es das mythische »Mitleiden« des transzendenten ersten »Vaters« mit seiner Paargenossin »Sige« (auf daß diese etwas von ihm zu erfassen und dadurch zu »zeugen« vermöge) und das »Mitleiden« des gesamten transzendenten Pleromas, einschließlich des »Vaters«, mit dem Leiden der »Sophia«, die ohne ihren Paargenossen hatte »zeugen« wollen. Dieses »Mitleiden« führt zur mythischen Rettungsaktion des transzendenten »Erlösers«, der die gefallene, leidende »Sophia« von ihren Leiden befreit.190 In den ActIoh dagegen ist es das pascha 100, 748–751 (56 Hall): »Der Herr hatte angezogen den Menschen und litt wegen des Leidenden und ward gebunden wegen des Ergriffenen und verurteilt wegen des Verdammten . . .«. Vgl. Testamentum Domini nostri Jesu Christi 28 (p. 59 Rahmani): Ipse est, qui Adam iam mortuum induit, eumque vivificavit, qui ascendit ad coelum. 187 Siehe O. Perler, Me´liton de Sardes, Sur la Paˆques et fragments, SC 123, Paris 1966, 171; R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 25 f. 188 R. Cantalamessa, Les home´lies pascales de Me´lito de Sardes et du Pseudo-Hippolyt et les Extraits de The´odote, in: Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, publie´s par J. Fontaine et Ch. Kannengiesser, Paris 1972, 263–271, hier 264 f. 189 R. Cantalamessa, Les home´lies pascales, 264–266, vergleicht die Melito-Texte aus De pascha mit Klemens von Alexandria, Excerpta ex Theodoto 31, 1–4; ebd. auch die Kritik des Klemens. − Analog zur Auffassung der sympatheia in den Excerpta ex Theodoto sind die Aussagen über das »Mitleiden« der leidensunfähigen göttlichen »Gestalten« des Pleromas im valentinianischen (?) Tractatus tripartitus (NHC I, 5), p. 65, 11–23; 85, 33–37; 114, 30–36; siehe dazu den vorzüglichen Kommentar von E. Thomassen, Le Traite´ Tripartite (NH I, 5), BCNH.T 19, Quebec 1989, 306 f.; 357 f.; 422 f. − Die Gleichsetzung des himmlischen Pleromas und seiner sympatheia in den genannten gnostischen Texten mit den Figuren in ActIoh 94–102 bei Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 616 f., ist nicht haltbar; ihre Interpretation überzieht die terminologischen Ähnlichkeiten völlig. Die Parallelen der ActIoh mit den monarchianischen Texten kommen überhaupt nicht in den Blick der Autoren. Siehe die ausführliche Erörterung weiter unten Anm. 197 und S. 212–217. 190 Siehe R. Cantalamessa, Les home´lies pascales (wie Anm. 188), 264; Entsprechendes
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
»Mitleiden« des auf der Erde erschienenen, aber scheinbar gekreuzigten GottLogos mit dem vielfachen Leiden und endlich dem Todes-Leiden des realen Menschen. Die bisher festgestellten, erstaunlich spezifischen Übereinstimmungen der ActIoh mit noe¨tianisch-monarchianischen Texten sprechen für eine Herkunft des »Mitleidens« eher aus diesem Raum als aus dem valentinianischen Bereich. Ein möglicher Einwand gegen diese Interpretation des συμπα´σχειν soll auch noch ausgeräumt werden. Das »Leiden« in Kap. 96 und 101 betrifft − wenigstens in erster Linie − die Martern und das Todes-Leiden des Herrn (= des Logos) und das Leiden des menschlichen Lebens insgesamt, in Kap. 103 jedoch alle möglichen seelischen und körperlichen Leiden, denen die Menschen, mit denen der Herr »mit-leidet«, ausgesetzt sind.191 Kap. 103 gehört nun nicht mehr zum vermuteten, meist »gnostisch« interpretierten Einschub. Insofern könnte es als unzulässig erscheinen, das paradoxe »Leiden« des Logos in Kap. 96 und besonders in Kap. 101 von dem monarchianisch verstandenen »Mit-leiden« des Kap. 103 her zu deuten. Da aber die paradoxen Antithesen in Kap. 101 am besten von den noe¨tianisch-monarchianischen her erklärt werden können, und sowohl das συμπα´σχειν in Kap. 103 wie das seltene Gottesprädikat α᾽κρα´τητος in Kap. 104 aus eben diesen Traditionen herrühren, und da es auch in Kap. 103 f. das »Mitleiden« des unveränderlichen, ungreifbaren (einen) Gottes ist, kann die oben gegebene Interpretation als voll gerechtfertigt gelten. Gewiß hat der Autor in den genannten Kapiteln unterschiedliche Traditionen aufgenommen und nach seinen Vorstellungen, mehr oder weniger gelungen, zu einer Einheit geformt; aber er hat, wie gezeigt, seine grundsätzlich monarchianische Gottesauffassung nirgendwo verlassen. Das spricht eigentlich gegen die Annahme eines zweiten Autors oder Redaktors, der mit den Kapiteln 94–102 ein neues theologisches Programm habe vorstellen wollen. 3. Die paradoxen Antithesen im »Christushymnus« Kapitel 94–96 Als nächstes bleibt, eine Erklärung der rätselhaften Antithesen in dem vom tanzenden Herrn, dem göttlichen Logos, vorgetragenen − fast ausnahmslos als gnostisch interpretierten − Hymnus ActIoh 94–96 zu versuchen.192 Zur leichgilt für den Tractatus tripartitus, wie E. Thomassen dargelegt hat (siehe die voraufgehende Anmerkung). 191 Vgl. P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 193, der in Anm. 174 auf diese Feststellung von H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen (wie Anm. 155), 163, verweist und darin einen Ansatzpunkt für die auch von ihm übernommene Ausgliederung der Kapitel 94–102 als eines gnostischen Teiles durch Junod/Kaestli sieht. 192 Augustinus zitiert in dem Brief an Bischof Ceretius (Ep. 237 [CSEL 57, 526–532 Goldbacher]) einige Verse, die im Hymnus der ActIoh 94–96 ihre griechischen Parallelen haben. (Leider ergibt sich aus seinen Ausführungen keine Interpretationshilfe für die »rät-
II. 3 Die paradoxen Antithesen im »Christushymnus« Kap. 94–96
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teren Beurteilung der folgenden Ausführungen sei wenigstens der zentrale Teil des Hymnus (Kap. 95) zitiert. Dies ist der Zusammenhang: Nachdem Johannes von den polymorphen Erscheinungen des Herrn berichtet hatte (Kap. 87–93), geht er zu dem Thema über, das ihm (das heißt: dem Autor) offenkundig besonders am Herzen liegt: zur Schilderung und Erklärung des Kreuzesleidens. Bevor es zur Gefangenahme durch die Juden gekommen sei, habe der Herr, so erzählt Johannes in Kap. 94, alle Jünger versammelt, ihnen befohlen, einander bei den Händen zu fassen, einen Kreis um ihn, der in der Mitte war, zu bilden, und gemeinsam »dem Vater zu lobsingen«. Er selbst begann den Hymnus zu singen und zu sprechen, die Jünger respondierten mit »Amen« (Kap. 94, 1–7).193
selhaften« Antithesen). Diese Verse, darunter z. T. bruchstückhaft drei Antithesen, stammen aus einem ihm von Ceretius zugesandten Schriftstück, das Augustinus den Priszillianisten zuweist. (Zusammenstellung der Verse bei Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 646 f.; bei K. Schäferdiek, NTApo II5, 166 Anm. 27). In diesem Schriftwerk versuchten die Priszillianisten, den Worten des »Hymnus sane, quem dicunt esse domini nostri Iesu Christi« (p. 526, 14), Worten, die sie selbst als »äußerst dunkel formuliert« bezeichneten (verba obscurissime . . . posita, p. 529, 20 sq.), mittels alt- und neutestamentlicher Schriftzitate einen verstehbaren/vernünftigen, gewissermaßen »orthodoxen« Sinn zu geben. Augustinus kennt weder den Verfasser des aus apokryphen Schriften stammenden Hymnus (p. 526, 14– 16), der offenbar in seiner lateinischen Version losgelöst vom Kontext umlief, noch nennt er den Titel der Johannesakten. Er unterstellt den Priszillianisten eine täuschende, ihr wahres Denken verhüllende Interpretation, weiß aber nicht zu sagen − das betont er viermal heftig −, was sie mit »den guten und würdigen Worten ihrer Erörterung des Hymnus« (p. 532, 7) verbergen wollen (p. 529, 24–26; 530, 24–27; 531, 28–532, 4. 10–12). Eine die vermeintliche Häresie der Priszillianisten aufdeckende Auslegung der zitierten Verse des Hymnus vermag Augustinus selbst nicht zu geben. − Die Täuschungsabsicht unterstellt Augustinus den Priszillianisten gewiß zu Unrecht. Deren Bemühen um eine anscheinend »orthodoxe«, schriftgemäße Interpretation der so dunklen Worte, über welche Augustinus ausführlich berichtet (Ep. 237, 5–9 [528–532]), entspricht in gewisser Hinsicht dem Vorgehen des Verfassers der Philippusakten (4. Jh.), welcher den Hymnus der ActIoh 94–96 in ein von Philippus im Geiste gesprochenes Eucharistiegebet verwandelt und alle paradoxen Antithesen möglichst biblisch-orthodox auflöst (siehe ActPhil XI, 9 [CCSA 11, 295, 8–299, 22 Bovon/ Bouvier/Amsler]). − Die Johannesakten sind den Priszillianisten insgesamt bekannt gewesen. Sie mögen von dem Enkratismus und dem ausgeprägten Monarchianismus, die beide ihr Glaubensleben bestimmten, angezogen worden sein. − Zu den Parallelen des Hymnus ActIoh 94–96 bei Augustinus, Ep. 237, siehe: Junod/Kaestli, L’histoire des Actes apocryphes (wie Anm. 168), 91–94; K. Schäferdiek, NTApo II5, 141. 193 In dem (wohl zwischen 220 und 250 entstandenen) »Ersten Buch Jeuˆ«, Kap. 41 (GCS Koptisch-gnostische Schriften I4, 297, 18 ff Schmidt) gibt es eine auffallende Parallele zu ActIoh 94, 1–7, auf die schon mehrfach hingewiesen wurde: Jesus fordert die Zwölf auf, ihn zu umgeben, gemeinsam seinen Vater zu preisen (υ῾μνευ´ειν ) und seine Lobpreisungen mit jeweils dreimaligen »Amen« zu beantworten. Von einem Tanz wird nichts gesagt, es gibt auch sonst keine Analogien zwischen den unverständlichen Antithesen der ActIoh 94 und dem langen, durchaus verständlichen Loblied des »Ersten Buches Jeuˆ«, so daß wohl keine literarischen Beziehungen zwischen beiden, einander zeitlich nahen Texten anzunehmen sind. Der manichäische Dichter Herakleides greift später in seinem Amen-Psalm dasselbe »Modell« auf, siehe oben »Anhang«, S. 194 f.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
ActIoh 94, 8–95, 50 (Junod/Kaestli 199–205) 94, 8
Δο´ξα σοι πα´τερ. Και` η῾μει῀ς κυκλευ´οντες υ῾πηκου´ομεν αυ᾽τω ῀ͺ το` α᾽μη´ν.
Übers.: K. Schäferdiek NTApo5 II, 166–167 Ehre sei dir Vater! Und wir bildeten einen Kreis und respondierten ihm mit Amen.
10
Δο´ξα σοι λο´γε, δο´ξα σοι χα´ρις. ᾽Αμη´ν. Δο´ξα σοι το` πνευ῀μα, δο´ξα σοι α῞γιε, δο´ξα σου τη ῀ͺ δο´ξη. ͺ ᾽Αμη´ν.
Ehre Ehre Ehre Ehre Ehre
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Αι᾽νου῀με´ν σε πα´τερ, ευ᾽χαριστου῀με´ν σοι φω ῀ς ε᾽ν ω ῟ͺ σκο´τος ου᾽κ οι᾽κει῀. ᾽Αμη´ν.
Wir preisen dich, Vater! Wir danken dir, Licht, in dem Finsternis nicht wohnt. − Amen.
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᾽Εφ ω ῟ͺ δε` ευ᾽χαριστου῀μεν λε´γω ·
sei sei sei sei sei
dir, Logos dir, Gnade! − Amen. dir, Geist! dir, Heiliger! deiner Ehre! − Amen.
Wofür wir aber danken, sage ich:
Σωϑη ῀ ναι ϑε´λω και` σω ῀ σαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν. Λυϑη ῀ ναι ϑε´λω και` λυ῀σαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Gerettet werden will ich, und retten will ich. − Amen. Erlöst werden will ich, und erlösen will ich. − Amen.
Τρωϑη ῀ ναι ϑε´λω και` τρω ῀ σαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν. Γεννα ῀ σϑαι ϑε´λω και` γεννα ῀ ν ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Verwundet werden will ich, und verwunden will ich. − Amen. Gezeugt werden will ich, und zeugen will ich. − Amen.
Φαγει῀ν ϑε´λω και` βρωϑη ῀ ναι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν. ᾽Ακου´ειν ϑε´λω και` α᾽κου´εσϑαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Essen will ich, und gegessen werden will ich. − Amen. Hören will ich, und gehört werden will ich. − Amen.
Νοηϑη ῀ ναι ϑε´λω νου῀ς ω ῍ ν ο῞λος. ᾽Αμη´ν. Λου´σασϑαι ϑε´λω και` λου´ειν ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Gedacht werden will ich, der ich ganz Denken bin. − Amen. Gewaschen werden will ich, und waschen will ich. − Amen.
῾Η χα´ρις χορευ´ει.
Die Gnade tanzt.
Αυ᾽λη ῀ σαι ϑε´λω, ο᾽ρχη´σασϑε πα´ντες. ᾽Αμη´ν. Θρηνη ῀ σαι ϑε´λω, κο´ψασϑε πα´ντες. ᾽Αμη´ν.
Flöten will ich, tanzet alle. − Amen. Ein Klagelied anheben will ich, die Trauergebärde vollführt alle. − Amen.
᾽Ογδοα`ς μι´α η῾μι῀ν συμψα´λλει. ᾽Αμη´ν. ῾Ο δωδε´κατος α᾽ριϑμο`ς α῎νω χορε´υει. ᾽Αμη´ν.
(Die) eine Achtheit lobsingt mit uns. − Amen. Die zwölfte Zahl tanzt in der Höhe. − Amen.
Τω ῀ͺ δε` ο῞λωͺ α῎νω χορευ´ειν υ῾πα´ρχει. ᾽Αμη´ν. ῾Ο μη` χορε´υων το` γινο´μενον α᾽γνοει῀. ᾽Αμη´ν.
Dem All kommt es zu, in der Höhe zu tanzen. (?) − Amen. Wer nicht tanzt, erkennt nicht, was sich begibt. − Amen
Φυγει῀ν ϑε´λω και` με´νειν ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Fliehen will ich, und bleiben will ich. − Amen.
II. 3 a) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − gnostische Deutung
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Κοσμει῀ν ϑε´λω και` κοσμει῀σϑαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν.
Ordnen will ich, und geordnet werden will ich. − Amen.
῾Ενωϑη ῀ ναι ϑε´λω και` ε῾νω ῀ σαι ϑε´λω. ᾽Αμη´ν. Οι῏κον ου᾽κ ε῎χω και` οι῎κους ε῎χω. ᾽Αμη´ν.
Geeint werden will ich, und einen will ich. − Amen. Ein Haus habe ich nicht, und Häuser habe ich. − Amen.
Το´πον ου᾽κ ε῎χω και` το´πους ε῎χω. ᾽Αμη´ν. Ναο`ν ου᾽κ ε῎χω και` ναου`ς ε῎χω. ᾽Αμη´ν.
Eine Stätte habe ich nicht, und Stätten habe ich. − Amen. Einen Tempel habe ich nicht, und Tempel habe ich. − Amen.
Λυ´χνος ει᾽μι´ σοι τω ῀ͺ βλε´ποντι´ με. ᾽Αμη´ν. ῎Εσοπτρο´ν ει᾽μι´ σοι τω ῀ͺ νοου῀ντι´ με. ᾽Αμη´ν.
Eine Leuchte bin ich dir, der du mich siehst. − Amen. Ein Spiegel bin ich dir, der du mich erkennst. − Amen.
Θυ´ρα ει᾽μι´ σοι 〈τω ῀ͺ〉 κρου´οντι´ με. ᾽Αμη´ν. ῾Οδο´ς ει᾽μι´ σοι 〈τω ῀ͺ〉 παροδι´τη. ͺ 〈᾽Αμη´ν.〉
Eine Tür bin ich dir, 〈der〉 du an mir anklopfst. − Amen. Ein Weg bin ich dir, 〈dem〉 Wanderer. − 〈Amen.〉
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Dem letzten »Amen folgen in Kap. 96, 1–27 allein an eine (tanzende) Einzelperson − wohl den Johannes − gerichtete Worte des Herrn, der sich jetzt als vom Vater gesandter Logos bezeichnet (96, 6), über sein zukünftiges menschliches Leiden, welches in Wahrheit das Leiden des Angeredeten sei (96, 4). Die Rede und den Tanz beschließt eine an den Vater, Logos, Geist gerichtete Doxologie. Dem Weggang des Herrn folgt die Flucht der völlig verwirrten Jünger einschließlich des Johannes. a) Die gnostische Deutung durch Junod/Kaestli Seit Hilgenfelds großem Aufsatz: »Der gnostische und der kanonische Johannes über das Leben Jesu« (1900) wurden Tanz und Hymnus von vielen Autoren im gnostischen Sinn interpretiert,194 so vor allem von M. Pulver (1942), E. Junod und J. D. Kaestli (1983) und G. Schneider (1991).195 Junod’s und Kaestli’s eingehende Argumentation hat vielfache, wenn auch hier und da einschränkende und verändernde Gefolgschaft gefunden. Das Material, mit dessen Hilfe das angeblich gnostische System des Verfassers dieser Kapitel rekonstruiert wird, stammt aus zeitlich und sachlich recht unterschiedlichen Texten und wird oft mit viel Phantasie zu einem vermeintlichen 194
A. Hilgenfeld, Der gnostische und der kanonische Johannes über das Leben Jesu, ZWTh 43, 1900, 1–61. − Schon Jahre zuvor hatte R. A. Lipsius in seinen umfangreichen Studien: »Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden. Ein Beitrag zur altkirchlichen Literaturgeschichte«, 1. Bd., Braunschweig 1883, 525–532, eine − keineswegs ungeschickte − Deutung des Hymnus »im Geiste der älteren Vulgärgnosis« gegeben (528), wobei die bruchstückhafte und unsichere Überlieferung und »die Flüssigkeit der gnostischen Bildersprache« es ihm oft nicht möglich machten, »eine sichere Entscheidung zu treffen« (532). 195 Zu G. Schneider s. weiter unten Anm. 204.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Ganzen zusammengesetzt. Der deutliche Mangel an Stringenz etwa bei M. Pulver zeigt, daß der Nachweis für einen gnostischen Text schwer zu erbringen ist.196 Die oben (S. 183) zitierte Feststellung von P. J. Lalleman, daß noch keine lexikalische oder strukturelle Parallele zwischen gnostischen Texten und den Johannesakten diesen Verfasser als einen wahren gnostischen Systematiker erwiesen habe, gilt auch für die hier zu erklärenden Kapitel. Ich beschränke mich dabei auf die Diskussion der ausführlichen gnostischen Interpretation durch die Herausgeber Junod/Kaestli und verweise lediglich in markanten Einzelfällen auf die Deutung anderer Autoren.197 E. Junod und J.-D. Kaestli haben Struktur und Inhalt des Hymnus (Kap. 94–96) eingehend untersucht und kommentiert.198 Was die Komposition betrifft, so kommen sie, auch aufgrund der Würdigung der Analysen etlicher Vorgänger, insbesondere der von M. Brioso,199 zu dem Ergebnis, daß der Hym196 M. Pulver, Jesu Reigen und Kreuzigung nach den Johannesakten, Eranos-Jahrbuch 9, 1942, 141–177, interpretiert in konsequent gnostischer Deutung Kap. 94–95 als »ekstatische(n) Kulttanz«, als eine gnostische Eucharistie (ohne Opfer), in der sich »die Einung« »im Eingeweihten« »mit seinem Kultgott vollzieht« (150/1). In den Antithesen zeige und verhülle der »erlöste Erlöser« die gnostische Eucharistie (165 f.). − Die Antithesen jedoch und die Rätselrede über das Leiden des Logos in Kap. 101 bleiben bei Pulver ohne Parallelen aus gnostischen Texten und ohne Erklärung (177). Die Worte über »Ogdoas« und »Zwölfzahl« (Kap. 95, 23. 25) werden als »Schlüsselverse zum Verständnis des Ganzen« im gnostischen Sinn bezeichnet (168). 197 Wie ohne Einschränkung geschlossen die gnostische Interpretation des Kapitels 95 bei Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 603 f., erscheint, soll vorab durch ein Original-Zitat deutlich werden. Die Autoren erklären, daß das wesentliche Charakteristicum der Gnosis der Johannesakten darin liege, daß »die erlösende Erkenntnis durch einen Initiationsritus (eben den Tanz und Hymnus) mitgeteilt« werde: »Dans la personne du Maıˆtre qui psalmodie et danse devant lui, le disciple peut de´couvrir, comme en miroir, son Moi authentique (cf. AJ 95, 45–46; 96, 1; 101, 5), repre´sente´ comme un Moi qui souffre (cf. AJ 96, 3–6 et 101, 1–5). Dans l’hymne du ch. 95, le Seigneur, porteparole de la ›souffrance‹ des eˆtres pneumatiques, exprime le besoin d’eˆtre sauve´, de´livre´, blesse´, engendre´, lave´, mis en ordre, unifie´; le de´sir de manger, d’e´couter, de comprendre, de fuir; le manque de maison, de lieu et de temple (AJ 95, 2–17. 31–42). Le gnostique contemple aussi l’image de son Moi souffrant dans les gestes de la danse exe´cute´e par le Christ. Ce spectacle ne le laisse pas insensible, mais le fait entrer a` son tour dans la danse, au terme de laquelle il trouve le repos (cf. AJ 96, 7–10 et note 6 sur AJ 96).« Ebd. 616: »Nous avons vu que la danse du Christ re´ve`le le myste`re de la ve´ritable passion et qu’elle procure aux disciples la gnose salvifique.« − J.-D. Kaestli, Los Hechos de Juan (wie Anm. 1), 306–309, geht von einem aktuellen Konsens über den generell gnostischen Charakter der ActIoh 94–102 u. 109 aus und verteidigt die valentinianischen Züge dieser Gnosis gegenüber Luttikhuizen und Lalleman, auch mit Verweis auf die Interpretation in den Acta Iohannis I und II (1983). Die vorgetragenen Gegengründe (u. a. Kommunikation der Gnosis durch einen Ritus) gehen jedoch im Wesentlichen über die Argumentation von 1983 nicht hinaus und erfordern deswegen keine andere als die hier im Folgenden gegebene Erwiderung. Das gilt auch für die im selben Artikel (S. 289–394) wiederholte Hauptthese, daß ActIoh 94–102. 109 ein gnostischer (valentinianischer) Text ist, der wahrscheinlich von einer gnostischen Gemeinde in das Korpus der Johannes-Akten eingefügt wurde (s. vor allem S. 294. 306–309). 198 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 581–627, bes. 632–655. 199 M. Brioso, Sobre el ›Tanzhymnus‹ de Acta Ioannis 94–6, Emerita 40, Madrid 1970, 31– 45 (hier nach Junod/Kaestli II, 636 zitiert.).
II. 3 a) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − gnostische Deutung
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nus in Kap. 94–96 eine Einheit mit Kap. 97–102 (also dem gesamten »Einschub«) bildet und vorgängig zur Eingliederung in die ActIoh niemals selbständig existiert habe. Doch habe der Autor für die Komposition seines Hymnus eine bereits vorhandene gnostische Tradition benutzt und Christus in den Mund gelegt. Dieser ursprüngliche, gnostische Hymnus umfasse in Kap. 95 die Antithesen mit Ausnahme des einleitenden Satzes 95, 1 und der stilistisch und inhaltlich abweichenden Verse 95, 18–30. Hymnus und Tanz stünden an Stelle des fehlenden Abendmahlberichtes und bildeten »le myste`re chre´tien«.200 Aufgrund des Vergleichs einzelner Antithesen des »ursprünglichen Hymnus« in ActIoh 95 mit denen in der gnostischen »Rätselrede« »Bronteˆ-Vollkommener Verstand« (NHC VI, 2) vorhandenen glauben die Autoren, »une parente´ litte´raire et religieuse e´vidente« zwischen diesen beiden Texten feststellen zu können, und plädieren deswegen für eine Herkunft des »hymne primitif« aus »einem gnostischen Milieu außerhalb des Christentums«, wie sie das für »Bronteˆ« annehmen.201 In den überaus reichhaltigen »Notes sur AJ 94–102« wie schon zuvor in den Ausführungen über den Bezug dieser Kapitel zur valentinianischen Gnosis vermerken Junod und Kaestli zahlreiche Parallelen zu Wörtern und Vorstellungen in gnostischen Schriften, um die Charakterisierung des Hymnus als eines gnostischen Produkts zu untermauern.202 Ihre These hat aufgrund der von ihnen beigebrachten Masse an Vergleichsmaterial aus gnostischen Schriften und ihrer eingängigen rekonstruierenden Interpretation sehr viel Zustimmung gefunden.203 Einige Autoren versuchten in Kritik und Weiterentwicklung von Junod/Kaestli eine je eigene Deutung, insbesondere des »kultischen« Tanzes, zu finden, strapazieren m. E. die Aussagen des Textes weit über Gebühr.204 Die zitierten »gnostischen« Parallelen zu ein200 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 632–642: »La structure et le processus de composition de l’hymne d’AJ 94–96«; ebd. 621–627: »La danse initiatique d’AJ 94–96 et la communication de la gnose a` travers un rite«. − Daß Hymnus und Tanz wohl als ein die Eucharistie der allgemeinen Kirche ersetzender Ritus in einer eher sakramentsfeindlichen Gemeinde seien, erklärt auch J.-D. Kaestli, Le myste`re de la croix (wie Anm. 91), 37. 46. 201 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 641. − In einer »Response« auf eine These von A. J. Dewey, The Hymn in the Acts of John: Dance as Hermeneutic, Semeia 38, 1986, 67–80, hat J.-D. Kaestli (l. c. 81–88) den Terminus »primitive hymn« aufgegeben. Er wird jedoch, weil hier sein Gebrauch in der vorher erschienenen Edition der Johannesakten, diskutiert wird, weiter verwendet, zumal der Wechsel in der Terminologie das Ergebnis der Diskussion nicht verändert. 202 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, bes. 603 f. 615–617. 621–627. 642–655. 203 Siehe die schon oben Anm. 141 genannten Autoren; vgl. z. B. noch R. I. Pervo, Johannine trajectories (wie Anm. 14), bes. 66 f. 204 Gemeint sind die Autoren A. J. Dewey (1986), P. G. Schneider (1991) und E. Bowe (1999). A. J. Dewey, The Hymn in the Acts of John (wie Anm. 201) hat zu zeigen versucht, daß ein Redaktor vorhandene traditionelle Texte, die man als »revelatory discourse material« kennzeichnen und als verwandt mit den »self-proclamations and exhortary sentences« in »The Thunder, Perfect Mind« charakterisieren kann, durch liturgische Anweisungen und erklärende Einfügungen zu einem liturgischen »round dance hymn« umgeformt hat (S. 69 f. 73 f.). Den hermeneutischenWert der Umwandlung des traditionellen »Lehr-
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
zelnen Wörtern und Formulierungen sind durchaus eindrucksvoll. Doch bleibt Materials« in einen Tanz-Hymnus versuchte Dewey durch einen Überblick über den Tanz in der antiken Welt zu ermitteln (S. 74–79). Er glaubt, in den antiken Beispielen (generell im hypochorema) die Auffassung eines Tanzes gefunden zu haben, nach der es eine Wechselwirkung zwischen Gesang (Wort) und Tanz gebe, so daß, besonders in kultischen Situationen, der Tanz über die Worte hinausführe und von einer »transzendenten«, ja »exstatischen« Bedeutung zeuge. So auch vermittele »der imitierende Tanz« in den ActIoh die »offenbarenden und parenetischen Worte« des Führers und bilde eine »Einladung zur Exstase« (S. 80). (Diese Schlußfolgerungen sind für die ActIoh in keinem Punkte hinreichend belegt: Die Worte des Hymnus bleiben extrem unklar, der Tanz erklärt nichts, die Jünger geraten nicht in Exstase, sondern fliehen verstört in alle Richtungen, einzig Johannes erfährt vom »aufgefahrenen« Herrn die Bedeutung des »wahren Leidens«.) − In seiner »Response« (ebd. 81–88) hat J.-D. Kaestli Dewey’s Analyse von Tradition und Redaktion in ActIoh 95 zugestimmt und auf den von ihm für die Tradition bisher verwendeten Titel »primitive hymn« zugunsten des von Dewey vorgeschlagenen Terminus »revelation discourse« verzichtet. Kaestli bleibt aber dabei, daß das verarbeitete traditionelle Material eine bereits vorhandene gnostische (mit »Bronteˆ-Vollkommener Verstand« verwandte) Offenbarungsrede (»preexisting revelation discourse«, 86) sei, die fest mit dem Kontext verbunden ist. Kapitel 94–102 bildeten »a Gnostic counter-Gospel«, einen »text of Gnostic revelation.« Tanz und Hymnus (Kap. 94–96) ersetzten die Eucharistie und seien »clearly a institutional narrative« (87). − P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John (wie Anm. 93), bes. 160–208, setzt die gnostische Deutung voraus, ohne den Autor und seine Gemeinde mit einer bekannten gnostischen Gemeinschaft zu identifizieren. Die von Junod/Kaestli behauptete Ähnlichkeit der Antithesen ActIoh 95 mit denen in »The Thunder: Perfect Mind« (NHC VI, 2) bestreitet er (142 f. 168). Er deutet Kap. 95–96 als eine »aktuelle Liturgie« oder ein »sacrament«, bestehend aus Doxologie, zwei großen Hymnen und dem liturgischen Tanz, welche von den Teilnehmern vollzogen werden und dem tanzenden und singenden Initianden, ähnlich wie in der valentinianischen Liturgie, Erkenntnis und Leben vermitteln und in den »Erlöser« oder »Herrn« transformieren (158–167). − Die konsequent gnostische Deutung, welche die durchaus festgestellten Lücken im angeblich gnostischen Mythos der Johannesakten (142 f. 177: es fehlen z. B. ein kosmogonischer Mythos, die Sophia, ihr Sturz und Restauration!) phantasiereich ausfüllt (173–177), ermangelt der Stringenz. Im Unterschied zu Junod/Kaestli betrachtet Schneider Tanz und Hymnus nicht als Ersatz für die Eucharistie, von der an mehreren Stellen der Johannesakten (auch im »gnostischen« Kap. 109) die Rede ist (206–208). − Kritik an der »Sakraments«-These Schneiders übt G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 148 Anm. 63. Siehe auch unten Anm. 287. − B. E. Bowe, Dancing into the Divine: The Hymn of the Dance in the Acts of John, JECS 7, 1999, 83–104, folgt der gnostischen Interpretation von Junod/Kaestli (88: »clearly gnostic character« der Kap. 87–105), sieht in den paradoxen Antithesen (Kap. 95, 2–36) »affinities« zu NHC VI, 2 »The Thunder: Perfect Mind« (94 f.), hält den Einfluß des valentinianischen Gnostizismus − nach Junod/Kaestli − für fraglos, sieht aber keine zielgerichtete Benutzung des valentinianischen Mythos als einer zentralen Hermeneutik im Tanz-Hymnus (96 Anm. 26). Im Tanz, heißt es S. 97, erfolge eine transformierende Gnosis, »a unitive transformation« (98), »sowohl auf der Ebene der Erkenntnis wie auch des Seins« (99). − Auch hier scheint mir, wie bei Dewey und Schneider, sehr viel mehr gefolgert zu sein als der Text erlaubt. − Sogar die sehr viel einschränkendere Schlußfolgerung von V. K. Robbins, Who Do People Say I am? Rewriting Gospel in Emerging Christianity, Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U. K. 2013, 289: »The hymn-dance introduces Jesus’ disciples into the lesser mysteries«, während die »greater mysteries«, nämlich die Erkenntnis Jesu »as he really is«, erst (eschatologisch) »beim Vater« erfolge, hat keine hinreichende Grundlage im Text.
II. 3 a) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − gnostische Deutung
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es dabei, daß genügend Elemente für die Konstruktion eines eigentlich gnostischen Systems − in welchem Sinne auch immer − weder im sogenannten »hymne primitif« noch im Kontext, also in den Kapiteln 94–96 insgesamt, zu finden sind. Der Autor verläßt seine monarchianische Gottesauffassung an keiner Stelle, und auch sonst fehlen, wie bereits in den voraufgehenden Erörterungen festgestellt, die Systemstücke, die in einer Theologie, soll sie als gnostisch gelten, nicht fehlen dürfen (wie z. B. der Dualismus eines absolut transzendenten Gottes und eines minderwertigen Demiurgen; der descensus incognitus des Soter aus dem Pleroma und sein ascensus samt den Pneumatikern usw.205). Es könnte doch sein, daß der Verfasser, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in einem als »orthodox«-großkirchlich zu benennenden christlichen Milieu geschrieben hat − wenn es das damals überhaupt schon gab − sein Material aus verschiedensten Texten, philosophischen, »gnostischen«, gemein-christlichen, zusammengesucht und, um die Aufmerksamkeit seiner Leser oder Hörer anzuspornen, zu einem reizvollen Rätselgedicht geformt hat. Rätsel erregen immer das Interesse des Lesers oder Hörers und lassen ihn gespannt die Auflösung erwarten, die dann ja auch in den Kapiteln 98–101 erfolgt. Sodann lassen sich zahlreiche »gnostisch« anmutende Begriffe, Vorstellungen, Formulierungen der ActIoh, für welche Junod/Kaestli auf Parallelen in gnostischen Texten verweisen, um die Herkunft des Hymnus aus einem derartigen Milieu wahrscheinlich zu machen, gleicherweise bei eindeutig nicht-gnostischen Autoren finden, z. B. in den Schriften des Melito von Sardes, in den Ignatianen, den (m. E. nicht-gnostischen) Oden Salomos, sogar bei Irenaeus.206 205
Siehe oben S. 177–183; insbesondere Anm. 105. 118. In den Ignatianen finden sich, wie schon seit dem 19. Jh. festgestellt und dann vor allem durch die Arbeiten von H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen (wie Anm. 155) und H. W. Bartsch, Gnostisches Gut und Gemeindetradition bei Ignatius von Antiochien, Gütersloh 1940, erwiesen wurde, sehr viele »gnostische« Begriffe und Vorstellungen. R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche (wie Anm. 172), 87–91, bringt eine knappe, aber treffende Zusammenstellung. Th. Lechner, Ignatius adversus Valentinianos? Chronologische und theologiegeschichtliche Studien zu den Briefen des Ignatius von Antiochien, SVigChr 47, Leiden/Boston/Köln 1999, bes. 246–307, hat die engen Bezüge zu gnostischen Vorstellungen vor allem für den ignatianischen Epheserbrief aufgezeigt. An einer sehr begrenzten Textstelle dieses Briefes finden sich geballt Ausdrücke, die bei dem Valentinianer Marcus Magus vorkommen. Es gibt sogar wörtliche Übereinstimmungen zwischen gnostischen Texten und den Ignatianen, die im 2. Jh. völlig einzigartig sind (siehe R. M. Hübner, Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien, im vorliegenden Band S. 76 f.; 85. R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 163 f.). Ähnliches konnte für Melito von Sardes und andere christliche Texte dieser Zeit (wie Ps.-Hippolyt, In s. pascha) festgestellt werden; siehe z. B. Th. Halton, Valentinian Echos in Melito, Peri Pascha?, JThS NS 20, 1969, 535–538; B. Lohse, Meliton von Sardes und der Brief des Ptolemäus an Flora, in: FS Joachim Jeremias, hg. von E. Lohse u. a., Göttingen 1970, 179–188; vgl. auch den oben Anm. 188 zitierten Aufsatz von R. Cantalamessa, Les home´lies pascales. Die meist polemische, oft aber auch positive Übernahme von gnostischen Begriffen und Vorstellungen (theologoumena) macht aus diesen Autoren keine gnostischen Denker. 206
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Diese Terminologie bestimmte damals die religiöse Atmosphäre und beherrschte in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen den verschiedenen Ausdeutungen des Christlichen noch nicht scharf gezogen waren, sich vielmehr gerade ausbildeten, mehr oder weniger die religiöse Sprache aller Autoren gleich welcher geistigen Herkunft und Ausrichtung. Selbst oder auch gerade jene Schriftsteller, die sich wie die genannten von den »eigentlichen« Gnostikern absetzten, wurden von deren Worten und Vorstellungen beeinflußt. Die entsprechenden häufigen Notizen bei Junod/Kaestli zu solchen Parallellen demonstrieren das. Deswegen wird es genügen, hier exemplarisch an zwei entscheidenden Stükken die Argumentation von Junod/Kaestli zu überprüfen. Das ist erstens der von ihnen angeführte »Hauptbeweis« für den gnostischen Charakter des »hymne primitif« (Kap. 95, 2–17. 31–50), nämlich die (angebliche) Verwandtschaft mit den Antithesen der Schrift »Bronteˆ-Vollkommener Verstand« (NHC VI, 2); sodann zweitens der Versuch, bestimmte Ausdrücke des vom tanzenden Christus vorgetragenen Hymnus (Kap. 94–95), insbesondere »Charis«, »Achtzahl« (Ogdoas), »Zwölfzahl«, als mythische Anspielungen auf ein zugrundeliegendes gnostisches System zu erweisen: Beide Versuche sind m. E. nicht gelungen. Zunächst soll dargelegt werden, daß der Vergleich mit »Bronteˆ« die ihm aufgebürdete Beweislast nicht trägt, daß vielmehr bestimmte, als entscheidend betrachtete Antithesen des sog. »ursprünglichen Hymnus« aus einer monarchianisch-noe¨tianischen Tradition stammen, dieser Hymnus also keineswegs rein gnostischen Ursprungs sein kann. Daran schließt sich, mit ähnlichem Ergebnis, die Untersuchung der speziellen Begriffe »Charis«, »Achtzahl«, »Zwölfzahl«.207 Zum ersten Punkt: Die als nicht-christlich-gnostisch geltende Schrift »Bronteˆ-Vollkommener Verstand« (NHC VI, 2) ist, so der Übersetzer U.-K. Plisch,208 »die Offenbarungsrede einer weiblichen göttlichen Gestalt«, die sich in scharf paradoxen, antithetischen Aussagen den Hörern/Lesern selbst vorstellt und an sie − vielfach in gleichfalls antithetisch formulierten Sätzen − aufrufende, mahnende, auch beschuldigende Worte richtet. Sie bezeichnet sich (unter anderem) als »der Gedanke (Epinoia)«, »die laute Stimme«, »der vielfältige Logos« (NHC VI, 2: p. 14, 10–13), »die Erkenntnis« (p. 14, 26), »die Weisheit (Sophia) [der] Griechen«, »die Erkenntnis (Gnosis) [der] Barbaren« (p. 16, 3–5), »der [vollkommene] Verstand (Nous)« (p. 18, 9), »die Wahrheit« (p. 20, 5–6); oft aber sagt sie zugleich das kontradiktorische Gegenteil dieser Namen von sich selbst aus oder legt es den Adressaten in den Mund. Einige Beispiele: »Bronteˆ« p. 14, 26–27, heißt es: »Denn ich bin die Erkenntnis und die Unkenntnis.« p. 16, 11–15: »Ich bin die, die ›das Leben‹ genannt wird − und ihr 207
Siehe S. 222 ff. U.-K. Plisch, »Die Bronteˆ − Vollkommener Verstand« (NHC VI, 2), in: Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe (wie Anm. 121), 333. − Die hier folgenden Übersetzungen von »Bronteˆ« stammen sämtlich von U.-K. Plisch; die Stellen aus »Bronteˆ« werden mit der Seiten- und Zeilenangabe (p. . . . ) des NHC VI, 2 zitiert. 208
II. 3 a) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − gnostische Deutung
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habt (mich) ›der Tod‹ genannt. Ich bin die, die ›das Gesetz‹ (Nomos) genannt wird − und ihr habt mich ›die Ungesetzlichkeit‹ genannt.« Auch wenn man Junod/Kaestli folgt und ActIoh 94–96 als eine »Offenbarungsrede« bestimmt − der Sänger nennt sich »vollständiger Nous« (Kap. 95, 15) und »Logos« (Kap. 96, 6) −, so sind die Selbstprädikationen in »Bronteˆ« inhaltlich und formal doch so anderer Art, daß man von einer »parente´ litte´raire et religieuse evidente«209 nicht gut reden kann. Es gibt in dieser Schrift viele − anstößig wirkende − Aussagen, die im Munde des Offenbarers der Johannesakten absolut undenkbar sind. Auch dafür nur einige Beispiele: p. 13, 9–22: »Ich bin die Hure und die Hehre. Ich bin das Weib und die Jungfrau. Ich bin die Mutter und die Tochter. Ich bin die Glieder meiner Mutter.« p. 16, 24 f.: »Ich, (ja) ich bin gottlos, und ich bin die, deren Gott vielfältig ist.« p. 19, 15–17: »Ich, (ja) ich bin sündlos − und die Wurzel der Sünde stammt aus mir.«210 In dieser Art gehen die Formulierungen in »Bronteˆ« eigentlich von Anfang bis Ende. Manche bleiben »Rätselrede« − und sollen es wohl auch bleiben − oder Wortspielerei.211 Doch den meisten dieser Sätze kann man einen Sinn abgewinnen, wenn man sie auf das Wesen wie auch auf die positiven Vermögen und Wirkungen des »Vollkommenen Verstandes« und auf seine negative Aufnahme bei den Irdischen bezieht. In ActIoh 94–96 sieht das völlig anders aus. Im Gegensatz zu »Bronteˆ« betrifft hier keine einzige paradoxe Antithese das Wesen des Offenbarers, das vielmehr ausschließlich mit positiven Begriffen beschrieben wird. Die Differenz ist, wie besonders die Beispiele der negativen Aussagen über die Offenbarer-Figur zeigen, so gravierend, daß man sich nicht gut vorstellen kann, daß der Hymnus − wie »Bronteˆ« − aus einem nicht-christlichen gnostischen Milieu stamme. Zweifellos gibt es in »Bronteˆ« antithetische Aussagen über die Offenbarergestalt, welche denen des Offenbarers in den ActIoh 95 nahe kommen − und Junod/Kaestli zitieren natürlich gerade diese Antithesen als Beleg für ihre These212 −, jedoch ist dieser Befund angesichts dessen, daß in beiden Fällen ein 209
Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 641. »Bronteˆ«, p. 19, 15–17. Vgl. dagegen ActIoh 109, 12–17. In diesem (zum »gnostischen« Einschub zählenden!) Eucharistiegebet preist Johannes den Herrn als »Wurzel der Unsterblichkeit und Quelle der Unvergänglichkeit und Wohnstätte/Grundlage der Äonen«, welcher »allein den Reinen sichtbar ist«. Daß der Autor dieses Gebetes sich von einem Text hat anregen lassen, in dem die Offenbarergestalt sich als »Hure«, »gottlos« und »Wurzel der Sünde« vorstellt, ist nicht wahrscheinlich. Die behauptete »evidente religiöse Verwandtschaft« ist eher ein Fehlurteil. 211 »Bronteˆ«, p. 20, 31–33: »Ich bin der Name der Stimme und die Stimme des Namens« klingt wie eine Wortspielerei. 212 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 641: »L’antithe`se ›entendre/eˆtre entendu‹ 〈ActIoh〉 (95, 12–13) trouve un parallele 〈Bronteˆ〉 p. 19, 33–34: ›Je suis celle qui appelle et je suis celle qui e´coute‹«. 210
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
»Logos« oder »Nous« genannter Offenbarer redet, nicht verwunderlich. Die oben hervorgehobenen Differenzen überwiegen jedoch die Ähnlichkeiten massiv. b) Parallelen bei Noe¨t von Smyrna Gerade an einem Beispiel, das Junod/Kaestli »besonders an die Antithesen von ActIoh 95 denken« läßt,213 soll hier gezeigt werden, daß eine andere Parallele näher liegt und die bessere Erklärung darstellt. Sie rücken zusammen die Verse ActIoh 95, 8–9: Γεννα ῀ σϑαι ϑε´λω και` γεννα ῀ ν ϑε´λω
(Gezeugt/geboren werden will ich, und zeugen/gebären will ich.)
und »Bronteˆ« p. 13, 22–14, 5: »Ich bin die Unfruchtbare − und doch sind ihre Kinder zahlreich. Ich bin die, die häufig heiratet − und (doch) habe ich keinen Gatten bekommen. Ich bin die Hebamme und die, die nicht gebären kann. (Ich bin der Trost meiner Wehen.) Ich bin die Braut und der Bräutigam. Und mein Mann ist es, der mich gezeugt hat. Ich bin die Mutter meines Vaters und die Schwester meines Mannes. Und er ist mein Sprößling.«214
Genau betrachtet, sind die zitierten Verse aus »Bronteˆ« inhaltlich, stilistisch und formal von dem Vers aus den Johannesakten eher weit entfernt. Nur ein Punkt soll genannt werden: In ActIoh 95, 8 f. wie auch in den umgebenden Versen wird in einem Satz und in derselben Antithese von einem und demselben Subjekt die aktive und passive Form desselben Verbs ausgesagt. Das trifft für keine einzige Zeile in »Bronteˆ« zu, weder für die zitierten Zeilen noch für die übrigen des gesamten Textes. Dagegen gleichen Formulierungen in monarchianischen Texten jener in ActIoh 95, 8 f. sogar im Wortlaut. So erklärten − gemäß dem Referat Hippolyts, Refutatio IX, 10 − Noe¨t von Smyrna und seine römischen Schüler, daß der eine Gott als Vater »unerzeugt« (α᾽γε´ννητος) sei, aus sich selbst aber als Sohn 〈hervorgebracht〉 und von Maria geboren, zugleich also »erzeugt« (γεννητο´ς) sei.215 Im zweiten Referat über die noe¨tianische »Häresie« (Refutatio X, 27) formuliert er diese Aussage folgendermaßen:
213 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 640: »Quelques-unes des affirmations paradoxales de Bronte` font particulie`rement penser aux antithe`ses d’AJ 95.« 214 Bronteˆ, p. 13, 22–14, 5; übers. von U.-K. Plisch (wie Anm. 208), 334 f.; der in Klammern gesetzte Vers wird von Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 640 f., nicht zitiert. 215 Siehe Hippolyt, Ref. IX, 10, 9–11 (244, 12–245, 6 W.); vgl. Tertullian, Adv. Praxean 10, 1: »Ipse se, inquiunt, Filium sibi fecit« (CChr.SL 2, 1169, 4 K./E.); 23, 11: »Sed Praxeas ipsum vult Patrem de semetipso exisse« (1193, 52 f. K./E.) etc.
II. 3 b) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Parallelen bei Noe¨t
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Der eine Gott sei »unerzeugt, wenn er nicht geboren werde, jedoch erzeugt/geboren, wenn er von der Jungfrau geboren werde.« (. . . α᾽γε´ννητον δε´, ο῞ταν μη` γεννα ῀ ται, γεννητο`ν δε´, ο῞ταν γεννα῀ται ε᾽κ παρϑε´νου).216 Bei dem von Noe¨t zweifelsfrei beeinflußten Melito von Sardes lautet das so: De pascha 9: »Insofern er zeugt, ist er Vater, insofern er gezeugt/geboren wird, ist er Sohn.« (καϑ ᾽ ο῝ γεννα῀ͺ πατη´ρ, καϑ ᾽ ο῝ γεννα῀ται υι῾ο´ς).217 Hier steht neben der in Hippolyts zweitem Referat vorhandenen passiven Verbform (γεννα῀ται) auch die bei ihm fehlende (jedoch zu erschließende) aktive Form γεννα῀ͺ. Damit ist die Übereinstimmung mit dem Vers aus den Johannesakten vollständig. Zugleich ist erkennbar, daß hinter der fast regelmäßig in monarchianischen Schriften begegnenden Formulierung, daß ein und derselbe α᾽γε´ννητος und γεννητο´ς sei, letztlich die Auffassung Noe¨ts steckt, über die Hippolyt berichtet.218 (Im monarchianischen Sinn ergäbe sich für die Antithese ActIoh 95, 8–9 die Bedeutung: »Geboren werden will ich« als (menschlicher) Sohn, »und zeugen will ich« als (göttlicher) Vater. Welchen Sinn jedoch die noe¨tianische Antithese für den Verfasser des Hymnus, der das Menschsein Christi auflöst, haben könnte, ist schwerlich zu ermitteln.) Die enge Verwandtschaft der Texte ActIoh 95, 8 f., Melito, De pascha 9, und Noe¨ts und seiner Schüler (Hippol., Ref. IX, 10) hatte schon Raniero Cantalamessa 1967 erkannt, jedoch einige Anstrengungen unternehmen müssen, Melito nicht monarchianisch zu deuten.219 Josef Kroll hat in seiner Studie über frühe christliche Hymnologie (1921/22; 2 1968) als Parallelen zu den Antithesen in ActIoh 95 an erster Stelle die antithetisch gebauten Texte aus den Petrusakten (Kap. 20), Tertullian (De carne Christi 5), Melito (Frgm. 13), Ignatius (Eph 7, 2 und Pol. 3, 2), Irenäus (Adv. haer. III, 16, 6), Epistula Apostolorum (21 [32]) und aus den Apostolischen Konstitutionen (VIII, 12, 30–33) zitiert − sämtlich Texte, die letztlich auf Noe¨ts paradoxe Antithesen zurückgehen (was Kroll allerdings nicht erkannt hat) − und geschlossen, »daß wir es hier mit einem ganz festen Stil zu tun haben, der für den christologischen Hymnus ausgebildet worden ist.«220 (Es ist nicht belanglos, daß Cantalamessa und Kroll unabhängig voneinander auf die angeführ216
Hippolyt, Ref. X, 27, 2 (GCS Hippolytus III, 283, 7 f. W.). Melito, De pascha 9 (SC 123, 64 Perler). Diese Aussagen werden von Jesus Christus gemacht (De pascha 10), dem, »der alles ist«: Gott und Mensch, Nomos, Logos, Charis. Vgl. R. M. Hübner, Melito von Sardes und Noe¨t von Smyrna, in: R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 19–22. 218 Siehe oben S. 188 f. 219 R. Cantalamessa, Il Cristo ›Padre‹ negli scritti del II-III sec., RSLR 3, 1967, 1–27, hier bes. 16–23. Nach dem Vergleich der oben zitierten Sätze Noe¨ts (Ref. IX, 10) mit Melito, De pascha 9, erklärt der Autor (23): »Se Melitone fosse vissuto pochi anni ancora avrebbe, forse, condiviso la sorte del suo conterraneo Prassea«. (!) 220 J. Kroll, Die christliche Hymnodik bis zu Klemens von Alexandria, Braunsberg 1921/22; 2., überprüfte Auflage Darmstadt 1968, 20 f. 62 f. − Zu den literarischen Beziehungen der genannten Texte siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 15–29. 49–79. 132–206. 217
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
ten monarchianischen Texte als Parallelen zu ActIoh 95 verwiesen haben, wie schon etliche andere Autoren vor ihnen.)221 In Absetzung von Krolls These hatten Junod/Kaestli mit den Zitaten aus »Bronteˆ« zeigen wollen, »daß dieser Stil gleicherweise auch außerhalb des Christentums üblich war«,222 daß zwischen den Antithesen in ActIoh 95 und in »Bronteˆ« »eine literarische und religiöse Verwandtschaft« bestehe und der »ursprüngliche Hymnus« wohl ebenso wie »Bronteˆ« aus einem außerchristlichen gnostischen Milieu komme.223 Diese Behauptung scheint mir durch die obige Analyse und die zuletzt beigebrachten, sehr viel engeren Parallelen aus monarchianischen Texten, sowohl hinsichtlich religiösem Gehalt, als auch Stil, Wortlaut und grammatischer Form der Antithesen der verglichenen Schriften, widerlegt zu sein, auch wenn beide Texte »Offenbarungsreden« sind.224 Die hier − und zwar von der genannten Forscherreihe seit F. Loofs − vorgestellten Übereinstimmungen zwischen den oben zitierten Texten können letztlich auf die von Hippolyt überlieferten paradoxen Antithesen des Noe¨t von Smyrna zurückgeführt werden.225 Das sollte dann ebenso für ActIoh 95, 8 f. 221 Krolls Liste deckt sich weitgehend mit der − noch umfassenderen − im Kommentar zu den Petrusakten Kap. 20 bei G. Ficker, in: Hennecke, NTApo Hdb. (1914), 448. Er notiert auch »die Noe¨tianer bei Hippolyt philos. IX, 10 und X, 27.« − C. Schmidt, Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung, TU 43, Leipzig 1919, 295 f., hat EpApost, IgnEph 7, 2 und Pol 3, 4 und Tertull., De carne Chr. 5, als Parallelen zu ActIoh 95 benannt. − Die »Quelle« für diese Zusammenstellungen scheinen F. Loofs’ Ausführungen über die »Kleinasiatische Theologie« innerhalb seines großen und großartigen Artikels: »Christologie; Kirchenlehre« in der RE3, Bd. 4, 1898, 16–56, hier 29–31, zu sein, obwohl Loofs an dieser Stelle (S. 31, 5) die »Acta Ioannis« nicht in direktem Zusammenhang mit den zuvor aufgeführten antithetischen Texten bringt; siehe dazu R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 149–154. 222 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 640. 223 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 641. − Die Autoren gehen davon aus, daß es eine außerchristliche Gnosis gegeben habe. Diese seit ihrer Edition sehr umstrittene Frage wird von einer wachsenden Zahl von Forschern negativ beantwortet. H. Schmid hat in seiner Habilitationsschrift (wie Anm. 118), zeigen können, daß die Gnosis auf dem Boden des Christentums entstanden ist. 224 Auch die gnostische (?) Schrift »Die dreigestaltige Protennoia« (NHC XIII, 1) könnte als formale Parallele zu ActIoh 94–96 genannt werden. Dieser Text ist ebenfalls eine von einer göttlichen Gestalt gesprochene »Offenbarungsrede« im »Ich-bin«-Stil, die aber nicht rätselhaft ist und deren gelegentlich begegnende Antithesen keine Paradoxien darstellen. Auffallend sind die deutlichen Parallelen zum Prolog des Johannesevangeliums (übersichtlich zusammengestellt von C. Colpe, Einleitung in die Schriften aus Nag Hammadi, Münster 2011, 192). Eine Abhängigkeit des Autors der ActIoh von dieser Schrift ist, soweit ich gesehen habe, von keinem Forscher behauptet worden. 225 J. Kroll, Die christliche Hymnodik (wie Anm. 220), 63, führt die Parallelität der genannten Texte auf einen eigenen christologischen Hymnusstil zurück, in welchem Antithesen »eine besondere Rolle spielen« und (inhaltlich) »leicht einander ähneln«. − Die inhaltliche Ähnlichkeit ist allerdings in erster Linie auf das »Urbild« des Noe¨t von Smyrna zurückzuführen (was Kroll nicht erkannt hat), die stilistische Verwandtschaft mag zunächst durch die Benutzung der rhetorischen Figuren der Zweiten Sophistik und (noch) nicht durch einen spezifischen, christologischen Hymnusstil begründet sein; Noe¨ts Antithesen
II. 3 b) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Parallelen bei Noe¨t
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gelten, da eine Ableitung aus einem »gnostischen Milieu« ähnlich »Bronteˆ« höchst unwahrscheinlich ist. Ist das richtig, dann kann man vermuten, daß die Antithese ActIoh 95, 8 f. aus Texten eben jener monarchianisch-noe¨tianischen Tradition stammt, aus der die zentralen Antithesen in Kap. 101 und die markanten Begriffe συμπα´σχειν und α᾽κρα´τητος in Kap. 103 und 104 herzuleiten sind.226 Von diesem Ergebnis aus ist es möglich, einen Schritt weiter zu gehen und einen Vorschlag zur Interpretation der Antithese, die der eben besprochenen unmittelbar vorausgeht, zu formulieren. Die Antithese lautet: ActIoh 95, 6–7: Τρωϑη῀ναι ϑε´λω και` τρω ῀ σαι ϑε´λω. (»Verwundet werden will ich und verwunden will ich«.)
Junod/Kaestli erklären es in den »Notes sur AJ 95« für vergeblich, in den Antithesen einen präzisen Bezug auf Ereignisse der Evangeliumsberichte, insbesondere der Passion, zu suchen, weil der Gebrauch, den der Autor vom eher nicht-christlich-gnostischen »hymne primitif« in den Kapiteln 94–102 mache, »unzweifelhaft gnostisch« sei.227 τιτρω´σκειν zeigt für die beiden Gelehrten »eine spirituelle Realität« an, nämlich, wie sich aus den im Kontext verwendeten Bildern ergebe: »Abbruch der Verknüpfungen mit der materiellen Welt, Geburt zum göttlichen Leben − der Prozeß der Rettung geht nicht voran ohne ›Verwundung‹ (›blessure‹).« Die Autoren heben hervor, daß sie »ein weiteres Beispiel dieses metaphorischen Gebrauchs in den gnostischen Texten« nicht gefunden haben.228 sind eine polemische Antwort auf die gnostischen Thesen und auch noch bei Tertullian entsprechend verwendet. (Zu Noe¨t und Tertullian vgl. R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine [wie Anm. 6], 52–59). Eher wie ein Hymnus klingen die Variationen des noe¨tianischen Textes bei Melito und dem Verfasser der Ignatianen, und in der Tat lassen sich die melitonischen (noe¨tianischen) Antithesen in byzantinischen und slavischen Hymnen (des Triodion) erkennen. Insofern war Krolls Wegweisung zutreffend. − Zu Melitos Rhetorik seien aus jüngerer Zeit genannt: L. Broadhurst, Melito of Sardis, The Second Sophistic and ›Israel‹, in: W. Braun (Hg.), Rhetoric and Reality in Early Christianity, Waterloo 2005, 49–74; P. von der Osten-Sacken, Mordanklage und Todesurteil. Realität, Religion und Rhetorik in der Predigt Melitos »Über das Passa«, in: L. Doering/H.G. Waubke/F. Wilk (Hg.), Judaistik und neutestamentliche Wissenschaft. Standorte − Grenzen − Beziehungen, FRLANT 226, Göttingen 2008, 334–357. − Zum Fortwirken Melitos in den byzantinischen Hymnen vgl. E. J. Wellesz, Melito’s Homily on the Passion: An Investigation into the Sources of Byzantine Hymnography, JThS 44, 1943, 41–52. − Paradoxe christologische Antithesen begegnen z. B. im Theotokion 2, 5 des »Sonntags der Entsagung von Fleischspeisen«; im Idiomelon des »Sonntags der dritten Fastenwoche«, in: Triodion und Pentekostarion, hg. von M. A. Momina/N. Trunte, Teil I, Paderborn u. a. 2004, 301; Teil II, Paderborn u. a. 2011, 306. Weiterführend: P. Gavrilyuk, Melito’s Influence upon the Anaphora of the Apostolic Constitutions 8. 12, VigChr 59, 2005, 355– 376; ebd. 359: Parallelen zwischen Melito und der byzantinischen theopaschitischen Hymnographie. S. 363 ff. werden die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen den paradoxen Antithesen in Melitos Frgm. 13 und den Apostolischen Konstitutionen VIII, 12, 30–33 behandelt. Die Herkunft der Antithesen von Noe¨t ist dem Verfasser nicht bekannt. 226 Siehe oben S. 152–154. 197–202. 227 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 647.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
E. Hennecke notiert im »Handbuch« zu den »Neutestamentlichen Apokryphen« als Parallele zum τρωϑη῀ναι (ActIoh 95, 6) die Worte λο´γου τραυ῀μα im Kap. 101, 13.229 Ich halte diesen Vergleich für treffend. Im Zusammenhang der Interpretation der Passions-Antithesen in Kap. 101, 2–6 und der Rückführung der zentralen Antithese über das »Leiden des Nichtleidenden« auf die paradoxen christologischen Antithesen des Noe¨t von Smyrna, konnte gezeigt werden, daß der Autor der Johannesakten mit seinen Worten sechsfach auf den Lanzenstich von Joh 19, 34 Bezug nimmt.230 Wie sich aus der Sequenz der Worte λο´γου ῀ ξιν (101, 12–13) deutlich ergibt, νυ´ξιν, λο´γου αι῟μα, λο´γου τραυ῀μα . . . λο´γου πη verweist τραυ῀μα ebenso wie νυ´ξις und αι῟μα auf die Verwundung durch die Lanze des Soldaten in Joh 19, 34.231 Daß auch das τρωϑη῀ναι in ActIoh 95, 6 höchstwahrscheinlich in diesen Kontext gehört, läßt sich nochmals mit einer Parallele bei Noe¨t zeigen. Hippolyt überliefert in seinem Bericht über die »Irrlehre« des Noe¨t und seiner römischen Schule in Refutatio IX, 10, 12 deren auch auf Joh 19, 34 zu beziehende Worte: . . . το`ν ε᾽ν μνημει´ω ταφε´ντα και` λο´γχͺη τρωϑε´ντα και` η῞λοις καταπαγε´ντα, του῀τον το`ν τω ῀ ν ο῞λων ϑεο`ν και` πατε´ρα ει῏ναι.232
228 Ebd. 647 f. − P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John (wie Anm. 93), 169, schließt sich der Deutung von Junod/Kaestli an (»spiritual death«). − Wie unmöglich eine kohärente »gnostische« Deutung dieser Antithese ist, zeigt die von Junod/Kaestli völlig abweichende Interpretation von R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten (wie Anm. 194), I, 530; (Für diese Antithese) »sehe ich keine andere Erklärung als die, dass mit dem ›Verwundetwerden‹ das Leiden der Seele unter der Herrschaft der Archonten, unter dem ›Verwunden‹ die siegreiche Ueberwindung der Archonten durch die pneumatische Offenbarung gemeint ist.« 229 E. Hennecke, Johannesakten, in: NtApo Hdb. (1914), 527. 230 Siehe Anm. 144 und 147. Vgl. Joh 19, 34: α᾽λλ᾽ ει῟ς τω ῀ ν στρατιωτω ῀ ν λο´γχηͺ αυ᾽του῀ τη`ν πλευρα ῀ ν ε῎νυξεν, και` ε᾽ξη ῀ λϑεν ευ᾽ϑυ`ς αι῟μα και` υ῞δωρ. − ActIoh 97, 9: λο´γχαις νυ´σσομαι και` καλα´μοις. 101, 7–8: νυγε´ντα και` ου᾽κ ε᾽πλη´γην. 101, 8–9: αι῟μα ε᾽ξ ε᾽μου῀ ρ῾ευ῀σαν και` ου᾽κ ε῎ρευσεν. 101, 12–13: λο´γου νυ´ξιν, λο´γου αι῟μα, λο´γου τραυ῀μα. 231 Eine spätere Bestätigung für τραυ῀μα als Ausdruck für die Verwundung der Seite Christi gibt Kyrill von Alexandria, Dial. de s. trin. VI, 600 A (SC 246, 50, 9 f. de Durand): . . . τη`ν ει᾽ς χει῀ρα´ς τε και` πο´δας τω ῀ ν η῞λων δια´τρησιν και` τραυ῀μα το` ει᾽ς πλευρα ῀ ν. Vgl. auch Const. Apost. V, 20, 1 (SC 329, 274, 3 f. Metzger): . . . του`ς τυ´πους τω ῀ ν η῞λων και` τη ῀ ς λο´γχης ε᾽ν τη ῀ͺ πλευρα ῀ͺ τη`ν τρω ῀ σιν. − D. I. Pallas, Ο ΥΜΝΟΣ (wie Anm. 161) verweist auf den liturgischen Lanzenstich in das eucharistische Brot, welcher an den Lanzenstich Joh 19, 34 erinnere. 232 Hippolyt, Ref. IX, 10, 12 (GCS Hippolytus III, 245, 8–10 W.). − A. Hilgenfeld, Der gnostische und der kanonische Johannes (wie Anm. 194), 35. 56, hatte vor allem aufgrund der vom ntl. Bericht abweichenden Reihenfolge von Lanzen-Verwundung und Befestigung am Kreuz und Tod geschlossen, daß sich ActIoh 97, 9 (λο´γχαις νυ´σσομαι και` καλα´μοις) nicht auf den Lanzenstich Joh 19, 34 beziehen könne. Daß dieses Argument nicht sticht, zeigt die zitierte Stelle des Berichtes Hippolyts über Noe¨t: Auch hier ist die gleiche chronologische »Unordnung« gegeben.
II. 3 b) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Parallelen bei Noe¨t
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So häufig auch in der christlichen Literatur des zweiten und dritten Jahrhunderts auf den Vers Joh 19, 34 (wegen dessen »sakramentaler« Bedeutung) Bezug genommen wird − es gibt außer diesem noe¨tianischen Text keinen anderen, in welchem die Verwundung Jesu am Kreuz durch die Lanze (λο´γχη) mit τιτρω´σκω an Stelle des johanneischen νυ´σσω ausgedrückt wird.233 Weil diese Wortwahl einmalig ist und weil auch die unmittelbar folgende Antithese γεννα῀σϑαι-γεννα῀ν ebenso wie die zentrale in Kap. 101 (μη` παϑο´ντα και` ε῎παϑον) und das α᾽κρα´τητος in Kap. 104 (wenigstens indirekt) auf den noe¨tianischen Text zurückgeführt werden konnten, darf diese Erklärung der Herkunft auch für τρωϑη῀ναι in Kap. 95, 6 und τραυ῀μα in Kap. 101, 13 als die wahrscheinlichste gelten.234 Die Parallele zwischen den zitierten noe¨tianischen Worten über die Kreuzigung und ActIoh 101, 12–13, läßt sich noch verstärken: Wie dem τρωϑε´ντα bei Noe¨t, in Umkehr des im NT beschriebenen Ablaufs, καταπαγε´ντα folgt, so dem τραυ῀μα die πη´ξις in den Johannesakten. Die Suche nach Wortkonstellationen mit λο´γχη − τρωϑ mittels des TLG brachte ein Ergebnis, das hier nicht unerwähnt bleiben soll. Einerseits ergab sich, daß diese Wörter zusammen im 2./3. Jahrhundert nur bei Hippolyt, Refutatio IX, 10, 12, also im noe¨tianischen Text, vorkommen, daß sie aber andererseits seit dem 4. Jahrhundert mehrfach bei Zitaten von Joh 19, 34 (37) begegnen.235 Für die Zeit vor Hippolyt jedoch bringt der TLG drei Belege, nämlich bei Euripides, PsHippokrates (Corpus Hippocraticum) und Diodorus Siculus, wo von der Verwundung durch eine Lanze gesprochen und die beiden Wörter λο´γχη − τρωϑη῀ναι benutzt werden.236 Meine Stellensammlung wurde mit dem TLG überprüft. Das Wort τιτρω´σκω begegnet weder im NT noch bei den »Apostolischen Vätern«. Bei Hippolyt findet sich τιτρω´σκω sonst weder in den Zitaten von Joh 19, 34, noch überhaupt − ein deutlicher Hinweis darauf, daß er sich doch sehr genau an den Wortlaut des referierten Textes der Noe¨tianer gehalten hat. − G. Richter, Blut und Wasser aus der durchbohrten Seite Jesu (Joh 19, 34b), MThZ 21, 1970, 1–21, hier bes. 16–19, versuchte zu zeigen, daß Joh 19, 34b eine antidoketische, das wahre Menschsein Jesu demonstrierende Bedeutung hat, die symbolische Deutung jedoch bei den Gnostikern (z. B. Theodot) aufkommt und von den »großkirchlichen« Schriftstellern, zuerst wohl von Apollinaris von Hierapolis in eine »katholisierende«, sakramentale Auslegung umgewandelt wird. 234 T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums (wie Anm. 91), 281, sieht in ActIoh 97, 9 und 101, 7–9. 12 einen klaren Bezug auf den Lanzenstich von Joh 19, 34; er erwähnt jedoch ActIoh 95, 6 und 101, 13 nicht. 235 Vgl. Athanasius, Oratio contra Arian. II, 16, 5 (Werke I/1, 193 Metzler/Savvidis/ Tetz) (PG 26, 180 B-C): το` τη῀ͺ λο´γχηͺ δε` τρωϑη῀ναι τη`ν πλευρα`ν κτλ. − Ps.-Epiphanius, ῀ μα το` η῾με´τερον περικει´μενος, τη`ν τρωHom. in assumptionem Christi (PG 43, 485 C): το` σω ϑει῀σαν τη ῀ͺ λο´γχηͺ πλευρα`ν προβαλλο´μενος. − Eustathius Monachus, Ep. ad Timotheum 34 (CChr.SG 19, 436, 700 f. Allen): . . . φυσικω ῀ ς τρωϑει´σης τη ῀ͺ λο´γχηͺ τη ῀ ς πλευρα ῀ ς κτλ. − Sophronius von Jerusalem, Ep. synod., zitiert im Concilium Constantinopol. III (ACO, Ser. II, II/1, 458, 17–19 Riedinger): ο῎ξος ποτι´ζεται και` χολη῀ς α᾽πογευ´εται . . . και` τη`ν πλευρα`ν τη῀ͺ ῀ͺ λο´γχηͺ τιτρω´σκεται κτλ. − Cosmas Melodus, Hymn. 8 (PG 98, 488A): Τε´τρωται α῞ͺδης, ε᾽ν τη καρδι´αͺ δεξα´μενος το`ν τρωϑε´ντα λο´γχηͺ τη`ν πλευρα´ν. Vgl. Hymn. 12 (PG 98, 504 C). − Anastasius Sinaita, Viae dux II, 5 (CChr.SG 8, 57, 120 f. Uthemann): το` δε` πανα´γιον 233
σω ῀ μα του῀ Χριστου῀ και` πε´πονϑε, και` ε᾽τρω´ϑη τοι῀ς η῞λοις και` τη ῀ͺ λο´γχηͺ κτλ.
236 Siehe Euripides, Phoenissae 1397 f. (OCT Eur. III, 158 Diggle): ο῾ προ´σϑε τρωϑει`ς στε´ρνα Πολυνει´κους βι´αι / διη ῀ κε λο´γχην. − Ps.-Hippocrates, Epidemiae V, 21 (LCL 477,
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Noe¨t von Smyrna, der in dem von Hippolyt referierten Text auf die sehr gebildeten, philosophisch geschulten valentinianischen Gnostiker reagiert hat,237 muß gleicherweise hoch gebildet gewesen sein. Sollte er die vom johanneischen Wortlaut abweichende Formulierung λο´γχηͺ τρωϑει´ς in Erinnerung an klassische Vorbilder gewählt haben? Der Befund ist so auffallend, daß diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist. Noe¨t war in der Lage, durch seinen Schüler und Diakon Epigonos in Rom eine wenigstens bis ins dritte Jahrzehnt des dritten Jahrhunderts blühende, dann von Hippolyt heftig bekämpfte Schule zu begründen.238 Er hat seine Zeitgenossen Melito von Sardes, den Verfasser der Ignatianen, Tertullian und Irenaeus inspiriert, seine Nachwirkungen sind jahrhundertelang in Orient und Okzident nachweisbar. Der gelehrte O. Perler konnte in seinem Kommentar zu De pascha Melitos − um nur diesen zu nennen − überreiche Bezugnahmen auf klassische Autoren anzeigen.239 P. von der Osten-Sacken hat in einer äußerst eindringlichen Studie gezeigt, daß diese »Rede« eindeutig »zur antiken griechischen Rhetorik im Horizont der Leitlinien, wie sie bei Cicero, Quintilian und anderen niedergelegt sind«, zugehörig ist.240 Einen gleichen Bildungsstand kann man für Noe¨t annehmen; Melito hat sich gewiß nur von einem gleichrangigen Theologen anregen lassen.
Was soll nun die Antithese ActIoh 95, 6–7: »Verwundet werden will ich und verwunden will ich« besagen? Eine sachgerechte Antwort auf diese Frage läßt sich möglicherweise leichter geben, wenn die Eigenart der drei hier diskutierten Antithesen und ebenso ihr Platz im Kontext beachtet werden. Die hier an erster Stelle besprochene Antithese: »Du hörst, daß ich gelitten habe, und ich habe (doch) nicht gelitten, daß ich nicht gelitten habe, und ich habe (doch) gelitten« (ActIoh 101, 7 f.)241 steht am Schluß der langen Erklärung, die der »Herr« in der Höhle auf dem Ölberg dem geflohenen Johannes über das Kreuzigungsgeschehen gab. Sie ist eine paradoxe Antithese und konnte in Stil und Wortlaut auf die entsprechende paradoxe Antithese des Noe¨t von Smyrna zurückgeführt werden (wie auch immer die Vermittlung erfolgt sein mag). Die Paradoxie des Leidens des Leidensunfähigen wurde (in gewissem Sinn) aufgelöst durch die Erklärung des Leidens des göttlichen Logos als eines »Mitleidens« mit dem leidenden Menschen, eine Deutung, wie sie sich bei Kallist und bei Melito findet.242 Die beiden zuletzt erörterten Antithesen: »Verwundet werden will ich und verwunden will ich. Amen. Gezeugt werden will ich und zeugen will ich« (Act Ioh 95, 6–9) stehen ziemlich am Anfang des rätselhaften Hymnus, den der Herr
172 Smith): ᾽Εν Λαρι´ση, ͺ α᾽νη`ρ ε᾽τρω´ϑη ε᾽κ χειρο`ς λο´γχηͺ πλατει´ηͺ ο῎πισϑεν κτλ. − Diodorus Siculus, Bibliotheca historica XX, 23, 7 (BiTeu Diod. V, 206, 4–6 Fischer): . . . ο῾ Σα´τυρος . . . ε᾽τρω´ϑη λο´γχηͺ δια` του῀ βραχι´ονος και` κακω ῀ ς α᾽παλλα´ττων υ῾πο` του῀ τραυ´ματος κτλ. 237 Siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 95–129: »Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna«. 238 Siehe Hippolyt, Ref. IX, 6–12 (GCS Hippolytus III, 240, 8–251, 7 W.). 239 O. Perler, Me´liton de Sardes, Sur la Paˆque (SC 123). 240 P. von der Osten-Sacken, Mordanklage und Todesurteil (wie Anm. 225), 334–357, Zitat: 349. 241 Siehe oben S. 186 ff. 242 Siehe oben S. 198 ff.
II. 3 c) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« Kap. 94–96 − Zusammenfassung 219
vorträgt. Diese Antithesen sind nicht offenkundig paradox. Für den Vers: »Gezeugt werden will ich und zeugen will ich« konnte auf bei Noe¨t und Melito nachweisbare nicht-paradoxe Formulierungen als »Modell« verwiesen werden. Auch Melitos Satz De pascha 9: »Insofern er (scil. Gott Jesus Christus) zeugt, ist er Vater, insofern er gezeugt wird, ist er Sohn.«243, ist eine verständliche, nichtparadoxe Antithese. Doch welche Bedeutung der Vers »Gezeugtwerden will ich und zeugen will ich« im Tanz-Hymnus der Johannesakten und innerhalb der theologischen Konzeption ihres Verfassers haben könnte, ist nicht erkennbar. Das gilt ebenso für die zuletzt erörterte Antithese »Verwundet werden will ich und verwunden will ich.« Die passive Form des in diesem Kontext (Lanzenstich Joh 19, 34) einzigartigen Verbs konnte als Übernahme aus einer letztlich noe¨tianischen, jedoch nicht-antithetischen Formulierung erklärt werden. Durch ihren Bezug auf den (vom Verfasser vielfach angedeuteten) Lanzenstich könnte die passive Aussage einen Sinn erhalten; die aktive Verbform bleibt unauflösbar rätselhaft: Wen oder was sollte der Erlöser verwunden? Dafür gibt es keine vernünftige Erklärung, weder aus dem Text selbst, noch aus einer neutestamentlichen oder anderen christlichen Tradition. Mir scheint es bedeutsam zu sein, daß die hier zuerst erörterte paradoxe Antithese (ActIoh 101, 7 f.), für deren Herkunft und »Auflösung« eine noe¨tianisch-monarchianische Tradition aufgezeigt werden konnte, am Ende der das Leiden des Leidensunfähigen erklärenden Rede des Herrn steht, während die beiden zuletzt untersuchten Antithesen zur Rätsel-Rede, dem Tanz-Hymnus, gehören. Obwohl sich für ihren Wortlaut gewissermaßen »Modelle« in der noe¨tianisch-monarchianischen Tradition nachweisen ließen, bleiben sie unerklärbar und »sinn-los« − wie sämtliche Antithesen dieses Liedes, wenn man ihnen nicht willkürlich irgendeine gnostische Bedeutung zuweisen will. Dieses Ergebnis führt zur Frage nach der Bedeutung des ganzen Hymnus innerhalb der Johannesakten. Ein Vorschlag dafür, was der Verfasser mit der Rätsel-Rede beabsichtigt haben könnte, wird formuliert werden, sobald noch abschließend einige dem »gnostischen Verdacht« unterliegende Begriffe dieses Hymnus untersucht worden sind.244 c) Zusammenfassung zu Kapitel 94–96 und Weiterführung Was hat die voraufgehende Untersuchung ergeben? Junod/Kaestli hielten dafür, daß der von ihnen angenommene christlichgnostische Autor in den von ihm komponierten »Christushymnus« ActIoh 94, 8–96, 28 einen rein gnostischen Hymnus eingearbeitet habe; dieser habe die Antithesen Kap. 95, 2–17. 31–50 umfaßt, zwischen welche der Autor, um den Charakter des kultischen Tanzliedes zu markieren, die wieder von ihm selbst gedichteten Verse 95, 18–30 eingeschoben habe. Durch einen engen Vergleich 243 244
Siehe oben Anm. 217. Siehe unten S. 231 f.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
mit dem ebenfalls antithetisch gebauten Text »Bronteˆ − Vollkommener Verstand« (NHC VI, 2) meinten Junod/Kaestli zeigen zu können, daß dieser vom Autor integrierte »hymne primitif« nichts Christliches enthalte, vielmehr wie »Bronteˆ« aus einem rein gnostischen Milieu außerhalb des Christentums stamme.245 Die Verwandtschaft dieses eingeschobenen »ursprünglichen Hymnus« betreffe nicht nur den antithetischen Stil, sondern auch den rein gnostischen Inhalt.246 Da nun durch die obige Analyse gezeigt werden konnte, daß gerade die Antithese ActIoh 95, 8–9 (γεννα῀σϑαι ϑε´λω και` γεννα῀ν ϑε´λω), welche Junod/Kaestli besonders eng an »Bronteˆ« (NHC VI, 2, p. 13, 22–14, 5) heranrückten, eine genuin monarchianische Antithese ist, welche − sogar im fast gleichen Wortlaut − bei Noe¨t und Melito, und ähnlich in zahlreichen anderen »noe¨tianisch«-inspirierten christlichen Texten des späten zweiten und dritten Jahrhunderts begegnet, ist die Hypothese der Übernahme eines geschlossenen, rein gnostischen »hymne primitif« nicht mehr haltbar. Sie wurde weiter dadurch erschüttert, daß auch für die unmittelbar voraufgehende Antithese ActIoh 95, 6–7 ein klarer Bezug auf den in Kap. 97 und 101 mehrfach zitierten »Lanzenstich« (Joh 19, 34), wiederum in noe¨tianischer Begrifflichkeit, aufgezeigt werden konnte. Damit wird auch die Behauptung, in diesen Antithesen gebe es keine Anspielung auf Ereignisse des Evangelienberichts, namentlich auf die Passion, fragwürdig.247 Man könnte versuchen, weitere Antithesen auf eine ähnliche (monarchianische) Herkunft zurückzuführen,248 doch belegen die bisherigen Feststellungen zur Genüge, daß der Verfasser nicht einen einheitlichen, nichtchristlich-gnostischen »Hymnus« in sein umfassendes »Christuslied« eingearbeitet hat. Wie er bei der Komposition verfahren ist und woher er sich das Material für die übrigen Antithesen beschafft hat, ist hier im einzelnen nicht zu erörtern. Auffallend sind jedenfalls die nicht wenigen Referenzen auf neutestamentliche Schriftstellen und die Parallelen bei »großkirchlichen« Schriftstellern, welche Junod/Kaestli zu Kap. 95, 2–17. 31–50, also dem von ihnen so genannten »ursprünglichen Hymnus«, notieren.249 Merkwürdigerweise erklären 245 Vgl. Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 640–642; 640: »Cet ›hymne primitif‹, aux affirmations antithe´tiques parfaitement syme´triques, e´tait-il chre´tien? Rien dans son contenu ne permet de l’affirmer.« 246 Siehe Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 641: »Il y a une parente´ litte´raire et religieuse e´vidente entre ce texte et les antitheses de AJ 95.«; vgl. oben die Erörterung S. 211 f. 247 Vgl. Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 647, Note 2 sur AJ 95: »Il est vain de chercher dans les antithe`ses une re´fe´rence pre´cise a` des moments du re´cits e´vange´liques, notamment de la passion, comme le fait A. Hilgenfeld, ZWTh 43 (1900), p. 30–32.«. 248 So wie ActIoh 95, 6 f.: τρωϑη῀ναι ϑε´λω και` τρω ῀ σαι ϑε´λω letztlich wohl auf Noe¨ts λο´γχηͺ τρωϑε´ντα (bei Hippolyt, Ref. IX, 10, 12) zurückzuführen ist, könnte ähnlich die voraufgehende Antithese ActIoh 95, 4 f.: λυϑη῀ναι ϑε´λω και` λυ῀σαι ϑε´λω, von einer Formulierung wie in Melitos Frgm. 10, 5 f. (SC 123, 236 P.) angeregt sein: . . . ο῾ κυ´ριος σφαγει`ς ε῎σωσεν η῾μα ῀ ς και` δεϑει`ς ε῎λυσε και` τυϑει`ς ε᾽λυτρω´σατο. Vgl. Melito, Frgm. 13, 26 f. (SC 123, 238 P.): »vinctus est, ut solveret«. 249 Siehe Junod/Kaestli, Acta Iohannis, I, 202–205; mit »cf.« werden notiert: Hebr 3, 6, Mt 8, 20 (Lk 9, 58); 1 Kor 3, 16 f.; 2 Kor 6, 16; Apk 21, 23; Joh 10, 9; 14, 6.
II. 3 c) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« Kap. 94–96 − Zusammenfassung 221
sie weder in ihrer Analyse des Charakters des Textes noch in den »Notes sur AJ 95«, wie solche christlichen Elemente in einen Text, der außerhalb des Christentums produziert worden sein soll, hatten geraten können, und warum dieser Text »rein gnostisch« zu deuten sei.250 Sie weisen lediglich die Versuche von A. Hilgenfeld (1900) und D. L. Pallas (1956) zurück, aufgrund der Parallelen einen »großkirchlichen« oder einen christlich-häretischen Ursprung des Textes zu postulieren.251 In den »Notes« zu Kap. 95 werden vor allem mutmaßliche Parallelen aus gnostischen oder gnostisch inspirierten Texten vermerkt; die Auslegung erfolgt durchwegs im spirituellen oder symbolischen, konsequent gnostischen Sinn, wie zuvor in der analytischen Darlegung.252 Die wenigen Stellen aus neutestamentlichen oder »großkirchlichen« Schriften (z. B. Irenaeus, Clemens Alexandrinus) werden unkommentiert neben die »gnostischen« gestellt und erhalten keinerlei argumentatives Gewicht. Selbst wenn man − aufgrund der genannten »großkirchlichen« Parallelen − zugestünde, daß der »hymne primitif« ein Produkt der christlichen Gnosis sei − was aber doch sehr zweifelhaft sei −, bliebe bestehen, daß »der Gebrauch, den der Autor der Kap. 94–102 davon macht, unleugbar gnostisch ist«, heißt es dazu.253 Die zahlreichen von Junod/Kaestli unkommentiert gelassenen Anspielungen auf neutestamentliche Schriftstellen und »großkirchliche« Texte und die nachgewiesene monarchianische Herkunft wenigstens zweier Antithesen lassen eher darauf schließen, daß der Dichter sich das Material für den Hymnus aus einem 250
Vgl. ebd. II, 603 f., 638–642, 646–650. Ebd. II, 635 f., 647. Immerhin formulieren sie hier ihr Urteil etwas zurückhaltender: ». . . il est tres douteux que l’›hymne primitif‹ soit un produit de la gnose chre´tienne.« − Zu A. Hilgenfeld siehe oben Anm. 194. − D. I. Pallas, Ο ΥΜΝΟΣ (wie Anm. 161), hat eine sehr gründliche Studie zu dem Hymnus vorgelegt. Er untersuchte die Form (μορφη´) und das Versmaß und versuchte, indem er Paralleltexte hauptsächlich aus dem Neuen Testament und seinem Umkreis, vor allem aus liturgischen Texten verglich, das »gottesdienstliche Klima« (11), aus dem der Hymnus stammen könnte, zu ermitteln. Dabei bezieht er auch die Hermetica in seine vergleichende Untersuchung ein und stellt enge Berührungen fest (22). Er kommt zu dem Ergebnis, daß der Hymnus an einigen Stellen gnostische Anklänge zeige, daß aber, weil es in der Frühzeit der Kirche zwischen den verschiedenen theologischen Konzeptionen und liturgischen Übungen noch keine scharfen Trennungslinien gegeben habe, der Hymnus Kap. 94–97 »nicht viel von der offiziellen kirchlichen Überlieferung« abweiche (22). Der Hymnus sei weit verbreitet gewesen, sowohl in Liturgien enthusiastischen Charakters häretischer Gruppierungen (z. B. bei Montanisten, Priszillianern, Messalianern, 23), wie auch in der katholischen Kirche. Er enthalte Stücke und Parallelen aus liturgischen Texten der katholischen Kirche und sei als ein »eucharistischer Hymnus« aufzufassen (24). Seine heutige Form stamme aus einer haeretischen Liturgie (27), womit wohl − aufgrund der von Augustinus, Ep. 237, 5–9, mitgeteilten Zitate − die der Priszillianer gemeint ist. − Im gegenwärtigen Zusammenhang ist vor allem das Urteil von Pallas von Belang, daß der Hymnus, trotz Parallelen zu gnostischer Terminologie, in der Hauptsache in die damalige kirchliche Tradition gehöre. Etliche Parallelen in »katholischen« Texten, auf die Pallas hinweist und die seine These stützen, werden in der folgenden Erörterung zitiert. 252 Siehe Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 647–650. 253 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 647, Note 2 sur AJ 95: ». . . l’utilisation qu’en (scil. de l’›hymne primitive‹) fait l’auteur d’AJ 94–102 est inde´niablement gnostique.« 251
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
entsprechenden christlichen »Milieu« beschafft hat. Eine gnostische Interpretation der Antithesen, wie sie Junod/Kaestli vortragen,254 hat am Wortlaut des »hymne primitif« keinerlei Anhaltspunkt und ist nur aufgrund des gnostischen Vorurteils zustandegekommen. Das schließt nun wiederum nicht aus, daß der Verfasser des Hymnus, so wie er auf neutestamentliche und »großkirchliche« Schriften Bezug genommen hat, ähnlich auch Anleihen bei Begriffen und Vorstellungen in gnostischen Texten gesucht hat, zumal die Trennungslinie zwischen »orthodoxen« und »häretischen« Schriften zu seiner Zeit noch keineswegs scharf und eindeutig gezogen war. Aber aus solchen Anleihen ergibt sich nicht sofort − das wurde schon mehrfach hervorgehoben − daß der Autor sich zentrale Konzeptionen derer zueigen gemacht hat, die etwa Irenaeus als »Gnostiker« charakterisiert und bekämpft. Wie riskant es sein kann, aus der Benutzung von gnostischen oder angeblich gnostischen Ausdrücken auf ein festes Gnosis-System zu schließen, läßt sich z. B. an der entsprechenden Konstruktion erkennen, die Junod/Kaestli in Analogie zum valentinianischen Mythos aus dem vom »Herrn« während des Chorreigens gesungenen Hymnus unternommen haben. Wegen der weitgehend positiven Rezeption ihrer These, soll sie hier an entscheidenden Begriffen kritisch erörtert werden. d) »Charis«, »Ogdoas«, »Zwölfzahl« − Gnostischer Mythos im Christushymnus Kap. 94–96? Unter der Überschrift: »Les allusions mythiques du ch. 95« wollen Junod/ Kaestli ein grundsätzlich gnostisches Konzept des Verfassers des großen Christushymnus (Kap. 94–96) sowie der Kapitel 94–102 insgesamt erweisen.255 Sie glauben, zu diesem Zweck einschlägige Parallelen zum Tanz der »Charis« (Kap. 95, 18), zum »(Mit-)Psallieren« der »einen Ogdoas« und dem Tanz der »Zwölfzahl« in der Höhe (Kap. 95, 23–26) aus gnostischen Texten beibringen zu können.256 254
Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 603 f.; zitiert oben Anm. 197. Siehe Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 615–617. 256 Die »Ogdoas« und die »Zwölfzahl« sind die Ausdrücke, die schon seit dem 19. Jh. immer wieder als die klarsten Belege für ein zugrundeliegendes gnostisches System angeführt wurden. (Siehe z. B. M. Pulver, oben Anm. 196; vgl. P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John [wie Anm. 93], 173–177. 205). Ich begnüge mich deshalb hier mit der Erörterung der Ausführungen von Junod/Kaestli zu den genannten »zentralen« Begriffen. Die Überprüfung der gnostischen Interpretation des »Lichtkreuzes« (Acta Iohannis II, 612–614) oder der vielen Namen Christi (Acta Iohannis II, 619–21) ergäbe ein gleiches (negatives) Ergebnis; siehe dazu auch die Feststellungen von P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 174–179; 178: »It is important to stress that nothing in the lists of predicates [scil. der Kap. 98 und 109] is inherently Gnostic.« Das »Lichtkreuz« in Kap. 98, 8 ist eines dieser Prädikate: ebd. 186–190, s. oben Anm. 106. J.-D. Kaestli, Los Hechos de Juan (wie Anm. 1), 293 f und 308, verteidigt die Interpretation der in ActIoh 98 genannten Namen 255
II. 3 d) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Gnostischer Mythos
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So notieren sie zum Begriff »Charis« zahlreiche valentinianische Stellen und nennen sie bei Marcus Magus eine »soteriologische Größe, die auf den Gnostiker herabsteige«.257 Ebenso werden zur »Ogdoas« (»Achtheit«) die häufigen Vorkommen des Wortes − in durchaus unterschiedlicher Bedeutung − in den valentinianischen Texten vermerkt.258 Die »Zwölfzahl«, wird erklärt, sei mit der gnostischen »Dodekas der zwölf unteren Äonen des Pleromas zusammenzustellen, von denen die Weisheit das letzte Glied ist.«259 Es sei kennzeichnend, heißt es weiter, daß sich der Ausdruck δωδε´κατος α᾽ριϑμο´ς (»Zwölfzahl«) nur in der Notiz des Irenaeus über Marcus Magus habe finden lassen.260 Schließlich wird noch − mit Bezug auf ActIoh 95, 27 f., einer verderbten und nur durch Konjektur hergestellten Passage − gesagt, daß der Begriff »das Ganze« (το` ο῞λον) »einer der termini technici ist, der das Pleroma bei den Valentinianern bezeichnet.«261 Die Schlußfolgerungen, die im Hinblick auf den »Kontext« aus diesen terminologischen Vergleichen gezogen werden, sind gravierend. Der Kontext: Der − nach den Worten Christi − das wahre Leiden offenbarende und − nach den Autoren − die »heilbringende Gnosis« vermittelnde Tanz des Herrn und seiner Jünger. Dieser irdische Tanz in den Johannesakten habe sein transzendentes Vorbild (»mode`le«) im »Tanz der mythischen Figuren«, der die »compassion der göttlichen Äonen mit der gefallenen Sophia ausdrücke.«262 Aus der behaupteten Korrespondenz zwischen dem (angeblichen) Tanz der göttlichen Wesen, die mit der Sophia »mitleiden«, und dem Tanz »Christi, der mit seinen Schülern leide«, ergibt sich für die Autoren die − nur mit gnostischen Texten gestützte − Aussage: »Der Herr der Johannesakten 94–102 ist die hier auf Erden sichtbare Manifestation der göttlichen Äonen, die zu seiner Geburt beigetragen haben. In seiner Person tanzen und psalmodieren die Glieder des Pleromas selbst und manifestieren dadurch ihren Willen, die spirituellen Gefangenen aus ihrem Mangel zu retten.«263
des »Lichtkreuzes« und insbesondere die Erwähnung von »Charis«, »Ogdoas«, »Zwölfzahl« und des »Ganzen« im Tanz-Hymnus Kap. 95 als valentinianische Äonen. 257 Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 615, Anm. 3, mit Bezug auf den Bericht des Irenaeus, Adv. haer. I, 13, 2 und I, 13, 3 über Marcus. 258 Ebd. 615 Anm. 4 bis 7; für die antiken »christlichen« Stellen wird auf Literatur verwiesen. 259 Ebd. 615 Anm. 8 mit den Belegen bei Irenaeus und Hippolyt. 260 Ebd. 615 f. mit Anm. 1: »Cf. Ire´n. I, 15, 3; I, 16, 1; I, 16, 2«. 261 Ebd. 616 mit Anm. 2: »Cf. Exc. Thdot. 23, 1; 31, 1 (The´odote); Ire´n. I, 14, 1 et I, 14, 2 (Marc le Mage)«. Ihre Konjektur begründen Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 649. 262 Als Beleg wird ebd. 616 zitiert: Exc. ex Theodoto 30, 2: »Quand la passion (de Sagesse) s’est produite, le Tout a compati aussi (το` ῞Ολον συνεπα´ϑησεν και` αυ᾽το´), en vue du redressement de l’eˆtre qui souffrait«. Ebd. Anm. 3 wird für die »compassion des e´ons« auch auf Tract. trip. (NHC I, 5) p. 85, 33–37 verwiesen; zur Würdigung beider Stellen siehe oben Anm. 189. 263 Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 616 f.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Zunächst ist der Leser dieser Interpretation von der Vielzahl der gnostischen Stellenangaben und der verführerisch-poetischen Konstruktion beeindruckt und bereit, den Thesen der Autoren zu folgen.264 Prüft man jedoch die zum Vergleich herangezogenen Stellen im einzelnen, so zeigt sich, daß die Gleichsetzung, wenn man vom Wortlaut der Begriffe »Charis«, »Ogdoas« (»Achtheit«) und »Zwölfzahl« absieht, in keinem einzigen Fall zu rechtfertigen ist, sich vielmehr unüberbrückbare Differenzen, ja Widersprüche auftun. Das soll wegen der Bedeutung des oben zitierten christologischen »Resultats« für jeden dieser Begriffe demonstriert werden. 1. ActIoh 95, 18: »Die Charis tanzt« (῾Η χα´ρις χορευ´ει; vgl. 96, 26: ε᾽γω` ε᾽σκρι´τησα)
Die »Charis« ist in den valentinianischen Texten der zweite Äon, der auch »Ennoia« und »Sige´« heißt, die Gefährtin des einen, ersten, ungewordenen Gottes, die mit ihm »in großer Ruhe und Stille« zusammen ist.265 Bei Marcus Magus begegnet die »Charis« nur in der Beschreibung seiner »Eucharistie«-Feier, sie ist eine schwer zu fassende, wie es heißt: »unerkennbare und unsagbare« Größe, die von oben kommt und von Marcus mitgeteilt werden kann; sie ist nicht der »Vater des Alls«.266 Von einem Tanz der Charis ist in den gnostischen Texten nirgendwo ein Wort gesagt. Junod/Kaestli bringen keinen Beleg für einen Tanz der »gnostischen« Äonen. In den Johannesakten dagegen ist »Charis« nicht der Name eines Äons, sondern einer der vielen Namen Christi, des »Herrn«, der mit dem einzigen Gott identisch ist.267 Dazu gibt es eine sachgemäße Parallele bei Melito, De pascha 9 f., wo Jesus Christus als Nomos, Logos, Charis, Vater, Sohn, Schaf, Mensch, Gott bezeichnet wird.268 Noch näher kommt die gratia aus der Namensliste der Petrusakten Kap. 20, die, wie O. Zwierlein nachgewiesen hat, die unmittelbare Quelle für die Namenskataloge in den ActIoh 98, 7–12 und 109 ist.269
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So noch in jüngerer Zeit der sonst so bedachtsame W. Löhr, siehe oben Anm. 141. Siehe z. B. Irenaeus, Adv. haer. I, 1, 1. 266 Siehe Irenaeus, Adv. haer. I, 13, 2–3. 267 Siehe z. B. ActIoh 98, 7–12, oben S. 175 und Anm. 170; ActIoh 109, 7 f.; am Beginn des Hymnus (ActIoh 94, 8–11) ist »Charis« offensichtlich mit »Vater« und »Logos« gleichgesetzt. 268 Siehe oben Anm. 217. 269 Siehe Act Verc. 20 (AAA I, 68, 11–14 Lipsius). O. Zwierlein, Die Datierung der acta Iohannis (wie Anm. 170), 238–243. Der Verfasser der Vita Abercii (16 f. der Kurzfassung BHG3 2 [BiTeu 14, 15–15, 3 Nissen]) hat aus diesem Katalog der ActPetri 20 auch die χα´ρις bewahrt, zitiert von O. Zwierlein, ebd. 239. − F. J. Dölger, Sol salutis, Münster 1920, 155–157, erwägt, wie nach ihm D. I. Pallas (wie Anm. 161), 11, ob nicht auch Didache 10, 6: ε᾽λϑε´τω χα´ρις, persönlich aufzufassen sei, daß also um das Kommen Jesu gebetet würde. »Gnade« als Bezeichnung Jesu sieht Dölger, ebd., auch in Ode Salom. 19, 7 sowie 33, 1 und 33, 9 (heute 33, 10) gegeben. Die Übersetzungen von W. Bauer, NTApo3 II, 600. 613 f., und M. Lattke, Oden Salomos, FC 19, Freiburg/Basel/Wien 1995, 154. 189 f., bestätigen nur die Stellen Ode Salom. 33, 1. 10. 265
II. 3 d) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Gnostischer Mythos
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Vom »Tanz der Charis« der Kirche spricht die Epistula ad Diognetum 11, 6: . . . και` ε᾽κκλησι´ας χα´ρις σκιρτα῀ͺ. Möglicherweise sei χα´ρις hier »eine Umschreibung für den Geist Gottes«, erklärt Horacio Lona in seinem Kommentar zu dieser Stelle.270 Dann wäre die Parallele zu ActIoh 95, 18 sehr eng. Aber auch ohne diese Deutung bleibt die verwandte Formulierung, für die es kein Gegenstück in den gnostischen Texten gibt, beachtlich. 2. ActIoh 95, 23–28: »Die eine Achtheit psalmodiert mit uns. Amen. Die Zwölfzahl tanzt in der Höhe. Amen.« [»Dem Ganzen kommt es zu, oben zu tanzen. Amen.] (᾽Ογδοα`ς μι´α η῾μι῀ν συμψα´λλει. ᾽Αμη´ν. ῾Ο δωδε´κατος α᾽ριϑμο`ς α῎νω χορευ´ει. ᾽Αμη´ν). [Τω ῀ͺ δε` ο῞λωͺ α῎νω χορευ´ειν υ῾πα´ρχει. ᾽Αμη´ν.]271
Das klingt in der Tat recht geheimnisvoll und erinnert sogleich an die gnostischen Äonen der »Ogdoas« und »Dodekas«, z. B. bei Irenaeus I, 1, 3 ( − allerdings fehlt in den Johannesakten die »Dekas«, so daß das »Pleroma« der »Dreißig« Äonen nicht vollständig ist.) Es könnte sein, daß der Dichter des Hymnus den »gnostischen« Anklang beabsichtigte − Junod/Kaestli vermerken viele Stellen aus den Referaten des Irenaeus und Hippolyt über gnostische Texte.272 Aber an keiner Stelle ist, soweit die Überprüfung ergab, von einem Mit-Psalmodieren der oberen »Ogdoas« oder »Dodekas« mit einem irdischen Chorreigen die Rede, und nirgendwo von einem gemeinsamen Tanz der Äonen um ihre »Frucht«, den »Äon« Christus.273 Und zudem ist der tanzende Christus in den Johan270 H. E. Lona, An Diognet (wie Anm. 109), 327. Auf Diogn. 11 hat bereits D. I. Pallas (wie Anm. 161), II, 21, hingewiesen. 271 Dieser letzte Vers ist im Griechischen m. E. irreparabel verderbt, die bisher vorgeschlagenen Konjekturen sind wenig überzeugend. Junod/Kaestli versuchen aus dem über῀ δε` ο´λων ω ῏ χορευ´ειν [χορευ´ων Ca.c. ut videtur] υ῾πα´ρχει, C« (ActIoh 95, 27–28, lieferten: »τω Apparat) den oben zitierten Satz: τω ῀ͺ δε` ο῞λωͺ α῎νω χορευ´ειν υ῾πα´ρχει zu rekonstruieren und gewinnen durch die Eintragung von α῎νω in den überlieferten Text einen Beleg für das obere »Ganze« (ο῞λον, vgl. oben Anm. 262, Exc. ex Theod. 30, 2). Ihre Übersetzung (p. 202) lautet: »Au Tout il appartient de danser en haut.« − Mit ihrer Konjektur zielen die Autoren auf einen Tanz des gnostischen transzendentalen »Ganzen« oder »Pleromas«. Den aber gibt es nicht, wie weiter unten gezeigt wird. Deswegen lasse ich im Folgenden die Konjektur außer Betracht. − Pallas (wie Anm. 161), II, 7 mit Anm. 3, verbessert: τω ῀ͺ δε` ο῞λωͺ ο῾ χορευ´ων υ῾πα´ρχει. Das kommt dem überlieferten Text am nächsten. Pallas (ebd. und p. II, 15) deutet die Worte als Ausdruck für die durch den Chorgesang bewirkte mystische Vereinigung des Tanzenden mit Gott − damit ist doch wohl zu viel in den unsicheren Text hineingelesen. 272 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 615 Anm. 5–8. 273 Irenaeus, Adv. haer. I, 2, 5 f. (SC 264, 44–48 R./D.), berichtet darüber Folgendes: Das durch den »Christus« und den »Heiligen Geist« (nach der beseitigten Störung durch das πα´ϑος der »Sophia«) befestigte »Pleroma der Äonen« wird vom »Heiligen Geist« »zur wahren Ruhe« (τη`ν α᾽ληϑινη`ν α᾽να´παυσιν ) gebracht, und alle »in Form und Denken gleich gestalteten Äonen, preisen, vollkommen zur Ruhe gebracht, mit großer Freude den Vorvater«: και` α᾽ναπαυσα´μενα τελε´ως μετα` μεγα´λης χαρα ῀ ς, φασιν, υ῾μνη ῀ σαι το`ν Προπα´τορα − sie singen, aber sie tanzen nicht oder bilden einen tanzenden Chor. Sie verharren in der (mühsam wiedererlangten) Ruhe, in der sie »die vollkommene Schönheit und den Stern des Pleromas, die vollkommene Frucht Jesus, der auch Soter und Christus und Logos . . . genannt wird, hervorbringen«.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
nesakten kein »Äon«, sondern Christus ist der als Mensch erschienene eine und alleinige Gott (»Vater« − »Logos« − »Sohn« − »Geist«), »der Herr der Äonen«, dem alle Archonten, Mächte, Dämonen unterworfen sind und vor dem sie zittern, wie schon Carl Schmidt 1903 zu ActIoh 95 erklärte und mit zahlreichen Zitaten belegte.274 Dieser hervorragende Kenner der Literatur des frühen Christentums fügt hinzu: »Bei dem oberen Pleroma ist der Ausdruck χορευ´ειν ganz unverständlich, da dieses unbewegliche Syzygien ausfüllen.«275 Es gibt keinen Tanz der Äonen, das mit der »Sophia« »mitleidende« »Pleroma« (ο῞λον) in Excerpta ex Theodoto 30, 2 tanzt nicht, wie das Junod/Kaestli voraussetzen und behaupten.276 Sehr viel treffender scheint dann doch die − von Junod/Kaestli zurückgewiesene − Interpretation dieser Verse durch Carl Schmidt zu sein: ». . . der δωδε´κατος α᾽ριϑμο´ς ist der Zodiakalkreis, und die Ogdoas sind die sieben Planeten resp. Himmel mit dem Kosmokrator resp. Satan an der Spitze. Die sichtbare untere Welt schaut dem Reigen Christi und seiner Jünger zu und nimmt an ihm teil, indem die Himmelsgestirne sich im Kreis harmonisch bewegen.«277 »Die Vorstellungen über die 7 Planeten, den Tierkreis, die Archonten, Gewalten und Engel«, heißt es etwas weiter, »waren Allgemeingut der damaligen religiösen Welt, sonst wäre auch Paulus zu den Gnostikern zu rechnen, wenn neben Christus, dem πρωτο´τοκος πα´σης κτι´σεως, die ϑρο´νοι, κυριο´τητες, α᾽ρχαι´ und ε᾽ξουσι´αι (Kol 1, 16) als Personifikationen auftreten.«278 274 C. Schmidt, Die alten Petrusakten (wie Anm. 2), 128 f.; es werden dort folgende, hier nach der Edition von Junod/Kaestli notierte Stellen, zitiert: ActIoh 23, 2–6; 79, 8–13; 98, 16–19; 104, 1–5; 114, 1–9. 275 C. Schmidt, Die alten Petrusakten (wie Anm. 2), 128 Anm. 1. Der Autor könnte hierfür auf Irenaeus, Adv. haer. I, 17, 1–2 (SC 264, 267–271 R./D.), verweisen. Irenaeus berichtet an dieser Stelle, daß die Markosier in den »zwölf Tierkreiszeichen« des »sogenannten Tierkreises« (του῀ ζωδιακου ͺ ῀ καλουμε´νου κυ´κλου) ein Abbild der oberen »Zwölfzahl« (Dodekas) des Pleromas sehen. Da der rasend schnelle Umschwung des Alls (der Sterne) vom darüber liegenden Himmel zu einem dreißig-jährigen Umlauf von Zeichen zu Zeichen abgebremst werde und jedes Tierkreiszeichen dreißig Teile habe, sei diese Kreisbewegung das Bild der engen Verbindung (συνα´φεια) der (oberen) »Zwölf« mit den (oberen) »Dreißig«, − er ist aber nicht etwa Bild einer Tanzbewegung der »Zwölfzahl«. Deren Unendlichkeit, Ewigkeit, Unbegrenztheit, Zeitlosigkeit (α῎χρονον) und unbewegtes Verharren (μο´νιμον) habe der Demiurg, wie es weiter von der »Achtheit« heißt und ebenso für die »Zwölfheit« und alle Äonen gilt, nicht adäquat abzubilden vermocht; deswegen habe er geglaubt, deren Grenzenlosigkeit und Ewigkeit durch die Menge der Zeiten nachahmen zu können. 276 Junod/Kaestli, Acta Iohannis II, 616. − Auch P. G. Schneider, The Mystery of the Acts of John (wie Anm. 93), 173–177. 201–205, der die engsten valentinianischen Parallelen zu ActIoh 94–95, dem von ihm sogenannten: Johannine mystery rite, beizubringen sich bemühte, ist es nicht gelungen einen Text über einen Tanz des Pleromas zu finden. »Achtheit«, »Zwölfzahl«, »Charis« gelten auch ihm als valentinianische Äonen (z. B. S. 205). 277 C. Schmidt, Die alten Petrusakten (wie Anm. 2), 127 f. − Als »Himmel« deutet die Ogdoas auch F. J. Dölger, Sol salutis (wie Anm. 269), 155, Anm. 4; er lehnt die gnostische Interpretation (P. Wendlands) ab. 278 C. Schmidt, ebd. 129. Der Autor ist bei seinem Urteil über den nicht-gnostischen Charakter der Johannesakten auch in der großen, 1919 veröffentlichten Studie über die
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Mit der Deutung des Reigens der »Zwölfzahl« als harmonische Kreisbewegung der Gestirne gibt C. Schmidt einen Hinweis, für den sich Belege in der nicht-gnostischen Literatur finden lassen. Denn selbst wenn man darauf beharren wollte, daß der Dichter des Hymnus ActIoh 94–95 die Begriffe »Ogdoas« und »Dodekatos arithmos«279 aus gnostischen Schriften aufgegriffen habe, dann gilt doch, daß er für das »Mit-Psalmodieren« (συμψα´λλειν) und den Tanz, welche diesen Texten fremd sind, ein anderes »Modell« gehabt haben muß, es sei denn, man traue ihm so viel Erfindergeist zu eigener Schöpfung zu. In der Tat gibt es mehrere mit den Johannesakten etwa zeitgleiche analoge Texte. Sie beschreiben den »Chor« der Gestirne, die lobpreisend Gott oder auch den Logos (oder beide) umkreisen, jedoch − im Unterschied zu den Johannesakten − bei dessen irdischer Geburt oder Epiphanie. Dieser Tanz wird nicht als Demonstration des Mysteriums der Passion bezeichnet, wie das der »Herr« in ActIoh 96, 1–19; 101, 1–3, tut − allerdings eher im Widerspruch zum Inhalt des Chor-Hymnus, der dieses Mysterium des wahren Leidens keineswegs offenbart, vielmehr die Jünger ratlos und kopflos fliehen läßt (Kap. 97, 1–5). Epistula Apostolorum geblieben: Gespräche Jesu mit seinen Jüngern (wie Anm. 221), 280 Anm. 2. Ebd. 276 sagt er bei der Interpretation der »Ogdoas« in der Epistula Apostolorum und den Excerpta ex Theodoto 63: ». . . diese Vorstellung von den sieben oder acht Himmeln war durchaus nicht den Gnostikern eigen, vielmehr gehörte sie zur damaligen allgemeinen Weltanschauung, gnostisch wurde sie erst durch ihre spezifische Ausprägung in Gestalt der Mutter, des Demiurgen und der bösen Planetenwelt.« C. Schmidt belegt seine These mit zahlreichen Zitaten aus dem Testament der XII Patriarchen, der Ascensio Iesaiae, Clemens von Alexandria, Irenaeus (Epideixis 9), Origenes u. a. (ebd. 275–281). − Junod/ Kaestli, Acta Iohannis, II, 589 mit Anm. 4 und 5, erwähnen zwar die Deutung der »Achtheit« und »Zwölfzahl« und die Zurückweisung eines Tanzes des »Ganzen« durch C. Schmidt, halten dies aber für »eine viel zu orthodoxe« und zudem »ziemlich artifizielle Interpretation«. Anstelle einer Widerlegung der Argumente von C. Schmidt formulieren sie (insbes. S. 600–631) zu einzelnen Themen ihre eigene gnostische Interpretation mit dem Ergebnis (S. 627): »Les caracte´ristiques que nous venons de de´gager ne laissent subsister aucun doute quant a` l’origine gnostique d’AJ 94–102 et 109.« 279 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 615 f., halten es für bedeutsam (»significatif«), daß sie den Ausdruck ο῾ δωδε´κατος α᾽ριϑμο´ς nur noch im Bericht des Irenaeus über den valentinianischen Gnostiker Marcus Magus gefunden haben, und zwar an drei Stellen (Adv. haer. I, 15, 3; I, 16, 1; I, 16, 2). Er scheint ihnen deswegen als spezifisch gnostisches Indiz zu gelten (obwohl ja keineswegs sicher ist, daß die Formulierung von Marcus und nicht vom referierenden Irenaeus stammt!). − Sieht man jedoch die Abschnitte Adv. haer. I, 15, 2– 16, 3 bei Irenaeus, aus denen Junod/Kaestli zitieren, insgesamt durch, so erkennt man sofort, daß der darin dreimal begegnende Ausdruck ο῾ δωδε´κατος α᾽ριϑμο´ς offensichtlich aus rein stilistischen Gründen mit dem doppelt so oft vorkommenden Terminus (η῾) δωδεκα´ς wechselt (Adv. haer. I, 15, 2, Z. 394. 396; I, 15, 5, Z. 476; I, 16, 1, Z. 513. 520. 522, SC 264 R./D.), ebenso wie ο῾ τω ῀ ν δε´κα α᾽ριϑμο´ς mit η῾ δεκα´ς (ebd. I, 15, 2, Z. 376. 389; I, 16, 1, Z. 509. 511 R./D.) oder ο῾ τω ῀ ν τρια´κοντα α᾽ριϑμο´ς mit η῾ τριακοντα´ς wechselt (ebd. I, 16, 2, Z. 537. 540 f. 544. 547. 554 f.). Daß der Ausdruck rein stilistisch bedingt ist, also nicht ein gnostischer terminus technicus sein kann, ersieht man besonders deutlich daraus, daß in Adv. haer. I, 16, 2, Z. 561, die Formulierung το`ν δωδε´κατον α᾽ριϑμο´ν kurz danach (Z. 565) durch die völlig gleich bedeutende τη`ν του῀ δωδεκα´του . . . χω´ραν ersetzt wird. Der Ausdruck in ActIoh 95, 25 wird wohl vom Autor des Hymnus ebenfalls aus stilistischen Gründen gewählt worden sein.
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Thomas Lechner hat in seiner Untersuchung zur Abfassungszeit und theologiegeschichtlichen Einordnung der Ignatianen den »Sternentanz« IgnEph 19, 2 als eine »Parodie des valentinianischen Geburtsmythos« eruieren und in diesem Zusammenhang die einschlägigen Sternentanz-Texte vorgestellt und interpretiert.280 Ich hebe aus ihnen nur hervor, was in ActIoh 95 eine Parallele hat. IgnEph 19, 1–3 schildert den Tanz (χορο´ς) der »Äonen«, das sind hier alle Sterne zusammen mit Sonne und Mond, um den am Himmel alles überstrahlenden »Stern«, den sich als Mensch offenbarenden (einen) Gott, mit dessen Erscheinung die Vernichtung des Todes und die »Neuheit« des ewigen Lebens ihren Anfang nahm.281 Die Analogie zu ActIoh 95 besteht darin, daß der Reigentanz um Gott selbst erfolgt, um »Gott, der als Mensch sich offenbart.« Wie das Verhältnis von dem Tanz um den strahlenden Stern und irdischer Erscheinung Gottes zu denken ist, bleibt ungesagt. Ähnliches hören wir in einer (monarchianischen)282 Pascha-Homilie, die mit der Melitos eng verwandt ist. Hier werden »die Engel und Erzengel der Himmel, alle himmlischen Völker und Heerscharen« aufgerufen, den »Archistrategos der Heeresmacht in der Höhe« festlich zu feiern, während sie seine leibliche Ankunft in der Welt erblicken. »Feiern sollen auch«, heißt es weiter, »die Chöre der Sterne« (οι῾ τω ῀ ν α᾽στε´ρων χοροι´), »indem sie dessen Aufgang vor dem Morgenstern (vgl. Ps 99, 3) ankündigen.«283 Ein dritter Text: In seiner »Mahnrede an die Heiden«, dem »Protreptikos«, verspricht Clemens von Alexandria dem, der sich in die christlichen Mysterien einweihen lassen will, er werde »mit den Engeln . . . den Reigen um den ungeschaffenen und unvergänglichen und wahrhaft einzigen Gott tanzen (χορευ´σεις), wobei der Logos Gottes in unsere Loblieder mit einstimmt« (συνυμνου῀ντος η῾μι῀ν του῀ ϑεου῀ λο´γου).284 280
T. Lechner, Ignatius adversus Valentinianos? (wie Anm. 206), 270–300. IgnEph 19, 1–3, übers. J. A. Fischer (SUC 1), 157. 159: »und es blieb dem Fürsten dieser Welt die Jungfrauenschaft Marias und ihre Niederkunft verborgen, ebenso auch der Tod des Herrn − drei laut rufende Geheimnisse, die in Gottes Stille vollbracht wurden. 2. Wie wurden sie nun den Äonen offenbar? Ein Stern erstrahlte am Himmel, heller als alle Sterne, und sein Licht war unaussprechlich und seine Neuheit erregte Befremden; alle übrigen Sterne aber samt Sonne und Mond umgaben den Stern im Reigen (. . . χορο`ς ε᾽γε´νετο τω ῀ͺ α᾽στε´ρι), er selbst übertraf durch sein Licht alle; . . . 3. Die Folge davon war . . .: die Unwissenheit wurde beseitigt, die alte Herrschaft ausgerottet, als Gott in Menschengestalt erschien (ϑεου῀ α᾽νϑρωπι´νως φανερουμε´νου) zu neuem, ewigen Leben . . .« − Siehe dazu Th. Lechner, Ignatius (wie Anm. 206), 252 ff. 282 Siehe R. M. Hübner/M. Vinzent, Der paradox Eine (wie Anm. 6), 227 Anm. 53. 283 Ps.-Hippolyt, In s. pascha 3 (SC 27, 121, 7–12 N.); dazu Th. Lechner, Ignatius, 286, der zum Chor- und Tanz-Motiv auch Textstellen bei Philon, Platon und in der griechischen Dichtung notiert. 284 Klemens von Alexandria, Protrept. 12, 120, 2 (GCS Clemens Alexandrinus I3, 84, 28 f. Stählin/Treu), übers. O. Stählin, BKV2 II/7, 196; vgl. Protrept. 12, 119, 2: Chorreigen der Gerechten, Hymnus auf den König des Alls, Preis der Engel; beide Stellen bei J. Kroll, Die christliche Hymnodik (wie Anm. 220), 25 Anm. 1. − Erstaunlicherweise erklären Junod/Kaestli in einer langen Anmerkung (Acta Iohannis, II, 622f.) zu diesen Stel281
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Der Chorreigen der »eingeweihten« Christen um den einzigen Gott zusammen mit dem lobsingenden Logos bildet eine starke Analogie zu dem Tanz der Jünger mit der psalmodierenden »Ogdoas« und »Dodekas« um den lobpreisenden Logos (der mit dem einen Gott identisch ist) in den Johannesakten. J. Kroll und H. Schlier machen im selben Zusammenhang noch auf eine eindrucksvolle Stelle im 8. Buch Contra Celsum des Origenes aufmerksam. Celsus hatte erklärt, man würde besser erkennen können, daß die Christen den Großen Gott verehrten, wenn sie auch die Sonne und die Athena mit Hymnen ehrten. Darauf antwortet Origenes: »Hymnen (υ῞μνους) singen wir allein dem Gott, der über allem ist, und seinem einziggeborenen Sohn, dem Gott Logos. Und wir lobpreisen (υ῾μνου῀μεν) Gott und seinen einziggeborenen Sohn, ebenso wie ›Sonne und Mond‹ und ›Sterne‹ (Ps 148, 3) und die ganze himmlische Heerschar es tun. Preisen doch sie alle, ein göttlicher Chor (ϑει῀ος ο῎ντες χορο´ς), zusammen mit den Gerechten unter den Menschen den Gott, der über allem ist, und seinen einziggeborenen Sohn.«285 Der Hymnen singende Chorreigen »der Gerechten« zusammen mit Sonne, Mond, Sternen und der himmlischen Heerschar (die den Zodiak bilden könnte) um den einen Gott und seinen einziggeborenen Sohn kann als nahezu perfekte Parallele zu dem Reigen ActIoh 95 gelten. (Daß für den scharfen Anti-Monarchianer Origenes der eine Gott und sein Sohn, der Gott Logos, zwei göttliche Gestalten sind, ist selbstverständlich). Aus den obigen Darlegungen ist zu ersehen, daß die kühne gnostische Interpretation von Junod/Kaestli, ihren Vorgängern und Nachfolgern, kein ausreichendes Fundament in den Texten hat und daß ihre christologischen Schlußfolgerungen nicht zu halten sind: Weder ist »der Herr der AJ 94–102« die sichtbare Erscheinung der göttlichen Äonen, die zu seiner Geburt beigetragen haben und in seiner Gestalt psalmodieren und tanzen, noch gibt es einen »Tanz« der Äonen des Pleromas, der ihr »Mitleiden« ausdrücken soll und eine Analogie zum Tanz des Herrn und seiner Jünger darstellte.286 len des Protreptikos, »die Analogie mit der in AJ 94–96 beschriebenen Szene sei besonders frappierend«, und »die Parallele mit AJ 94–102, namentlich mit 96, 18« sei »evident.« Als bedeutende Differenz, welche die beiden Texte trenne, erklären sie, daß des Klemens Rückgriff auf die Mysteriensprache reine literarische Fiktion sei, während die Initiationsrede Christi in ActIoh 94–95 innerhalb einer präzisen Szene erfolge und als »Gründungstext« (»texte d’institution«) für eine konkrete rituelle Praxis bestimmt sei. (Hervorhebung R. M. H.) − Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich und es läßt sich durchaus nicht beweisen, daß Hymnus und Tanz ein die Eucharistiefeier ersetzender Ritus sein sollen, wie Junod/Kaestli nachdrücklich behaupten. (siehe dazu weiter unten). 285 Origenes, C. Celsum VIII, 67 (SC 150, 328, 10–17 Borret); J. Kroll, Die christliche Hymnodik (wie Anm. 220), 25 Anm. 2; H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen (wie Anm. 155), 31, stellt die zitierten Stellen Klemens von Alexandria, Protrept. 12, 119, 2 und Origenes, C. Cels. VIII, 67, mit ActIoh 94 f. zusammen. 286 Siehe Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 616 f., oben S. 223 f.
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Ein solches Modell für das Mit-Psallieren und Mit-Tanzen der »Achtheit« und der »Zwölfzahl« ist sehr viel eher in den referierten altchristlichen Texten zu erkennen, in denen (zusammengenommen) die einzelnen Elemente von ActIoh 95 fast vollständig begegnen: Das Psallieren und der Reigen der himmlischen Mächte und Sterne um den einen Gott oder/und Gott-Logos, dessen Lobgesang und der gemeinsame Chor der wahren Christen (Jünger). Es lassen sich, auch nach Meinung von Autoren jüngerer Zeit, keine Anzeichen dafür finden, daß Tanz und Hymnus als ein die Eucharistie ersetzender Ritus, der in Kap. 95–96 seinen Gründungsakt hätte, gelten könnten.287 Der Hymnus ist, wie gezeigt, kein fester, traditioneller liturgischer Text, der auf »sakramentale« Weise Erlösung vermitteln soll, sondern ein literarisches Produkt des Autors, das durch seine Rätselhaftigkeit die Spannung des Lesers zu erregen vermag. Seine Wirkung auf die ersten Hörer ist keineswegs »erlösend«, sondern bestürzend, wie ihre angsterfüllte Flucht anzeigt (ActIoh 97, 1–5). Wenn Tanz und Hymnus die Eucharistiefeier ersetzen sollten, bliebe zudem völlig unerklärbar, daß Johannes an einem Sonntag mit den versammelten Brüdern die Eucharistie begeht: Nach einer an sie gerichteten Ansprache, welche in ein (deutlich »monarchianisches«) Gebet an Jesus Christus, »den Gott und Herrn«, »den alleinigen Erlöser und Gerechten« (vgl. Jes. 45, 21)288 ausläuft (ActIoh 106–108), bittet er um Brot und spricht ein − von Junod/Kaestli und anderen zum »gnostischen« Einschub gerechnetes − frei formuliertes Eucharistiegebet (ActIoh 109)289; danach bricht er das Brot, reicht jedem der Brüder davon mit einer Art »Spendeformel« (der Aufforderung, sich der Gnade des Herrn und der heiligsten Eucharistie als würdig zu erweisen) und schließt die Feier, nachdem er selbst gekostet hat, mit dem Friedensgruß (ActIoh 110).
287 Das versuchen Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 621–627, durch einen Vergleich mit valentinianischen Initiations-Sakramenten zu erweisen. J.-D. Kaestli, »Response« (wie Anm. 201), 87, hält an diesem Urteil fest: ». . . the text of AJn 94–96 quite clearly has the quality of an institutional narrative.« Gegenteiliger Ansicht ist G. Luttikhuizen, A gnostic reading (wie Anm. 93), 130; vgl. 147 f. − P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 64–65, hebt hervor, daß der »Hymnus« nicht Zeugnis der Existenz eines realen Sakraments sei, sondern »a literary creation«. Hymnus und Tanz seien nicht Teil einer kultischen Praxis, welche die Eucharistie ersetzen solle. Gleichwohl plädiert Lalleman dafür, daß der gnostische Editor, den er postuliert, mit seinem literarischen Produkt ein neues Initiations-Sakrament für seine gnostische Gemeinde einführen wollte. Eine stichhaltige Begründung für diese These wird nicht gegeben. − Zur Sakraments These von P. G. Schneider, The Mystery, s. oben Anm. 204. 288 Zu Jes 45, 21 als einem der Hauptbelege der Monarchianer, daß allein der einzige Gott selbst Erlöser der Menschen sein kann, siehe oben S. 151. 289 Junod/Kaestli, Acta Iohannis, II, 588 f., widmen nur wenige Zeilen der Begründung des − als sehr wahrscheinlich bezeichneten − gnostischen Charakters von ActIoh 109; hauptsächlicher Grund ist die weitgehende Übereinstimmung der hier genannten Namen Christi mit denen des »Licht-Kreuzes« ActIoh 98, 8–12. Daß diese Namen nicht gnostisch sind, ist oben S. 175 und Anm. 170 gesagt worden. Der offenkundige Monarchianismus des Eucharistiegebetes Kap. 109 schließt jeden Gnostizismus aus.
II. 3 d) Paradoxe Antithesen im »Christushymnus« − Gnostischer Mythos
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Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, daß ein und derselbe Autor in Kap. 109 ein Eucharistiegebet formuliert, das passgenau in die vollständige Beschreibung der Eucharistiefeier in Kap. 106–110 eingebettet ist, jedoch zuvor in Kap. 94–96 mit dem »Tanz und Hymnus« einen die Eucharistiefeier ersetzenden Initiationsritus geschaffen haben könnte.290 Tanz und Hymnus entspringen nicht einer liturgischen Praxis und sollen auch keine begründen, sondern sind literarische Fiktion, angeregt möglicherweise durch die oben zitierten oder auch weitere literarische Vorbilder. Abschließend soll noch eine vielleicht akzeptable Antwort auf die Frage gegeben werden, welches Ziel der Autor mit der Dichtung dieses rätselhaften TanzHymnus verfolgt haben könnte. Weder die bisher vorgetragenen, verschiedenen gnostischen Interpretationen (angefangen von Hilgenfeld über Pulver zu Junod/Kaestli und weiter bis zu Lalleman), noch der Versuch von Pallas, aus gemeinkirchlichen hymnischen Traditionen das poetische Gebilde zu erklären, erbrachten ein zulängliches Ergebnis. Auch die Ermittlung der vermutlichen Herkunft zweier Antithesen aus noe¨tianisch-monarchianischen Traditionen erlaubte keine einleuchtende Deutung, nicht dieser Verse und schon gar nicht des Ganzen. In den zitierten Bemühungen sogar der antiken Leser: der Priszillianisten und des Verfassers der Philippusakten, ja selbst der Manichäer, den Antithesen des Christushymnus einen Sinn abzugewinnen oder aus ihnen einen verständlichen Text herzustellen, kann man einen Hinweis darauf sehen, daß dieses Lied von Anfang an einer erkennbaren Bedeutung entbehrte.291 Tanz und Hymnus sollen nach den Worten des Logos in Kap. 96 und 101, 1–3 das Leiden des Menschen und das des Logos selbst erklären, tun dies aber keineswegs. Es gibt im antithetischen Hymnus keine klare Aussage über die Bedeutung des Leidens,292 und die Jünger, auch Johannes, fliehen am Ende, »wie aus einem wirren Schlaf erwachend« (ActIoh 97, 1–5), ohne etwas begriffen oder gar eine »erlösende Erkenntnis« erhalten zu haben. Aus dem Scheitern jeglicher Versuche, eine einleuchtende Erklärung zu finden, kann man m. E. die Schlußfolgerung ziehen, daß der Verfasser, der ja durchaus sehr verständlich zu reden vermag, hier zielbewußt und absichtsvoll aus verschiedensten Materialien, neutestamentlichen, monarchianischen, »gnostischen« und anderen Traditionen, ein effektvoll rätselhaftes Lied zusammengestellt hat,293 das die Aufmerksamkeit der Leser dadurch erregt, daß sie auf 290 Die Eucharistiegebete und Berichte über Eucharistiefeiern in den Kapiteln 46, 72–86, 106–110 verstärken dieses Argument, wenn − wie das hier geschieht − ein einziger Autor für die Johannesakten angenommen wird. 291 Selbst Augustinus, der als ehemaliger Manichäer beste Voraussetzungen hatte, »gnostische« Antithesen zu deuten, vermochte sie nicht zu erklären, siehe zu seinem Bericht über die Priszillianisten oben Anm. 192; zur Rezeption der Antithesen in den Philippusakten und manichäischen Psalmen siehe oben S. 194 f. 292 Das sieht auch B. E. Bowe, Dancing into the Divine (wie Anm. 204), 91 f. 293 Auch P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 184, erwog eine solche bewußte Rätselrede in Kap. 95: »As they stand these sayings are (probably conciously) enigmatic.«
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
vertraut Klingendes und Verstehbares stoßen (z. B. auf bekannte Schriftworte), dem − im selben Satz − unerklärbar Rätselhaftes folgt. Was das Lied angeblich besagen soll, aber nicht besagt, das erklärt der Logos, nachdem die Jünger verstört auseinander gelaufen sind, allein dem Johannes in Kap. 101: Wie das Leiden des Menschen und das Leiden des Logos zu verstehen sind. Diese rational oder philosophisch kaum akzeptable Antwort, das Ziel des ganzen »Evangeliumsberichtes«, hat der Autor durch die vom göttlichen Logos selbst vorgetragene Rätselrede sehr geschickt vorbereitet und dadurch der Antwort eine hohe, unüberbietbare Autorität verliehen.
III. Konklusion 1. Ein Autor? Durch den Aufweis des nicht-gnostischen Charakters der Kapitel 94–102. 109, des hier sog. »Einschubs«, entfällt der Hauptgrund für die These, daß diese Kapitel von einem anderen Verfasser stammen als dem des sog. »Grundstocks«. Schon von voraufgehenden Forschern, selbst von denen, die für zwei sich theologisch unterscheidende Autoren plädierten, war beobachtet worden, daß es signifikante Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Teilen der Acta Iohannis gibt. So hat P. J. Lalleman erklärt, daß das Thema der Polymorphie, das in den Kapiteln 87–93 und 103–105 vorherrscht, in den Kapiteln 96–102 wieder aufgenommen werde.294 In der Tat ist es der Kern der Polymorphie- und der verwandten Polyonymie-Aussagen und -Schilderungen, daß der »Herr« nicht ein Mensch, sondern der eine und alleinige, unwandelbare Gott ist.295 Diese zentrale Aussage steht, in zum Teil wörtlich gleichen Formulierungen, in den Kapiteln 90, 96, 99 und 104.296 Ebenso hat P. J. Lalleman anerkannt, daß der mit dem Johannesevangelium grosso modo parallel laufende »Evangeliumsbericht« (»gospel flashback«) eine »erzählerische Einheit« bildet, die sich von Kap. 87 bis Kap. 105 erstreckt, also die »interpolierten« Kapitel 94–102 einschließt.297 Auch Istvan Czachesz erklärte, daß der Verfasser mit dem Thema Polymorphie in den Kapiteln 87–93 ebenso arbeite wie in den Kapiteln 94–101. Er sieht in gleicher Weise wie Lalleman und im Gegensatz zu Junod/Kaestli in den Kapiteln 87–105 die kompositorische Einheit und den gemeinsamen Ursprung 294
P. J. Lalleman, The Acts of John (wie Anm. 3), 59. Siehe oben S. 157 f. mit Anm. 32 f. 296 ActIoh 90, 10–11: . . . α῎νϑρωπον δε` ου᾽δε` ο῞λως. ActIoh 96, 12: ο῝ νυ῀ν ο῾ρω ῀ μαι του῀το ου᾽κ ει᾽μι´. ActIoh 99, 5–6: ο῝ ου᾽κ ει᾽μι` ε᾽νομι´σϑην, μη` ω ῍ ν ο῝ ει᾽μι` τοι῀ς πολλοι῀ς. ActIoh 104, 1–2: . . . ο῞τι ου᾽κ α῎νϑρωπον υ῾μι῀ν καταγγε´λλω σε´βειν, α᾽λλα` ϑεο`ν α᾽μετα´τρεπτον κτλ. 297 P. J. Lalleman, The Acts of John, 42 f.: »These sections together form a single sermon delivered by John . . .«; vgl. ebd. 44: »a single gospel«; ebd. 59: »The gospel flashback is a a narrative unity . . .« 295
III. Konklusion. 1. Ein Autor?
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einer Evangeliumserzählung − er nennt sie »the Gospel of the AJ« − deren Zentrum das charakteristisch johanneische Thema von Jesu sich schrittweise entfaltender und steigernder Selbstoffenbarung ist, die in Kap. 88 beginnt und ihren Höhenpunkt mit der kosmischen Vision des Lichtkreuzes in Kap. 98–101 erreicht.298 Diese von den beiden Forschern festgestellten unstreitigen, starken Übereinstimmungen und die durchgehend einheitliche Struktur im ganzen Evangeliumsbericht erklären sich durch die Annahme eines einzigen Autors für den »Grundstock« und den »Einschub« zwanglos und besser als durch die Hypothese eines zweiten Verfassers, der, wie Lalleman meint, das interpolierte Stück als eine Erweiterung der vorhandenen »section« (= Kap. 87–93. 103–105) konzipiert und sorgfältig eingepaßt habe, um seine Leser auf die höhere Stufe der gnostischen Christologie zu führen.299 Die These differenter Christologien im »Evangeliumsbericht« ist durch die obigen Darlegungen ohnehin gegenstandslos geworden. In den hier vorgelegten Untersuchungen wurde einerseits gezeigt, daß der im »Grundstock« gegebene Monarchianismus (der jeglicher Gnosis fremd ist) in den Kapiteln 94–102. 109 ungebrochen durchgehalten ist; andererseits konnten sehr spezifische, sogar wörtliche Übereinstimmungen mit noe¨tianisch-monarchianischen Traditionen in beiden Stücken der Johannesakten nachgewiesen werden: in Kap. 95 und 101 die paradoxen theologischen Antithesen Noe¨ts, in Kap. 98 die Polyonymie des einen Gottes der römischen Schule Noe¨ts; sodann in Kap. 104 das vor Noe¨t in keinem christlichen Text nachweisbare Gottesprädikat α᾽κρα´τητος, in Kap. 103 das συμπα´σχειν des römischen Bischofs Kallist und des Melito von Sardes; dazu kommen die im obigen Kap. I, 1 »Gottesauffassung« genannten, zum Teil wörtlichen Parallelen mit von Noe¨t beeinflußter theologischer Sprache und Schriftbenutzung, die im »Grundstock« zahlreich begegnen. Daß der »Evangeliumsbericht« in Kap. 87 bis 105 eine Einheit bildet, in der »die einzelnen Abschnitte ineinandergreifen«, und daß diese Kapitel mit dem erzählenden »Grundstock« literarisch und inhaltlich verflochten sind, hatte zuvor G. Sirker-Wicklaus in ihrer Dissertation gegen die These von Junod/Kaestli eingehend begründet.300 K. Schäferdiek hat das Urteil seiner Schü298 Siehe I. Czachesz, Eroticism and Epistemology in the Apocryphal Acts of John, NedThT 60, 2006, 59–72, hier 61–63. 71; ders., Commission Narratives. A Comparitive Study of the Canonical and Apocryphal Acts, Leuven 2007, 101–104. 299 P. J. Lalleman, The Acts of John, 52–54. 59. 300 G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannesakten (wie Anm. 35), 91–107; 242–245. Diese sehr ausführliche und sorgfältig begründete Analyse und Darlegung der literarischen Einheit der Kap. 87–105 lehnt J.-D. Kaestli, Los Hechos de Juan (wie Anm. 1), 296, Anm. 22 ohne Gegenargument ab. Sein Versuch (ebd. 294–296), Schäferdieks im oben Folgenden genannte Überlegungen für die literarische Verknüpfung der Offenbarungsrede Kap. 94–102 mit dem voraufgehenden Kap. 93 und den folgenden Kap. 103– 104, durch den Hinweis auf einen (angeblichen) Übersetzungsfehler (in Kap. 93!) zu erschüttern, reicht für eine Widerlegung der von Sirker-Wicklaus und Schäferdiek vor-
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
lerin bekräftigt und betont, daß die »Offenbarungsrede« (Kap. 94–102) sehr sorgfältig mit dem Vorhergehenden (Kap. 93) und dem Nachfolgenden (Kap. 103–104) verknüpft ist.301 In seinem großen RAC-Artikel »JohannesAkten« von 1998 hat er nochmals diese Auffassung sowie die »redaktionelle Einheit« des »Evangeliums« der Kapitel 88, 9 bis 102, 7 verteidigt.302 Beide Forscher nehmen einen einzigen (redigierenden) Verfasser der Johannesakten an. Der hier erbrachte Nachweis, daß die »Offenbarungsrede« (Kap. 94–102) kein gnostischer Text ist, sowie die Feststellungen mehrerer Forscher, daß der »Evangeliumsbericht« (Kap. 88–104) eine kompositorische Einheit bildet und mit dem erzählenden Teil der Johannesakten literarisch und inhaltlich verknüpft ist, heben alle entscheidenden Argumente gegen die Annahme eines einzigen Verfassers dieser »apokryphen« Akten auf. Der (insbesondere stilistisch) so auffallende Text (Kap. 94–102) mag durchaus in einem späteren Stadium der Abfassung in die Erzählungen der Johannesakten eingefügt worden sein, vielleicht weil der Verfasser darin die Möglichkeit sah, seiner theologischen Deutung des Leidens des Menschen und des Gott-Logos einen unüberbietbaren Ausdruck zu verleihen. Könnte er nicht die geheimnisvoll-räselhafte Christusrede mit den oft an gnostische Ausdrucksweise und Vorstellungen erinnernden Worten komponiert haben, um gerade in Konkurrenz zu der gnostischen Christusinterpretation, die ein Leiden des mit dem einen Gott identischen, als Mensch erschienenen Logos absolut ausschließt, seine Botschaft wirkungsvoll zu verkünden? Die einem starken, möglicherweise sogar überlegenen Gegner widersprechende Position verbirgt und propagiert man am geschicktesten unter dem Deckmantel von dessen eigener Sprache. Der Erfolg, den dieses Versteckspiel bei den »gnostischen« Interpreten der Antike und der Moderne seit dem 19. Jahrhundert bis heute erreicht hat, ist eine Bestätigung für die schriftstellerische Kunst des gelehrten Autors.303
getragenen Argumente nicht aus. Im Übrigen hatte A. Fürst, Christentum als Intellektuellen-Religion. Die Anfänge des Christentums in Alexandria, SBS 213, Stuttgart 2007, 96–98, die jetzt von Kaestli erneut vorgetragene Übersetzung und Deutung des Kap. 93 als »nicht stichhaltig« beurteilt und Schäferdieks Interpretation für zutreffend erklärt. Er schließt sich jedoch der hier angefochtenen These an, daß Kap. 94–102 und 109 »offenkundig . . . fertig vorgeformte Textstücke gnostisch-valentinianischer Provenienz« seien; aber er nimmt, wie das auch hier vertreten wird, an, daß diese Kapitel »nicht sekundär interpoliert, sondern vom Verfasser der Johannesakten redaktionell in seine Darstellung eingefügt worden« seien (97). Eine Herkunft dieser (ins »frühe 3. Jahrhundert« datierten) Texte aus Alexandria schließt er entschieden aus (98). 301 K. Schäferdiek, Johannesakten, NTApo II5, 152. 302 K. Schäferdiek, Johannes-Akten (wie Anm. 1), 575–577. 303 Die auf glänzender Kenntnis der antiken Literatur beruhenden Arbeiten von Plümacher haben den hohen Bildungsstand des Verfassers und Redaktors der Johannesakten eindrucksvoll ans Licht gebracht, siehe dazu oben Anm. 1, 9, 57, 65 und 74.
III. Konklusion. 2. Fazit und Ausblick
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2. Fazit und Ausblick In den letzten Erörterungen über den Sinn der hier befragten Kapitel 94–102 der Johannesakten, ihren Autor und das von ihm verfolgte Ziel sind die Ergebnisse der Untersuchung bereits genannt, so daß sich eine nochmalige Zusammenfassung erübrigt. Aber es soll doch zum Schluß ein kurzes Wort zur generellen Bedeutung der hier vorgelegten Interpretation dieses Textes gesagt werden. Die Frage, ob die Kapitel 94–102 der Johannesakten gnostisch oder monarchianisch seien, gehört als solche gewiß nicht zu den großen Fragen oder Themen der frühen Theologiegeschichte. Das hier gewonnene Ergebnis scheint mir aber doch in mehrfacher Hinsicht für das Bild, das wir uns von dem geschichtlichen Prozeß der Theologie insgesamt machen können, aufschlußreich zu sein. 1.) Die Vorstellung, daß eine Trinitätsauffassung, wie sie von Tertullian oder auch (anders) von Hippolyt ausgebildet wurde, im zweiten und in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts schon ganz allgemein verbreitet gewesen sei, ist illusorisch. Der Glaube der Christen dieser Zeit richtet sich auf den einzigen Gott. Die überwältigende Mehrheit der christlichen Literatur bezeugt den rigorosen Monotheismus. Hier fügen sich jetzt alle unsere großen (früher zum Teil oftmals als gnostisch-häretisch verdächtigten) Apostelakten vollständig ein, die des Petrus, des Paulus, des Johannes und des Thomas, die ohne Ausnahme einen monarchianischen Glauben propagieren und deren Verbreitungsgebiet in Ost und West sehr groß war. Dieser Monarchianismus ist keineswegs, wie häufig behauptet wurde, »naiv«, sondern wie der des Noe¨t von Smyrna, in hohem Maße reflektiert. 2.) Der monarchianische Glaube hat − bis auf die Grundaussage − bei jedem christlichen Schriftsteller und in jedem Text eine eigene Gestalt. Es gibt keinen genormten Monarchianismus mit so präzisen Definitionen, wie sie in unseren Handbüchern und Lexika formuliert sind, denn es gibt keine für alle Christen normierende Institution. Der römische Bischof Zephyrin formuliert sein monarchianisches Bekenntnis anders als sein Nachfolger Kallist, Melito anders als Theophilus oder Tatian. Grundlegend und unaufgebbar ist die Glaubensaussage, daß der eine Gott, der Vater und Schöpfer des Alls, als Erlöser im Menschen Jesus Christus auf Erden erschienen ist, gelitten hat und gestorben ist, denn Erlöser kann nur der einzige wahre Gott sein. Der philosophische Einwand gegen dieses Bekenntnis, nämlich daß Gott nicht leiden könne, ruft unterschiedliche Antworten hervor: Die Valentinianer erfinden die verschiedenen Christusgestalten, Tertullian analysiert (nach deren Vorbild) die zwei Naturen Christi, die leidende menschliche und nichtleidende göttliche; Praxeas, Kallist und Melito sprechen vom erlösenden »Mitleiden« des einen Gottes, des Vaters aller Dinge. Hier schließt sich der Autor der Johannesakten an. Er leugnet, um die Einheit der erlösenden göttlichen Person aufrechtzuerhalten, das Menschsein Jesu. Aber er nimmt − wie die meisten Theologen seiner Zeit, einschließ-
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
lich des Irenaeus −, die wirkmächtige, gegen die valentinianische Gnosis gerichtete Paradoxie des leidenden nichtleidenden Gottes des Erzmonarchianers Noe¨t von Smyrna auf und erläutert sie durch die Formel vom barmherzigen göttlichen »Mitleiden«. Daß diese antignostische Paradoxie, Ausdruck seines höchsten theologischen Anliegens, unter ihrem scheinbar gnostischen Gewand, nur selten (als solche) erkannt wurde, gehört zu den vielen Widersprüchen der Forschungsgeschichte, insofern durchwegs der Monotheismus der Johannesakten festgestellt, gleichwohl mehr oder weniger zögerlich auf deren Gnostizismus beharrt wurde. 3.) Der »spezielle« Monarchianismus der Johannesakten, der dem der Thomasakten nahe kommt, zeigt die Bandbreite dessen, was bis in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts an Interpretationen des Christusgeschehens noch möglich war, ohne daß eine strikte Abtrennung von der Christengemeinschaft erfolgte. Es gibt, wie schon oft gesehen, noch keine »Orthodoxie«, die sich allgemein durchgesetzt hätte. Die einzelnen Interpretationen und theologischen Konzepte bestehen noch grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander, überlappen sich oftmals und beeinflussen sich gegenseitig. Die Grenzziehungen gegenüber dem Monarchianismus, die Tertullian und Hippolyt (nicht Irenaeus!) unternehmen, sind lokal sehr eingeschränkt und bestehen keineswegs in der gesamten Ökumene. Der Monarchianismus lebt − sogar nach dem Nicaenischen Konzil − mancherorts ungebrochen fort, so beispielsweise bei Markell und Photin im Osten, bei Commodian und den Priszillianisten im Westen. 4.) Die im heutigen »Neuen Testament« versammelten Schriften haben sich noch nicht zum allgemein geltenden »Kanon« verfestigt, auch das ist schon vielfach festgestellt worden. Der Verfasser der Johannesakten weiß von Evangelien, die in bestimmten Gemeinden Autorität besitzen. Aber er behandelt sie, vor allem das Johannesevangelium, als (fehlerhafte) Interpretationsvorschläge, die er unter Benutzung der Autorität des Johannes und letztlich des göttlichen Logos selbst, durch eine widersprechende Verkündigung zu korrigieren versucht. Das alles bleibt aber im Rahmen literarischer Polemik wie zwischen philosophischen Schulen. Zwei Schlußfolgerungen aus dem dargelegten Befund seien genannt: 5.) Das Neue Testament kann angemessen nur im Rahmen der Glaubenszeugnisse seiner Entstehungszeit, das heißt der Texte des zweiten Jahrhunderts, ausgelegt werden. Eine Interpretation vom dogmatischen Standpunkt des vierten Jahrhunderts her wäre anachronistisch. Das bedeutet dann beispielsweise, daß es methodisch verfehlt wäre, im Neuen Testament Hinweise auf eine Trinitätstheologie, die es im zweiten Jahrhundert nicht gibt, zu suchen. Sachgerecht wäre nur die Frage, ob und wie sich der monarchianische Glaube in den Spätschriften des Neuen Testaments (zu denen auch das Johannesevangelium, die Pastoralbriefe und der zweite pseudopetrinische Brief zu zählen sind) ausgedrückt hat.
III. Konklusion. 2. Fazit und Ausblick
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6.) Der monarchianische Glaube war das eigentliche Dogma der frühen Christen. Die trinitarische Personenlehre gilt bei ihrem Aufkommen als schlimmste Häresie, nämlich als Polytheismus. Eine neutestamentliche, gar apostolische Tradition des Trinitätsglaubens gibt es nicht. Wenn die Christen der frühen Zeit nicht als irrgläubig eingestuft werden sollen, dann ist zuzugeben, daß die spätere Trinitätslehre, die auch heute noch oftmals als Zentrum des Christentums bezeichnet wird, nicht mehr besagen kann als der schlichte Monarchianismus. Eine Analyse der Entstehung der trinitarischen Formel kann das erweisen. 7.) Von den sich hieraus ergebenden offenen Fragestellungen sei nur eine genannt. Die monarchianischen paradoxen − gegen den gnostischen Mythos gerichteten − Antithesen des Noe¨t von Smyrna haben eine außerordentliche Wirkung entfaltet und sind, wie der Erlanger Dogmatiker Werner Elert 1950 in einem grundlegenden Artikel gezeigt hat, auf weite Strecken hin der treibende Motor der Christologiegeschichte geworden.304 In diesem Beitrag konnten Autoren und Texte des zweiten und dritten Jahrhunderts zitiert werden, welche die theologischen Antithesen aufgenommen und den einen, die Erlösung und das ewige Leben verbürgenden, nicht leidensfähigen und (mit-)leidenden Gott Jesus Christus entschieden in die Mitte der christlichen Botschaft, der bei Noe¨t erstmals begegnenden und von ihm übernommenen regula fidei, gestellt haben: Melito von Sardes, »Ignatius«, die pseudo-hippolytische Homilie De pascha, die Petrusakten und die Johannesakten. Zu erforschen bleibt, angefangen bei Irenaeus und Tertullian,305 die weitere Wirkungsgeschichte, die je nach theologischer Ausrichtung der Rezipienten, eine unterschiedliche Gestalt hat. Die
304 W. Elert hat in seinem Aufsatz: »Die Theopaschitische Formel«, ThLZ 75, 1950, 195– 206, gezeigt, »daß die durch diese Formel hervorgerufene Antithesenbildung (Hervorhebung R. H.) den Ablauf der dogmengeschichtlichen Dialektik wenigstens in der alten Kirche erheblich, ja maßgeblich mitbestimmt hat« (195); und noch einmal: »Der Gegensatz zwischen dem Apathiesatz und der theopaschitischen Formel ist der zunächst noch latente, später aber immer mehr in Erscheinung tretende Motor [Hervorhebung R. H.] der gesamten christologischen Dialektik in der alten Kirche« (196). Elert irrt zwar, wenn er meint, die theopaschitische Formel habe die paradoxen Antithesen hervorgebracht (es ist historisch gerade umgekehrt), und er hat auch nicht deren Herkunft von Noe¨t von Smyrna erkannt. Er beweist jedoch seine These mit einem gründlichen Durchgang durch die einschlägigen Zeugnisse für das Fortwirken und die Weitergabe der monarchianischen Aussage des »sterbenden unsterblichen Gottes« von »Ignatius« an bis zur theopaschitischen Formel »unus ex trinitate passus est« (Sp. 196–203). 305 Der geeignetste Ausgangspunkt zur Erforschung des Verhältnisses Irenaeus − Noe¨t wäre m. E. das Studium der vernachlässigten Studie von F. Loofs, Theophilus von Antiochien Adversus Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenaeus (wie Anm. 178). Passagen, die Loofs dem Theophilus zuschreibt, lassen deutlich die Theologie Noe¨ts erkennen. Diese Bezüge müßten geklärt werden. − Die antithetische Glaubensregel des Noe¨t ist erkennbar im Hintergrund der Glaubensregel Tertullians, Apologeticum 17 (CChr.SL 1, 117, 1–15 Dekkers); die Paradoxien in De carne Christi 5, 2. 4. 7 (CChr.SL 2, 880–881 Kroymann) sind wohl vom selben Text beeinflußt.
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Vorkommen oder Nachklänge der Paradoxien in Eucharistiegebeten (Apostolische Konstitutionen, Testamentum Domini306), und manichäischen oder orthodoxen Hymnen307 lassen deren monarchianischen Ursprung nicht mehr erkennen, zeugen aber für ihre ungebrochene Anziehungskraft. In gnostischen Texten nehmen sich, wie gezeigt,308 die Antithesen wie Irrläufer aus. Der Trinitarier Tertullian entkleidet sie, wie das ebenso auch spätere tun werden, ihres monarchianischen Charakters, indem sie auf auf die eine Person des menschgewordenen Logos bezogen werden. Damit beginnt die Rezeptionslinie, die später in die sog. Idiomenkommunikation (der zwei Naturen in der einen Person) ausläuft. Die Christologie des Gregor von Nazianz, der die Antithesen aufgreift, kann dafür als ein frühes Beispiel gelten.309 Gregor scheint damit Augustinus zu einer ähnlichen Verwendung der Antithesen angeregt zu haben.310 306 Siehe oben Anm. 161 f. und 186 zum Test. D., Anm. 220 und 225 zu den Apost. Konst. 307 Siehe oben »Anhang«, S. 194 f. zu den manichäischen Psalmen; Anm. 225 zu den orthodoxen Hymnen. − Symeon der Neue Theologe feiert in seinen Hymnen mit vielen paradoxen Antithesen den Menschgewordenen und die Mitteilung der »Mysterien« (= Eucharistie); er komprimiert die noe¨tianischen auf die zwei (ersten): »sichtbar − unsichtbar«; »greifbar − ungreifbar«, siehe z. B. in der Edition von A. Kambylis, Symeon Neos Theologos. Hymnen, Berlin 1976: Hymn. Nr. 17 (S. 121, 259 f. K.); vgl. Nr. 26 (S. 233, 34–46; 234, 60–64); Nr. 28 (S. 246, 73–76), und zahlreiche ähnliche Stellen. (Den Hinweis auf Symeon verdanke ich Roland Kany.) 308 Siehe oben S. 191–193. 309 Gregor von Nazianz hält in seiner Oratio in theophaniam die »Paradoxie der Mischung« von Fleisch und Geist im Erlöser noch voll aufrecht: Or. 38, 13 (SC 358, 134, 26– 28 Moreschini); Or. 38, 2 (106, 16–18 M.) heißt es in den − wohl von IgnPol 3, 2 inspirierten − Antithesen: »Der Unsichtbare wird gesehen, der Ungreifbare ergriffen, der Zeitlose hat einen Anfang«; vgl. ep. 101, 15. 20 Ad Cledonium (SC 208, 42; 44 Gallay). − Bei Ps.-Kaisarios ist die Paradoxie stärker abgemildert: Erotapokriseis Nr. 185 (GCS Ps.-Kaisarios 160, 37–58 Riedinger): Im Leib »wird der Ungreifbare ergriffen, in diesem wird getötet der Unsterbliche.« 310 (Auctore R. Kany:) Vermutlich durch die Vermittlung von Rufins Übersetzung von Gregors Or. 38 sind mehrere der Antithesen in Augustins Sermo 214 de symbolo gelangt, worin sie bei der Erklärung des Leidens und Sterbens des einzigen Sohnes Gottes Verwendung finden und durch die Zuordnung zum assumptus homo gegen eine monarchianische Deutung abgesichert werden (Sermo 214, 7 [RBen 72, 1962, 18 f., 145–173 Verbraken = PL 38, 1069]). Augustins Formulierungen »Oportebat autem ut in homine assumpto, non solum invisibilis videretur et patri coaeternus temporaliter nasceretur, verum etiam incontrectabilis teneretur . . . Additur autem: sub Pontio Pilato: sive unde colligatur temporis veritas, sive unde Christi plus commendetur humilitas, quod sub homine iudice sit tanta perpessus, qui iudex vivorum et mortuorum est cum tanta potestate venturus« ähneln Rufins Übersetzung von Or. 38 Gregors: »invisibilis videtur, . . . incontrectabilis contingitur . . ., qui ante omnia saecula est initio censetur, filius aeternus fit iterum filius . . . Iudaei . . ., gentiles . . ., haeretici . . . tunc credent . . . cum viderint eum venientem de caelis iudicis praeditum maiestate. . . . Cum Christo ergo nascamur . . .« (Rufinus, Greg. Naz. orat. 2 (38), 2. 4 [CSEL 46, 88, 8–16. 89, 16 f. Engelbrecht]). Daß Augustinus in mehreren anderen Werken aus Rufins Übersetzung von Or. 38 Gregors zitiert, war seit B. Altaner, Kleine patristische Schriften, hg. von G. Glockmann, TU 83, Berlin 1967, 279, bereits bekannt, Sermo 214 wurde in diesem Zusammenhang übersehen. − (Auctore R. M. Hübner:) Offenbar hat sich für Augustinus
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Bei Commodian und in den Priscillianea lebt der reine Monarchianismus, sogar noe¨tianischer Prägung, fort.311 Bei den Monophysiten jeglicher Richtung haben die Antithesen (von Apolinarius an) einen entscheidenden, ja systembildenden Platz312 und können, wie bei Johannes Mandakuni, zum Zentrum der Glaubensregel werden.313 Hier kommt es zur Ausbildung der theopaschitischen Formel unus de trinitate passus est, die von dem an der chalcedonischen Christologie grundsätzlich festhaltenden 5. ökumenischen Konzil in Konstantinopel rezipiert worden ist (DS 424. 432). − Rätselhaft bleibt mir bislang, woher Leo d. Gr. die von Augustinus sicher unabhängige, stilistisch sorgfältig komponierte Version der Antithesen Noe¨ts hatte, die er (oder vielmehr Prosper von Aquitanien) im Juni 449 aus seiner Predigt In nativitate Domini wörtlich in den Brief an den Patriarchen Flavian von Konstantinopel, den berühmten Tomus, übernahm. Die Antithesen werden hier vom »Sohn Gottes« ausgesagt, lassen also ihre monarchianische Herkunft nicht erkennen.314 In die umfassende Rezeption dieses im Westen bald als dogmatische Norm geltenden Theologen waren auch die christologischen Paradoxien eingeschlossen.315 Leo bildet für diese vielleicht die keine Verbindung zu den von ihm in Ep. 237 zitierten Antithesen ergeben, die er den Priszillianisten zuweist (siehe oben Anm. 192). Die in Augustins Sermo 214, 7 anklingende Vorstellung vom »gerichteten Richter« findet sich z. B. in Melito, Frgm. 13. 311 Spuren der Theologie und Antithesen Noe¨ts kann man bei Commodian im Carmen de duobus populis erkennen (CChr.SL 123, 77, 100–78, 122; 83, 277–84, 285; 88, 413–414 Martin). − In den Priscillianea sind die Anklänge an die monarchianische Theologie Noe¨ts häufig; am deutlichsten klingen dessen Antithesen in dem Tractatus 6, Exodi (CSEL 18, 74 Schepss) durch. 312 Vgl. z. B. Philoxenus von Mabbug, De trinitate et incarnatione tract. II (CSCO 10, 37, 1–10 Vaschalde; 80, 19–34 V.); Severus von Antiochia, Ep. ad Sergium gramm. 1 (CSCO 120, 58, 10–17 Lebon); zu diesen und weiteren Stellen der »Idiomenkommunikation« siehe: J. Lebon, Le monophysisme Se´ve´rien, Louvain 1909, bes. 413–432; 473–486. 313 Die wichtigste Passage in der Glaubensregel, die der armenische Katholikos Johannes Mandakuni in seiner »Demonstratio« zitiert, enthält deutlich erkennbar die auf Noe¨t zurückgehenden paradoxen Antithesen (übers. von M. Tallon, Livre des Lettres. Documents Arme´niens du Ve s., Beyrouth 1955, 127): ». . . comme la re`gle de foi l’enseigne. ›Le Verbe de Dieu s’est incarne´‹ . . . C’est pourquoi l’on parle de voir l’invisible, de palper l’impalpable, de sa cruxifixion, de sa se´pulture et de sa re´surrection le troisie`me jour. Car c’est lui-meˆme qui e´tait passible et impassible, qui e´tait immortel et qui a rec¸u la mort.« 314 Leo, Sermo 22, 2 (CChr.SL 138, 91, 34–92, 41 Chavasse), wieder aufgenommen in den Tomus ad Flavianum Nr. 85–88 Silva-Tarouca (= ACO II/2/1, 27, 24–28, 6 Schwartz; ACO IV/1, 169, 20–26 Straub) = ep. 28, 4 (PL 54, 765B–767A); die Passage steht im »Denzinger-Schönmetzer« (=DH) als Nr. 294. − A. Chavasse führt in der Einleitung zu seiner Edition Leonis Magni . . . tractatus (CChr.SL 138, 1972, CLIII) die Stücke der Predigten Leos auf, welche dessen Sekretär Prosper von Aquitanien in die Epistula ad Flavianum eingefügt hat. Sermo/Tract. 22 stamme aus der ersten, 441 veröffentlichten Predigtsammlung. Sowohl in den anderen Predigten als auch in etlichen Briefen finden sich zahlreiche Stellen, die eine − jedesmal neu formulierte − Version einiger noe¨tianischer Antithesen zu sein scheinen. 315 Die »Nachklänge« der Antithesen kann man z. B. in der Professio fidei Anastasius’ II. (497) (Coll. Avell. 81 [CSEL 35, 225–229 Guenther]), im Canon 4 des Concil. Lateranense (a. 649) (ACO Ser. II, I, 371 Riedinger), im Canon 8 des Concil. Toletanum XIV (a. 684)
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Acta Iohannis, Kap. 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch?
Brücke zur Theologie des Mittelalters, seine unumstößliche Lehrautorität bezeugen mehrfach Päpste.316 Wie weit verbreitet die Kenntnis dieses Texts war, zeigen die Worte des Glaubensbekenntnisses, das der gelehrte mönchische Verfasser des Ludus de Antichristo (a. 1155?) den am Ende des Dramas auftretenden Propheten Henoch und Elia in den Mund legt, und dessen christologische Antithesen an Formulierungen Leos erinnern.317 − Werner Elert findet bei Luther eine Zuspitzung der altkirchlichen Christologie. Zu dessen Äußerungen über die derelictio (Mt 27, 46) erklärt er: »Das ist die theopaschitische Formel.«318 Die besonders ausgeprägte Idiomenkommunikation, die Luther vorträgt,319 hat jedenfalls ihre theologische Basis, ebenso wie die altkirchliche theopaschitische Formel Deus passus est, letztlich in den (unerkannten) paradoxen Antithesen des Noe¨t, auch wenn eine Brücke von Luther zu den Kirchenvätern schwerlich nachweisbar ist.320 Weil eine persönliche Lektüre der Briefe des Papstes Leo, welche Luther mehrfach anführt,321 nicht sicher vorausgesetzt werden kann,322 bleibt auch offen, ob er die Predigten Leos De (Martı´nez Dı´ez/Rodrı´guez, La Coleccio´n cano´nica Hispana VI, 283 f.) vernehmen. A. Chavasse hat die Zitationen der Sermones Leos im 8. und 9. Jh. untersucht und das Ergebnis in der oben (Anm. 314) genannten Einleitung seiner Edition (p. CLV-CLXXIV) mitgeteilt. Als markantes Beispiel sei aus seiner Liste (p. CLVIII) Rabanus Maurus, Hom. 5, Item in natale Domini, genannt: PL 110, 16A-B steht der antithetische Passus aus Leos Tract. 22. 316 Siehe z. B. Hormisdas (514–523), Johannes II. (533–535), Gregor d. Gr. (590–604), Leo II. (682–683). 317 Ludus de Antichristo, hg. von G. Vollmann-Profe, II: Edition und Übersetzung, Göppingen 1981, S. 38, Z. 329–40, 350. 318 W. Elert, Die theopaschitische Formel (wie oben Anm. 304), Sp. 203. 319 S. dazu R. Schwarz, Gott ist Mensch. Zur Lehre von der Person Christi bei den Ockhamisten und bei Luther, ZThK 63, 1966, 289–351; knapp, aber präzis N. Slenczka (Zweinaturenlehre, in: A. Beutel [Hg.], Luther Handbuch, Tübingen 12005, 385–392), der dafür u. a. auf Stellen in Luthers Disputation »de divinitate et humanitate Christi« (WA 39 II, 100–105) und »Von den Konziliis und Kirchen« (WA 50, 592–592) verweist. 320 Luther weiß sich zwar, wie R. Schwarz im genannten Aufsatz 288–292 belegt, in seiner Christologie in Übereinstimmung mit der fides catholica und den Kirchenvätern, aber »eine regelrechte Abhängigkeit« von ihnen hält Schwarz für »ziemlich ausgeschlossen« (313 Anm. 94). So könnte man z. B. in der Schrift »Von den Konziliis und Kirchen«, in der sich Luther bei seiner Diskussion der Häresie des Nestorius und Eutyches auf Leos Epistula ad Maximum Antiochenum episcopum (ACO II/4, 72–75 Schwartz [= ep. 119 (PL 54, 1041– 1046)]) beruft (WA 50, 594, 7 f.), Übereinstimmungen mit Leo, bei prononcierten Äußerungen zur Idiomenkommunikation (»der selbige Gott sey geborn und gestorben«, ebd., 597, 9 f.) sogar bewußte Abweichungen von Leos Worten finden (vgl. ebd., 595, 35– 596, 10 und PL 54, 1042 B); aber ob dies auf persönliche Lektüre oder Übernahme aus einer konsultierten Kirchengeschichte zurückgeht, ist schwerlich zu ermitteln. − Daß Luther in seiner Christologie und Idiomenlehre »hart an den Monophysitismus« herankam und in der Trinitätslehre »dem Modalismus naherückte«, sagt ein hervorragender Kenner der antiken Theologiegeschichte und Luthers: K. Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte I. Luther, Tübingen 61932, 71 f. 321 Siehe das »Hauptregister« WA 63, 324. 322 Siehe Anm. 320. − Die Herausgeber erklären in »Von den Konziliis und Kirchen«,
III. Konklusion. 2. Fazit und Ausblick
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nativitate Domini gelesen hat, die er in einer Randbemerkung zu den Sententiae des Petrus Lombardus notiert.323 Im Sermo 22 De nativitate Domini steht, wie oben dargelegt,324 die lateinische Version der Antithesen Noe¨ts, die Leo, weil sie ihm offenbar sehr wichtig war, im selben Wortlaut in den Tomus ad Flavianum herübernahm und die er in Predigten und Briefen (abgekürzt) oft in Variationen wiederholte. Wie dem auch sei, ob Luther die von ihm angegebenen Predigten und Leos Version der Antithesen Noe¨ts nun gelesen hat (und sich vielleicht auch davon bei der Formulierung der Idiomenkommunikation hat inspirieren lassen), mögen die Spezialisten erkunden. Den Weg von dem damaligen Streit um die Idiomenkommunikation durch die Jahrhunderte zu den Christologien des leidenden oder mit-leidenden und den Erlösungstod am Kreuz sterbenden Gottes der modernen Theologiegeschichte mag man an Hand der Kenner dieser Zeit nachvollziehen.325 Mir ist jedenfalls nicht zweifelhaft, daß der noe¨tianische Monarchianismus, der als »Sabellianismus« von der Antike bis in die Gegenwart verurteilt oder abgelehnt worden ist, sich immer wieder in bestimmten Christologien durchgesetzt hat. Das christologische Problem, das der Monarchianismus in Paradoxien zu fassen suchte, ist m. E. nie gelöst worden. Die verschiedenen Traditionslinien in der Antike und in der Moderne, die hier nur grob skizziert werden konnten, im einzelnen zu erforschen (und die These zu bestätigen, zu korrigieren oder zu verwerfen), muß zukünftigen Studien überlassen bleiben. WA 50, 593, Anm. b, daß Luther Leos Briefe »schon in einer Sonderausgabe gehabt haben« mag, und erwähnen die »Ed. princ. der Werke Leos: Rom 1470«, fügen jedoch hinzu: »sonst fand er sie auch bei Crabbe, dessen Konzilienwerk eine weitere Hauptquelle Luthers für seine Behandlung des Chalcedonense bildet.« 323 (Auctore R. Kany:) Luther annotiert zum vagen »ait Leo papa« des Petrus Lombardus (Sententiae lib. III, dist. 15, c. 1, 4 [SpicBon 53, 93, 25]): »ser[mo] de nati[vitate] domini«, was er jedoch aus den Randnotizen »(Leonis pape) in sermone de nativitate domini« der von ihm benutzten Erfurter Exemplare der Sentenzen-Drucke Basel 1486 und Basel 1489 zu übernehmen scheint (M. Luther, Erfurter Annotationen 1509–1510/11, hg. von J. Matsuura, Köln/Weimar/Wien 2009, XVII u. 531 m. Anm. 1, ersetzt WA 9, 88, 34). Das Zitat, das der Lombarde anschließend bringt, ist im exakten Wortlaut bei keinem Kirchenvater nachweisbar, am nächsten kommt Leo, Sermo 63 (De passione domini), 4 (CChr.SL 138A, 384, 58 f. Ch.), wie die Editoren PP. Collegii S. Bonaventurae Ad Claras Aquas vermerken (SpicBon 53, 93, Anm. 6), doch weist Matsuura mit Recht auch auf Sermo 21 (De natale domini), 1 (CChr.SL 138, 85 f., 14–20 Ch.) hin. 324 Siehe oben Anm. 314. 325 Dazu knapp und mit Quellenbelegen von der Antike bis in die Gegenwart: H. U. von Balthasar, Theodramatik IV. Das Endspiel, Einsiedeln 1983, 191–222. − W. Löser, Trinitätstheologie heute. Ansätze und Entwürfe, in: W. Breuning (Hg.), Trinität. Aktuelle Perspektiven der Theologie, QD 101, Freiburg/Basel/Wien 1984, 19–45. − J. Rohls, Mensch versus Gott − Die Entzauberung des christologischen Dogmas, in: J. Rohls/ L. Mödl/G. Wenz (Hg.), Das Wesen des Christentums, Göttingen 2003, 231–257; ders., Protestantische Theologie der Neuzeit I und II, Tübingen 1977. − R. Kany, Augustins Trinitätsdenken. Bilanz, Kritik und Weiterführung der Forschung zu »De trinitate«, STAC 22, Tübingen 2007, 369–392, zu der mit der christologischen Frage eng verbundenen Trinitätstheologie maßgeblicher moderner Theologen, samt »Metakritik«.
Zweiter Teil
Dogma im Werden
Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern Die wahrscheinlich für seinen Bruder Petrus bestimmte Abhandlung Gregors de differentia usiae et hypostaseos hat in der dogmengeschichtlichen Literatur bis heute ein merkwürdiges Schicksal. Obwohl A. Cavallin schon 1944 in seinen »Studien zu den Briefen des hl. Basilius« diesen als ep. 38 des Basilius umlaufenden Traktat als Eigentum des Gregor erwiesen hat,1 haben die Patrologen und Dogmenhistoriker bis auf wenige Ausnahmen davon keine Kenntnis genommen.2 Die Geschichte dieser Schrift, die von einer nur relativ schwachen handschriftlichen Tradition dem Gregor zugewiesen wird3 und von den Mauriner Editoren der Basilius-Werke J. Garnier und P. Maran (1721–30) vorerst endgültig unter die Briefe des Basilius eingereiht wurde, hat A. Cavallin im Abriß dargestellt. Er diskutiert auch die Argumente der Benediktiner für die Zuschreibung des Briefes an Basilius, die von den folgenden Herausgebern Migne, R. J. Deferrari (1926–34) und jetzt auch Y. Courtonne4 und fast durch1 A. Cavallin, Studien zu den Briefen des hl. Basilius, Lund 1944, 71–81; zustimmend S. Y. Rudberg, E´tudes sur la tradition manuscrite de saint Basile, Lund 1953, 138. 2 Nur ein paar der wichtigsten neueren Arbeiten seien aufgeführt. Als Werk des Basilius behandeln die Schrift: J. Lebon, Le sort du »consubstantiel« nice´en II, RHE 48, 1953, 632– 682; hier 636 Anm. 2; 652 Anm. 2; 657 Anm. 2; 671–681 passim; C. Andresen, Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen Personbegriffes, ZNW 52, 1961, 1–39, hier 31, Anm. 63; A.-M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol. Studien zur Geschichte und Theologie des II. Ökumenischen Konzils, FKDG 15, Göttingen 1965, 282, Anm. 1 und öfter; A. Adam, Lehrbuch der Dogmengeschichte I: Die Zeit der Alten Kirche, Gütersloh 1965, 236 f. − G. L. Prestige, God in Patristic Thought, London 21952, Index S. 309, läßt die Frage offen. H. Dörries, De Spiritu Sancto. Der Beitrag des Basilius zum Abschluß des trinitarischen Dogmas, AAWG.PH 3. Folge Nr. 39, Göttingen 1956, 140, Anm. 1, spricht Basilius die Epistel ab, eine seltene Ausnahme! Bezeichnenderweise fehlt de diff. usiae et hypostaseos auch in der neuen von W. Jaeger und Nachfolgern veranstalteten Ausgabe der Werke Gregors. 3 A. Cavallin, Studien (wie Anm. 1), 71; weitere Angaben jetzt bei H. Hörner, Über Genese und derzeitigen Stand der großen Edition der Werke Gregors von Nyssa, in: E´criture et culture philosophique dans la pense´e de Gre´goire de Nysse, Actes du colloque de Chevetogne (22–26 septembre 1969), e´dite´s par M. Harl, Leiden 1971, 32, Anm. 2. 4 Saint Basile, Lettres, t. I-III, texte e´tabli et traduit par Y. Courtonne, CUFr, Paris 1957–1966. Der Traktat de diff. usiae et hypost. findet sich als ep. 38 in t. I, pp. 81–92, der Verweis auf die Benediktiner ebd. p. 81. − Im Folgenden wird de diff. der Bequemlichkeit halber immer als »ep. 38« dieser Ausgabe zitiert.
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
weg ebenfalls von der patristischen Literatur, soweit sie sich überhaupt mit der Frage auseinandergesetzt hat, übernommen wurden.5 Im vorigen Jahrhundert haben sich m.W. nur H. Ritter, und dieser mit beachtlichen Gründen, in seiner »Geschichte der christlichen Philosophie« (1841), I. A. Dorner (1845) und A. Dorner (1899) für Gregor als Verfasser erklärt.6 F. Loofs hielt die Frage der Autorschaft auf Grund der völligen Übereinstimmung der Trinitätslehre der Kappadozier für nicht entscheidbar.7 Wir werden sehen, was sich dazu ausmachen läßt. A. v. Harnack zitiert in seiner Dogmengeschichte das Werkchen auf ein und derselben Seite einmal als Brief des Basilius, sodann als Traktat Gregors.8 Die Liste der pro und contra Optierenden ließe sich noch weiter fortsetzen, aber dies bringt wenig Gewinn, solange neue Argumente nicht auftauchen. Deswegen sei nur noch vermerkt, daß A. Tuilier (1961), ohne dies aber weiter zu explizieren, die Zuschreibung an Gregor für philologisch unbegründet betrachtete.9 E. Mühlenberg (1966) wiederum glaubte, den Traktat dem Gregor aus philosophischen Gründen absprechen zu müssen, hat seine Argumente aber inzwischen zurückgezogen.10 Immerhin war sein Versuch nur unter der Voraussetzung möglich, daß die kappadozische Trinitätstheologie so einheitlich nicht ist, wie man gemeinhin annimmt, daß es vielmehr charakteristische Unterschiede gibt, die eine Trennung der Schriften und Lehren erlauben. 5
A. Cavallin, Studien (wie Anm. 1), 71–73. Die Gründe der Benediktiner (PG 31, 325 C) sind außer dem Zeugnis der Hss eine angebliche Berufung des Konzils von Chalkedon auf diesen Brief (ACO II/1/3, 112, 29–32 Schwartz), von der schon O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur III, Freiburg 21923 = Nachdruck, Darmstadt 1962, 155, Anm. 1, erkannt hat, daß sie weit besser auf ep. 125 paßt; sodann die Behauptung: Stylus Basilii fetum esse clamitat. Ihrer Widerlegung widmet A. Cavallin die folgenden Seiten. 6 H. Ritter, Geschichte der Philosophie VI (= Geschichte der christlichen Philosophie II), Hamburg 1841, 88, Anm. 1: »mir scheint sie [sc. »ep. 38«] vielmehr den Stil des Gregorius von Nyssa zu verrathen; auch die logische und sehr stark dem Physischen sich zuwendende Haltung spricht für den letzteren, die Übereinstimmung mit der Schrift gegen die Griechen zu geschweigen«. − I. A. Dorner, Entwicklungsgeschichte der Lehre von der Person Christi in den ersten vier Jahrhunderten. Dritte Abtheilung, Stuttgart 1845, 915–922; A. Dorner, Grundriß der Dogmengeschichte. Entwickelungsgeschichte der christlichen Lehrbildungen, Berlin 1899, 154, Anm. 4. 7 F. Loofs, Art. Gregor von Nyssa, RE3 VII, 1899, 152, 30–33: Gregors Trinitätslehre »deckt sich mit der des Basilius und des Gregor v. Nazianz so völlig, daß bei den Schriften [sc. ad Eustathium, de sancta trinitate; de differentia substantiae et hypostaseos und ep. ad Evagrium de divinitate] für die Autorschaft eines der drei und gegen die der beiden anderen dogmengeschichtliche Gründe nicht beizubringen sind«. Etwas weiter oben (148, 7–10) hatte er den Argumenten der Mauriner zugestimmt. 8 A. (von) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte II: Die Entwickelung des kirchlichen Dogmas I, Tübingen 41909 = reprogr. Nachdruck, Darmstadt 1964, 264, Anm. 1: ep. 38 des Basilius; 264, Anm. 5: Abhandlung Gregors περι` διαφορα῀ς ου᾽σι´ας και` υ῾ποστα´σεως. 9 A. Tuilier, Le sens du terme ο῾μοου´σιος dans le vocabulaire the´ologique d’Arius et de l’Eˆcole d’Antioche, StPatr 3 = TU 78, Berlin 1961, 430, Anm. 1. 10 Zu E. Mühlenberg siehe weiter unten Anm. 137.
Einleitung
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In der Tat, will man über die fast klassisch gewordene Darstellung der Trinitätslehre der Kappadozier durch K. Holl (1904) hinausgelangen, was weder J. Lebon in seiner sonst gründlichen Arbeit noch A.-M. Ritter gelungen ist,11 so wird man da einzusetzen haben, wo sie ihre Begriffe definieren. Solange man der kappadozischen Formel μι´α ου᾽σι´α-τρει῀ς υ῾ποστα´σεις nur eine Einheitsinterpretation angedeihen läßt, wird es eine klare Erkenntnis des allmählichen Werdens und der verschiedenen Fortgestaltung der Trinitätstheologie der drei Väter nicht geben. Sucht man dagegen ihre Definitionen von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις auf, bemüht man sich, sorgfältig den jeweiligen philosophischen Hintergrund zu ermitteln und zu vergleichen, so zeigen sich erstaunliche Unterschiede, die es ermöglichen, den je eigenen Weg dieser Männer zu erkennen, den sie zur Lösung der gemeinsamen Problematik eingeschlagen haben, ihre Anfänge, ihre Rückschläge und ihr Wachstum bei diesem Unternehmen zu registrieren und schließlich unter ihrer Führung Einsichten in die Tragweite theologischer Spekulation zu gewinnen, die einem bei pauschaler Betrachtung durchaus versagt bleiben, aber unschätzbare Hilfe bei der interpretierenden Verwaltung der Tradition leisten können. Es mag den Anschein haben, als würde hier zu viel versprochen. Und vielleicht ist dem auch so. In diesem kleinen Beitrag jedenfalls wird sich die angedeutete Sicht nicht voll eröffnen lassen. Aber der Versuch muß gemacht werden. Eine Untersuchung des Traktats de diff. usiae et hypost. bietet uns die Möglichkeit, mehr Licht in die Anfänge der Trinitätstheologie Gregors zu bekommen. Sie soll so angelegt werden, daß sie zugleich neue und im Unterschied zur Arbeit A. Cavallins12 mehr philosophisch-dogmatische Gründe für 11 K. Holl, Amphilochius von Ikonium in seinem Verhältnis zu den großen Kappadoziern, Tübingen/Leipzig 1904 = Nachdruck Darmstadt 1969. Auch K. Holl behandelt (S. 129–158 passim) »ep. 38« als Schrift des Basilius. Für J. Lebon und A.-M. Ritter s. oben Anm. 2; gemeint ist Ritters »Exkurs IV: Zum Homousios von Konstantinopel« (270–293); siehe dazu noch unten Anm. 61. 12 A. Cavallin, Studien (wie Anm. 1), 73–79, hatte vor allem folgende Argumente zugunsten einer Autorschaft Gregors angeführt: Die in naturwissenschaftliche Einzelheiten gehende Ausführung des Regenbogengleichnisses mit der Einleitung (ep. 38, 5 [CUFr I, 87, 10 Courtonne]): ο῞ φασιν οι῾ περι` ταυ῀τα δεινοι` . . . (für die man freilich auch Parallelen bei Basilius beibringen könnte, vgl. z. B. hom. in hex. III, 7, 69 B (SC 26bis, 224 Giet [GCS NF 2, 50, 13 Amand de Mendieta/Rudberg]; de spir. s. XVII, 41 (SC 17bis, 392, 6 Pruche); die äußerst häufige Verwendung von λο´γος; »die große Anzahl der Adverbien auf -ως«; die »starke Vorliebe für ungewöhnliche und neugebildete Wörter«; schließlich »auffällige phraseologische Übereinstimmungen zwischen Brief 38 und den Schriften« Gregors, die aber oft nur zwei Wörter betreffen und ausnahmslos so allgemein sind (z. B. ep. 38, 4 [I, 84, 17 f. C.]): α᾽λλα´ τι´ς ε᾽στι δυ´ναμις α᾽γεννη´τως και` α᾽να´ρχως υ῾φεστω ῀ σα und c. Eun. I, 490 [GNO I2, 168, 13 Jaeger]: α᾽γεννη´τως υ῾φεστα´ναι), daß sie ähnlich nicht nur bei Basilius, sondern häufig auch im übrigen zeitgenössischen trinitätstheologischen Schrifttum nachgewiesen werden können. Cavallins Beweispunkte zeigen wohl, daß nichts gegen Gregor als Verfasser dieses Briefes spricht, aber weder seine stilistischen noch theologischen Parallelen sind so spezifisch, daß sie zwingen, Basilius den Brief abzusprechen und Gregor eindeutig zuzuweisen. Die Häufigkeit bestimmter Stileigentümlichkeiten allein ist kein hinreichender Beweis. In
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
die Verfasserschaft Gregors beibringt und also auch den ου᾽σι´α-Begriff des Basilius in seiner charakteristischen Besonderheit gegenüber dem Gregors herausstellt.13 In einem ersten Teil soll aufgezeigt werden, daß der Traktat nicht von Basilius stammen kann, weil er einen Vergleich enthält, der den Autor in den Verdacht des »Sabellianismus« bringen muß, und weil der in ihm definierte Begriff der ου᾽σι´α gänzlich von dem sonst bei Basilius anzutreffenden verschieden ist; in einem zweiten Teil wird der Nachweis versucht, daß die Abhandlung von Gregor herrührt, weil ihr ου᾽σι´α-Begriff mit dem in Gregors Schriften übereinstimmt und sich die Terminologie von ep. 38, 2. 3 wörtlich mit der von Gregors Schrift de hominis opificio c. 16 deckt. Ein Vergleich des Aufbaus dogmatischer Argumente des Traktats mit Stellen aus ad Ablabium und einige Überlegungen zur Chronologie der kleinen trinitarischen Schriften Gregors schließen sich an, um das Bild abzurunden. 1. a. Der Brief kann nicht von Basilius stammen, weil er einen Vergleich enthält, der den Autor in den Verdacht des »Sabellianismus« bringen muß. In Paragraph 7 der Epistel bringt der Verfasser, um die paulinische Bezeichnung Christi als α᾽παυ´γασμα τη῀ς δο´ξης και` χαρακτη`ρ τη῀ς υ῾ποστα´σεως (Hebr. 1, 3) zu erklären, ein Beispiel aus der Körperwelt, das die Einheit des Sohnes mit dem Vater erläutern soll. Er sagt:
keinem der von Cavallin angeführten Fälle kann man sicher sein, daß Basilius nicht auch so hätte reden können. Die Fortentwicklung der trinitarischen Spekulation im Hinblick auf den Ausgang des Geistes (ep. 38, 4 [I, 84–85, 19–31 C.]), die A. Cavallin (79–80) noch als theologisches Argument für Gregors Autorschaft geltend macht, ist ein zu delikater und, was die Position des Basilius anbelangt, immer noch zu umstrittener Sachverhalt, als daß sie zum Kriterium der Zuschreibung gemacht werden könnte. Gregor expliziert in ep. 38, 4 und an den als Parallelen von A. Cavallin angeführten Stellen den Ausgang des Geistes in teilweise wörtlichem Anschluß an das Symbol des Gregor Thaumaturgus (vita Gregorii Thaum., PG 46, 912 D [GNO X/1, 18 Heil] ), das nach des Basilius eigenem Zeugnis (ep. 204, 6; 223, 3) der Ausgangspunkt und das Fundament auch seiner eigenen Theologie war! (Dazu K. Holl, Amphilochius [wie Anm. 11], 116–119). − Man versteht wohl, daß die Philologen sich nicht überzeugt zeigen. Will man den Traktat dem Gregor mit mehr Recht zuweisen, als es bisher geschehen ist, so muß darin etwas gefunden werden, was schlechterdings mit der Position des Basilius nicht vereinbar oder in seinem Munde nur schwer vorstellbar ist, und es muß die Übereinstimmung nicht nur einzelner Phrasen, sondern ganzer Gedankengänge der »ep. 38« mit Gregor aufgewiesen werden. 13 Im Folgenden wird in überarbeiteter Form eine nicht veröffentlichte Communication aufgenommen, die auf der Fifth International Conference on Patristic Studies, Oxford, 18– 23 September 1967, unter dem Titel: »Der Autor der sog. ep. 38 des Basilius von Caesarea: Gregor von Nyssa. Neue Gründe für seine Verfasserschaft« vorgetragen wurde. Zugleich werden Teile des Master Theme: »Aristotelische oder stoische Logik in der Trinitätslehre Basilius des Großen?«, Sixth International Conference on Patristic Studies, Oxford, 6–11 September 1971, verarbeitet. Eine knappe Zusammenfassung meiner Argumente für die Autorschaft Gregors findet sich im Beitrag: »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra«, in: Actes du colloque de Chevetogne (s. oben Anm. 3), 207 Anm. 2.
1. a. Basilius unterscheidet die Hypostasen deutlicher
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»Wie nämlich der Körper überhaupt nur in einer Gestalt anzutreffen ist, aber doch der Begriff der Gestalt und der Begriff des Körpers jeweils ein anderer ist, und niemand, der die Definition eines jeden von ihnen gäbe, auf die Definition gerade des anderen verfiele, die Natur hingegen doch, auch wenn du im Denken die Gestalt vom Körper unterscheidest (κα῍ν λο´γωͺ διακρι´νης ͺ το` σχη ῀ μα του῀ σω´ματος), diese Unterscheidung nicht duldet, sondern das eine zusammen mit dem anderen wahrgenommen wird, so glaubt auch der Apostel, daß es sein müsse: Auch wenn die Glaubenslehre den Unterschied der Hypostasen unvermischt und wohlgetrennt lehrt, so stellt er doch auch mit seinen Worten (sc. Hebr. 1,3) die Zusammengehörigkeit und gleichsam Verwachsenheit des Eingeborenen mit dem Vater dar, nicht als ob nicht auch der Eingeborene in einer Hypostase wäre, sondern weil er keine Vermittlung seiner Einigung mit dem Vater kennt.«14
Der Verfasser der »ep. 38« vergleicht also die Unvermitteltheit der Einheit zwischen Vater und Sohn mit der konkreten Einheit eines Körpers und seiner Gestalt. Und er vergleicht − dies ist der springende Punkt − die Unterschiedenheit des Vaters vom Sohn, d. h. des Vaters als Hypostase vom Sohn als Hypostase, mit der rein gedanklichen oder begrifflichen Unterschiedenheit des Körpers von seiner Gestalt (κα῍ν λο´γωͺ διακρι´νης ͺ το` σχη ῀ μα του῀ σω´ματος). Die Tendenz dieses Vergleiches erhellt schlagartig, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß für Basilius und Gregor von Nyssa die Eigenschaften des materiellen Körpers nur begrifflich (λο´γω, ͺ τη ῀ͺ κατ ᾽ ε᾽πι´νοιαν διαιρε´σει, τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ς ε᾽πινοι´ας) von ihrem Substrat getrennt werden können, ihnen aber, für sich genommen, keinerlei Sein außerhalb des Gedachtseins zukommt. Nehmen wir zuerst einen Text aus Gregors Schrift de hominis opificio 24, der mit dem Stück aus ep. 38, 7 bis in die Formulierungen hinein parallel geht: »Wir werden finden, daß die Materie ganz aus bestimmten Qualitäten besteht, so daß sie, würde sie deren entblößt, für sich genommen nirgends dem Denken faßbar wäre. Aber doch wird jede Art Qualität im Denken vom Substrat getrennt (α᾽λλα` μη`ν ε῞καστον ποιο´τητος ει῏δος λο´γωͺ του῀ υ῾ποκειμε´νου χωρι´ζεται) . . . Ist zum Beispiel irgendein Lebewesen oder ein Holz(stück) oder irgend etwas anderes Materielles Gegenstand der (wissenschaftlichen) Betrachtung, so erkennen wir am Substrat in begrifflicher Unterscheidung vielerlei, dessen Begriff jeweils in Bezug auf das, was zugleich mitwahrgenommen wird, unvermischt bleibt (πολλα` περι` το` υ῾ποκει´μενον τη῀ͺ κατ᾽ ε᾽πι´νοιαν διαιρε´σει κατενοη´σαμεν, ω῟ν ε῾κα´στου προ`ς το` συνϑεωρου´μενον α᾽μι´κτως ο῾ λο´γος ε῎χει). Denn ein anderer ist der Begriff der Farbe, ein anderer der der Schwere und wiederum der der Quantität und der jener qualitativen Eigenschaft, die dem Tastsinn unterliegt. Denn die Weichheit, wie die Doppelelligkeit und die übrigen der genannten (Qualitäten) stimmen hinsichtlich des Begriffs (κατα` το`ν λο´γον) weder untereinander noch mit dem Körper überein«.15
Den letzten Gedanken führt Gregor anschließend noch weiter aus und betont noch einmal, daß »es einen Körper nicht gibt, dem die Farbe, die Gestalt, der Widerstand, die Räumlichkeit, die Quantität und die übrigen Eigenschaften fehlen, von denen jede einzelne ihrer Eigentümlichkeit nach nicht Körper, sondern etwas anderes als der Körper ist«.16 14
Ep. 38, 7 (CUFr I, 91, 27–39 C.). Hom. op. 24 (PG 44, 212 D–213 A). 16 Hom. op. 24 (PG 44, 213 B). 15
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
Die hier vorgetragene Auffassung, daß die Qualitäten des materiellen Körpers sich nur im Bereich des Denkens, als Begriffe, nicht aber im Bereich der körperlichen Wirklichkeit von ihrem Substrat sondern lassen, stimmt durchaus mit ep. 38, 7 überein. Gregor wiederholt dieselbe Ansicht mehrfach in Schriften, die derselben Schaffensperiode angehören.17 Wir finden sie ebenso bei Basilius.18 Die philosophischen Quellen dieses Materie-Begriffs stehen hier nicht zur Diskussion.19 Ausschlaggebend für die Interpretation des Vergleichs 17 Vgl. hex. (PG 44, 69 C): die Qualitäten für sich genommen sind nicht υ῞λη, sondern ε῎ννοιαι . . . και` ψιλα` νοη´ματα [GNO IV/1, 16, 9 Drobner: ε῎ννοιαι . . . ψιλαι` και` νοη´ματα]. − de an. et res. (PG 46, 124 C-D). − c. Eun. I (GNO I2, 80, 4–7 J.): . . . τα`ς τω ῀ ν ποιοτη´των η῍ τα`ς τω ῀ ν ι᾽διωμα´των διαφορα´ς, ο῞σαι περι` τη`ν ου᾽σι´αν τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ ς ε᾽πινοι´ας καταλαμβα´νονται, α῎λλο τι παρα` το` υ῾ποκει´μενον ου῏σαι. − de virg. 11 (GNO VIII/1, 292, 1–5 Jaeger).
18 Basil., in hex. I, 8; VI, 3 (SC 26bis, 120–122; 336 G. [GCS NF 2, 15, 9; 91, 20 ῀ͺ λο´γω, ͺ τη ῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ trennbar. Vgl. M./R.]): die Qualitäten sind vom materiellen Substrat τω adv. Eunom. I, 6 (PG 29, 524 A [SC 299, 184, 27; 186, 30 Sesboüe´/de Durand/ Doutreleau] ). 19 Es genügt für die Interpretation festzustellen, was Basilius unter einer Unterscheidung τη ῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ verstanden hat. Er trifft sich hierin mit der seit Poseidonius in der stoischen Philosophie üblichen Unterscheidung ε᾽πινοι´αͺ − υ῾ποστα´σει, der im späteren Peripatos die Formel λο´γωͺ − υ῾ποστα´σει entspricht. Das Poseidoniuszeugnis lautet nach Arius Didym., frgm. ῀ ν ο῞λων ου᾽σι´αν και` phys. 20 (458, 8–11 Diels, Doxogr.): ῎Εφησε δε` ο῾ Ποσειδω´νιος τη`ν τω
υ῞λην α῎ποιον και` α῎μορφον ει῏ναι, καϑ᾽ ο῞σον ου᾽δε`ν α᾽ποτεταγμε´νον ῎ιδιον ε῎χει σχη ῀ μα ου᾽δε` ποιο´τητα καϑ᾽ αυ῾τη´ν. α᾽ει` δ ᾽ ε῎ν τινι σχη´ματι και` ποιο´τητι ει῏ναι. διαφε´ρειν δε` τη`ν ου᾽σι´αν τη ῀ ς υ῞λης τη`ν ου῏σαν κατα` τη`ν υ῾πο´στασιν ε᾽πινοι´αͺ μο´νον. Siehe H. Dörrie, ῾Υπο´στασις. Wort- und
Bedeutungsgeschichte, NAWG Phil.-hist. Kl. 1955, 3, Göttingen 1955, 56–61, mit Belegen und Lit. − Berühmt ist die Stelle bei Porphyrius, Isagoge 1 a 9–12 (CAG IV/1, 1, 10–13 Busse), die den mittelalterlichen Streit um die Existenz der Allgemeinbegriffe ausgelöst hat: . . . περι` τω ῀ ν γενω ῀ ν τε και` ει᾽δω ῀ ν το´ με`ν ει῎τε υ῾φε´στηκεν ει῎τε και` ε᾽ν μο´ναις ψιλαι῀ς ε᾽πινοι´αις κει῀ται . . . παραιτη´σομαι λε´γειν . . . − Auf die Rolle, die möglicherweise ein Text des Aristotelikers Alexander v. Aphrodisias, de anima (CAG Suppl. II/1, 6, 17–20 Bruns: . . . τη῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ και` τω ῀ͺ λο´γωͺ τη`ν υ῞λην του῀ ει῎δους χωρι´ζομεν ου᾽κ ου῏σαν χωριστη´ν . . .) bei der Unterscheidung der zwei Naturen in der Christologie des Andreas von Samosata gespielt haben könnte, hat L. Abramowski, Peripatetisches bei späten Antiochenern, ZKG 79, 1968, 358–362, hingewiesen. Bei Alexander v. Aphr. findet sich als Äquivalent für die Trennung der υ῞λη vom ει῏δος τη῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ der Ausdruck τη῀ͺ νοη´σει μο´νηͺ (de anima [CAG Suppl. II/1, 4, 4–11 B.]). In allen angeführten Texten bedeutet eine Trennung τη῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ begriffliche oder gedankliche Scheidung im Gegensatz zu einer Trennung im konkreten Sein. − Der Materie-Begriff der Kappadozier bedarf dringend einer gründlichen Untersuchung. Was K. Gronau bietet, der u. a. auf die im Timaioskommentar des Calcidius c. 288–310 [Plato Latinus IV, 292–311 Waszink] mitgeteilten aristotelischen und stoischen Traditionen, auf Poseidonius und Plotin, Enn. I, 8, 10; II, 4, 1–16; III, 6, 16–17, verweist (»Poseidonios und die jüdisch-christliche Genesisexegese«, Leipzig/Berlin 1914, 22–24. 112–115), kann nur als erste Materialsammlung dienen. − A. H. Armstrong, The Theory of the NonExistence of Matter in Plotinus and the Cappadocians, StPatr V = TU 80, Berlin 1962, 427– 429, vermutet, daß Basilius auf die dargelegte Theorie in Plotin, Enn. II, 4, gestoßen ist, wo sie als Objektion vorgebracht wird, und es für nützlich befunden haben könnte, sie zum Beweis der Schöpfung der Materie aus dem Nichts zu verwenden. Gleichwohl bleibt die Beziehung zur Stoa noch näher zu bestimmen. Daß jedoch der Materie-Begriff des Poseidonius im oben zitierten Text − entgegen meinem Votum im paper, Oxford 1967 − von dem der Kappadozier zu unterscheiden sei, darauf hat mich Prof. A. Schindler, jetzt Heidelberg, brieflich aufmerksam gemacht.
1. a. Basilius unterscheidet die Hypostasen deutlicher
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in ep. 38, 7 ist nur, was Gregor und Basilius unter einer Unterscheidung τω ῀ͺ ῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ verstanden haben. λο´γωͺ und τη Basilius widmet mehrere Paragraphen seines ersten Buches gegen Eunomius diesem Begriff, um dem einseitigen Verständnis des Eunomius zu begegen, für den »das κατ ᾽ ε᾽πι´νοιαν Gesagte nur in Wörtern und in der Aussprache das Sein hat und sich mit den Lauten auflöst«. Eunomius klammere sich an dieses Wort ε᾽πι´νοια nur, so interpretiert Basilius, weil es seiner Meinung nach nichts bezeichne, sondern lediglich im Ausgesprochenwerden realen Bestand (τη`ν υ῾πο´στασιν) habe.20 Aus der anschließenden ausführlichen Erörterung des Begriffs durch Basilius schälen sich zwei Bedeutungen heraus. Der allgemeine Sprachgebrauch kenne folgende Verwendung: 1. Als ε᾽πι´νοια werden Gebilde der Phantasie, der Träume, der Malerei, des Mythos bezeichnet, denen keine Existenz zukommt (α᾽νυ´παρκτα, α᾽νυπο´στατα); sie sind eine Täuschung (ψευ῀δος), bezeichnen aber im Gegensatz zu dem, was Eunomius sagt, gleichwohl etwas, das sich durchaus nicht mit der Aussprache auflöst, ein bloßer flatus vocis ist, sondern im Verstande haften bleibt. Beispiele sind die Kentauren und die Chimäre.21 ε᾽πι´νοια ist hier die menschliche Erfindung oder Einbildung. Dieser erste Wortsinn hat für unseren Zusammenhang keine große Bedeutung. 2. Die vielerlei Aspekte, die an einem für die (sinnliche) Wahrnehmung einfachen und eingestaltigen Gegenstand oder Subjekt (υ῾ποκει´μενον) mittels der präziseren geistigen Analyse unterschieden werden können, heißen ε᾽πινοι´αͺ ϑεωρητα´.22 Sie bezeichnen durchaus etwas, das real am konkret einen Gegenstand ist, aber nur begrifflich vom ihm getrennt, werden kann.23 Als Beispiel führt Basilius den Körper und seine Eigenschaften an, dann auf einem anderen Anwendungsfeld, die verschiedenen Aspekte des Begriffs ›Getreide‹ (Same, Frucht, Nahrung24). Besonders aufschlußreich ist das Beispiel, das er für den ähnlichen Sprachgebrauch der Schrift bringt: er führt die verschiedenen Namen an, die der Herr sich beilegt, um seine göttlichen und menschlichen Eigenschaften zu enthüllen, und schließt: »Wiewohl er doch dem Subjekte nach einer und eine (einzige) einfache und unzusammengesetzte ου᾽σι´α ist, bezeichnet er 20 Basil., adv. Eunom. I, 5 (PG 29, 520 C–521 A [SC 299, 180, 130–182, 137 S./D./D.] ). − Zum philosophiegeschichtlichen Standpunkt des Eunomius und zu dessen Diskussion bei Gregor v. Nyssa siehe J. Danie´lou, Eunome l’arien et l’exe´ge`se ne´o-platonicienne du Cratyle, REG 69, 1956, 412–432. 21 Vgl. adv. Eunom. I, 6 (PG 29, 521 B-C; 524 A-B). 22 Adv. Eunom. I, 6 (PG 29, 521 C; 524 B-C): και` α῾παξαπλω ῀ ς, πα´ντα τα` τη ῀ͺ αι᾽σϑη´σει
γνω´ριμα, και` α῾πλα ῀ με`ν ει῏ναι τω ῀ͺ υ῾ποκειμε´νωͺ δοκου῀ντα, ποικι´λον δε` λο´γον κατα` τη`ν ϑεωρι´αν ε᾽πιδεχο´μενα, ε᾽πινοι´αͺ ϑεωρητα` λε´γεται (524 C [SC 299, 186, 54–188, 57 S./D./D.] ). 23
Vgl. adv. Eunom. I, 7 (PG 29, 525 B-C [SC 299, 184, 25–29 S./D./D.]). Adv. Eunom. I, 6 (PG 29, 524 A; B-C); zum Körper (524 A [SC 299, 184, 25–29 ῀ μα α῾πλου῀ν με`ν ει῏ναι´ φησιν η῾ πρω´τη ε῎ντευξις, ποικι´λον δε` ο῾ λο´γος S./D./D.] ): Οι῟ον το` σω ε᾽πιω`ν δει´κνυσι, τη ῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ αυ᾽το` ει᾽ς τα` ε᾽ξ ω ῟ ν συ´γκειται διαλυ´ων, και` [και` om. S./D./D.] χρω ῀ μα, και` σχη ῀ μα, και` α᾽ντιτυπι´αν, και` με´γεϑος, και` τα` λοιπα´. 24
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
sich einmal so, ein andermal anders, indem er die Benennungen, je nachdem sie sich in den Aspekten (Vorstellungen, Bedeutungen) voneinander unterscheiden, wechselt.«25 Gleichviel also, ob es sich, wie beim Beispiel des Körpers und seiner Eigenschaften, um Seinsanalyse oder ob es sich, wie in den anderen Fällen, um »Aspekte« eines Subjektes handelt, eine Betrachtung τη῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ bedeutet begriffliche Scheidung verschiedener Inhalte an einem dem Sein nach einfachen, unteilbaren, einzigen Subjekt.26 Zwischen der Auffassung des Basilius und der des Gregor ist, was das Beispiel des Körpers und seiner Eigenschaften anbelangt, keine Differenz zu entdecken.27 Damit ist auch deutlich, was es heißt, wenn der Verfasser der »ep. 38« den Unterschied der Hypostasen der Trinität mit einem Unterschied rein gedanklicher Art vergleicht. Das kommt einer Aufhebung der realen Existenz der Hypostasen gefährlich nahe, und eben deswegen ist ein solcher Vergleich bei Basilius schlechthin undenkbar, weil niemand unter den Orthodoxen diese an den »Sabellianismus-Markellianismus« heranrückende Auffassung heftiger bekämpft hat als gerade er.28 Es möge genügen, eine einzige von den zahlreichen Belegstellen für diese Tatsache zu zitieren. In seinem Brief (Nr. 210) an die führenden Männer von Neocaesarea, in dem er die dort ausgebrochene »sabellianische« Häresie bekämpft, bestreitet Basilius den Häretikern29 das Recht, sich auf ihren Gründerbischof Gregorius Thaumaturgus zu berufen, dessen angebliche Worte aus einem »Dialog mit Aelian«30 sie zur Basis ihrer Theologie machen:
25 Adv. Eunom. I, 7 (PG 29, 524 C–525 A): ᾽Αλλ᾽ ε῝ν ω῍ν κατα` το` υ῾ποκει´μενον και` μι´α ου᾽σι´α α῾πλη ῀ και` α᾽συ´νϑετος, α῎λλοτε α῎λλως ε῾αυτο`ν ο᾽νομα´ζει, ται῀ς ε᾽πινοι´αις διαφερου´σας α᾽λλη´λων τα`ς προσηγορι´ας μεϑαρμοζο´μενος (525 A [SC 299, 188, 12–190, 15 S./D./D.] ); vgl. ebd. (525 B [190, 27–29 S./D./D.] ): Και` ου῞τως α῎ν τις τω ῀ ν ο᾽νομα´των ε῞καστον ε᾽φοδευ´ων ποικι´λας ευ῞ροι τα`ς ε᾽πινοι´ας ε῾νο`ς ε῾κα´στου [ε῾κα´στου om. S./D./D.] του῀ κατα` τη`ν ου᾽σι´αν τοι῀ς πα ῀ σιν υ῾ποκειμε´νου − Basilius schließt sich mit diesen Interpretationen des Begriffs
offensichtlich eng an Origenes an, vgl. J. Danie´lou, Orige`ne, Paris 1948, 255–257; H. Crouzel, Orige`ne et la »connaissance mystique«, ML.T 56, Bruges 1961, 389–391; und ders., Gre´goire le Thaumaturge et le Dialogue avec Elien, RSR 51, 1963, 423–424. 26 Dementsprechend bedeutet υ῾ποκει´μενον 1. das seinsmäßige Substrat, das den weiteren Bestimmungen zugrundeliegt, 2. das Subjekt (den Gegenstand) der Wahrnehmung und Aussage. Beide Bedeutungen kommen auch sonst bei Basilius vor und entsprechen dem stoischen Gebrauch, vgl. z. B. Dexippus, in Arist. categ. I, 22 f. (CAG IV/2, 23, 25–24, 4 Busse) = SVF II, 374 von Arnim. 27 Aus der terminologischen Nähe von ep. 38, 7 und Gregors de hom. op. 24 soll hier noch kein Argument für Gregors Autorschaft gemacht werden. 28 Vgl. die Hinweise und Literatur in »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra« = Actes du colloque de Chevetogne (s. oben Anm. 3), 204, Anm. 3. 29 Nach J. Danie´lou, L’Adversus Arium et Sabellium de Gre´goire de Nysse et l’Orige´nisme cappadocien, RSR 54, 1966, 61–66, hier 63, ist Atarbius von Neocaesarea gemeint. 30 H. Crouzel, Gre´goire le Thaumaturge et le Dialogue avec Elien, RSR 51, 1963, 422–431, kommt nach einem sorgfältigen Vergleich der Aussagen des Basilius mit der Theologie der fraglos echten Schriften Gregros zu dem Ergebnis, daß dieser »Dialog« zumindest unter die zweifelhaften Werke Gregors einzuordnen sei.
1. a. Basilius unterscheidet die Hypostasen deutlicher
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»als ob Gregor in einem Glaubensbekenntnis gesagt habe, Vater und Sohn seien zwar dem Begriff nach zwei, der Hypostase nach aber eines« (. . . ω῾ς α῎ρα Γρηγορι´ου ει᾽πο´ντος ε᾽ν ε᾽κϑε´σει πι´στεως Πατε´ρα και` Υι῾ο`ν ε᾽πινοι´αͺ με`ν ει῏ναι δυ´ο, υ῾ποστα´σει δε` ε῞ν).31 Basilius, der den »Dialog« für echt hält, ist der Ansicht, daß Gregor dies nicht als Dogma gelehrt, sondern im Disput (α᾽γωνιστικω῀ς) gewis-
sermaßen ins Unreine formuliert, vielleicht auch ad hominem argumentiert habe.32 Sein Urteil über eine Theologie, die solches ernsthaft vertritt, steht fest: »Wer. . . Vater und Sohn und Heiligen Geist ein einziges vielgesichtiges Ding (ε῝ν πρα῀γμα πολυπρο´σωπον) nennt und eine einzige Hypostase der drei lehrt, was tut der anderes, als daß er die vorzeitige Existenz (υ῞παρξιν) des Eingeborenen leugnet?«33 »Es genügt ja durchaus nicht«, betont er in seiner Stellungnahme, »Unterschiede der Personen aufzuzählen, sondern man muß bekennen, daß jede Person in einer wahren Hypostase existiert (ε᾽ν υ῾ποστα´σει α᾽ληϑινη῀ͺ υ῾πα´ρχον); denn es hatte doch nicht einmal Sabellius ein hypostasenloses (α᾽νυπο´στατον) Gebilde der Personen abgelehnt, wenn er sagte, daß derselbe Gott, dem Subjekt nach einer (ε῞να τω ῀ͺ υ῾ποκειμε´νωͺ ο῎ντα), sich entsprechend den jeweils erge benden Bedürfnissen verwandele und bald als Vater, bald als Sohn, bald als Heiliger Geist die Unterredung führe.«34 Der Text spricht für sich. Basilius urteilt an anderen Stellen im selben Sinne.35 Rein begriffliche Unterscheidung (τη῀ͺ ε᾽πινοι´αͺ) hebt die reale Existenz der drei Hypostasen auf und macht die Trinität zu »einem Ding«, »einer Hypostase«, »einem Subjekt«. Das scheint der Verfasser der »ep. 38« auch sofort gespürt zu haben, denn er fügt eilig der Anwendung seines Gleichnisses hinzu: »nicht daß nicht auch der Eingeborene in einer Hypostase wäre« (ου᾽χ ω῾ς ου᾽κ ο῎ντος ε᾽ν υ῾ποστα´σει και` του῀ Μονογενου῀ς).36 Daß einem so entschiedenen Gegner der bloß begrifflichen Unterscheidung der Hypostasen wie Basilius ein Vergleich in die Feder gekommen sei, der die Dreiheit der Hypostasen gefährdet, ist auszuschließen. Dagegen wissen wir genug von Gregors theologischen und kirchenpolitischen Kontakten mit der Theologie und der Gemeinde des Markell, um ihm einen solchen Vergleich mit Recht zutrauen zu können.37 Ist es Gregor, der den Traktat geschrieben hat, so muß Basilius gestorben sein. Der ganze Brief verrät, wie dieser theologisch ge31
Basil., ep. 210, 5 (CUFr II, 195, 9–11 C.). Vgl. ep. 210, 5 (CUFr II, 195, 11–25 C.). 33 Ep. 210, 3 (CUFr II, 192, 15–18 C.). 34 Ep. 210, 5 (CUFr II, 196, 34–41 C.). Zu dieser Stelle siehe C. Andresen, Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen Personbegriffes (wie Anm. 1), hier 31–32. 35 Vgl. ep. 9, 2 (CUFr I, 38, 16–17 C.); ep. 214, 3 (CUFr II, 204–205, 14–33 C.); ep. 263, 5 (CUFr III, 125, 5–11 C.); hom. 24, 1; 3; 4, contra Sabell., Arium, Anhom. (PG 31, 601 A-B; 604 C–605 B; 609 C); hom. 16, 4, In princ. erat Verb. (PG 31, 480 B-C). 36 Ep. 38, 7 (CUFr I, 91, 37–38 C.). 37 Siehe dazu den Beitrag: »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra« in: Actes du colloque de Chevetogne (s. oben Anm. 3), 199–229, bes. 200–209. 32
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
wagte Vergleich, eine gewisse unbekümmerte und durchaus schulmeisterliche Art, theologische Probleme anzugehen, die man wohl einem gerade Ausgelernten zugute halten mag, aber nicht bei einem erfahrenen, weitsichtigen Kämpfer wie Basilius erwartet. Die vorliegende Epistel paßt zum Bild eines Mannes, der die ersten, ein wenig stolzen und zugleich unbedachtsamen Schritte auf einem Gebiete tut, dessen Tücken zu meiden die Erfahrung ihn noch nicht gelehrt hat. 1. b. Der Brief kann nicht von Basilius stammen, weil der in ihm definierte Begriff der ου᾽σι´α gänzlich von dem bei Basilius anzutreffenden verschieden ist.
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In Paragraph 2 und 3 der »ep. 38« wird die ου᾽σι´α als Allgemeinbegriff definiert, der die gemeinsame Natur aller der Zahl nach verschiedenen Gegenstände, von denen er ausgesagt wird, nicht aber die Besonderheiten, durch die die Individuen (ein und derselben Natur) als solche voneinander getrennt erkennbar werden, zum Inhalt hat und in univoker Weise, ohne Mehr oder Minder, in allen seinen individuellen Subjekten, die unter ihm befaßt sind, verwirklicht ist (ep. 38, 2 [I, 81, 1–9 Courtonne; vgl. bis 82, 30 C]). Als Beispiel wird der Allgemeinbegriff »Mensch« (ο῾ καϑο´λου α῎νϑρωπος, ep. 38, 2 [81, 10 C.]) gewählt, dem als solchen keinerlei Subsistenz zukommt im Unterschied zu dem vom individuellen Namen bezeichneten »bestimmten Menschen« (ο῾ τι`ς α῎νϑρωπος, ep. 38, 2 [81, 5 C.]; 3 [82, 2–8 C.]). Soll das bestimmte Individuum bezeichnet werden, so ist der Allgemeinbegriff durch die Hinzufügung der Eigentümlichkeiten weiter zu differenzieren.38 Diese Bestimmungen des Allgemeinbegriffs »Mensch« und des einzelnen, »bestimmten Menschen« entsprechen den Definitionen für die erste und zweite ου᾽σι´α in der aristotelischen Kategorienschrift.39 Für einige Aussagen, z.B. die, 38
Ep. 38, 2 (CUFr I, 81, 8–11 C.); 3 (CUFr I, 82–83, 8–12 C.). Der entscheidende Passus (ep. 38, 2 (CUFr I, 81–82, 1–16 C.) lautet: Πα´ντων τω ῀ ν ο᾽νομα´των τα` με`ν ε᾽πι` πλειο´νων και`
τω ῀ͺ α᾽ριϑμω ῀ͺ διαφερο´ντων λεγο´μενα πραγμα´των καϑολικωτε´ραν τινα` τη`ν σημασι´αν ε῎χει, οι῏ον α῎νϑρωπος. ῾Ο γα`ρ του῀το ει᾽πω´ν, τη`ν κοινη`ν φυ´σιν δια` του῀ ο᾽νο´ματος δει´ξας, ου᾽ περιε´γραψε τη ῀ͺ φωνη ῀ͺ το`ν τινα` α῎νϑρωπον, το`ν ι᾽δι´ως υ῾πο` του῀ ο᾽νο´ματος γνωριζο´μενον. Ου᾽ γα`ρ μα ῀ λλον Πε´τρος α῎νϑρωπο´ς ε᾽στιν η῍ και` ᾽Ανδρε´ας και` ᾽Ιωα´ννης και` ᾽Ια´κωβος. ῾Η ου῏ν κοινο´της του῀ σημαινομε´νου, ο῾μοι´ως ε᾽πι` πα´ντας του`ς υ῾πο` το` αυ᾽το` ο῎νομα τεταγμε´νους χωρου῀σα, χρει´αν ε῎χει τη ῀ ς υ῾ποδιαστολη ῀ ς δι᾽ η῟ς ου᾽ το`ν καϑο´λου α῎νϑρωπον, α᾽λλα` το`ν Πε´τρον η῍ το`ν ᾽Ιωα´ννην ε᾽πιγνωσο´μεϑα. Τα` δε` τω ῀ ν ο᾽νομα´των ι᾽δικωτε´ραν ε῎χει τη`ν ε῎νδειξιν δι ᾽ η῟ς ου᾽χ η῾ κοινο´της τη ῀ ς φυ´σεως ε᾽νϑεωρει῀ται τω ῀ͺ σημαινομε´νω, ͺ α᾽λλα` πρα´γματο´ς τινος περιγραφη` μηδεμι´αν ε῎χουσα προ`ς το` ο῾μογενε´ς, κατα` το` ι᾽δια´ζον, τη`ν κοινωνι´αν, οι῟ον ο῾ Παυ῀λος η῍ ο῾ Τιμο´ϑεος. 39 Arist., categ. 2 a 11 ff. Die ου᾽σι´α im ersten Sinn wird weder von einem Subjekt ausgesagt, noch ist sie in einem Subjekt, Beispiel: ο῾ τι`ς α῎νϑρωπος, ο῾ τι`ς ῞ιππος. Die ου᾽σι´α im zweiten Sinn sind die Gattungs- und Artbegriffe: α῎νϑρωπος, ζω ῀ͺον. Vgl. metaph. Δ 8, 1017 b 21–26: die ου᾽σι´α πρω´τη ist das letzte Subjekt, das nicht mehr ausgesagt werden kann, die ου᾽σι´α δευτε´ρα der definierbare Wesensbegriff, das ει῏δος: ε῎τι το` τι´ η῏ν ει῏ναι, ου῏ ο῾ λο´γος ε᾽στι`ν ο῾ρισμο´ς, και` του῀το ου᾽σι´α λε´γεται ε῾κα´στου. συμβαι´νει δη` κατα` δυ´ο τρο´πους τη`ν ου᾽σι´αν λε´γεσϑαι, το´ ϑ᾽ υ῾ποκει´μενον ε῎σχατον, ο῝ μηκε´τι κατ᾽ α῎λλου λε´γεται, και` ο῝ α῍ν το´δε τι ο῍ν και` χωριστο`ν η῏ͺ· τοιου῀τον δε` ε῾κα´στου η῾ μορφη` και` το` ει῏δος. − Die bei den Fachleuten umstrittene
1. b. Basilius verwendet einen anderen Begriff der ousia
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daß das Allgemeine (καϑο´λου) von mehreren ausgesagt wird, das einzelne (το` καϑ ᾽ ε῞καστον) nicht, oder die, daß die ου᾽σι´α kein Mehr oder Minder zuläßt, könnte man sogar wörtliche Anlehnung an aristotelische Texte vermuten; aber es ist wahrscheinlich, daß der Verfasser sich eher an die Aristoteleskommentare oder die Handbüchlein der Logik seiner Zeit gehalten hat, möglicherweise an die »Einführung« des Porphyrius, die ja auch in Gregors Schrift ex communibus notionibus verwendet wurde.40 Damit sind nun die Ausführungen des Basilius über ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις zu vergleichen. Der längste hier zu nennende, auf den ersten Blick frappierend ähnliche Text findet sich in de spiritu sancto c. 17: »Sagen also, die stark sind in nichtigen Dingen, daß von den Wörtern die einen gemeinsam sind und sich in ihren Bedeutungen auf viele Dinge erstrecken; die anderen aber spezieller, und die einen eine eingeschränktere Bedeutung haben als die anderen. Zum Beispiel ist gemeinsames Wort die ου᾽σι´α, weil von allen ausgesagt, in gleicher Weise von Unbeseelten wie Beseelten. Spezieller aber ist das Lebewesen, da es von einer geringeren Anzahl als das vorherige ausgesagt wird, jedoch von einer größeren als die (Gegenstände), die unter es fallen. Ist doch sowohl die Natur der Vernunftbegabten wie auch der Vernunftlosen in ihm enthalten. Noch spezieller als das Lebewesen ist der Mensch, und als dieser der Mann, und als der Mann der einzelne, Petrus oder Paulus oder Johannes.«41
Trotz der so ähnlich klingenden Formulierungen (τα` με`ν κοινα` . . . τα` δε` ι᾽δικω´τερα, vgl. ep. 38, 2) läßt sich doch sofort feststellen, daß hier bei Basilius die ου᾽σι´α nicht Artbegriff ist, der nur noch Individuen unter sich hat, wie in »ep. 38«, sondern etwas anderes bedeutet. Der Begriff für das Individuum (ο῾ καϑ ᾽ ε῞καστον) wird nach dieser logischen Tafel42 dadurch gewonnen, daß zu Frage, ob die »Kategorien« aristotelisch oder pseud-aristotelisch sind, ist hier ohne Belang; die Schrift entstammt jedenfalls peripatetischer Tradition. 40 Vgl. z. B. Arist., de interpretatione 17 a 39–b 2: ᾽Επει` δ᾽ ε᾽στι` τα` με`ν καϑο´λου τω ῀ ν πραγ-
μα´των τα` δε` καϑ᾽ ε῞καστον (λε´γω δε` καϑο´λου με`ν ο῝ ε᾽πι` πλειο´νων πε´φυκε κατηγορει῀σϑαι, καϑ᾽ ε῞καστον δε` ο῝ μη´, οι῟ον α῎νϑρωπος με`ν τω ῀ ν καϑο´λου, Καλλι´ας δε` τω ῀ ν καϑ᾽ ε῞καστον). − Arist., categ. 3 b 33–39: Δοκει῀ δε` η῾ ου᾽σι´α μη` ε᾽πιδε´χεσϑαι το` μα῀λλον και` το` η῏ττον. λε´γω δε` ου᾽χ ο῞τι ου᾽σι´α ου᾽σι´ας ου᾽κ ε῎στι μα ῀ λλον ου᾽σι´α και` η῏ττον ου᾽σι´α (του῀το με`ν γα`ρ ει῎ρηται ο῞τι ε῎στιν), α᾽λλ᾽ ο῞τι ε῾κα´στη ου᾽σι´α του῀ϑ᾽ ο῞περ ε᾽στι´ν, ου᾽ λε´γεται μα ῀ λλον και` η῏ττον. οι῟ον ει᾽ ε῎στιν αυ῞τη η῾ ου᾽σι´α α῎νϑρωπος, ου᾽κ ε῎σται μα ῀ λλον και` η῏ττον α῎νϑρωπος, ου῎τε αυ᾽το`ς ε῾αυτου῀ ου῎τε ε῞τερος ε῾τε´ρου· ου᾽ γα´ρ ε᾽στιν ε῞τερος ε῾τε´ρου μα ῀ λλον α῎νϑρωπος. Hierzu vgl. Porphyr., Isagoge 1 a 37–2 a 12
(CAG IV/1, 2–4 B.). 41 Basil., de spir. s. XVII, 41 (SC 17bis, 392–394, 6–15 P.): Φασι` τοι´νυν οι῾ δεινοι` τα` μα´-
ταια, τα` με`ν κοινα` ει῏ναι τω ῀ ν ο᾽νομα´των, και` ε᾽πι` πολυ` διη´κειν ται῀ς σημασι´αις. Τα` δε` ι᾽δικω´τερα και` α῎λλα α῎λλων μερικωτε´ραν ε῎χειν τη`ν δυ´ναμιν. Οι῟ον, κοινο`ν με`ν ο῎νομα η῾ ου᾽σι´α, πα ῀ σιν ε᾽πιλεγομε´νη, και` α᾽ψυ´χοις και` ε᾽μψυ´χοις ο῾μοι´ως. ᾽Ιδικω´τερον δε` το` ζω ῀ͺον· ε᾽π᾽ ε῎λαττον με`ν του῀ προτε´ρου λεγο´μενον, ε᾽πι` πλε´ον δε` τω ῀ ν υ῾π᾽ αυ᾽το` ϑεωρου´μενον. Και` γα`ρ και` λογικω ῀ ν αυ᾽τω ῀ͺ και` α᾽λο´γων φυ´σις ε᾽μπεριε´χεται. Πα´λιν ι᾽δικω´τερο´ν ε᾽στι του῀ ζω´ͺου ο῾ α῎νϑρωπος, και` του´του ο῾ ανη´ρ, και` του῀ α᾽νδρο`ς ο῾ καϑ᾽ ε῞καστον, Πε´τρος η῍ Παυ῀λος η῍ ᾽Ιωα´ννης. − Ob man mit Rücksicht auf
parallele Texte − vgl. Porphyr., Isagoge 1 b 35–2 b 26 (CAG IV/1, 3–6 B.), vgl. Anm. 45 − nicht doch die in der 1. Auflage der Edition von Pruche angezeigte, in der zweiten leider fallen gelassene Variante ει᾽δικω´τερον statt ι᾽δικω´τερον bevorzugen sollte? 42 Daß es sich hier um eine tabula logica, eine Aufspaltung eines obersten Gattungsbegriffs in seine inferiora handelt, sagt Basilius ausdrücklich de spir. s. XVII, 41 (394, 16–17 P.): . . . τη`ν του῀ κοινου῀ ει᾽ς τα` υ῾πεσταλμε´να διαι´ρεσιν.
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
dem allgemeinsten Begriff, der ου᾽σι´α, speziellere (ι᾽δικω´τερα), die jeweils eine eingeschränktere, partikulärere Bedeutung haben (μερικωτε´ραν . . . δυ´ναμιν), hinzutreten. Der Individualbegriff des einzelnen Menschen, Petrus, Paulus, Johannes, entsteht demnach durch die Addition der Begriffe: ου᾽σι´α, ζω ῀ͺον, λογικο´ν, α᾽νη´ρ und der Eigentümlichkeiten des einzelnen.43 Welchen Sinn soll man nun der hier genannten ου᾽σι´α geben? Kann es die aristotelische ου᾽σι´α δευτε´ρα sein? (Die ου᾽σι´α πρω´τη kann es natürlich nicht sein, denn für sie gilt, daß sie weder von einem Subjekt ausgesagt wird, noch in einem Subjekt ist: categ. 2 a 11–13). Aber die ου᾽σι´α δευτε´ρα ist nach Aristoteles der Wesensbegriff, το` τι´ η῏ν ει῏ναι, oder der definierbare Artbegriff, το` ει῏δος, der dadurch entsteht, daß zur Angabe der Gattung die differentia specifica hinzutritt (Analyt. Post. B 13), im Falle des Menschen also: ζω ῀ͺον λογικο´ν. Wäre die ου᾽σι´α im Text des Basilius die aristotelische ου᾽σι´α δευτε´ρα, so müßte sie sich mit ζω ῀ͺον oder ζω ῀ͺον λογικο´ν decken. Hier aber erscheint sie über dem ζω ῀ͺον λογικο´ν als der allgemeinste genus-Begriff, der in univoker Weise (ο῾μοι´ως) von den unter ihm Befaßten ausgesagt wird; von Beseeltem und Unbeseeltem wird dieselbe ου᾽σι´α prädiziert, und beides stellt sich als Art des genus ου᾽σι´α dar. Für Aristoteles dagegen ist die ου᾽σι´α im zweiten Sinne, das ζω ῀ͺον (λογικο´ν), die Gattung (oder Art), aber die ου᾽σι´α ist nicht eine obere Gattung des ζω ῀ͺον (λογικο´ν); sie hat den Wesensbegriff zum Inhalt, ist aber selbst nicht genus des Wesensbegriffs. Die ου᾽σι´α als oberster Gattungsbegriff der tabula logica des Basilius scheint keine andere Bedeutung zu haben als »Sein«. Der Seinsbegriff aber wird nach Aristoteles nicht in univoker, sondern nur in »analoger« Weise von den Dingen ausgesagt (metaph. Γ 2); er kann nicht als genus-Begriff aufgefaßt werden, darin sind ihm seine Schüler bis hin zu Porphyrius gefolgt. Hinter diesen Gedanken, den J. M. Bochen´ski eine »geniale Einsicht« genannt hat,44 sind spätere Logiker zurückgefallen: die Stoiker. Für sie gibt es als oberstes genus das ο῎ν oder die ου᾽σι´α. Doch dazu gleich. Zunächst noch eine weitere Beobachtung, die beweist, daß wir es in de spiritu sancto c. 17 nicht mit einem aristotelischen ου᾽σι´α-Begriff zu tun haben. Dort steht als ι᾽δικω´τερον unter dem Begriff des Menschen (Gattung) noch »der Mann« (Art) und darunter noch Petrus, Paulus. Daß dies nicht aristotelisch ist, ersieht man z.B. aus der arbor Porphyriana. Da ist der Begriff des Menschen wohl Art des »Lebewesens«, ist aber selbst nicht wieder eine Gattung, die noch Arten unter sich hätte. Das ει᾽δικω´τατον der tabula logica des Porphyrius ist die Art »Mensch«, nicht etwa das Individuum (Sokrates). »Mensch« als Art ist nicht 43 Vgl. adv. Eunom. II, 4 (PG 29, 577 C–580 C [SC 305, 18–22 Sesboüe´/de Durand/ Doutreleau] ). 44 Arist., metaph. B 3, 998 b 22–27; vgl. z. B. auch Alexander Aphr., in Arist. metaph. comm. (CAG I, 204, 25–207, 17 Hayduck); Porphyr., Isagoge 2 b 6–11 (CAG IV/1, 6 B.); Dexippus, in Arist. categ. comm. I, 4 (CAG IV/2, 11, 30–12, 2; 13, 3–6 Busse). − Zum Beweis des Aristoteles siehe J. M. Bochen´ski, Formale Logik, Freiburg/München 21962, 63–64.
1. b. Basilius verwendet einen anderen Begriff der ousia
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wieder in Arten teilbar, heißt es ausdrücklich.45 Das Beispiel des Porphyrius wurde gewählt, weil man gemeint hat, Basilius beziehe sich mit seiner Aufspaltung des genus-Begriffs auf ihn, wie er überhaupt mit seinen Bestimmungen der ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις dem Aristoteles verpflichtet sei.46 Obwohl nun auch bei Porphyrius wie bei Basilius die ου᾽σι´α oberstes genus ist, spricht gegen eine schlichte Übernahme der tabula logica des Porphyrius in de spiritu sancto c. 17 außer der angeführten Tatsache, daß für Porphyrius »Mensch« der unterste Artbegriff ist, auch dies, daß Porphyrius, Isagoge 1 a 8–14, die Frage, ob dem ει῏δος Subsistenz zukomme, ausdrücklich offen läßt, während Basilius deutlich erklärt, daß der Allgemeinbegriff für ihn nur auf geistiger Vorstellung beruhe und in keiner Hypostase ein Sein habe. Mit Bezug auf seine eben vorgeführte Aufspaltung des Gattungsbebriffs in de spiritu sancto c. 17 fährt er fort: »Meinen sie also dies mit ›Untereinanderzählung‹, die Aufteilung des Allgemeinen in das Beschränktere? Doch möchte ich nicht glauben, daß sie es bis zu einem solchen Maß von Wahnsinn treiben, daß sie behaupten, der Gott des Alls werde wie ein Allgemeinbegriff, der dem Geiste allein sichtbar ist und in keinerlei Hypostase das Sein hat, in die darunter befindlichen (Begriffe) aufgeteilt!«47 45 Vgl. Porphyr., Isagoge 2 a 22–30 (CAG IV/1, 4 f. B.): ο῾ δε` α῎νϑρωπος ει῏δος με`ν του῀ λογικου῀ ζω´ͺου, ου᾽κε´τι δε` και` γε´νος τω ῀ ν κατα` με´ρος α᾽νϑρω´πων, α᾽λλα` μο´νον ει῏δος· και` πα ῀ ν το` προ` τω ῀ ν α᾽το´μων προσεχω ῀ ς κατηγορου´μενον ει῏δος α῍ν ει῎η μο´νον, ου᾽κε´τι δε` και` γε´νος. ω ῞ σπερ ου῏ν η῾ ου᾽σι´α α᾽νωτα´τω ου῏σα τω ῀ͺ μηδε`ν ει῏ναι προ` αυ᾽τη ῀ ς γε´νος η῏ν το` γενικω´τατον, ου῞τως και` ο῾ α῎νϑρωπος ει῏δος ω ῎ ν, μεϑ᾽ ο῝ ου᾽κ ε῎στιν ει῏δος ου᾽δε´ τι τω ῀ ν τε´μνεσϑαι δυναμε´νων ει᾽ς ει῎δη, α᾽λλα` τω ῀ ν α᾽το´μων (α῎τομον γα`ρ Σωκρα´της και` Πλα´των και` τουτι` το` λευκο´ν) μο´νον α῍ν ει῎η ει῏δος και` το` ε῎σχατον ει῏δος και` ω῾ς ε῎φαμεν το` ει᾽δικω´τατον. Vgl. Isagoge 1 b 8–9 (CAG IV/1, 2 B.). −
In dem möglicherweise von Schülern unter Verwendung von authentischem Material zusammengestellten sog. 2. Buch de anima des Aristotelikers Alexander von Aphrodisias ist ein ganzes Kapitel dem Nachweis gewidmet, daß »Mann« und »Frau« nicht zwei Arten der Gattung »Mensch« sind (CAG Suppl. II/1, 168–169 Bruns). 46 Siehe B. Pruche (ed.), Basile de Ce´sare´e, Traite´ du Saint-Esprit = SC 17, Paris 1946, 185 in der Anm. 1 zu de spir. s. 17; vgl. Introduction S. 31 Anm. 1. Die dort gemachten Bemerkungen finden sich ähnlich in der 2. Aufl. der Edition (1968) wieder (SC 17bis, 393 Anm. 5; 394 Anm. 1; Introduction, 156) und werden um einige präzise Ausführungen hinsichtlich der Abhängigkeit von Aristoteles vermehrt (Introduction, 163–164; vgl. 179–196 mit Bezug auf ep. 236 an Amphilochius). − Daß sich Basilius zur Lösung des trinitarischen Problems eines »popularisierten Aristotelismus« bediene, meint auch K. Holl, bringt aber keine Belege (Amphilochius [wie Anm. 11], 131; vgl. 134–135; 146). J. de Ghellinck, Patristique et Moyen Age, t. III, Bruxelles-Paris 1948, 304–305, und S. Gonzalez, La formula μι´α ου᾽σι´α τρει῀ς υ῾ποστα´σεις en san Gregorio de Nisa, AnGr 21, Romae 1939, 38, und El realismo plato´nico de S. Gregorio de Nisa, Gr. 20, 1939, 190 (vgl. 205), beziehen sich mit ihren Feststellungen auf »ep. 38«, wie fast ein Jahrhundert zuvor schon F. Chr. Baur, Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Erster Theil, Tübingen 1841, 445. − Als aristotelisch hat auch J. Coman die Bestimmungen des Allgemeinen und Besonderen in de spir. s. XVII bezeichnet: La de´monstration dans le traite´ sur le Saint Esprit de saint Basile le Grand. Pre´liminaires, StPatr 9 = TU 94, Berlin 1966, 201; vgl. 188. 47 Basil., de spir. s. XVII, 41 (SC 17bis, 394, 16–21 P.): ῏Αρα ου῏ν του῀το νοου῀σι τη`ν υ῾πα-
ρι´ϑμησιν, τη`ν του῀ κοινου῀ ει᾽ς τα` υ῾πεσταλμε´να διαι´ρεσινͽ ᾽Αλλ᾽ ου᾽κ α῍ν πιστευ´σαιμι ει᾽ς τοσου῀τον αυ᾽του`ς παρπληξι´ας ε᾽λαυ´νειν, ω ῞ στε φα´ναι το`ν ϑεο`ν τω ῀ ν ο῞λων, ω ῞ σπερ κοινο´τητα´ τινα, λο´γωͺ
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
Aristotelisch oder porphyrianisch kann also die ου᾽σι´α in de spiritu sancto c. 17 nicht gut sein, und deswegen ist sie auch streng von der Auffassung der »ep. 38« abzusetzen. Aber nun könnte man einwenden, daß Basilius ja gerade, wie der eben zitierte Text zeige, die Anwendung dieses Verständnisses der ου᾽σι´α auf die Trinität ablehne und seine tabula logica überdies nur die Ansicht der »in nichtigen Dingen Starken« wiedergebe, aus ihr also auch kein stichhaltiges Argument gegen seine Autorschaft an »ep. 38« gemacht werden könne. Doch abgesehen davon, daß in ep. 38, 3 (I, 83 f., 30–47 C.) eben diese Anwendung des abstrakten Artbegriffs, dem keine Subsistenz zukommt, auf die Trinität durchgeführt wird, die Basilius verwirft, hat B. Pruche zurecht bemerkt, daß man sich von pauschalen Abwertungen der Wissenschaft »der Leute von draußen« durch Basilius nicht zu schnell beirren lassen darf: er benutzt ihre Wissenschaft eben doch.48 Wenden wir uns also Texten zu, die eine Analyse des Gattungsund Individualbegriffs bringen und diese ausdrücklich in Parallele zur Trinität setzen. Welchen ου᾽σι´α-Begriff finden wir hier? Bei der Erörterung des Unterschiedes und Verhältnisses der göttlichen ου᾽σι´α und der Eigentümlichkeiten in adv. Eunomium II, 28 heißt es: »Wenn einer . . . zustimmt, daß das ›gezeugt‹ und ›ungezeugt‹ bestimmte unterscheidende Eigentümlichkeiten an der ου᾽σι´α sind, die zum klaren und unvermischten Begriff von Vater und Sohn führen, dann wird er der Gefahr der Gottlosigkeit entgehen und auch die Folgerichtigkeit im Denken wahren. Denn die Eigentümlichkeiten, gleichsam bestimmte Merkmale und Formen an der ου᾽σι´α, scheiden zwar das Gemeinsame durch die eigentümlichen Merkmale (διαιρου῀σι με`ν το` κοινο`ν τοι῀ς ι᾽δια´ζουσι χαρακτη῀ρσι), durchtrennen aber nicht die innere Einheit (το` ο῾μοφυε`ς) der ου᾽σι´α. Beispiel: gemeinsam ist die Gottheit (ϑεο´της), bestimmte Eigentümlichkeiten Vaterschaft und Sohnschaft; aus der Zusammenfügung der beiden, des Gemeinsamen und des Eigentümlichen (ε᾽κ δε` τη῀ς ε῾κατε´ρου συμπλοκη ῀ ς, του῀ τε κοινου῀ και` ι᾽δι´ου), gewinnen wir die Erkenntnis der Wahrheit; so daß wir, wenn wir ›ungezeugtes Licht‹ hören, an den Vater denken, wenn wir aber ›gezeugtes Licht‹ hören, den Begriff des Sohnes erhalten; wobei, insofern sie Licht und Licht sind, keinerlei Gegensatz in ihnen vorhanden ist, insofern sie aber gezeugt und ungezeugt sind, der Gegensatz gesehen wird.«49
μο´νωͺ ϑεωρητη´ν, ε᾽ν ου᾽δεμια ῀ͺ δε` υ῾ποστα´σει το` ει῏ναι ε῎χουσαν, ει᾽ς τα` υ῾ποκει´μενα διαιρει῀σϑαι. − Ob υ῾ποκει´μενα hier die untergeordneten Begriffe (dafür spricht υ῾ποδιαιρου´μενα, 41 [24 f.]) oder die Subjekte der Aussage bedeutet, ist nicht leicht zu entscheiden. (Vgl. adv. Eunom. I, 11, PG 29, 537 B; II, 9, 588 C. 589 A; II, 17, 608 A). Daß man aber aus der Aussage des Basilius, daß der Allgemeinbegriff nicht existiert, nicht ohne weiteres auf einen Aristotelismus schließen kann (so B. Pruche in seiner Edition SC 17bis, 394 Anm. 1; Introduction, 17 ff.) lehrt u. a. ein Blick auf die Logik der Stoa, vgl. Simpl., in Arist. categ. f. 17 A [CAG VIII, 69, 19–21 Kalbfleisch] = SVF II, 362; Diogenes Lae¨rtius VII, 61 = SVF I, 65; siehe M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen 31964, I, 39. 44. 64–65; II, 37–38. − Es ist bemerkenswert, daß auch im Brief an Apolinarius, ep. 361 (CUFr III, 221, 19–20 C.), die Interpretation der ου᾽σι´α Gottes als abstrakter Allgemeinbegriff abgelehnt wird: . . . ε᾽φ ᾽ ω῟ν ου῎τε γε´νος κοινο`ν υ῾περκει´μενον ϑεωρει῀ται . . . 48 B. Pruche, SC 17bis, Introduction, 154–168, hier 156–158. 49 Adv. Eunom. II, 28 (PG 29, 637 A-C [SC 305, 118, 27–120, 42 S./D./D.]).
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Die Eigentümlichkeiten an der ου᾽σι´α bewirken eine διαι´ρεσις des κοινο´ν der ου᾽σι´α; durch die Zusammenfügung des »Gemeinsamen« und »Eigentümlichen« wird der Individualbegriff gewonnen. Dieses Verhältnis der göttlichen ου᾽σι´α und ihrer Eigentümlichkeiten wird nun an einem Beispiel illustriert, das höchst aufschlußreich ist: »Darin nämlich liegt die Natur der Eigentümlichkeiten, daß sie in der Selbigkeit der ου᾽σι´α die Andersheit anzeigen; und, insofern sie selbst, was ihr Verhältnis zueinander betrifft, häufig kontradiktorisch getrennt sind, im Gegensatz auseinandertreten, die Einheit der ου᾽σι´α jedoch nicht zerreißen, wie z.B. ›das Geflügelte‹ und ›das mit Füßen Versehene‹ und ›das zu Wasser‹ und ›das auf dem Lande Lebende‹ und ›das Vernunftbegabte‹ und ›das Vernunftlose‹: während nämlich eine einzige ου᾽σι´α diesen allen (oder allen Dingen?) zugrunde liegt, verändern diese Eigentümlichkeiten nicht die ου᾽σι´α noch rufen sie gewissermaßen einen Aufstand gegeneinander hervor, führen aber kraft der Erkennungsmerkmale, gleichsam wie ein unseren Seelen eingegebenes Licht, zu dem der Vernunft erreichbaren Verständnis.«50
Μια ῀ ς γα`ρ ου᾽σι´ας τοι῀ς πα ῀ σιν υ῾ποκειμε´νης . . . Eine einzige ου᾽σι´α bildet das υ῾ποκει´μενον der genannten Eigentümlichkeiten (oder aller Dinge); zu ihr tre-
ten, ohne sie zu verändern, die Eigentümlichkeiten, und die Summe daraus ergibt jeweils eine Art.51 Bemerkenswert und entscheidend ist die Aussage, daß den »Vernunftbegabten« und »Vernunftlosen« eine ου᾽σι´α als Substrat (υ῾ποκει´μενον) zukommt. Niemals kann diese ου᾽σι´α die ου᾽σι´α δευτε´ρα, der univoke Wesensbegriff, des Aristoteles sein; der aristotelische Wesensbegriff des ζω ῀ͺον λογικο´ν und des ζω ῀ͺον α῎λογον ist eben nicht ein und derselbe. Daß es nicht verfehlt ist anzunehmen, Basilius habe mit τοι῀ς πα῀σιν nicht nur die aufgeführten Arten, sondern alle (geschöpflichen) Seienden im Auge, lehrt eine Stelle in adv. Eunomium II, 19. Da wird gegen Eunomius angeführt, daß für die Bestimmung der Seinshöhe das Verhältnis von Hersteller und Hergestelltem keine Rolle spiele: »Denn die Menschen überragen durch ihre Technik ihre Werke, gleichwohl sind sie mit ihnen ο῾μοου´σιοι wie der Töpfer mit dem Ton und der Schiffsbauer mit dem Holz. Beide sind ja in gleicher Weise Körper, und in gleicher Weise wahrnehmbar und irden«.52 Hier wird also eine gleiche ου᾽σι´α dem Menschen und den sinnlich wahrnehmbaren Dingen zugeschrieben. 50 Adv. Eunom. II, 28 (PG 29, 637 C [SC 305, 120, 43–53 S./D./D.] ): Αυ῞τη γα`ρ τω ῀ν ι᾽διωμα´των η῾ φυ´σις, ε᾽ν τη ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας ταυτο´τητι δεικνυ´ναι τη`ν ε῾τερο´τητα· και` αυ᾽τα` με`ν [μη`ν S./D./D.] προ`ς α῎λληλα α᾽ντιδιαιρου´μενα πολλα´κις τα` ι᾽διω´ματα, προ`ς το` ε᾽ναντι´ον διι´στασϑαι, τη´ν γε με`ν ε῾νο´τητα τη ῀ ς ου᾽σι´ας μη` διασπα ῀ ν· ω῾ς το` πτηνο`ν και` το` πεζο`ν, και` το` ε῎νυδρον και` το` χερσαι῀ον, και` το` λογικο`ν και` το` α῎λογον. Μια ῀ ς γα`ρ ου᾽σι´ας τοι῀ς πα ῀ σιν υ῾ποκειμε´νης, τα` ι᾽διω´ματα ταυ῀τα ου᾽κ α᾽λλοτριοι῀ τη`ν ου᾽σι´αν, ου᾽δε` οι῾ονει` συστασια´ζειν ε῾αυτοι῀ς α᾽ναπει´ϑει· τη ῀ͺ ε᾽νεργει´αͺ [τη`ν ε᾽νε´ργειαν S./D./D.] δε` τω ῀ ν γνωσισμα´των, ω ῞ σπερ τι φω ῀ ς ται῀ς ψυχαι῀ς η῾μω ῀ ν ε᾽ντιϑε´ντα, προ`ς τη`ν ε᾽φικτη`ν ται῀ς διανοι´αις συ´νεσιν ο῾δηγει῀. 51 Es kann sich hier erst um die Art, noch nicht um das Individuum handeln; insofern ist die Parallele nicht vollständig. Sie wird aber verständlich im Blick auf die stoische Logik: ῀ τον υ῾ποκει´μενον und der gemeinsamen hier ergibt die Summe aus der ου᾽σι´α als dem πρω Qualität (κοινω ῀ ς ποιο´της) die Gattung oder Art, die Summe aus ου᾽σι´α, gemeinsamer Qualität und eigentümlicher Qualität (ι᾽δι´ως ποιο´της) das Individuum. ποιο´της und ι᾽διω´μα sind bei Basilius sinngleich. 52 Adv. Eunom. II, 19 (PG 29, 613 C [SC 305, 80, 63–66 S./D./D.] ).
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
Das mag zum Nachweis, daß Basilius nicht der Verfasser der »ep. 38« sein kann, genügen. Dort heißen die ο῾μοου´σιοι, die unter denselben Begriff der ου᾽σι´α subsumiert werden, das heißt unter denselben allgemeinen Wesensbegriff.53 Wie grundsätzlich Gregor von Nyssa sich in der Bestimmung der ου᾽σι´α von seinem Bruder unterscheidet, ersieht man z.B. aus einer Stelle seiner Schrift gegen Apolinarius: »Wenn nicht ο῾μοου´σιος, dann jedenfalls ε῾τεροου´σιος; bei welchen der Begriff der ου᾽σι´α ein anderer ist, bei denen ist weder die Natur noch die Bezeichnung gemeinsam. Eine andere ist die ου᾽σι´α des Feuers und eine andere die des Wassers, und die Bezeichnungen der beiden sind verschieden«.54 Und ganz entsprechend heißt es in ex communibus notionibus: »Der ου᾽σι´α nach unterscheidet sich der Mensch vom Pferd, der Hypostase nach Paulus von Petrus, der ου᾽σι´α und zugleich der Hypostase nach unterscheidet sich ›diese Hypostase da‹ des Menschen von ›dieser Hypostase da‹ des Pferdes«.55 Vielleicht ist es die oben zitierte Stelle aus adv. Eunomium II, 28, über die sich Eunomius lustig macht, wenn er sagt, daß nur ein Einfaltspinsel »Mensch« und »Pferd« vergleichen könne. Gregor antwortet seinerseits mit Spott, versucht aber doch, vorsichtig die Sache zurechtzurücken: wie es nicht möglich sei, dem Vernunftbegabten und dem Vernunftlosen denselben Begriff (ο῞ρος) zuzuschreiben, so könne man auch nicht die geschaffene und die ungeschaffene ου᾽σι´α durch dieselben Bestimmungen definieren.56 Die Aussagen der beiden Brüder stehen in so starkem Gegensatz zueinander, daß man sich über die bisher weithin übliche Gleichschaltung wundert. Nun wäre es aber doch nützlich herauszufinden, welcher Philosophie sich Basilius bei seiner auch für die Trinität geltenden Scheidung von zugrundeliegender ου᾽σι´α und hinzutretenden Eigentümlichkeiten bedient. Zu einem sicheren Ergebnis kann man aber erst dann gelangen, wenn die gesamte zeitgenössische philosophische Literatur verglichen ist, eine Arbeit, die hier nicht geleistet werden kann. Aber einige Hinweise sind wohl möglich, sobald noch einige Texte des Basilius vorgestellt sind. In adv. Eunomium II, 4 heißt es: »Des Petrus und Paulus und überhaupt aller Menschen Namen sind zwar verschieden, ihrer aller ου᾽σι´α aber ist eine. Deshalb sind wir in den meisten (Merkmalen?) identisch miteinander und unterscheiden uns, der eine vom anderen, allein in den Eigentümlichkeiten, die an jedem einzelnen haften. Daher bezeichnen die Namen auch nicht die ου᾽σι´α, sondern die Eigentümlichkeiten, die den einzelnen charakterisieren. Wenn wir also ›Petrus‹ hören, erkennen wir nicht seine ου᾽σι´α aus dem Namen (mit ου᾽σι´α meine ich aber jetzt das stoffliche Substrat (το` υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον), das der Name keineswegs bezeichnet), sondern erhalten den Begriff der Eigentümlichkeiten, die an ihm gesehen werden.«57 In ep. 38, 2 (CUFr I, 82, 25–26 C.) heißt es von dem gemeinsamen Begriff der ου᾽σι´α bei Petrus, Silvanus und Timotheus: και´ ει᾽σιν α᾽λλη´λοις ο῾μοου´σιοι οι῾ τω ῀ͺ αυ᾽τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας υ῾πογραφο´μενοι.. Vgl. Greg. Nyss., adv. Apol. (GNO III/1, 158, 1–2 Müller): . . . εκ᾽ει῀να δε` α᾽λλη´λοις ε᾽στι`ν ο῾μοου´σια τα` τω ῀ͺ αυ᾽τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας υ῾πογραφο´μενα . . . Vgl. c. Eunom. III, 1 (GNO II2, 30, 9–10 J.). 54 Greg. Nyss., adv. Apol. (GNO III/1, 165, 9–12 M.). 55 Greg. Nyss., ex comm. not. (GNO III/1, 29, 17–20 Müller). 56 Greg. Nyss., c. Eunom. III, 5 (GNO II2, 169, 10–170, 12 J.). 53
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Diese Bestimmung der ου᾽σι´α des Menschen als eines υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον findet sich auch in adv. Eunomium I, 15: ,,. . . Welches ist die ου᾽σι´α Adams und welches ist seine Natur? . . . Nicht die Weise der Hypostasierung suche ich jetzt, sondern gerade das stoffliche Substrat (το` υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον) des Menschen . . ..«58 Um es gleich vorwegzunehmen: Gregor scheint mit dieser Definition seines Bruders sehr wenig einverstanden gewesen zu sein. Er macht das gerade Gegenteil daraus und zitiert: »mit ου᾽σι´α meine ich aber jetzt nicht das stoffliche Substrat.«59 Von seiner Position aus ist diese Korrektur verständlich und notwendig; für ihn ist das »stoffliche Substrat« der Leib des Menschen, und der kann natürlich nicht mit dem Wesensbegriff zusammenfallen.60 Aber was hat man sich nun unter der ου᾽σι´α als dem stofflichen Substrat bei Basilius vorzustellen? Wenn sie nicht aristotelisch zu verstehen ist, dann vielleicht platonisch? Das hat in der Tat J. Lebon gemeint, und darin hat sich ihm A.-M. Ritter weitgehend angeschlossen. J. Lebon interpretiert die ου᾽σι´α der Kappadozier als die real existierende platonische Idee.61 Nachdem er sein Material für Basilius ausgebreitet hat, beruft er sich auf die Evidenz eines Vergleichs dieser Texte mit einem Abriß der platonischen Ideenlehre aus dem Grundriß der Geschichte der Philosophie von Ueberweg-Praechter (pp. 651–652). Das kann schwerlich genügen, die Methode ist zu pauschal. Auch der Verweis auf den »extremen Realismus« in der Auffassung der ου᾽σι´α in den Schriften ex communibus notionibus und quod non sint tres dei des Gregor von Nyssa (pp. 653–654), be57
Adv. Eunom. II, 4 (PG 29, 577 C-D [SC 305, 18–20, 3–9 S./D./D.] ). Adv. Eunom. I, 15 (PG 29, 548 A [SC 299, 226, 30–35 S./D./D.] ). 59 Greg. Nyss., c. Eunom. III, 5 (GNO II2, 168, 2–3 J.). Auf diese Stelle hat D. L. Bala´s in seiner Communication hingewiesen: The Unity of Human Nature in Basil’s and Gregory of Nyssa’s Polemics against Eunomius, Sixth International Conference on Pastristic Studies, Oxford, 6–11 September 1971 [erschienen in StPatr 14 = TU 117, Berlin 1976, 275–281]. Nach den Erkundigungen von P. Bala´s sind beide Stellen textkritisch hinreichend gesichert. 60 Vgl. Greg. Nyss., de mortuis (GNO IX, 52, 19–22 Heil): . . . ου᾽χ ο῾ αυ᾽το´ς ε᾽στι τω ῀ͺ 58
χϑιζω ῀ͺ ο῾ ση´μερον α῎νϑρωπος κατα` το` υ῾λικω ῀ ς υ῾ποκει´μενον, α᾽λλα´ τι πα´ντως αυ᾽του῀ δια` παντο`ς ῀ ς του῀ σω´ματος λε´γω κατασκευη ῀ς . . . νεκρου῀ται . . . και` ε᾽κβα´λλεται καϑα´περ οι᾽κι´ας τινο`ς τη
61 J. Lebon, Le sort du »consubstantiel« nice´en II, RHE 48, 1953, bes. 649–655, hier 652. − Die Mängel der Analyse von J. Lebon machen sich sämtlich in dem unausgeglichenen Urteil der Untersuchung »Zum Homousios von Konstantinopel« von A.-M. Ritter (Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, Exkurs IV, S. 270–293) bemerkbar. Ritter, der nach seinem eigenen Zeugnis »wesentliche Anregungen . . . dem genannten Artikel von J. Lebon« verdankt (272, Anm. 2), interpretiert ebenfalls den kappadozischen ου᾽σι´α-Begriff ohne Differenzierungen »im Sinne des platonischen Realismus« (275, Anm. 1. 286–291); gleichwohl läßt seine umfassende Darstellung des Materials und Forschungsstandes die Vielschichtigkeit des Problems gut erkennen. Da Ritter jedoch den Argumenten von J. Lebon kein neues hinzufügt, erübrigt es sich, auf ihn in diesem Zusammenhang näher einzugehen. − Wenig Schwierigkeiten, die philosophische Quelle der kappadozischen Trinitätsaussagen anzugeben, hatte A. v. Harnack: »Diese Männer . . . waren Platoniker, und sie haben sich wieder unbefangen selbst für ihre Trinitätslehre auf Plato berufen.« (Lehrbuch der Dogmengeschichte II, 41909, 266). Leider teilt Harnack nicht mit, wo sie das getan haben.
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
weist für Basilius nichts. Schon die Voraussetzung, daß bei den Kappadoziern ein einheitliches Verständnis der ου᾽σι´α gegeben sei, trifft nicht zu; aber auch davon abgesehen, ist die seit J. Rupp (1834) in fast allen Monographien und besonders philosophie- und dogmengeschichtlichen Handbüchern und Lexika anzutreffende Behauptung des extremen Begriffsrealismus Gregors nicht haltbar, wie noch deutlich werden wird.62 Was Basilius betrifft, so stützt J. Lebon seine Interpretation gerade auf den zitierten Text aus adv. Eunomium II, 4 und eine Passage aus der ep. 52, 1, in der von dem rechten und falschen Verständnis des ο῾μοου´σιος die Rede ist. Die in der Sache des Paulus von Samosata zusammengekommen seien, heißt es da, hätten das Wort ο῾μοου´σιος verworfen in der Meinung, es erwecke die Vorstellung einer ου᾽σι´α und der (Stücke), die aus ihr stammen, so daß die zerstückelte ου᾽σι´α die Bezeichnung ο῾μοου´σιος denen mitteile, in die sie auseinandergerissen wurde. »Dieses Argument mag zwar beim Kupfer und den Münzen, die aus ihm geschlagen werden, einen Sinn haben, bei Gott-Vater aber und Gott-Sohn gibt es keine frühere ου᾽σι´α noch eine, die über beiden steht (ου᾽κ ου᾽σι´α πρεσβυτε´ρα ου᾽δ ᾽ υ῾περκειμε´νη α᾽μφοι῀ν ϑεωρει῀ται).«63 J. Lebon schließt: »Dans ce que nous avons lu chez saint Basile touchant l’homoousie des monnaies de bronze, l’homoousie de Pierre et Paul et de tous les hommes, l’influence de cette doctrine platonicienne des ide´es nous semble apparaıˆtre manifestement. Le bronze, l’argile, cette ου᾽σι´α πρεσβυτε´ρα et υ῾περκειμε´νη, c’est bien l’ide´e platonicienne avec toute sa re´alite´ objective et son rapport de communaute´, sa κοινωνι´α dans les eˆtres particuliers . . .« (p. 652). In Analogie zu der realen Existenz der numerischen einen menschlichen ου᾽σι´α sei auch die göttliche ου᾽σι´α von den Kappadoziern im Sinne der platonischen Philosophie verstanden worden (p. 654). Wird man auch ohne Zögern zustimmen, daß die Bronze, aus der die Geldstücke geprägt werden, kein abstrakter Begriff ist, sondern real existiert, so kann man sie doch unmöglich mit der platonischen Idee gleichsetzen. Der Abriß der platonischen Ideenlehre, den J. Lebon aus Ueberweg-Praechter zitiert, belegt das hinreichend. Die platonische Idee ist eben gerade nicht das veränderliche, den Sinnen zugängliche, stoffliche Ding, sondern die außerhalb der wahrnehmbaren Dinge, getrennt von ihnen, unveränderlich in sich selbst ruhende, einfache Wesenheit, an der die Dinge nur unvollkommen teilhaben. Eine Uminterpretation, wie sie J. Lebon vornimmt, ist nicht möglich. Auch ist zu beach62 J. Rupp, Gregor’s, des Bischofs von Nyssa, Leben und Meinungen, Leipzig 1834, 136. 150 f. 164 f. − Eine Aufzählung aller der Forscher, die an dieser These mitgebaut haben, und gar eine Auseinandersetzung mit ihnen liegt außerhalb des Rahmens dieses Beitrags. Man findet sie in meiner im Druck befindlichen Dissertation: »Die Einheit des Leibes Christi bei Gregor von Nyssa. Untersuchungen zum Ursprung der ›physischen‹ Erlösungslehre« [Druckfassung: PP 2, Leiden 1974, 9–17; Exkurs 67–94]. 63 Basil., ep. 52, 1 (CUFr I, 134, 28–135, 36 C.); vgl. adv. Eunom. I, 19 (PG 29, 556 A [SC 299, 240, 27–242, 44 S./D./D.] ); hom. 24, 4, c. Sabell., Arium, Anhom. (PG 31, 605 B); ep. 361 an Apol. (III, 221, 20–22 C).
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ten, daß Basilius einen Vergleich der ου᾽σι´α der Bronze mit der Gottes ausdrücklich ablehnt. Deshalb bleibt es auch fraglich, ob man den ου᾽σι´α-Begriff der Bronze mit dem ου᾽σι´α-Begriff des Menschen als υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον ohne weiteres parallel setzen darf, denn mit Hilfe des zweiten wird der Begriff der göttlichen ου᾽σι´α erläutert. Man muß also ernsthaft fragen, ob das υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον des Menschen als solches real existiert, denn in diesem Falle geriete Basilius in eben das Dilemma, gegen das er sich in ep. 52, 1 und an den parallelen Stellen verwahrt. Nun erklärt aber Basilius seinen Begriff von der menschlichen ου᾽σι´α noch näher, indem er es mit einem Schriftwort illustriert: »Aus Lehm bist du gebildet, heißt es, so wie auch ich (Job 33, 6): dieses Wort bezeichnet nichts anderes als das ο῾μοου´σιον aller Menschen.«64 Dies entspricht dem oben zitierten Text aus adv. Eunomium II, 19 über die Homoouseität des Töpfers mit dem Ton und des Schiffsbauers mit dem Holz. Wenn Basilius unter dem »Lehm« die konkrete Masse versteht, ist nicht mehr einzusehen, wie er die Annahme einer Teilung einer zuvor vorhandenen Stoffmenge noch ausschließen will. Man muß allerdings damit rechnen, daß er nicht konsequent blieb. Er ist kein Systematiker, der ein Lehrgebäude von einigen Prinzipien aus folgerichtig durchkonstruiert. Aber gibt es vielleicht doch die Möglichkeit einer anderen Interpretation, mit der ein Widerspruch ausgeschlossen wird? Die einzelnen Menschen werden ja nicht aus einer vorhandenen Lehmmasse gefertigt. Wie aber wäre die ου᾽σι´α als υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον zu verstehen, wenn sie als solche nicht existiert? Es ist an der Zeit, kurz die Gründe vorzutragen, die dafür sprechen, daß Basilius die ου᾽σι´α weithin im stoischen Sinn verstanden hat. A. Grillmeier hat, m. W. bisher als einziger, aber im Anschluß an Erwägungen von L. I. Scipioni, darauf hingewiesen, daß die Analyse des individuellen Seins bei den Kappadoziern, und namentlich bei Basilius stoisch sein könnte, wobei er für diesen die »ep. 38«, die Homilie 24 und die ep. 236 in näheren Betracht zieht. Die Zuschreibung der »ep. 38« an Basilius hat A. Grillmeier später korrigiert, wie aus einer Notiz bei Mühlenberg zu entnehmen ist.65 Wie steht es also mit der stoischen Logik? Wir bewegen uns bei diesen Überlegungen auf einem sehr schwierigen Gebiet. Endgültige Sicherheit wird sich nicht nur deshalb nicht gewinnen lassen, weil es für das Bewußtsein der Alten eigentlich nur eine Logik gab, wie J. Mau betont hat, man also in dieser Hinsicht eher von verschiedenen Schriften peripatetischer und stoischer Philosophen zur Logik als von peripa64
Adv. Eunom. II, 4 (PG 29, 580 B [SC 305, 20, 32–22, 34 S./D./D.] ). A. Grillmeier, Das Scandalum oecumenicum des Nestorius in kirchlich-dogmatischer und theologiegeschichtlicher Sicht, Schol. 36, 1961, 321–356, hier 341 ff. [erneut in: Ders., Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven, Freiburg/Basel/Wien 1975, 245–282; hier 265 f.], mit Bezug auf L. I. Scipioni, Ricerche sulla Cristologia del »Libro di Eraclide« di Nestorio, Par. 11, Fribourg 1956, 45–67 und 98–109. Daß Grillmeier die »ep. 38« nun als eine Abhandlung Gregors betrachtet, ersieht man aus E. Mühlenberg, Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor von Nyssa. Gregors Kritik am Gottesbegriff der klassischen Metaphysik, FKDG 16, Göttingen 1966, 134, Anm. 4. 65
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tetischer oder stoischer Logik sprechen kann, sondern vor allem auch auf Grund der Quellenlage: es ist uns keine einzige Schrift eines stoischen Philosophen zur Logik überliefert, diese muß vielmehr mühsam »aus doxographischen, polemischen und eklektischen Quellen« rekonstruiert werden, wobei Sextus Empiricus der zuverlässigste Gewährsmann ist und Diogenes Lae¨rtius noch relativ gute Informationen liefert.66 Gleichwohl wird von niemandem bestritten, daß »die Ansatzpunkte für die Logik des Aristoteles und die des Chrysipp . . . grundsätzlich verschiedene« sind,67 und auch Galen, anhand dessen Institutio logica, in der aristotelische und stoische Logik gleichberechtigt nebeneinander dargestellt werden, J. Mau aufzuzeigen sucht, daß es »im Altertum durchgängig eine logische Schulung« gab, »die den Vertretern aller philosophischen Richtungen gemeinsam war«, kennt, wenn auch nicht einen Gegensatz, so doch einen Unterschied zwischen den logischen Schulen.68 Auch ist zu beachten, daß die einheitliche Auffassung der Logik in der Spätantike sich vor allem auf die Syllogistik bezieht, die hier außer Betracht bleiben kann. Wie sieht also die stoische Analyse des Allgemeinbegriffs aus? Durch eine fortgesetzte Teilung, Unterteilung und kontradiktorische Teilung gelangen die Stoiker zu einer Abfolge von Gattungs- und Artbegriffen, die bis zu einem höchsten und allgemeinsten Gattungsbegriff aufsteigt, der Gattung für alle seine Arten ist, selbst aber keine Gattung über sich hat, und bis zu einem letzten Artbegriff hinabsteigt, der keine Art mehr unter sich hat.69 Dabei scheint in der älteren Stoa der Begriff des Seienden (το` ο῎ν) als der oberste Gattungsbegriff bezeichnet worden zu sein. Weil aber nur Körperliches seiend ist, die Begriffe aber unkörperlich und nichtseiend sind, galt später das »Etwas« (το` τι`) als allgemeinster Gattungsbegriff über dem Körperlichen und Unkörperlichen.70 Diogenes Lae¨rtius VII, 60. 61 gibt in seinem Bericht auch gleich die Beispiele, die die Sache einleuchtender machen: »Gattung ist die Zusammenfassung mehrerer und untrennbarer (oder: unaufhebbarer) Denkinhalte, z.B. Lebewesen; denn dies umfaßt die besonderen Lebewesen . . . Art ist das, was von der Gattung umfaßt wird, wie vom ›Lebewesen‹ der Mensch umfaßt wird. Allgemeinste (γενικω´τατον) Gattung ist, was Gattung ist, aber keine Gattung (über sich) 66 J. Mau, Stoische Logik. Ihre Stellung gegenüber der Aristotelischen Syllogistik und dem modernen Aussagenkalkül: Hermes 85, 1967, 147–158, hier 149–150; vgl. B. Mates, Stoic Logic, Berkeley/Los Angeles/London 1953 [= 21973], 8–10: Sources for Stoic Logic. 67 J. Mau, 148. 68 J. Mau, 156–158, Zitat 158. − Galen, de libris propriis 11 (XIX, 40 f. Kühn [jetzt 14, 7 (CUFr Galien I, 165, 14–19 Boudon-Millot)]) = SVF II, 46. 69 Vgl. C. Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande, Bd. 1, Leipzig 1855 = Nachdruck Graz 1955, 420–426, bes. 422–424, mit Nachweisen, die im Folgenden verwendet sind. 70 Siehe C. Prantl I, 426–428; E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung III/1, Leipzig 51923 = Nachdruck Darmstadt 1963, 94–95, mit weiteren Belegen (vgl. z. B. SVF II, 329. 332); M. Pohlenz, Die Stoa I, 64–65. II, 37; J. M. Bochen´ski, Formale Logik (wie Anm. 44), 130 (Nr. 19.17; 19.18).
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hat, nämlich das Seiende (το` ο῎ν); speziellste (ει᾽δικω´τατον) Art ist, was Art ist, aber keine Art (unter sich) hat, z.B. Sokrates. Teilung (διαι´ρεσις) ist die Trennung der Gattung in die nächsten Arten, z.B. der Lebewesen in die vernunftbegabten und vernunftlosen. Gegenteilung (α᾽ντιδιαι´ρεσις) ist die Trennung der Gattung in die Art nach dem Gegensatz, etwa der Verneinung, z.B.: von den Seienden sind die einen gut, die anderen nicht gut. Unterteilung ist die der Teilung folgende Teilung, z.B. . . . von den Nicht-Guten sind die einen schlecht, die anderen gleichgültig . . ..«71 Bemerkenswert ist vor allem dies, daß der Seinsbegriff − im Gegensatz zu Aristoteles − oberste Gattung ist, die von ihren Arten univok ausgesagt wird, und daß die Differenzen, Eigentümlichkeiten und Individualbezeichnungen Arten sind. »Sokrates« ist die speziellste Art! Dies wird von Sextus Empiricus der Sache nach bestätigt, auch er berichtet von der stoischen Aufteilung in oberste Gattungen und unterste Arten. »Barbar« und »Hellene« z.B. gelten als Art der Gattung »Mensch«.72 Der Begriff erscheint als Resultat der Addition von Merkmalen, die durch fortgesetzte Teilung gewonnen werden. So ist z.B. der »Mensch« nach den Stoikern, wie Sextus Empiricus sagt, die Summe (α῎ϑροισμα, συ´νοδος) aus »Lebewesen«, »vernunftbegabt«, »sterblich« usw.73 Die Gattung steht dabei als Summand den Differenzen und Eigentümlichkeiten gleich. Sie ist die von der προσηγορι´α bezeichnete »gemeinsame Qualität« (κοινη` ποιο´της, z.B. »Mensch«, »Pferd«) im Unterschied zur »eigentümlichen Qualität« (ι᾽δι´α ποιο´της, z.B. »Diogenes«, »Sokrates«), die vom ο῎νομα bezeichnet wird und sich aus der Gesamtsumme der Merkmale ergibt.74 Der Vergleich mit der tabula logica des Basilius in de spiritu sancto c. 17 zeigt eine weitgehende Übereinstimmung. Die διαι´ρεσις der Allgemeinbegriffe läuft von der obersten Gattung, der ου᾽σι´α, über die jeweils »spezielleren« (ει᾽δικω´τερα) hinab bis zum ει᾽δικω´τατον, das nicht etwa wie bei Porphyrius die Art »Mensch« ist, sondern »der einzelne«, Petrus, Paulus. »Mensch« in de spiritu sancto c. 17 ist noch Gattung der Arten »Mann« (und »Frau«).75
71 Diogenes Lae¨rt. VII, 60. 61: γε´νος δε´ ε᾽στι` πλειο´νων και` α᾽ναφαιρε´των ε᾽ννοημα´των συ´λληψις, οι῟ον Ζω ῀ͺον· του῀το γα`ρ περιει´ληφε τα` κατα` με´ρος ζω´ͺα. − Ει῏δος δε´ ε᾽στι το` υ῾πο` του῀ γε´νους περιεχο´μενον, ω῾ς υ῾πο` του῀ ζω´ͺου ο῾ α῎νϑρωπος περιε´χεται· γενικω´τατον δε´ ε᾽στιν ο῝ γε´νος ο῍ν γε´νος ου᾽κ ε῎χει, οι῟ον το` ο῎ν· ει᾽δικω´τατον δε´ ε᾽στιν ο῝ ει῏δος ο῍ν ει῏δος ου᾽κ ε῎χει, ω ῞ σπερ ο῾ Σωκρα´της. − Διαι´ρεσις δε´ ε᾽στι γε´νους η῾ ει᾽ς τα` προσεχη ῀ ει῎δη τομη´, οι῟ον Τω ῀ ν ζω´ͺων τα` με´ν ε᾽στι λογικα´, τα` δε` α῎λογα· α᾽ντιδιαι´ρεσις δε´ ε᾽στι γε´νους ει᾽ς ει῏δος τομη` κατα` του᾽ναντι´ον, ω᾽ς α῍ν κατ᾽ α᾽πο´φασιν, οι῟ον Τω ῀ ν ο῎ντων τα` με´ν ε᾽στιν α᾽γαϑα´, τα` δ᾽ ου᾽κ α᾽γαϑα´· υ῾ποδιαι´ρεσις δε´ ε᾽στι διαι´ρεσις ε᾽πι` διαιρε´σει, οι῟ον Τω ῀ ν ο῎ντων τα` με´ν ε᾽στιν α᾽γαϑα´, τα` δ᾽ ου᾽κ α᾽γαϑα´, και` Τω ῀ ν ου᾽κ α᾽γαϑω ῀ ν τα` με´ν ε᾽στι κακα´, τα` δε` α᾽δια´φορα. 72 Sextus Emp., Pyrrhon. hypot. I, 138 [BiTeu I, 36, 17–19 Mutschmann/Mau]; adv. mathem. VII, 246 [BiTeu II, 58, 17–22 Mutschmann]. 73 Sextus Emp., adv. mathem. VII, 276–280 [ebd., 64 f. M.]. 74 Vgl. Diogenes Lae¨rt. VII, 58; dazu B. Mates, Stoic Logic (wie Anm. 66), 17. Zum Ganzen: C. Prantl I, 424–425. 75 Siehe oben S. 255.
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Die Übereinstimmung tritt noch deutlicher zutage, wenn man die sog. stoischen Kategorien, die »obersten Gattungen des Seienden«, in den Vergleich miteinbezieht. Zwar haben wir für sie nur zweitrangige Quellen, und die Logiker wagen deshalb kein Urteil über ihre eigentliche Bedeutung und Stellung innerhalb des Systems, gleichwohl gewähren die vorhandenen, im wesentlichen gleichlautenden Zeugnisse hinreichende Sicherheit und helfen mit, das Denken des Basilius aufzuhellen. Die Frage, ob man es hierbei mit genuiner stoischer Lehre zu tun habe oder mit etwas, das sich Spätere als Lehre der Stoa zurechtlegten, ist in diesem Zusammenhang zweitrangig.76 Nach Simplicius führen die Stoiker vier oberste Gattungen auf, die jedem Seienden zukommen: das Substrat oder Subjekt (υ῾ποκει´μενον), das Wiebeschaffene oder die Qualität (ποιο´ν), das sich in bestimmter Weise Verhaltende (πω ῀ ς ε῎χον) und das in bestimmter Weise in bezug auf etwas sich Verhaltende (προ`ς τι´ πως ε῎χον).77 Die beiden letzten können hier außer Betracht bleiben, weil sie die »wechselnden, bloß zufälligen Eigenschaften« sind im Unterschied zur wesentlichen Qualität.78 Substrat und Qualität ergeben zusammen das konkrete Seiende in seiner wesentlichen Ausformung. Das Substrat (υ῾ποκει´μενον) in seiner ersten Bedeutung ist die gänzlich unbestimmte, qualitätslose Materie, die α῎ποιος υ῞λη, auch erste Materie (πρω´τη υ῞λη) im Unterschied zum bereits qualitativ bestimmten Stoff; sie liegt den Qualitäten zugrunde und erhält sich in ihrem Wechsel. Die Stoiker setzen sie mit der ου᾽σι´α gleich. Sie bedarf der Qualität (ποιο´ν), in der die artbildende Kraft liegt, um zur qualitativ bestimmten Materie zu werden. Das ποιο´ν wird geschieden in das κοινω ῀ ς ποιο´ν und das ι᾽δι´ως ποιο´ν. Das κοινω ῀ ς ποιο´ν bringt eine allgemeine Qualifizierung der qualitätslosen Materie, das ι᾽δι´ως ποιο´ν eine eigentümliche Qualifizierung der schon allgemein qualifizierten Materie; letzteres ist die dauernde, wesentliche qualitative Bestimmtheit eines Seienden, wodurch es von allen anderen bleibend unterschieden ist. (Die weiteren Unterscheidungen des ποιο´ν können hier beiseite gelassen werden). Das allgemein und eigentümlich Qualifizierte heißt auch Substrat im zweiten Sinn (δευ´τερον υ῾ποκει´μενον). Die Belege: Dexippus und Simplicius überliefern, im wesentlichen gleichlautend, einen Text, aus dem dies hervorgeht. So sagt Porphyrius bei Simplicius: »Das Substrat ist nicht nur nach den Stoikern, sondern auch nach den 76 Vgl. B. Mates, Stoic Logic 18; J. M. Bochen´ski, Formale Logik (wie Anm. 44), 130–131. M. Mignucci, II significato della logica stoica, Science filosofiche 1, Bologna 1965, 88–103. − Die Quellen, vor allem Plotin und Simplicius, sind aufgeführt bei C. Prantl I (wie Anm. 69), 428–437, und E. Zeller III/1 (wie Anm. 70), 95–105; s. auch, M. Pohlenz, Die Stoa I (wie Anm. 47), 69–70 (II, 39–41). 77 Simplicius, in Arist. categ. (CAG VIII, 66, 32–67, 2 K.) = SVF II, 369; vgl. Plotin, Enn. VI, 1, 25 = SVF II, 371. Übersetzung teilweise nach J. M. Bochen´ski, Formale Logik 130. 78 C. Baeumker, Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie, Münster 1890 = Nachdruck Frankfurt/M. 1963, 347; vgl. C. Prantl I, 431; E. Zeller III/1, 98 Anm. 1; M. Pohlenz II, 39.
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Alten doppelt: die qualitätslose Materie, die Aristoteles potentiell nennt, ist die erste Bedeutung des Substrats; in seiner zweiten Bedeutung ist es die Qualität, die gemeinsam oder eigentümlich subsistiert (ο῝ κοινω ῀ ς ποιο`ν η῍ ι᾽δι´ως υ῾φι´σταται); Substrat ist nämlich das Erz und Sokrates für das, was ihnen zukommt oder von ihnen ausgesagt wird«.79 Die qualitätslose, ungeformte, erste Materie ist das körperliche, »ausgedehnte und darum raumfüllende Substrat, von dem alle bestimmten Körper Differenzierungen darstellen. Die Materie ist . . . das, was übrig bleibt, wenn wir von den einzelnen Körpern jede Besonderheit hinwegdenken, der allgemeine Gattungsbegriff des (physischen) Körpers . . .«. Sie ist erste Gattung, »der Inhalt des allgemeinsten Gattungsbegriffs von realen Dingen«.80 Zugleich ist sie die Substanz der Dinge (ου᾽σι´α) und »das erste Seiende (το` ο῎ν)«.81 Während Aristoteles die Grundlage der Substanz in der ideellen Form sieht und deswegen »so viele Arten von Substanzen annehmen« muß, »als es begrifflich verschiedene Formen gibt«, lehrt die Stoa »mit der Einheit der Materie auch die Einheit der Substanz. Es gibt . . . nur eine einzige all den zahllosen qualitativ verschiedenen Dingen gemeinsame Weltsubstanz. Die Materie ist nicht eine Substanz, sondern als oberste, alles befassende Gattung ist sie die Substanz«.82 Diese ου᾽σι´α − υ῞λη ist das υ῾ποκει´μενον im ersten Sinn. Seine Qualifizierung erhält das bestimmungslose Substrat von der zweiten Gattung (»Kategorie«), der Qualität (ποιο´ν). Dadurch gewinnt die ungeformte Materie reale Existenz (υ῾πο´στασις). Materie und Qualität zusammen ergeben das konkrete Ding.83 Ist die hinzutretende Qualität generell (κοινω ῀ ς ποιο´ν), so erhalten wir die Gattung oder Art (Mensch, Pferd, Erz), ist sie eigentümlich (ι᾽δι´ως ποιο´ν), so erhalten wir das Individuum (Sokrates, Diogenes).84 Dieses ist also das Ergebnis aus Substrat + genereller Qua79 Simplicius, in Arist. categ. (CAG VIII, 48, 11–16 K.); vgl. Dexippus, in Arist. categ. I, 22 (CAG IV/2, 23, 25–30 B.) = SVF II, 374. 80 C. Baeumker 336, mit Verweis auf Plotin, Enn. II, 6, 2; vgl. 330–339 zur Begründung dieser Aussagen; siehe insbesondere Arius Didym., Fr. phys. 20 (457, 25 ff. Diels, Doxogr. ῀ ν πα´ντων πρω´την υ῞λην . . .; für Poseidonius = SVF I, 87) für Zeno: Ου᾽σι´αν δε` ει῏ναι τη`ν τω bei Arius Didym., a.a.O. siehe oben Anm. 19; vgl. Diogenes Lae¨rt. VII, 134. 137. 150; SVF I, 86. 88. II, 309. 316–318. 325. 326; siehe auch M. Pohlenz, Die Stoa I, 66. II, 38. 81 C. Baeumker 336–337, mit Verweis auf Numenius bei Euseb., praep. ev. XV, 17, 2 [GCS Eusebius VIII/2, 381, 14 f. Mras] = frgm. 12 Leemans [frgm. 3 des Places], und Plotin, Enn. VI, 1, 27–28 = SVF II, 314. 319; für Substanz s. vorherige Anm.; vgl. auch H. Dörrie, ῾Υπο´στασις 49–51. 82 C. Baeumker 337–338, mit Verweis auf M. Aurelius XII, 30: μι´α ου᾽σι´α κοινη´, κα῍ν διει´ργηται ι᾽δι´ως ποιοι῀ς, σω´μασι μυρι´οις [BiTeu 112, 9 Dalfen]; Calcidius c. 292 [294 f. W.] = SVF I, 88; Plotin, Enn. VI, 1, 25 = SVF II, 373; vgl. E. Zeller III/1 (wie Anm. 70), 95–96. 83 Plotin, Enn. VI, 1, 26, 18 f. = SVF II, 315: πα῀ν σω ῀ μα ε᾽ξ υ῞λης και` ποιο´τητος; vgl. M. Pohlenz II, 38; E. Zeller III/1, 96 Anm. 4 und 99 Anm. 2, mit weiteren Belegen. H. Dörrie, ῾Υπο´στασις 49–51. − Zum Unterschied von ποιο´ν, das jegliche Qualität, und ποιο´της, die nur die wesensbildenden Eigenschaften bezeichnet, siehe Simpl., in Arist. categ. (CAG VIII, 212, 7–213, 1 K.) = SVF II, 390; vgl. C. Prantl I, 431; E. Zeller III/1, 97 Anm. 1; M. Pohlenz II, 39 (zu I, 69). 84 Vgl. Simpl., in Arist. categ. (CAG VIII, 222, 30–33 K.) = SVF II, 378: Οι῾ δε` Στωικοι` το`
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lität + eigentümlicher Qualität. Alle diese Seinskonstitutiva sind materiell. Das Substrat ist der feinste materielle Träger der materiellen Qualitäten (die als Pneumaströmungen gelten). Kehren wir zu Basilius zurück. Ganz im Sinne der erläuterten stoischen Auffassung des aus Substrat und Qualitäten zusammengesetzten konkreten Seienden spricht er in der Homilie I, 8 zum Hexaemeron von der qualitätslosen Natur oder ου᾽σι´α als dem Substrat und den die ου᾽σι´α auffüllenden Qualitäten und erklärt in der Homilie VI, 3 grundsätzlich, daß alles Zusammengesetzte in die mit dem Substrat identifizierte aufnehmende ου᾽σι´α und die zu ihr hinzutretende Qualität geschieden werde.85 Dasselbe Schema scheint nun auch bei den oben (S. 258 ff.) angeführten Texten aus adv. Eunomium zur Bestimmung des Verhältnisses von gemeinsamer ου᾽σι´α und Individuum (Hypostase) verwendet worden zu sein. Aus der Zusammenfügung (συμπλοκη´) der gemeinsamen ου᾽σι´α und der charakterisierenden Eigentümlichkeiten (hier ι᾽διω´ματα, ι᾽διο´τητες) gewinnen wir die Erkenntnis der Wahrheit, nämlich die Erkenntnis der Hypostasen, heißt es adv. Eunomium II, 28; dabei kommt − man vergleiche dazu die stoischen Texte! − eine Teilung der ου᾽σι´α durch die oft kontradiktorisch einander entgegengesetzten Qualitäten zustande.86 Vor allem findet die vom aristotelischen Standpunkt aus so merkwürdige Aussage über die Einheit der ου᾽σι´α bei Vernunftbegabten und Vernunftlosen, ja sogar bei den toten Körpern (Ton, Holz, adv. Eun. II, 19) und den Menschen ihre zwanglose Erklärung, wenn man annimmt, daß Basilius hierbei die stoische Seinsanalyse im Kopf hat. Die eine ου᾽σι´α, die den Quali täten als Substrat zugrundeliegt, läßt sich am einfachsten als die stoische ungeformte Materie verstehen, die das erste Substrat und das ursprüngliche Sein und die Substanz (ου᾽σι´α) aller qualitativ bestimmten Dinge bildet.87 Die von Basilius in adv. Eunomium II, 28 aufgezählten Qualitäten κοινο`ν τη ῀ ς ποιο´τητος το` ε᾽πι` σωμα´των λε´γουσι διαφορα`ν ει῏ναι ου᾽σι´ας ου᾽κ α᾽ποδιαληπτη`ν καϑ᾽ ε῾αυτη´ν, α᾽λλ᾽ ει᾽ς (ε῝ν) ε᾽ννο´ημα (Pohlenz II, 39–40) και` ι᾽διο´τητα α᾽πολη´γουσαν . . ., vgl. SVF II, 390. − Syrian., in Arist. metaph. [CAG VI, 28, 18 f. Kroll] = SVF II, 398: και` οι῾ Στωικοι` δε` του`ς κοινω ῀ ς ποιου`ς προ` τω ῀ ν ι᾽δι´ως ποιω ῀ ν α᾽ποτι´ϑενται. − Die Belege für die Beispiele s.
oben Anm. 74 und 79. − Zum Ganzen: C. Prantl I, 430–433; C. Baeumker 346 f.; E. Zeller III/1, 95–101; M. Pohlenz I, 69. II, 39–40. 85 Hex. I, 8 (SC 26bis, 120 G. [= GCS NF 2, 15, 3–8 de M./R.]): Τα` αυ᾽τα` δε` ταυ῀τα και`
περι` τη ῀ ς γη ῀ ς συμβουλευ´ωμεν ε῾αυτοι῀ς, μη` πολυπραγμονει῀ν αυ᾽τη ῀ ς τη`ν ου᾽σι´αν η῞τις ποτε´ ε᾽στι, μηδε` κατατρι´βεσϑαι τοι῀ς λογισμοι῀ς αυ᾽το` το` υ῾ποκει´μενον ε᾽κζητου῀ντας, μηδε` ζητει῀ν τινα φυ´σιν ε῎ρημον ποιοτη´των, α῎ποιον υ῾πα´ρχουσαν τω ῀ͺ ε῾αυτη ῀ ς λο´γω, ͺ α᾽λλ᾽ ευ῏ ει᾽δε´ναι, ο῞τι πα´ντα τα` περι` αυ᾽τη`ν ϑεωρου´μενα ει᾽ς το`ν του῀ ει῏ναι κατατε´τακται λο´γον, συμπληρωτικα` τη ῀ ς ου᾽σι´ας υ῾πα´ρχοντα. − hex. VI, 3 (SC 26bis, 336 G. [GCS NF 2, 91, 12–15 de M./R.]): Και` μηδενι` α῎πιστον ει῏ναι δοκει´τω το` ει᾽ρημε´νον, ο῞τι α῎λλο με´ν τι του῀ φωτο`ς λαμπρο´της, α῎λλο δε´ τι το` υ῾ποκει´μενον τω ῀ͺ φωτι` σω ῀ μα [α῎λλο δε´ τι τω ῀ͺ φωτι` το` υ῾ποκει´μενον σω ῀ μα, 91, 13 de M./R.]. Πρω ῀ τον με`ν ου῏ν ε᾽κ του῀ τα` συ´νϑετα πα´ντα ου῞τω παρ᾽ η῾μω ῀ ν διαιρει῀σϑαι, ει῎ς τε τη`ν δεκτικη`ν ου᾽σι´αν, και` ει᾽ς τη`ν ε᾽πισυμβα ῀ σαν αυ᾽τη ῀ͺ ποιο´τητα. Vgl. II, 2. 3 (SC 26bis, 142–150 G. [23–26 de
M./R.]). 86 Siehe oben S. 258 zu adv. Eunom. II, 28; S. 265 zu Diogenes Lae¨rt. VII, 60. 61. 87 Adv. Eunom. II, 28 (PG 29, 637 C [SC 305, 120, 48–50 S./D./D.] ): Μια῀ς γα`ρ ου᾽σι´ας τοι῀ς πα ῀ σιν υ῾ποκειμε´νης τα` ι᾽διω´ματα ταυ῀τα ου᾽κ α᾽λλοτριοι῀ τη`ν ου᾽σι´αν κτλ. − Zu adv. Eunom. II, 19 siehe S. 259.
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(geflügelt, mit Füßen versehen, zu Wasser, zu Lande, vernunftbegabt, vernunftlos) entsprechen dabei dem stoischen κοινω ῀ ς ποιο´ν, der allgemeinen Eigenschaft, die zusammen mit dem Substrat die Gattung oder Art ergeben, die als solche ja noch nicht existieren. (Es existiert nur die Hypostase, das zusätzlich durch das ι᾽δι´ως ποιο´ν qualifizierte, konkrete, einzelne Seiende). Hier scheint nun auch der Schlüssel zur Interpretation des stofflichen Substrats (υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον) zu liegen, als das Basilius, adv. Eunomium I, 15 und II, 4, die menschliche ου᾽σι´α bestimmt.88 Existiert es (als solches) oder existiert es nicht? Vergleicht man die Definitionen des Basilius: ου᾽σι´α = υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον und der Stoa: ου᾽σι´α = α῎ποιος υ῞λη = πρω ῀ τον υ῾ποκει´μενον, so legt sich eine Identifizierung nahe. Konsequenterweise müßte man dann sagen, daß das stoffliche Substrat der menschlichen ου᾽σι´α als solches nicht existiert. Aber nun hat Basilius das stoffliche Substrat des Menschen mit dem Lehm gleichgesetzt, aus dem der Mensch nach der Schrift gebildet wurde, und das scheint einer Gleichsetzung mit der qualitätslosen Materie zu widersprechen.89 Hier bietet sich folgende Lösung an: man könnte dies im Sinne des stoischen κοινω ῀ ς ποιο´ν, des generell Qualifizierten (der Gattung) verstehen, das als zweites Substrat gilt und für das als Beispiele in den oben aufgeführten Texten »Mensch«, »Pferd«, »Erz« genannt werden. Für sich genommen existieren diese nicht, sondern können nur gedanklich von den konkret verwirklichten Einzeldingen abgehoben werden.90 Der »Lehm« bei Basilius entspräche dann etwa dem »Erz«, in den stoischen Beispielen. Vielleicht war es nur die vorgegebene Aussage der Schrift, die Basilius zu dieser uns so verwirrenden Illustration bewogen hat. Trifft die hier vorgetragene Interpretation der basilianischen ου᾽σι´α zu, so muß man davon ausgehen, daß es für Basilius nur eine ου᾽σι´α aller Dinge des Kosmos gibt, aber, dies ist nun gleich hinzuzufügen, während für die Stoa im Begriff des Kosmos auch der Gottes eingeschlossen ist, weil Gott und Kosmos identisch sind, also beiden auch dieselbe ου᾽σι´α zugrundeliegt,91 sind für Basilius als christlichen Theologen Gott und Kosmos scharf getrennt, und ihre ου᾽σι´αι sind grundsätzlich und unversöhnlich verschieden. Basilius kennt eine ου᾽σι´α aller geschaffenen Dinge − alle wahrnehmbaren Körper haben eine ου᾽σι´α92 − und eine ου᾽σι´α Gottes. Auf sie wendet er aber ebenfalls das Schema der stoischen Seinsanalyse von Substrat und Qualitäten an. In adv. Eunomium II, 28 kann man das erschließen, weil er hier den Begriff der göttlichen ου᾽σι´α mit dem der geschöpflichen ου᾽σι´α υ῾ποκειμε´νη erläutert; in adv. Eunomium I, 19 ist es klar ausgesprochen:
88
Siehe oben S. 261. Adv. Eunom. II, 4, oben S. 263. 90 Siehe oben die Texte des Diogenes Lae¨rt. VII, 58 (Anm. 74) und des Simplicius (Anm. 79), sowie Anm. 19 und 47. 91 Vgl. z. B. Diogenes Lae¨rt. VII, 137. 138. 148. 150 = SVF II, 526. 634. 1022. 316. 92 Vgl. adv. Eunom. II, 19, oben S. 259. 89
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»Wenn aber jemand die gemeinsame ου᾽σι´α so auffaßt, daß der Begriff des Seins (το`ν του῀ ει῏ναι λο´γον) bei beiden ein und derselbe ist, so daß, angenommen der Vater würde dem Substrat nach (τω ῀ͺ υ῾ποκειμε´νωͺ) als Licht begriffen, auch die ου᾽σι´α des Eingeborenen als Licht bekannt wird, und daß eben der Begriff des Seins, den jemand für den Vater abgäbe, auch für den Sohn angewendet wird − wenn also so die gemeinsame ου᾽σι´α aufgefaßt wird, dann nehmen wir es an und werden sagen, daß dies unser Dogma sei. Denn danach ist die Gottheit eine, da nämlich gemäß dem Begriff der ου᾽σι´α die Einheit erkannt wird, so daß der Zahl und den Eigentümlichkeiten nach, die beide charakterisieren, der Unterschied vorhanden ist, im Begriff der Gottheit aber die Einheit erblickt wird.«93 481
Das hier mit der göttlichen ου᾽σι´α identifizierte υ῾ποκει´μενον kann nur in Analogie zum stoischen πρω ῀ τον υ῾ποκει´μενον verstanden werden. In dieser Bedeutung begegnet es auch an anderen Stellen und ist wie im Text des Dexippus und Simplicius von dem Substrat im zweiten Sinn, dem bereits qualifizierten Träger von weiteren Qualitäten oder Aussagen, zu unterscheiden.94 Für Basilius gibt es also zwei ου᾽σι´αι oder zweierlei Sein, den Seinsbegriff der geschaffenen Dinge und den Seinsbegriff Gottes. Das ist der Unterschied zur Stoa, die nur eine einzige ου᾽σι´α kennt. Auf beiderlei ου᾽σι´αι wendet er aber das stoische Modell der Seinsanalyse an. Als Inhalt der ου᾽σι´α gibt er sowohl für Gott als auch für die geschaffenen Dinge den »Begriff des Seins« an. So erklärt er in der an Amphilochius gerichteten ep. 236, 6 den Unterschied von ου᾽σι´α und Hypostase: »Zwischen ου᾽σι´α und Hypostase besteht eben der Unterschied, der zwischen dem Gemeinsamen und einzelnen besteht, z.B. zwischen dem Lebewesen und dem bestimmten Menschen. Deswegen bekennen wir eine ου᾽σι´α in der Gottheit, so daß wir den Begriff des Seins (το`ν του῀ ει῏ναι λο´γον) nicht verschieden abgeben, die Hypostase jedoch als eigentümlich etc.«.95
93 Adv. Eunom. I, 19 (PG 29, 556 A-B [SC 299, 240, 32–242, 44 S./D./D.]): ει᾽ δε` ου῞τω τις ε᾽κλαμβα´νοι το` τη ῀ ς ου᾽σι´ας κοινο`ν, ω῾ς το`ν του῀ ει῏ναι λο´γον ε῞να και` το`ν αυ᾽το`ν ε᾽π᾽ α᾽μφοι῀ν ϑεωρει῀σϑαι, ω ῞ στε και` ει᾽ καϑ᾽ υ῾πο´ϑεσιν φω ῀ ς ο῾ Πατη`ρ τω ῀ͺ υ῾ποκειμε´νωͺ νοοι῀το, φω ῀ ς και` τη`ν του῀ Μονογενου῀ς ου᾽σι´αν ο῾μολογει῀σϑαι, και` ο῞νπερ α῎ν τις α᾽ποδω ῀ͺ ε᾽πι` του῀ Πατρο`ς το`ν του῀ ει῏ναι λο´γον, το`ν αυ᾽το`ν του῀τον και` τω ῀ͺ Υι῾ω ῀ͺ ε᾽φαρμο´ζειν· ει᾽ ου῞τω το` κοινο`ν τη ῀ ς ου᾽σι´ας λαμβα´νοιτο, δεχο´μεϑα· και` η῾με´τερον ει῏ναι το` δο´γμα φη´σομεν. Κατα` του῀το γα`ρ και` ϑεο´της μι´α· δηλονο´τι κατα` το`ν τη ῀ ς ου᾽σι´ας λο´γον τη ῀ ς ε῾νο´τητος νοουμε´νης, ω ῞ στε α᾽ριϑμω ῀ͺ με`ν τη`ν διαφορα`ν υ῾πα´ρχειν, και` ται῀ς ι᾽διο´τησι ται῀ς χαρακτηριζου´σαις ε῾κα´τερον. ε᾽ν δε` τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ ς ϑεο´τητος τη`ν ε῾νο´τητα ϑεωρει῀σϑαι. 94
Für Simplicius s. oben S. 266; das Substrat im 1. Sinn bei Basilius außer an den aufgeführten Stellen (adv. Eunom. I, 15. 19; II, 4. 28) z. B. noch hex. I, 6; II, 2. 3; VI, 3 (SC 26bis, 120–122; 144–150; 336 G. [vgl. GCS NF 2 de M./R.]) und hom. 12, 15, in princ. Prov. (PG 31, 420 A); Substrat im 2. Sinn z. B. ep. 9, 2 (CUFr I, 38, 15–21 C.); ep. 210, 5 (CUFr II, 196, 36–41 C.); ep. 214, 3 (CUFr II, 204, 20–205, 33 C.); adv. Eunom. I, 7 (PG 29, 525 A [SC 299, 188–190 S./D./D.]); hom. 16, 4, in princ. erat Verb. (PG 31, 480 B-C); Siehe auch oben Anm. 47. 95 Ep. 236, 6 (CUFr III, 53, 1–5, vgl. –10 C.): vgl. z. B. noch adv. Eunom. I, 10 (PG 29, 536 C [SC 299, 206, 42 f. S./D./D.] ): ῾Η δε` ου᾽σι´α . . . αυ᾽το` το` ει῏ναι του῀ ϑεου῀; adv. Eunom. II, 27 (636 B [112, 1–13 S./D./D.] ).
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Und in ep. 214, 4, an den Comes Terenz, heißt es ähnlich: ». . . wir wollen sagen, daß die ου᾽σι´α sich zur Hypostase so verhält wie das Gemeinsame zum Eigentümlichen. Jeder von uns nämlich hat sowohl auf Grund des gemeinsamen Begriffs ῀ͺ κοινω ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας λο´γωͺ του῀ ει῏ναι μετε´χει − es heißt nicht: auf der ου᾽σι´α am Sein teil (τω Grund des gemeinsamen Menschheitsbegriffs am Menschsein teil!) und ist durch die Eigentümlichkeiten, die an ihm sind, ein dieser und ein jener . . .«96
Die Häufigkeit, mit der Basilius die ου᾽σι´α als »Begriff des Seins« erläutert, erlaubt es vielleicht auch, dieses Wort endlich zu übersetzen. In Analogie zur stoischen Auffassung wird man wenigstens in den besprochenen Texten die ου᾽σι´α, soweit sie »das Gemeinsame« der Hypostasen bezeichnet, als »Substanz«, das erste zugrundeliegende Sein der Einzeldinge, verstehen dürfen. Möglicherweise ist dies das ursprüngliche Verständnis der ου᾽σι´α bei Basilius. Wenn er zunächst, d. h. etwa bis zum Jahre 362, nicht anders als die Homoiousianer mit dem Wort ου᾽σι´α noch die Einzelsubstanz bezeichnet hatte,97 so scheint er sie doch im erläuterten Sinn des zugrundeliegenden Seinssubstrats verstanden zu haben. Als ihn dann die Auseinandersetzung mit Eunomius, und exakt die Notwendigkeit, dessen Argument zu widerlegen, die ου᾽σι´α Gottes sei die »Ungezeugtheit«, dazu zwang, die Begriffe ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις zu differenzieren (erstmals in adv. Eunomium I, 15), scheint er sein vorgegebenes Verständnis der ου᾽σι´α von der Einzelsubstanz auf die ου᾽σι´α als »das Gemeinsame« übertragen zu haben. Diese These würde jedenfalls zwanglos die Tatsache erklären, daß in den oben angeführten Texten aus adv. Eunomium I, 7 das zugrundeliegende Seinssubstrat (υ῾ποκει´μενον) mit der ου᾽σι´α als Einzelsubstanz zusammenfällt,98 während es in adv. Eunom. I, 15. 19; II, 4. 28 mit der ου᾽σι´α als der gemeinsamen Substanz identisch ist. Auf diesem Hintergund ließe sich schließlich auch die Schwierigkeit begreifen, die dem Basilius die nizänische Formel von der Homoousie des Sohnes mit dem Vater anfänglich bereitet hat. Er befürchtet, daß man sie als Teilung eines zuvor vorhandenen stofflichen Substrats in zwei Substanzgleiche verstehen könnte.99 Bedenkt man, daß für die Stoa das Einzelding (ι᾽δι´ως ποιο´ν) nur ein qualifizierter Teil (με´ρος) der einheitlichen Gesamtsubstanz ist,100 werden die Einwände des Basilius verständlich. Über die Konsequenzen und die Tragweite der basilianischen Interpretation der ου᾽σι´α wird man erst urteilen können, wenn das gesamte Material aufgearbeitet ist. Vor allem wären dabei seine so kritischen Äußerungen zur begrenzten Geltung philosophischer Kategorien in der Theologie zu berücksichtigen. 96
Ep. 214, 4 (CUFr II, 205, 7–11 C.). ου᾽σι´α als Bezeichnung für die Hypostase z. B.: ep. 361 an Apolinarius (CUFr III, 221, 24–35 C.); ep. 9, 3 (CUFr I, 39, 7–10 C.); hom. 23, 4, in Mamantem (PG 31, 597 C). 98 Vgl. adv. Eunom. I, 7 (wie Anm. 23). 99 Siehe Basil., ep. 361 an Apol. (CUFr III, 221, 15–22 C.); vgl. die weiteren Stellen oben Anm. 63. 100 Vgl. z. B. Arius Didym., frgm. phys. 27 (463, 1–4 Diels, Doxogr.); M. Pohlenz I, 69. 97
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Man wird aber schon jetzt sagen können, daß es für Basilius leichter war, die Einheit der drei göttlichen Hypostasen mit dem Hinweis auf die Einheit ihrer Seinssubstanz zu begründen oder wenigstens plausibel zu machen,101 als für Gregor, der zunächst zur Einheit des Artbegriffs seine Zuflucht nahm. Aus welcher Quelle Basilius die stoische Logik bezogen hat, wissen wir nicht. Die philosophischen Elemente, die sich bei ihm identifizieren lassen, sprechen dafür, daß er sein Wissen vor allem bei den synkretistischen Rhetoren erworben hat, die ihre Weltdeutung aus den Gedanken aller philosophischen Schulen zusammensetzten. Für den logischen Teil scheint dabei ein stoisches Handbüchlein bevorzugt worden zu sein. Dabei ist aber zu bedenken, daß man bei einem Aristoteliker wie Alexander von Aphrodisias oder einem Neuplatoniker wie Dexippus, der um 350 seinen Kommentar zu den Kategorien schrieb, vieles Stoische findet. Zwischen ihnen und Basilius gibt es häufig auffallende terminologische und sachliche Parallelen, die sorgfältig zu prüfen wären, wenn man sich an die philosophischen Quellen des Basilius näher herantasten will. Hier konnte nur ein erster Schritt getan werden. Vordringlich bleibt eine systematische Untersuchung der basilianischen Sprach- und Erkenntnislehre, der Logik und Ontologie. Mit Vorbedacht wurde deshalb auch die stoische Interpretation der ου᾽σι´α auf die zitierten Texte des Basilius eingeschränkt. Basilius ist kein Systematiker, und die Verwendung stoischer Vorstellungen bei einem begrenzten Problem der Trinitätstheologie hat ihn nicht daran gehindert, sich bei einem anderen aristotelischer Begriffsmittel oder plotinischer Spekulationen zu bedienen.102 Dabei muß es noch kein Verlassen des stoischen Modells bedeuten, wenn Basilius die Seinssubstanz Gottes als Gottheit, Licht, Leben, Güte usw.103 oder das Gemeinsame des Menschen als »Lebewesen«104 bestimmt, denn auch die Stoa machte durchaus inhaltliche Aussagen für die Weltsubstanz und ihre verschiedenen Aspekte.105 Aber wenn Basilius die Einheit der göttlichen Natur mit der Einheit 101
Vgl. adv. Eunom. III, 6. 7 (PG 29, 668 C-D. 669 C [SC 305, 170, 40–42 S./D./D.] ); hom. 24, 3. 4 (PG 31, 605 A–609 B); de spir. s. XVIII, 45 (SC 17bis, 404–406, 1–14 P.). 102 Aristoteles bei Basilius: vgl. z. B. adv. Eunom. I, 5 (PG 29, 516 B-C [SC 299, 172– 174, 43–46 S./D./D.]); I, 9 (532 A [200, 8–11 S./D./D.] ); II, 25 (632 A [SC 305, 106–108, 33–42]): Widerspruchsprinzip. Die Einflüsse plotinischer Hypostasenspekulation (Enn. V, 1) sind vor allem in adv. Eunom. III, 6. 7, hom. 15 und 24, de spir. s. IX und XVIII zu bemerken und bedürfen nach P. Henry, Les e´tats du texte du Plotin, Paris/Bruxelles 1938, und H. Dehnhard, Das Problem der Abhängigkeit des Basilius von Plotin, PTS 3, Berlin 1964, noch weiterer Untersuchung. − Zur philosophischen Schulung und zum Eklektizismus des Basilius siehe die Arbeiten von Y. Courtonne, Saint Basile et l’Helle´nisme, Paris 1934; S. Giet, Basile de Ce´sare´e, Home´lies sur l’Hexae´me´ron, SC 26bis, Paris 2 1968, Introduction 32–69; B. Pruche, SC 17bis, Introduction, 154–178. 103 Siehe z. B. adv. Eunom. II, 28. 29 (PG 29, 637 B-C. 640 A-B); ep. 214, 4 (CUFr II, 205, 11–13 C.). 104 Ep. 236, 6 (CUFr III, 53, 1–5 C.), oben S. 270. 105 Vgl. Diogenes Lae¨rt. VII, 137: die qualitätslose Substanz ist das Gemisch aus den vier Elementen; VII, 142: der Kosmos ein beseeltes und vernunftbegabtes Lebewesen; VII, 156: die Natur (Gott) ein künstlerisch wirkendes Feuer.
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der Natur der Engel illustriert106 oder gar − diese Stelle scheint einmalig zu sein − mit dem einen ει῏δος der Hypostasen begründet,107 dann ist er dabei, die stoische Seinslehre zu verlassen oder hat es bereits getan. Das alles zeigt einmal mehr, daß man aus Basilius keinen stoischen Metaphysiker machen darf und sich hüten muß, alles nach einem Schema zu erklären. Es zeigt auch, welchen Geltungsbereich er philosophischen Begriffen in der Theologie zumaß. Er hat, scheinbar unbekümmert um die logischen Implikationen der benutzten Begriffselemente, was ihm nützlich schien, aus allen Schulen der Philosophie zusammengesucht − verwendet er nicht auch im Hexaemeron neben der stoischen Analyse des Seins (ου᾽σι´α/υ῞λη-ποιο´τητες) die des platonischen Timaios (υ῞λη-ει῏δος)?108 −, um damit die Theologie den gebildeten Zeitgenossen glaubhaft und verständlich zu machen, nicht um sie zu begründen. Seine philosophische Naivität in der Theologie ist scheinbar. Sein Verzicht auf logische Konsequenz ist kein Unvermögen, sondern seine theologische Größe. Er entspringt aus der Einsicht, daß menschliche Kategorien vor Gottes Wesen versagen. »Gebärdet er sich nicht, als ob er über das Maß verfüge, nach dem Gottes Größe zugemessen wird?«, lautet die Anklage gegen Eunomius, der öffentlich erklärte, die ου᾽σι´α Gottes zu kennen.109 »Wenn wir alles mit dem Verstände messen und annehmen wollen, daß es überhaupt nichts gebe, was unserem Denken unfaßlich ist, so schwindet des Glaubens, schwindet der Hoffnung Lohn«, . . . hält er dem Manne entgegen, der exakten Begriffen und logischem Kalkül mehr vertraute als der schlichten Botschaft des Geistes.110 Immer wieder betont er die Unzulänglichkeit und Inadäquatheit menschlicher Erkenntnismittel: »Gottes immerdar zu gedenken, ist fromm und bringt der Seele, die Gott liebt, keinen Überdruß; im Worte aber das, was Gott betrifft, auszuführen, ist gefährlich, einmal weil der Verstand in hohem Maße hinter dem Wert der Gegenstände zurückfällt, sodann weil das Wort das Erkannte nur dunkel wiedergibt. Wenn nun unser Verstand so sehr hinter der Größe der Gegenstände zurückbleibt, das Wort aber noch geringer ist als der Verstand selbst, wie täte dann nicht Schweigen not, damit nicht etwa durch die wohl106 Adv. Eunom. III, 1. 2 (PG 29, 656 A-B. 657 B-C [SC 305, 148, 40–150, 6 S./D./D.] ). 107 Hom. 24, 4 (PG 31, 608 C): Ει῟ς ου῏ν ϑεο`ς ε᾽πειδη` δι ᾽ α᾽μφοτε´ρων ε῝ν ει῏δος ϑεωρει῀ται ο῾λοκλη´ρως ε᾽ν α᾽μφοτε´ροις δεικνυ´μενον. Dieser Gebrauch von ει῏δος ist bei Basilius ungewöhnlich. Es steht sonst mit μορφη´ und σχη῀μα gleich und ist als Qualität der ου᾽σι´α gerade entgegengesetzt: vgl. adv. Eunom. I, 23 (PG 29, 564 A); II, 28 (637 B) [siehe dazu in diesem Band: »Ps-Athanasius, C. Sabellianos. Eine Schrift des Basilius von Caesarea oder des Apolinarius von Laodicea?«, S. 413 Anm. 26]. 108 Siehe hex. II, 2. 3 (SC 26bis, 144–152 G. [GCS NF 2, 23–26 de M./R.]); aber auch hier sind eher die Worte als die Begriffe platonisch, denn ει῏δος bedeutet ebensoviel als σχη῀μα und μορφη´, α᾽νει´δεος ist gleich α῎ποιος. Ähnliches gilt für de spir. s. XXVI, 61 (SC 17bis, 466, 5–7 P.). Zur Entsprechung zwischen platonisch-aristotelischem ει῏δος und stoischem ποιο´ν siehe E. Zeller III/1, 99–100; vgl. SVF II, 395. 109 Vgl. adv. Eunom. II, 19 (PG 29, 613 C); I, 12. 13 (540 A. 541 D–544 A). 110 Adv. Eunom. II, 24 (PG 29, 628 A); vgl. I, 5 (520 C); II, 23 (621 B); III, 1 (653 A).
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feilen Worte das Wunder der Theologie in Gefahr gebracht wird?«111 Die Erfahrung eines Mannes, dem die Notwendigkeit, den Gegner auf seinem eigenen Feld zu schlagen, viele gefährliche Definitionen abgezwungen hat, spricht aus seinen Sätzen an Epiphanius: ». . . wir wissen, daß wir, wenn wir einmal an der Einfachheit des Glaubens gerüttelt haben, kein Ende in den Worten finden werden, da die Widerrede uns ständig weiter treibt, und die Seelen der Schlichtesten durch die Einführung fremder Gedanken verwirren werden.«112 Bei der üblichen Schweigsamkeit und wohlüberlegten Kürze dieses Briefschreibers, der mit Worten, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sparsam umgeht, hat eine solche Aussage den Charakter einer Grundsatzerklärung. Basilius treibt nicht Trinitätstheologie aus Lust am Spekulieren. Wenn er auf der philosophischen Ebene argumentiert, dann wider Willen, um dem Gegner nicht den Schein der Wahrheit zu lassen und um nicht als widerlegbar zu erscheinen.113 Man könnte ihm wohl kein größeres Unrecht tun, als seine theologischen Formeln metaphysisch mißzuverstehen. Worum geht es dann aber in der Theologie? Worauf kommt es an? Die Antwort gibt der Prediger: »Hat sich nicht der Häretiker zu seinem eigenen blasphemischen Gebrauch die Worte der Schrift geraubt: Und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich? ›Siehst du wohl‹, sagt er, ›es ist gesagt: Es kennen mich die Meinen, und ich kenne die Meinen!‹ − Was sagt er, daß sie kennen? Daß sie die ου᾽σι´α erkennen? Daß sie die Größe ausmessen? Daß jenes von der Gottheit erkannt werde, was du mit frecher Zunge versprichst? . . . Was kennen wir von Gott? Meine Schafe hören meine Stimme. Siehst du, wie Gott erkannt wird? Dadurch, daß wir seine Gebote hören und tun, was wir hören. Das ist Erkenntnis Gottes: die Erfüllung der Gebote Gottes. Es kennen mich die Meinen, und ich kenne die Meinen. Es genügt dir zu wissen, daß der Hirte gut ist; daß er sein Leben für die Schafe gab. Dies ist die Grenze der Erkenntnis Gottes. Wie groß aber Gott ist, und welches sein Maß, und welcher Art der ου᾽σι´α nach, solche Fragen sind gefährlich für den Fragenden und ausweglos für den, der gefragt wird. Schweigen ist dafür die Therapie.«114 »Daß er gut ist, daß er sein Leben für seine Schafe gab . . .«, die göttliche Liebe, nichts anderes, ist »das Wunder der Theologie«. Von hier aus bestimmt sich der Wert und die Tragweite der Formeln. Sie zu ermitteln, muß die Aufgabe weiterer Untersuchungen sein. 111 Hom. 15, 1, de fide (PG 31, 464 B; vgl. − 465 C); adv. Eunom. II, 17 (PG 29, 605 B), III, 6 (668 A); de spir. s. IV, 6 (SC 17bis, 268, 1–5 P.); XX, 51 (426, 1–7 P.); XXVIII, 69 (496–498, 20–29 P.). 112 Ep. 258, 2 an Epiphanius (CUFr III, 102, 23–27 C.); vgl. adv. Eunom. II, 10 (PG 29, 592 A). 113 Siehe adv. Eunom. I, 1 (PG 29, 497 A–500 B); I, 9 (532 A-B); II, 1 (573 B-C); vgl. hom. de fide (PG 31, 677 B-C). 114 Hom. 23, 4, in Mamantem (PG 31, 596 D–597 B); vgl. adv. Eunom. I, 14 (PG 29, 545 A).
2. a. Übereinstimmung mit Gregors ousia-Begriff
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2. a. Der Brief stammt von Gregor von Nyssa, weil sein ου᾽σι´α-Begriff mit dem Gregors übereinstimmt. Daß der in ep. 38, 2. 3 definierte Begriff der ου᾽σι´α peripatetisch ist, dürfte mit den oben unter 1 b. angeführten Parallelen hinreichend belegt worden sein. Insbesondere die Bestimmungen der ου᾽σι´α als univoker Artbegriff, der ohne »Mehr« oder »Minder« von den Subjekten ausgesagt wird und dem für sich genommen keine Subsistenz zukommt, entsprechen denen der ου᾽σι´α δευτε´ρα, des Gattung- und Artbegriffs, der Kategorienschrift.115 Einige weitere Texte aus anderen Schriften Gregors sollen nun zeigen, daß dies seine übliche Auffassung der ου᾽σι´α ist. 1) Die ου᾽σι´α als univok ausgesagter Artbegriff bei Gregor: Im Traktat ex communibus notionibus wird die ου᾽σι´α des Menschen als ει῏δος bestimmt, dessen Definition dadurch zustandekommt, daß zur Gattung »Lebewesen« die spezifische Differenz »vernünftig« hinzugenommen wird; der Artbegriff wird von allen Menschen unterschiedslos ausgesagt; er ist bei allen ein und derselbe; er unterscheidet sich vom Artbegriff »Pferd«, »Hund«. Gregor entwickelt diese Auffassung, indem er einen Einwand seiner Gegner mit dem Hinweis zu entkräften sucht, daß man nicht von einem »so beschaffenen Menschen«, sondern nur von einer »so beschaffenen Hypostase des Menschen« reden könne, weil das »so beschaffen« eine Differenz der Gattung anzeigt: »Das besagte ›so beschaffen‹ (τοιο´σδε) nun unterscheidet etwas an einem (Seienden), das an jenem Wort teilhat, dem das ›so beschaffen‹ beigefügt wird; z.B. bezeichnen wir den Menschen als ›so beschaffenes Lebewesen‹, um ihn vom Pferd zu unterscheiden, das will sagen, um ihn von dem zu unterscheiden, das mit ihm zusammen am Wort ›Lebewesen‹ teilhat, sich aber durch das ›vernünftig‹ und ›vernunftlos‹ unterscheidet. Es unterscheidet sich aber etwas vom anderen entweder der ου᾽σι´α nach oder der Hypostase nach oder der ου᾽σι´α und Hypostase nach; und zwar ist der ου᾽σι´α nach der Mensch vom Pferd unterschieden, der Hypostase nach Paulus von Petrus; der ου᾽σι´α und Hypostase nach ›diese bestimmte Hypostase‹ des Menschen von ›dieser bestimmten Hypostase‹ des Pferdes.«116 »Es ist ja offensichtlich, daß ει῏δος und α῎τομον, das heißt ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις, nicht dasselbe sind; denn wenn einer ›Individuum‹. also Hypostase, sagt, dann lenkt er die Aufmerksamkeit des Hörers sofort darauf, ›wollig‹, ›grauäugig‹, ›Sohn‹, ›Vater‹ und dergleichen zu suchen; wenn er aber ει῏δος, also ου᾽σι´α, sagt, veranlaßt er ihn, ›vernünftiges Lebe wesen‹, ›sterblich‹, ›der Überlegung und Wissenschaft fähig‹, zu erkennen, (oder) ›vernunftloses Lebewesen‹, ›sterblich‹, ›wiehernd‹ und dergleichen.«117 »Der ου᾽σι´α nach unterscheidet sich in keiner Weise Paulus von Petrus, von denen (der Begriff) ›Mensch‹ ausgesagt wird.«118 115
Siehe oben S. 254 f. Ex. comm. not. (GNO III/1, 29, 11–20 M.); vgl. Porphyr., Isagoge 3 b 5–38 (CAG IV/1, 10 f. B.). 117 Ex comm. not. (GNO III/1, 31, 1–7 M.); vgl. non tres dei (GNO III/1, 40, 10–17 Müller) ep. 38, 2. 3, s. Anm. 38 und 135. Zu den Bestimmungen von ει῏δος und α῎τομον und ihrem gegenseitigen Verhältnis vgl. Porphyr., Isagoge 2 b 43–3 a 3 (CAG IV/1, 7 B.); 3 a 38–40 (9 B.): »vernunftbegabt, sterblich, der Wissenschaft fähig« als dem Menschen wesentliche Differenzen. 118 Ex comm. not. (GNO III/1, 31, 24–25 M.). 116
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
». . . Petrus, Paulus, Barnabas nennen wir nicht drei ου᾽σι´αι, denn die ου᾽σι´α dieser Personen ist ein und dieselbe.«119 »Es ist aber Petrus und Paulus und Barnabas zugestandenermaßen hinsichtlich des Begriffs ›Mensch‹ ein Mensch; hinsichtlich desselben also, das heißt hinsichtlich des Begriffs ›Mensch‹, können sie nicht viele sein.«120
Als der definierbare, logisch eine Artbegriff wird die ου᾽σι´α auch in den Büchern gegen Eunomius verstanden: ». . . der erste Mensch hatte den Begriff der menschlichen ου᾽σι´α vollständig in sich, und der aus jenem gezeugte wird in gleicher Weise unter denselben Begriff der ου᾽σι´α subsumiert.«121 »Adam und Abel, die zwei, sind zwar im Begriff der Natur einer, haben aber in den Eigentümlichkeiten, die an einem jedem von beiden erscheinen, die unverwechselbare Unterscheidung.«122 ». . . denn das Vernunftbegabte und Sterbliche und der Überlegung und Wissenschaft Befähigte heißt ›Mensch‹, und das trifft in gleicher Weise auf Adam und Abel zu . . ..«123 »Einer ist bei beiden (sc. Abraham und David) der Begriff der ου᾽σι´α.«124
Die sachlich parallelen Stellen aus c. Eunomium III, 5 und adv. Apolinarium wurden schon oben im Vergleich mit Basilius zitiert.125 2) Die ου᾽σι´α kennt kein »Mehr« und »Minder«. Auch die Aussage der ep. 38, 2, daß Petrus nicht mehr Mensch ist als Andreas und Johannes und Jakobus, die sich sachlich aus der begrifflichen Einheit (Identität) der ου᾽σι´α ergibt und für die zum Vergleich ein Text aus der Kategorienschrift angeführt wurde,126 hat in den übrigen trinitarischen Schriften Gregors ihre Parallelen, z.B. im ersten Buch gegen Eunomius: »Was hatte David, der vierzig Generationen nach Abraham lebte, hinsichtlich des Begriffs seiner ου᾽σι´α weniger als jener? Wurde etwa bei diesem etwas von seiner Menschheit verändert und war er weniger Mensch, weil er zeitlich später war? . . . Es will doch wohl niemand behaupten, daß der eine mehr Mensch sei, weil er zeitlich voraufging, der andere aber in geringerem Maße an der Natur teilhabe . . ..«127 119
Ex comm. not. (GNO III/1, 21, 4–6 M.). Ex comm. not. (GNO III/I, 25, 20–23 M.): ε῎στι δε` Πε´τρος και` Παυ῀λος και` Βαρνα´βας ο῾μολογουμε´νως κατα` το` α῎νϑρωπος ει῟ς α῎νϑρωπος κτλ; vgl. non tres dei (III/1, 40, 17–19 M.): . . . πολλου`ς με`ν ει῏ναι του`ς μετεσχηκο´τας τη῀ς φυ´σεως, . . . ε῞να δε` ε᾽ν πα῀σι το`ν α῎νϑρωπον κτλ, vgl. ebd. (41, 10–11; 54, 1–4 M.); siehe auch Anm. 122. − Vgl. Arist., metaph. Δ 6, 1016 b 4–5; καϑο´λου γα`ρ ο῞σα μη` ε῎χει διαι´ρεσιν, η῟ͺ μη` ε῎χει, ταυ´τηͺ ε῝ν λε´γεται, οι῟ον ει᾽ η῟ͺ α῎νϑρωπος μη` ῀ͺ με`ν γα`ρ ε῎χει διαι´ρεσιν, ει῟ς α῎νϑρωπος. − Porphyr., Isagoge 2 b 24–25 (CAG IV/1, 6 B.): τη του῀ ει῎δους μετουσι´αͺ οι῾ πολλοι` α῎νϑρωπος ει῟ς, τοι῀ς δε` κατα` με´ρος ο῾ ει῟ς και` κοινο`ς πλει´ους. 121 C. Eunom. III, 1 (GNO II2, 30, 7–10 J.): . . . ο῾ πρω ῀ τος α῎νϑρωπος ο῞λον ε῎σχεν ε᾽ν ε῾αυτω ῀ͺ 120
τη ῀ ς α᾽νϑρωπι´νης ου᾽σι´ας το`ν ο῞ρον, και` ο῾ ε᾽ξ ε᾽κει´νου γεννηϑει`ς ω῾σαυ´τως ε᾽ν τω ῀ͺ αυ᾽τω ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας υ῾πογρα´φεται λο´γωͺ. Siehe die Parallelen in ep. 38, 2 und adv. Apol., oben Anm. 53; vgl.
noch ex comm. not. (GNO III/1, 24, 1–14 M.). 122 C. Eunom. III, 1 (GNO II2, 30, 18–20 J.): ο῾ γα`ρ ᾽Αδα`μ και` ο῾ ῎Αβελ ε᾽ν με`ν τω ῀ͺ λο´γωͺ τη ῀ς φυ´σεως ει῟ς οι῾ δυ´ο ει᾽σι´ν κτλ. − Vgl. c. Eunom. I (GNO I2, 93, 8–11 J.) und oben Anm. 120. 123 C. Eunom. II (GNO I2, 369, 22–24 J.); vgl. ref. conf. Eun. (GNO II2, 336, 10–23 J.); ex comm. not., oben Anm. 117. 124 C. Eunom. I (GNO I2, 78, 16 J.): ει῟ς γα`ρ ε᾽φ᾽ ε᾽κατε´ρων τη῀ς ου᾽σι´ας ο῾ λο´γος; vgl. c. Eunom. III, 2 (GNO II2, 63, 8–9 J.); ep. 38, 2 (CUFr I, 82, 19–25 C.). 125 Siehe oben S. 260. 126 Siehe oben S. 254 f. Anm. 38 und 40; vgl. noch ep. 38, 3 (CUFr I, 83–84, 38–41 C.).
2. a. Übereinstimmung mit Gregors ousia-Begriff
277
»Soll er uns doch sagen« − Eunomius ist angesprochen − »von welcher Weisheits lehre er das ›Mehr‹ und ›Minder‹ der ου᾽σι´α gelernt hat! Welches ist die Schrift, die einen solchen Unterschied aufstellt, daß eine ου᾽σι´α mehr ist als eine andere?«.128
Dieselben Bestimmungen der ου᾽σι´α finden sich auch in anderen Schriften.129 Bezeichnend für die aristotelische Auffassung der ου᾽σι´α in »ep. 38« ist noch eine weitere Feststellung: 3) Die ου᾽σι´α als solche existiert nicht. Das Wort »Mensch« läßt zwar die Natur erkennbar werden, heißt es in ep. 38, 3, »aber das subsistierende und in seiner Eigentümlichkeit vom Namen angezeigte Ding« werde nicht bezeichnet. »Wer dagegen ›Paulus‹ sagt, hat damit die Natur als in dem vom Namen angezeigten Ding subsistierend deutlich gemacht.«130 Es existiert also nicht die Natur für sich genommen, sondern nur das konkrete Ding, und in ihm ist die Natur verwirklicht. Das gleiche geht aus einer Stelle im dritten Buch gegen Eunomius hervor. Gregor antwortet dem Eunomius; das Verhältnis der ου᾽σι´α zum konkret Seienden ist dabei als Teilhabe verstanden, was durchaus auch peripatetischer Tradition entspricht:131 »So also meint er exakt in der Natur der Dinge die Wahrheit zu sehen, daß er den, der an der ου᾽σι´α teilgibt und den, der daran teilhat, trennt und erklärt, daß ein jeder von diesen jeweils in sich, von der ου᾽σι´α getrennt, als anderer existiere. Denn der, der teilnimmt oder teilgibt, ist durchaus ein anderer neben dem, an dem teilgenommen oder teilgegeben wird, so daß einer, der zuvor für sich genommen in eigener Hypostase existiert, gedacht werden muß; so kann man dann von ihm sagen, daß er gebe, was er hat, oder, was er nicht hat, zulasse«.132
Gregor will also sagen, daß die ου᾽σι´α, die mitgeteilt oder an der teilgenommen wird, nicht als solche in eigener Hypostase, gesondert von den an ihr Teilgebenden oder Teilhabenden, existiert, sondern in ihnen selbst verwirklicht ist. Eine Subsistenz kennt Gregor nur für die Individuen. Das Ergebnis der Analyse von Gattungs- und Individualbegriff in »ep. 38« wird dann für die Trinitätstheologie dienstbar gemacht.133 Gregor überträgt also die aristotelischen Bestimmungen der zweiten Substanz, des »Wesens«, und des einzelnen auf das Verhältnis der göttlichen ου᾽σι´α und ihrer Hypostasen, offenbar ohne sich über die Konsequenzen Rechenschaft abzulegen. Man hat sie ihm aber bald vorgerechnet, wie wir noch sehen werden. Darin unterscheidet sich 127
C. Eunom. I (GNO I2, 78, 11–22 J.). C. Eunom. I (GNO I2, 79, 30–80, 3 J.); vgl. ebd. (I, 94, 26–95, 24 J.); ref. conf. Eunom. (GNO II2, 368, 1–5 J.). 129 Siehe z. B. adv. Maced. (GNO III/1, 91, 13–29 Müller); non tres dei (III/1, 41, 2–7; 53, 4–9 M.). 130 ep. 38, 3 (CUFr I, 82, 2–8 C.), griechischer Text s. Anm. 135. 131 Siehe z. B. Arist., metaph. A 8, 989 b 18: das Undefinierte wird durch die Teilhabe am ει῏δος definiert. 132 C. Eunom. III, 2 (GNO II2, 74, 10–18 J.). 133 Vgl. ep. 38, 3 (CUFr I, 83, 30–33 C.) und c. Eunom. III, 1 (GNO II2, 30, 24–28 J.). 128
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
Gregor grundsätzlich von Basilius, der eine Auffassung der göttlichen ου᾽σι´α als Allgemeinbegriff entschieden ablehnt.134 Der ältere Bruder hat hier schärfer gesehen. Doch bevor weitere Überlegungen zum Charakter der »ep. 38« angestellt werden, sei noch ein Beweis für die Verfasserschaft Gregors vorgetragen. 2. b. Der Brief stammt von Gregor von Nyssa, weil die Terminologie, in der der Unterschied von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις ep. 38, 3 vorgetragen wird, mit der in de hominis opificio 16 übereinstimmt. In Paragraph 3 der »ep. 38« werden die im voraufgehenden Abschnitt erläuterten Definitionen des Art- und Individualbegriffs auf die ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις übertragen und am Sprachgebrauch der Schrift erläutert: 487
»Wir sagen nun folgendes: Das, was in eigentümlicher Weise ausgesagt wird, wird durch das für die Hypostase geltende Wort angezeigt. Denn wer ›Mensch‹ sagt, gibt auf Grund der ῀ͺ α᾽ορι´στωͺ τη ῀ ς σημασι´ας) eine sehr ausgeweitete BeUnbestimmtheit der Bezeichnung (τω deutung zu Gehör, so daß zwar die Natur vom Wort angezeigt wird, aber das subsistierende und in eigentümlicher Weise vom Wort angezeigte Ding nicht bezeichnet wird. Wer dagegen ›Paulus‹ sagt, hat damit deutlich gemacht, daß die Natur in dem vom Namen angezeigten Ding subsistiert. Dies nun ist die Hypostase, nicht der unbestimmte Begriff des Wesens, der auf Grund der Allgemeinheit des Bezeichneten keinen festen ›Stand‹ findet, sondern jener Begriff, der das Allgemeine und Unumschriebene in ›dem bestimmten‹ Ding (ε᾽ν τω ῀ͺ τινι` πρα´γματι) mittels der an ihm erscheinenden Eigentümlichkeiten darstellt und umschreibt; wie auch die Schrift an vielen anderen Stellen und insbesondere in der Erzählung von Job derart zu tun pflegt. Denn da sie von seinem Geschick zu berichten sich anschickt, erwähnt sie zuerst das Allgemeine und sagt: ›Mensch‹, grenzt aber sofort mit dem Eigentümlichen ab, indem sie hinzusetzt: ›ein bestimmter‹ (ε᾽ν τη῀ͺ προσϑη´κηͺ του῀ τι´ς).«135
Als allgemeiner Artbegriff ist die ου᾽σι´α im Verhältnis zum einzelnen Ding »undeterminiert«. Diese Undeterminiertheit besteht nicht etwa im ontologischen Sinn, sondern ist die Undeterminiertheit eines rein logischen Begriffs (η῾ α᾽ο´ριστος τη ῀ ς ου᾽σι´ας ε῎ννοια), dem keinerlei Existenz außerhalb des Gedachtseins zukommt (»Mensch« als solcher subsistiert nicht, sondern nur Paulus); α᾽ο´ριστος als Prädikat des Allgemeinbegriffs bedeutet demnach nicht unbegrenzbar (wie bei der Aussage über die göttliche ου᾽σι´α),136 sondern lediglich unbegrenzt; es 134 135
Siehe oben Anm. 47. Ep. 38, 3 (CUFr I, 82–83, 1–17 C.): Του῀το τοι´νυν φαμε´ν· το` ι᾽δι´ως λεγο´μενον τω ῀ͺ τη ῀ς
υ῾ποστα´σεως δηλου῀σϑαι ρ῾η´ματι. ῾Ο γα`ρ α῎νϑρωπον ει᾽πω`ν ε᾽σκεδασμε´νην τινα` δια´νοιαν τω ῀ͺ α᾽ορι´στωͺ τη ῀ ς σημασι´ας τη ῀ͺ α᾽κοη ῀ͺ ε᾽νεποι´ησεν, ω ῞ στε τη`ν με`ν φυ´σιν ε᾽κ του῀ ο᾽νο´ματος δηλωϑη ῀ ναι, το` δε` υ῾φεστο`ς και` δηλου´μενον ι᾽δι´ως υ῾πο` του῀ ο᾽νο´ματος πρα ῀ γμα μη` σημανϑη ῀ ναι. ῾Ο δε` Παυ῀λον ει᾽πω`ν ε῎δειξεν ε᾽ν τω ῀ͺ δηλουμε´νωͺ υ῾πο` του῀ ο᾽νο´ματος πρα´γματι υ῾φεστω ῀ σαν τη`ν φυ´σιν. Του῀το ου῏ν ε᾽στιν η῾ υ῾πο´στασις, ου᾽χ η῾ α᾽ο´ριστος τη ῀ ς ου᾽σι´ας ε῎ννοια μηδεμι´αν ε᾽κ τη ῀ ς κοινο´τητος του῀ σημαινομε´νου στα´σιν ευ῾ρι´σκουσα, α᾽λλ᾽ η῾ το` κοινο´ν τε και` α᾽περι´γραπτον ε᾽ν τω ῀ͺ τινι` πρα´γματι δια` τω ῀ ν ε᾽πιφαινομε´νων ι᾽διωμα´των παριστω ῀ σα και` περιγρα´φουσα, ω῾ς και` τη ῀ͺ Γραφη ῀ͺ συ´νηϑες το` τοιου῀το ποιει῀ν ε᾽ν α῎λλοις τε πολλοι῀ς και` ε᾽ν τη ῀ͺ κατα` το`ν ᾽Ιω`β ι῾στορι´α. ͺ ᾽Επειδη` γα`ρ ε῎μελλε τα` περι` αυ᾽του῀ διηγει῀σϑαι, προ´τερον του῀ κοινου῀ μνημονευ´σασα και` ει᾽που῀σα α῎νϑρωπος ευ᾽ϑυ`ς α᾽ποτε´μνει τω ῀ͺ ι᾽δια´ζοντι ε᾽ν τη ῀ͺ προσϑη´κηͺ του῀ τι´ς. 136
Vgl. ep. 38, 3 (CUFr I, 83–84, 33–41 C.); 4 (CUFr I, 85, 44 C.).
2. b. Terminologische Übereinstimmungen mit Gregors de hominis opificio
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wird ja die weitere Determinierung durch die Eigentümlichkeiten gefordert, damit das einzelne Ding erkennbar wird (ep. 38, 2 [I, 81, 9–11 C.]; 3 [82 f., 8–12 C.]). Der Gedanke der Undeterminiertheit des Allgemeinbegriffs läßt sich nun bei Gregor auch sonst belegen.137 In de hominis opificio 16 wird er teilweise gleichlautend formuliert: »Wenn die Schrift sagt: ›Es machte Gott den Menschen‹, so wird durch die Unbestimmtheit der Bezeichnung (τω ῀ͺ α᾽ορι´στωͺ τη ῀ ς σημασι´ας) die ganze Menschheit bezeichnet. Denn Adam wurde jetzt noch nicht zusammen mit dem Geschöpf genannt, wie es der Bericht im folgenden tut; vielmehr ist das Wort für den geschaffenen Menschen nicht ›der bestimmte‹, sondern ›der (Mensch) allgemein‹ (ου᾽χ ο῾ τι`ς, α᾽λλ᾽ ο῾ καϑο´λου). So werden wir also durch die allgemeine Benennung der Natur (τη῀ͺ καϑολικη῀ͺ τη῀ͺς φυ´σεως κλη´σει) zu einer derartigen Annahme geführt, daß vom göttlichen Vorherwissen und von der göttlichen Kraft die ganze Menschheit in der ersten Schöpfung umfaßt ist.«138
In »ep. 38« und de hominis opificio 16 wird der Gedanke in fast völlig gleicher Weise aufgebaut, mit teilweise identischen Formulierungen ausgedrückt und in beiden Fällen am Sprachgebrauch der Schrift illustriert: wer »Mensch« sagt, bezeichnet »auf Grund der Unbestimmtheit des Ausdrucks« (in beiden Texten!), die mit dem Allgemeinbegriff gegeben ist (τη῀ͺ καϑολικη῀ͺ κλη´σει: hom. op. 16; καϑολικωτε´ραν τινα τη`ν σημασι´αν: ep. 38, 2 [81, 2 f. C.]), lediglich die Natur des Menschen, den »Menschen allgemein« (το`ν καϑο´λου α῎νϑρωπον: ep. 38, 2 [81, 10 C.]; ο῾ καϑο´λου: hom. op. 16); erst wer »Adam« oder »Paulus« sagt, also »ein bestimmter« hinzufügt (ε᾽ν τω ῀ͺ τινι` πρα´γματι, ε᾽ν τη ῀ͺ προσϑη´κηͺ του῀ τι`ς: ep. 38, 3 [I, 83, 11. 17 C.]; ου᾽χ ο῾ τι`ς: hom. op. 16), bezeichnet den einzelnen subsistierenden Menschen. In der Erzählung von der Schöpfung Adams wie in der Geschichte Jobs zeigt die Schrift denselben Sprachgebrauch; sie spricht erst vom »Menschen«, dann fährt sie fort und benennt das bestimmte Individuum. Dieselbe Beobachtung, daß die Schrift sauber zwischen dem Allgemeinbegriff »Mensch« und der Bezeichnung für den einzelnen unterscheidet, hat Gregor an einem analogen Beispiel in ex communibus notionibus verdeutlicht, das Euagrius Ponticus aufgegriffen hat.139 137 E. Mühlenberg hat in seinem Buch »Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor von Nyssa«, Göttingen 1966, 134 Anm. 4, die Aussagen der »ep. 38« über die Undeterminiertheit der ου᾽σι´α als Beweis gegen die Autorschaft Gregors gewertet, seine Argumente aber in einem Gespräch (Chevetogne 1969) zurückgenommen. 138 De hom. op. 16 (PG 44, 185 B). 139 Vgl. ex comm. not. (GNO III/1, 26, 20–27, 4 M.) und Euagrius Pont. = (Basil.), ep. 8, 3 (CUFr I, 25–26, 18–21 C.). − Zum Terminus »unbegrenzt« im Sinne von »allgemein« siehe auch c. Eunom. I (GNO I2, 160, 13–18 J.) im Vergleich mit Arist., metaph. A 5, 986 a 34–986 b 2. Die Unterscheidung des »allgemeinen« und »einzelnen« ist bei Gregor üblich, vgl. z. B. quando sibi subiec. (PG 44, 1312 C); hom. op. 29; 30 (PG 44, 237 D; 241 B); hex. (PG 44, 92 C [GNO IV/1, 44 D.]). − Die Interpretation des καϑο´λου α῎νϑρωπος in hom. op. 16 als allgemeiner Artbegriff steht im Gegensatz fast zur gesamten Gregor-Forschung, die insbesondere in diesem Text die Aussage einer ontologischen Einheit der menschlichen Natur findet und diesen Begriff zur Basis der Soteriologie und Ekklesiologie Gregors macht. Siehe Forschungsbericht und Diskussion der vorgebrachten Argumente in Einleitung und Exkurs [67–94] meiner Dissertation (oben Anm. 62).
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
Die Übereinstimmung in der Sache, der Terminologie und der Art der Beispielgebung zwischen »ep. 38« und de hominis opificio 16 ist so charakteristisch, daß man für beide Schriften denselben Verfasser annehmen muß. Den hier angestellten Überlegungen ließen sich noch weitere Beobachtungen anfügen, die die Autorschaft Gregors bestätigen. So bestehen z.B. zwischen ep. 38, 4, wo aus dem Weg der göttlichen Energie (aus dem Vater durch den Sohn im Geist) zu den Menschen auf die Eigentümlichkeiten der Hypostasen geschlossen wird, und einem Abschnitt in der Schrift quod non sint tres dei, wo derselbe Gedanke unter anderer Rücksicht verwendet wird (es soll die Einzigkeit Gottes aus der Einheit der Energie bewiesen werden), erhebliche Parallelen in Gedankenführung und Terminologie. Beide Texte gehen von der Feststellung aus, daß alles Gute, das zum Menschen gelangt, von der einen göttlichen Kraft gewirkt wird; beide Texte verfolgen den Weg der Güter, indem sie beim Geist beginnen (jeweils Zitat 1 Kor. 12, 11), im eingeborenen Gott die Ursache der Güter finden, die vor dem Geiste liegt (beide Male Zitat Joh. 1, 3), und über ihn zur letzten »anfangslosen Kraft« aufsteigen, dem Vater, von dem als letzter Ursache alles »abhängt«. Die Wortwahl ist dabei oftmals identisch.140 Ähnliche Übereinstimmungen, auf die teilweise schon aufmerksam gemacht wurde, lassen sich auch zwischen »ep. 38« und anderen Schriften Gregors nachweisen.141 Hier sollten vor allem jene Texte analysiert werden, die den Unterschied in der Auffassung der ου᾽σι´α zwischen Gregor und Basilius deutlich werden lassen. Ist sie bei Basilius am besten in Analogie zur ersten stoischen »Substanz« zu verstehen, so bei Gregor, wenigstens in den diskutierten Texten, als der aristotelische Wesensbegriff. »Wesen« dürfte deshalb auch die zutreffende Übersetzung sein. In aristotelischem Sinne wurde hier auch Gregors Analyse des Gattungs- und Artbegriffs in ex communibus notionibus gedeutet.142 Dabei wurde allerdings ein Problem übergangen, das an dieser Stelle nicht mehr behandelt, aber wenigstens noch angeschnitten werden soll. Es führt uns abschließend zu einigen grundsätzlichen Erwägungen über die Tragweite des trinitätstheologischen Ansatzes Gregors. In dem erwähnten kleinen und nicht vollständig überlieferten Traktat143 hat sich Gregor wohl besonders stark an Porphyrius gehalten und scheint an einer Stelle die ου᾽σι´α wie dieser als obersten Gattungsbegriff zu verstehen. Dabei setzt er sie mit υ῞παρξις gleich. Wenn man dies streng porphyrianisch zu deuten hätte, müßte man in der Tat annehmen, daß er den ει῎δη Subsistenz zuschreibt.144 140 Vgl. ep. 38, 4 (CUFr I, 84–85, 1–29 C.) und non tres dei (GNO III/1, 50, 20–52, 2 M.); auch in der Fortsetzung beider Texte finden sich zahlreiche Parallelen. Vgl. ebenfalls ad Eustathium (GNO III/1, 12, 1–13, 23 Müller). 141 Zu hom. op. 24 und 16 siehe oben S. 249 und 279. 142 Ex comm. not. (III/1, 29, 4–32, 7 M.). 143 Siehe »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra« = Actes du colloque de Chevetogne (oben Anm. 3), 206–209. 144 Ex comm. not. (III/1, 30, 11–19 M.): τω ῀ͺ γα`ρ λε´γειν ου᾽σι´αν τοια´νδε ου᾽δε`ν ε῞τερον λε´-
2. b. Terminologische Übereinstimmungen mit Gregors de hominis opificio
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Bemerkenswert ist hierbei, daß Porphyrius in seiner »Einleitung« zu den Kategorien des Aristoteles die Frage der Subsistenz der ει῎δη ausdrücklich offen läßt, in seinem Kommentar sogar ausschließt.145 Das Wort υ῞παρξις kommt überdies in der »Einleitung« nicht vor. Gregor muß also noch andere Schriften dieser philosophischen Schule konsultiert haben. Wenn Gregor in ex communibus notionibus mit dem Begriff der υ῞παρξις der ου᾽σι´α die Vorstellung der Subsistenz verbände, geriete er in auffallenden Gegensatz zu der in c. Eunomium und »ep. 38« vertretenen Ansicht. Solchen Widerspruch wird man nicht von vornherein ausschließen können; aber es fragt sich, ob man ihn annehmen oder wieweit man ihn ernst nehmen muß. Findet sich nicht sogar in ein und demselben Traktat, der »ep. 38«, ein Beispiel, das ihre Trinitätstheologie in den Verdacht des »Sabellianismus« bringen muß,146 während die Konsequenz der aristotelischen Interpretation der ου᾽σι´α in den ersten Kapiteln unweigerlich ein Tritheismus ist? Es wäre abwegig, dahinter ein bewußtes System zu vermuten. Bei derartigen trinitätstheologischen Begriffsübungen eines Anfängers, wie sie die Traktate ex communibus notionibus und de differentia usiae et hypostaseos darstellen, ist noch nicht alles zuendegedacht. Die Entdeckerfreude des Theologen über die Funde auf dem philosophischen Gebiet und die Hoffnung, damit die Lösung des schwierigen trinitarischen Problems in der Hand zu haben, trüben den klaren Blick für die Konsequenzen. Gregor hantiert mit Begriffen und Modellen, deren Implikationen er noch nicht voll durchschaut. So hat er sich schon 380 mehrfach gegen den Vorwurf des »Sabellianismus« und zugleich Tritheismus verteidigen müssen,147 Anklagen, γομεν η῍ υ῞παρξιν ζωη ῀ ς μετε´χουσαν κτλ; vgl. zu dieser Stelle Porphyrius, Isagoge 2 b 30–3 a 3 (CAG IV/1, 7 B.); 3 b 5–37 (10 f. B.). Die ου᾽σι´α als oberstes genus bei Porphyrius, Isagoge 2 a 13–42 (4 f. B.), vgl. oben Anm. 45. Zur υ῞παρξις bei Porphyrius siehe P. Hadot, La me´taphysique de Porphyre, in: Entretiens sur l’antiquite´ classique, t. XII: Porphyre, Vandœuvres-Gene`ve 1966, 125–157, bes. 148–157; ders., Porphyre et Victorinus I, Paris 1968, 488–493; ders., Zur Vorgeschichte des Begriffs »Existenz«, ΥΠΑΡΧΕΙΝ bei den Stoikern, ABG 13, 1969, 115–127, hier 126 f. 145 Für die »Isagoge« siehe oben Anm. 19; vgl. Porphyr., in Arist. categ. (CAG IV/1, 75, 27–29 Busse). 146 Siehe oben S. 248–254. 147 Vgl. ep. 5 (GNO VIII/2, 92, 6–93, 12; 95, 1–15 Pasquali) und ad Eustathium (GNO III/I, 5, 3–6, 17 M.). Gregor sagt in dieser Schrift, daß er bereits in einer »öffentlichen« Apologie und einem »besonderen« Schreiben die Vorwürfe als unberechtigt erwiesen habe (5, 6–9 M.). Mit dem »besonderen« Schreiben nimmt er offensichtlich auf ep. 5 Bezug (vgl. GNO VIII/2, 93, 7–12 P.). Was er dort ausführte, ist nun in ad Eustathium erneut Gegenstand der Anklage (vgl. GNO VIII/2, 95, 1–11 P. und III/1, 5, 8–9. 16–20; 6, 8–11 M.). Könnte es sich bei der »öffentlichen« Apologie, die schon in ep. 5 vorausgesetzt ist und wie diese gegen die Unterstellung eines Tritheismus und Sabellianismus Verwahrung einlegt (vgl. GNO VIII/2, 92, 11–93, 8 P.), um quod non sint tres dei handeln? Das Beweisziel hier, daß die göttlichen Namen nicht in der Mehrzahl, sondern in der Einzahl ausgesagt werden (vgl. GNO III/1, 38, 8–15; 49, 1–7; 55, 10–20 M.), entspricht exakt der Anklage in ad Eustathium (III/1, 5, 16–19; 6, 8–11 M.). Allerdings fehlt in non tres dei die Verteidigung gegen den Vorwurf der Gemeinschaft mit den Markellianern, die man nach ep. 5
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Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius
die auf dem Hintergrund der »ep. 38« durchaus verständlich werden, und sah sich ebenso gezwungen, den theologischen Ansatz von ex communibus notionibus in der Schrift ad Ablabium zurückzunehmen.148 Das bedeutet aber, daß man die Positionen dieser frühen Schriften nicht als die endgültigen ansehen darf und größte Vorsicht walten lassen muß, wenn man Konsequenzen für Gregors philosophisches und theologisches Denken daraus ziehen will. Hinter den porphyrianischen Wörtern in ex communibus notionibus muß noch nicht gleich das porphyrianische System stecken. Gregor kann sie durchaus mit ari stotelischen Vorstellungen verbunden haben. Waren es nicht Kommentare zu den logischen Schriften des Aristoteles, in denen er sie fand? Die Annahme, er habe in zwei zeitlich so nah beieinanderliegenden Schriften mit Bewußtsein zwei konträre philosophische Standpunkte vertreten, bereitet doch erhebliche Schwierigkeiten. Man wird also vorerst davon ausgehen dürfen, daß die ου᾽σι´α auch in ex communibus notionibus grundsätzlich aristotelisch zu verstehen sei. Das genaue chronologische Verhältnis dieses Traktats zu »ep. 38« ist nicht leicht zu ermitteln. Da in keiner dieser beiden Abhandlungen eine Verteidigung gegen den Vorwurf eines »Sabellianismus« und Tritheismus zu finden ist, die schon ab Mitte 380 ständig vorgetragen wird, darf man sie mit großer Wahrscheinlichkeit in die Zeit zwischen Anfang 379 und Sommer 380 datieren. Vielleicht wurde ex communibus notionibus aus Anlaß des Konzils des Meletius im Herbst 379 geschrieben.149 In »ep. 38« könnte man eine etwa gleichzeitige oder wenig später verfaßte Vorarbeit auf logischem Gebiet zu den großen Schriften gegen Eunomius sehen. Die festgestellten terminologischen und sachlichen Parallelen zwischen diesem Traktat und der Schrift de hominis opificio, die vor Pfingsten 379 abgeschlossen wurde,150 sprechen ebenfalls für eine Abfassung in diesem Zeitraum.
erwarten müßte. Diese Schrift ist also wohl nicht mit der »öffentlichen« Verteidigung identisch, aber vielleicht eine spätere methodische Ausarbeitung des einen Punktes der erwähnten Verteidigung, wobei der Bezug auf die konkreten historischen Umstände fortgefallen ist. − Zur Datierung von ep. 5 und ad Eustathium siehe »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra« = Actes du colloque de Chevetogne (oben Anm. 3), 204 Anm. 3. 148 Vgl. den Beweisgang ex comm. not. (GNO III/1, 19, 1–23, 3 M.) und die vorsichtige Korrektur non tres dei (GNO III/1, 46, 12–47, 3 M.). − G. Isaye, L’unite´ de l’ope´ration divine dans les e´crits trinitaires de saint Gre´goire de Nysse, RSR 27, 1937, 422–439, vertritt die gut begründete Ansicht, daß Gregor den Hauptbeweis für die Einheit Gottes nicht aus der als argumentum ad hominem verwandten Einheit der Natur, sondern aus der Einheit der Energie der drei Personen ziehe. Aber wie jede, so hat auch diese trinitarische Konstruktion ihre eigenen Schwierigkeiten, die K. Holl, Amphilochius (wie Anm. 11), 210, scharfsichtig erkannt hat: mit dem Prinzip der Einheit der Wirksamkeit gelangt Gregor nur zu »Modi der einen Gottheit«, nicht aber zu Hypostasen. 149 Siehe »Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra« = Actes du colloque de Chevetogne (oben Anm. 3), 206–209. 150 Vgl. J. Danie´lou, La chronologie des œuvres de Gre´goire de Nysse, StPatr 7 = TU 92, Berlin 1966, 162.
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Trifft die hier vertretene aristotelische Interpretation der ου᾽σι´α bei Gregor zu, so wäre die bisherige Forschung, die überwiegend Gregors Aussagen in Sinne eines »platonischen Begriffsrealismus« gedeutet hat, zu korrigieren. Auf eine Diskussion ihrer Argumente wurde hier zugunsten des positiven Aufweises des Aristotelismus bei Gregor verzichtet.151 Viele Einzelinterpretationen werden ohnehin gegenstandslos, sobald die Verfasserfrage der »ep. 38« endgültig geklärt ist. Was übrig bleibt, soll bei Gelegenheit eines durchgehenden Kommentars zu ex communibus notionibus behandelt werden. Dabei wird dann auch der »Porphyrianismus« dieser Abhandlung zu überprüfen sein. Auch die Frage der Individuation ist mit der aristotelischen Interpretation der ου᾽σι´α bei Gregor noch nicht entschieden; das Modell hierfür scheint stoisch zu sein, ist aber wahrscheinlich auch durch irgendwelche neuplatonische Kommentare zu Aristoteles (Dexippus?) vermittelt. So viel ist allerdings sicher: die von Th. Zahn aufgeworfene Frage des »Jungnizänismus« der Kappadozier kann nicht so pauschal beantwortet werden wie bisher.152 Sie muß überdies auf die Gültigkeit ihrer Voraussetzungen hin überprüft werden. Die Anfänge der Trinitätstheologie verlangen eine andere Methode der Interpretation als die Spekulationen des Mittelalters, die sich fern vom historischen Kampf um die Gottheit des Sohnes und Geistes entfalten konnten und von einem anderen theologischen Weltund Gottesbild motiviert sind.
Addenda et Corrigenda Die These des Aufsatzes, das im Corpus der Basiliusbriefe als »ep. 38« gezählte Schreiben sei nicht Basilius, sondern seinem Bruder Gregor von Nyssa zuzuschreiben, hat viel Zustimmung gefunden, ist aber auch von einigen Autoren zurückgewiesen worden. Ich gehe im Folgenden kurz auf einige Versuche ein, die »ep. 38« doch dem Basilius zuzuweisen, und schließe eine knappe Charakterisierung einer Anzahl weiterer Stellungnahmen an, die noch bis in die jüngste Vergangenheit reichen. Jürgen Hammerstaedt beschließt seinen kurzen Artikel: »Zur Echtheit von Basiliusbrief 38« in der FS Josef Engemann, JAC.E 18, Münster 1991, 416–419, mit der Feststellung, daß bei Gregor von Nyssa »Hypostasis mit dem Personbegriff austauschbar« sei. »Daß in ep. 38 der neu bestimmte Hypostasisbegriff noch nicht [Hervorhebung R. H.] mit dem Personbegriff gleichgesetzt wird, spricht gegen die Autorschaft Gregors von Nyssa und für die des Basilius. Diese Unterlassung darf nämlich nicht als Zufall [Hervorhebung R. H.] betrachtet werden, da die Umdeutung des Hypostasisbegriffs das zentrale Anliegen des gesamten Basiliusbriefes ist.« − so lautet der letzte Satz Hammerstaedts. 151
Vgl. oben Anm. 62. Beste Darstellung des Forschungsstandes im Exkurs »Zum Homousios von Konstantinopel« von A.-M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel (oben Anm. 2), 276–293. 152
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Diese Behauptung ist sehr verwunderlich und nur durch oberflächliche Lektüre der »ep. 38« zu erklären, denn die vermißte Gleichsetzung von προ´σωπον und υ῾πο´στασις steht ep. 38, 4 (I, 85, 38–44 C.) − in einem Wortlaut, der z. T. mit mehreren Stellen in Gregors »Ad Ablabium, quod non sunt tres dei« (GNO III/1, 51, 5–6 Mueller) und »Refutatio confessionis Eunomii« (GNO II2, 333, 1–2. 7–8 Jaeger) übereinstimmt (!). Der Text lautet: Του´του ε῞νεκεν ε᾽ν τη ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας κοινο´τητι α᾽συ´μβατα´ φαμεν ει῏ναι και` α᾽κοινω´νητα τα` ε᾽πιϑεωρου´μενα τη ῀ͺ Τρια´δι γνωρι´σματα δι ᾽ ω ῟ ν η῾ ι᾽διο´της παρι´σταται τω ῀ ν ε᾽ν τη ῀ͺ πι´στει παραδεδομε´νων προσω´πων, ε῾κα´στου τοι῀ς ι᾽δι´οις γνωρι´σμασι διακεκριμε´νως καταλαμβανομε´νου, ω ῞ στε δια` τω ῀ ν ει᾽ρημε´νων σημει´ων το` κεχωρισμε´νον τω ῀ ν υ῾ποστα´σεων ε᾽ξευρεϑη ῀ ναι·
(Für den ganzen §4 der »ep. 38« lassen sich viele wörtliche Übereinstimmungen mit Texten Gregors feststellen, die ich hier nicht aufzähle). Auch im Schlußsatz der »ep. 38« findet man die Gleichsetzung von προ´σωπον und υ῾πο´στασις. Da sich Hammerstaedt auf diese Weise selbst widerlegt hat, habe ich es für überflüssig gehalten, auf seinen Artikel, der noch mehrere Fehlinterpretationen enthält (wie z. B. die Aussage, daß in ep. 38 »durchaus eine materielle Vorstellung von der göttlichen ου᾽σι´α« herrsche, S. 417), zu antworten. Diese offenkundigen Mißdeutungen, deren Aufdeckung einen kritischen Leser und Kenner der Schriften Gregors zugleich noch zur Entdeckung zahlreicher weiterer Parallelen zwischen »ep. 38« und gregorischen Texten geführt hätte, haben jedoch spätere Autoren nicht gehindert, dem Basilius erneut diesen Brief zuzuweisen. Auch die Versuche von Wolf-Dieter Hauschild in seiner kommentierten Übersetzung der Briefe des Basilius (Bd. 1, BGL 32, Stuttgart 1990, 182–185) und seinem Schüler Volker Henning Drecoll (Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Caesarea. Sein Weg vom Homöusianer zum Neonizäner, Göttingen 1996, FDKG 66, 297–329), die »ep. 38« dem Gregor wieder zu entziehen und als ein Alterswerk des Basilius und »Kulmination seines Denkens« (Drecoll, 329) auszugeben, habe ich unerwidert gelassen, weil mir schien, daß meine Argumente keineswegs widerlegt waren und die ihren erhebliche methodische Mängel aufwiesen. Beide Autoren haben bei ihren Wortschatz-Untersuchungen und -Vergleichen zwischen den Schriften des Basilius und der »ep. 38« (Drecoll, 301– 307) die Gegenprobe, also den Vergleich derselben Texte der »ep. 38« mit Texten Gregors, versäumt; doch ohne Gegenprobe ist der »Beweis« hinfällig. Die von Drecoll festgestellten, aber in ihrer Bedeutung heruntergespielten Differenzen zwischen »ep. 38« und Basilius verschwinden beim Vergleich mit Gregor. Die »inhaltliche Analyse« der »ep. 38« (Drecoll, 310–329) soll diesen Brief in die »Entwicklung der Trinitätstheologie des Basilius einordnen« (310) − die Notwendigkeit, ihn probehalber in die Entwicklung der Trinitätstheologie Gregors einzuordnen, wird gar nicht mehr gesehen. Zu diesem Zweck vergleicht der Verfasser (310–319) Adv. Eunomium, De Spiritu Sancto und »ep. 38« des Basilius, verzichtet also wieder auf die fällige Gegenprobe aus den Schriften Gregors. S. 319–323 legt er die aristotelisch-porphyrianische Logik dar und erklärt (323) pauschal: »Mit diesem philosophiegeschichtlichen Hintergrund verbinden Basilius und ep. 38 zwei Grundgedanken« − geht aber nicht oder nur unzulänglich auf die von mir für jede einzelne Textstelle durchgeführte Analyse und ihre Interpretation im Sinne der stoischen Logik ein, bestreitet sie vielmehr einfachhin (327). Manlio Simonetti hat in seiner ausführlichen Rezension (ZAC 2, 1998, 304–305, hier 307–309) Drecolls Zuschreibung von De Spiritu (PG 29, 768–773) und der »ep. 38« an Basilius auch wegen methodischer Mängel und sachlicher Fehler abgelehnt, schließt jedoch ebenso Gregor von Nyssa als Verfasser des Briefes aus und weist die »scholastisch traktierte« »ep. 38« einer »unbekannten Person« aus dem Umkreis der beiden Brüder zu. Eine Begründung dafür gibt er nicht. Daß die Versuche von Hammerstaedt, Hauschild und Drecoll, »ep. 38« dem Basilius zuzuweisen, mißglückt sind, zeigt der Aufsatz von J. Zachhuber: »Nochmals: Der ›38. Brief‹ des Basilius von Caesarea als Werk des Gregor von Nyssa« (ZAC 7, 2003, 73–90). Er holt die Gegenprobe nach, welche Hauschild und Drecoll vernachlässigt haben, löst die
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von beiden Autoren verharmlosten Differenzen und Widersprüche zwischen »ep. 38« und Basilius auf und schreibt − sehr vorsichtig, durch genaue Wortschatz-Untersuchungen und Textvergleiche gut begründend, den Brief wieder Gregor zu. (Die Zahl der inhaltlichen und sprachlichen Parallelen zwischen Gregor und »ep. 38« hätten noch erheblich vermehrt werden können.) Auf etliche Stellungnahmen auch namhafter Autoren, die meiner These zugestimmt und sie durch weitere Argumente bekräftigt hatten, hat sich Drecoll gar nicht eingelassen. Paul F. Fedwick hatte die Handschriften-Tradition der »ep. 38« untersucht und schloß aufgrund der Überlieferungssituation und aus stilistischen Gründen, daß allein Gregor von Nyssa der Verfasser der »ep. 38« sein könne (A Commentary of Gregory of Nyssa or the 38th Letter of Basil of Caesarea, OCP 44, 1978, 31–51; bes. 49–51). Die Herausgeberin und Kommentatorin der Basilius-Briefe M. Forlin Patrucco schloß auf der Grundlage von Fedwicks Darlegung der handschriftlichen Überlieferung: ». . . la paternita` gregoriana dello scritto e` ulteriormente e − sembra − definitivamente confermata dalla collazione dei mss. delle due tradizioni.« (Basilio di Cesarea, Le lettere, Vol. I, CorPat 11, Torino 1983, 407). Bernard Sesbou¨e´, Saint Basile et la Trinite´. Un acte the´ologique au IVe sie`cle. Le role de Basile de Cesare´e dans l’e´laboration de la doctrine et du langage trinitaires, Paris 1988, anerkennt (mit den S. 225 genannten Vorgängern R. Pouchet, H. Dörries, Y. Rudberg, J. Gribomont) die Zuschreibung der »ep. 38« an Gregor von Nyssa und fügt hinzu: »La familiarite´ avec les textes nous a e´galement convaincu que cette lettre ne pouvait eˆtre de Basile« (225 Anm. 62). Auch die Feststellung, daß bei Basilius der Begriff der ousia mehr stoisch, bei Gregor mehr aristotelisch ist, gilt ihm als zutreffend (98 Anm. 2, vgl. 99 Anm. 8.). S. 100 Anm. 11 formuliert er Einschränkungen zu meiner Interpretation von Basilius, De Spiritu Sancto XVI, 41, die jedoch auf einem Mißverständnis zu beruhen scheinen und durch die im Aufsatz folgenden Ausführungen und Zitate hätten aufgelöst werden können. Bereits in der »Introduction« zu seiner Edition: Basile de Ce´sare´e, Contre Eunome, SC 299, Paris 1982, S. 75–95, hatte Sesbou¨e´ über den Einfluß der verschiedenen Philosophien, S. 76–82 über den der Stoa auf Basilius berichtet und (im Anschluß an die unveröffentlichte Dissertation von Th. Dams, Inst. Cath. 1952) zurecht erklärt, daß Basilius sowohl aristotelische wie stoische Kategorien verwendet, daß aber die vier stoischen Kategorien ου᾽σι´α, ποιο´τητες, πω ῀ ς ε῎χον, προ`ς τι´ πως ε῎χον die grundlegenden seien. Auch G. Christopher Stead, Why Not Three Gods? The Logic of Gregory of Nyssa’s Trinitarian Doctrine, in: H. R. Drobner/Ch. Klock (Hg.), Studien zu Gregor von Nyssa und der christlichen Spätantike, SVigChr 12, Leiden u. a. 1990, 149–163, erneut in G. C. Stead, Doctrine and Philosophy in Early Christianity, CStS 224, Aldershot u. a. 2000, Nr. XIV, nimmt für »ep. 38« die Autorschaft Gregors an und wertet den Brief unter Bezugnahme auf den obigen Artikel für dessen Trinitätstheologie aus. In seinem im selben Jahr erschienenen Studienbuch »Philosophie und Theologie I. Die Zeit der Alten Kirche« (Stuttgart u. a. 1990, 127) erkennt er bei Basilius eine Neigung, »mit dem Begriff ousia stoische Hintergedanken zu verbinden.« Von V. H. Drecoll (bei seiner inhaltlichen Untersuchung der »ep. 38«) ebenfalls mit Schweigen übergangen wurden die eindringlichen Analysen, die Silke-Petra Bergjan auf den Seiten 98–101 ihrer Monographie: »Theodoret von Cyrus und der Neunizänismus. Aspekte der Altkirchlichen Trinitätslehre«, AKG 60, Berlin 1994, der Trinitätstheologie der »ep. 38« gewidmet hat. Sie hält die erfolgte Zuschreibung des Briefes an Gregor für »bisher abschließend«, erklärt, daß der Text »sicher nicht von Basilius« stamme und »sicher kappadokischer Herkunft« sei (98), und vergleicht, gewissermaßen zur (bestätigenden) Überprüfung, »ep. 38« und Gregors Schriften. Dabei stellt sie, übereinstimmend mit meinen Ausführungen, deutlich heraus, wieviel Uneinheitliches und Widersprüchliches in Gregors wiederholten, verschiedenen trinitätstheologischen Ansätzen liegt, ohne daß ihm eine systematische, unanfechtbare Lösung gelänge (101).
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Lucian Turcescu, The Concept of Divine Persons in Gregory of Nyssa’s To His Brother Peter, on the Difference Between Ousia and Hypostasis, in: GOTR 42, 1997, 63–82, untersucht auf dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Philosophien, welches die Kennzeichen einer göttlichen Person bei Gregor von Nyssa und Basilius sind. Er analysiert vor allem »ep. 38«, deren Zuschreibung an Gregor durch Cavallin, Hübner und Fedwick er zustimmt. Die gegenteiligen »Argumente« von Hauschild, Hammerstaedt und Drecoll gelten ihm als »unconvincing« (S. 63 f. Anm. 4 und 5). Auch Werner Beierwaltes, Spezialist für antike Philosophie, hat meinen Nachweis, daß »ep. 38« ein Werk Gregors von Nyssa ist, anerkannt (»Platonismus im Christentum«, Frankfurt a. M. 1998, 26 f. Anm. 3). Die bedeutendste, auch weiterführende Untersuchung über die im obigen Aufsatz behandelten Themen hat mit außerordentlicher Sachkenntnis David G. Robertson geschrieben: Stoic and Aristotelian Notions of Substance in Basil of Caesarea, VigChr 52, 1998, 393–417. Robertson überprüft sorgfältig meinen Versuch, die Auffassung des Basilius von der ousia in der Kosmologie und Trinitätstheologie auf der Basis der stoischen Seinsanalyse zu erklären, stimmt dem grundsätzlich zu (394), ergänzt meine Ausführungen zur Individuation bei Basilius mit Hinweisen auf einen weiteren Einfluß stoischer Theorien (399–401), korrigiert Interpretationsfehler, die mein »generelles Argument nur geringfügig schädigen« (404), bezeichnet jedoch meine Konzentration auf ein rein stoisches Verständnis der ousia bei Basilius zu Recht, wie er zeigen kann, als »the only really notable flaw in the study« (395). (Er demonstriert das u. a. an der Übereinstimmung der tabula logica des Basilius, De Spiritu Sancto c. 17 und der des Porphyrius, S. 416 f.). Es gebe Textstellen bei Basilius, an denen man »von stoischer Terminologie in einem aristotelischen framework, wie man es bei Porphyrius findet«, sprechen könne (416). »Ep. 38« gilt D. G. Robertson offenbar ganz selbstverständlich als Werk des Gregor von Nyssa. »Gregors Traktat«, erklärt er S. 410, »zeigt klare Züge ausgeprägter aristotelischer Begrifflichkeit, und Hübner hat sicher Recht, dessen Zugang von dem des Basilius zu unterscheiden, denn Gregor favorisiert die Einheit der Individuen in einer gemeinsamen species«. (410). In einer kurzen Notiz zu Drecolls These (410 Anm. 61) bemerkt Robertson, daß im obigen Aufsatz »auf bedeutende Ähnlichkeiten zwischen ›Ep. 38‹ und Gregors De hominis opificio, neben anderen kleinen dogmatischen Traktaten« Bezug genommen werde, Drecoll jedoch diese Punkte in großem Umfange ignoriere und sich mit einem unzulänglichen Vergleich der »ep. 38« und Gregors Ad Eustathium einerseits und ein paar späten Briefen des Basilius andererseits begnüge, um Differenzen und Ähnlichkeiten festzustellen. Am wenigsten überzeuge Drecolls Beharren (312), daß »ep. 38« nicht den Begriff der species für die göttliche Einheit kenne und daß dieser Begriff nicht outright zum Tritheismus führe. Mir erscheint es sinnvoll, die Zusammenfassung Robertsons im originalen Wortlaut wiederzugeben (416): To summarize the argument presented here, it is possible to see evidence in Basil of deeply ingrained habits of thought which he carries into his writings from his early training in Stoic dialectic. One outstanding example of this may be seen in his insistence that the ου᾽σι´α of God must have its being securely rooted in a hypostasis, while the Stoics would say that nothing can exist without the possession of ου᾽σι´α (their first category), as a qualified thing (ποιο´ν). What one does not find in Basil is a doctrine of divine substance and persons which can support a consistent conceptuality derived from Stoic logic, as the difficulties outlined above demonstrate, nor can it be shown that Basil draws on this to the exclusion of Neoplatonic logic, such as one finds in Porphyry. Lewis Ayres (Nicaea and its Legacy. An Approach to Fourth-Century Trinitarian Theology, Oxford 2004, 199 Anm. 45; 293) betrachtet »ep. 38« als einen wahrscheinlich frühen,
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»aristotelische Theologie« bezeugenden Text des Gregor von Nyssa. Drecolls Beharren auf der Autorschaft des Basilius an »ep. 38« verzerre (»skews«) seine Darlegung über dessen trinitarische Theologie (187 f. Anm. 4). Die stoische Terminologie »für die Beziehung zwischen allgemeiner und individueller Existenz« hält er bei Basilius für grundlegend (»basic scheme«, 199 f.), versucht jedoch, auch aristotelische und neuplatonische Einflüsse nachzuweisen (198–202). In seiner Studie: »The Trinitarian Theology of Basil of Caesarea. A Synthesis of Greek Thought and Biblical Truth«, Washington 2007, referiert Stephen M. Hildebrand meine Argumentation sehr sorgfältig (45–51). »Ep. 38« betrachtet er − trotz der Einwände von Hammerstaedt und Drecoll − als Werk Gregors. An entscheidenden Texten zeigt er, auch nach Konsultation der Arbeiten von J. M. Rist (1969) und M. L. Colish (1985) über die stoische Philosophie, daß die ousia bei Basilius, im Gegensatz zur Deutung in »ep. 38«, weder als aristotelische ousia proˆteˆ noch ousia deutera erklärt werden kann, daß Basilius vielmehr in der Bestimmung der ousia grundsätzlich den Kategorien der Stoiker folgt, deren materialistische Philosophie er jedoch bei der Beschreibung der ousia Gottes (wie auch von mir hervorgehoben) entschieden ablehnt. Welche Position Kevin Corrigan in seinem Artikel: Ου᾽σι´α and υ῾πο´στασις in the Trinitarian Theology of the Cappadocian Fathers: Basil and Gregory of Nyssa, ZAC 12, 2008, 114–134, im Hinblick auf die »ep. 38« einnimmt, geht aus seinen unklaren Darlegungen nicht hervor. Er lehnt mit Bezug auf den oben (Anm. 62) genannten Exkurs in meiner Dissertation von 1974 die stoische Interpretation der ου᾽σι´α bei Basilius rundweg ab (118), er stimmt Drecolls Zuschreibung der »ep. 38« an Basilius zu (125 Anm. 32: »compelling«), schwankt aber an derselben Stelle in dieser Frage (125: »Basil’s Epistula 38 [which is perhaps by Gregory but may well not be«]), bringt (127 Anm. 56) ein Argument zugunsten der Autorschaft Gregors und zitiert und interpretiert »ep. 38« als Werk Gregors (126 Anm. 54). Er verwirft die stoische ου᾽σι´α-Interpretation bei Basilius (122), ohne auf die ausführlichen Begriffs-Analysen im obigen Artikel einzugehen, ja ohne ihn überhaupt zu zitieren! − Im Hinblick auf die »ep. 38« sind derlei widersprüchliche und unpräzise Darlegungen ohne Wert. (Ich verzichte darauf, weitere Mängel bei der Interpretation der »Einheit der menschlichen Natur« bei Gregor von Nyssa, dem Hauptthema des Autors, aufzuzeigen). Mark DelCogliano und Andrew Radde-Gallwitz reagieren (im Kapitel »Philosophical Authors« der »Introduction« zu ihrer Übersetzung: St. Basil of Caesarea, Against Eunomius, FaCh 122, Washington D. C 2011, 70–72) ziemlich pauschal auf die vorgetragene Interpretation der ousia im stoischen Sinn und gehen unzureichend auf nur wenige Texte ein. Sie deuten die ousia bei Basilius unrichtig als »genus or species« im aristotelischen Sinn (S. 71). Der Unterschied zu der ousia-Definition in der »ep. 38« wird nicht berührt. Erfreulich ist dagegen die gründliche Studie von Alessandro Capone, Apollinaris, Basil and Gregory of Nyssa, ZAC 17, 2013, 315–331. Der Autor untersucht die Interpretation besonders von Hebr. 1, 3 in der Auseinandersetzung des Basilius und Gregor mit Apolinarius und Eunomius und stellt die Übereinstimmung der Auslegungen in »ep. 38« und bei Gregor fest (327), andererseits die Differenz der Deutungen bei Basilius, Adv. Eunomium I, 20 (330). Er erwähnt, daß die Autorschaft der »ep. 38« umstritten ist, daß aber die Zuschreibung an Gregor überwiegt (323 Anm. 30) und entscheidet sich offenbar für Gregor als den Verfasser des Briefes (330 f.: »when Gregory wrote Epistle 38 . . .«). In dem Artikel: »Is it possible to speak of ›Cappadocian Theology‹ as a system?« (im Druck für die Studia Pastristica 2017) untersucht Claudio Moreschini die Begriffe ousia, hypokeimenon und hypostasis, sodann das homoousios in der Theologie der Kappadozier, berichtet kritisch über die meisten der bisher vorgetragenen Interpretationen und stimmt der aristotelischen ousia-Interpretation der − dem Gregor implizit zurückgegebenen − »ep. 38«, ebenso der ousia-Deutung bei Basilius im Sinne der stoischen Logik zu. V. H. Drecoll hat sich nach meiner Kenntnis noch zweimal zu »ep. 38« geäußert. In dem Artikel: »DIFF ESS HYP. Epistula 38 or Ad Petrum fratrem«, in: The Brill Dictionary of Gregory of Nyssa, ed. by L. F. Mateo-Seco and G. Maspero, Leiden/Boston 2010,
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233–236, faßt er vereinfachend in wenigen Zeilen seine in der Habilitationsschrift (gegen meine Thesen) vertretene Position zusammen. Er nennt Fedwick, Hammerstaedt und Hauschild als Autoren, die »an Hübners Argumentation Zweifel geäußert haben«, Fedwick zu Unrecht (siehe das obige Referat über seinen von Drecoll angeführten Artikel von 1978). Daß Hammerstaedts Beweisführung von 1991 vollständig mißglückt ist, hat Drecoll offenbar nach wie vor nicht bemerkt. (Deswegen wurde oben darüber ausführlicher berichtet). Von den Autoren, die mit Begründung der Zuschreibung der »ep. 38« an Gregor gefolgt sind, berichtet Drecoll allein von J. Zachhubers oben genanntem Aufsatz aus dem Jahr 2003. Wie wenig er jedoch von dessen Argumentation überzeugt war, zeigen seine »Ausführungen« in der »Introduction« zu dem von ihm und M. Berghaus herausgegebenen Tagungsband: Gregory of Nyssa: The Minor Treatises on Trinitarian Theology and Apollinarism. Proceedings of the 11th International Colloquium on Gregory of Nyssa (Tübingen, 17–20 September 2008), SVigChr 106, Leiden/Boston 2011, S. XIV-XX. Drecoll faßt zunächst, vereinfachend und in der Hauptsache unzutreffend, auch ohne meine Einschränkungen und Differenzierungen zu beachten, die Beweisführung im obigen Aufsatz zusammen und versucht eine Widerlegung der von ihm »passend« gemachten Erörterungen (XIVXVI). Er erwähnt wieder die von ihm offenbar niemals geprüfte angebliche Widerlegung meiner These durch Hammerstaedt (XVI), wiederholt dann knapp seine Gründe für die Zuweisung der »ep. 38« an Basilius und wendet sich schließlich den Ausführungen Zachhubers zu, dessen »preliminary arguments« er nicht als Evidenz für Gregors Autorschaft anerkennt. Er schließt mit einem Hinweis auf Mängel bei den von Zachhuber geübten Sprachanalysen. Diese Ausführungen werden als Zusammenfassung einer Diskussion zwischen J. Zachhuber, Th. Böhm und V. H. Drecoll auf der Tagung von 2008 eingeführt (XIV). Auf dem 12ten Internationalen Gregor von Nyssa-Colloquium in Leuven (14–17 Sept 2010) haben − in Fortsetzung der Diskussion − drei Forscher: G. Maspero, M. Degli Esposti und D. Benedetto das Ergebnis ihrer Untersuchung der Autorschaft der »ep. 38« »utilizing statistical methods and numerical computations« vorgetragen. Die Veröffentlichung der Untersuchung (in verbesserter Fassung) erfolgte 2014 in dem von J. Leemans und M. Cassin herausgegebenen Tagungsband: Gregory of Nyssa, Contra Eunomium III. An English Translation with Commentary and Supporting Studies, SVigChr 124, Leiden/Boston 2014, 579–594. Die Autoren betrachten ihre Methode als Ergänzung zu den theologischen und philologischen Untersuchungen: »Experience demonstrates that only the combination of both knowledge of the texts and expertise in the computatonial methods can offer trustworthy answers« (580). Sie beschreiben die vier von ihnen angewendeten (und vielmals erprobten) Methoden genau, testen sie an den anerkannten und nicht-anerkannten Werken des Basilius und Gregor (589: »Our methods yield almost 95% accuracy for both authors«) und teilen das Ergebnis für »ep. 38« (S. 591) mit: »If, after all these computations, we apply the four methods, we receive unanimous attributions to Gregory.« . . . »We can conclude that Ep. 38 was written by Gregory with less than 5% probability of error.« Mir erscheint dieses Ergebnis, zusammen mit dem der meisten philologischen und theologischen Untersuchungen, als definitiv. Wenn V. H. Drecoll an der These seiner Habilitationsschrift festhalten will, »daß Basilius selbst diese Kulmination seines Denkens« (scil. »ep. 38«) »verfaßt hat« (329), wird er diesen Brief in der Fehlerquote von nicht einmal 5% unterbringen müssen. Für an »mathematischen Details und Erörterungen« interessierte Leser weisen D. Benedetto, M. Degli Esposti und G. Maspero, (582 Anm. 14) auf ihren ein Jahr zuvor veröffentlichten Artikel hin: The Puzzle of Basil’s Epistula 38: A Mathematical Approach to a Philological Problem, in: Journal of Quantitative Linguistics 20, 2013, 267–287.
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Schluß Blickt man auf die hier nur unvollständig referierten Stellungnahmen zu dem Problem der »ep. 38« zurück, so drängt sich der Eindruck auf, daß viel überflüssige Tinte vergossen wurde, weil nicht genau und umfassend gelesen und geprüft wurde, was in den Quellentexten und in der Literatur zu finden ist. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, auf Hammerstaedts Artikel unmittelbar zu antworten; aber ich hatte darauf vertraut, daß seine Ausführungen überprüft und die offenkundigen Fehler sofort erkannt würden. Mir ist jedoch keine einzige kritisch prüfende Anwort bekannt geworden. − Für besonders bedauerlich halte ich, daß in den vielen Versuchen, die maßgeblichen philosophischen Einflüsse bei den Kappadoziern zu analysieren, das worum es ihnen in der Auseinandersetzung mit Eunomius ging, aus dem Blick geraten ist. Mir scheint, daß oftmals vergessen wurde, daß es eigentlich um Theologie ging, aber was die trinitarische, nur scheinbar logische und metaphysisch gültige, Formel theologisch bedeutet, wurde nicht mehr gefragt. Claudio Moreschini beklagt in dem oben genannten Artikel mit Recht »this excessive philosophication of the theology of the Cappadocians« einiger Autoren.
Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea Wann und wie entstand jene später klassisch gewordene trinitarische Formel, die besagt, daß der christliche Gott: daß Vater, Sohn und Hl. Geist als drei Hypostasen oder Personen einer einzigen göttlichen Wesenheit (ου᾽σι´α) existieren? Wer wie der hier zu ehrende Jubilar der Interpretation dieser Formel durch einen der bedeutendsten spekulativen Theologen des Mittelalters eine große Untersuchung gewidmet hat,1 der mag sich diese Frage wohl öfters vorgelegt haben; denn aus dem Ursprung der Formel müßte sich ihre erste Bedeutung, ihre Aussageabsicht und Tragweite erkennen lassen. Auf welche Frage will die Formel eigentlich eine Antwort geben? Wenn sich das herausfinden ließe – wäre dann nicht auch ein gültiges Kriterium gewonnen, mit Hilfe dessen beurteilt werden könnte, wie die späteren Interpretationen der Formel grundsätzlich einzuschätzen sind und ob etwa mit dieser Formel, wie Juden und Muslime den Christen vorhalten, der Monotheismus preisgegeben ist oder nicht? Wir wissen, daß die Formel auf dem von Kaiser Theodosius I. nach Konstantinopel einberufenen Konzil des östlichen Reichsgebietes im Jahre 381 förmlich definiert worden ist.2 Aber die Forscher sind bis heute auf der Suche nach dem Geburtsort und dem genauen Geburtsdatum, das einige Zeit vor dieser offiziellen Bestätigung gelegen haben muß. Dabei ist man sich weitgehend einig, daß die Formel geboren ist, sobald die Begriffe ου᾽σι´α (ousia) und υ῾πο´στασις (hypostasis) in der Trinitätslehre so unterschieden werden, daß ousia grundsätzlich als Ausdruck für die göttliche Einheit reserviert wird, hypostasis dagegen als Bezeichnung für die drei Wirklichkeiten Vater, Sohn und Hl. Geist dient, ousia also gewissermaßen den »Inhalt«, hypostasis aber die konkrete »Ausformung« oder »Gestalt« des einen göttlichen Seins ausdrückt.
1 F. Wetter, Die Trinitätslehre des Johannes Duns Scotus, BGPhMA 41/5, Münster 1967. 2 Der Bericht darüber ist erhalten in einem an die westlichen Bischöfe (Damasus, Ambrosius etc.) gerichteten Synodalschreiben eines Konzils in Konstantinopel im Jahre 382 bei Theodoret, hist. eccl. V, 9, 11 (GCS NF 5, 292, 12–16 Parmentier/Hansen): η῾μα῀ς πι-
στευ´ειν ει᾽ς το` ο῎νομα του῀ πατρο`ς και` του῀ υι῾ου῀ και` του῀ α῾γι´ου πνευ´ματος, δηλαδη` ϑεο´τητος και` δυνα´μεως και` ου᾽σι´ας μια ῀ ς του῀ πατρο`ς και` του῀ υι῾ου῀ και` του῀ α῾γι´ου πνευ´ματος πιστευομε´νης, ο῾μοτι´μου τε τη ῀ ς α᾽ξι´ας και` συναι¨δι´ου τη ῀ ς βασιλει´ας, ε᾽ν τρισι` τελειοτα´ταις υ῾ποστα´σεσιν, η῎γουν τρισι` τελει´οις προσω´ποις.
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Es sind durchaus verschiedene Vorschläge dafür gemacht worden, wo die begriffliche Differenzierung von ousia und hypostasis erstmals zu finden ist; aber die häufigste Auskunft lautet: Den genauen Ursprungsort kennen wir nicht.3 Eine Sichtung wenigstens der wichtigsten Vorschläge wird dazu verhelfen, mit der Suche nach einer Antwort in einer sachgerechten Weise einzusetzen.
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Adolf von Harnack ging davon aus, daß vor den Kappadoziern, vor Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa, die üblicherweise in diesem Zusammenhang genannt werden, »ihr grosser Lehrer« Apolinarius von Laodicea – aufgrund des bei ihm stärker ausgebildeten Aristotelismus – die Formel gefunden habe.4 Dem im gleichen Zusammenhang gegebenen Hinweis Harnacks, daß der Afrikaner Marius Victorinus bereits vor den Kappadoziern die Formel μι´α ου᾽σι´α, τρει῀ς υ῾ποστα´σεις als bekannt voraussetze,5 sind Manlio Simonetti und Luise Abramowski nachgegangen. In beiden Fällen wird wenigstens der status quaestionis zu erörtern sein. Karl Holl, der die bis heute – nicht ganz zu Unrecht – als klassisch geltende Monographie über die Trinitätslehre der Kappadozier geschrieben hat, ließ die Sache erstaunlicherweise offen. Er nahm an, daß Basilius die fertige Formel, die »sich durch einen Kompromiss innerhalb der Theologie herausgebildet« hätte, übernommen, aber »noch gegen Einwände der Altnicäner«, das heißt derer, die von einer ousia und hypostasis der Gottheit sprachen, zu verteidigen gehabt habe.6 Heinrich Dörrie hat den späten Athanasius ins Spiel gebracht, jenen, der streitende Nizäner in theologischen Verhandlungen 362 in Alexandrien dazu bewegen konnte, gegenseitig die Rede von einer ousia oder hypostasis wie auch von drei hypostaseis als orthodox anzuerkennen, wenn nur jeweils ein Sabellianismus oder ein arianischer Tritheismus ausgeschlossen sei. Dörrie glaubte zeigen zu können, daß Athanasius seit dieser 3
Ein paar Beispiele: K. Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte I: Gott und Welt, Darmstadt 21987, 294 Anm. 183: »Der Ursprung der Begriffsunterscheidung zwischen ›Usie‹ und ›Hypostasis‹ ist unbekannt.« − H. Ch. Brennecke, Erwägungen zu den Anfängen des Neunizänismus, in: D. Papandreou/W. A. Bienert/K. Schäferdiek (Hg.), Oecumenica et Patristica. FS für Wilhelm Schneemelcher zum 75. Geburtstag, Chambe´syGenf 1989, 241–257, hier 244: »Als weithin ungelöst muß bei all diesen Überlegungen noch die Frage nach der Herkunft der Möglichkeit gelten, begrifflich überhaupt zwischen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις im trinitarischen Gebrauch zu unterscheiden.« – S.-P. Bergjan, Theodoret von Cyrus und der Neunizänismus. Aspekte der Altkirchlichen Trinitätslehre, AKG 60, Berlin/New York 1994, 34: »Bisher nicht geklärt werden konnte die Herkunft dieser Unterscheidung« (scil. »der Begriffe ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις im Rahmen der Trinitätslehre«). 4 A. (von) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte II, Tübingen 41909, 295 f., mit dem Verweis auf die Kata meros pistis, namentlich Kap. 33, des Apolinarius. 5 Ebd. 297 (= Anm. 1 von 296). 6 K. Holl, Amphilochius von Ikonium in seinem Verhältnis zu den großen Kappadoziern, Tübingen/Leipzig 1904 (ND Darmstadt 1969), 130 f.
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im sogenannten Tomus ad Antiochenos (5 f.) niedergelegten Übereinkunft zur Fixierung der Formel gefunden habe.7 Weil er sich jedoch an entscheidenden Punkten, ohne es zu bemerken, auch auf Pseudathanasiana und sogar interpolierte Texte stützt, läßt sich seine These nicht halten.8 Der Tomus ad Antiochenos bleibt jedoch ein Datum, das weiterhin erörtert werden wird, und zwar zunächst von Adolf Martin Ritter. Er stellt fest, daß die Herkunft der trinitätstheologischen Grundformel des Basilius und seiner Freunde »noch immer nicht restlos aufgehellt« sei, und erörtert verschiedene Hypothesen. Angeregt durch Harnack, erwägt er, ob Apolinarius von Laodicea der Urheber der Formel sei. Sie finde sich der Sache nach in der Kata meros pistis, aber auch in einem Briefwechsel des Basilius mit dem Laodizener. Weil jedoch die Echtheit dieser Korrespondenz umstritten sei, bleibe »die Annahme, daß die Kappadokier unter Führung des Basileios die Unterscheidung zwischen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις von Apollinarios gelernt haben«, nur Hypothese.9 Inzwischen ist die Echtheit des Briefwechsels zwischen Basilius und Apolinarius aufgrund einschlägiger philologischer und theologiegeschichtlicher Beobachtungen fast allgemein anerkannt, so daß der Fall Apolinarius näher zu prüfen sein wird.10 Der weitere Hinweis Ritters, die Formel finde sich noch vor Apolinarius in der »fälschlicherweise dem Nyssener zugeschriebenen Schrift« Adversus Arium et Sabellium, welche Gustave Bardy in die Jahre vor 358 datiert hatte,11 braucht nicht weiter verfolgt zu werden, weil dieser Traktat, dessen Autor bisher nicht identifiziert werden konnte, zweifellos einer späteren Zeit angehört.12 Einen 7 H. Dörrie, ῾Υπο´στασις. Wort- und Bedeutungsgeschichte, NGWG.PH 1955, 3, Göttingen 1955, 35–92, hier 79–82. 8 Interpoliert ist die trinitarische Formel in der Schrift »In illud: ›Omnia mihi tradita sunt‹« 6 (PG 25, 220 A); ebenfalls als Interpolation steht sie im Pseudathanasianum »De incarnatione et contra Arianos« (PG 26, 1000 B), beide Stellen sind bei Dörrie (wie Anm. 7) 81 zitiert. (Ähnliche Irrtümer unterliefen Dörrie auf den genannten Seiten wiederholt.) Das erstgenannte Versehen wird übernommen von: C. Andresen, Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen Personbegriffes, ZNW 52, 1961, 1–39, hier 37. 9 A. M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, FKDG 15, Göttingen 1965, 288 mit Anm. 4. 10 Zur Korrespondenz des Basilius mit Apolinarius siehe: R. M. Hübner, Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989, 198; zuletzt V. H. Drecoll, Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Caesarea. Sein Weg vom Homöusianer zum Neonizäner, FKDG 66, Göttingen 1996, 21–28. R. Pouchet, Basile le Grand et son univers d’amis d’apre`s sa correspondance. Une strate´gie de communion, SEAug 36, Rom 1992, 109–117, hat die äußeren Zeugnisse für die Briefe nochmals sehr sorgfältig geprüft und meint zur alten These der Fälschung zurückkehren zu müssen. Hier und in Kürze kann ich auf seine keineswegs leicht beiseite zu schiebenden Argumente nicht eingehen. Weil aber das Beziehungsgeflecht zwischen der Theologie des Apolinarius und der des jungen Basilius (auch seiner frühen Christologie!) viel enger ist, als das in der bisherigen Forschung gesehen wird, halte ich an der Echtheit des Briefwechsels fest. 11 Ritter, Das Konzil von Konstantinopel (wie Anm. 9), 289 (= 288 Anm. 4). 12 Zur Datierung von Ps-Gregor Nyss., adv. Ar. et Sab. (GNO III/1, 69–85 Mueller), siehe: L. Abramowski, Trinitarische und christologische Hypostasenformeln, ThPh 54,
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Einfluß des schon erwähnten Marius Victorinus auf den Osten schließt Ritter aus. Aber er unterstreicht die Bedeutung, welche die Sprachregelung des Tomus ad Antiochenos vom Jahre 362 für Basilius gehabt habe, da es seitdem als orthodox galt, »von drei Hypostasen zu reden, sofern man sie nur nicht als einander ›wesensverschieden‹ (α᾽λλοτριοου´σιαι . . . α᾽λλη´λων) verstehe.« Und Ritter schließt: »Von da aus bis zu dem Satz, daß die göttlichen Hypostasen einander ›wesenseins‹ seien, also zu der Formel: μι´α ου᾽σι´α – τρει῀ς υ῾ποστα´σεις, war es, sollte man meinen, nur noch ein kleiner Schritt!«13 Auch in seiner Darstellung »Dogma und Lehre in der Alten Kirche« hebt Ritter die Bedeutung des alexandrinischen Lehrschreibens von 362 für die Entwicklung der trinitarischen Formel hervor.14 Während er zunächst – wohl im Anschluß an Holl – vermutet, daß die Formel »von den Kappadoziern wahrscheinlich nicht« geprägt, wohl aber durchgesetzt worden sei,15 sieht es etwas später so aus, als erkenne er in Basilius den Theologen, der in der Auseinandersetzung mit dem Neuarianer Eunomius »zwischen den bis dahin einsinnig gebrauchten Begriffen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις unterschied« und somit die Formel schuf.16 In ihrer Geschichte des Begriffs »Homoousios« kommt Frauke Dinsen nach der Würdigung der von Ritter angeführten Daten zu dem Ergebnis, daß die Unterscheidung zwischen ousia und hypostasis wahrscheinlich erstmals von solchen Nizänern getroffen wurde, die sich »vom Sabellianismus (bzw. der Lehre Markells) klar abzugrenzen« bestrebt waren. In diesem Zusammenhang erfolgt ein bedenkenswerter Hinweis auf die pseudathanasianische Schrift Contra Arianos IV. In einigen gegen den »Sabellianismus« Markells gerichteten Formulierungen sei ein Ansatz zur Differenzierung der Hypostasen zu entdecken, obwohl die eine göttliche ousia mit der einen göttlichen hypostasis gleichgesetzt werde, die Terminologie also noch nicht völlig geklärt sei.17 Nach den neuesten
1979, 38–49, hier 45 Anm. 26, jetzt auch im Aufsatzband: Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, CStS 365, Aldershot 1992, Nr. IX, mit identischer Seitenzählung; zur theologiegeschichtlichen Einordnung des Traktats: Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 262 f. 13 Ritter, Das Konzil von Konstantinopel (wie Anm. 9), 288, Anm. 4. 14 A. M. Ritter, Dogma und Lehre in der Alten Kirche, in: C. Andresen (Hg.), Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte I: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Katholizität, Göttingen 1982, 99–283, hier 199 f. [ 21999 hier seitengleich]. 15 Ebd. 202. 16 Ebd. 205, mit Bezug auf meine Eichstätter Antrittsvorlesung: Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel. Zur Frage der Hellenisierung des Christentums, München 1979, 18 f. [jetzt unten S. 344 f.]. Ein Ausgleich dieser unterschiedlichen Positionen erfolgt nicht. 17 F. Dinsen, Homoousios. Die Geschichte des Begriffs bis zum Konzil von Konstantinopel (381), Diss. theol. Kiel 1976, 347 f. (= Anm. 1 zu 155); die Stellen, in denen Dinsen den Ansatz zur Differenzierung findet, stehen: C. Arian. IV, 25 (PG 26, 505 C), wo das υ῾ποστα´σει . . . ε῞ν verworfen wird; C. Arian. IV, 1 (469 A), wo es vom Sohn heißt: ε᾽ξ υ῾ποστα´σεως υ῾πο´στατος και` ε᾽ξ ου᾽σι´ας ου᾽σιω´δης και` ε᾽νου´σιος και` ε᾽ξ ο῎ντος ω ῎ ν.
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Forschungen von Markus Vinzent bestätigt sich eine alte Datierung der Schrift Contra Arianos IV auf die Jahre 339/40.18 Wenn das Werk, wie Adolf Stegmann zu beweisen suchte, von Apolinarius von Laodicea stammt19 (was ich für das Wahrscheinlichste halte), dann weist der Zeiger des Suchkompasses abermals in die Richtung Apolinarius – Basilius. Sie wurde auch von Manlio Simonetti eingeschlagen. Er schließt allerdings Apolinarius als unmittelbaren Urheber der Formel aus. Zwar lehre er in der Kata meros pistis eine einzige Natur oder ousia der Trinität in drei subsistierenden prosopa, und seine Sprechweise sei nicht weit von jener entfernt, welche man bei Basilius sich entwickeln sehe; aber die Terminologie sei noch unsicher, und insbesondere die implizite Behauptung einer einzigen Hypostase der Gottheit (die schon in seinem Brief an Basilius formuliert sei) habe seine Lösung für die neunizänischen Vertreter einer Drei-Hypostasen-Lehre wenig akzeptabel gemacht.20 Es ist Basilius, der nach Meinung Simonettis in dieser Umgebung (»in questo ambiente«, das heißt doch wohl auch: angeregt von Apolinarius?) die definitive Lösung bringt, aber auch er nur schrittweise und möglicherweise »inspiriert« von neuplatonischen Formulierungen, wie sie sich zuvor vielleicht auch schon bei Marius Victorinus finden.21 Simonetti verweist auf ein Porphyrius-Fragment, das in christlichen Kreisen offenbar gut bekannt war, denn es wird von Pseudo-Didymus, De Trinitate II, und von Cyrill von Alexandrien angeführt, um zu zeigen, wie nah heidnische Philosophen dem wahren trinitarischen Gottesbegriff gekommen seien.22 Der Text lautet:
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M. Vinzent, Pseudo-Athanasius, Contra Arianos IV. Eine Schrift gegen Asterius von Kappadokien, Eusebius von Cäsarea, Markell von Ankyra und Photin von Sirmium, SVigChr 36, Leiden 1996, 58–88, besonders 86. 19 A. Stegmann, Die pseudo-athanasianische »IVte Rede gegen die Arianer« als ›κατα` ᾽Αρειανω ῀ ν λο´γος‹ ein Apollinarisgut, Rottenburg 1917. – Wenn J. Ulrich (Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums, PTS 39, Berlin/New York 1994, 255) die Frage an F. Dinsen richtet, wo es um 360 die »nizänischen Kreise« gegeben haben soll, aus denen der »neunizänische Vorschlag« gekommen sei, so hat er − wie das sehr häufig geschieht − Apolinarius und seine Kreise übersehen. 20 M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, SEAug 11, Rom 1975, 512. Der genannte Brief des Apolinarius ist dessen Antwort auf die Anfrage des Basilius nach einem akzeptablen Verständnis des nizänischen homoousios, unter den Briefen des Basilius Nr. 362; dazu Simonetti, 408 Anm. 19. 21 Ebd. 512 f. 297 zu Marius Victorinus. 22 Ps-Didym., De Trin. II (PG 39, 760 B); Cyrill. Alex., c. Iul. I, 47 (SC 322, 200 Burguie`re/E´vieux und PG 76, 553 B); Simonetti, La crisi (wie Anm. 20), 513. Die Vermutung, die von Marius Victorinus referierte trinitarische Formel (siehe die Texte unten Anm. 30) könnte sich von demselben oder einem ähnlichen Porphyriustext herleiten, wie er Basilius inspiriert habe, hat Simonetti schon ein Jahr früher vorgetragen: All’ origine della formula una essenza, tre ipostasi, Aug. 14, 1974, 173–175; vgl. auch ders., Genesi e sviluppo della dottrina trinitaria di Basilio di Cesarea, in: Basilio di Cesarea, la sua eta`, la sua opera e il Basilianesimo in Sicilia. Atti del congresso internationale (Messina 3–6 XII 1979), Centro di studi umanistici, Messina 1983, 169–197, hier 184 Anm. 36.
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»Denn bis zu drei Hypostasen, sagte Platon, trete die ousia des Göttlichen hervor (α῎χρι γα`ρ τριω ῀ ν υ῾ποστα´σεων ε῎φη Πλα´των τη`ν του῀ ϑει´ου προελϑει῀ν ου᾽σι´αν). Der höchste Gott sei das Gute, nach ihm und als zweiter der Demiurg, drittes sei die Seele des Kosmos; denn bis zur Seele trete die Gottheit hervor«.23
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Basilius, bewandert in neuplatonischer Literatur, habe vielleicht diese Vorstellung einer göttlichen ousia, die in drei aufeinanderfolgenden Hypostasen hervortrete, aufgegriffen, vom inhärenten neuplatonischen Subordinatianismus gereinigt und damit den Ansatz für seine trinitarische Formel gewonnen, meint Simonetti.24 Diese Hypothese klingt auf Anhieb nicht unwahrscheinlich, sie stößt aber in mehrfacher Hinsicht auf Schwierigkeiten. Einmal setzt der damit vorgeschlagene Weg zur »Lösung« eine eher akademische Situation voraus, in der sich aber Basilius (anders als Marius Victorinus) nicht befand. Weiter hat John M. Rist festgestellt, daß sich Spuren möglicher, zugleich sehr eingeschränkter Plotinkenntnisse bei Basilius erst spät, um 375, als die trinitarische Formel längst gefunden war, nachweisen lassen und der Einfluß des Porphyrius auf Basilius, wenn es ihn überhaupt gibt, höchstens minimal ist und zudem »aszetische« Themen betrifft.25 Darüber hinaus wird man damit rechnen müssen, daß neuplatonische Reminiszenzen, die bei Basilius ohnehin nur sporadisch auftreten, nicht durch unmittelbare Lektüre solcher Texte, sondern durch Vermittlung des damals besten Kenners neuplatonischer Literatur unter den zeitgenössischen östlichen Theologen, nämlich des Apolinarius von Laodicea, des ersten theologischen Ratgebers des Basilius, hervorgerufen sind.26 Und schließlich steht einer Anregung des Basilius durch den zitierten oder einen ähnlichen Text entgegen, daß drei unterschiedliche Hypostasen göttlichen Ranges für Porphyrius auch drei unterschiedliche ousiai sind, eine Differenzierung von ousia und hypostasis also nicht vorgenommen ist.27 Auf einem anderen Weg und anscheinend ohne Kenntnis des Vorschlags von Manlio Simonetti hat Luise Abramowski versucht, der Quelle der Unterscheidung von ousia und hypostasis näherzukommen.28 Sie findet die Differenzierung und damit die Formel bereits »mit einer gewissen Selbstverständlichkeit vertreten« in dem schon mehrfach erwähnten, von Athanasius formulierten Tomus ad Antiochenos (5) von 362, und zwar in der Erklärung der homöusianischen Meletianer,29 und fragt dann, ob für die Meletianer und für Marius Victorinus, 23
Porphyrius, Hist. philos. Frg. XVI (14, 3–7 Nauck [221 F Smith]). Simonetti, La crisi (wie Anm. 20), 513 f. 25 J. M. Rist, Basil’s »Neoplatonism«: Its Background and Nature, in: P. J. Fedwick (Hg.), Basil of Caesarea: Christian, Humanist, Ascetic. A Sixteen-Hundreth Anniversary Symposium I, Toronto 1981, 137–220, besonders 211–215 [erneut in: Ders., Platonism and its Christian Heritage, CStS 221, London 1985, Nr. XII]. 26 Dazu: Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 259. 27 Siehe: J. Hammerstaedt, Art. Hypostasis (υ῾πο´στασις), RAC 16, 1994, 986–1035, hier 995–997. 28 Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 41–47. 29 Ebd. 42–44. 24
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der um 360/1 davon Kenntnis hat, daß »die Griechen« von »drei Hypostasen aus einer ousia« reden, nicht mit derselben Quelle zu rechnen sei.30 Sie vermutet diese Quelle bei Homöusianern, in deren Diskussionen »die Formel mit ihrer begrifflichen Differenzierung« vorbereitet worden sei und die vielleicht den letzten Anstoß, in diese Richtung zu gehen, durch »die homöische Wendung der kaiserlichen Kirchenpolitik« erhalten hätten.31 Das müßte dann also nach 359/60 geschehen sein und in einem Text, der nicht mehr vorliegt oder noch zu entdecken wäre, denn die bekannten homöusianischen Quellen, das wird ausdrücklich hervorgehoben, bringen die Formel nicht.32 Nach diesen unterschiedlichen Vorschlägen von Manlio Simonetti und Luise Abramowski bleiben drei Dinge zu klären: erstens, ob für Marius Victorinus eher eine neuplatonische oder christliche Quelle anzunehmen ist, zweitens, ob die Meletianer tatsächlich 362 bereits die Formel kennen, und drittens, ob sich erhärten läßt, daß die begriffliche Differenzierung unter den von Abramowski charakterisierten Umständen durch einen Homöusianer erfolgte. (Das könnte dann eigentlich nur noch Basilius von Caesarea sein.33) Der zweiten und dritten Frage soll nachgegangen werden, sobald die weiteren Thesen zur Entstehung der trinitarischen Formel vorgestellt sind. Für die erste kann nur der status quaestionis festgestellt werden. Inzwischen kam aufgrund seiner Untersuchungen Jörg Ulrich zu dem Ergebnis, daß die Formel, die Marius Vict, Adv. Ar. III, 4 und II, 4, referiert, eher aus einer neuplatonischen als aus einer christlichen Quelle stammt, Simonettis Vorschlag also recht gut passe.34 Christoph Markschies wiederum, der zuletzt die Frage erörtert hat, kommt zu dem Schluß, daß die Formulierung bei Marius Vict., Adv. Ar. III, 4, ε᾽κ μια῀ς ου᾽σι´ας τρει῀ς ει῏ναι τα`ς υ῾ποστα´σεις, so nicht porphyrianisch sein könne und eher »von Christen, die nicht viel von Porphyrius verstanden, aus dessen« (oben zitierter) »etwas unpräziser Bemerkung . . . oder einer ähnlichen Formulierung . . . herausdestilliert worden« sei.35 30 Ebd. 44–46; die hauptsächlich diskutierten Stellen bei Marius Victorinus sind adv. Ar. III, 4 (CSEL 83/1, 38 f. Henry/Hadot): »Idque a Graecis ita dicitur: ε᾽κ μια῀ς ου᾽σι´ας τρει῀ς ει῏ναι τα`ς υ῾ποστα´σεις.« Lateinisch und mit ausdrücklicher Anwendung auf die Trinität steht es adv. Ar. II, 4 (178, 51–54 H./H.): »Et ideo dictum est: de una substantia tres subsistentias esse, ut id ipsum quod est esse subsistat tripliciter: ipse deus et Christus, id est λο´γος, et spiritus sanctus. Ergo υ῾πο´στασις iure deo datur, iure λο´γωͺ, id est patri et filio.« Adv. Ar. III, 9 (206, 1–4 H./H.) heißt es von Vater, Sohn und Geist: »unum esse et unam esse substantiam, subsistentias tres.« 31 Ebd. 46 f. 32 Ebd. 46. 33 Ulrichs Einwand gegen Abramowski, »daß es keinerlei Beleg für neunizänisch gewordene Homöusianer gibt« (ders., Rezeption des Nizänums [wie Anm. 19], 255), ist verwunderlich. Basilius von Caesarea ist das klassische Beispiel für diesen Weg. 34 Ebd. 254–259. 35 Ch. Markschies, Was ist lateinischer »Neunizänismus«? Ein Vorschlag für eine Antwort, ZAC 1, 1997, 73–95, hier 84 [erneut in: Ders., Alta Trinita` Beata. Gesammelte Studien zur altkirchlichen Trinitätstheologie, Tübingen 2000, 238–264].
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Andererseits hat Luise Abramowski deutlich gemacht, daß in Adv. Ar. II nicht nur homöusianisches Material ausgewertet ist, wie das Pierre Hadot festgestellt hatte, sondern auch eine (nizänische?) »griechische Quelle, die das ο῾μοου´σιος plausibel machen will«,36 und Markus Vinzent konnte zeigen, daß in den antiarianischen Schriften des Marius Victorinus zusätzlich auch die um 340 entstandene (meines Erachtens vom Nizäner Apolinarius herrührende) pseudathanasianische Schrift Contra Arianos IV herangezogen wurde.37 Stammt die für das homoousios plädierende griechische Quelle eventuell auch vom Laodizener? Und ist sie mit C. Arian. IV identisch, oder ist mit der Verarbeitung noch eines anderen Werkes des Apolinarius zu rechnen, eines Werkes, das ähnlich wie Contra Sabellianos und Adversus Eunomium IV in der Zeit zwischen 358 und 360 entstanden wäre und das homoousios, die eine ousia und die selbständige Subsistenz von Vater, Sohn und Geist verteidigt hätte?38 Und läßt sich durch den Einfluß des Apolinarius vielleicht auch die auffallende Übereinstimmung der Terminologie in der »griechischen Quelle« des Marius Victorinus und der in der meletianischen Erklärung im Tomus ad Antiochenos 5 erklären, worauf Luise Abramowski aufmerksam gemacht hat?39 Und wie steht es unter diesen Umständen mit der »neuplatonischen Quelle« bei dem Porphyrius-Kenner Marius Victorinus? Könnte ihm der Porphyrius-Kenner Apolinarius Anregung und Hinweise zur Verwendungsmöglichkeit dieses Textes gegeben haben?40
36 Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 45 f.; zu den homöusianischen Quellen bei Marius Victorinus siehe die Einleitung zur deutschen Übersetzung: P. Hadot/ U. Brenke, Christlicher Platonismus. Die theologischen Schriften des Marius Victorinus, Zürich/Stuttgart 1967, 58–71. 37 Vinzent, Ps-Athanasius (wie Anm. 18), 309–312. 38 Zu Abfassungszeit und apolinareischer Herkunft von C. Sabell. siehe: Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10); von Adversus Eunomium« IV-V siehe: F. X. Risch, Pseudo-Basilius, Adversus Eunomium IV-V. Einleitung, Übersetzung und Kommentar, SVigChr 16, Leiden 1992, besonders 3–18. 39 Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 45 f. 40 Apolinarius hat 30 Bücher gegen Porphyrius geschrieben, die Hieronymus als sein bestes Werk bezeichnet hat; siehe die Zeugnisse bei: H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule, Tübingen 1904, 265 f.; zur Adaption neuplatonischer Gedanken und Terminologie in c. Sabell.: Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 243–246; in adv. Eunom. IV-V: Risch, Pseudo-Basilius (wie Anm. 38), besonders 27–46; in c Arian. IV: Vinzent, Ps-Athanasius (wie Anm. 18), besonders 99–104. − Markschies, »Neunizänismus« (wie Anm. 35), 83 [bzw. 252], hat darauf hingewiesen, daß das ε᾽κ im Zitat des Marius Vict., adv. Ar. III, 4, weitgehend ungedeutet sei. Es fällt aber die Verwandtschaft der Formulierung bei Marius Victorinus mit den trinitarischen Aussagen des Apolinarius sofort auf. Für diesen ist die ousia der Gottheit (θεο´της) zugleich die den Vater konstituierende Eigentümlichkeit, so daß im Vater (gemeinsame) ousia und (personale) hypostasis zusammenfallen und er die »Quelle der Gottheit« ist, aus der Sohn und Geist entspringen, vgl. z.B. Apolin., kata meros pistis 14 f.; ep. ad Basil. (= Basil., ep. 362); Ps-Athan., c. Sabell. passim; dazu Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 229–242; vgl. auch die oben Anm. 17 zitierte Stelle aus Ps-Athan., c. Arian. IV, 1 (PG 26, 469 A), und dazu Vinzent, Ps-Athanasius (wie Anm. 18), besonders 90–96.
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Soviel zum status quaestionis in diesem Punkt. Eine schlüssige Theologiegeschichte des vierten Jahrhunderts wird sich erst schreiben lassen, wenn die immer noch weithin vernachlässigte Apolinarius-Frage zufriedenstellend behandelt ist. Daß noch zu klären sei, »wie weit schließlich die Kappadozier, besonders Basilius, bei der Erarbeitung ihrer trinitarischen Formel von Apollinaris von Laodizäa abhingen«, meint auch Basil Studer.41 Er sieht die Formel, zu deren Entwicklung unter den Kappadoziern Basilius »den wichtigsten Beitrag geleistet« habe, vorbereitet durch die Denkschrift der Homöusianer von 359 und »am meisten« durch den Tomus ad Antiochenos von 362. Basilius habe »zuerst in seiner Polemik gegen Eunomius und dann in seiner Lehre vom Heiligen Geist die Unterscheidung von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις klar« herausgearbeitet.42 Wenn das zutrifft, dann muß sich das belegen lassen, dann muß man den Finger auf die Stelle legen können, an der in den Büchern des Basilius gegen Eunomius (oder in dem »Über den Heiligen Geist«) die Unterscheidung erstmals erfolgt. Einen gänzlich neuen, allerdings schwer faßlichen Vorschlag macht Hanns Christof Brennecke.43 Im Anschluß an Luise Abramowski geht er davon aus, daß »die Differenzierung zwischen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις« zwar »terminologisch noch nicht ganz deutlich, aber der Sache nach zweifellos« in »dem von Athanasius redigierten« Tomus ad Antiochenos 5 f. »bei den antiochenischen Meletianern« bezeugt ist, wobei diese den Homöern, nicht wie von Abramowski den Homöusianern, zugerechnet werden.44 Obwohl er den dann erstaunlichen Befund nicht zu erklären vermag, daß in dem an Kaiser Jovian wahrscheinlich im Spätjahr 363 gerichteten Glaubensbekenntnis des Meletius und seiner Anhänger »die schon im Tomus ad Antiochenos ein Jahr früher belegte Differenzierung zwischen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις nicht« auftaucht, vielmehr »das nizänische ο῾μοου´σιος« »im Grunde homöusianisch als ο῞μοιος κατ ᾽ ου᾽σι´αν interpretiert« wird,45 hält er doch als »gesicherte historische Erkenntnis« fest, »daß die neu41 B. Studer, Der Person-Begriff in der frühen kirchenamtlichen Trinitätslehre, ThPh 57, 1982, 161–177, hier 167; erneut in: Ders., Dominus Salvator. Studien zur Christologie und Exegese der Kirchenväter, StAns 107, Rom 1992, 347–368, hier 355. 42 Studer, Der Person-Begriff (wie Anm. 41), 165 f., und in »Dominus Salvator«, 353 f.; ähnlich in der Monographie: Gott und unsere Erlösung im Glauben der Alten Kirche, Düsseldorf 1985, 176 f. − F. Courth, der ebenfalls in Basilius den maßgeblichen Initiator der Unterscheidung von Wesen und Hypostase sieht, meint, daß er sich »von seinen Frühschriften an« (also von Adversus Eunomium an) um die Unterscheidung von ousia und hypostasis bemühe; siehe seine Darstellung: Trinität. In der Schrift und Patristik, HDG II/1a, Freiburg/Basel/Wien 1988, 171 f. 43 Brennecke, Neunizänismus (wie Anm. 3). 44 Ebd. 244; vgl. 247: »Die eigentliche neunizänische Formel μι´α ου᾽σι´α − τρει῀ς υ῾ποστα´σεις ist bei den Meletianern 362 also noch nicht überliefert, aber der Sache nach gemeint.« Meletius nicht Homöusianer, sondern Homöer: Ebd. 245–247. 45 Ebd. 248, mit Bezug auf das von Socr., hist. eccl. III, 25, 10–18 [GCS NF 1, 226 f. Hansen], und Sozom., hist. eccl. VI, 4, 7–10 [GCS NF 4, 241 f. Bidez/Hansen], überlieferte Bekenntnis.
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nizänische Theologie – abgesehen vom Referat des Marius Victorinus – durch Athanasios im Jahre 362 zuerst bezeugt – . . . theologisch im Schoße der homöischen Reichskirche bei bisher nicht nur loyalen, sondern sogar aktiven Vertretern des offiziellen homöischen reichskirchlichen Kurses entstanden« ist.46 »Eine vergleichbare Entwicklung«, wenn auch »in viel geringerem Ausmaße«, beobachtet Brennecke »auch bei einigen bisherigen Homöusianern«. In einem in seiner Logik nur schwer durchschaubaren Argumentationsgang wird erklärt, daß es nur die »Herausforderung durch den Neuarianismus des Aetios und vor allem seines Schülers Eunomios« gewesen sei, welche die theologische Wende des Meletius und seiner Anhänger »gegen die eigene theologische Tradition« zum Neunizänismus hin motiviert haben könne. (Bei der Frage nach dem möglichen Motiv der Wende zum Neunizänismus wird vorausgesetzt, daß die »theologische Differenzierung von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις«, die doch den Neunizänismus ausmacht[!], bei diesen Vertretern einer Drei-Hypostasen-Theologie schon gegeben war).47 Theologen wie der von den Homöern kommende Meletius hätten erkannt, daß die homöische Theologie »von ihren Voraussetzungen her« und wegen ihrer »verwaschenen Theologoumena« zu einer schlagenden Antwort auf Ae¨tius und Eunomius »einfach unfähig war«.48 »Dabei« müsse »auch klar geworden sein«, daß die homöusianische Theologie zur Abwehr der eunomianischen Lehre nicht ausreichte. »Auf diese Weise« sei »wohl die zu den Meletianern parallele Entwicklung bei einigen Homöusianern, vor allem bei Basileios, erklärbar«.49 »Der Neunizänismus«, wird abschließend gesagt, »entstand im reichskirchlichen homöischen Lager aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Erkenntnis heraus, daß auf der Basis der theologischen Beschlüsse der Konstantinopolitaner Synode von 360 es unmöglich war, die anhomöische Theologie von Aetios und Eunomios zu überwinden, sondern daß die homöische Theologie in ihrer Konturlosigkeit trotz ihres m. E. nicht zu bestreitenden Willens, antiarianisch zu sein, am Ende dann doch bei der Theologie von Aetios und Eunomios landen mußte«.50 Mir scheint in Brenneckes Ausführungen zuviel Widersprüchliches zu stekken. Mit seinem (meines Erachtens völlig richtigen) Hinweis, daß der Angriff des Ae¨tius und Eunomius die (mit der Differenzierung von ousia und hypostasis gegebene) »neunizänische« Antwort hervorgerufen habe, daß aber die Homöer von ihren theologischen Voraussetzungen her zu einer solchen Antwort gar nicht fähig waren, hat er seiner Hypothese, der Neunizänismus sei im »homöischen Lager« (der Meletianer) entstanden, eigentlich doch selbst den Boden entzogen. Er vermag für die Meletianer auch nur auf den Text zu verweisen, der seiner These entgegensteht, auf ihr Bekenntnis an Jovian von 363. Wenn 46
Ebd. Ebd. 48 Ebd. 49 Ebd. 50 Ebd. 47
248 f.; vgl. 249. 253. 249. 250; vgl. 251. 252. 252. 253.
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die Differenzierung der Begriffe ousia und hypostasis durch die eunomianische Kontroverse hervorgerufen ist, dann muß sie sich in einem Text der Theologen finden, die sich zuerst der Widerlegung des Spätarianers Eunomius gewidmet haben, also bei Apolinarius51 oder Basilius. Auf beide, die hier schon mehrfach zusammen genannt wurden, wird sich die Suche konzentrieren müssen. Daß weder in dem an Jovian gerichteten Bekenntnis von 363 noch in der früheren, im Tomus ad Antiochenos festgehaltenen Erklärung ein Beleg für die neunizänische Theologie der Meletianer zu finden sei, ist die Ansicht von SilkePetra Bergjan.52 Weil aber die Briefe des Basilius (insbesondere ep. 214) in den siebziger Jahren das Vorhandensein des Neunizänismus bei Meletius bezeugen, glaubt sie sagen zu können, daß Meletius und Basilius »aus einer jeweils anderen Ausgangslage ähnliche systematische Lösungen des trinitarischen Problems« gefunden hätten, wobei »die Richtung von Einflußnahme« sich »nicht mehr bestimmen« lasse.53 Da aber, worauf sie hinweist, »in bezug auf Meletius keine Quellen vorliegen, die die Unterscheidung zwischen Usie und Hypostase explizit nennen«,54 bleibt ihre Behauptung eines eigenen Weges des Meletius zur trinitarischen Formel eine unbewiesene und meines Erachtens unwahrscheinliche Hypothese. Obwohl sie bemerkt, daß die »neunizänische Trinitätslehre . . . in der Auseinandersetzung« des Basilius »mit dem Anhomöer Eunomius« entsteht,55 verstellt sie sich den damit doch eröffneten Zugang zur Auffindung des Ursprungsortes der trinitarischen Formel durch fehlerhafte und widersprüchliche Behauptungen, die wohl nur durch zu flüchtige Lektüre der Texte zu erklären sind.56 Volker Henning Drecoll scheidet die Meletianer, Marius Victorinus und Apolinarius als mögliche Urheber der trinitarischen Formel aus und wendet sich entschlossen Basilius zu. Obwohl er der »Entstehung der neonizänischen Theologie« bei Basilius eine umfangreiche Dissertation gewidmet hat,57 gelingt es ihm nicht, die Formel in statu nascendi zu erfassen. Er weiß zwar, daß die Formel mit der begrifflichen Unterscheidung von ousia und hypostasis geboren ist, 51 Merkwürdigerweise hat Brennecke, wenn er (im hier besprochenen Aufsatz [wie Anm. 3] 257, Anm. 76) erklärt, von den gegen Eunomius geschriebenen Werken hätten sich »nur die Schriften von Basileios und Gregor« erhalten, die (ziemlich sicher von Apolinarius stammenden) pseudo-basilianischen Bücher Adversus Eunomium IV-V übersehen. 52 Bergjan, Theodoret (wie Anm. 3), 30 f. 53 Ebd. 31–33; Zitat 33. 54 Ebd. 35 Anm. 4. 55 Ebd. 34. 56 Ebd. 31 wird behauptet, Basilius benutze in »Adversus Eunomium« (aus den frühen sechziger Jahren) den »Begriff der Hypostase« nicht, die Unterscheidung von ousia und hypostasis stehe ihm hier nicht zur Verfügung. Ähnlich heißt es (43), in »Adversus Eunomium« II fehle »der Begriff der Hypostase«. Beide Behauptungen sind falsch. In (wenigstens partiellem) Widerspruch zu diesen Aufstellungen wird (40, Anm. 29) erklärt, Basilius arbeite »im ersten Buch gegen Eunomius K. 19 mit der sonst in CE I noch fehlenden trinitarischen Differenzierung«. Der Widerspruch wird nicht ausgeglichen. 57 Drecoll, Die Entwicklung (wie Anm. 10), 18–20, Zitat X.
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will die Geburt aber sozusagen erst offiziell anerkennen, wenn er »die Gegenüberstellung der Worte μι´α ου᾽σι´α und τρει῀ς υ῾ποστα´σεις« im Text finden kann, und das sei nicht vor 373 der Fall.58 Eine solche Einschränkung wird jedoch der historischen Situation nicht gerecht, weil die logischen Probleme übersehen sind, die der neuen Begriffsbildung entgegenstanden und es bewirkten, daß die alte Terminologie auch beim Erfinder der neuen noch lange beibehalten wurde, die neue gewöhnungsbedürftig war und sich erst allmählich durchsetzen konnte. 135
Welches Fazit kann man aus dem – nicht unbedingt folgerichtigen und bruchlosen – Gang der Forschungsgeschichte ziehen?59 Wenn die bewährteste These jene ist, gegen die keine (oder wenigstens keine gravierenden) Einwände erhoben wurden, dann steckt sie in den Überlegungen (der Mehrzahl der Autoren), aus denen sich schließen läßt, daß die begriffliche Unterscheidung von ousia und hypostasis durch den theologischen Angriff der Anhomöer Ae¨tius und Eunomius provoziert wurde und in der Auseinandersetzung mit ihnen erfolgte. Dabei gilt meist Basilius als der eigentliche Urheber der trinitarischen Formel, wenn auch die Suche nach dem entscheidenden Text bisher, wie es den Anschein hat, noch nicht erfolgreich war. Wenigstens eine Vorbereitung seiner Arbeit sieht man in den theologischen Antworten der Homöusianer auf die Anhomöer und in der im Tomus ad Antiochenos von 362 festgehaltenen Erklärung der Meletianer. Der Beitrag des Apolinarius, bei dem sich Basilius theologischen Rat holte, wird vor allem wegen der Unsicherheiten in der Überlieferung und der Probleme der Echtheit und Chronologie seiner Schriften als nicht sicher feststellbar eingestuft. Ob sich die entscheidende begriffliche Differenzierung bei ihm zuerst findet und ob und wieweit er Basilius in dieser Sache angeregt oder bestimmend beeinflußt hat, ist bisher ungeklärt. Damit ist die Aufgabe gestellt, die hier angegangen werden soll, und ich formuliere, indem ich schon früher geäußerte Hinweise aufnehme,60 meine These, daß Basilius, um den Angriff des Anhomöers Eunomius auf die wahre Gottheit 58 Ebd. 270; die hier aufgestellte Behauptung, in den Büchern »Adversus Eunomium« finde sich »nicht der Versuch, zu erklären, inwiefern beide Begriffe« (scil. ousia und hypostasis) »sich unterscheiden«, ist so nicht richtig, wie weiter unten gezeigt werden soll. 59 Man findet − überraschenderweise − nichts zum Ursprung der Unterscheidung von ousia und hypostasis in der umfangreichen Monographie: R. P. C. Hanson, The Search for the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318–381, Edinburgh 1988; auch nicht in dem einschlägigen Kapitel »Substanz und Personen« bei: Ch. Stead, Philosophie und Theologie I. Die Zeit der Alten Kirche, ThW 14, 4, Stuttgart 1990; hier (127) wird nur beiläufig gesagt, daß »die Position der Kappadozier« aus der der Homöusianer hervorging und eine Reaktion auf die anhomöische Lehre sei. Auch Hammerstaedt, Hypostasis (wie Anm. 27), gibt keine historische Erklärung des Aufkommens der Unterscheidung. 60 Vgl. Hübner, Der Gott der Kirchenväter (wie Anm. 16), 17 f. [unten S. 344 f.]; ders., Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern, in: J. Fontaine/Ch. Kannengiesser (Hg.), Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, Paris 1972, 463– 490, hier 481 [oben S. 271].
II. Der theologische Angriff des Ae¨tius und Eunomius
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des Sohnes abzuwehren, durch die ausdrückliche Unterscheidung von ousia und hypostasis, die er in Adv. Eunom. I, 15 erstmals vornimmt, die trinitarische Formel geschaffen hat. In einem Durchgang durch die einschlägigen Texte soll diese These bewiesen und zugleich ermittelt werden, wieviel Vorbereitungsarbeit die vor Basilius tätigen Theologen geleistet haben. Der Darstellung der Grundzüge der anhomöischen Position folgt deswegen eine Analyse der theologischen Reaktion der Homöusianer und der Aussagen der Meletianer im Tomus ad Antiochenos. Was Apolinarius betrifft, so werden sich wegen der genannten Überlieferungsprobleme nur wenige sichere Ergebnisse gewinnen lassen. Daß Basilius zwar von ihm Anstöße erhalten hat, aber – weil von anderen philosophischen Voraussetzungen her kommend – einen eigenen Weg gesucht hat, soll sodann deutlich gemacht werden. Der historische Rahmen dieser theologischen Debatte kann hier nur angedeutet werden.
II. Im Sommer oder Herbst des Jahres 357 ließ Kaiser Konstantius II. auf einer kleinen Synode in Sirmium von seinen Hofbischöfen eine Glaubenserklärung formulieren, mit der er die seit dem unglückselig verlaufenen Konzil von Serdica (342) zerbrochene Glaubenseinheit zwischen Ost und West wiederherstellen wollte.61 Darin wird die Einzigkeit Gottes betont, mit dem Zitat von Joh 20, 17 gegen eine Zwei-Götter-Lehre herausgestellt, daß unser aller Gott auch Jesu Gott sei, und erklärt, daß man das umstrittene Wort (scil. des nizänischen Bekenntnisses) »substantia, das griechisch ousia genannt wird, das heißt – damit es ganz ausdrücklich verstanden wird –, daß man das homoousion und das sogenannte homoiousion überhaupt nicht mehr erwähnen und daß niemand darüber predigen dürfe«, weil nichts davon in der Hl. Schrift stehe und weil es über menschliches Wissen hinausgehe.62 Im syrischen Antiochien wurde diese Glaubenserklärung von einigen radikalen Arianern als ein Freibrief benutzt, ihre Ansichten über das Wesen Gottes 61 Zu dieser Synode siehe: H. Ch. Brennecke, Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II., PTS 26, Berlin/New York 1984, 312–325, mit ausführlichen Literaturangaben. Nicht einzugehen ist hier auf die unterschiedlichen und unterschiedlich gut begründeten Interpretationen der Glaubensformel der Synode z.B. bei: J. Gummerus, Die homöusianische Partei bis zum Tode des Konstantius, Leipzig 1900, 52–57; Simonetti, La crisi (wie Anm. 20), 227–233; Brennecke (wie oben); W. Löhr, Die Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien. Studien zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts, Witterschlick/Bonn 1986, 44–52; Hanson, The Search (wie Anm. 59), 343–347. 62 Die lateinisch abgefaßte Formel bei Hilar., syn. 11 (PL 10, 487–489 [= Dokument 51 Brennecke u. a. (Athan., Werke III/1/4, 376–379)]; griechisch bei Athan., syn. 28 [Werke II/7, 256 f. Opitz].
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und seines Sohnes ohne Scheu in der Öffentlichkeit vorzutragen.63 Dort war es dem alten Antinizäner Eudoxius, Bischof von Germanikeia, den der arianische Kirchenhistoriker Philostorgius als einen zunächst gemäßigten Arianer charakterisiert und der sich eine gute Zeitlang im Westen am Hofe des Konstantius aufgehalten hatte, gelungen, mit Hilfe arianisch gesinnter kaiserlicher Hofbeamter den Bischofsstuhl zu usurpieren.64 Von ihm beschützt und gefördert, verkündeten der Urheber der rigorosesten Form des Spätarianismus, Ae¨tius, und seine mit antiochenischen Klerikerstellen versehenen Schüler, allen voran der begabte Eunomius, der von Eudoxius zum Diakon geweiht worden war,65 ungehemmt und schonungslos die anhomöische Gotteslehre: die Unvergleichlichkeit des ungewordenen, einzigen Gottes und des erzeugten Sohnes.66 Der in aristotelischer Dialektik geschulte und als erfolgreicher Disputator gefürchtete Ae¨tius67 hat für seine Kampfgefährten und Kampfgefährtinnen (α᾽ϑλη´τριαι) in einem Handbüchlein, dem Syntagmation, syllogismenartige, schlagkräftige Argumente zusammengestellt, mit denen die Gegner, vor allem die Nizäner, in die Enge getrieben werden sollten.68 Alle kreisen sie um das α᾽γε´ννητον, die Agennesie, die Ungewordenheit oder Unerzeugtheit, die als das Sein und Wesen (ου᾽σι´α, auch φυ´σις und υ῾πο´στασις) des alleinigen Gottes aufgefaßt wird, und um die konsequente Wesensfremdheit und -ungleichheit des erzeugten Sohnes. »Wenn die Unerzeugtheit die ousia (scil. Gottes) bezeichnet«, heißt es in einem der nicht systematisch geordneten Syllogismen, »so steht sie konsequenterweise in kontradiktorischem Gegensatz zur ousia des Erzeugnisses. Wenn die Unerzeugtheit aber nichts bezeichnet, um wie viel mehr bezeichnet dann das Erzeugnis nichts? Wie könnte aber »nichts« im Gegensatz zu »nichts« stehen?«69
63
Sozom., hist. eccl. IV, 12, 5–7 [GCS NF 4, 155, 1–14 Bidez/Hansen]. Philost., hist. eccl. IV, 4 [GCS Philost. 3 60, 12–18 Bidez/Winkelmann = SC 564, 320, 1–8 Bidez/Bleckmann u. a.]; Sozom., hist. eccl. IV, 12, 3 f. [154, 23–155, 1 B./H.]; zu den Ereignissen: Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 62–64; vgl. M. Spanneut, Art. Eudoxe, DHGE 15, 1963, 1337–1340. 65 Sozom., hist. eccl. IV, 13, 2 [155, 23–27 B./H.]; Philost., hist. eccl. IV, 5 [61, 3–5 B./W. = 322, 1–3 B./B.]. 66 Zu Ae¨tius siehe: Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 42–47; A. M. Ritter, Art. Arianismus, in: TRE 3, 1978, 692–719, hier 711–713. 67 Sozom., hist. eccl. III, 15, 8 [126, 24–27 B./H.]; Epiphan., haer. 76, 2, 2 [GCS Epiph. III 2, 341, 31–342, 4 Holl/Dummer]. 68 Das Syntagmation des Ae¨tius wird von Epiphan., haer. 76, 11, 1–12, 37 [351, 21– 360, 3 H./D.], geschlossen und nochmals 76, 14–54 [360, 17–414, 27 H./D.], von seinen Widerlegungen begleitet, überliefert. Eine andere Version ist erhalten im pseudathanasianischen Dialogus II de s. Trin. (PG 28, 1173–1201; kritische Edition von Ch. Bizer, Studien zu den pseudathanasianischen Dialogen. Der Orthodoxos und Ae¨tios, Diss. theol. Bonn 1970, 80–126). L. R. Wickham, The Syntagmation of Aetius the Anomean, JThS NS 19, 1968, 532–569, bietet einen kommentierten Text samt englischer Übersetzung. Zum Zweck des Syntagmation siehe die Vorrede bei Epiphan., haer. 76, 11, 1–3 [351, 22– 352, 13 H./D.]; zur Lehre des Ae¨tius siehe auch: L. R. Wickham, Aetius and the Doctrine of Divine Ingeneracy, StPatr 11 = TU 108, Berlin 1972, 259–263. 69 Ae¨tius, Syntagmation, bei Epiphan., haer. 76, 12, 16 [355, 7–10 H./D.]. 64
II. Der theologische Angriff des Ae¨tius und Eunomius
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Und weiter: »Wenn Gott in der ousia unerzeugt ist, so wurde das Erzeugte nicht durch eine Spaltung der ousia erzeugt, vielmehr setzte er es durch seine Macht ins Sein. Denn daß dieselbe ousia zugleich erzeugt und unerzeugt sei, erlaubt keine fromme Überlegung«.70 »Wenn Gott ohne Ende in unerzeugter Natur (φυ´σει) verharrt und ohne Ende das Erzeugnis Erzeugnis ist, dann wird die nichtswürdige Lehre vom ο῾μοου´σιον und ο῾μοιοου´σιον zugleich vernichtet werden. Dagegen steht die Unvergleichlichkeit in der ousia fest, weil jede Natur ohne Ende in dem eigenen Rang der Natur verbleibt«.71
Eunomius, engster und überlegener Schüler des Ae¨tius, lehrte nicht anders, sondern dasselbe in etwas klarerer und gefälligerer Form, wie ihr Biograph Philostorgius berichtet.72 Er hat die Grundthesen des Ae¨tius aufgegriffen und in derart systematischer Weise ausgebaut, daß Basilius mit der Widerlegung in Bedrängnis geriet. Im Hinblick auf die späteren begrifflichen Differenzierungen ist noch zu notieren, daß ousia bei Ae¨tius – wie sich aus dem oben Zitierten ergibt – sowohl die Wesenheit Gottes bezeichnen kann (wenn es heißt, daß der Gezeugte und der Unerzeugte in der ousia unvergleichlich sind), wie auch den konkret Existierenden (wenn es heißt, daß der Erzeugte nicht durch eine Aufspaltung der ousia des Zeugenden erzeugt wurde).73 Manchmal bezeichnet das Wort beides zugleich,74 manchmal ist nicht recht entscheidbar, worauf der Akzent liegt.75 Ähnliches läßt sich für physis und hypostasis feststellen. Beide Begriffe können die Wesenheit bezeichnen, dabei können physis und hypostasis jeweils mit ousia wechseln und gleiche Bedeutung haben. Beide Begriffe können aber auch für die konkrete Existenz stehen, und auch hier kann ousia mit hypostasis und physis mit hypostasis wechseln und das gleiche bedeuten.76 Die Begriffe ousia, physis, hypostasis umschließen also in der Gotteslehre des Ae¨tius ohne ausdrückliche Differenzierung Wesenheit und konkrete Existenz des Seienden, wobei nur aus dem Zusammenhang zu ersehen ist, wie der Akzent liegt.
70
Ebd. 76, 12, 5 [353, 13–15 H./D.]. Ebd. 76, 12, 4 [353, 9–12 H./D.]. 72 Philost., hist. eccl. VIII, 18 [115, 23–27 B./W. = 456, 1–6 B./B.]. 73 Eher die »Wesenheit« bezeichnet ousia noch in Nr. 3 des Syntagmation, die konkret Existierenden in Nr. 18. 20. 21. 29 (im Wechsel mit hypostasis) 34. 36. [In der Erstpublikation des vorliegenden Aufsatzes wurde die jetzt mit »Wesenheit« wiedergegebene Bedeutung von ousia bei Ae¨tius hier und im folgenden noch mit »inhaltliche Seite« übersetzt. Martin Tetz hat dies mit Recht kritisiert. Es ist allerdings schwierig, einen adäquaten, doch weniger anstößigen Begriff zu finden: Wesen? Wesensgehalt? Wesensinhalt?]. 74 Syntagmation Nr. 8. 75 Syntagmation Nr. 28. 76 Eher die »Wesenheit« bezeichnet »physis« im Syntagmation Nr. 4, hier im Wechsel mit »ousia«, 11 und 13, »hypostasis« in Nr. 12 im Wechsel mit »ousia«. Konkret Existierendes bedeutet »physis« in Nr. 3 und 33; in Nr. 14 und 27 im Wechsel mit »hypostasis«. In Nr. 4 scheint »physis« einmal mehr den konkret Existierenden, dann die »Wesenheit« zu kennzeichnen; »hypostasis« bezeichnet konkret Existierendes in Nr. 14 23 26–28. 71
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III. Die erste theologische Reaktion auf den aggressiven Anhomöismus, der in An* tiochien laut wurde, ist für uns greifbar in zwei Denkschriften der Homöusia-
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ner. Die erste wurde von Basilius, dem Bischof von Ankyra, kurz vor Ostern 358 auf einer Synode verfaßt, die er anläßlich der Feier einer Kirchweihe in seiner Bischofsstadt versammelte. Die zweite schrieb Georg von Laodicea nach dem Rückschlag, den die im ersten Anlauf bei Konstantius erfolgreichen Homöusianer erlitten, als in der in Gegenwart des Kaisers am 22. Mai 359 in Sirmium neuerdings verabschiedeten Glaubensformel das wenige Monate zuvor von Konstantius akzeptierte homöusianische Kennwort »gleich in der ousia« fallen gelassen, durch ein »gleich in allem, wie es auch die heiligen Schriften sagen« ersetzt und obendrein abermals der Gebrauch des Wortes ousia in der Gotteslehre gänzlich untersagt wurde.77 Beide Denkschriften sind von Epipha nius überliefert.78 Sie gelten einigen Forschern, wie erwähnt, als ein Schritt in Richtung auf die trinitarische Formel (eine ousia, drei hypostaseis). Diese Meinung müßte sich als richtig erweisen, wenn es zutrifft, daß die trinitarische Formel letztlich in der Abwehr der anhomöischen Gotteslehre entstand. Aus den mühsamen, schwerfälligen und oft auch schwer zu verstehenden Formulierungen der Denkschriften läßt sich erkennen, wieviel Anstrengung dieser Prozeß gekostet hat. Es war nicht ein simples logisches Rechenexempel, in dem ein Begriff für die absolute Einheit unterschiedener Gleichrangiger gefunden wurde. Um die Gedankenbewegung nachvollziehbar zu machen, ist etwas ausführlicher aus den umfangreichen Schriftstücken zu referieren, zunächst aus dem Schreiben der ankyrenischen Synode von 358.79 77 Das sogenannte »datierte Glaubensbekenntnis« ist in griechischer Übersetzung überliefert durch Athan., syn. 8, 3–7 [Werke II/6, 235, 21–236, 15 Opitz]. Konstantius hatte auf die Intervention der Homöusianer hin (Sozom., hist. eccl. IV, 13, 4–6 [156, 5–18 B./H.]) in einem Brief an die Kirche von Antiochien den Ausschluß der »Gottlosigkeit« lehrenden Anhomöer aus dem Klerus verlangt und sich selbst zum κατ᾽ ου᾽σι´αν ο῞μοιος bekannt (Sozom., hist. eccl. IV, 14 [156, 19–157, 28 B./H.]). 78 Das von Basilius von Ankyra verfaßte Synodalschreiben bei Epiphan., haer. 73, 2–11 [268, 30–284, 10 H./D. = Dokument 55 Brennecke u. a., Athan., Werke III/1/4, 386–408], die Denkschrift des Georg von Laodicea ebd. 73, 12–22 [284, 12–295, 32 H./D. = Dokument 58 Brennecke u. a., Athan., Werke III/1/4, 426–444]. Die Urheberschaft der Schreiben ist umstritten. Epiphan., ebd. 73, 1, 8 [268, 28 f. H./D.], nennt als Autor des »einen Briefes« Basilius von Ankyra, »des anderen« Georg von Laodicea zusammen mit Basilius und den Seinen. Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 66, hält Basilius für den Verfasser des Synodalbriefs von 358 und ebenso, neben Georg von Laodicea, »für den Hauptverfasser« der Denkschrift von 359. Löhr, Die Entstehung (wie Anm. 61), 237, Anm. 363, hält es für plausibler anzunehmen, daß Georg und andere den Synodalbrief von 358 verfaßt hätten, Basilius dagegen (allein) die Denkschrift von 359. − Die stilistischen und theologischen Differenzen zwischen dem früheren Synodalbrief und bedeutenden Teilen der Denkschrift erklären sich meines Erachtens besser, wenn man (mit Epiphanius) Georg als Hauptverfasser des Memorandums von 359 betrachtet. Basilius mag die Abschnitte beigesteuert haben, die ihre engsten Parallelen im Synodalbrief besitzen. Die Brüche in der Gedankenführung und Theologie des Textes von 359 sprechen für verschiedene Köpfe.
III. Die Antwort der Homöusianer 358
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Fundament des Glaubens ist der Taufbefehl Jesu, der aufgetragen hat zu taufen – nicht auf den Namen des Unerzeugten und Gezeugten (wovon die Anhomöer reden) –, sondern auf den Namen des Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes. Aus diesen Bezeichnungen ist in Analogie zu den natürlichen Verhältnissen erkennbar, daß »der Vater Urheber einer ihm gleichen ousia ist (αι῎τιον ο῾μοι´ας αυ᾽του῀ ου᾽σι´ας)«.80 Der Gedanke an einen Schöpfer und ein Geschöpf taucht bei diesen Bezeichnungen nicht auf, vielmehr läßt sich aus ihnen ein ›Einheitsbegriff‹, »ein bestimmter einziger Begriff« (μι´αν τινα` . . . ε῎ννοιαν) gewinnen.81 Vater und Sohn sind demnach jeder eine ousia, also zwei ousiai,82 oder, wie es auch vom Logos-Sohn heißt, »fest subsistierend« (υ῾φεστο`ς πα´γιον)83 oder »in fester Hypostase« (ε᾽ν υ῾ποστα´σει παγι´αͺ).84 Sie werden in der »Eigenständigkeit« oder »Besonderheit« ihrer προ´σωπα, ihrer »Personen«, erkannt.85 Das Ursprungsverhältnis begründet jedoch eine Gleichheit, die in einem einzigen Begriff zu erfassen ist. In dem gesamten Schreiben wird von verschiedenen Ansätzen aus um einen solchen »Einheitsbegriff« gerungen, zunächst nochmals vom Zeugungsverhältnis her. Wenn wir nämlich, so heißt es, die Begriffe »Vater« und »Sohn« von allen körperlichen Vorstellungen reinigen, so bleibt allein ein Begriff des Gleichen übrig (ε῎ννοια του῀ ο῾μοι´ου), oder noch genauer: »es bleibt übrig allein die Hervorbringung eines in der ousia gleichen Lebewesens (η῾ ο῾μοι´ου κατ ᾽ ου᾽σι´αν ζω´ͺου γενεσιουργι´α), weil jeder Vater als Vater einer ihm gleichen ousia zu verstehen ist«.86 »In Gleichheit seiner eigenen ousia besitzt der Vater den aus ihm gezeugten Sohn«.87 Worin liegt die »Gleichheit in der ousia« der beiden gleichen ousiai Vater und Sohn? (Mit dieser Frage ist man auf dem Weg zur Differenzierung des Begriffs ousia, der in diesem Schreiben nicht anders als bei Ae¨tius und den meisten Zeit79
Analysen und Kommentare des Synodalbriefs bei: Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 65–89; Dinsen, Homoousios (wie Anm. 17), 136–139; Löhr, Die Entstehung (wie Anm. 61), 63–75, in Auseinandersetzung mit der voraufgehenden Literatur. Ich weiche von den unterschiedlichen Interpretationen des öfteren ab, ohne das jeweils anzuzeigen. Die Frage, inwieweit sich in den Ausführungen der Homöusianer subordinatianische Vorstellungen oder auch nur Tendenzen bemerkbar machen, kann unberücksichtigt bleiben, weil sie für den Gegenstand der Untersuchung hier, die Distinktion des ousiaBegriffs, nicht entscheidend ist. 80 Bei Epiphan., haer. 73, 3, 1–3 [271, 7–18 H./D.]. 81 Ebd. 73, 3, 4. 8 [271, 20 f. 272, 16 f. H./D.]. 82 Das ergibt sich auch aus vielen anderen, zum Teil im weiteren referierten Stellen. 83 Epiphan., haer. 73, 3, 6 [272, 5 H./D.]. 84 Ebd. 73, 8, 2 [278, 12 f. H./D.]; in einem der angehängten Anathematismen (73, 11, 8 [283, 26 H./D.] ) scheint υ῾πο´στασις eher den Vorgang der Realisierung oder »Hypostasierung« des Eingeborenen aus dem Vater zu bezeichnen. Die ousia des Sohnes wird 73, 4, 2 ῀ͺον, Lebewesen, bezeichnet. [273, 2 f. H./D.] als ζω 85 Ebd. 73, 11, 5 [283, 13 f. H./D.]; τη`ν . . . ι᾽διο´τητα τω ῀ ν προσω´πων πατρο`ς με`ν και` υι῾ου῀. 86 Ebd. 73, 4, 1 f. [272, 18–273, 3 H./D.] 87 Ebd. 73, 5, 4 [274, 29–275, 1 H./D.].
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genossen sowohl die Wesenheit eines Existierenden als auch die reale Existenz bezeichnet.) Die »Gleichheit in der ousia« ist inhaltlich: sie wird bestimmt als Weisheit, Leben, Gottheit und deren Eigentümlichkeiten. Zugleich mit der Erarbeitung dieser inhaltlichen Bestimmungen wird immer deutlicher formuliert, worin die ousiai von Vater und Sohn sich nicht gleichen (worin also ihre persönliche Besonderheit besteht). Aus dem weisen Vater entspringt der Sohn als Weisheit (σοφι´α), die dem Weisen in der ousia gleich ist.88 Das wird erläutert: Der weise Gott, weise nicht durch Teilhabe an Weisheit, sondern unzusammengesetzt weise, ist als Weisheit ousia. Der Sohn ist nicht die Weisheit, aus der er stammt, sondern die Weisheit, die als ousia aus der ousia des Weisen ist. Das bedeutet, daß die Weisheit-ousia, als die der Sohn die Subsistenz gewann, gleich ist der ousia des weisen Vaters, von dem her der Sohn als Weisheit die Subsistenz gewann.89 Was hier in mühsamem Ringen und deswegen schwer verständlich ausgedrückt werden soll, erhält von den folgenden Ausführungen her mehr Licht. Das Ursprungsverhältnis (Vater-Sohn) begründet Gleichheit und Unterschiedlichkeit der ousiai von Vater und Sohn. Der Sohn ist absolute göttliche Weisheit wie der Vater, aber nicht als der Vater, sondern als der, der aus dem Vater ist. Wie Gleichheit in der göttlichen Weisheit, so besteht zwischen Vater und Sohn auch Gleichheit im göttlichen Leben. Der Vater ist das Leben selbst, »unzusammengesetzt«, das heißt einfachhin, in absoluter Weise, und so wie er es ist und hat, gab er es (nach Joh 5, 26) dem Sohn zum Besitz: »unzusammengesetzt«, auf absolute Weise. So hat der Sohn alles der ousia nach gleich und unzusammengesetzt wie der Vater, aber er hat es nicht unerzeugt (μη` α᾽γεννη´τως), wie es der Vater hat; denn es ist klar, daß die »Gleichheit (το` ο῞μοιον) niemals Identität (ταυ᾽το`ν) mit dem bedeutet, zu dem die Gleichheit besteht«.90 Die Gleichheit in der ousia führt also nicht etwa zur Identität der Personen oder ousiai des Vaters und Sohnes. Das wird weiter erläutert und bekräftigt: Der Sohn besitzt, weil als Sohn Gottes und »in der Gestalt Gottes« und »Gott gleich« existierend (Phil 2, 6), »die Eigentümlichkeiten der Gottheit« (τα` ι᾽διω´ματα . . . τη ῀ ς ϑεο´τητος), er ist dem Vater der ousia nach gleich in der Gottheit, Unkörperlichkeit und den Energien; aber er ist mit dem Vater nicht identisch, weil er die Gottheit nicht aus sich (ου῎τε αυ᾽ϑεντικω ῀ ς) hat, also nicht so wie sie der Vater hat.91 88
Ebd. 73, 6, 7 [276, 16 f. H./D.]. Ebd. 73, 6, 8 [276, 17–22 H./D.]. Der Text ist hier auch nach den von Holl angebrachten Konjekturen kaum völlig in Ordnung. Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 74 f., folgt zum Teil den alten Konjekturen des Petavius. Die Aussageabsicht läßt sich trotz der unvollkommenen Textlage mit einiger Sicherheit erkennen. 90 Bei Epiphan., haer. 73, 8, 6–8 [278, 27–279, 8 H./D.]; vgl. 73, 10, 9 [282, 6–9 H./D.]: »Denn es ist offenbar, daß, weil das Leben, das im Vater erkannt wird, (eine) ousia bedeutet und das Leben des Eingeborenen, das aus dem Vater gezeugt wird, (eine) ousia bedeutet, das ›so‹ (aus Joh 6, 57) die Gleichheit der ousia mit der ousia bezeichnet.« 91 Ebd. 73, 9, 4 f. [279, 27–280, 3 H./D.] Ich übergehe hier das Beispiel (die Nichtiden89
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Dem Verfasser ist der Begriff der Gleichheit, mit dem er die Übereinkunft von Vater und Sohn in der ousia, oder wie jetzt auch gesagt wird: in der Natur (κατα` φυ´σιν), zu fassen sucht, außerordentlich wichtig, denn »der Begriff der Gleichheit führt den Sohn nicht zur Identität mit dem Vater, sondern zur Gleichheit in der ousia«.92 Und nochmals: »Der dem zeugenden Vater in der ousia gleich gewordene Sohn bringt seine ousia nicht zur Identität mit dem Vater, sondern zur Gleichheit«.93 Das Wort ousia bezeichnet hier an der zweiten Stelle die Person oder Hypostase des Sohnes, an der ersten Stelle aber den Wesensgehalt oder sein Wesen. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Parallelität, in der das Wort zu der kurz zuvor genannten »ousia des Fleisches« (scil. des Menschen) steht,94 womit nicht ein konkreter Mensch, sondern eben nur dessen fleischliches oder menschliches Wesen gemeint sein kann. Der Begriffsunterschied wird aber nicht aufgedeckt und definiert. Die angehängten (wechselweise gegen Markell von Ankyra und die Anhomöer gerichteten Anathemata) bringen keinen Fortschritt in der Begriffsfindung. Zu vermerken ist noch, daß das nizänische ο῾μοου´σιον als ein ταυ᾽τοου´σιον abgelehnt wird.95 Es hebt die Eigenständigkeit der ousia des Vaters und (der ousia) des Sohnes auf. Dieses Anathem ist eine Konsequenz dessen, daß die beiden Bedeutungen, in denen das Wort ousia im Schreiben benutzt wird, nicht reflektiert und nicht ausdrücklich gemacht werden. Im Hinblick auf die spätere Begriffsentwicklung läßt sich festhalten: Vater und Sohn – der Geist wird in den Erörterungen übergangen – sind zwei ousiai, zwei Hypostasen oder zwei Personen (prosopa), zwischen denen die (durch das Ursprungsverhältnis begründete) Gleichheit in der ousia besteht. Diese Gleichheit betrifft alles, was das Gottsein ausmacht: Gottheit, Weisheit, Leben und alle Eigentümlichkeiten und Energien der Gottheit.
tität des vom Sohne in der Inkarnation angenommenen jungfräulich geborenen und unsündigen menschlichen Fleisches mit dem gemeinen menschlichen Fleisch), mit Hilfe dessen in 73, 9 Nichtidentität und Gleichheit in der ousia illustriert werden. Es ist unglücklich gewählt und angewendet, insofern es dem Verfasser nicht gelingt, in seinem Gedankengang zwischen den Kriterien, mit denen die Nichtidentität der real Existierenden (Personen) und die Nichtidentität des ›Wesensgehaltes‹ der Existierenden festgestellt wird, zu trennen. (Aus diesem Fehler ergibt sich meines Erachtens auch jene Auslegung von Phil 2, 6 [῎ισα θεω ῀ͺ] in 73, 9, 5, aus der eine seinsmäßige Inferiorität des Sohnes herausgelesen werden kann.) Dieser Abschnitt zeigt eindringlich, wie mühsam die Begriffsfindung war. Das obige Referat ist geglättet, insofern die Inkonzinnitäten, die sich aus der Anwendung des Beispiels ergeben, nicht berücksichtigt sind. Dennoch glaube ich die Aussageabsicht des Verfassers nicht verfehlt zu haben. 92 Bei Epiphan., haer. 73, 9, 6 [280, 13–15 H./D.]: τη῀ς ο῾μοι´ου ε᾽ννοι´ας ου᾽κ ε᾽πι` τη`ν ταυτο´τητα του῀ πατρο`ς α᾽γου´σης το`ν υι῾ο´ν, α᾽λλ᾽ ε᾽πι` τη`ν κατ᾽ ου᾽σι´αν ο῾μοιο´τητα. 93 Ebd. 73, 9, 7 [280, 18–20 H./D.]: . . . ου῞τως ου᾽δε` ο῾ υι῾ο`ς ο῞μοιος κατ᾽ ου᾽σι´αν γενο´μενος τω ῀ͺ γεννη´σαντι πατρι` ει᾽ς ταυτο´τητα α῎ξει του῀ πατρο`ς τη`ν ε῾αυτου῀ ου᾽σι´αν, α᾽λλ᾽ ε᾽πι` τη`ν ο῾μοιο´τητα. 94 Ebd. 73, 9, 7 [280, 18 H./D.]: τη`ν τη῀ς σαρκο`ς ου᾽σι´ας ο῾μοιο´τητα. 95
Ebd. 73, 11, 10 [284, 5 H./D.].
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Nach diesen Bestimmungen bezeichnet ousia in dem homöusianischen Stichwort »Gleichheit in der ousia« (ο῾μοιο´της κατ ᾽ ου᾽σι´αν) das Wesen oder die Wesenheit eines Existierenden (auch wenn das in den Formulierungen nicht immer klar zum Ausdruck kommt). Die (durch das Ursprungsverhältnis begründete) Unterschiedenheit der ousiai oder hypostaseis oder prosopa von Vater und Sohn, die verhindert, daß Vater und Sohn in Identität zusammenfallen, liegt (einzig) in der Art und Weise, wie in Vater und Sohn das Gottsein verwirklicht ist: im Vater unverursacht (α᾽γεννη´ τως) und selbstursprünglich (αυ᾽θεντικω ῀ ς), im gezeugten Sohn nicht unverursacht und nicht ursprünglich. Das Wort ousia steht hier, wenn es so wie prosopon und hypostasis verwendet wird, nicht für die Wesenheit, sondern für die eigenständige Wirklichkeit von Vater und Sohn, die durch den modus existendi gekennzeichnet ist. Die zweifache Bedeutung von ousia wird im Schreiben von 358 nicht erörtert. Bei der Beurteilung der (insgesamt klareren) Denkschrift des Georg von Laodicea sind die besonderen Umstände zu berücksichtigen, unter denen sie entstanden ist. Er hat sie nach der neuerlichen Verdammung des Begriffs ousia durch die sirmische Glaubensformel vom 22. Mai 359 geschrieben, um zu beweisen, daß man, auch ohne dieses Wort zu gebrauchen, den Anhomöern widersprechen und der katholischen, das heißt: der homöusianischen Gotteslehre Ausdruck verleihen kann. Deswegen wirken manche seiner Formulierungen gezwungen; man darf ihn nicht in jedem Fall strikt »beim Wort« nehmen und nicht als Definitionen werten, was sozusagen versuchsweise niedergeschrieben wurde. Dennoch erkennt man in einigen hier wichtigen Punkten eine Präzisierung über den im früheren Synodalschreiben erkennbaren Stand hinaus.96 Das zeigt sich schon im Ansatz: Das Fundament des wahren Gottesglaubens wird wie im Synodalschreiben des Basilius im Taufbefehl Jesu (Mt 28, 19) gesehen;97 aber hier wird im Unterschied zu dem Text von 358 der Hl. Geist – wenigstens stellenweise – in die theologischen Überlegungen einbezogen, also tatsächlich trinitätstheologisch gedacht. Vater, Sohn und Hl. Geist werden als prosopa bezeichnet,98 ebenso als (drei) hypostaseis, und es heißt, daß dieser Begriff die prosopa in ihrer real subsistierenden und existierenden Eigenständigkeit kenntlich machen soll.99 Aus den Darlegungen am Anfang des Schreibens ergibt sich, daß in diesem Sinne auch der Begriff ousia benützt würde (wenn es nicht verboten wäre). Denn wenn der 96 Zur Denkschrift des Georg von Laodicea vgl.: Gummerus, Die homöusianische Partei (wie Anm. 61), 121–134; Dinsen, Homoousios (wie Anm. 17), 142–144; Löhr, Die Entstehung (wie Anm. 61), 142–148. 97 Bei Epiphan., haer. 73, 16, 6 [289, 16 f. H./D.]. 98 Ebd. 73, 14, 3 [286, 23 H./D.]; 73, 16, 1. 2. 4 [288, 22. 29. 289, 2 f. H./D.]. 99 Ebd. 73, 16, 1 [288, 20 f. H./D.]: δια` του῀το γα`ρ υ῾ποστα´σεις οι῾ α᾽νατολικοι` λε´γουσιν, ῞ινα τα`ς ι᾽διο´τητας τω ῀ ν προσω´πων υ῾φεστω´σας και` υ῾παρχου´σας γνωρι´σωσιν. Ähnlich 73, 16, 2. 4 [288 f. H./D.].
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Sohn von den Vätern (die Paulus von Samosata verurteilt haben) eine ousia genannt wird, dann soll das zeigen, daß er »eine hypostasis hat und existent ist und seiend ist und nicht etwa bloß ein Wort ist«.100 Die Gleichheit in allem, die eine Gleichheit der Natur ist und keine Unterschiede kennt (das wird jedenfalls von Vater und Sohn gesagt101), erweist sich in der einzigen Gottheit, die alles durch den Sohn im Hl. Geist umfaßt, in der einzigen Königsherrschaft und darin, daß es nur ein Prinzip (μι´αν α᾽ρχη´ν) gibt. Die Unterschiedenheit der prosopa oder hypostaseis zeigt sich in ihrer jeweils besonderen Weise der Subsistenz.102 Das wird aufgezeigt an »Geist« und »Wahrheit«. Vater, Sohn und Hl. Geist sind jeder Geist und Wahrheit, der Vater aber »in väterlicher Selbstursprünglichkeit (αυ᾽ϑεντι´αͺ) subsistierend«, der Sohn »aus dem Vater« subsistierend und der Hl. Geist »aus dem Vater durch den Sohn subsistierend«.103 Die Übereinstimmung im Geistsein (das heißt im Gottsein) wird jetzt sogar Identität (ταυ᾽το´ν) genannt,104 die Unterschiedenheit der prosopa oder hypostaseis – inkonsequenterweise als Gleichheit (oder Ähnlichkeit?, ο῞μοιον) bezeichnet105 – wird allein in den modus existendi gelegt.106 Von der späteren Entwicklung her gesehen, brauchte man nur für das ταυ᾽το´ν, das identische göttliche Sein, den Ausdruck ousia zu reservieren, für die drei Weisen der »Realisierung« das Wort hypostasis (oder prosopon), um die trinitarische Formel zu erhalten. Aber das geschieht nicht; nicht nur nicht, weil der Gebrauch des Wortes ousia untersagt war, sondern weil ousia ausdrücklich mit hypostasis in eins gesetzt, also reflex nur in der Bedeutung: »real Existierendes« erfaßt wird, nicht aber auch in der Bedeutung »Wesenheit«, obwohl dem Verfasser der Denkschrift diese zweite Bedeutung durchaus erkennbar sein mußte, da es in dem von ihm erwähnten und in der ganzen Schrift bekämpften ε῾τεροου´σιον und α᾽νο´μοιον κατ ᾽ ου᾽σι´αν der Anhomöer und ebenso in dem entgegengestellten ο῞μοιον κατ ᾽ ου᾽σι´αν107 (nicht um die von Anhomöern wie Homöusianern als selbstverständlich angenommene dreifache Subsistenz), sondern um das göttliche ›Wesen‹ geht. Dafür aber gebraucht Georg von Laodicea den Begriff des ταυ᾽το´ν, der Identität.108 Wollte man ihm eine trinitarische Formel 100
Ebd. 73, 12, 3 [285, 5 f. H./D.]; vgl. 73, 12, 8 [285, 28 H./D.]: ταυ´την ου῏ν τη`ν υ῾πο´-
στασιν ου᾽σι´αν ε᾽κα´λεσαν οι῾ πατε´ρες.
101 Ebd. 73, 18, 6–7; 73, 19, 5; 73, 20, 1 [291 f. H./D.]; eine διαφορα` ο῾μοιο´τητος wird abgelehnt in 73, 22, 3 [294, 27 f. H./D.]. 102 Ebd. 73, 16, 3–4 [288, 32–289, 3 H./D.]. 103 Ebd. 73, 16, 2. 4–6 [288, 22–289, 17 H./D.], Später wird aufgefüllt: Die physische Gleichheit des Sohnes mit dem Vater betrifft das Gottsein (73, 18, 6 [291, 9 f. H./D.] ), Leben, Licht, Wahrsein, Weisheit, Energie und Willen, das ganze Sein, Subsistieren und Existieren (73, 18, 8 [291, 20–23 H./D.] ). 104 Ebd. 73, 17, 5; 73, 18, 1. 5 [290 f. H./D.]. 105 Ebd. 73, 17, 5–18, 5 [290 f. H./D.]. 106 Ebd. 73, 16, 4; 73, 17, 5; 73, 18, 1. 4. 5 [289–291 H./D.]. 107 Vgl. ebd. 73, 21, 2–8 [293 f. H./D.]. 108 Ich vermute, kann darauf aber hier nicht eingehen, daß Georg von Laodicea den Begriff
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zuschreiben, so könnte sie lauten: Vater, Sohn und Hl. Geist sind drei ousiai oder prosopa oder hypostaseis in einer göttlichen Identität. Das ist von dem, was der von den Homöusianern her kommende Basilius von Caesarea wenige Jahre später sagen kann, inhaltlich kaum noch entfernt. Warum die terminologische »Klärung« dann noch so viel Arbeit erfordern sollte, wird zu erörtern sein.
IV. Die Distinktion von ousia und hypostasis (und damit die trinitarische Formel eine ousia, drei hypostaseis) ist in den homöusianischen Texten von 358 und 359 nicht gegeben. Ist sie in der Glaubenserklärung der Meletianer, die Athanasius im sogenannten Tomus ad Antiochenos wahrscheinlich im Frühjahr 362 niedergelegt hat,109 vorausgesetzt, wie Luise Abramowski zu zeigen versuchte?110 Athanasius schreibt, man habe in den Verhandlungen, die zur gegenseitigen Anerkennung der nizänisch gesinnten Vertreter einer Drei-Hypostasen-Lehre und einer Ein-Hypostasen-Lehre führen sollten, (die Meletianer) gefragt, ob die »drei hypostaseis« etwa im arianischen Sinne zu verstehen seien: als solche, die einander gänzlich fremd sind und ein voneinander verschiedenes Wesen haben (α᾽λλοτριοουσι´ους α᾽λλη´λων), getrennt für sich subsistierend, wie die Geschöpfe111 oder wie verschiedene ousiai, z.B. Gold, Silber, Bronze, so daß die drei der Identität (den Basilius von Ankyra entschieden zurückweist, ebenso später noch Basilius von Caesarea) von seinem ehemaligen Presbyter Apolinarius aufgenommen hat. Mag er ihn wegen dessen Freundschaft mit Athanasius auch aus dem Klerus ausgeschlossen haben, die geistige Kapazität des Apolinarius muß ihn (wie andere Zeitgenossen) beeindruckt haben, so daß er dessen Werke, auch schon wegen der gemeinsamen Gegnerschaft zu Markell von Ankyra und dessen Schüler Photin, gelesen haben wird. Die Gegnerschaft zu Markell und Photin verband aber auch den Basilius von Ankyra mit Apolinarius. So erklärt sich vielleicht, daß es in dem von ihm verfaßten (zumindest redigierten) Synodalschreiben von 358, aber noch mehr in der Denkschrift des Georg von Laodicea eine auffallend große Zahl von theologischen Begriffen und Argumenten gibt, die zum großen Teil zuerst in den gesicherten und ungesicherten Apolinaristica zu finden sind. Der Begriff der Identität im göttlichen Wesen gehört dazu. – Es wird keine zutreffende Theologiegeschichte des vierten Jahrhunderts geben, solange die mit den Apolinaristica aufgebenen Aufgaben nicht bewältigt sind. 109 Zu den historischen und theologischen Fragen des Tomus siehe: M. Tetz, Über nikäische Orthodoxie. Der sog. Tomus ad Antiochenos des Athanasios von Alexandrien, ZNW 66, 1975, 194–222; erneut in: Ders., Athanasiana. Zu Leben und Lehre des Athanasius, hg. von W. Geerlings/D. Wyrwa, BZNW 78, Berlin/New York 1995, 107–134. 110 Siehe oben bei Anm. 12; grundsätzlich zustimmend: Brennecke, Neunizänismus (wie Anm. 3), 244 f. 248; Ulrich, Rezeption des Nizänums (wie Anm. 19), 68. 255 f. 258; Markschies, »Neunizänismus« (wie Anm. 35), 77 [bzw. 242 f.]. Eine gegenteilige Einschätzung der meletianischen Theologie in diesem Punkte zeigt: Bergjan, Theodoret (wie Anm. 3), 28–31. 111 Athan., tom. ad Ant. 5, 3 (PG 26, 801 A [Werke II/8, 344, 15–345, 2 Brennecke/Heil/ v. Stockhausen] ): α᾽πηλλοτριωμε´νας και` α᾽πεξενωμε´νας, α᾽λλοτριοουσι´ους τε α᾽λλη´λων και`
IV. Ousia und hypostastis im Tomus ad Antiochenos des Athanasius
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hypostaseis wie bei den Häretikern als drei Prinzipien (α᾽ρχα´ς) und drei Götter gelten müssten.112 Die Antwort der Meletianer, so wie sie Athanasius formuliert hat, lautet: Sie redeten von drei hypostaseis, um die wahre Seiendheit, Subsistenz und Existenz von Vater, Sohn und Hl. Geist zum Ausdruck zu bringen.113 Sie bekennten eine heilige Trias, eine Gottheit und ein Prinzip, und daß der Sohn mit dem Vater homoousios sei, wie die Väter (von Nicaea) erklärt haben, der Hl. Geist aber nicht ein Geschöpf sei und auch nicht fremd, sondern zugehörig zu und ungetrennt von der ousia des Sohnes und des Vaters.114 Die Einheit der drei hypostaseis liege nach diesem Bekenntnis in der einen Gottheit, und die (im letzten Halbsatz genannte) ousia ist die eine Gottheit, interpretiert Luise Abramowski mit Recht.115 Aber bezeichnet ousia hier – ausschließlich – das »Wesen«, so daß man sagen muß, daß »ousia und hypostasis im trinitarischen Gebrauch . . . nicht mehr zusammenfallen«?116 Das wäre noch zu beweisen, denn ausgesprochen ist es nicht. Es macht aber, wie aus der Erörterung der homöusianischen Schriften erhellt, einen Unterschied, ob ousia in der Bedeutung von »Wesen«, »Wesensinhalt« gebraucht wird, oder ob es ausdrücklich nur in diesem Sinne gebraucht wird, die zweite mit hypostasis übereinkommende Bedeutung der realen Subsistenz also ausgeschieden wird. Nur mit dieser ausdrücklichen Distinktion ist die Formel gewonnen. Zunächst ist festzuhalten, daß es Athanasius ist, der die Fragen und Antworten formuliert. Selbst wenn er »genau protokolliert« hat117 – wie wollte man ausschließen, daß sein Sprachgebrauch in der Formulierung der Antwort der Meletianer durchschlägt? Gerade der letzte Satz des meletianischen Bekenntnisses (für den Luise Abramowski selbst »athanasianische[n] Stil« festgestellt hat118): der Hl. Geist sei nicht ein Geschöpf, nicht fremd, sondern zugehörig zu und ungetrennt von der ousia des Sohnes und des Vaters, ähnelt in den Vokabeln nicht nur der von Athanasius gestellten, oben referierten Frage; er hat auch an einer Stelle wenig zuvor eine enge Parallele, wo es heißt, daß die zu anathematisieren seien, »die sagen, der Hl. Geist sei ein Geschöpf und getrennt von der ousia Christi (διηρημε ͺ ´ νον ε᾽κ τη ῀ ς ου᾽σι´ας του῀ Χριστου῀)«.119 Hier bezeichnet ε῾κα´στην καϑ᾽ ε῾αυτη`ν υ῾πο´στασιν διηρημε ͺ ´ νην, ω῾ς ε῎στι τα´ τε α῎λλα κτι´σματα και` οι῾ ε᾽ξ α᾽νϑρω´πων γεννω´μενοι. 112
Ebd. PG 26, 801 A [Werke II/8, 345, 2–5 B./H./S.]. Ebd. 5, 4 (PG 26, 801 B [Werke II/8, 345, 5–14 B./H./S.]: ω῎ν, υ῾φεστω´ς, ε᾽νου´σιος, υ῾πα´ρχων werden offensichtlich gleichbedeutend verwendet; anders Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 43. 114 Ebd. 801 B [Werke II/8, 345, 11–14 B./H./S.]: α᾽λλ᾽ ει᾽δε´ναι α῾γι´αν με`ν τρια´δα, μι´αν δε` 113
ϑεο´τητα και` μι´αν α᾽ρχη`ν και` υι῾ο`ν με`ν ο῾μοου´σιον τω ῀ͺ πατρι´, ω῾ς ει῏πον οι῾ πατε´ρες, το` δε` α῞γιον πνευ῀μα ου᾽ κτι´σμα ου᾽δε` ξε´νον, α᾽λλ᾽ ῎ιδιον και` α᾽διαι´ρετον τη ῀ ς ου᾽σι´ας του῀ υι῾ου῀ και` του῀ πατρο´ς.
Der letzte Halbsatz der Übersetzung nach Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 43. 115 Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 43. 116 Ebd. 43. 117 Tetz, Über nikäische Orthodoxie (wie Anm. 109), 205. 118 Abramowski, Hypostasenformeln (wie Anm. 12), 43, Anm. 22. 119 Athan., tom. ad Ant. 3, 1 (PG 26, 800 A [Werke II/8, 343, 1–3 B./H./S.]). Zum
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Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea
ousia doch zweifellos nicht nur das »Wesen«, sondern auch den real Existierenden, entspricht also auch der Bedeutung von hypostasis, wie das von Athanasius bekannt ist, wie es in dem Beispiel der ousiai von Gold, Silber und Bronze in der athanasianischen Frage zum Ausdruck kommt und ebenso in der dem meletianischen Bekenntnis folgenden Erklärung der Vertreter der Ein-Hypostasen-Lehre, der Eustathianer von Antiochien, die von einer Gottheit, der einzigen Natur dieser Gottheit, einer hypostasis und einer ousia reden.120 Der Begriff ousia hat in der meletianischen Antwort – wie in der Frage des Athanasius – gewiß auch die Bedeutung »Wesen«, »Wesensinhalt«,121 aber davon ungeschieden zugleich die der konkreten Existenz, die vordringlich mit hypostasis ausgedrückt wird; das heißt aber, daß die Differenzierung der Begriffe nicht vorliegt. Bestätigt wird dieser Befund dadurch, daß in dem ein Jahr später, etwa Herbst 363, an Kaiser Jovian gerichteten Synodalschreiben des Meletius und seiner Mitunterzeichner122 das nizänische homoousios im Sinne des ο῞μοιος κατ ᾽ ου᾽σι´αν interpretiert wird, von einer Begriffsdifferenzierung aber nichts zu erkennen ist. Die Bemerkung, daß das Wort ousia von den Vätern nicht in »irgendeiner hellenischen« Bedeutung, sondern nur zur Abwehr der arianischen Behauptung, der Sohn sei aus dem Nichts, verwendet werde, zeigt meines Erachtens, daß im Kreis um Meletius die Voraussetzungen, sich um eine Definition der Begriffe zu bemühen, kaum gegeben waren. In keinem der bisher diskutierten Texte ließ sich eine Reflexion über den ousia-Begriff und seine Bedeutung in der Gotteslehre feststellen; nirgendwo fand sich die ausdrückliche Differenzierung von ousia und hypostasis. Obwohl in der homöusianischen Denkschrift von 359 die Einheit der trinitarischen Personen oder Hypostasen bereits in der Identität des gesamten göttlichen Seins und Handelns gesehen wird, ihre Unterschiedenheit dagegen allein im modus existendi, erfolgt eine die spätere trinitarische Formel charakterisierende Begriffsdefinition nicht.
Vergleich sei wenigstens ein Text aus der zeitnahen Ep. ad Serapionem IV, 3 f. (PG 26, 641 BC [Werke I/1/4, 570, 27–32. 571, 2 f. Savvidis, dort als ep. ad Serap. III, 3 f. gezählt]) zitiert: και` γα`ρ ο῾ υι῾ο`ς ῎ιδιον τη῀ς ου᾽σι´ας και` τη῀ς φυ´σεως του῀ πατρο´ς ε᾽στι γε´ννημα . . . και` το`
πνευ῀μα δε` λεγο´μενον του῀ ϑεου῀ και` ε᾽ν αυ᾽τω ῀ͺ ο῎ν, ου᾽ ξε´νον ε᾽στι` τη ῀ ς του῀ υι῾ου῀ φυ´σεως, ου῎τε τη ῀ς του῀ πατρο`ς ϑεο´τητος. δια` του῀το γα`ρ ε᾽ν τρια´δι . . . μι´α ϑεο´της ε᾽στι` κτλ. (4) Ου῞τως ου᾽κ ε῎στι κτι´σμα το` πνευ῀μα, α᾽λλ᾽ ῎ιδιον τη ῀ ς του῀ λο´γου ου᾽σι´ας, ῎ιδιον και` του῀ ϑεου῀ κτλ. 120
Vgl. Athan., tom. ad Ant. 5 (801 A) und 6 (801 C) [Werke II/8, 344–346 B./H./S.]. Das ergibt sich aus dem angeführten Beispiel von Gold, Silber und Bronze und den Begriffen α᾽λλοτριοου´σιος 5, 3 (801 A [Werke I/1/4, 344, 15–345, 1 B./H./S.]) und ο῾μοου´σιος 5, 4 (801 B [ebd. 345, 12]). 122 Das kurze Synodalschreiben der meletianischen Synode überliefern: Socr., hist. eccl. III, 25, 10–18 [GCS NF 1, 226 f. Hansen]; Sozom., hist. eccl. VI, 4, 7–10 [GCS NF 4, 241 f. B./H.]. 121
V. Ousia und hypostasis bei Apolinarius
315
V.
148
Wie steht es mit Apolinarius von Laodicea? Dazu wird sich, wie schon bemerkt, wegen der weitgehend ungeklärten Überlieferungslage nicht viel Weiterführendes sagen lassen. Man kann bisher noch auf keinen anerkanntermaßen von ihm stammenden Text verweisen, in dem sich die Genese seiner trinitarischen Formel: eine einzige ousia, drei prosopa verfolgen ließe.123 Die Rede von drei * hypostaseis gibt es bei ihm, wenn man von zwei nicht ganz sicheren und nicht sicher datierbaren Texten absieht, wenigstens bis ca. 360–362 nicht. Das Wort hypostasis bezeichnet für ihn die eine Gottheit oder göttliche ousia, welche die des Vaters ist und aus der die prosopa des Sohnes und des Geistes hervorgehen. Das ergibt sich noch deutlich aus seinem in die Jahre 360–362 datierbaren Antwortbrief auf eine Anfrage des Basilius von Caesarea.124 Nicht übergangen werden dürfen jedoch die schon erwähnten, aber noch nicht allgemein als Apolinarius-Texte anerkannten Bücher Contra Arianos IV (aus der Zeit um 340)125 und Adversus Eunomium IV-V (aus der Zeit um 360/363)126, weil in ihnen die Bestimmung der Einheit und Dreiheit der göttlichen Personen in einer methodischen Weise erfolgt, wie sie ähnlich in den besprochenen homöusianischen Schriften und dann in erstaunlicher Übereinstimmung bei Basilius von Caesarea zu finden ist. Obwohl in Contra Arianos IV der eine Gott oder die einzige Gottheit als eine einzige ousia und hypostasis gilt,127 wird doch (gegen Markell) mit Vehemenz die eigene Subsistenz des Logos-Sohnes ausgesagt.128 Das homoousion bedeutet, daß Vater und Sohn zwei in der einzigen Gottheit sind.129 Die Zweiheit von Vater und Sohn ist im Ursprungsverhältnis begründet: Zeugender und Gezeugter sind zwei, »denn eines ist das, welches aus jemandem ist, und ein anderes das, aus welchem etwas ist«.130 Mit diesen Überlegungen befindet sich der Au tor auf 149 dem Weg, auf dem die Eigentümlichkeiten der trinitarischen Personen in ihrem τρο´πος υ῾πα´ρξεως (modus existendi ), also in der je besonderen Weise des Subsi123
Zur Trinitätstheologie des Apolinarius vgl.: E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, FKDG 23, Göttingen 1969, 234–237; Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 229–249, mit den Belegen für die obigen Ausführungen. 124 Unter den Briefen des Basilius Nr. 362; dazu: Simonetti, La crisi (wie Anm. 20), 408, Anm. 19. 512; Hübner, Die Schrift des Apolinarius (wie Anm. 10), 236 f.; H. J. Vogt, Zum Briefwechsel zwischen Basilius und Apollinaris. Übersetzung der Briefe mit Kommentar, ThQ 175, 1995, 46–60, hier 50–52. 125 Vinzent, Ps-Athanasius (wie Anm. 18), 86. 126 Risch, Adversus Eunomium IV-V (wie Anm. 38), 17 f.; Adv. Eunom. IV wird 360, Buch V 362/3 angesetzt. 127 Ps-Athan., c. Arian. IV, 1 (PG 26, 468 C): ει῟ς ϑεο´ς . . . η῾ τω ῀ͺ ο῎ντι και` α᾽ληϑω ῀ ς και` ο῎ντως ου῏σα ου᾽σι´α και` υ῾πο´στασις μι´α ε᾽στι´ν. Vgl. ebd. 3 (472 B): gegen eine δυα´δα ου᾽σι´ας. Zur Gotteslehre des Autors ausführlich: Vinzent, Ps-Athanasius (wie Anm. 18), 89–128. 128 Ps-Athan., c. Arian. IV, 1 (PG 26, 469 A), zitiert Anm. 17. 129 Ebd. 9 (480 AB). 130 Ebd. 3 (472 A): α῎λλο α῍ν ει῎η το` ε῎κ τινος και` α῎λλο το` ε᾽ξ ου῟ ε᾽στι· κατα` του῀το α῎ρα δυ´ο.
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Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea
stenzgewinns, gesucht werden. Das geschieht dann in Adversus Eunomium IV, und hier deutlich in Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff des Ae¨tius und Eunomius, die in der agennesia, der Unerzeugtheit, die ousia Gottes zu fassen meinten. Da heißt es: »Wenn jemand, indem er den Vater ungezeugt und den Sohn gezeugt nennt, die ousiai bezeichnet hat, wie wird jemand, wenn er ihre Daseinsweise (το`ν τρο´πον τη῀ς υ῾πα´ρξεως αυ᾽τω ῀ ν) nennen will, sie anders als so nennen können? Daseinsweise also (υ῾πα´ρξεως ου῏ν τρο´πος) ist das Ungezeugt und nicht Begriff einer ousia. Wenn dasjenige, was das Dasein des Seins (τη`ν υ῞παρξιν του῀ ει῏ναι) verschieden hat, auch die ousia verschieden hat, sind auch die Menschen nicht homoousioi. Ein anderes nämlich ist das Dasein (υ῞παρξις) des ›aus Erde‹ (1 Kor 15, 47) geformten Adam, ein anderes der aus einer Rippe entstandenen Eva, ein anderes des Abel, denn er ist aus dem Beischlaf; ein anderes aber dessen, der aus Maria, der alleinigen Jungfrau, ist«.131
Wenn diese Texte ca. 360 geschrieben sind und von Apolinarius stammen, wofür man die besten Argumente beibringen kann,132 dann hat der Laodicener dem etwas später schreibenden Basilius bei der Geburt der trinitarischen Formel Hebammendienste geleistet. Das wird im folgenden deutlich werden.
VI.
150
Basilius von Caesarea ist von Haus aus Homöusianer.133 Er hat zunächst ihm unüberwindlich erscheinende Schwierigkeiten, eine akzeptable Interpretation des homoousios von Nicaea zu finden. Er bekennt sich, selbst als er das »richtig verstandene« homoousios akzeptiert hat, immer noch zur homöusianischen Formel: Vater und Sohn sind der ousia nach unterschiedslos gleich. Wie die Homöusianer (aber auch Homöer und Anhomöer) zählt er drei hypostaseis oder ousiai in der Trinität. Das gilt auch noch für seine Bücher gegen Eunomius, die wohl in den Jahren 362–364 entstanden sind.134 Obwohl er hier die Differenz zwischen ousia und hypostasis definiert, behält er doch weitgehend seine gewohnte Begrifflichkeit bei. Diese terminologische Inkonsequenz ist ein Zei131 Ps-Basil., adv. Eunom. IV (PG 29, 681 AB); Übersetzung nach Risch, Adversus Eunomium IV-V (wie Anm. 38), 57, Nr. 32 f.; vgl. adv. Eunom. IV (680 A); dazu: Risch, ebd. 29–35 und 129 f. 132 Vgl. Risch, ebd. 3–12, zur Verfasserfrage mit einer Zusammenstellung der Gründe, die auf Apolinarius weisen. 133 Zum Folgenden siehe: R. M. Hübner, Basilius von Caesarea und das homoousios, in: L. R. Wickham/C. P. Bammel (Hg.), Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity. Essays in Tribute to George Christopher Stead, Leiden 1993, 70–91 [jetzt erneut unten S. 361–378], mit den Belegen für die folgenden Ausführungen. 134 Zur Datierung der Bücher gegen Eunomius vgl.: P. J. Fedwick, A Chronology of the Life and Works of Basil of Caesarea, in ders., Basil of Caesarea I (wie Anm. 25), 3–19, hier 10: vor Herbst 364; J. Gribomont, Notes biographiques sur s. Basile le Grand, ebd. 21–48, hier 38: Abfassung, vielleicht auch Veröffentlichung 364; Pouchet, Basile le Grand (wie Anm. 10), 135 f.: 363–365.
VI. Ousia und hypostasis bei Basilius
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chen dafür, daß die Unterscheidung von ousia und hypostaseis nicht das sich von selbst ergebende Resultat seiner philosophischen Voraussetzungen ist, sondern eher im Widerspruch zu ihnen durch den konkreten Angriff des Eunomius erzwungen wurde. Eunomius hatte den Basilius in den Debatten anläßlich des Konzils von Konstantinopel (360), bei dem Basilius als Lektor auf der Seite des Basilius von Ankyra und des Eustathius von Sebaste anwesend war, angegriffen und offenbar in die Enge getrieben. Basilius habe den Mut verloren und sei ohne Replik in die Heimat geflohen, schreiben Eunomius und Philostorgius spöttisch.135 Die Antwort auf die Argumente, die Eunomius in seiner Apologie vorträgt, ist dem Basilius nicht ganz leicht gefallen, wie er selbst zu verstehen gibt.136 Er hat sie, nicht ohne die einschlägige Literatur seiner homöusianischen Freunde, des Athanasius und auch des Apolinarius zu Rate zu ziehen, in seinem Erstlingswerk, den drei Büchern gegen Eunomius, niedergelegt. Der Angriff des Eunomius137 richtet sich nicht so sehr gegen die Homouseität des Sohnes mit dem Vater – sie ist für ihn mit dem alten arianischen Argument, daß dies eine Spaltung der göttlichen ousia bedeuten würde, erledigt138 –, sondern gegen die ο῾μοιο´της κατ ᾽ ου᾽σι´αν139; denn dies besage Gleichheit (ι᾽σο´τητα) der ousiai.140 Wer aber zwei gleiche göttliche ousiai behauptet, behauptet zwei absolute Götter, und das ist Blasphemie, denn es gibt nur einen einzigen wahren Gott.141 Wie läuft sein Argument, aus dem sich die Ungleichheit der ousia oder hypostasis des Sohnes ergibt?
135 Eunomius nach dem Referat des Gregor von Nyssa, der den sachlichen Gehalt der Mitteilungen des Eunomius nicht abstreitet; siehe Gregor Nyss., c. Eunom. I, 79–82 (GNO I2, 49, 13–50, 23 Jaeger); Philost., hist. eccl. IV, 12 [64, 20–65, 6 B./W. = 332, 22–334, 34 B./B.]; dazu: L. R. Wickham, The Date of Eunomius’ Apology. A Reconsideration, JThS NS 20, 1969, 231–240, hier 236 f. 136 Basil., adv. Eunom. I, 1 (SC 299, 142, 14–144, 26 Sesboüe´). 137 Zu Eunomius und seiner Gotteslehre siehe: M. Spanneut, Art. Eunomius de Cyzique, DHGE 15, 1963, 1399–1405; L. Abramowski, Eunomius, in: RAC 6, 1966, 936–947; Wickham, The Syntagmation (wie Anm. 68), 536–540; Simonetti, La crisi (wie Anm. 20), 253–259 462–468; E. Cavalcanti, Studi Eunomiani, OCA 202, Rom 1976; A. M. Ritter, Eunomius, TRE 10, 1982, 525–528; Hanson, The Search (wie Anm. 59), 617–636; R. Mortley, From Word to Silence II. The Way of Negation, Christian and Greek, Theoph. 31, Bonn 1986, 128–159; M. Wiles, Eunomius: hair-splitting dialectician or defender of the accessibility of salvation, in: R. Williams (Hg.), The Making of Orthodoxy. Essays in Honour of Henry Chadwick, Cambridge 1989, 157–172; K.-H. Uthemann, Die Sprache der Theologie nach Eunomius von Cyzicus, ZKG 104, 1993, 143–175 [erneut in: Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Kirche als Beiträge zu einer historischen Theologie, AKG 93, Berlin/New York 2005, 421–456]. 138 Eunom., apol. 15. 26 (SC 305, 264. 290 Sesboüe´ [52, 5 f. 70, 23 f. Vaggione]) = PG 30, 849 C. 864 C. 139 Insgesamt ebd. 19–22 (SC 305, 270–278 S. [56–62 V.] ) = PG 30, 854 B–857 C. 140 Ebd. 11. 26 (SC 305, 256. 290 S. [46, 4–9. 70, 21–24 V.] ) = PG 30, 845 D–848 A. 864 C. 141 Ebd. 21 f. (SC 305, 276–278 S. [60–62 V.]) = PG 30, 856 C–857 C.
318 151
152
Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea
Es gibt nach allgemeiner Überzeugung und nach der Lehre der Väter nur einen Gott, der weder durch sich noch durch einen anderen geworden ist; durch sich nicht, denn dann müßte er sein, bevor er ist, um sich zu machen; durch einen anderen nicht, denn dann wäre dieser früher und also Gott. Wenn also erwiesen ist, daß weder er früher ist als er selbst, noch ein anderes früher ist als er, vielmehr er vor allem ist, so folgt diesem das »Unerzeugt« (το` α᾽γε´ννητον) oder besser: so ist er unerzeugte ousia (αυ᾽το´ς ε᾽στιν ου᾽σι´α α᾽γε´ννητος).142 Wenn wir Gott aber agennetos nennen, dann ist dies nicht etwa ein Wort menschlicher Erfindung, ein flatus vocis, auch nicht als Privation zu verstehen, sondern ›das Unerzeugte‹ ist unerzeugt als ousia (das heißt: die Unerzeugtheit macht das Sein Gottes aus).143 Denn die ousiai haben von Natur zugehörige Begriffe, die Begriffe sagen die ousia aus, die ousia ist das, als was sie bezeichnet wird, und die Unterschiede in den Bezeichnungen zeigen den Unterschied in der ousia an.144 Gottes ousia ist agennesia, Unerzeugtheit. Der Eingeborene (μονογενη´ς) aber heißt und ist also seiner ousia nach erzeugt (γεννητο´ς) und Erzeugnis (γε´ννημα). Dann kann die Konsequenz wie bei Ae¨tius, dem Eunomius hier grundsätzlich folgt, nur lauten: Es gibt absolut keine Gleichheit oder Vergleichbarkeit oder Gemeinsamkeit zwischen der ousia des Unerzeugten und der ousia des Erzeugten,145 der Sohn ist als Erzeugnis ein Geschöpf (κτι´σμα, ποι´ημα), das mit der ousia des unerzeugten Gottes nichts zu tun hat.146 Wie antwortet Basilius von Caesarea? Wenn er Eunomius widerlegen will, muß er zeigen, daß die Unerzeugtheit nicht die ousia Gottes ist. Er beginnt mit grundsätzlichen Überlegungen zur Leistungsfähigkeit menschlicher Sprache in Bezug auf das Sein Gottes. Das Wort agennetos, führt er aus, gehört grundsätzlich in dieselbe Kategorie von Wörtern wie α῎φϑαρτος, α᾽ϑα´νατος und ähnliche. Sie bedeuten, daß es bei Gott keine Entstehung (γε´ννησις), keine Verderbnis (φϑορα´), keine Auflösung (δια´λυσις) gibt.147 Einen Begriff, der hinreichte, die ganze Natur Gottes zu umfassen und adäquat auszusagen, gibt es nicht. Einige Begriffe bringen zum Ausdruck, daß sich etwas nicht an Gott befindet; dazu gehören die genannten Beispiele. Andere sind der Ausdruck dafür, daß sich etwas an ihm befindet, z.B. das Gute, das Gerechte, das Schöpfersein und Richtersein. Aus beiden Ar ten von Begriffen gewinnen wir eine gewisse Vorstellung (χαρακτη´ρ τις) von Gott.148 142
Ebd. 7 (SC 305, 244–246 S. [40, 1–11 V.] ) = PG 30, 811 B-C Ebd. 8 (SC 305, 246–250 S. [40–42 V.]) = PG 30, 841 D–844 B. 144 Ebd. 12 (SC 305, 256–258 S. [46–48 V.] ) = PG 30, 848 B. 145 Ebd. 9. 11 (SC 305, 250–252. 254–256 S. [42–46 V.]) = PG 30, 844 B–845 A. 845 D– 848 A; hier wird jede κατ᾽ ου᾽σι´αν ο῾μοιο´της, συ´γκρισις, κοινωνι´α ausgeschlossen: Gott ist α῾γε´ννητος και` α᾽συ´γκριτος. Das Wort α᾽νο´μοιος vermeidet Eunomius, weil es Konstantius mißfiel; in der Sache ist seine Position unverändert. 146 Ebd. 20. 26. 28 (SC 305, 274–276. 288–290. 296–298 S. [58–74 V.]) = PG 30, 856 A-C. 864 A-C. 868 A-C. 147 Basil., adv. Eunom. I, 9 (SC 299, 200, 26–202, 45 S.). 148 Ebd. I, 10 (SC 299, 204, 1–208, 48 S.). 143
VI. Der Angriff des Eunomius und die Antwort des Basilius
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Die ousia Gottes aber, das heißt: das Sein Gottes selbst, ist allen Geschöpfen, Menschen und auch Engeln, unzugänglich, unbegreifbar und unerkennbar. Es kennt sie nur der Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Zum Heil ist auch nicht die Erforschung dessen nötig, was Gott ist, sondern das Bekenntnis, daß er ist, wie der Apostel sagt: »Zuerst muß man glauben, daß Gott ist und denen, die ihn suchen, den Lohn gibt« (Hebr 11, 6).149 »Wenn damit erwiesen ist, daß die ousia Gottes dem Menschen gänzlich unaussagbar ist, dann bleibt noch übrig zu erörtern, was die Unerzeugtheit (agennesia) ist und wie sie dem Gott aller Dinge zukommt«.150 Denn wenn auch die Unerzeugtheit nicht die ousia Gottes ist, so ist die ousia Gottes doch unerzeugt – das ist auch des Basilius Meinung.151 Was also ist die Unerzeugtheit? An dieser Stelle steht Basilius vor dem entscheidenden Schritt. Hier erfolgt − mit noch unsicheren und tastenden Formulierungen − die Unterscheidung von * ousia und hypostasis. Wie schwer sie ihm gefallen ist, erkennt man aus seinen Worten selbst: »Wir finden, wenn wir darüber nachdenken, daß uns nicht bei der Erforschung dessen, was etwas sei (του῀ τι´ ε᾽στιν), der Begriff des ›Unerzeugten‹ begegne, sondern vielmehr − um es etwas gezwungen auszudrücken − bei der Erforschung dessen, wie etwas sei (του῀ ο῞πως ε᾽στιν). Denn wenn unser Verstand nachforscht, ob Gott, der über allem ist, irgendeine Ursache über sich habe, dann aber keine erdenken kann, so nennt er die Anfangslosigkeit (το` α῎ναρχον) seines Lebens ›unerzeugt‹. Denn wie wir, wenn wir vom Menschen reden und zum Beispiel sagen: ›Jener stammt von diesem ab‹, nicht das, was einer sei (το` τι´ ε᾽στι), angeben, sondern woher er stamme (το` ο῞ϑεν γε´γονε), ebenso bezeichnet auch, wenn wir von Gott reden, das Wort ›unerzeugt‹ nicht das, was er sei, sondern daß er nirgendwoher (μηδαμο´θεν) sei. . . . Wie nun bei den Menschen das ›aus einem‹ (το` ε῎κ τινος) nicht die ousia sein kann, so kann man auch nicht beim Gott des Alls das ›unerzeugt‹, was so viel ist wie das ›aus niemandem‹, als ousia bezeichnen. Wer jedoch behauptet, das ›ursprungslos‹ (το` α῎ναρχον) sei die ousia, der macht es ebenso wie einer, der auf die Frage, welches die ousia Adams sei und welche Natur (φυ´σις) er habe, antworten wollte: er stamme nicht aus der Verbindung von Mann und Frau, sondern sei von der Hand Gottes geformt worden. – Aber ich frage doch nicht nach der Weise der Entstehung, könnte man erwidern, sondern nach dem stofflichen Substrat des Menschen selbst (ου᾽χι` το`ν τρο´πον τη῀ς υ῾ποστα´σεως ε᾽πιζητω ῀ . . ., α᾽λλ᾽ αυ᾽του῀ του῀ α᾽νϑρω´που το` υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον), welches ich aus der Antwort bei weitem nicht erfahre. Das ergibt sich auch für uns aus dem Wort ›unerzeugt‹: Es belehrt uns mehr über das ›Wie‹ (το` πω ῀ ς) Gottes als über seine Natur selbst«.152
Hier haben wir zum ersten Male bei Basilius die Unterscheidung der Begriffe ousia und hypostasis in der Gotteslehre. Die ousia ist das Seins-Substrat – in einem Sinne, der im weiteren erläutert wird – und gibt das ›Was‹ oder die Natur an. Das ›Wie‹ (ο῞πως) oder ›Woher‹ (ο῞ϑεν) oder ›aus einem‹ (ε῎κ τινος) der ousia ist der τρο´πος τη῀ς υ῾ποστα´σεως. Wie soll man übersetzen: die Weise der Ent149
Ebd. I, 12–14 (SC 299, 212, 1–224, 45 S.). Ebd. I, 14 (SC 299, 224, 45–48 S.). 151 Ebd. I, 11 (SC 299, 208, 12–14 S.): ᾽Εγω` δε` τη`ν με`ν ου᾽σι´αν του῀ θεου῀ α᾽γε´ννητον ει῏ναι και` αυ᾽το`ς α῍ν φαι´ην ου᾽ μη`ν το` α᾽γε´ννητον τη`ν ου᾽σι´αν. 152 Ebd. I, 15 (SC 299, 224, 1–11; 226, 26–37 S.). 150
153
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154
Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea
stehung oder Realisierung oder Hypostasierung oder Subsistenz? Vater und Sohn haben eine gemeinsame ousia (ου᾽σι´α κοινη´); die Gemeinsamkeit der ousia (το` κοινο`ν τη῀ς ου᾽σι´ας) bedeutet, daß bei den beiden der Begriff des Seins (ο῾ του῀ ει῏ναι λο´γος) oder das Seins-Substrat (το` υ῾ποκει´μενον) ein und dasselbe ist. Ihr Unterschied der Zahl nach (α᾽ριϑμω ῀ͺ) ergibt sich aus der Weise der Realisierung, die für jeden eigentümlich und charakteristisch ist.153 Der Ausdruck τρο´πος τη῀ς υ῾ποστα´σεως ist gleichbedeutend mit dem des τρο´πος τη ῀ ς υ῾πα´ρξεως, den der Verfasser von Adversus Eunomium IV gebraucht, und es ist aus den hier wie dort verwendeten, zum Teil gleichen Beispielen (und Worten) erkennbar, daß Basilius sich von ihm hat leiten lassen.154 Der Sache nach fand sich die Bestimmung der Eigentümlichkeit und Eigenständigkeit von Vater und Sohn durch die Weise der Realisierung auch in den Denkschriften der Homöusianer Basilius von Ankyra und Georg von Laodicea, an deren Seite Basilius beim Konzil von Konstantinopel im Januar 360 stand. Er war also auf seinen hier in Adv. Eunom. I, 15 vorsichtig vollzogenen Schritt zur begrifflichen Differenzierung von ousia und hypostasis vorbereitet. Noch wird das Wort hypostasis nicht unmittelbar der ousia gegenübergestellt; es wird aber mit der Wendung τρο´πος τη῀ς υ῾ποστα´σεως der sachliche Gehalt angegeben, der mit dem Begriff hypostasis künftig zu verbinden ist. Es ist damit angezeigt, wie Vater und Sohn das eine göttliche Sein haben und verwirklichen: daß der Vater unerzeugt, das heißt ohne Prinzip und Ursache des Seins existiert, der Sohn aber als Gezeugter das Prinzip des Seins und die Ursache der Existenz (τη`ν αι᾽τι´αν τη῀ς υ῾πα´ρξεως) im Vater hat, von dem er ins Sein gebracht wurde.155 »Vaterschaft« (πατρο´της) und »Sohnschaft« (υι῾ο´της), agenneton und genneton, sind charakterisierende Eigentümlichkeiten,156 sind die kennzeichnenden Weisen der Eigenständigkeit (οι῾ δεικτικοι` τη῀ς ι᾽διο´τητος . . . τρο´ποι) von Vater und Sohn in der ousia der einzigen Gottheit.157 Die ousia die ser durch die differierende und je eigentümliche Existenzweise Gekennzeichneten ist eine und dieselbe, ist identisch, die eine Gottheit.158 Basilius ringt wie die Homöusianer in mehreren Ansätzen um die Begriffsdefinition. Die Weise der eigenständigen Existenz nennt er in Adv. Eunom. auch einfach υ῞παρξις159 oder υ῾πο´στασις. In diesem Sinn der Realisierung oder des Existenzgewinns kommt hypostasis mehrfach vor.160 An anderen Stellen bezeichnet das Wort das Ergebnis der Re153
Ebd. I, 19 (SC 299, 240, 27–242, 44 S.). Vgl. oben bei Anm. 131. In de Spir. S. XVIII, 46 (SC 17bis, 408, 8 f. Pruche) und hom. 24, 6 (PG 31, 613 A) benutzt Basilius wieder den Ausdruck τρο´πος τη῀ς υ῾πα´ρξεως, diesmal in Bezug auf die Existenzweise des Hl. Geistes. Bei seinem Freund und Schüler Amphilochius wird dieser Ausdruck terminus technicus für die trinitarischen Personen Vater, Sohn, Hl. Geist; siehe: Holl, Amphilochius (wie Anm. 6), 240–245. 155 Vgl. Basil., adv. Eunom. II, 17 (SC 305, 66, 12–70, 58 S.). 156 Vgl. ebd. II, 28 (SC 305, 118, 27–120, 42 S.). 157 Ebd. II, 29 (SC 305, 122, 1–24 S.). 158 Siehe Anm. 156 und 157. 159 Z. B. ebd. II, 17 (SC 305, 66, 16; 68, 28 f. S.). 160 Siehe z.B. ebd. II, 14 (SC 305, 52, 30 S.), von der hypostasis des Eingeborenen; II, 16 154
VI. Die Unterscheidung von ousia und hypostasis
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alisierung, das Existierende, aber die Bedeutung »Realisierung« schwingt noch mit.161 Schließlich bedeutet das Wort das fest in sich Bestehende oder Existierende, so wenn Basilius – in Aufnahme von Hebr 1,3 – von der hypostasis des Vaters spricht,162 von den drei hypostaseis, Vater, Sohn und Geist,163 von der hypostasis des Geistes164 und der Engel.165 Unmittelbar zu ousia in Beziehung gesetzt findet sich hypostasis in Adv. Eunom. an einer textlich verderbten Stelle, die bisher nicht befriedigend wiederhergestellt ist, so daß hier die Definitionen der Begriffe nicht erkennbar sind.166 Die Bestandteile der trinitarischen Formel des Konzils von Konstantinopel 381 kommen in Adv. Eunom. im Wortlaut nur getrennt vor. Aber die inhaltliche Differenzierung ist vollzogen, es ist erläutert, wie die eine ousia sich von den hypostaseis, ihren »Verwirklichungen«, unterscheidet.167 Was ist nun in diesen neuen Begriffsbestimmungen geschehen? Eunomius hatte gesagt, die ›Unerzeugtheit‹ (agenneton) sei die ousia Gottes, die ›Erzeugtheit‹ (genneton) die ousia des Sohnes, und hatte damit den Beweis für die seinsmäßige Ungleichheit von Vater und Sohn gewonnen. Für Basilius aber gehört der Sohn immer auf die Seite Gottes und zur ousia Gottes. Um das Argument des Eunomius zu widerlegen, erklärt Basilius, daß die ›Unerzeugtheit‹ nicht das ›Was‹ der ousia angebe, sondern das ›Wie‹. Die inhaltliche Bestimmung des ›Wie‹ (als agennetos und gennetos) ergibt sich notwendig aus den Vorgaben des Eunomius. Neu ist die formale Bezeichnung des ›Wie‹ als τρο´πος τη῀ς υ῾ποστα´σεως, als Weise der Realisierung. Dies wird der Inhalt des Begriffs hypostasis. Der Begriff hypostasis wird so ›verdünnt‹, daß er nichts mehr von dem ›Was‹ enthält, das allein der ousia zugewiesen wird. Die hypostasis bezeichnet das je verschiedene ›Wie‹ von Vater und Sohn (und Geist168), die ousia das eine, gleiche, identische, gemeinsame, undefinierbare ›Was‹ ihres Seins. (SC 305, 64, 39 S.), von der hypostasis der Künste; II, 17 (SC 305, 68, 41 S.), von der hypostasis des Sohnes; II, 32, 23 (SC 305, 134 S.), von der hypostasis des Hl. Geistes. 161 Z. B. ebd. II, 6 (SC 305, 26, 13 S.), von der hypostasis des von den Anhomöern als Geschöpf aufgefaßten Logos; II, 13 (SC 305, 50, 28 S.), von der hypostasis des Eingeborenen. 162 Ebd. II, 32 (SC 305, 136, 48 S.). 163 Ebd. III, 3 (SC 305, 154, 4 f. S.). 164 Ebd. III, 7 (SC 305, 172, 37 S.). 165 Ebd. III, 2 (SC 305, 154, 40 S.). 166 Ebd. II, 4 (SC 305, 20, 18 S.); doch siehe dazu jetzt mit einer einleuchtenden Konjektur: Th. Böhm, Basilius: Adversus Eunomium II 4: Eine untypische Verwendung von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις, StPatr 33, 1997, 72–80. Ohne Differenzierung werden im Anschluß an den Sprachgebrauch des Eunomius ousia und hypostasis adv. Eunom. II, 9, 1–23 (SC 305, 36 S.) gebraucht. 167 Diese Unterscheidung ist vorausgesetzt in ep. 9, 2 [CUFr I, 38 f. Courtonne], ad Maximum philos. (aus der Zeit um 362), wenn eine »Andersheit« (ε῾τερο´τητα) der hypostaseis von Vater und Sohn anerkannt, ein Unterschied ihrer ousia aber ausgeschlossen wird. Zu diesem Brief siehe: Pouchet, Basile le Grand (wie Anm. 10), 117–120. 168 Daß der Hl. Geist in diesen Erörterungen nicht erwähnt wird, liegt an den Vorgaben des Eunomius, der zunächst die Gleichheit von Vater und Sohn ausschließen will und für den der Geist ein Geschöpf des Sohnes ist. Für Basilius gehört der Hl. Geist nicht zur Natur
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Jetzt ist aber die Frage unausweichlich, welcher der damals geltenden SeinsKategorien hypostasis und ousia zuzuordnen sind. Basilius hatte erklärt, daß das agenneton und genneton zwar nicht die ousia ist, aber doch etwas an der ousia, denn es wird von ihr ausgesagt. Wenn es also etwas ist, unter welche Kategorie des Seienden fällt es? Nach den aristotelischen Kategorien, auf die Basilius mehrfach Bezug nimmt,169 kommen drei Seinsmöglichkeiten in Frage: der Bereich der sogenannten ersten ousia (oder ersten Substanz), des in sich stehenden Seienden (das klassische Beispiel ist der Mensch Sokrates); der Bereich der Akzidentien (συμβεβηκο´τα) und der Bereich des begrifflichen Seins. Diese bloße Aufzählung genügt, um zu erkennen, in welche logischen Schwierigkeiten Basilius mit seinen Begriffsdifferenzierungen geraten ist. Das »Wie«, die hypostasis, ist kein Akzidenz an der göttlichen ousia; denn dann wäre ihr eigenständiges Sein aufgehoben, die Folge wäre der verabscheute Sabellianismus. Die hypostasis kann aber auch nicht die erste ousia sein (als welche sie bisher wie üblich von allen und auch von Basilius aufgefaßt wurde170); das ist jetzt per definitionem von vornherein ausgeschlossen, das Ergebnis wäre im übrigen ein Tritheismus. In der Konsequenz kann die von den hypostaseis unterschiedene göttliche ousia aber auch nicht mehr als erste ousia verstanden werden, denn das würde die Eigenständigkeit der hypostaseis aufheben (also wieder zum Sabellianismus führen), oder aber, wenn an dem wirklichen Sein der hypostaseis festgehalten wird, aus der Trinität eine Quaternität machen. Die gemeinsame ousia von Vater, Sohn und Hl. Geist aber als reinen Begriff, nach Art der zweiten ousia der aristotelischen Kategorien, etwa als ge nus-Begriff, aufzufassen, hat Basilius immer abgelehnt; auch hier wäre der Tritheismus die unausweichliche Folge.171 So ergibt sich, daß weder der Begriff der göttlichen ousia noch der der hypostasis mit den Kategorien der klassischen Philosophie zu fassen ist. Deswegen mußten alle antiken und mittelalterlichen Interpretationsversuche, die grundsätzlich auf der Ebene der antiken Logik bleiben, notwendig in die Aporie führen. Das gilt auch folgerichtig für die Zahl. Weil ousia und hypostasis aus den aussagbaren Seins-Kategorien fallen, fallen sie auch aus den definierbaren Zahlen. Die Trias, die zugleich Monas ist, die Eins und die Drei, sind über der Zahl wie ousia und hypostaseis über den Kategorien. Niemand kann sagen, was der eine Gott und die drei göttlichen »Hypostasen« oder »Personen« sind. der Geschöpfe, sondern zur einzigen göttlichen Natur (das zeigt adv. Eunom. III passim), und hat eine eigene, aber nicht benennbare Weise des Hervorgangs aus Gott, siehe adv. Eunom. III, 6 und die oben Anm. 154 zitierten Stellen aus de Spir. S. XVIII, 46 und hom. 24, 6. 169 Vgl. z. B. Basil., adv. Eunom. I, 5, I, 9; II, 25; Lit. in dem Aufsatz über die »ep. 38«, oben S. 272 Anm. 102. 170 Vgl. das oben zu Ae¨tius, Eunomius, den Homöusianern, Athanasius und Basilius Gesagte. 171 Vgl. Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 19 f. Courtonne), und De Spir. S. XVII, 41 (SC 17bis, 394, 16–25 P.); dazu im Aufsatz über die »ep. 38«, oben S. 257 f.
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Basilius hat erkannt – muß erkannt haben –, daß der von ihm neu bestimmte Begriffsinhalt der hypostasis mit den ihm zur Verfügung stehenden Kategorien nicht zu fassen war. Deswegen sagt er, daß er jetzt dem Begriff Gewalt antue. Er spricht, als er die Abgrenzung gegenüber der ousia vornimmt, vom τρο´πος τη ῀ ς υ῾ποστα´σεως; er verwendet nicht das blanke Wort hypostasis, denn das hätte nur zu Mißverständnissen geführt, weil es unvermeidlich im gewohnten – nicht mehr akzeptablen – Sinn verstanden worden wäre, grosso modo dem der ersten aristotelischen ousia oder der Individualsubstanz. Deswegen braucht es Jahre, bis die trinitarische Formel eine ousia, drei hypostaseis, das Resultat seiner Begriffsdistinktion, in vollständiger Form auftaucht. Als solche konnte sie nur falsch verstanden werden. Zuvor war in vielen Versuchen Schritt für Schritt der neue Begriffsinhalt einigermaßen begreiflich zu machen, um die ärgsten Fehldeutungen auszuschließen und die Formel vorzubereiten.172 Wenn sie in Adversus Eunomium noch nicht in voller Form erscheint, dann hat das seinen Grund in den angedeuteten unüberwindlichen logischen Problemen, bedeutet aber keineswegs, daß sie nicht grundsätzlich ausgebildet ist.173 Eine widerspruchsfreie Interpretation ist aufgrund der Genese der Formel ohnehin ausgeschlossen. Die Formel kann nur als eine in philosophische Begriffe gefaßte Metapher für das Mysterium des absoluten, dennoch seinem Geschöpfe liebend zugewandten Gottes der Christen gelten.
Addenda et Corrigenda Zu S. 306* T. Barnes geht in seinem Artikel: »A Note on the Term Homoioousios«, ZAC 10, 2006, 276–285, der Frage nach, ob es eine homoiousianische Partei gegeben habe, und seit wann und wie lange das Wort homoi(o)ousios im Gebrauch gewesen sei. Er kann durch sehr sorgfältige Untersuchungen der einschlägigen Quellen wahrscheinlich machen, daß das Wort erst nach dem 28. Mai 357 (S. 284) und wohl im Sommer 358 entweder von Basilius von Ankyra oder einem seiner theologischen Verbündeten, eher jedoch von einem Gegner der 172
Zu den Erläuterungsversuchen und Interpretationsmodellen des Basilius siehe die in Anm. 60 und 133 genannten Aufsätze »ep. 38« und »Homoousios«; zur theologischen Aussage der Formel und ihrer Tragweite im Urteil des Basilius siehe: Hübner, Der Gott der Kirchenväter (wie Anm. 16), 18–21 [jetzt unten S. 344–348]; ders., Basilius der Große, Theologe der Ökumene, damals und heute, in: Der Dienst für den Menschen in Theologie und Verkündigung. FS für Alois Brems, Bischof von Eichstätt, Regensburg 1981, 207–216 [jetzt unten S. 349–359]. 173 Auch aus der in der Entstehungszeit von adv. Eunom. geschriebenen ep. 9 ad Maximum philos., ist erkennbar, daß die trinitarische Formel grundsätzlich ausgebildet ist; vgl. oben Anm. 167.
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neuen Theologie (»by someone opposed to the new theology«, 283) erfunden worden ist. Er schließt: Die ›Homoioousianer‹ waren »niemals eine fest definierte und eng verbundene Partei in der kirchlichen Politik; sie waren eher eine kleine Gruppe, um Basilius von Ankyra zentriert, oder eine fragile und kurzlebige größere Koalition« (285), die auf dem Konzil von Konstantinopel im Januar 360 von der homoiischen Majorität erledigt wurde (284). Ein Fortleben der angeblichen Partei des Basilius von Ankyra bis in die zweite Hälfte der 360erJahre, sei nicht nachweisbar (284), das Wort homoioousios begegne schon in den Schriften der Kappadozier nicht mehr. So richtig die Feststellung T. Barnes’ sein mag, daß das Wort »homoiousianisch« ein moderner Terminus ist und der Begriff »homoi(o)ousios« in der Geschichte der Kirche nur kurzlebig war, und so zutreffend er die »Homoiousianer« als eine kleine Gruppe oder etwas größere Koalition um Basilius von Ankyra beschrieben hat − es bleibt verwunderlich, daß Barnes seine Aufmerksamkeit lediglich auf den Begriff »homoi(o)ousios« gerichtet hat, aber die spezifischen Formulierungen, welche diese sich von den Homoiern absetzende theologische Gruppe charakterisierten und die zur »Kurzform« ο῾μοιοου´σιος geführt haben, nämlich ο῞μοιος κατ᾽ ου᾽σι´αν oder ο῾μοιο´της κατ᾽ ου᾽σι´αν, wenn ich mich nicht täusche, nicht ein einziges Mal erwähnt. Nun ist die Anzahl der Theologen, die das ο῞μοιος κατ᾽ ου᾽σι´αν noch bis weit in die 60er Jahre des 4. Jahrhunderts vertreten, erheblich. (Z. B. gehören Meletius von Antiochien und Basilius von Caesarea dazu, wie sich den im Folgenden zitierten Texten entnehmen läßt.) Da die Kurzformen »homoiousianisch« und »Homoiousianer« diese Theologie und Theologen treffend bezeichnen, werden sie hier ohne Bedenken weiterhin verwendet; denn die Existenz der theologisch so Denkenden hängt nicht von dem Vorkommen der namensgebenden »Kurzform« ab. Die Bezeichnung »Gruppe« oder »Koalition« für diese Theologen mag angemessener sein als »Partei«. Doch weil es meines Wissens keine anerkannte Definition für eine »kirchlich-politische Partei« der damaligen Zeit gibt, wird man den Gebrauch dieser Bezeichnung schwerlich als sachlich verfehlt erweisen können. Zu S. 315* Peter Gemeinhardt hat in einer sehr dichten und gründlichen Studie (Apollinaris of Laodicea: A Neglected Link of Trinitarian Theology between East and West, ZAC 10, 2006, 286–301) die Übereinstimmungen der Trinitätslehre in Ps-Basilius, adv. Eunomium IV/V, im Briefwechsel des Basilius mit Apolinarius, und in Ps-Athanasius, c. Arianos IV und c. Sabellianos mit der des Apolinarius dargelegt und neigt dazu, diese Pseudepigrapha als echtes Apolinarius-Gut anzuerkennen. Er sieht in der besonderen (von der »kappadozischen« verschiedenen) trinitarischen Formel des Apolinarius, der ousia und hypostasis identifiziert, und die göttlichen Personen durch die τρο´ποι τη῀ς υ῾πα´ρξεως unterscheidet, eine mögliche Brükke in der Trinitätslehre zwischen Ost und West. V. H. Drecoll hat am Ende seines Beitrags: »Apollinarius, Ad Iovianum. Analyse und Bedeutung für die Apollinarius-Chronologie«, in: S.-P. Bergjan/B. Gleede/M. Heimgartner (Hg.), Apollinarius und seine Folgen, STAC 93, Tübingen 2015, 35–57, (nochmals) versucht, die »Vergleichbarkeit« der Schriften Ps-Athanasius, Oratio contra Arianos IV; Ps-Basilius, Adversus Eunomium IV-V, und Ps Athanasius, Contra Sabellianos mit den unbestrittenen Texten des Apolinarius auszuschließen. Daß der Versuch nicht überzeugen kann, belegt M. Vinzent in dem auf Drecolls Beitrag folgenden Aufsatz: »PseudoAthanasius, Oratio contra Arianos IV − Apollinarius’s Earliest Extant Work«, im zitierten Tagungsband S. 59–70; bes. S. 63–70: »Theological Parallels in Contra Arianos IV, Contra Sabellianos, Adversus Eunomium IV-V and Kata Meros Pistis.« Zu S. 319* V. H. Drecoll, Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Caesarea (wie oben Anm. 10), 327, hat meine These bestritten: »Daß die begriffliche Differenzierung zwischen ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις erstmalig in AE I, 15 begegnet, stimmt nicht, da in I , 15/33 υ῾πο´στασις die Bedeutung ›Entstehung/Geburt‹ hat und überhaupt nicht im trinitätstheologischen
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Kontext gebraucht wird [Hervorhebung R. H.].« − Man muß jedoch nur den oben zitierten Text des Basilius lesen, um zu erkennen, daß Drecoll Unrecht hat; den historischen Kontext − Angriff des Eunomius − hat er offenbar übersehen. Jörg Ulrich hat ihm in seiner Rezension (ThLZ 123, 1998, 168–160, hier 160) entgegnet, daß »die Verwendung des Begriffs hypostasis für die individuelle Existenz von Vater, Sohn und Geist, also im Sinne einer trinitätstheologischen Differenzierung, in AE I-II durchaus schon nachweisbar ist (AE I 15, wenn auch die komplette ›Kernformel‹ hier fehlt).« − Auch Ch. Markschies (Gibt es eine einheitliche »kappadozische Trinitätstheologie«? Vorläufige Erwägungen zu Einheit und Differenzen neunizänischer Theologie, MJTh 10, 1998, 51–94, erneut in: Alta Trinita` Beata, Tübingen 2000, 202 f.), hat sich − gegen Drecoll − der These angeschlossen, daß Basilius in Adv. Eun. I, 15 »mindestens . . . voraussetzt, daß eine Dissoziation von ου᾽σι´α und υ῾πο´στασις möglich ist.«
Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel Zur Frage der Hellenisierung des Christentums* Wer versucht, von den Theologen, die wir als die Väter unserer Kirche bezeichnen, eine Antwort auf die Frage zu erhalten, welcher Gott es sei, an den sie glauben, der wird eine verwirrende Vielzahl von Stimmen vernehmen, die sich keineswegs sogleich zu einem harmonischen Chor vereinigen lassen. Die Antwort fällt jeweils anders aus, wenn ein Kirchenvater aus dem zweiten oder einer aus dem vierten Jahrhundert befragt wird. Ja, sie fällt sogar bei einem und demselben Kirchenvater verschieden aus, je nachdem, wer ihn fragt. Als bei Ausbruch der valerianischen Verfolgung der alexandrinische Bischof Dionysius der Große im Herbst des Jahres 257 von dem Statthalter Ägyptens nach dem Gott gefragt wurde, den er anbete, gab er eine Antwort, die fast gleichlautend einen Monat zuvor in Karthago von seinem Amtskollegen Cyprian in der gleichen Situation gesprochen wurde: »Wir verehren den einen Gott und Schöpfer aller Dinge . . .«.1 Durchaus nicht mit diesem schlichten Satz (in dem ja – Sie werden das bemerkt haben – weder der Vater, noch der Sohn, noch der Heilige Geist genannt werden) hat aber derselbe Dionys geantwortet, als streitende Glaubensbrüder ihn nach dem Gott fragten, an den der Christ zu glauben habe. In dem Gepäck einer römischen Gesandtschaft, deren Mitglieder an dem Gerichtsverfahren des ägyptischen Präfekten gegen Dionys teilnahmen,2 befan* Antrittsvorlesung am 19. Juni 1978 an der Gesamthochschule Eichstätt. Meinem Lehrer Karl Baus gewidmet. 1 Dionysius von Alexandrien im Protokoll der Gerichtsverhandlung, bei Eusebius, hist. eccl. VII, 11, 8 [GCS NF 6/2, 656, 14 f. Schwartz]. Vgl. das Bekenntnis Cyprians von Karthago im Gerichtsprotokoll (Acta proconsularia) vom 30. Aug. 257: . . . nullos alios deos novi, nisi unum et verum deum, qui fecit caelum et terram, mare et omnia, quae in eis sunt. (Kritischer Text bei R. Reitzenstein, Die Nachrichten über den Tod Cyprians. Ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur, SHAW.PH 4, 1913, 14. Abh., S. 12, Z. 8 f. [neuer kritischer, hier identischer Text: H. R. Seeliger/W. Wischmeyer (Hg.), Märtyrerliteratur = TU 172, Berlin u. a. 2015, 181–197; 186]). 2 Vgl. Dionysius Alex., ep. ad Germanum, bei Euseb., hist. eccl. VII, 11, 3 [GCS NF 6/2, 654, 11–14 Sch.]. Die römische Gesandtschaft sollte wahrscheinlich den Tod des kurz vor Ausbruch der valerianischen Verfolgung am 2. Aug. 257 gestorbenen römischen Bischofs Stephan melden und das Grußschreiben seines Nachfolgers Xystus II. überbringen. − Zur Datierung des Todes Stephans: W. A. Bienert, Dionysius von Alexandrien. Zur Frage des Origenismus im dritten Jahrhundert, PTS 21, Berlin 1978, 204, Anm. 18.
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den sich, adressiert an den römischen Mitbruder Xystus, die Kopien einiger Schriften, die Dionys dieser innerchristlichen Streitfrage gewidmet hatte.3 In diesen Schriften ist selbstverständlich von Vater, Sohn und Heiligem Geist die Rede. Aber Vater, Sohn und Heiliger Geist werden nicht einfach beim Namen genannt, vielmehr wird darüber entschieden, wie sie sich zu einander verhalten; ob sie, damit der Monotheismus gewahrt bleibe, zu identifizieren seien, oder ob man sie als drei unterschiedene Hypostasen zu betrachten habe;4 und wie weiter, wenn es so ist, sich diese aus verschiedenen Hypostasen bestehende Triade zur absolut existierenden göttlichen Monas verhält.5 Monas, Hypostasen, Trias – ist der mit diesen Begriffen umschriebene Gott des alexandrinischen Bischofs Dionys identisch mit dem, den er zur selben Stunde vor dem ägyptischen Statthalter bekannte: dem einen Gott, dem Schöpfer aller Dinge? Von diesem einen Gott, dem Schöpfer aller Dinge, hören wir 3 Vgl. Dionys. Alex., ep. ad Xystum, bei Euseb., hist. eccl. VII, 6 [GCS NF 6/2, 642, 1–11 Sch.]. Von den dort erwähnten Briefen des Dionys und seinen späteren Schriften zur selben Sache sind nur noch Bruchstücke und Referate bei Späteren, vor allem bei Eusebius, Athanasius von Alexandrien und Basilius von Caesarea, erhalten; kritische Ausgabe: Ch. L. Feltoe, ΔΙΟΝΥΣΙΟΥ ΛΕΙΨΑΝΑ. The Letters and other Remains of Dionysius of Alexandria, Cambridge 1904; deutsche Übersetzung der Fragmente: W. A. Bienert (Hg.), Dionysius von Alexandrien, Das erhaltene Werk, BGL 2, Stuttgart 1972. Ich zitiere die Fragmente des Dionys im folgenden nach ihrem ursprünglichen Fundort. − Zu den Ereignissen und zur Anordnung der Schriften siehe W. A. Bienert, Dionysius v. Alexandrien (s. Anm. 2), 204–221; dort die voraufgehende Literatur. 4 Siehe das Referat über die gegensätzlichen Positionen im Brief des Dionysius von Rom, erhalten bei Athan., De decretis Nicaenae synodi 26, 2 f. (Werke II/7, 22, 1–12 Opitz) = DH 112; Übersetzung bei W. A. Bienert, Dionysius v. Alexandrien, Das erhaltene Werk (s. Anm. 3), 75: »Der Reihe nach möchte ich mich aus gutem Grunde zunächst gegen jene wenden, die die heiligste Lehre der Kirche Gottes, die ›Alleinherrschaft‹ (τη`ν μοναρχι´αν), in irgendwelche drei Kräfte und drei getrennte Hypostasen und Gottheiten auseinanderreißen, zerstückeln und zerstören. Ich habe nämlich erfahren, daß es unter denen, die bei uns als Katecheten und Lehrer das göttliche Wort unterrichten, Wegbereiter dieser Ansicht gibt, die der Meinung des Sabellius sozusagen diametral entgegengesetzt sind. Dieser nämlich lästert Gott, indem er sagt, der Sohn sei derselbe wie der Vater und umgekehrt; jene aber verkünden gewissermaßen drei Götter, indem sie die heilige Einheit (μονα´δα) in drei einander fremde und völlig getrennte Hypostasen auseinanderreißen. Es besteht nämlich die Notwendigkeit, daß der göttliche Logos mit dem Gott des Alls vereint ist und daß auch der Heilige Geist in Gott weilt und sich aufhält. Nun besteht allerdings auch die unbedingte Notwendigkeit, daß die göttliche Trias auf einen hin, gleichsam auf einen Gipfel hin − ich meine den Gott des Alls, den Allherrscher − zusammengefaßt und versammelt ist.« 5 Dionysius von Alexandrien bleibt bei seiner ursprünglichen Entscheidung für eine Hypostasenlehre; vgl. das Fragment aus seiner späteren Verteidigungsschrift bei Basil., De ῀ͺ τρει῀ς ει῏ναι τα`ς υ῾ποστα´σεις, spiritu sancto XXIX, 72 (SC 17bis, 504, 17–20 Pruche): ›Ει᾽ τω
μεμερισμε´νας ει῏ναι λε´γουσι, τρει῀ς ει᾽σι κα῍ν μη` ϑε´λωσιν· η῍ τη`ν ϑει´αν Τρια´δα παντελω ῀ ς α᾽νελε´τωσαν.‹ και` πα´λιν ›Θειοτα´τη γα´ρ, δια` του῀το, μετα` τη`ν μονα´δα και` η῾ Τρια´ς.‹ − Seine Er-
örterungen über die Einheit der Drei faßt er in dem Satz zusammen (bei Athan., De decr. Nic. syn. 17, 2 (Werke II, 58, 24 f. O.): ου῞τω με`ν η῾μει῀ς ει῎ς τε τη`ν τρια´δα τη`ν μονα´δα πλατυ´νομεν α᾽διαι´ρετον, και` τη`ν τρια´δα πα´λιν α᾽μει´ωτον ει᾽ς τη`ν μονα´δα συγκεφαλαιου´μεθα. − Zur Absolutheit (Unverursachtheit = Agenesia) Gottes siehe Dionys., Elenchos kai apologia 1, bei Euseb. Caes., praep. ev. VII, 19, 3 (GCS Euseb. VIII/1, 401, 12 f. Mras).
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in der Bibel (vgl. z. B. Apg. 14, 15 par.). Aber von der Ausweitung der absoluten Monas in die Hypostasen einer vollkommenen Trias hören wir dort nichts. In dieser zweifachen Antwort eines Kirchenvaters auf die Frage: Wer ist dein Gott? spiegelt sich ein Prozeß, dem der christliche Gottesbegriff unterworfen wurde und den man als Hellenisierung bezeichnet. Mit diesem Wort ist ein sehr vielschichtiges und sehr unterschiedlich bewertetes Geschehen angezeigt. Ich muß um Nachsicht bitten, wenn ich jetzt einige Ihnen längst bekannte Zusammenhänge in Erinnerung rufe. Das Christentum ist auf dem Boden des Judentums entstanden; aber es ist sehr schnell über seine geistige Heimat hinausgewachsen. Es hat seine aramäische Ursprache aufgegeben und die griechische Umgangssprache des römischen Reiches übernommen. Bereits die Schriften unseres Neuen Testaments, und nicht erst die der Kirchenväter, sind in der griechischen Sprache verfaßt. Durch die Übernahme dieser Sprache wurde das Christentum auch in die griechische Kultur und Vorstellungswelt hineingezogen und früher oder später mit der griechischen Philosophie konfrontiert. Dies umso leichter, als die damalige Umgangssprache bereits einen hohen Anteil philosophischer Begriffe besonders der Gotteslehre aus der Popularphilosophie der Stoa enthielt. Alle Welt sprach von der Ordnungsfunktion des göttlichen Logos und von der allwaltenden Vorsehung des die Substanz des Kosmos durchdringenden göttlichen Pneuma.6 Über diese unvermeidliche Begegnung des Christentums mit dem griechisch-philosophischen Gedankengut hinaus, begab sich das Christentum – oder genauer: begaben sich einige seiner geistig führenden Vertreter bewußt auf das Feld der Philosophie. Diese Männer, die wir die Apologeten nennen, hatten erkannt, daß der Wahrheitsanspruch des Christentums gegen die mittlerweile heftig ausgebrochenen Angriffe der heidnischen Intelligenz verteidigt werden mußte – und verteidigt werden konnte, wenn man nachwies, daß der einzige Gott der Christen, der durch seinen Sohn, den ewigen Logos, die Welt erschaffen und ihr die erlösende Wahrheit offenbart hatte, eben der eine jenseitige Gott war, den die besten der griechischen Philosophen sehnsuchtsvoll suchten. Um diesen Nachweis zu führen, übernahmen die Apologeten in ihre Theologie, was ihnen von den Aussagen der Gotteslehre der Philosophen brauchbar erschien. In weitgehender Übereinstimmung zumal mit der damals herrschenden Philosophie des sog. Mittleren Platonismus bestimmen sie Gott als ursprungslosen Ursprung der Welt, erstes und einziges Prinzip, unkörperlich, geistig, nicht zusammengesetzt, unveränderlich und unbewegt, unsterblich, leidensunfähig, absolut einfach, unsichtbar, unerkennbar, unbegreifbar, absolut überweltlich, transzendent und so fort.7 6 Vgl. z. B. M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, I, Göttingen 1964, 354–366; M. Spanneut, Permanence du Stoicisme. De Ze´non a` Malraux, Gembloux 1973, 105–129. 7 Zur Gotteslehre der Apologeten knapp, aber reichhaltig: F. Loofs, Leitfaden zum Stu3
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Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel
Man braucht diese Gottesprädikate nur an sich vorübergleiten zu lassen, um augenblicklich zu erkennen, daß wenigstens einige von ihnen in Spannung, wenn nicht in unaufhebbarem Gegensatz zu dem Gott der Bibel stehen. Von diesem Gott zu sagen, daß er einzig sei und ohne Ursprung, unkörperlich und unsichtbar, bereitete wenigstens zunächst keine Schwierigkeiten, denn mit diesen oder ähnlichen äquivalenten Worten redet auch die Schrift von Gott. Wie aber soll es mit der Unbewegtheit und Unveränderlichkeit Gottes vereinbart werden, daß er in freiem Entschluß die Welt schafft und mit dem Menschen in der Geschichte handelt? Und wie soll seine Leidensunfähigkeit, seine Apatheia, aufrecht erhalten werden, wenn doch der biblische Gott als Liebe verkündet wird (1 Joh. 4, 8. 16)? Ist Liebe für den Griechen nicht ein Pathos, ein Erleiden? Und wie gar kann man dem Konflikt mit diesen Gottesprädikaten entgehen, wenn die Christen einen Gott verkünden, dessen Sohn die Unveränderlichkeit des göttlichen Seins durchbrochen hat, in die Werdewelt herabgestiegen und ein dem Leiden und Tode unterworfener Mensch geworden ist? Der Ausweg, aus der Serie der Gottesprädikate einfach diejenigen zu streichen, die in offenkundigem Gegensatz zur christlichen Gottesverkündigung stehen, und lediglich mit dem scheinbar gut verträglichen Rest zu arbeiten, war versperrt. Ein solches Vorgehen hätte die christlichen Theologen unweigerlich dem Gespött der Philosophen ausgeliefert, auf deren Anerkennung sie gerade Wert legten. Denn die Gottesprädikate hängen ja eines mit dem anderen in einer logischen Verknüpfung zusammen; wer eines streicht, muß auch die übrigen preisgeben.8 Das aber hätte wiederum Verzicht auf den missionarischen Dialog mit der heidnischen Intelligenz bedeutet. Wenn man also schon Abstriche machen mußte, so blieb nur übrig, sie auf der Seite der christlichen Gottesverkündigung zu machen. Konsequent denkende Theologen haben nie gezögert, auf dieser Seite zu streichen. Es ist kein Wunder, daß die Übernahme des philosophischen Gottesbegriffs in die Theologie fast augenblicklich zu schweren Auseinandersetzungen in den christlichen Kirchen führte. Der naheliegende Versuch, den z. B. der römische Bischof Zephyrin unternommen hat, diesen Auseinandersetzungen dadurch den Boden zu entziehen, daß er zum einfachen Glauben der Vorzeit zurückkehrte dium der Dogmengeschichte, hg. von K. Aland, Tübingen 71968, 85–97; ausführlicher zu den Gottesprädikaten: G. L. Prestige, God in Patristic Thought, London 21952, 1–54; unter Einbeziehung der mittelplatonischen Tradition; J. Danie´lou, Message e´vange´lique et culture helle´nistique aux IIe et IIIe sie`cles (Histoire des doctrines chre´tiennes avant Nice´e II), Tournai 1961, 297–316. Einen Überblick über den sog. Mittleren Platonismus gibt P. Merlan in: A. H. Armstrong (Hg.), The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, Cambridge 21970, 53–106. Eine umfassende Bibliographie zum Thema »Platonismus und Christentum« findet sich bei H. Dörrie, Platonica Minora, STA 8, München 1976, 538–542. 8 Vgl. W. Pannenberg, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, ZKG 70, 1959, 3–12, erneut in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1967, 298–308.
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und die Philosophie aus der Theologie verwies,9 war auf die Dauer zum Scheitern verurteilt. Schon der Nachfolger des Zephyrin, Kallist, hat diesen Versuch aufgegeben.10 Ein Konflikt läßt sich nur auf der Ebene lösen, auf der er entstanden ist, nicht aber dadurch, daß man diese Ebene verläßt. Das philosophische Denken in der Theologie war also in Bewegung gesetzt, und es entfaltete nach den in ihm angelegten Gesetzen eine herrische Gewalt, die sich nach und nach alles, worauf sie traf, zu unterwerfen trachtete. Fortan redete man in philosophischen Sätzen vom Gott der Bibel. Das Dogma – in der Formulierung Harnacks – ein Produkt »des griechischen Geistes auf dem Boden des Evangeliums«11 war geboren, und es entwickelte sich in Position und Gegenposition, in Definition und Verurteilung zu einer durch die Jahrhunderte immer schneller fortrollenden und immer gewaltiger anschwellenden Lawine, aus deren Umklammerung sich niemand mehr befreien konnte und die schließlich den lebendigen Gott der Bibel unter sich begrub. Dies jedenfalls ist die Sicht des soeben zitierten liberalen evangelischen Dogmenhistorikers Adolf von Harnack. Für ihn ist die skizzierte Hellenisierung des Christentums der große Sündenfall, von dem sich das Christentum erheben muß, um zum schlichten Glauben an den Gott Jesu Christi zurückzukehren.12 Nach seiner Auffassung hat das Christentum in dem durch die Begegnung mit der Philosophie in Gang gesetzten Dogmatisierungsprozeß nicht etwa nur den Inhalt der biblischen Botschaft in griechischen Begriffen ausgedrückt, sondern bis zur Unkenntlichkeit mit diesem Denken verschmolzen.13 Der Gott der Bi9 Zephyrins Lehrformel bei Hippolyt, ref. IX, 11, 3 (GCS Hippolytus III, 246, 1–3 Wendland) = DH 105. Zephyrin nennt in seiner Lehrentscheidung weder Vater noch Sohn noch Logos (noch Hl. Geist), um die Frage nach dem Verhältnis dieser Größen zueinander und das drohende Dilemma: Ditheismus-Modalismus zu umgehen. Zur Interpretation seiner Formel: A. v. Harnack, Die älteste uns im Wortlaut bekannte dogmatische Erklärung eines römischen Bischofs (Zephyrin bei Hippolyt, Refut. IX, 11.), SPAW.PH 1923, 51–57 [erneut in: Ders., Kleine Schriften zur Alten Kirche, hg. von J. Dummer, Bd. 2, Leipzig 1980, 619–626]. 10 Die Formel des Kallist (bei Hippolyt., ref. IX, 12, 16–19 [GCS Hippolytus III, 248, 25–249, 10 W.]) enthält die von Zephyrin verschwiegenen Begriffe Vater, Sohn, Logos, göttlicher Geist und bestimmt ihren Inhalt und ihr gegenseitiges Verhältnis. 11 A. (von) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas, Tübingen 41904, 20. 12 Vgl. A. v. Harnack, Das Wesen des Christentums. Neuauflage zum fünfzigsten Jahrestag des ersten Erscheinens, Stuttgart 1950, insbes. 113–124. 135–146; ders., Die Entstehung der christlichen Theologie und des kirchlichen Dogmas, Gotha 1927, 65–90. 13 Siehe A. (von) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 20. Vgl. die ganz entsprechende Sicht von F. Loofs, Leitfaden (wie Anm. 7), 86–94. 97. Eine Darstellung, Würdigung und Kritik der Harnackschen Sicht gibt W. Schneemelcher, Das Problem der Dogmengeschichte. Zum 100. Geburtstag Adolf von Harnacks, ZThK 48, 1951, 63–89, erneut in: Ders., Gesammelte Aufsätze zum Neuen Testament und zur Patristik, hg. von W. Bienert und K. Schäferdiek, ABla 22, Thessaloniki 1974, 23–52. − Zur Geschichte des Gedankens der Hellenisierung des Christentums vor und nach Harnack siehe A. Grillmeier, Hellenisierung − Judaisierung des Christentums als Deuteprinzipien der Geschichte des kirchlichen Dogmas, in: Ders., Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven, Freiburg/Basel/Wien 1975, 423–488.
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bel wurde dem Gott der Philosophen zum Opfer gebracht. Enthellenisierung lautet seitdem die Parole für jeden, der dem genuinen Christentum zum Überleben verhelfen will. Nun hat Harnacks Wertung nicht nur Zustimmung, sondern auch Widerspruch erfahren. Die seitdem andauernde Forschung hat mancherlei Differenzierungen an dieser allzu glatten Bilanz angebracht. Wolfhart Pannenberg z. B. konnte in einem vielbeachteten Aufsatz nachweisen, daß die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs durch die Apologeten keineswegs unkritisch erfolgte: »Von einer Hellenisierung im Sinne einer Überfremdung, einer Verdrängung des christlichen durch einen ›deistischen‹ Gottesgedanken zu sprechen, wie Harnack es . . . getan hat,« sei »offenbar dem komplexen Sachverhalt nicht angemessen«.14 Gegenüber der rückhaltlosen Verurteilung einer Verbindung von Metaphysik und Theologie, wie sie von den Apologeten zuerst vorgenommen und in der Geschichte der Dogmen beibehalten wurde, scheint mir Pannenbergs Einsicht grundlegend zu sein, daß der Anspruch auf universale Geltung des jüdischchristlichen Gottes außerhalb des Judentums gar nicht durchgesetzt oder auch nur einleuchtend gemacht werden konnte, wenn sich das Christentum nicht auf die metaphysische Gotteslehre seiner Umwelt einließ: ». . . wie sollten Nichtjuden zu der Einsicht gebracht werden«, argumentiert Pannenberg, »daß der Gott Israels der Gott schlechthin ist? Verpflichtende Kraft für alle Menschen hat der universale Anspruch des Gottes Israels erst dadurch gewonnen, daß er von der jüdischen und dann christlichen Mission als der in der Philosophie gesuchte wahre Gott dargestellt wurde. In dem Anspruch des Gottes Israels, der für alle Menschen allein zuständige Gott zu sein, ist es also theologisch begründet, daß der christliche Glaube auf die philosophische Frage nach der wahren Natur Gottes eingehen mußte und ihr bis heute Rede und Antwort stehen muß«.15 Trotz seiner grundsätzlich positiven Einschätzung einer Verbindung von Philosophie und biblischer Gotteslehre und trotz seines Widerstandes gegen die kurzschlüssige Forderung einer »Beseitigung der metaphysischen Elemente aus dem christlichen Gottesgedanken«16 kommt aber auch Pannenberg zu dem Ergebnis, daß »eine abschließende kritische Verarbeitung der Begegnung des christlich-jüdischen Gotteszeugnisses mit der Philosophie . . . in der altkirchlichen Theologie« nicht gelungen ist und »insofern . . . dem negativen Urteil Harnacks ein begrenztes Recht« verbleibt.17 »Heute . . . ist die Einsicht unvermeidlich geworden, daß bei der Umschmelzung des philosophischen Gottesbegriffs durch die frühchristliche Theologie erhebliche Reste zurückblieben, die in der Geschichte des christlichen Denkens zur Belastung geworden sind«.18 14
W. Pannenberg, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs (s. Anm. 8), 341. Ebd. 309. 16 Ebd. 345. 17 Ebd. 343. 18 Ebd. 345. 15
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Mit der von Pannenberg geforderten »Aufarbeitung jener nicht verschmolzenen Reste«19 sind die Systematiker heute an vielen Stellen beschäftigt. Auch Hans Küngs Buch »Christ sein« ist in gewissem Sinne dieser Aufarbeitung verpflichtet. Sich an dieser Arbeit zu beteiligen, ist nicht die Aufgabe des Patristikers. Aber er kann und muß seinen Beitrag leisten, die Genese der zentralen Dogmen aufzuhellen und so die Konfrontation der biblischen Gotteslehre und der Philosophie zu durchleuchten. Dies soll hier an den beiden entscheidenden dogmatischen Formulierungen des christlichen Gottesglaubens geschehen, die im 4. Jahrhundert erfolgten. Sie alle kennen diese Formeln der ersten beiden ökumenischen Konzile, die ja bis heute als die maßgebende kirchliche Gottesaussage gelten. Sie kennen sie aus dem Credo der Eucharistiefeier, aus der Präfation des Dreifaltigkeitsonntags, aus Kirchenliedern und Litaneien. Ich meine die dogmatische Formel von der Homoouseität oder Konsubstantialität oder – wie wir falsch zu verdeutschen pflegen – von der »Wesensgleichheit« des Sohnes mit dem Vater, die auf dem ersten ökumenischen Konzil (325) in Nicaea gegen den Subordinatianismus des alexandrinischen Presbyters Arius aufgestellt wurde und die auf dem 2. ökumenischen Konzil von Konstantinopel (381) durch die seitdem klassische Formel von Vater, Sohn und Geist als den drei Hypostasen in einer einzigen ousia, oder – wie wir ebenfalls unrichtig zu übersetzen gewohnt sind – als den drei göttlichen »Personen« in einem einzigen »Wesen« interpretiert wurde.20 Die Frage nach dem Gott der Kirchenväter ist seit dieser Zeit die Frage nach dem trinitarischen Gott, und sie wird regelmäßig mit der Formel beantwortet, die Basilius von Caesarea geschaffen hat und die auf dem Konzil von Konstantinopel rezipiert wurde: Vater, Sohn und Heiliger Geist sind drei Hypostasen (oder drei »Personen«) in einer einzigen ousia. Dieser Gottesbegriff der Kirchenväter ist auch unser Gottesbegriff geworden, wenigstens dem Wortlaut nach. Und wenn im Thema dieser Vorlesung nach dem »Gott der Kirchenväter« gefragt ist, so ist nach dem Gottesbegriff von Nicaea und Konstantinopel gefragt. Es ist keine Frage, daß in diesen Formeln vom christlichen Gott in der Sprache der griechischen Metaphysik geredet wird, ja daß der Hellenisierungsprozeß, der sich im zweiten Jahrhundert anbahnt, hier auf seinem Gipfel angelangt zu sein scheint.21 Es ist weiter keine Frage, daß die damals entstandene Formel 19
Ebd. 345. Das erstmals auf dem Konzil von Chalcedon (451) als Glaubensbekenntnis der »150 Väter« von Konstantinopel (381) bekannt gewordene Symbol (DH 150) enthält die trinitarische Formel »eine ousia − drei Hypostasen« nicht; zu den vermutlichen Gründen siehe A. M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, FKDG 15, Göttingen 1965, 182–195. Die trinitarische Formel war jedoch offenbar in dem (verlorenen) Lehrtomus des Konzils von 381 enthalten, wie sich aus einem zusammenfassenden Referat im Synodalbrief der Konstantinopler Synode von 382 ergibt (bei Theodoret., hist. eccl. V, 9, 10–13 [GCS NF 5, 292, 5–293, 10 Parmentier/Hansen]). 21 Vgl. A. Grillmeier, Jesus Christus in Palästina, Hellas und anderswo. Zum Problem der 20
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unendlich vielen Interpretationsversuchen unterworfen wurde, in denen man darüber nachdachte, wie »ousia« und »hypostasis« angemessen zu definieren seien und wie sich die Dreizahl der Hypostasen zur behaupteten Einzigkeit der göttlichen »ousia« verhalte. Handelt es sich bei diesen Formeln um eine von den damaligen Theologen »logisch-formalistisch« entwickelte, gewissermaßen »höhere trinitarische Mathematik«, um eine »griechische Spekulation, die sich von ihrem biblischen Boden weit entfernte und kühn in schwindelnden Höhen das Geheimnis Gottes zu erspähen versuchte«, wie Hans Küng es formulierte,22 – oder ist damit doch etwas anderes, und zwar spezifisch Christliches gesagt und gewahrt? Die Entscheidung darüber, wieweit es gelungen ist, die biblische Gottesaussage in dem griechischen Begriffsapparat zu retten und wieweit diese Aufgabe verfehlt wurde, kann nur durch die Analyse der Genese dieser trinitarischen Formeln gefällt werden. Bei dieser jetzt vorzunehmenden Analyse wird sich auch herausstellen, was in dieser Vorlesung unter dem bisher nur andeutungsweise skizzierten Gottesbegriff der Bibel zu verstehen ist. Das unter dem Vorsitz des ersten christlichen Kaisers Konstantin d. Gr. 325 in Nicaea tagende Konzil hat, wie erwähnt, in seinem Glaubenssymbol erklärt, daß der Sohn aus der ousia des Vaters stamme und mit ihm homoousios (konsubstantial) sei.23 Über die Frage, was die Väter von Nicaea bewogen haben könnte, die philosophischen Begriffe ousia und homoousios in ein christliches Bekenntnis aufzunehmen, ist unendlich viel debattiert worden. Heute scheint sich die Ansicht durchzusetzen, daß diese Begriffe ins Symbol gelangten, weil man nur durch ihre Verwendung Arius und die Arianer eindeutig treffen konnte.24 Arius selbst formulierte mit diesen termini die absolute Fremdheit des Seins von Vater und Sohn. Wenn man wirksam bestreiten wollte, was er behauptete, Hellenisierung der Botschaft von Jesus Christus auf den Konzilen der griechisch-byzantinischen Reichskirche, LS 28, 1977, 16–26, hier 24: »Wenn die Übernahme griechischontologischer Begriffe in das ursprüngliche Christusverständnis eine hellenistische Umbildung verursacht hat, dann muß man die im vierten Jahrhundert schließlich angenommene Formel von den ›drei göttlichen Hypostasen (Personen) in einer Wesenheit (Natur)‹ als letzte Kodifizierung dieser Hellenisierung bezeichnen.« 22 H. Küng, Christ sein, München/Zürich 41974, 465. 463. 23 Symbolum Nicaenum, z. B. bei Athan., De decr. Nic. syn. 37, 2 (Werke II, 36, 35 f. O.) = DH 125. 24 Siehe M. Wiles, ΟΜΟΟΥΣΙΟΣ ΗΜΙΝ, JThS N. S. 16, 1965, 454–461, hier 454–456; ferner F. Ricken, Nikaia als Krisis des altchristlichen Platonismus, ThPh 44, 1969, 321–341, hier 334–341; 334, Anm. 26 weitere Literatur zum Thema; J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1971, 247–251; vgl. die Diskussion bei G. C. Stead, »Homoousios« dans la pense´e de saint Athanase, in: Politique et The´ologie chez Athanase d’Alexandrie. Actes du Colloque de Chantilly 23–25 Septembre 1973, e´dite´s par Ch. Kannengiesser, ThH 27, Paris 1974, 231–253, hier 231–242; ders., »Eusebius« and the Council of Nicaea, JThS N. S. 24, 1973, 85–100 [erneut in: Ders., Substance and Illusion in the Christian Fathers, CStS 224, London 1985, Nr. V; vgl. ders., Art. Homousios, RAC 16, 1994, 364–433]; F. Dinsen, Homoousios. Die Geschichte des Begriffs bis zum Konzil von Konstantinopel (381). Diss. theol., Kiel 1976, 82–88.
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mußte man das mit eben denselben Begriffen tun, die er benutzte. Arius erklärt wiederholt und mit Nachdruck, daß der Sohn Gottes mit dem Vater nicht »homoousios« ist25 und eine andere, vom Vater unendlich verschiedene ousia hat.26 Die Frage, warum Arius die Homoouseität des Sohnes mit dem Vater bestreitet, läßt sich nur beantworten, wenn man sich die Theologie des Arius vergegenwärtigt. Ihr Ausgangspunkt ist die Einzigkeit Gottes. Einzig ist Gott, weil er allein »agennetos«, d. h. ungeworden oder unerzeugt ist. Er allein hat keine Ursache seines Seins; er ist ohne Ursprung und ohne Anfang (a´narchos), ewig, unwandelbar und unveränderlich.27 Alles, was sonst noch ist, ist geworden, hat also eine Ursache und einen Anfang seines Seins. Geworden ist es durch den Willen und die Kraft Gottes. Auch der Sohn ist durch den Willen Gottes ins Sein getreten, denn er ist gezeugt und hat einen Anfang: bevor er gezeugt wurde, war er ja nicht.28 Er kann nicht aus der ousia oder der Hypostase (d. h. aus dem Seinsbestand) Gottes selbst hervorgegangen sein; denn dies würde unweigerlich bedeuten, daß Gottes ousia teilbar sei und den Sohn als einen konsubstantialen Teil hervorgetrieben hätte. Was aber Teile hat, ist zusammengesetzt und niemals Gott; denn das Zusammengesetzte ist nicht das Erste; es hat eine Ursache seines zusammengesetzten Seins, die vor ihm liegt.29 Gott aber muß das Erste sein: alleiniges ursprungsloses Prinzip und höchste Einheit. Gott ist Monas:30 absolut einfach und einzig. Der Sohn stammt also nicht aus der ousia des Vaters und ist nicht mit ihm homoousios, sondern verdankt seine Existenz dem Willensentschluß des Vaters; er ist geworden und hat einen Anfang. Denn wäre er wie der Vater ungeworden und ohne Anfang, so gäbe es zwei ungewordene (ursprungslose) Prinzipien, 25 Arius, Thalia, bei Athan., De synodis 15, 3 (Werke II, 242, 16 f. Opitz): ῎ιδιον ου᾽δε`ν ε῎χει του῀ ϑεου῀ καϑ᾽ υ῾πο´στασιν ι᾽διο´τητος, ου᾽δε` γα´ρ ε᾽στιν ῎ισος α᾽λλ᾽ ου᾽δε` ο῾μοου´σιος αυ᾽τω ῀ͺ. −
Vgl. Arius, Confessio fidei ad Alexandrum, bei Athan., De syn. 16, 3. 5 (Werke II, 243, 35 f.; 244, 18 O.). 26 Arius, Thalia a. a. O. (Werke II, 242, 24–27 O.): η῎γουν τρια´ς ε᾽στι δο´ξαις ου᾽χ ο῾μοι´αις,
α᾽νεπι´μικτοι ε῾αυται῀ς ει᾽σιν αι῾ υ῾ποστα´σεις αυ᾽τω ῀ ν, μι´α τη ῀ ς μια ῀ ς ε᾽νδοξοτε´ρα δο´ξαις ε᾽π᾽ α῎πειρον. ξε´νος του῀ υι῾ου῀ κατ᾽ ου᾽σι´αν ο῾ πατη´ρ, ο῞τι α῎ναρχος υ῾πα´ρχει. − Zu den Parallelen der Arius-
Zitate in den Arianerreden des Athanasius siehe jetzt die kritische Studie von G. C. Stead, The Thalia of Arius and the Testimony of Athanasius, JThS N. S. 29, 1978. 20–52; hier 26 f. [erneut in: Ders., Substance and Illusion (wie Anm. 24), Nr. X]. 27 Arius, Confessio ad Alex., bei Athan., De syn. 16, 2 (Werke II, 243, 28–30 O.) und ebd. 16, 4 (II, 244, 8 f. O.): και` ο῾ με`ν θεο`ς αι῎τιος τω ῀ ν πα´ντων τυγχα´νων ε῎στιν α῎ναρχος μονω´τατος . . . Vgl. Arius, Thalia, a. a. O. (II, 242, 9–13 O.). 28 Arius, Thalia, a. a. O. (II, 242, 11–13; 243, 1–3. 5. 11. 19 O.); confessio ad Alex., bei Athan., De syn. 16, 2–4 (II, 243, 31–33; 244, 2–6. 9 f. O.); ep. ad Euseb. Nicomed. 4 f. (Urkunde 1 Opitz: Athan., Werke III, 3, 1–4 Opitz). 29 Arius, Confessio ad Alex., bei Athan., De syn. 16, 3. 5 (Werke II, 244, 35 f., 244, 15– 20 O.). 30 Ebd. 3 f. (II, 243, 36–244, 1; 244, 11–13 O.): . . . ου᾽δε` . . . δυ´ο α᾽γεννη´τους α᾽ρχα`ς . . ., α᾽λλ᾽ ω῾ς μονα`ς και` α᾽ρχη` πα´ντων, ου῞τως ο῾ ϑεο`ς προ` πα´ντων ε῾στι´. Vgl. Thalia, a. a. O. (Athan., Werke II, 243, 1 Opitz).
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d. h. zwei gleiche Götter. Das ist aber nicht nur wider die Vernunft, sondern auch wider den Glauben. Gottes Ursprungslosigkeit bedeutet also absolute Transzendenz. Es gibt niemanden, der das Sein mit ihm teilt; er ist nur für sich selbst, absolut in sich verschlossen;31 allem anderen unaussagbar, unaussprechlich. Sowenig wie die übrigen Geschöpfe vermag der Sohn den Ursprungslosen zu erkennen oder zu erfassen. Das, was der Vater eigentlich ist, kann der Sohn nicht erkennen und deswegen auch nicht sagen, eben weil er geworden ist.32 Zwischen dem Ursprungslosen und dem, was einen Ursprung hat, besteht eine absolute und unüberschreitbare Barriere. Die Geschöpfe können Gott nicht erkennen und nicht zu ihm gelangen. Aber auch von Seiten Gottes ist diese Barriere unüberwindbar. Gott kann sich den Geschöpfen nicht zu erkennen geben. Ja, er kann sie noch nicht einmal selbst schaffen. Dies ist, was sich notwendig aus einigen nur zurückhaltend an gedeuteten Spekulationen des Arius ergibt, wenn man sie in den Gesamtzusammenhang seines Systems einordnet. Die gewordene Natur könnte das volle Gewicht der Hand des Vaters und die Erschaffung durch ihn selbst nicht ertragen, sagt Arius in bildlicher Rede. Gott schafft nicht selbst, er überläßt die Hervorbringung des Alls einem Mittelwesen. Das ist der Logos oder Sohn Gottes.33 Philosophisch ausgedrückt: Gott ist Monas und als Monas nur sich selbst zugewandt. Würde er sich einem außerhalb seiner selbst zuwenden, so würde er die Vielheit in sich aufnehmen. Er verlöre sein Eins-sein und damit die Einzigkeit und das Gottsein. Die Monas kann also nicht unmittelbare Ursache der Schöpfung sein. Ihre Vielheit braucht eine vermittelnde Ursache. Dies ist die kleinste Vielheit, die Dyas oder Zweiheit. Diese Dyas ist im Logos gegeben.34 Logos ist ja Vernunft, 31
Ebd. (II, 243, 15. 17 Opitz): ε῎στι γα`ρ ε῾αυτω ῀ͺ ο῞ ε᾽στι του῀τ᾽ ε῎στιν α῎λεκτος . . ., ο῞ς ε᾽στιν ε᾽φ᾽
ε῾αυτου῀. 32
Ebd. (II, 242, 9; 243, 14–17. 20–23 Opitz). Athan., Contra Arianos II, 24 (PG 26, 200 A [neue Edition mit teils abweichendem Wortlaut: Athanasius, Werke I/1/2, hg. von K. Metzler/K. Savvidis, Berlin/New York 1998, 201, 24–28]) weist dem Eusebius, Arius und Asterius folgendes Zitat zu: »Da Gott die gewordene Natur schaffen wollte, aber sah, daß sie die unabgeschwächte Hand des Vaters und die Erschaffung durch ihn selbst nicht ertragen könnte, macht und schafft er, der erste und alleinige, einen einzigen anderen alleinigen und nennt diesen Sohn und Logos, damit er Mittler würde und so durch ihn schließlich das All entstehen könne.« An der parallelen Stelle Athan., De decr. Nic. syn. 8, 1 (Werke II, 7, 18–22 O.) werden die Worte als von Arius kopiertes Produkt des Asterius bezeichnet. Weitere parallele Aussagen, die dem Arius zugeschrieben werden, bei Athan., c. Arian. I, 5 (PG 26, 21 A-B [Werke I/1/2, 114 Metzler/Savvidis]) und ders., ep. ad episc. Aegypti et Libyae 12 (PG 25, 565 A-B [Werke I/1/1, 52 Metzler/Hansen/Savvidis]). Vgl. Arius, confessio ad Alex., a. a. O. (Athan., Werke II, 244, 9–11 O.): »Der Sohn . . . allein wurde vom Vater in Existenz gesetzt«; Thalia, a. a. O. (II, 242, 14 Opitz): »Als Ursprung des Gewordenen setzte der Ursprungslose den Sohn.« 34 Arius, Thalia, a. a. O. (II, 243, 1 Opitz): συ´νες ο῞τι η῾ μονα`ς η῏ν, η῾ δε` δυα`ς ου᾽κ η῏ν, πρι`ν υ῾πα´ρξηͺ. Dazu: G. C. Stead, The Platonism of Arius, JThS N. S. 15, 1964, 16–31, hier 19 [erneut in: Ders., Substance and Illusion (wie Anm. 24), Nr. III]; F. Ricken, Nikaia als Krisis (s. Anm. 24), 330. 33
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Denken, Plan. Denken schließt immer Zweiheit ein: den der denkt, und das was gedacht wird. Der Logos also ist als kleinste Vielheit die unmittelbare Ursache der geschaffenen Dinge. Er ist ein zweiter, untergeordneter Gott.35 Vor allem durch die Arbeiten von Christopher Stead und Friedo Ricken ist deutlich geworden, daß dieses theologische System des Arius, das ich soeben in seinen Grundzügen skizziert habe, auf dem Hintergrund der kaiserzeitlichen platonischen Traditionen zu verstehen ist.36 Der von den Apologeten aufgenommene philosophische Gottesbegriff des Mittleren Platonismus ist von Arius bis zu seinen letzten Konsequenzen getrieben worden. Bei diesen Platonikern finden wir jenen ungewordenen, ursprungslosen, unteilbaren und unwandelbaren, völlig einfachen Gott, der als Monas absolut transzendent, unzugänglich und unaussagbar nur in sich selbst verharrt; der sich damit begnügt zu sein; der, um nicht in die Gespaltenheit des Denkens hineingezogen zu werden, den Kosmos nicht selbst gestaltet und mit ihm keinerlei Kontakt hat; der die Planung und Durchführung dieses Werks vielmehr einem zweiten, minderen Gott überläßt, dem durch Bewußtsein »gedoppelten« Nous oder der Vernunft. Dieser »doppelte« Nous ist es, der als Dyas zwischen der transzendenten Monas und der Vielheit des Kosmos vermittelt.37 Es ist nicht schwer, in diesem System die Grundgedanken und selbst die Begriffe des Arius wiederzufinden. Fundamental ist das Vermittlerschema. Der absolut transzendente Gott bedient sich, um den Kosmos zu denken und entstehen zu lassen, eines Mittelwesens, das einem Zwischenbereich angehört. Es ist nicht Gott aus sich, gehört auch nicht zum Kosmos, sondern steht als zweiter, geringerer Gott dazwischen. Geringer ist er, weil er als Bewußtsein bereits Zweiheit ist. Der höchste Gott kann aber nur Einheit sein. Aber wir müssen, um das System des Arius zu erklären, noch einen Schritt weiter gehen. Wir haben nämlich eine Frage übergangen. Es genügt ja nicht, um die Entstehung der Vielheit des Kosmos zu erklären, auf die kleinste Vielheit, die Dyas, zu verweisen. Woher kommt die Dyas, wenn das höchste Prinzip Monas ist? Wie kann denn die Dyas entstehen, wenn doch Gott als Monas unverrückbar in sich selbst verharrt und sich, um seine Einheit nicht zu verlieren, niemandem außerhalb seiner selbst zuwenden kann? Auf diese Frage finden wir bei Arius keine ausdrückliche Antwort. Der Logos oder die Dyas, sagt Arius, ist Produkt nicht der ousia der Monas, sondern ihres Willens oder ihrer Energie. Wenn diese Aussage innerhalb seines Systems 35 Arius, Thalia, a. a. O. (II, 243, 13 O.): »Als ein starker Gott besingt er (sc. der Sohn) nach Vermögen den Stärkeren.« 36 G. C. Stead, The Platonism of Arius (s. Anm. 34) und F. Ricken, Nikaia als Krisis (s. Anm. 24); zudem auch ders., Zur Rezeption der platonischen Ontologie bei Eusebios von Kaisareia, Areios und Athanasios, ThPh 53, 1978, 321–352, bes. 337–343. Vgl. jedoch schon H. M. Gwatkin, Studies of Arianism, Cambridge 21900; Nachdruck New York 1978, 21 f. 37 Siehe die in Anm. 7 und 36 genannte Literatur; dazu E´. des Places (Hg.), Nume´nius, Fragments. Texte e´tabli et traduit, CUFr, Paris 1973, 10–32.
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sinnvoll sein soll, das heißt wenn die Monas Monas bleiben und die Transzendenz der göttlichen ousia durch die Betätigung des Willens oder der Energie nicht aufgehoben werden soll, dann darf zwischen der ousia der Monas und ihrer Energie kein Zusammenhang bestehen. In der Tat wissen wir, daß ein späterer Schüler des Arius, der scharfsinnige Dialektiker Eunomius, jede Einheit zwischen der ousia und ihrer Energie bestritten hat.38 Derselbe Gedanke ist bei Arius vorauszusetzen. Die Energie fließt ab, ohne daß davon die ousia der Monas berührt wird. Die Monas bleibt unverändert und ungemindert in sich Monas. Zwischen der Monas und dem Produkt ihrer Energie, der Dyas, gibt es keinen Kontakt. Ihre Seinswirklichkeiten (oder wie Arius sagt:) ihre Hypostasen oder ousiai sind ohne Verbindung zueinander, durch einen unendlichen Abstand getrennt, einander absolut fremd. Oder kurz zusammengefaßt: Der Sohn ist nicht aus der ousia oder Hypostase des Vaters; er ist ihm nicht homoousios. Obgleich man bislang, so viel ich sehe, einen Einfluß Plotins auf Arius nicht nachgewiesen hat,39 scheint mir die absolute Trennung zwischen dem höchsten Gott und der durch seine Energie entstandenen zweiten Hypostase, die im System des Arius vorausgesetzt ist, am ehesten auf dem Hintergrund plotinischer Spekulationen verständlich zu sein. Dafür spricht m. E. auch, daß Eunomius, der Schüler des Arius, bei dem der entsprechende Gedankengang voll ausgebildet ist, durch eine Reihe von Forschern eindeutig in die neuplatonische Tradition eingereiht werden konnte.40 Das Göttliche ist für Plotin dreigestuft in Hen, Nous, Psyche (Eines, Vernunft, Seele).41 Der höchste Gott Plotins ist das Eine. Dieses Eine, das für jede Vorstellung und für jedes Denken unerreichbar ist, ist absolut Eines und nichts anderes als Eines. Man kann von ihm gar nichts aussagen, noch nicht einmal, daß es ist oder daß es denkt. Es ist jenseits von Seiendem und Denken. Denn von jedem Seienden gilt ja ein Zweifaches: es ist, und es ist eines. Zweiheit aber darf ins erste Eine nicht hineingetragen werden. Deswegen denkt das Eine auch nicht: »Es muß . . . das Denkende, wenn es denkt, in der Zweiheit sein (und zwar ist entweder das eine Glied dieser Zweiheit außerhalb, oder beide sind 38 Eunom., apol. 22–24 (PG 30, 857 B–861 A [62–66 Vaggione]); dazu vgl. A. Meredith, Orthodoxy, Heresy and Philosophy in the Latter Half of the Fourth Century, HeyJ 16, 1975, 5–21, hier 11–15. 39 Vgl. die Bemerkungen bei G. C. Stead, The Platonism of Arius (s. Anm. 34), 16 f. 40 Vgl. E. Vandenbussche, La part de la dialectique dans la the´ologie d’Eunomius »le technologue«, RHE 40, 1944–45, 47–72; J. Danie´lou, Eunome l’Arien et l’exe´ge`se ne´oplatonicienne du Cratyle, REG 69, 1956, 412–432. 41 Zum Folgenden vgl. u. a. H. Dörrie, Plotin, Philosoph und Theologe, WG 23, 1963, 1–12, jetzt in: Ders., Platonica Minora, München 1976, 361–374; P. Henry, Plotins Standort in der Geschichte des Denkens (1962), in: C. Zintzen (Hg.), Die Philosophie des Neuplatonismus, WdF 436, Darmstadt 1977, 118–164; V. Schubert, Plotin. Einführung in sein Philosophieren, Freiburg/München 1973; A. H. Armstrong, The Escape of the One. An investigation of some possibilities of apophatic theology imperfectly realised in the West, StPatr 13 = TU 116, Berlin 1975, 77–89, bes. 77–85.
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innerhalb desselben Wesens vereint), das Denken muß sich immer in der Andersheit befinden und dabei doch auch notwendig in der Selbigkeit«.42 »Das Denkende kann . . . nicht einfach bleiben, und das um so weniger, als es sich selber denkt, denn dann muß es sich selber verdoppeln – auch wenn es mit dem Schweigen als Sich-selbst-Erfassen einverstanden ist«.43 Selbst »wenn der Geist sowohl das Denkende wie selber das Gedachte ist, so ist er zwiefältig und nicht einfältig, also nicht das Eine«.44 Von hier aus kritisiert Plotin den Gottesbegriff des Aristoteles, Metaphysik Lambda, nach dem das erste Prinzip Denken des Denkens, Denken seiner selbst ist.45 Der denkende Nous, zugleich göttliches Selbstbewußtsein und intelligibles All, ist als Denken Dyas oder Zweiheit, und deswegen nicht das erste Eine, sondern der zweite Gott.46 Für Plotin besteht nun die Notwendigkeit zu erklären, wie die Zweiheit des Geistes, des Nous, entstehen kann, ohne daß die absolute Transzendenz des ersten Prinzips, des Einen, verletzt wird. In einem berühmten Traktat, dem sein Schüler und Herausgeber seiner Werke Porphyrius den Titel »Über die drei ursprünglichen Hypostasen« gegeben hat, beschreibt er die Entstehung des Nous in metaphorischer Rede folgendermaßen: Die Zweiheit (der Nous) entsteht und ge winnt ihre Hypostasis, ohne daß das Erste sich bewegt oder sich zu ihm neigt und ohne dessen Willensentschluß. Das Erste verharrt in vollkommener Ruhe. Es bleibt unbewegt. Und während das Erste verharrt, umgibt das Zweite (der Nous) das Erste wie ein rings aus ihm strahlender Glanz; so wie der Glanz der Sonne, der sie gleichsam umspielt, der ständig aus ihr geboren wird, wobei sie aber unverändert verharrt.47 Die zweite Hypostase ist also die Konkretion der abstrahlenden Energie des Ersten, des Hen, und hat eine geringere Seinshöhe als das erste Eine.48 Dessen Energie strahlt ab, ohne daß das Erste in irgendeiner Weise davon betroffen wird. Das Erste kümmert sich absolut nicht um das Zweite, es nimmt das Zweite nicht zur Kenntnis, denn es denkt nicht. Das Erste strahlt seine Energie ab, und zwar wesensnotwendig, und daraus entsteht das Zweite, wobei das Erste völlig unberührt, ungemindert und unbewegt in sich verharrt. Das Erste ist nur sich allein zugewandt.
42 Plotin, Enn. V, 3, 10, 23–25; übersetzt von R. Harder, Plotins Schriften V a, Hamburg 1960, 147. 43 Enn. V, 3, 10, 44–46; Übersetzung weitgehend nach R. Harder, a. a. O. 149. 44 Enn. VI, 9, 2, 36–38; übers. von R. Harder, Plotins Schriften I a, Hamburg 1956, 177; zu der These, daß das Eine nicht denkender oder erkennender Geist sein kann, vgl. Enn. VI, 9 passim, und den ganzen Traktat Enn. V, 6: »Was jenseits des Seienden liegt, denkt nicht.« 45 Siehe z.B. Enn. V, 1, 9, 7–9; weitere Stellen bei J. Trouillard, Raison et mystique chez Plotin, RE´Aug 20, 1974, 3–14, hier 4. 46 Vgl. Enn. V, 1, 4–6. 47 Vgl. Enn. V, 1, 6, 25–31. 48 Vgl. Enn. V, 1, 6, 39.
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Mir scheint, daß wir hier das Modell finden, nach dem sich Arius den Hervorgang des Sohnes aus der Energie Gottes vorstellt. In jedem Falle ist dieses Modell später von Eunomius benutzt worden. Die scharfe Trennung zwischen dem ersten Einen und seiner Energie ist notwendig, um die absolute Transzendenz des Einen zu wahren. Zuwendung zu dem, was nach ihm kommt, würde augenblicklich Zweiheit bedeuten. Damit wäre die Einheit zerstört, das Eine wäre nicht mehr Eines und nicht mehr das Erste. Der erste Gott Plotins ist völlig in sich. Er kann nicht aus sich heraustreten. Er wendet sich niemandem zu. Dieser Gott hat keine Stimme. Er ruft niemanden. Er liebt niemanden. Er ist keine Person. Auch was nach ihm kommt, kann nicht Person sein, denn Person wird konstituiert durch den Ruf und die Antwort. Hier aber ergeht kein Ruf. Deswegen gibt es diesem Gott gegenüber auch keine Schuld oder Sünde. Schuld gibt es nur, wo ein Ruf ausgeschlagen, eine Antwort verweigert, wo Liebe verletzt wird. Der höchste Gott Plotins aber liebt nicht, was nach ihm kommt, und er verlangt keine Gegenliebe. Man könnte mir, wenn ich hier die Theologie des Arius auf die mittel- und neuplatonische Gottesvorstellung zurückführe, leicht vorwerfen, daß ich einige Texte des Arius über Gebühr strapaziere, andere Aussagen dagegen sträflich vernachlässige, daß ich also die Theologie des Arius ver zerre. In der Tat, Arius sagt, der einzige Gott sei aller Richter, Lenker und Verwalter, gerecht und gut, der Gott des Alten und des Neuen Bundes.49 Aber diese aus der christlichen Tradition übernommenen Worte allein besagen noch gar nichts. Entscheidend ist die Interpretation, die Arius von den Worten gibt. Auch die Philosophen haben solche traditionellen Gottesprädikate aufgenommen wie »Vater«, »König«, »Herrscher und Verwalter des Alls«. Sowenig wie bei ihnen sind diese Bezeichnungen bei Arius mehr als ein metaphorischer Ausdruck für das erste Prinzip, das trotz seiner Allursächlichkeit aus seiner Transzendenz nicht heraustritt. Aber selbst wenn ich mit der Analogie, die ich zwischen der arianischen Produktion des Logos aus der Energie der Monas und dem plotinischen Hervorgang des Nous aus der Energie des Hen festgestellt habe, zu weit gegangen bin, bleibt doch bestehen, daß der Gott des Arius nur in sich selbst verharrt, in seinem eigentlichen Sein unerkennbar und unaussagbar für alle.50 Er ist also bestenfalls in Entsprechung zum Gott des Aristoteles, zu dieser sich selbst denkenden Vernunft, aufzufassen, die aber ebenfalls nur in sich kreist und keinen Bezug zur Welt hat.51 Die Väter von Nicaea waren der Auffassung, daß dieser Gott des Arius nicht der Gott der Bibel ist. Sie fanden in der Schrift nicht jenen gänzlich in Schweigen gehüllten, nur sich selbst zugekehrten und einer offenbarenden und liebenden Selbstmitteilung unfähigen Gott, von dem wir nur wissen, daß er mit 49
Arius, Confessio ad Alex., a. a. O. (Athan., Werke II, 243, 30 f. O.). Siehe die Belege oben Anm. 31 f. 51 Vgl. F. Ricken, Zur Rezeption der platonischen Ontologie (s. Anm. 36) 342 f. 50
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uns nichts vorhat, weil er mit niemandem zu tun haben kann außer mit sich selbst – er verlöre sonst sein Gottsein. In der Schrift wird ein Gott verkündet, dessen Größe nicht darin besteht, daß er unberührt über allem thront, sondern darin, daß der Unerreichbare sich dem Kleinen erreichbar gemacht hat, ohne sich dadurch selbst zu verlieren und seine Überlegenheit preiszugeben. Gott selbst ist es (und nicht ein Mittelwesen, wie Arius meint), der nach den Aussagen der Bibel im Schöpfungsakt aus sich heraustritt und sich den Geschöpfen zuwendet.52 Ja noch mehr, Gott schafft nicht nur selbst, er ruft sein Geschöpf und gibt sich damit selbst als Person zu erkennen und konstituiert den Menschen als Person: »Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet« (Ex. 33, 11). Wenn wir aber in der Schrift einen Gott finden, der im Schöpfungs- und Offenbarungswort aus sich heraustritt, der sich einem außerhalb seiner selbst zuwenden, der sich also seiner selbst entäußern kann, wer will diesem Gott dann vorschreiben, wieweit die Selbsthingabe an das Geschöpf, die bereits in der eigenhändigen Schöpfung beginnt, gehen kann? Wer will ihm bestreiten, daß er sich so an das Geschöpf veräußern kann, daß er eins mit ihm wird? Wer will ihm die Grenze seiner Selbstentäußerung bestimmen? Wer will ihm vorschreiben, daß er nicht Mensch werden kann? Das kann man grundsätzlich nur bestreiten, wenn man bestreitet, daß Gott selbst schaffen kann. Die Griechen haben das getan. Arius ist ihnen gefolgt. Wer leugnet, daß Gott Mensch werden kann, muß konsequenterweise auch leugnen, daß er selbst schaffen kann. Die Entscheidung fällt bereits hier.53 Freilich muß man sich darüber im klaren sein, daß mit der Entscheidung für einen Gott, der selbst schafft, der Gott der griechischen Metaphysik aufgegeben ist. Man kann mit dieser Philosophie in der Theologie dann nicht mehr so hantieren, als ob sie noch gälte. Diesen Gott der Bibel, der sich dem Menschen zuwendet und im menschgewordenen Logos sein eigenes Wort an die Menschen richtet und sie durch dieses eigene Wort zu sich selbst ruft und führt, haben die Väter von Nicaea verteidigt, wenn sie im Glaubensbekenntnis sagen, der Sohn sei aus der ousia, d. h. aus dem Sein des Vaters selbst und mit ihm homoousios, eines Seins. Die 52 Siehe die − freilich viele Jahre nach Nicaea geschriebene − Widerlegung des arianischen Mittlerbegriffs bei Athan., Contra Arianos II, 21–28 (PG 26, 189 C–208 A [Werke I/1/2, 197, 1–205, 27 Metzler/Savvidis]), und sein tiefsinniges Wort: ου᾽κ ε῎στι γα`ρ ε᾽ν ϑεω ῀ͺ τυ῀φος: Es gibt in Gott keinen Hochmut gegenüber den Geschöpfen (ebd. 25: PG 26, 200 B [202, 9 Metzler/Savvidis]); vgl. die parallelen Ausführungen in seinem Werk De decr. Nic. syn. 7 f. (Werke II, 6–8 O.). 53 Dieser innere Zusammenhang der verschiedenen Formen der freien Selbstentäußerung Gottes im Wort der Schöpfung, Offenbarung und Menschwerdung ist z.B. von A. v. Harnack übersehen, wenn er zwar den Schöpfungsgedanken als ein »unzweifelhaft . . . dem Evangelium entsprechendes Element« anerkennt, Gottmenschheit und Trinität aber als »von den Evangelien her« gesehen »ganz fremd« anmutend ablehnt: »Das Wesen des Christentums« (s. Anm. 12), 136 f.
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Worte sind die der griechischen Metaphysik. Der Gott aber, der mit diesen Worten ausgesagt wird, ist der Gott der Bibel. Das »homoousios« von Nicaea bedeutet nicht Hellenisierung des Christentums. Es ist »Enthellenisierung«.54 Nun aber sind wir mit dem »homoousios« von Nicaea noch keineswegs bei der trinitarischen Formel von Konstantinopel: »eine ousia − drei Hypostasen«. Ja, diese Formel wäre wohl nie entwickelt worden, wenn man die Aussage von Nicaea in ihrer ganzen Tragweite verstanden hätte. Es scheint aber vielen der damaligen Theologen − so sehr sie auch gegen die Griechen und ihre Philosophie verbaliter zu Felde ziehen − nicht vollauf bewußt geworden zu sein, daß mit der Definition von Nicaea die antike metaphysische Gotteslehre grundsätzlich verlassen war und daß das Wort »homoousios« nicht auf dieser Grundlage interpretiert werden darf. Denn merkwürdigerweise setzen nun, wenigstens bei den meisten Theologen − Athanasius macht eine Ausnahme −, die Spekulationen bei den Begriffen »aus der ousia« und »homoousios« des Nicaenums ein und laufen nach eben den Gesetzen der antiken Metaphysik ab, die in Nicaea außer Kraft gesetzt wurden. Der Sog dieses Denkens war zu stark. Die Deutung, die der Freund des Athanasius und einer der ersten Köpfe in Nicaea, der Konzilstheologe Markell von Ankyra, vom »homoousios« gab, führt in letzter Konsequenz zu einem absurden Gottesbild. Auch für Markell ist Gott (nicht anders als für Arius) Monas, höchste in sich ruhende Einheit.55 Aber im Unterschied zu Arius kennt Markell eine Selbstmitteilung Gottes an das Geschöpf. Eben deswegen verteidigt er das »homoousios« von Nicaea.56 Der Logos
54 Die Formulierung stammt von A. Grillmeier, Jesus von Nazaret − »im Schatten des Gottessohnes«?, in: H. U. von Balthasar u. a., Diskussion über Hans Küngs »Christ sein«, Mainz 1976, 81: »Nikaia ist nicht Hellenisierung, sondern Enthellenisierung oder Befreiung des christlichen Gottesbildes von hellenistischer Engführung und Aufspaltung.« 55 Siehe Markell, fg. 66 f.; 71; 76–78 (Klostermann). Zu Markells Theologie vgl. aus jüngerer Zeit: T. E. Pollard, Johannine Christology and the Early Church, Cambridge 1970, 246–322; E. Schendel, Herrschaft und Unterwerfung Christi. 1 Kor 15, 24–28 in Exegese und Theologie der Väter bis zum Ausgang des 4. Jahrhunderts, BGE 12, Tübingen 1971, 111–132; M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, SEAug 11, Roma 1975, 66–71; A. Grillmeier, Christ in Christian Tradition, vol. 1: From the Apostolic Age to Chalcedon (451), London/Oxford 21975, 274–296, mit ausgiebigen Literaturangaben 274 Anm. 1 [Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, Freiburg/Basel/Wien 31990, 415 f. Anm. 1]. 56 Vgl. Markells soteriologische Argumentation für die Einzigkeit der Hypostase (= ousia: frgm. 81–83) oder Person des Vaters und Sohnes in frgm. 76 (Klostermann). Genau genommen, kommt das Wort »homoousios« in den von Eusebius von Caesarea überlieferten Fragmenten Markells nicht vor, sei es, weil Markell das Wort wirklich nicht benutzte, sei es, weil Euseb keine Lust verspürte, das ihm unbequeme Wort wieder ins Spiel zu bringen. Von der Sache her gesehen, stimmte Markell mit dem nizänischen »homoousios« jedenfalls voll überein und wurde auch von den Zeitgenossen als Vertreter des »homoousios« betrachtet; vgl. F. Dinsen, Homoousios (s. Anm. 24), 76–80. In der pseudathanasianischen Epistula ad Liberium, die M. Tetz in einer eingehenden Untersuchung dem Markell zugewiesen hat, steht das »homoousios« an betonter Stelle, siehe M. Tetz, Zur Theologie des Markell von Ankyra III. Die pseudathanasianische Epistula ad Liberium, ein Markellisches Bekenntnis, ZKG 83, 1972, 145–194, hier 152, Z. 36.
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ist wirklich Gottes eigenes Wort; er soll nach Markell auch die Selbstmitteilung Gottes ermöglichen. Um aber nun nicht die Monas Gottes zu zerstören, läßt Markell keine seinsmäßige Differenzierung in Gott selbst zu. Der Logos ist nicht ein Anderes in Gott selbst, sondern mit Gott identisch, eine einzige ousia und eine einzige Person. Ohne im Sein von Gott getrennt zu werden – denn er ist ja mit Gott homoousios – tritt der Logos Gottes zum Zwecke der Selbstmitteilung im Wirken, und zwar im Wirken allein, aus Gott hervor, schafft die Welt, schafft sich einen Menschen, mit dem er sich verbindet, bewirkt die Erlösung und kehrt, nachdem dies alles vollbracht ist, am Ende der Zeiten in den ruhenden Zustand in Gott zurück. 57 – Und was wird aus dem Werk, das er geschaffen hat, fragt Apolinarius von Laodicea, wenn der Logos wieder in Gott ruht und nicht mehr wirkt? Es stürzt notwendig in sich zusammen; denn wenn das Wirken des Logos ein Ende hat, hat auch das Gewirkte ein Ende. Gott könnte also wieder von vorne beginnen.58 Ein solches Verständnis des »homoousios«, das Gott und Logos als eine einzige Seinswirklichkeit identifiziert, führt also letztlich wieder zu einem Gott, der nicht in der Lage ist, sich auf die Dauer einen Partner außerhalb seiner selbst zu schaffen. Angesichts dieser theologisch unhaltbaren Interpretation des »homoousios« versuchte eine andere Gruppe von Theologen, zu denen auch Basilius von Caesarea gehörte, den umstrittenen Begriff einfach zu umgehen. Er führte zu unüberwindlichen Schwierigkeiten, solange man ihn in irgendeinem philosophischen Sinn zu deuten suchte – und das tat man unweigerlich.59 Um das eigenständige Sein des Logos und damit die Schöpfung und Erlösung als dauernde Tat Gottes zu retten,60 zog Basilius es vor, Vater und Sohn als zwei unveränderlich gleiche ousiai oder Hypostasen (= konkrete Seiende) zu bezeichnen.61 Aber man machte ihm sehr bald klar, daß er damit von zwei gleichen Göttern rede.62 Und da es zwei gleiche Götter nicht geben kann, mußten es zwei un57
Vgl. Markell, frgm. 41; 60; 71; 103; 116 f.; 121 (Klostermann). Siehe die antimarkellische Argumentation bei Ps-Athanasius, Contra Arianos IV, 12; 14; 25 (PG 26, 481 C–484 A; 488 A-B; 505 C–508 A); dazu vor allem A. Stegmann, Die ῀ ν λο´γος‹ ein Apolpseudoathanasianische »IVte Rede gegen die Arianer« als ›κατα` ᾽Αρειανω linarisgut (Diss. theol. Würzburg), Rottenburg 1917, 99–108; und T. E. Pollard, Johannine Christology and the Early Church, Cambridge 1970, 298–316. − Stegmann hat in der genannten Arbeit Apolinarius von Laodicea als Autor von c. Arian. IV zu erweisen versucht, konnte sich aber nicht durchsetzen. Aufgrund von spezifischen Übereinstimmungen in Stil und theologischer Argumentation zwischen c. Arian. IV und der pseudathanasianischen Schrift »contra Sabellianos« (PG 28, 96–121), als deren Verfasser ich Apolinarius zu erweisen versuchte, bin ich geneigt, Stegmann zuzustimmen; vgl. meine Habilitationsschrift [Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989]. 59 Vgl. Basil., ep. 361 ad Apolinarium (CUFr III, 221, 15–24 Courtonne) = 202, 13–20 H. de Riedmatten, La correspondance entre Basile de Ce´sare´e et Apollinaire de Laodice´e I, JThS N. S. 7, 1956, 199–210. 60 Vgl. Basil., ep. 210, 3 (CUFr II, 192, 15–21 Courtonne). 61 Vgl. Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 24–35 C.) = 202,20–28 Riedmatten; ep. 9, 3 (CUFr I 39, 1–10 Courtonne); hom. 23, 4, in s. martyrem Mamantem (PG 31, 597 C). 62 Siehe Eunom., apol. 19–21 (PG 30, 853 B–857 B [56–62 Vaggione]); die dortige Ar58
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gleiche sein. Den Beweis lieferte in einem einzigen Syllogismus der Spätarianer Eunomius von Cyzicus.63 Eunomius setzt durchaus auf einer Basis an, die Basilius mit ihm teilt, wenn er von der Agennesia, der Ungewordenheit oder Unerzeugtheit Gottes ausgeht.64 Und er folgert nun: Wenn Gottes Sein (seine ousia) Unerzeugtheit ist (weil er allein ohne Ursache ist), der Sohn aber dem Begriff und der ousia nach gezeugt ist (weil es einen unerzeugten Sohn nicht gibt), so kann der Sohn nicht im Besitz der ousia oder des Seins des Vaters sein; er hat eine andere, ungleiche ousia.65 Diese Schlußfolgerung ist sicherlich richtig. Das unverursachte Sein oder die unverursachte ousia kann schon dem Begriff nach nur eine einzige sein. Das verursachte Sein gehört nicht zum Sein des Unverursachten. Damit sind wir aber wieder auf die Position des Arius zurückgeworfen.66 Der Sohn gehört nicht zum Sein des Vaters, er offenbart den Vater nicht, er schenkt nicht das Leben des Vaters. Vater, Sohn, Geist sind drei absolut getrennte Seinswirklichkeiten, oder in der Sprache des Eunomius: drei einander unähnliche ousiai oder Hypostasen.67 Wenn man gegen diesen Angriff des Eunomius die Aussage verteidigen wollte, daß der Sohn zum Sein des Vaters gehört, dann war das nur noch möglich, indem man erklärte: Die Unerzeugtheit ist nicht die ousia Gottes. Das hat Bagumentation gegen die Homoiousianer, auf deren Seite der junge Basilius zunächst stand, scheint ein Echo der Diskussion zwischen Eunomius und den Homoiousianern auf dem Konzil von Konstantinopel 360 zu sein (zur historischen Situation siehe S. Giet, Saint Basile et le concile de Constantinople de 360, JThS N. S. 6, 1955, 94–99; L. R. Wickham, The Date of Eunomius’ Apology. A Reconsideration, JThS N. S. 20, 1969, 231–240); vgl. bes. Eunom., apol. 19 (PG 30, 853 B-C [56–58 Vaggione]) mit Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 24–35 C.). Dieser Brief des Basilius an Apolinarius stammt sehr wahrscheinlich aus der Zeit unmittelbar nach dem Konzil, siehe H. de Riedmatten, La correspondance entre Basile . . . II. JThS N. S. 8, 1957, 53–70, hier 58–60. 63 Zu diesem Spätarianer siehe M. Spanneut, Eunomius de Cyzique: DHGE 15, 1963, 1399–1405; L. Abramowski, Eunomios, RAC 6, 1966, 936–947; M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo (wie Anm. 55), 253–259. 462–468; E. Cavalcanti, Studi Eunomiani, OCA 202, Roma 1976. 64 Eunom., apol. 7–11 (PG 30, 841 B–848 A [40–46 Vaggione]); dort auch die Argumentation gegen die Gleichheit der ousia des Vaters und des Sohnes. − Auch für Basilius ist allein Gott, der Vater, »agennetos«, d. h. ungeworden, ursprungslos, ohne Ursache seines Seins: vgl. z.B. Basil., adv. Eunom. I, 5 (PG 29, 517 A [SC 299, 176, 67 f. Sesboüe´/de Durand/Doutreleau]); I, 7 (525 C [192, 39 S./D./D.]), I, 10 (536 A [204, 16 S./D./D.]); I, 15 (545 B [224, 7 S./D./D.]); ep. 125, 3 (CUFr II, 34, 29 f. C.); der Sohn ist weder »anarchos«, noch »agennetos«: de Spiritu S. VIII, 19 (SC 17bis, 314, 35 f. P.); adv. Eunom. III, 6 (668 C [SC 305, 168, 32–35 S./D./D.] ); denn die Ursache (»aitia«) seines Seins ist der Vater: adv. Eunom. II, 17 (605 C–608 C [SC 305, 66–70 S./D./D.] ); einen anderen unverursachten (»synagennetos«) Gott neben dem Vater gibt es nicht: hom. 29, 3, adv. calumn. s. trin. (PG 31, 1493 A). 65 Siehe besonders Eunom., apol. 9; 12 (PG 30, 844 B–845 A; 848 A-B [42–44; 46–48 Vaggione]). 66 Vgl. F. Ricken, Zur Rezeption der platonischen Ontologie (s. Anm. 36), 338f. 67 Eunom., apol. 28 (PG 30, 868 A-C [74 Vaggione]).
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silius getan.68 Wenn die Unerzeugtheit aber nicht die ousia Gottes ist – was ist sie dann? Etwas ist sie ja, denn Gott ist tatsächlich unerzeugt, d. h. ohne Ursache.69 Basilius löst die Schwierigkeit mit der Distinktion der bisher einsinnig verwendeten Begriffe ousia und Hypostasis. Die Unerzeugtheit, sagt er, sei die Eigentümlichkeit der Hypostase, sei die Art und Weise, wie die einzige ousia Gottes sich im Vater verwirkliche. Und entsprechend sei die Gezeugtheit nicht die ousia des Sohnes, sondern die Hypostase, d. h. die Art und Weise, wie die einzige ousia Gottes sich im Sohn verwirkliche.70 Entsprechendes gilt für den Geist.71 Damit ist die trinitarische Formel »eine einzige ousia – drei Hypostasen« geschaffen. Aber sie ist geschaffen nur unter Durchbrechung der geltenden Metaphysik. Nach dieser Metaphysik fällt alles Seiende unter eine der im Peripatos aufgestellten Kategorien des Seienden: es ist entweder ousia oder symbebeko´s, d. h. Substanz oder Akzidenz; ein drittes gibt es nicht. Hier aber gibt es ein drittes. Denn die Hypostase ist nicht die ousia oder Substanz. Sie ist aber auch kein Akzidenz der Substanz, denn Vater, Sohn und Geist zu Akzidentien der einen göttlichen Substanz zu machen, hebt ihr eigenständiges Sein auf. Und obwohl die Hypostase weder Substanz noch Akzidenz ist, also schlechterdings unter keine der Kategorien fällt, unter denen Seiendes überhaupt ausgesagt werden kann, bezeichnet sie doch drei wirklich Seiende. Die Kategorien der antiken Metaphysik sind damit aufgehoben, die Hypostasen haben überkategoriales Sein. Damit sind alle Versuche, den Inhalt von ousia und hypostasis philosophisch zu erfassen, in den Bereich der Metaphorik verwiesen. Basilius hat das spätestens in diesem Augenblick erkannt. Er hat sich gewiß bemüht, dem menschlichen Geist zu einer Vorstellung von dem Verhältnis von ousia und Hypostasen zu verhelfen, indem er sie mit Hilfe der Begriffsmittel, die die stoische Seinsanalyse zur Verfügung stellte, zu illustrieren suchte.72 Daneben benutzt er, angeregt durch Apolinarius, plotinische Spekulationen, um die reale Dreiheit in realer Einheit vorstellbar zu machen.73 Aber er führt keinen dieser Ansätze konsequent durch, weil er ihre Unangemessenheit durchschaut und weil er weiß, daß sie 68 Vgl. Basil., adv. Eunom. I, 10–14 (PG 29, 532 A–545 A [SC 299, 204–224 S./D./ D.]). 69 Basil., adv. Eunom. I, 11; 14 (PG 29, 537 A; 545 A [208, 12–14 S./D./D.; 224, 45–48 S./D./D.] ). 70 Vgl. Basil., adv. Eunom. I, 15; 19 (PG 29, 545 B–548 B; 556 A-B [224, 1–226, 37; 240, 21–242, 44 S./D./D.] ). 71 Vgl. Basil., adv. Eunom. III, 2 f. (PG 29, 657 B–661 B [SC 305, 150, 1–156, 26 S./D./D.] ); ep. 125, 3 (CUFr II, 33 f., 16–34 C.). 72 Dazu R. Hübner, Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern, in: Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, publie´s par J. Fontaine et Ch. Kannengiesser, Paris 1972, 463–490, hier 469–482 [erneut oben S. 255 ff.]. 73 Siehe dazu meine (oben Anm. 58 genannte) Arbeit »Die Schrift des Apolinarius von Laodicea . . .«, 243–246.
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unausweichlich in den logischen Widerspruch und in die theologische Häresie führen, wenn man sie rigoros zuende denkt. Wenn er auf der philosophischen Ebene argumentiert, dann nur deshalb, weil der Gegner sie betreten hat und weil er ihn widerlegen muß.74 Aber er kennt die Gefahren, die in dieser Methode liegen. Als ihn Epiphanius von Salamis um eine Stellungnahme zu dem christologischen Modell bittet, das der größte Metaphysiker unter den Theologen des 4. Jahrhunderts, Apolinarius von Laodicea, entworfen hatte, winkt Basilius entschieden ab. Er habe diese Fragen nicht erforscht, weil sie seine Einsicht überstiegen, antwortet er dem Epiphanius; und das schreibt er ihm sicherlich nicht deshalb, weil er der Ansicht wäre, daß nur sein Verstand zu ihrer Lösung nicht ausreiche. Er weigere sich auch, fügt er hinzu, irgendwelche dogmatischen Erklärungen über die christologische Frage zu akzeptieren. Und dann fährt er wörtlich fort: »Denn wir wissen, daß wir kein Ende in den Diskussionen finden werden, sobald wir einmal an der Einfachheit des Glaubens gerüttelt haben, weil uns der Widerspruch immer weiter treiben wird . . .75 Basilius lehnt metaphysische Spekulationen über das Sein Gottes und Christi als überflüssige Streitereien ab, weil sie an der Sache vorbeigehen.76 Er, dem wir die trinitarische Formel verdanken, die dann auf dem folgenden ökumenischen Konzil von Konstantinopel (381) feierlich sanktioniert worden ist, hat am tiefsten erfaßt, daß mit ihr ebenso wie mit dem »homoousios« von Nicaea die antike Seins- und Gotteslehre durchbrochen war und daß jeder Versuch, den neuen Wein der christlichen Gotteslehre in die alten Schläuche der antiken Seinslehre zu füllen, nur mit einem Desaster enden konnte. Leider wurde die Stimme dieses Mannes schon von seinen Zeitgenossen nicht gehört oder wenigstens nicht verstanden. Wie recht er aber gehabt hat, zeigt die nachfolgende Geschichte der christologischen und trinitarischen Streitigkeiten, die nur unter der irrigen Voraussetzung möglich waren, daß die trinitarische Formel eine metaphysische Definition des Seins Gottes darstelle. Aber nun bleibt mir noch zu erklären, inwiefern mit der trinitarischen Formel: »eine einzige ousia – drei Hypostasen« der Gott der Bibel ausgesagt ist, und zu diesem Zweck muß ich noch einmal zur Gottesvorstellung des Arius und Eunomius zurücklenken. Ich hatte zu zeigen versucht, daß diese Arianer mit ihrer Weigerung, den Logos aus der ousia Gottes hervorgehen zu lassen, den absolut transzendenten Gott der griechischen Philosophie verteidigten; einen Gott, der nicht aus sich heraustreten, der niemanden anreden und niemanden lieben kann. Sie verteidigten (ohne sich dessen vielleicht im letzten bewußt zu sein) einen fernen Gott, der als unpersonales Prinzip und höchste Einheit nur in sich ruht, ohne die Möglichkeit, für irgendetwas außerhalb seiner selbst Interesse zu zeigen. 74
Vgl. besonders Basil., de fide 1; 3; 5 (PG 31, 677 B-C; 684 A-C; 689 A-B). Basil., ep. 258, 2 (CUFr III, 102, 20–27 C.). 76 Siehe z. B. Basil., hom. in Ps. CXV, 1 f. (PG 30, 104 B–108 A); hom. 23, 4, in s. mart. Mamantem (PG 31, 597 A-B); de fide 5 (PG 31, 689 A); ep. 263, 4 (CUFr III, 125, 17–23 C.); hom. in Christi gener. 6 (PG 31, 1473 C). 75
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Diesem Gottesbegriff haben die Väter den Gott der Bibel entgegengestellt, der den Menschen ruft; in diesem Ruf sich als personales Ich zu erkennen gibt und den Menschen als Partner erschafft. Und diesen Gott der Bibel mußten sie nun notwendig in den philosophischen Worten ausdrücken, die die Arianer benutzt haben, die aber von einem Denken geprägt sind, dem der Gottesbegriff der Bibel widerspricht. Es gibt in der griechischen Philosophie keinen Begriff für einen Gott, der aus sich herauszutreten vermag, ohne sein Gottsein zu verlieren. Ein solcher Begriff müßte den Gedanken einer Zweiheit (des »Heraustretens«) und einer Einheit (des »Sich-nicht-verlierens« oder »Bei-sich-seins«) zugleich umschließen. Beides steckt im biblischen Gottesbegriff. Aber dafür hat die griechische Philosophie kein Modell bereitgestellt. Einheit und Zweiheit schließen sich nach ihr aus. Gott ist Monas. Die Dyas gehört nicht zum Sein der Monas. Betrachtet man unter dieser Rücksicht die von Basilius geschaffene trinitarische Formel »eine einzige ousia – drei Hypostasen«, so sieht man, daß in ihr die zwei wesentlichen Inhalte des biblischen Gottesbegriffs verbunden sind: das unverlierbare Bei-sich-sein und das Aus-sich-heraus-treten, Einheit und Zweiheit. Die Einheit oder das unverletzbare Bei-sich- sein ist die einzige ousia Gottes; die Zweiheit oder die Fähigkeit Gottes, sich einem anderen zuzuwenden, ist die Hypostase. Erst beides zusammen ergibt den christlichen Gottesbegriff, ausgedrückt in den Worten der griechischen Philosophie, die sich diesem Gottesbegriff eben nicht fügen und von Natur aus auch nicht fügen können. In der christlichen trinitarischen Formel für den einzigen Gott sind also Monas und Dyas, die in der griechischen Philosophie unversöhnlich untereinander standen, zu einem neuen Gottesbegriff versöhnt. Die Dyas gehört jetzt zur inneren Struktur der Monas. Daß die Selbstbewegung Gottes, die in der Dyas angezeigt ist, sich bis zu einer Trias (dem Hl. Geist) fortsetzt, ist ein Faktum der Offenbarung, das gegenüber dem antiken Gottesbegriff dann keinen grundsätzlich neuen Gedanken mehr hinzubringt.77 Philosophisch freilich läßt sich die trinitarische Formel nicht mehr erklären, weil wir eben philosophisch nur zu einem Gott gelangen, der absolut transzendent ist und nicht lieben kann, oder abstrakter ausgedrückt: weil der philosophische Gott nur Einheit, aber nie Zweiheit ist. Wer die Formel philosophisch zu interpretieren versucht, hat den wesentlichen Unterschied von christlichem und antikem Gottesbegriff nicht erfaßt. Er irrt sich in der Intention der Formel. 77 Der Erkenntnisfortschritt, der in der Zeit von ca. 360 bis 1977 erzielt wurde, läßt sich leicht an der Aussage des Philosophen L. Oeing-Hanhoff ermessen, daß Gott (als vollkommene Freiheit) »notwendig trinitarisch gedacht werden« müsse, während Athanasius von Alexandrien, der an der Begründung der Gottheit des Sohnes und Heiligen Geistes maßgeblich beteiligt war, die Erforschung der Frage, warum es überhaupt eine göttliche Trias gebe, für eine ungehörige intellektuelle Neugier hielt: vgl. L. Oeing-Hanhoff, Das problematische Verhältnis von Philosophie und Theologie. Geschichtliche Perspektiven, PhJ 84, 1977, 242–256, hier 249–256, Zitat 251, und Athan., ep. ad Serapionem IV, 5 (PG 26, 644 B [Werke, I/1/4, 571, 24–572, 18 Savvidis, dort jetzt als ep. III, 5 ad Serapionem gezählt]).
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Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel
Sie ist nicht eine metaphysische Bestimmung des Seins Gottes, sondern eine paradoxe Glaubensaussage. Die Paradoxie der Formel ist der adäquate Ausdruck dafür, daß die Offenbarung eines dem Menschen zugeneigten, ihn rufenden und zugleich von ihm Antwort fordernden personalen Gottes für das antike Denken paradox ist.
Basilius der Große, Theologe der Ökumene, damals und heute Basilius wird in der Kirchengeschichtsschreibung zusammen mit den beiden anderen »großen Kappadoziern«, seinem Bruder Gregor von Nyssa und seinem Freund Gregor von Nazianz, als der glänzende Verteidiger des Glaubens von Nicaea gefeiert.1 In der Tat hat er als einer der ersten und jedenfalls durchschlagend die Gottheit des Sohnes gegen die Angriffe des scharfsinnigen Spätarianers Eunomius begründet. Und er hat später in ähnlicher Weise gegen die Einwände seines alten asketischen Lehrmeisters Eustathius von Sebaste dafür gestritten, daß der Hl. Geist auf die Seite Gottes gehört. Er hat die trinitarische Formel geschaffen, die auf dem 2. ökumenischen Konzil von Konstantinopel (381) feierlich sanktioniert wurde.2 Wenn heute die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Bekenntnis zu dem Gott, der in den drei Hypostasen oder ›Personen‹ des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes ein einziges göttliches Sein ist, übereinstimmen, so basiert diese Übereinstimmung vor allem auf der theologischen Leistung des Basilius. Insofern hat seine Trinitätstheologie ökumenische Geltung erlangt und bewahrt. Fast durchweg wird diese theologische Leistung als Ergebnis einer hohen spekulativen Begabung gepriesen, die sich mit der ausgezeichneten philosophischen Bildung vereinte. Beide zusammen, spekulative Kraft und philosophische Schulung, hätten es dem Basilius ermöglicht, in harter Denkarbeit eine befriedigende, ja sachentsprechende Lösung des vertrackten metaphysischen Problems der Trinität zustandezubringen, das er mit den klaren Definitionen von ousı´a und hypo´stasis bewältigte.3 Allerdings ist das Urteil über diese Leistung heute nicht mehr einstimmig. Während z. B. noch der russische Theologe Sergej Bulgakow († 1944) die 1
Vgl. z. B. K. Baus/E. Ewig, Die Reichskirche nach Konstantin dem Großen. 1. Halbband: Die Kirche von Nikaia bis Chalkedon, HKG(J) II/1, Freiburg/Basel/Wien 1973, 66– 69. − Die folgenden Ausführungen sind Teil eines Gastvortrages, der 1979 an der Universität Bonn, 1980 an der Universität Bochum und in Athen gehalten wurde. 2 Vgl. A. M. Ritter, Art. Arianismus, TRE 3, 1978, 692–719, hier 711–714; ausführlicher: M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, SEAug 11, Roma 1975, 455–525. 3 So oder ähnlich z. B. H. Lietzmann, Geschichte der Alten Kirche IV, Berlin 31961, 36 f.; A. Adam, Lehrbuch der Dogmengeschichte I: Die Zeit der Alten Kirche, Berlin 2 1970, 234–237; C. Andresen, Die Kirchen der alten Christenheit, RM 29, 1/2, Stuttgart 1971, 383 f.
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Basilius der Große, Theologe der Ökumene
Trinitätslehre der Kappadozier als klassisch einstufte und als »die reifste Frucht der antiken Spekulation« begrüßte,4 sind die geistigen Nachfahren eines Ritschl und Harnack gegenüber solch offenbar naiver Verschmelzung von Philosophie und Theologie mißtrauisch geworden. Metaphysische Theologie wird beargwöhnt, ja unter dem Schlagwort »Hellenisierung« des Christentums als Depravierung der genuinen Gottesoffenbarung der Bibel angeprangert.5 Es ist kaum nötig, an die bekannten Urteile etwa von Hans Küng zu erinnern; er sieht in der kappadozischen »intellektuell höchst anspruchsvolle(n) Trinitätsspekulation« »ein logisch-formalistisch« entwickeltes Produkt, »beinahe so etwas wie eine höhere trinitarische Mathematik«, eine »griechische Spekulation, die sich von ihrem biblischen Boden weit entfernte und kühn in schwindelnden Höhen das Geheimnis Gottes zu erspähen versuchte«.6 Soweit die Trinitätstheologie des Basilius betroffen ist, läßt sich sagen, daß die zitierten Urteile beide falsch sind: Weder ist seine trinitarische Formel die reifste Frucht der antiken Metaphysik, noch ist sie formalistisch entwickelte trinitarische Mathematik. Beide Urteile sind unzutreffend und führen in Sackgassen. Sie sind auch nicht durch eine umfassende Analyse des Gegenstandes und seines Kontextes gewonnen, sondern stehen allzusehr unter dem Eindruck der nachfolgenden theologiegeschichtlichen Entwicklung, die von den einen als Vollendung anerkannt, von den anderen als Abweg verurteilt wird. Schon ein oberflächlicher Blick auf das Leben des Basilius und auf die Predigten, die er uns hinterlassen hat, läßt erkennen, daß dieser Mann keineswegs in einer stillen Studierkammer gesessen hat, um das Geheimnis der Trinität zu ergründen und seiner Mitwelt die Ergebnisse seiner Denkarbeit in wohlkomponierten Opera mitzuteilen. Von den zweiundzwanzig unbestritten echten Homilien des Basilius sind lediglich drei trinitätstheologischen Fragen gewidmet, und hier und an den übrigen Stellen seiner Homilien, in denen er trinitarische Probleme berührt, betont Basilius, daß er nur widerwillig rede und lediglich deshalb, weil die Fragen diskutiert würden und die Hörer von ihm eine Antwort erwarteten.7
4 S. Bulga`kov, Il Paraclito (aus dem Russischen übersetzt von Fausta Marchese), Bologna 1971, 77 f.: »Valutando l’ opera dei cappadoci in questo campo, conviene riconoscere che hanno dogmaticamente stabilito una dottrina della Santissima Trinita`, per cosı` dire, classica, che puo` essere presa come norma dell’ insegnamento ecclesiastico. . . . Il loro insegnamento costituisce altresı` una dottrina teologica che comprende, in qualita` di premessa, il frutto piu` maturo della speculazione antica: una sintesi dell’ aristotelismo, del platonismo e del neo-platonismo . . .«. 5 Zu diesem Thema siehe A. Grillmeier, Hellenisierung − Judaisierung des Christentums als Deuteprinzipien der Geschichte des kirchlichen Dogmas, in: Ders., Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven, Freiburg/Basel/Wien 1975, 423–488. 6 H. Küng, Christ sein, München/Zürich 41974, 465, 463. 7 Siehe z. B. Basil., hom. 15, 1, de fide (PG 31, 464 C–465 A); hom. 24, 4, C. Sabell. (PG 31, 605 C; 608 C–609 A); hom. 29, 2, adv. calumn. s. trin. (PG 31, 1489 C); vgl. auch Adv. Eunom. I, 1 (PG 29, 497 A–500 B [SC 299, 140, 1–144, 25 Sesboüe´]).
Basilius’ Kritik an spekulativer Theologie
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Aber nicht allein, daß er nur widerstrebend über die Trinität redet: Was er dann sagt, ist nahezu eine einzige Anklage der Theologen, die spekulierten und das Sein Gottes ihren logischen Verstandesdeduktionen unterwarfen: »Wer seinen Verstand nicht erniedrigt und nicht wie der Apostel bekennt: ›Brüder, ich rechne nicht damit, es erfaßt zu haben‹ (Phil 3, 13); wer sich vielmehr einbildet, Gottes Sein (ousı´a) zu begreifen und mit seinen eigenen Spekulationen das Unerreichbare auszumessen; wer damit rechnet, daß Gott gerade so groß sei, als er ihn mit seinem Denken erfaßt; wer überhaupt seinen eigenen Verstand zum Maß der Dinge macht und nicht bedenkt, daß es leichter ist, mit einem kleinen Becher das ganze Meer auszumessen, als mit dem menschlichen Geist die unaussprechliche Größe Gottes zu umfassen . . .; wer nicht aus dem Glauben, sondern von sich aus zu reden beginnt, wer sich anmaßt, mit menschlichem Kalkül die Wahrheit zu erfassen, der ist ein Lügner und verfehlt die Wahrheit völlig.«8
Können die Worte härter sein? Ohne Einschränkung betont Basilius die Unerkennbarkeit Gottes: »Die Erkenntnis des göttlichen Seins ist Erkenntnis seiner Unbegreiflichkeit«,9 so faßt er in einem späten Brief an den Freund Amphilochius die grundlegende Einsicht seiner Argumentation gegen Eunomius zusammen. Spekulationen verabscheut Basilius: Sie sind überflüssig, weil sie vergeblich und gefährlich sind. Deswegen fordert er, über diese Dinge zu schweigen: »Gottes immerdar zu gedenken, ist fromm und bringt der Seele, die Gott liebt, keinen Überdruß; im Worte aber das, was Gott betrifft, auszuführen, ist gefährlich, einmal weil der Verstand hinter der Höhe der Gegenstände zurückfällt, sodann weil das Wort das Erkannte nur dunkel wiedergibt. Wenn nun unser Verstand so sehr hinter der Größe der Gegenstände zurückbleibt, das Wort aber noch schwächer ist als der Verstand selbst, wie täte da nicht das Schweigen not, damit nicht etwa durch die billigen Worte das Wunder der Theologie in Gefahr gebracht wird?«10
Das gilt nicht nur für Gottes Sein selbst, das gilt auch für die Hervorgänge des Sohnes und des Hl. Geistes aus dem Vater. Vielfach bekannt ist, daß Basilius freimütig gesteht, über die Weise der Existenz des Hl. Geistes nichts zu wissen.11 Aber ebenso äußert er sich zum Hervorgang des Sohnes: »Wir müssen wissen, worüber wir reden dürfen und worüber wir schweigen müssen.«12 »Christi Geburt, die erste und eigentliche, die seiner Gottheit, ist mit Schweigen zu ehren: Ja noch mehr, wir wollen uns auferlegen, sie auch in Gedanken nicht neugierig und vorwitzig zu erforschen. Denn wo es keine Zeit gibt, wo kein Äon dazwischen lag, wo die Weise unerdenklich ist, wo kein Zuschauer dabei war, keiner, der zu berichten weiß, wie soll da die Vernunft eine Vorstellung gewinnen? Wie soll die Zunge den Gedanken dienen 8
Basil., hom. in Ps. CXV, 2 (PG 30, 105 C–108 A); vgl. auch das Voraufgehende (ebd. 104 B–105 C). 9 Ep. 234, 2 (CUFr III, 43, 12 f. Courtonne): Ει῎δησις α῎ρα τη῀ς ϑει´ας ου᾽σι´ας η῾ αι῎σϑησις αυ᾽του῀ τη ῀ ς α᾽καταληψι´ας. Vgl. die langen, gegen Eunomius gerichteten Darlegungen über die Unerkennbarkeit des Seins Gottes in Adv. Eunom. I, 12–14 (PG 29, 540 A–545 A [SC 299, 212–224 S.]). 10 Hom. 15, 1, de fide (PG 31, 464 B). 11 Vgl. Basil., adv. Eunom. III, 6 (PG 29, 668 A-B [SC 305, 166, 5–168, 28 S.]); hom. 24, 6, c. Sabell. (PG 31, 613 A-B); de Spiritu S. XVIII, 46 (SC 17bis, 408 Pruche). 12 Hom. 29, 4, adv. calumn. s. trin. (PG 31, 1496 B).
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können? Der Vater war, und der Sohn wurde gezeugt. Frage nicht, wann! Unterdrück deine Frage! Erforsche nicht, wie! Es gibt keine Antwort. . . . Sagen kann ich, was die Schrift mich lehrt: Wie der Glanz aus der Herrlichkeit (Hebr 1, 3); wie das Bild vom Urbild (Kol 1, 15). Weil jedoch diese Art Antwort die ungehörige Neugier deiner Spekulationslust nicht unterdrückt, so fliehe ich zur unaussprechlichen Herrlichkeit und bekenne, daß die Art und Weise der göttlichen Geburt menschlichem Denken unerforschlich und menschlicher Sprache unsagbar ist.«13
Wie abwegig müßte diesem Mann ein Streit wie der um das Filioque erschienen sein, um die Frage also, ob der Hl. Geist vom Vater und vom Sohn oder vom Vater durch den Sohn ausgehe, ein Streit, der als ausreichender Grund für eine Kirchentrennung betrachtet wurde, der allgemeine Konzile beschäftigt hat, der auch heute noch als so wichtig angesehen wird, daß Theologenkommissionen der getrennten Kirchen über seine Beilegung beraten.14 Aus der Sicht des Basilius ganz gewiß ein überflüssiger Streit über eine Sache, von der wir nichts wissen und nichts wissen können, die nur theologische Uneinsichtigkeit zu entscheidenden Wahrheiten erhoben hat, zum Schaden der Christenheit.15 Wer sich auf seine Treue zu den Vätern beruft, um solchen Streit zu rechtfertigen, der beruft sich jedenfalls auf Basilius zu Unrecht. Mag er vielleicht auch die gewünschte Formel bei ihm finden, den Geist des Basilius hat er verraten, wenn er die Formel als Werkzeug benutzt, dem christlichen Bruder das Ketzermal anzuheften. Nun kann man natürlich fragen: Wenn das wirklich so ist, wenn Basilius wirklich die Spekulationen über das Sein und die innertrinitarischen Relationen Gottes von sich weist − warum geht er über das homoou´sios von Nicaea hinaus und entwickelt die Formel von der einzigen ousı´a Gottes und ihren drei Hypostasen, jene scheinbar eindeutig metaphysische Definition des göttlichen Seins, die in der Tat von damals bis heute der Ursprungsherd angestrengtester theologischer Denkarbeit gewesen ist? Ist das nicht ein Widerspruch? Hat er nicht doch seine ganze philosophische Bildung, hat er nicht die Hypostasenlehre Plotins benutzt, um dem innergöttlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen? Sind die zitierten Aussagen dann nicht etwa nur Schutzbehauptungen eines vielleicht nicht ganz so genialen Kopfes, der vor Problemen, zu denen sein eigenes verwegenes Unternehmen geführt hat, kapitulieren mußte? Haben 13 Hom. in Christi gener., 1 (PG 31, 1457 C–1460 A); vgl. die ganz ähnlichen Warnungen hom. 29, 3 f., adv. calumn. s. trin. (PG 31, 1493 A-C; 1496 B); adv. Eunom. II, 22. 24 (PG 29, 621 A. 625 D–628 A [SC 305, 90, 33–92, 44. 100, 31–102, 45 S.]). 14 Zum Stand der Diskussionen und Verhandlungen siehe: A. de Halleux, Pour un accord œcume´nique sur la procession de l’Esprit Saint et l’addition du »Filioque« au Symbole, Ire´n. 51, 1978, 451–469 [erneut in: Ders., Patrologie et Œcume´nisme. Recueil d’e´tudes = BEThL 93, Leuven 1990, 424–442]; D. Ritschl, Geschichte der Kontroverse um das Filioque, Conc(D) 15, 1979, 499–504; M. Fahey, Sohn und Geist: Theologische Divergenzen zwischen Konstantinopel und dem Westen: ebd. 505–509; Th. Stylianopoulos, Sohn und Geist: Orthodoxe Stellungnahme: ebd. 510–514. 15 Vgl. das nüchterne Urteil über die theologische Sterilität der Kontroverse bei S. Bulga`kov, Il Paraclito, Bologna 1971, bes. 229 f.; 250–252.
Sinn der trinitarischen Formel des Basilius
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dann aber die geistigen Nachfahren nicht mit Recht bei diesen ungelösten Problemen eingehakt, um sie einer endgültigen Klärung zuzuführen? Auch auf diese Frage lautet die Antwort: Nein, und nochmals nein. Wer die trinitarische Formel des Basilius, die Formel, die in die Glaubensdefinition des 2. ökumenischen Konzils eingegangen und Besitz aller christlichen Kirchen geworden ist, als metaphysische Definition des Seins Gottes auffaßt, hat sie mißverstanden. Sie ist von Basilius nicht auf der Grundlage und als Konsequenz philosophischer Überlegungen erarbeitet worden, sondern im Gegenteil: er hat sie im Widerspruch zur damals geltenden Philosophie aufgestellt. Er hat das getan, weil es unter den damaligen historischen Bedingungen nicht anders möglich war, die Aussage der Schrift aufrechtzuerhalten, daß der wahre Gott selbst es ist (und nicht etwa ein minderer Gott), der den Menschen schafft und anruft. Die trinitarische Formel: »drei göttliche Hypostasen in einer einzigen ousı´a« ist mit ihrer − der gesamten antiken Metaphysik widersprechenden − Aufnahme der Zweiheit in das Sein der Einheit nur eine aufs äußerste komprimierte und in die abstraktesten Begriffe gepreßte Fassung der Aussage der Schrift, daß Gott aus sich selbst heraustritt und sich um den Menschen kümmert.16 Daß diese Aussage der Schrift in dieser abstrakten Form erscheint, liegt an der besonderen theologiegeschichtlichen Situation, in der sich Basilius befand. Aber niemals hat dieser große Theologe gemeint, daß mit dieser abstrakten Formel nun der wesentliche Inhalt der Aussagen der Schrift über Gott erschöpft sei; nie hat er gemeint, daß diese Formel wichtiger sei als die Schrift; daß die Beschäftigung mit ihr nun im Vordergrund zu stehen habe; daß diese Formel von nun ab zum Gegenstand der theologischen Anstrengung gemacht werden müsse. Dies zu tun, beschuldigt er gerade seinen Gegner Eunomius. Gott ist kein Objekt für logische Schulübungen, hält ihm Basilius entgegen.17 Die Fehlentwicklung in der Trinitätstheologie setzt genau da ein, wo die Formel des Basilius, die rein defensiven Charakter hat, die lediglich bestimmte, historisch bedingte Positionen abwehren will, also auch nur eine begrenzte und keineswegs umfassende Aussage enthält, nun von den Epigonen, die sich gerne an handfeste Formeln halten, weil sie leichter zu handhaben sind, zum ausschließlichen Gegenstand theologischen Nachdenkens gemacht wurde. Diese Engführung der späteren Theologie haben jene geistigen Nachfahren verschuldet, die sich nur noch um die richtige Auslegung der Formel, um saubere Definitionen, um die Zuordnung von Einheit und Dreiheit gekümmert haben, ohne noch zu bemerken, daß sie damit nicht nur die Hauptsache verfehlt, sondern viel schlimmer: die eigentliche Intention der Formel in ihr Gegenteil ver16
Diese These wird eingehender dargelegt in meiner Antrittsvorlesung »Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel. Zur Frage der Hellenisierung des Christentums«, EichHR 16, München 1979 [erneut oben S. 327 ff.]. 17 Adv. Eunom. II, 1 (PG 29, 573 A-B [SC 305, 10, 1–12, 24 S.]); vgl. hom. in Ps. CXV, 1 (PG 30, 104 B-C).
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Basilius der Große, Theologe der Ökumene
kehrt haben. Sie trieben jetzt genau das, was Basilius an seinem Gegner verurteilt hatte. Trotz aller ihrer Beteuerungen, daß sie Gottes Sein für unerkennbar hielten, spekulierten sie darüber, kanonisierten die Ergebnisse ihrer logischen Bemühungen und benutzten sie, um den Unterlegenen das Reich Gottes abzusprechen. Wir haben die trinitarische Formel des Basilius festgehalten, aber wir haben den Kontext nicht mehr beachtet, in dem die Formel entstand und der allein es erlaubt, ihren Sinn und ihre Tragweite zu beurteilen. Solche Formeln sind notwendige Grenzpfähle, die den Raum abstecken, innerhalb dessen christliche Theologie getrieben werden kann; aber sie sind kein Selbstzweck; sie sind nicht als die zentralen Gegenstände aufzufassen, um die alles theologische Denken von nun an zu kreisen hat. Und solche Formeln dürfen auch nicht ohne Not vermehrt werden: Als Epiphanius von Salamis den Basilius um eine Stellungnahme zu dem christologischen Modell bat, das der größte Metaphysiker unter den Theologen des 4. Jahrhunderts, Apolinarius von Laodicea, entworfen hatte, 211 winkt Basilius entschieden ab. Er habe diese Fragen nicht erforscht, weil sie seine Einsicht überstiegen, antwortet er dem Epiphanius (und das schreibt er ihm gewiß nicht deshalb, weil er der Ansicht wäre, daß nur sein Verstand zu ihrer Lösung nicht ausreiche). Er weigere sich auch, fügt er hinzu, irgendwelche dogmatischen Erklärungen über die christologische Frage zu akzeptieren. Und dann fährt er wörtlich fort: »Denn wir wissen, daß wir kein Ende in den Diskussionen finden werden, sobald wir einmal an der Einfachheit des Glaubens gerüttelt haben, weil uns der Widerspruch immer weiter treiben wird . . .«18 Basilius hat wie kaum einer sonst im 4. Jahrhundert − höchstens Athanasius ließe sich noch nennen − erfaßt, daß die Behandlung theologischer Fragen auf metaphysischer Ebene nur zu Streit, Verurteilung und Spaltung führen kann, weil die Sache auf dieser Ebene grundsätzlich nicht lösbar ist. Deswegen ist er auch bereit, dem Theologen, der eine andere Formel hat, einem Eustathius von Sebaste zum Beispiel, oder einem Apolinarius von Laodicea, mit größter Toleranz bis an die äußerste Grenze entgegenzugehen, um Einheit und Übereinstimmung zu schaffen. Ich glaube nicht, daß ich allzusehr übertreibe, wenn ich sage, daß die Spaltung unter den damaligen Kirchen teilweise größer war als unter den heutigen: Es gab die Anhomoier, die den Sohn Gottes und den Hl. Geist für Geschöpfe * erklärten. Es gab die Homoiousianer, die Sohn und Geist zur Trinität zählten, aber das Nicaenum nicht akzeptierten. Es gab die Homoiousianer, die zwar das Nicaenum akzeptierten, aber den Hl. Geist nicht Gott nennen wollten. Es gab die Nizäner, die von einer göttlichen ousı´a und Hypostase des Vaters, Sohnes und Geistes sprachen, und es gab die Nizäner, die von drei göttlichen ousı´ai und Hypostasen redeten. Und alle diese Gruppen hatten ihre eigene Hierarchie, ihre eigenen Gotteshäuser und Eucharistiefeiern, ihre eigenen Konzilien und defi18
Ep. 258, 2, ad Epiphanium (CUFr III, 102, 20–25 C.).
Friedliche Konfliktlösung nach Basilius
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nierten Glaubenssymbole, ihre eigenen Lehrtraditionen, an denen sie festhielten.19 Mit einigen Gruppen war keine Gemeinschaft möglich, weil die Lehrdifferenzen den Kern des Glaubens betrafen (z. B. mit den Anhomoiern, für die Sohn und Geist Geschöpfe waren). Aber es gab Gruppen, deren Lehre nach Ansicht des Basilius im Kern gesund war, die aufgrund ihrer verschiedenen Lehrtradition eher im Ausdruck als in der Sache differierten, oder die noch nicht bis zu denselben theologischen Schlußfolgerungen vorgestoßen waren, wie er selbst. Was verlangt Basilius von diesen, um die Einheit mit ihnen zu erreichen? Er verlangt nicht die Unterschrift unter seine eigene Formel (so wie das der Papst Damasus von Basilius verlangt hatte20). Basilius verlangt nicht das Maximum (wie es noch kürzlich ein holländischer Bischof von den Altkatholiken und Reformierten gefordert hatte21). Er begnügt sich mit dem unbedingt notwendigen Minimum: »Die Einheit wird zustandekommen, wenn wir uns entschließen, uns in den Punkten, die das Heil der Seelen nicht berühren, den Schwächeren anzupassen.«22 Die Schwächeren, das sind hier die, die sich nicht dazu verstehen konnten, den Hl. Geist Gott zu nennen. Und dies sind die Unionsbedingungen des Basilius: »Wir wollen von den Brüdern, die sich uns anschließen wollen, nichts weiter verlangen als die Zustimmung zum Glauben von Nicaea und die Erklärung, daß der Hl. Geist kein Geschöpf sei . . .« Dann können sie mit uns Gemeinschaft haben. »Darüber hinaus, bitte ich, von ihnen nichtszuverlangen.Dennichbinüberzeugt,daßbeilängeremgemeinschaft- lichen Zusammenleben und bei gemeinsamer Anstrengung, die frei ist von Rechthaberei, der Herr . . . schenken wird, was etwa noch zur weiteren Klärung notwendig sein sollte.«23
19 Zur Geschichte dieser Parteien vgl. z. B. C. J. v. Hefele, Conciliengeschichte I, Freiburg 21873, 727–742; H. M. Gwatkin, Studies of Arianism, Cambridge 21900 (Nachdruck New York 1978), 228–257; H. Lietzmann, Geschichte der Alten Kirche IV (wie Anm. 3), 1–21; M. Simonetti, La crisi ariana (wie Anm. 2) 353–525. 20 Vgl. Basil., ep. 138, 2, ad Eusebium Samos. (CUFr II, 55, 10–56, 28 Courtonne); zum historischen Hintergrund siehe M. Richard, Saint Basile et la mission du diacre Sabinus, AnBoll 67, 1949, 178–202, bes. 197–200 = ders., Opera minora II, Turnhout/Leuven 1976/7, Nr. 34; P.-P. Joannou, Die Ostkirche und die Cathedra Petri im 4. Jahrhundert, PuP 3, Stuttgart 1972, 183–185; J. Taylor, St Basil the Great and Pope St Damasus I, DR 91, 1973, 186–203. 262–274, hier 194–200; J. Gribomont, Rome et l’Orient. Invitations et reproches de S. Basile, Seminarium N. S. 15, 1975, 336–54, hier 348–351; Ch. Pietri, Roma christiana. Recherches sur l’E´glise de Rome, son Organisation, sa politique, son ide´ologie de Miltiade a` Sixte III (311–440), Bd. II, BE´FAR 224, Rom 1976, 797–807; P. J. Fedwick, The Church and the Charisma of Leadership in Basil of Caesarea, STPIMS 45, Toronto 1979, 107–110. 21 Vgl. den Bericht »Kirchliche Spannungen in den Niederlanden«, HerKorr 33, 1979, 117. 22 Basil., ep. 113, ad presbyteros Tars. (CUFr II, 17, 22–24 C.). 23 Ep. 113 (CUFr II, 17, 32–41 C.).
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Basilius der Große, Theologe der Ökumene
Im Jahre 1974 hat der englische römisch-katholische Bischof B. C. Butler den Satz zur Diskussion gestellt, »daß Übereinstimmung in der Lehre nur dann eintreten wird, wenn die Gemeinschaft hergestellt ist«.24 Kardinal Hume hat diesen Satz vor wenigen Jahren in Chantilly zustimmend aufgenommen.25 Was beide Theologen im 20. Jahrhundert ausdrücklich nur als Diskussionsgegenstand, nicht aber als Aktionsprogramm bezeichnen, ist bei Basilius im 4. Jahrhundert klares Aktionsprogramm: Die volle Übereinstimmung in allen theologischen Fragen ist bei Basilius nicht Voraussetzung der Kirchengemeinschaft, sondern ihre Konsequenz. Die volle Übereinstimmung wird sich ergeben, wenn die bislang Getrennten miteinander leben und miteinander vorurteilslos und ohne Rechthaberei diskutieren. Jedenfalls dürfe man sich nicht an ein Wort und eine Formel klammem und um dieses Wortes willen das Ganze preisgeben. Das Heil liege nicht in den Formeln, sondern in der Sache.26 Immerhin geht es bei diesem Wort, auf das Basilius verzichtet, um das ausdrückliche Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes, also beileibe nicht um eine unwichtige Frage. Aber da die Gottheit des Geistes sich zwar aus den Aussagen der Schrift konsequent ergibt, nicht jedoch dem Worte nach darin ausgesprochen ist, begnügt sich Basilius mit dem, was aufgrund der Schrift notwendig ist, und verlangt nicht, daß die anderen bereits auch alle Schlußfolgerungen anerkennen, die er selbst (und seine Kirche) aus den Lehraussagen der Schrift gezogen haben. Wie anders hat dieser große Theologe gedacht und gehandelt als zum Beispiel Kyrill von Alexandrien, der die theologisch nicht urteilsfähigen Mönchsscharen und das ungebildete Kirchenvolk mit der Theoto´kos-Formel (die ja nicht in der Schrift steht) gegen einen rechtgläubigen Nestorius mobilisiert und in Ephesus eine Lehre durchsetzt, über deren Wortlaut und vor allem über deren Inhalt die Theologen bis heute sich nicht einigen können, die aber − nicht zuletzt wegen ihrer Verschwommenheit − eine der letzten Ursachen der Abspaltung der orientalischen Kirchen geworden ist.27 Hätte Kyrill − der bereit ist, 24 B. C. Butler, Theology and Life in Community, OiC 10, 1974, 224–227, hier 226: I suggest that we should try effectivly to balance the traditional notion that communion presupposes doctrinal agreement, with the opposite notion: that doctrinal agreement will only come about when communion has been established. 25 Auszüge der Rede, die Kardinal Hume während des Treffens der Confe´rence des E´glises europe´ennes (KEK) und des Conseil des confe´rences e´piscopales europe´ennes (CCEE), 10.–13. April 1978 in Chantilly gehalten hat: Ire´n. 51, 1978, 228. 26 Bei Gregor. Naz., or. 43, 68, in laudem Basilii (PG 36, 588 B-C [SC 384, 274–278 Bernardi] ). 27 Zu den Aktivitäten Kyrills vgl. z. B. F. Nau, Nestorius d’apre`s les Sources orientales, Paris 1911, 13–24; H. Bacht, Die Rolle des orientalischen Mönchtums in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen um Chalkedon (431–519), in: A. Grillmeier/H. Bacht (Hrsg.), Das Konzil von Chalkedon, II, Würzburg 1953, 193–314, hier 197–199; zusammenfassend zur Beurteilung des Nestorius heute A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, I: Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalkedon (451), Freiburg/Basel/Wien 1979 (31990), 642–645. − Die Unklarheit über die dogmatische Defi-
Friedliche Konfliktlösung nach Basilius
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den Nestorius selbst dann zu verurteilen, wenn er widerruft28 − das Wort des Basilius beherzigt: daß nichts den Christen so kennzeichnet wie das Friedenstiften,29 und hätte Kyrill die Väter, auf die er sich beruft, noch studiert und nicht vor allem ihre Formeln exzerpiert, dann wäre der Christenheit vielleicht eher der Skandal der Spaltung erspart worden, vor dem Basilius in klarer Erkenntnis der Gefahr schon den Epiphanius vergeblich gewarnt hat. Wenn der holländische Theologe Schillebeeckx befürchtet, daß die christologischen Formeln die Botschaft und die Praxis Jesu »kaltstellen« und neutralisieren könnten, wenn er auf die Gefahr aufmerksam macht, daß diese Formeln zu einer Ideologie (neben so vielen anderen) werden könnten, zu einer Ideologie, die zwar »Herr, Herr!« ruft, aber nicht tut, was dieser Herr sagt,30 dann kann Schillebeeckx mit der Unterstützung des Basilius rechnen, der es abgelehnt hat, eine christologische Formel zu akzeptieren oder auch nur über die christologische Frage zu spekulieren: »Was kennen wir von Gott? (Hier Jesu Antwort:) ›Meine Schafe hören meine Stimme.‹ Siehst du, wie Gott erkannt wird? Dadurch, daß wir seine Gebote hören und tun, was wir hören. Das ist die Erkenntnis Gottes: die Erfüllung der Gebote Gottes. ›Es kennen mich die Meinen, und ich kenne die Meinen‹ (sagt Jesus). Es genügt dir zu wissen, daß der Hirte gut ist; daß er sein Leben für die Schafe gab. Dies ist die Grenze der Erkenntnis Gottes. Wie groß aber Gott ist, und welches sein Maß, und welcher Art der ousı´a nach, solche Fragen sind gefährlich für den Fragenden und ausweglos für den, der gefragt wird. Schweigen ist dafür die Therapie.«31
Dieses Schweigen hätte den Theologen gut angestanden und wäre oftmals christlicher gewesen als die wortreichen Traktate über Dinge, »über welche« der Verstand »ewig nichts auszusagen vermag« − um Joh. B. Hirscher zu zitieren32 − und die unter dem Christenvolk die sich hartnäckig haltende Auffassung wachsen ließen, das Entscheidende am Christentum, das, wonach auch der nition von Ephesus wird demonstriert von der Variationsbreite dessen, was in den verschiedenen Auflagen des »Denzinger« als Konzilsaussagen abgedruckt ist; zur Sache zuletzt: A. Grillmeier, a. a. O., 687–691. 28 Vgl. Coelestin., ep. ad Cyrill. (ACO I/2, 25, 18–20 Schwartz). 29 Basil., ep. 114 (CUFr II, 18, 11 f. C.): Ου᾽δε`ν γα`ρ ου῞τως ῎ιδιο´ν ε᾽στι χριστιανου῀ ω῾ς το` ει᾽ρηνοποιει῀ν. − Zum rastlosen Einsatz des Basilius für die Einigung der Kirchen vgl. I. Ortiz de Urbina, Caratteristiche del’ ecumenismo di S. Basilio, Aug. 19, 1979, 389–401. 30 E. Schillebeeckx, Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden, Freiburg/Basel/Wien 1975, 595 f. 31 Basil., hom. 23, 4, in s. mart. Mamantem (PG 31, 596 D–597 A). Vgl. seine abschließenden Worte zur christologischen Frage während einer Predigt zum Epiphaniefest, hom. in Christi gener. 6 (PG 31, 1473 C): »O dieser sinnlose und schlimme Starrsinn! Magier beten an und Christen untersuchen, wie Gott im Fleisch sei und in welcher Art Fleisch; und ob der angenommene Mensch vollkommen oder unvollkommen sei! Von solch überflüssigen Dingen soll man in der Kirche Gottes schweigen. Preist das, was geglaubt wird! Untersucht nicht das, worüber man schweigen muß!« 32 J. B. Hirscher, Über das Verhältnis des Evangeliums zu der theologischen Scholastik der neuesten Zeit im katholischen Deutschland, Tübingen 1823 (Nachdruck Frankfurt a. M. 1967), 150.
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Basilius der Große, Theologe der Ökumene
Mitchrist zu beurteilen und zu behandeln ist, sei die Zustimmung zu einer genauen Anzahl von Glaubenssätzen. Wie wenig es dem Basilius auf die Formeln ankommt, wie wenig er wünscht, daß man sie zum Gegenstand der Theologie mache, erkennt man aus dem Brief, mit dem er am Ende seines Lebens ein eigenes Glaubensbekenntnis begleitet, um das ihn seine asketischen Bruderschaften gebeten haben, und aus dem Bekenntnis selbst. Dieses Bekenntnis erzählt mit den Worten der Schrift das, was Gott für den Menschen getan hat. Die trinitarische Formel, die Basilius selbst geschaffen hat, kommt darin nicht vor. Anstelle dessen hören wir am Ende folgendes: Der Herr hat befohlen, »alles zu wahren, was er aufgetragen hat. . . . ›Wer mich nicht liebt‹, sagt der Herr, ›wahrt meine Worte nicht.‹ Und wiederum: ›Wer meine Gebote hält und sie wahrt, der ist es, der mich liebt.‹ Ich wundere mich aber über die Maßen, daß, wo doch unser Herr Jesus Christus selbst sagt: . . . ›Darin werden alle erkennen, daß ihr meine Brüder seid, wenn ihr einander liebt‹ und wo der Apostel (Paulus) . . . beschwörend erklärt: ›Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen rede, habe aber die Liebe nicht, so bin ich ein klingendes Erz oder eine tönende Schelle. Und wenn ich die Prophetie habe und alle Mysterien weiß und alle Erkenntnis besitze, und wenn ich allen Glauben habe, um Berge zu versetzen, habe aber die Liebe nicht, so bin ich nichts.‹ Und ein wenig danach: ›Seien es Prophetien, sie werden vergehen, . . . sei es Erkenntnis, sie wird aufgehoben werden‹, und das Weitere, dem er hinzufügt: ›Für jetzt aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Am größten von allen aber ist die Liebe‹: ich wundere mich, sagte ich, wie sich die Menschen angesichts dieser klaren Bestimmungen des Herrn und des Apostels um das, was vergeht und aufhört, mit größter Anstrengung und Leidenschaft bemühen, sich aber um das Bleibende und vor allem um die Liebe, die von allem das Größte ist und die den Christen charakterisiert, nicht nur selbst keine Sorge machen, sondern sich auch denen widersetzen, die sich um sie bemühen . . . Deswegen ermahne ich euch, und ich flehe euch an, mit dem nutzlosen Forschen und dem unangemessenen Wortstreit aufzuhören, euch mit den Worten der Heiligen und des Herrn selbst zu begnügen . . . und entsprechend dem Evangelium Christi zu leben, in der Hoffnung auf das ewige Leben, das all denen bereitet ist, die die Gebote Gottes befolgen . . .«33 214
Basilius ist der Ansicht, daß die endlosen Streitereien über theologische Dinge nur besonders intelligente Ausflüchte sind, um das eigentlich von Gott Geforderte nicht zu tun, um nicht sogleich und ohne Einschränkung Gottes Willen erfüllen zu müssen. Ist es nicht merkwürdig, daß man gerade dort, wo man sich auf das Tun des Evangeliums besinnt, etwa in dem Konvent des Roger Schutz in Taize´, zur ökumenischen Gemeinschaft mit dem christlichen Bruder der anderen Kirche leichter findet als in den Kommissionen des Weltrats der Kirchen? Die gemeinsame Praxis des christlichen Lebens findet offenbar den Weg eher zur Einheit als die theologische Theorie. Als Basilius sich mit knapp dreißig Jahren den Anhängern des rauhen Asketen Eustathius von Sebaste anschloß, da hat er sich weder um die disziplinären, noch um die theologischen Sanktionen gekümmert, mit denen dieser Mann belegt worden war, sondern er hat die Gemeinschaft aufgenommen, um mit 33
Basil., de fide 4 f. (PG 31, 688 A–689 A).
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Eustathius zusammen Christ zu sein. Die Praxis des Christseins stand für ihn eindeutig über der Theorie, und durch die Praxis hat er die zu radikaler Absonderung neigenden asketischen Anhänger des Eustathius zur Kirche zurückgeführt.34 Spricht das nicht für einen gewissen Vorrang der christlichen Praxis vor der theologischen Theorie? Die Theologen werden − wie so oft in der Kirchengeschichte − schon die theologischen Gründe ausfindig machen, die die Wiederaufnahme der Gemeinschaft rechtfertigen. Die Theorie folgt oft der Praxis. Basilius hat als einer der ganz wenigen Kirchenväter den Titel »der Große« erhalten. Die Kirchen sollten die Verpflichtung einlösen, die in diesem Titel liegt. Wenn sie diesen Mann mit Recht für sich beanspruchen wollen, dann muß seine Theologie ernsthaft studiert und seine Praxis zur Kenntnis genommen werden.35 Dann würde dieser Mann auch heute wieder, was er einmal war: ein Theologe und Mann der Ökumene.
Addendum Zu S. 354 * Zum Begriff »Homoiousianer« siehe die Erläuterungen in den »Addenda et Corrigenda« oben S. 323 f.
34 Vgl. dazu R. M. Hübner, Rubor confusionis (RB 73, 7). Die bleibende Herausforderung des Basilius von Caesarea für Mönchtum und Kirche, EuA 55, 1979, 327–343; J. Gribomont, Saint Basile et le monachisme enthousiaste, Ire´n. 53 (1980) 123–144; Ch. A. Frazee, Anatolian asceticism in the fourth Century: Eustathios of Sebastea and Basil of Caesarea, CHR 66, 1980, 16–33. 35 Vgl. das Apostolische Schreiben Johannes Pauls II. »Patres Ecclesiae« aus Anlaß des sechzehnhundertsten Todestages des Basilius, AAS 72, 1980, 11: Quapropter Ecclesiarum divisio sic liquido directoque adversatur tum ipsi Christo tum biblicae doctrinae, ut, e sancti Basilii sententia, sola via redintegrandae unitatis esse possit nova omnium conversio ad Christum eiusque verbum. − Ebd. 22: Huius tam magni sancti Caelitis atque magistri nos omnes in Ecclesia discipulos atque filios esse gloriamur; quapropter exempla eius iterum meditemur eiusque praecepta reverentes audiamus, omnino parati eius praecepta, consolationes, hortationes suscipere.
Basilius von Caesarea und das homoousios In diesem kleinen Beitrag geht es nicht darum, das schon so häufig behandelte Verständnis der trinitätstheologischen Begriffe homoousios und mia ousia bei Basilius nochmals in extenso darzulegen.1 Vielmehr soll auf einige bisher unbeachtet gebliebene Widerspüche in der basilianischen Interpretation des homoousios hingewiesen und versucht werden, die Ursache dieser Widerspüche aufzuzeigen. Vorausgesetzt wird dabei die Echtheit des Briefwechsels zwischen Basilius und Apolinarius (ep. 361–364), die G. L. Prestige und vor allem H. de Riedmatten m. E. überzeugend erwiesen haben.2 Da Basilius das Wort 1 Vgl. dazu A. M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol. Studien zur Geschichte und Theologie des II. Ökumenischen Konzils, FKDG 15, Göttingen 1965, 270– 293; R. Hübner, Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ousia bei den kappadozischen Brüdern, in: Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, publie´s par J. Fontaine et Ch. Kannengiesser, Paris 1972, 463–490 [erneut oben S. 245 ff.]; M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, SEAug 11, Rom 1975, 401–434. 511–525; F. Dinsen, Homoousios. Die Geschichte des Begriffs bis zum Konzil von Konstantinopel (381), Diss. theol. Kiel 1976, 155–167 (dieses Kapitel über das homoousios der Kappadozier bedeutet mit seiner undifferenzierten Behandlung der drei Theologen eher einen Rückschritt gegenüber einem bereits erreichten Forschungsstand); A. M. Ritter, Zum Homousios von Nizäa und Konstantinopel. Kritische Nachlese zu einigen neueren Diskussionen, in: Kerygma und Logos (FS Carl Andresen), hg. von A. M. Ritter, Göttingen 1979, 404–423; G. C. Stead, Individual Personality in Origen and the Cappadocian Fathers (1981), in: Ders., Substance and Illusion in the Christian Fathers, CStS 224, London 1985, XIII, 170–191; M. Simonetti, Genesi e sviluppo della dottrina trinitaria di Basilio di Cesarea, in: Basilio di Cesarea, la sua eta`, la sua opera e il Basilianesimo in Sicilia, Atti del congresso internazionale, Messina 3–6 XII 1979, Bd. I, Messina 1983, 169–197; A. de Halleux, Personnalisme ou essentialisme trinitaire chez les Pe`res cappadociens?, RTL 17, 1986, 129–155, bes. 144–148 [erneut in: Ders., Patrologie et Œcume´nisme. Recueil d’e´tudes, BETL 93, Leuven 1990, 215–268, bes. 230–234]. 2 G. L. Prestige, St Basil the Great and Apollinaris of Laodicea, London 1956; H. de Riedmatten, La correspondance entre Basile de Ce´sare´e et Apollinaire de Laodice´e I, II, JThS N. S. 7, 1956, 199–210 und 8, 1957, 53–70; zustimmend: J. Gribomont, Esote´risme et Tradition dans le Traite´ du Saint-Esprit de Saint Basile, Oec. 2, 1967, 22–56, hier 27 Anm. 23; E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, FKDG 23, Göttingen 1969, 3; Simonetti (o. Anm. 1), 416 Anm. 53, und viele andere; ablehnend aufgrund der (scheinbar entgegenstehenden) Autorität der Aussagen des Basilius: Y. Courtonne, Un te´moin du IVe sie`cle oriental. Saint Basile et son temps d’apre`s sa correspondance, Paris 1973, 225. Zweifel an der Echtheit äußert P. J. Fedwick, A Chronology of the Life and Works of Basil of Caesarea, in: Ders. (Hg.), Basil of Caesarea: Christian, Humanist, Ascetic. A Sixteen-Hundredth Anniversary Symposium, Bd. I, Toronto 1981, 6. Seine Bedenken habe ich auszuräumen versucht, siehe: Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-
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Basilius von Caesarea und das homoousios
homoousios ebenso wie das Wort theos in keinem schriftlichen Zeugnis ausdrücklich für den Heiligen Geist verwendet,3 geht es demnach hier ausschließlich um seine Deutung der Homouseität von Vater und Sohn. Basilius kommt an vier Stellen seiner ersten beiden Bücher gegen Eunomius,4 in einer Homilie5 und in zwölf Briefen,6 wenn ich mich nicht irre, also bei insgesamt siebzehn Gelegenheiten, auf das homoousios zu sprechen. Bei dieser Zahl ist nicht berücksichtigt, daß das Wort dabei mehrmals auftauchen kann. Mitgerechnet wurde hier ep. 140, in der das homoousios lediglich innerhalb des Zitats der fides Nicaena erscheint. Nicht mitgerechnet wurden die neun Briefe, in denen zwar der Glaube von Nicaea erwähnt wird, und zwar so, daß daraus die unbedingte Zustimmung des Basilius zu seinem integralen Wortlaut hervorgeht, das homoousios aber nicht ausdrücklich genannt wird.7 Die letztgenannten Briefstellen (zuzüglich ep. 140) sind für die Erkenntnis der basilianischen Deutung des homoousios ohne Belang. Das gilt auch von den drei Briefen, in denen das nizänische Stichwort zwar in verschiedenem Zusammenhang fällt, aber nicht interpretiert wird.8 Diese relativ hohe Zahl von Textstellen allein zeigt schon, daß Basilius zu Recht als ein Verteidiger des Glaubens von Nicaea gilt. Dennoch ist, wenn man die Zeugnisse im einzelnen betrachtet, nicht zu übersehen, daß Basilius dem homoousios anfänglich zögernd, ja sogar mißtrauisch gegenüberstand und noch keinen rationalen Weg sah, es mit seinen trinitarischen Vorstellungen in Übereinstimmung zu bringen. Das ergibt sich jedenfalls aus seiner frühesten Stel-
Athanasius, contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989, 198 Anm. 8. 3 Daß Basilius sich dagegen im Gespräch in diesem Punkte deutlich geäußert hat, bezeugt Gregor von Nazianz, or. 43, 69 (PG 36, 589 A-C [= SC 384, 278–282 Bernardi]); vgl. H. Dörries, De Spiritu Sancto. Der Beitrag des Basilius zum Abschluß des trinitarischen Dogmas, AAWG.PH 39, Göttingen 1956, 23–28; B. Pruche, Introduction, in: Basile de Ce´sare´e, Sur le Saint-Esprit, SC 17bis, Paris 1968, 9–248; 79–110. Nicht ursprünglich ist, wie J. Gribomont (o. Anm. 2), 37 Anm. 69 mitteilt, das Wort homoousios (innerhalb der Formel βαπτι´ζομεν ει᾽ς τρια´δα ο῾μοου´σιον) in dem an Mönche gerichteten Glaubensbekenntnis des Basilius, De fide 4 (PG 31, 688 A). In ep. 214, 4 (CUFr II, 205 f., 15–22 Courtonne) bezieht jedoch Basilius das homoousios implizit auch auf die dritte göttliche Person, wenn er es als Ausdruck für die Einheit der Gottheit der Hypostasen von Vater, Sohn und Heiligem Geist nennt. 4 Basil., adv. Eunom. I, 20 (PG 29, 556 C [= SC 299, 244, 11 Sesboüe´]); II, 4 (580 B [= SC 305, 22, 33. 40 Sesboüe´] ); II, 10 (589 A [= SC 305, 38, 5 S.]); II, 19 (613 C [= SC 305, 80, 64 S.]). 5 Basil., hom. 24, 4, c. Sabell., Arium et Anom. (PG 31, 608 A). 6 Basil., ep. 9; 52; 90; 125; 140; 159; 214; 226; 236; 244; 263; 361. 7 Basil., ep. 51, 2; 91; 92, 3; 113; 114; 128, 2; 204, 6; 258, 2; 265, 3. In den Briefen 52, 125, 140, 159, 214, 226, 244 ist von Nicaea und zugleich vom homoousios die Rede. Zum Rang des Konzils und Glaubens von Nicaea im Denken des Basilius siehe H. J. Sieben, Die Konzilsidee der Alten Kirche, KonGeU, Paderborn, München, Wien, Zürich 1979, 207– 230 passim. 8 Basil., ep. 90, 2; 244, 7. 9; 263, 3.
Briefwechsel Basilius − Apolinarius
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lungnahme, dem Brief 361 an Apolinarius, der, wie H. de Riedmatten glaubhaft gezeigt hat, aus der Zeit nach seinem verlegenen Rückzug vom Konzil von Konstantinopel (360) stammt.9 In diesem Brief bittet Basilius den Apolinarius, den er wahrscheinlich im Jahre 357 während seiner Informationsreise durch die monastischen Zentren in Syrien kennengelernt hat,10 um Auskunft über einen unanstößigen Gebrauch des Wortes homoousios in der Theologie. Da heißt es: Bislang haben wir mit Dir über die dunklen Stellen in der Schrift korrespondiert, und wir freuten uns über das, was Du zur Antwort schicktest und was Du versprachst. Jetzt aber ist uns eine noch größere gedankliche Schwierigkeit (μει´ζων . . . η῾ φροντι´ς) in noch größeren Dingen aufgekommen, zu deren Lösung wir niemanden unter den Zeitgenossen haben, den wir als solchen Vertrauten und Führer anrufen könnten wie Dich, den uns Gott als einen Menschen geschenkt hat, der im Denken und Reden korrekt und zugleich leicht erreichbar ist. Weil nun die, die alles durcheinanderrühren und die ganze Welt mit Diskussionen und Untersuchungen angefüllt haben, das Wort ousia verworfen haben, da es den göttlichen Worten fremd sei,11 sei so gütig und zeige uns, wie es die Väter gebraucht haben und ob (auch) Du es nirgendwo in der Schrift gefunden hast. . . . Sodann gib uns doch bitte eine möglichst breite Erläuterung über das homoousios selbst (dessentwegen sie meines Erachtens dies alles ins Werk setzen und die ousia völlig verwerfen, damit für das homoousios nur ja kein Platz mehr bleibt): welche Bedeutung es hat und wie es in gesunder Weise von denen ausgesagt werden könnte, bei denen es weder ein gemeinsames übergeordnetes Genus gibt, noch ein zuvor vorhandenes stoffliches Substrat, noch eine Abtrennung des ersten in ein zweites. Also, auf welche Weise man den Sohn dem Vater homoousios nennen muß, ohne daß man auf eine der genannten Vorstellungen verfällt, setze uns bitte ausführlich auseinander.
9 H. de Riedmatten (o. Anm. 2), 59 f.; vgl. S. Giet, Saint Basile et le Concile de Constantinople de 360, JThS N. S. 6, 1955, 94–99; L. R. Wickham, The Date of Eunomius’ Apology: A Reconsideration, JThS N. S. 20, 1969, 231–240, hier 235–237. Auch Th. A. Kopecek, A History of Neo-Arianism II, Cambridge, Mass. 1979, 362, entscheidet sich für die Zeit nach dem Konzil von Konstantinopel 360. 10 Vgl. Basil., ep. 1 (CUFr I, 4, 22 Courtonne); ep. 223, 2 (CUFr III, 10, 20–23 Courtonne); hierzu J. Gribomont, Eustathe le Philosophe et les voyages du jeune Basile de Ce´sare´e, in: RHE 54, 1959, 115–124. Am Ende des Briefes 361 grüßt Basilius »die Brüder«, d. h. Asketen, die mit Apolinarius zusammen sind, und erwähnt, daß Gregor (von Nazianz) sich bei seinen Eltern befindet (und nicht bei Basilius in der pontischen Einöde), setzt also voraus, daß Apolinarius auch über die asketischen Aspirationen des Gregor unterrichtet war; ep. 361 (CUFr III, 222, 39–43 C.); ep. 363 (CUFr III, 224, 1 C.) redet Basilius den Apolinarius als »Bruder« an, ebenso wie Apolinarius in ep. 364 (CUFr III, 225, 1 C.) den Basilius. »Mönche (monazontes) des Bischofs Apolinarius« waren 362 auf dem Konzil in Alexandrien anwesend: Athan., tom. ad Antioch. 9 (PG 26, 808 A [der kritischen Edition des Tomus durch Brennecke/Heil/von Stockhausen (Athanasius, Werke II/8, 349, 13 f.) zufolge findet sich diese Formulierung nur in einem als »redaktioneller Anhang« zum Tomus bewerteten Passus in der y-Sammlung der Werke des Athanasius]). 11 Im Bekenntnis des Konzils von Konstantinopel (360) heißt es (bei Athan., syn. 30, 8 [Werke II, 259, 12–16 Opitz]): »Es wurde beschlossen, das Wort ousia, das von den Vätern in schlichtem Sinn benutzt wurde, dem Volk aber unbekannt war und deshalb Anstoß erregte, vor allem weil auch die Schrift es nicht enthält, zu beseitigen und es künftig überhaupt nicht mehr zu erwähnen, weil auch die göttlichen Schriften nirgends etwas von einer ousia des Vaters oder Sohnes verlauten lassen.«
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Basilius von Caesarea und das homoousios
Wir haben nämlich bisher folgende Auffassung vertreten: Als das, als was zum Beispiel die ousia des Vaters verstanden werde, müsse unbedingt auch die des Sohnes verstanden werden; wenn man folglich die ousia des Vaters als geistiges, ewiges, unerzeugtes Licht bezeichnet, wird man auch die ousia des Einziggeborenen als geistiges, ewiges, gezeugtes Licht bezeichnen. Für einen solchen Begriff scheint mir aber der Ausdruck ›unterschiedslos gleich‹ (η῾ του῀ α᾽παραλλα´κτως ο῾μοι´ου φωνη´) jedenfalls besser als der des homoousios zu passen. Denn da es zwischen ›Licht‹ und ›Licht‹ keinen Unterschied hinsichtlich eines Mehr und Minder gibt, beide gleichwohl nicht identisch sind, weil sich ein jedes von ihnen in einer eigenen Umschreibung der ousia befindet, wird man sie, glaube ich, wohl richtig als der ousia nach genau und unterschiedslos gleich bezeichnen. Ob man also diese Begriffe in der Erörterung beibehalten soll, oder ob man an ihre Stelle andere und bessere setzen soll, das (entscheide) als ein weiser Arzt (habe ich Dir doch das enthüllt, was ich im Herzen trage), heile das Kranke, stärke das Schwache, stütze uns in jeder Weise! . . .12 74
Zunächst ergibt sich aus diesem Brief, daß für Basilius sowohl der Vater als auch der Sohn jeder eine mit dem anderen nicht identische ousia in einer eigenen Umschreibung ist.13 Ousia meint hier eindeutig das einzelne konkrete Seiende oder Individuum, das Basilius auch als hypostasis bezeichnet. So hat auch Apolinarius in seiner Antwort den Basilius verstanden.14 Vater und Sohn sind also zwei ousiai oder Hypostasen. Von einer Distinktion der beiden Begriffe ousia und hypostasis und ebenso von der Formel ›eine einzige ousia-drei Hypostasen‹, die ja die Distinktion voraussetzt, ist Basilius noch weit entfernt. Von diesem Standpunkt aus bedeutet für ihn die durch das Nicaenum auferlegte Verpflichtung, Vater und Sohn homoousios zu nennen, eine unüberwindliche Schwierigkeit. Basilius sieht drei Möglichkeiten, eine Homouseität von zwei miteinander nicht identischen ousiai auszusagen, und alle diese drei Möglichkeiten scheiden nach seinem Urteil in der Theologie aus, weil sie unweigerlich zu einem nicht mehr akzeptablen Gottesbegriff führen. Man könne (erstens) die gemeinsame ousia (= das homoousios) von Vater und Sohn nicht im Sinn eines allgemeinen, übergeordneten Gattungsbegriffs verstehen.15 Diese Möglichkeit wehrt Basilius in seiner etwa fünfzehn Jahre später entstandenen Schrift de Spiritu Sancto noch entschiedener ab. Dort nennt er es Wahnsinn und Gottlosigkeit anzunehmen, »der Gott des Alls werde wie ein Allgemeinbegriff, der nur der Vernunft erkennbar ist und in keinerlei Hypostase das Sein hat, auf die Subjekte aufgeteilt.«16 Eine weitere Begründung für seine Ablehnung gibt Basilius nicht, aber 12 Basil., ep. 361 (CUFr III, 220–222, 2–13. 15–39 C.). Eine kritische Edition des Briefwechsels hat auch H. de Riedmatten (o. Anm. 2 ), 202 ff. gegeben. Ich zitiere nach Courtonne, weil diese Ausgabe leichter zugänglich ist, und verweise nur bei Abweichungen auf de Riedmatten. 13 Vgl. Basil., ep. 361 (CUFr III, 221 , 24–33 C.). 14 Apolin., ep. ad Basil. = Basil., ep. 362 (CUFr III, 222, 4 f. C.): Ου᾽σι´α μι´α ου᾽κ α᾽ριϑμω ῀ͺ
μο´νον λε´γεται ω ῞ σπερ λε´γεις, και` το` ε᾽ν μια ῀ͺ περιγραφη ῀ͺ . . . 15 Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 19 f. C.): ε᾽φ ᾽ ω῟ν ου῎τε γε´νος κοινο`ν υ῾περκει´μενον . . . 16 Vgl. Basil., spir. XVII, 41 (SC 17bis, 394, 16–25 Pruche); Zitat 18–21 . . . το`ν Θεο`ν τω ῀ν ο῞λων ω ῞ σπερ κοινο´τητα´ τινα, λο´γωͺ μο´νωͺ ϑεωρητη´ν, ε᾽ν ου᾽δεμια ῀ͺ δε` υ῾ποστα´σει το` ει῏ναι ε῎χουσαν, ει᾽ς τα` υ῾ποκει´μενα διαιρει῀σϑαι· Dazu Hübner (wie Anm. 1), 472 [jetzt oben 257 f.].
Briefwechsel Basilius − Apolinarius
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sie liegt auf der Hand: Wer die gemeinsame ousia von Vater und Sohn als abstrakten Gattungs- oder Artbegriff interpretiert, landet konsequent bei einem Tritheismus. Auch Gregor von Nazianz weist mit dieser Begründung eine solche Deutung der Homouseität zurück.17 Eine gemeinsame ousia von Vater und Sohn, so fährt Basilius fort, könne auch (zweitens) nicht »ein zuvor vorhandendes stoffliches Sub strat« sein.18 Diese zweite Interpretation lehnt er ebenfalls an späterer Stelle, vor allem adv. Eunomium I, 19 und ep. 52, mit starken Worten ab und erklärt dabei ausführlicher, was er meint. Er will in der Theologie den Gedanken ausschließen, die gemeinsame ousia sei eine vorhandene Stoffmasse, die auf die aus ihr Stammenden aufgeteilt werde,19 so daß die aufgeteilte Substanz (ousia) die Bezeichnung der Konsubstantialität (homoousiou) denen mitteile, in die sie aufgeteilt worden sei. Eine solche Vorstellung treffe z. B. für das Kupfer und die aus ihm geschlagenen Münzen zu, sagt Basilius; aber zu glauben, Gott-Vater und Gott-Sohn sei eine ousia vor- oder übergeordnet (ου᾽σι´α πρεσβυτε´ρα, υ῾περκειμε´νη), sei eine Blasphemie. Außerdem sei das, was aus einem einzigen stamme, verschwistert (α᾽δελφα´).20 Es ist nicht schwer festzustellen, woher diese Deutung des homoousios stammt. Basilius hat sich hier einen der Einwände zu eigen gemacht, den die Homoiusianer, wie uns Hilarius bezeugt, in einem während dogmatischer Verhandlungen in Sirmium (358) verlesenen, den Unterschied von homoiousion und homoousion behandelnden Brief vorgetragen haben.21 Jedoch scheint er sowenig 17
Gregor. Naz., or. 31, 15 (SC 250, 304 Gallay). Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 20 f. C.): . . . ου῎τε υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον πρου¨πα´ρχον, . . . 19 Basil., adv. Eunom. I, 19 (PG 29, 556 A [= SC 299, 240, 27–30 S.]): Ει᾽ με`ν ου῏ν το` 18
κοινο`ν τη ῀ ς ου᾽σι´ας ου῞τω νοη´σας ει῏πεν, ω῾ς ε᾽ξ πρου¨παρχου´σης διανομη´ν τινα και` καταδιαι´ρεσιν ει᾽ς τα` α᾽π᾽ αυ᾽τη ῀ ς νοει῀ν [Sesboüe´: ε᾽ννοει῀ν], ου῎τ᾽ α῍ν αυ᾽τοι` καταδεξαι´μεϑα τη`ν δια´νοιαν ταυ´την· μη` γε´νοιτο·
20 Basil., ep. 52, 1 (CUFr I, 134 f., 28–40 C.). Die crux interpretum ep. 52, 2 (CUFr I, 135, 15 f. C.), wo Basilius das Gegenteil von dem zu sagen scheint, was er eben gesagt hat und sonst sagt, nämlich daß Geschwister nicht homoousia seien, ist wohl nur durch Konjektur zu lösen: Ου᾽ γα`ρ 〈ω῾ς〉 τα` α᾽δελφα` α᾽λλη´λοις ο῾μοου´σια λε´γεται (scil. nennen wir Vater und Sohn homoousios). Vgl. Apolin., ep. ad Basil. = Basil., ep. 362 (CUFr III, 224, 52–54 C.): Ου῟τος ο῾μοου´σιος . . . ου᾽χ ω῾ς τα` ο᾽μογενη ῀ , ου᾽χ ω῾ς τα` α᾽πομεριζο´μενα. Vgl. Basil., hom. 24, 4 (PG 31, 605 B): ῞Οταν δε` ει῎πω μι´αν ου᾽σι´αν, μη` δυ´ο ε᾽ξ ε᾽νο`ς μερισϑε´ντα νο´ει, α᾽λλ᾽ ε᾽κ τη῀ς
α᾽ρχη ῀ ς του῀ πατρο`ς το`ν υι῾ο`ν υ῾ποστα´ντα, ου᾽ πατε´ρα και` υι῾ο`ν ε᾽κ μια ῀ ς ου᾽σι´ας υ῾περκειμε´νης. ου᾽ γα`ρ α᾽δελφα` λε´γομεν. Ähnlich ep. 226, 3 (s. Anm. 28).
21 Hilar., syn. 81 (PL 10, 534 A): »De homousio vero, quod est unius essentiae, tractantes, primum idcirco respuendum pronuntiastis, quia per verbi hujus enuntiationem substantia prior intelligeretur, quam duo inter se partiti essent.« Vgl. ebd. 68 (525 C): »Est praeterea error hic tertius, ut cum unius substantiae Pater et Filius esse dicatur, significari existimetur substantia prior, quam inter se duo pares habeant: ac sic tres res sermo significet, substantiam unam, et duos unius substantiae velut cohaeredes.« Auch Marius Victorinus kennt und bekämpft diesen Einwand der Homoiusianer, siehe sein adv. Arium I, 29 (SC 68, 270, 7–10 Henry/Hadot): »Nunc autem supra, infra, in ο῾μοουσι´ου perversionem, nihil aliud dicis quam quod istud dicentes, necesse sit confiteri substantiam praeexsistere et sic ex ipsa patrem et filium esse.« Dazu P. Hadot, ebd., Introduction 32–38, und P. Hadot/U. Brenke,
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Basilius von Caesarea und das homoousios
wie Athanasius, der den Einwand ebenfalls wiederholt diskutiert,22 von diesem aus unmittelbarer Kenntnis des Schriftstücks der Homoiusianer zu wissen, denn er bringt ihn mit der angeblichen Verwerfung des homoousios durch die Synode von Antiochien (268) in Zusammenhang, auf der Paulus von Samosata abgesetzt wurde.23 Von dem in diesem Punkte sicherlich besser unterrichteten Hilarius erfahren wir aber, daß die Homoiusianer zwar auch dieses Synodalurteil als (zweites) Argument gegen das homoousios anführten, dafür aber eine anderslautende Begründung gaben.24 Sehr wahrscheinlich sind die Ausführungen des Basilius Reminiszenzen aus seinen Unterredungen mit den Homoiusianern, vor allem mit Basilius von Ankyra und Eustathius von Sebaste, die beide an den sirmischen Verhandlungen (358) beteiligt waren.25 An deren Seite finden wir Basilius nach einer Mitteilung des Philostorgius auf dem Konzil von Konstantinopel (360),26 und seine anschließenden langjährigen Kontakte und häufigen Gespräche über Glaubensfragen mit Eustathius und dem homoiusianischen Kreis bezeugt er selbst.27 Dazu stimmt, daß Eustathius, der nach seinem Bruch mit Basilius um 375 den ehemaligen Freund als homoousiastes betitelt, ihm gerade jene massive Deutung des homoousios unterstellt, die Basilius immer als Gottlosigkeit von sich gewiesen hat.28 Noch der Makedonianer des zweiten pseudathanasia nischen Dialogs hält an dieser Auslegung des homoousios fest und Christlicher Platonismus. Die theologischen Schriften des Marius Victorinus, Zürich und Stuttgart 1967, 57–62, sowie in Auseinandersetzung mit P. Hadot: W. A. Löhr, Die Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien. Studien zur Synodalgeschichte des 4. Jahrhunderts, Witterschlick/Bonn 1986, 76–78. 88–92. 22 Athan., c. Ar. I, 14 (PG 26, 41 A [= Werke I/1/2, 124, 10–12 Metzler/Savvidis] ): Ου᾽
γα`ρ ε῎κ τινος α᾽ρχη ῀ ς πρου¨παρχου´σης ο῾ πατη`ρ και` ο῾ υι῾ο`ς ε᾽γεννη´ϑησαν, ῞ινα και` α᾽δελφοι` νομισϑω ῀ σιν. Vgl. Athan., de syn. 45, 4; 51, 3 f. [Werke, Bd. 2/7, 269, 37–270, 13; 274,
33–275, 7 Opitz]. 23 Siehe Basil., ep. 52, 1 (CUFr I, 134, 28–30 C.). 24 Hilar., syn. 81 (PL 10, 534 B); zu diesem ungezählte Male verhandelten Thema siehe die Diskussion bei F. Dinsen (o. Anm. 1), 41–51; dort (228) auch die voraufgehende Literatur. H. Chr. Brennecke, Zum Prozeß gegen Paul von Samosata: Die Frage nach der Verurteilung des Homoousios, ZNW 75, 1984, 270–290, hat gegen F. Dinsen wahrscheinlich machen können, daß die Behauptung, die antiochenische Synode von 268 habe das von Paulus vertretene homoousios zurückgewiesen, eine homöusianische Schlußfolgerung ist. 25 Sozom., hist. eccl. IV, 13, 5; 15, 1 [GCS N. F. 24, 156, 10–12; 158, 5 f. Bidez/Hansen]; Hilar., syn. 90 (PL 10, 542 B); vgl. J. Gummerus, Die homöusianische Partei bis zum Tode des Konstantius. Ein Beitrag zur Geschichte des arianischen Streites in den Jahren 356–361, Leipzig 1900, 90–97; Simonetti (wie Anm. 1), 241 f.; W. A. Löhr (wie Anm. 21), 76. 26 Philostorg., hist. eccl. IV, 12 (GCS Philost. 64, 1–7 Bidez[/Winkelmann 3 = SC 564, 350, 1–332, 8 Bidez/Bleckmann u. a.] ); vgl. die Literatur oben Anm. 9. 27 Basil., ep. 223, 5 (CUFr III, 14, 1–19 C.). 28 Basil., ep. 226, 3 (CUFr III, 26, 5–9 C.): Ου῟τοι νυ῀ν και` τη`ν ε᾽ν Νικαι´αͺ διαβα´λλουσι
πι´στιν και` ο῾μοουσιαστα`ς η῾μα ῀ ς α᾽ποκαλου῀σι δια` το` ε᾽ν ε᾽κει´νηͺ τη ῀ͺ πι´στει το`ν μονογενη ῀ υι῾ο`ν τω ῀ͺ ϑεω ῀ͺ και` παρτι` ο῾μοου´σιον ο῾μολογει῀σϑαι, ου᾽χ ω῾ς α᾽πο` μια ῀ ς ου᾽σι´ας μερισϑει´σης ει᾽ς δυ´ο α᾽δελφα´, μη` γε´νοιτο. Auch die oben Anm. 20 zitierte Stelle aus hom. 24, 4 ist vor diesem historischen
Hintergrund zu sehen.
Briefwechsel Basilius − Apolinarius
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lehnt es deshalb in der Theologie ab.29 Das zeugt für eine konstante homoiusianische Tradition. Die dritte mögliche Deutung der Homouseität zweier selbständiger ousiai, die Basilius in ep. 361 sieht und für Vater und Sohn nicht akzeptieren kann, ist die Vorstellung, daß von einem Ersten ein Zweites abgetrennt wird.30 Daß er hierbei die gewöhnliche Hervorbringung eines Sprosses durch seinen Erzeuger im Auge hat, erkennt man leicht aus ep. 52.31 In der Ablehnung dieser Interpretation des homoousios sind sich alle damaligen Theologen, ob Arianer, Homoiusianer oder Nizäner, einig.32 Eine vierte mögliche Auslegung des homoousios, nämlich die ›sabellianische‹, die zur Identität der Hypostasen des Vaters und Sohnes führt, die von den Homoiusianem an erster Stelle zurückgewiesen wird,33 die auch Basilius von Jugend auf verabscheut und unablässig bekämpft,34 erwähnt er in ep. 361 nicht ausdrücklich, schließt sie aber implizit aus, indem er von den nicht identischen, in eigener Umschreibung befindlichen ousiai des Vaters und Sohnes redet.35 Mit den aufgezählten und verworfenen Deutungen sind für Basilius die Möglichkeiten eines Verständnisses des homoousios erschöpft. Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht er nicht und wählt deswegen, um die Einheit von Vater und Sohn auf »gesunde Weise« zu kennzeichnen, den Ausdruck, sie seien der ousia nach genau und unterschiedslos gleich (ο῞μοιον . . . κατ ᾽ ου᾽σι´αν α᾽κριβω ῀ ς και` α᾽παραλλα´κτως). Die ousia des Sohnes ist ebenso Licht wie die ousia des Vaters; der (individuierende) Unterschied liegt nur darin, daß der eine gezeugtes, der andere ungezeugtes Licht ist. 29
Ps-Athan., c. Macedon. dial. II (PG 28, 1336 C = CorPat 10, 122, 167 Cavalcanti):
᾽Αλλα` τα` ο῾μοου´σια ε῎χουσι πρου¨ποκειμε´νην ου᾽σι´αν. 30 Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 21 f. C.): . . . ου᾽κ α᾽πομερισμο`ς του῀ προτε´ρου ει᾽ς το` δευ´τερον. 31 Basil., ep. 52, 3 (CUFr I, 136, 9–11 C.): Ου᾽ γα`ρ ε᾽μερι´σϑη η῾ ου᾽σι´α α᾽πο` παρτο`ς ει᾽ς υι῾ο´ν, ου᾽δε` ρ῾υει῀σα ε᾽γε´ννησεν, ου᾽δε` προβαλου῀σα, ω῾ς τα` φυτα` του`ς καρπου´ς κτλ. Siehe auch hom.
16, 3 (PG 31, 477 CD–480 A); adv. Eunom. II, 6 (29, 581 B-C = SC 305, 26, 7–12 S.). 32 Vgl. z. B. Arius, ep. ad Alex. 5, bei Athan., syn. 16 (II, 244, 18 Opitz): . . . ω῾ς με´ρος αυ᾽του῀ ο῾μοουσι´ου και` ω῾ς προβολη´ . . .; Eunom., apol. 26, 23 f. (70 Vaggione); Synodalschreiben der Homoiusianer von Ankyra (358) bei Epiphan., haer. 73, 6, 1; 11, 4 [GCS Epiph. 2III, 275, 14–17; 283, 5–8 Holl/Dummer] ; Hilar., syn. 68 (PL 10, 525 C): Quin etiam et hujus statim erroris occurrit occasio, ut divisus a sese Pater intelligatur, et partem exsecuisse quae esset sibi filius. 33 Vgl. die wiederholten Verwahrungen gegen eine Identität (ταυ᾽το´ν) der ousia des Vaters und des Sohnes im Synodalschreiben von Ankyra (358) bei Epiphan., haer. 73, 8, 8; 9, 2. 10; 10, 2. 6. 8; 11, 4 [GCS Epiph. 2III, 279–283 H./D.], und die Verwerfung des homoousios als tautoousios ebd. haer. 73, 11, 11 [GCS Epiph. 2III, 284, 6–9 H./D.]; vgl. auch Hilar., syn. 81 (PL 10, 534 B). 34 Basil., ep. 224, 2 (CUFr III, 19 f., 27–36 C.); vgl. ep. 9, 2; 52, 3 (hier betrachtet Basilius das homoousios bereits als einen Schutz gegen eine Identität der Hypostase, CUFr I, 135, 20 C.: α᾽ναιρει῀ γα`ρ τη`ν ταυτο´τητα τη῀ς υ῾ποστα´σεως); ep. 125, 1; 126; 129, 1; 207, 1; 210, 3–5; 214, 3; 223, 6; 226, 4; 236, 6; 265, 2. 35 Basil., ep. 361 (CUFr III, 221, 31–33 C.): Φω ῀ ς γα`ρ φωτι` μηδεμι´αν ε᾽ν τω ῀ͺ μα ῀ λλον και` η῟ττον τη`ν διαφορα`ν ε῎χον ταυ᾽το`ν με`ν ου᾽κ ει῏ναι, διο´τι ε᾽ν ι᾽δι´αͺ περιγραφη ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας ε᾽στι`ν ε᾽κα´τερον, . . .
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Basilius von Caesarea und das homoousios
Apolinarius anerkennt in seiner Antwort alle drei Einwände des Basilius gegen das homoousios.36 Aber er besteht doch darauf, daß es eine (von Basilius ausgeschlossene) Identität (ταυτο´της) der ousia Gottes geben müsse.37 Er sieht sie darin, daß gewissermaßen wie von einem Stammvater die ganze göttliche »Gattung« (γε´νος) und »Form« (ει῏δος) vom einzigen Prinzip (α᾽ρχη´), dem Vater, vollständig und ohne Abtrennung dem einzigen Sproß (γε´ννημα), dem Sohn, übertragen wird, so daß eine Identität in Andersheit (ταυ᾽το`ν ε᾽ν ε῾τερο´τητι) gegeben ist. Die Identität der einzigen ousia (= das homoousion) wird durch das Zeugungsverhältnis (α᾽πογε´ννησις) garantiert; die Andersheit, durch die der Sohn nicht mit dem Vater identisch ist, durch eine Steigerung der Identität im Vater und eine Verminderung der Identität im Sohn.38 Lassen sich irgendwo Auswirkungen dieser Deutung des homoousios bei Basilius feststellen? In der bekannten ep. 9 des Basilius an den Philosophen Maximus,39 die von seiner pontischen Einöde aus geschrieben ist40 und aus etwas späterer Zeit stammt, erklärt er: Er akzeptiere die Formel »der ousia nach gleich«, wenn ihr das Wort »unterschiedslos« (α᾽παραλλα´κτως) beigefügt werde, als bedeutungsidentisch mit dem homoousios, wobei aber sichergestellt sein müsse, daß das homoousios in »gesundem Sinn« verstanden werde.41 Die vormalige Reserve gegenüber dem nizänischen Stichwort ist hier noch deutlich zu spüren,42 aber Basilius verwendet es nun, wie er weiter sagt, doch auch selbst, weil es ihm weniger Ansatzpunkte für eine unorthodoxe Auslegung zu bieten scheine.43 Basilius bekennt sich also immer noch zur homoiusianischen Formel, zieht ihr aber die nizänische vor. Interessanterweise verwendet er nun die Begründung, die er im Brief an Apolinarius dem Stichwort der Homoiusianer gab, nahezu gleichlautend auch zur Deutung des nizänischen homoousios. Auch die Väter von Nicaea hätten dieses Wort, so erklärt er, im Sinne der unterschiedslosen Gleichheit der ousia nach verstanden, »wenn sie den Eingeborenen Licht aus Licht und wahren Gott aus wahrem Gott und dergleichen nennen und konsequent das homoousios anschließen. Es ist ja nicht möglich, sich jemals irgendeinen Unterschied (παραλλαγη´ν) zwischen Licht und Licht oder Wahrheit und Wahrheit oder der ousia des Eingeborenen und der des Vaters vorzustellen«.44 Basilius bleibt also bei seinem alten Standpunkt. Von einer Auswirkung der Argumentation des Apolinarius in diesem Punkte ist nichts zu bemerken. 36
Apolin., ep. ad. Basil. = Basil., ep. 362 (CUFr III, 222 f., 14–16. 30–33 C.). Siehe den Text bei Anm. 67. 38 Apolin., ep. ad Basil. = Basil., ep. 362 (CUFr III, 222–224, 14–57 C.). 39 Zu dieser Figur siehe M.-M. Hauser-Meury, Prosopographie zu den Schriften Gregors von Nazianz, Theoph. 13, Bonn 1960, 119–121. 40 Basil., ep. 9, 3 (CUFr I, 40, 29–35 C.). 41 Ebd., 9, 3 (CUFr I, 39, 1–4 C.). 42 Vgl. auch Basil., ep. 52, 1 (CUFr I, 134, 20–28 C.); ep. 125, 1 (CUFr II, 31, 16–25 C.). 43 Basil., ep. 9, 3 (CUFr I, 39, 16–18 C.). 44 Basil., ep. 9, 3 (CUFr I, 39, 4–10 C.); vgl. ep. 361 (CUFr III, 221, 24–34 C.). 37
Das homoousios in weiteren Schriften des Basilius
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Die Deutung, die er ursprünglich (in ep. 361) vom homoiusianischen Kennwort gab, jetzt aber auf das homoousios übertragen hat, kehrt auch später in den Briefen und den Büchern gegen Eunomius mehrfach in ähnlicher Weise wieder.45 Dabei fällt auf, daß er zur Begründung der Gemeinsamkeit der ousia gewöhnlich nicht darauf rekurriert, daß der Sohn vom Vater gezeugt ist, sondern lediglich hervorhebt, daß zwischen Licht und Licht, als solche betrachtet, kein Unterschied bestehe. Das Zeugungsverhältnis bleibt dabei − anders als bei Apolinarius − außer Betracht. Die Adjektive α᾽γε´ννητον und γεννητο´ν, die das Licht des Vaters und das Licht des Sohnes kennzeichnen, begründen nicht etwa die Gemeinsamkeit der ousia, sondern differenzieren als antithetische Eigentümlichkeiten (ι᾽διω´ματα) die gemeinsame ousia der Gottheit in Vater und Sohn.46 Andererseits gibt es aber durchaus Stellen, an denen Basilius auf das Zeugungsverhältnis zu sprechen kommt. Ihre Bedeutung und Tragweite soll weiter unten erörtert werden. Auch die Rede von der ousia des Vaters und der ousia des Sohnes (also von zwei ousiai ) ist in ep. 9 noch nicht aufgegeben und begegnet ebenfalls noch eine Weile, auch in adv. Eunomium,47 ebenso wie die homoiusianische Formel, von der er sich meines Wissens nie distanziert hat.48 Daneben finden wir aber in den Büchern gegen Eunomius bereits das homoousios, und auch die in ep. 361 zurückgewiesene Identität der ousia ist in adv. Eunom. II, 28 akzeptiert: »Dies nämlich sei die Natur der Eigentümlichkeiten (scil. des agenneton und genneton), daß sie in der Identität der ousia die Andersheit (scil. von Vater und Sohn) zeigen.«49 Die ousia ist hier natürlich nicht mehr wie in ep. 361 als konkrete Einzelsubstanz verstanden. Die Terminologie (ταυτο´της, ε῾τερο´της) verweist deutlich auf Apolinarius,50 ist aber ganz basilianisch verar45 Siehe ep. 52, 2 (CUFr I, 135, 6–15 C.); ep. 125, 1 (CUFr II, 32, 46–49 C.); ep. 226, 3 (CUFr III, 26 f., 9–13 C.). (Noch) nicht das homoousios, sondern die eine oder gemeinsame ousia wird mit dem gleichen Gedanken in adv. Eunom. begründet, vgl. ebd. II, 25; 26; 28 (PG 29, 629 B; 632 B-D; 636 C = SC 305, 104–106; 108–110; 116–118 S.); weitere Stellen siehe unten Anm. 57. 46 Vgl. z. B. Basil., adv. Eunom. II, 28 f. (PG 29, 637 B–640 B = SC 305, 118–122 S.). 47 Vgl. Basil., hom. 23, 4, in s. mart. Mamantem (PG 31, 597 C). Basilius wendet sich hier gegen eine Verschmelzung der ousiai (= Hypostasen) von Vater und Sohn; ousia im Sinne der Einzelsubstanz auch adv. Eunom. I, 7 (PG 29, 525 A.B); 13 (541 B); 26 (569 A); 27 (572 B): ousiai; II, 3 (577 A); 6 (581 C); 11 (592 B–593 A); 13 (596 B-C); 17 (605 B). An zahlreichen anderen Stellen der Bücher gegen Eunomius, an denen Basilius von der ousia des Vaters und der des Sohnes o. ä., sogar von ihren ousiai redet, hat ousia den Begriffsinhalt der hypostasis (den das Wort bei Eunomius immer auch zugleich hat, vgl. besonders II, 6: 584 A) eher verloren und meint den Seinsinhalt. 48 Vgl. adv. Eunom. I, 23 (PG 29, 564 A = SC 299, 254 S.); II, 22; 25; 31 (620 B; 621 A; 629 B; 644 B = SC 305, 88; 92; 106; 128 S.). 49 Adv. Eunom. II, 28 (PG 29, 637 C = SC 305, 120, 43 f. S.): Αυ῞τη γα`ρ τω ῀ ν ι᾽διωμα´των η῾ φυ´σις, ε᾽ν τη ῀ͺ τη ῀ ς ου᾽σι´ας ταυτο´τητι δεικνυ´ναι τη`ν ε῾τερο´τητα. 50 Siehe Apolin., ep. ad Basil. = Basil., ep. 362 (CUFr III, 223, 33–37 C.): ταυ᾽το`ν ε᾽ν ε῾τερο´τητι και` ε῞τερον ε᾽ν ταυτο´τητι; vgl. das von Basilius dem Apolinarius zugeschriebene Zitat aus dem von den Eustathianern in Umlauf gesetzten Syntagma in einem Brief an
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Basilius von Caesarea und das homoousios
beitet. In der Umgebung dieser Stelle stößt man auf weitere unzweideutige Spuren der apolinareischen Antwort (ep. 362), wie schon der scharfsichtige Gelehrte G. L. Prestige in seiner Untersuchung des Briefwechsels bemerkt hat. Aber hier rezipiert Basilius nicht, sondern er lehnt schroff ab: Die Theorie einer gesteigerten Identität des göttlichen Lichts im Vater, einer geminderten im Sohn gilt dem Basilius als abwegig. Prestige, der die korrespondierenden Passagen aus ep. 362 und adv. Eunom. II, 27 f. abdruckt, kommt zu dem Schluß: »It is difficult to resist the conclusion that in writing against Eunomius Basil had, at certain definite moments, not only his own letter (Ep. 361) to Apollinaris in his head − or hand − but also the letter (Ep. 362) which Apollinaris sent him in reply.«51 Wohl jeder, der mit der trinitätstheologischen Terminologie des Basilius einigermaßen vertraut ist und diese Stellen aufmerksam liest, wird diesem Urteil, das sich noch mit mehreren philologischen Einzelbeobachtungen stützen ließe, zustimmen können. Angesichts der deutlichen Kritik des Basilius scheint die Aussicht, einen positiven Einfluß der ep. 362 auf seine Deutung des homoousios zu entdecken, eher gering zu sein. Aber sehen wir zu. Das homoousios begegnet in adv. Eunomium insgesamt fünfmal, davon zweimal innerhalb einer argumentatio ad hominem, die für das Verständnis des theologischen Begriffs nichts austrägt.52 Dreimal steht es im Zusammenhang trinitarischer Erörterungen, bezeichnet zweimal jedoch lediglich die Homouseität der Menschen, und nur ein einziges Mal das Verhältnis des Vaters zum Sohn. Die Stellen, an denen die Homouseität der Menschen ausgesprochen und begründet ist, klingen zwar für unsere Ohren höchst erstaunlich, stimmen aber mit dem üblichen Verständnis der ousia bei Basilius durchaus überein. An der ersten Stelle, adv. Eunom. II, 4, erläutert Basilius die Homouseität der Menschen mit dem Schriftwort Hiob 33, 6: »Aus Lehm bist du geformt, heißt es, so wie auch ich; dieses Wort kennzeichnet nichts anderes als das homoousion aller Menschen.«53 Die zweite Stelle, adv. Eunom. II, 19, lautet: »Die Menschen überragen Meletius, ep. 129, 1 (CUFr II, 40, 8–10 C.): . . . η῾νωμε´νως τη῀ͺ ε῾τερο´τητι νοει῀ν α᾽ναγκαι῀ον τη`ν πρω´την ταυτο´τητα, και` δευτε´ραν και` τρι´την λε´γοντας τη`ν αυ᾽τη´ν.
51 Siehe Prestige (o. Anm. 2), 24–26, Zitat S. 26. Prestige zitiert die Mauriner Ausgabe. Die von ihm verglichenen Stellen aus adv. Eunom. II, 27 f. stehen PG 29, 636 A. B. C–637 A. B. C = SC 305, 114, 37 f. 116, 49–54. 118, 10–14. 27 f. 31–120, 37. 43 f. S. 52 Basil., adv. Eunom. II, 4 (PG 29, 580 B = SC 305, 20–22 S.): »Denn die Natur der Dinge folgt nicht den Bezeichnungen, sondern die Bezeichnungen sind ersichtlich später als die Dinge. Denn wenn dies wahr wäre, dann müßte das, was dieselben Bezeichnungen hat, auch eine und dieselbe ousia haben. Demnach wären die Menschen, weil ja die in der Tugend Vollkommenen der Bezeichnung Gottes gewürdigt sind, mit dem Gott des Alls konsubstantial (homoousioi).« − Adv. Eunom. II, 10 (PG 29, 589 A = SC 305, 38 S.): »Aber dieser Allerweiseste, der sein ganzes Leben den eitlen Künsten gewidmet hat (scil. Eunomius), schämt sich nicht zu behaupten, das Wort ›Erzeugnis‹ (gennema) bezeichne die ousia des Eingeborenen selbst. Welchen Unsinn diese Behauptung enthält, betrachtet: Wenn nämlich die ousia Erzeugnis ist, und umgekehrt, was Erzeugnis ist, auch ousia ist, dann sind folglich alle Erzeugnisse miteinander konsubstantial (homoousia).« 53 Adv. Eunom. II, 4 (PG 29, 580 B = SC 305, 20–22. 32–34 S.).
Das homoousios in weiteren Schriften des Basilius
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durch die Technik ihre eigenen Werke, dennoch sind sie mit ihnen homoousioi, wie der Töpfer mit dem Ton und der Schiffsbauer mit dem Holz. Beide sind ja in gleicher Weise Körper und in gleicher Weise wahrnehmbar und irden.«54 Es haben also, nach diesen Texten zu urteilen, für Basilius alle körperlichen Dinge (einschließlich der Tiere und Menschen) eine einzige, identische ousia. Das wird durch andere Aussagen bestätigt.55 Die ousia ist hier das (stoffliche) Substrat (υ῾λικο`ν υ῾ποκει´μενον), ein Begriff, der sich am zwanglosesten in Analogie zur stoischen unqualifizierten oder erst teilweise qualifizierten ousia verstehen läßt und den Basilius analog auch für das Sein der trinitarischen Hypostasen verwendet. Danach ergibt die ousia zusammen mit den jeweiligen Eigentümlichkeiten die (erkennbare) individuelle Hypostase.56 Wo Basilius diese Anwendung macht, taucht zur Bestimmung des gemeinsamen Seinssubstrats von Vater und Sohn auch wieder jene bereits aus dem Brief an Apolinarius (ep. 361) bekannte Überlegung auf, daß sich das Licht, das der Vater ist, vom Licht, das der Sohn ist, nicht unterscheide.57 Basilius ist sich also bislang ziemlich treu geblieben. Das Zeugungsverhältnis von Sohn und Vater, das Apolinarius zur Begründung ihrer Homouseität herangezogen hatte, erwähnt Basilius nicht. Es läßt sich jetzt auch erklären, warum er diese Begründung nicht aufnimmt. Für ihn haben alle körperlichen Dinge eine einzige ousia; das heißt aber, daß die Menschen auch mit nicht von ihnen Gezeugtem (wie Holz, Lehm) homoousioi sind. Das Zeugungsverhältnis drückt demnach in seinen Augen nicht das Eigentümliche der Homouseität aus und kann daher zu ihrer Begründung und Erklärung nicht genügen. Wenn sich Basilius bei der Bestimmung der ousia bislang so treu bleibt und das homoousios oder die »gemeinsame ousia« konsequent im selben Sinn interpretiert, so ist eine Abweichung an anderer Stelle umso auffälliger. Hat er in adv. Eunom. II, 4; II, 19 und II, 28 erklärt, daß Lehm, Holz, Mensch, alle körperlichen Dinge eine einzige ousia haben, so scheint er in adv. Eunom. II, 32 das Gegenteil vorauszusetzen. In einer Argumentation gegen Eunomius führt er dort aus, daß man, wenn man einmal zur Erläuterung des Verhältnisses von Vater und Sohn Beispiele aus
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Adv. Eunom. II, 19 (PG 29, 613 C = SC 305, 80, 63–66 S.). Vgl. adv. Eunom. II, 28 (PG 29, 637 C = SC 305, 120, 48–50 S.). Daß bei Basilius das homoousios ebensoviel bedeutet wie το` κοινο`ν τη῀ς ου᾽σι´ας o. ä., μι´α ου᾽σι´α, μι´α και` η῾ αυ᾽τη` ου᾽σι´α, η῾ αυ᾽τη` ου᾽σι´α, η῾ τη ῀ ς ου᾽σι´ας ταυτο´της, ergibt sich leicht z. B. aus einem Vergleich von ep. 361 und adv. Eunom. I, 19 f., II, 4; 10; 28. Eine ganz entsprechende, ausdrücklich als nichtaristotelisch bezeichnete Auffassung der ousia vertritt der Makedonianer im 2. pseudathanasianischen Dialog (PG 28, 1336 C–1337 A = 122, 161–187 Cavalcanti). 56 Vgl. adv. Eunom. I, 15. 19; II, 4. 28, dazu meine in Anm. 1 zitierte Untersuchung [jetzt oben S. 254–271]. Vgl. C. Stead, Philosophie und Theologie I. Die Zeit der Alten Kirche, Stuttgart u. a. 1990, 127: ». . . es hat den Anschein, daß zumindest Basilius dazu neigte, mit dem Begriff ousia stoische Hintergedanken zu verbinden.« 57 Adv. Eunom. I, 19 (PG 29, 556 A-B = SC 299, 240–242 S.); II, 25; 28; 29 (629 B; 637 B-C; 640 A-B = SC 305, 104–106; 120; 122 S.). 55
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dem menschlichen Bereich heranziehen wolle, finden werde, »daß wir nicht aus den Werken des Handwerkers dessen ousia erkennen, aber aus dem Gezeugten die Natur dessen, der gezeugt hat. Denn es ist nicht möglich, aus dem Haus die ousia des Baumeisters zu erfassen; aber aus dem Erzeugten (gennema) läßt sich leicht die Natur des Erzeugers erkennen.«58 Hier wird im Gegensatz zu dem, was sich bei Basilius bisher fand, das Zeugungsverhältnis als Erkenntnisgrund der Homouseität eingeführt; das Schaffensverhältnis wird dagegen als Erkenntnisweg ausgeschlossen. Das impliziert aber eigentlich die (im Antwortbrief des Apolinarius ausgesprochene) Auffassung, daß durch Zeugung etwas Homousisches, durch Schaffen aber etwas Heterousisches entsteht: Ein Schaffender hat mit dem Geschaffenen nicht eine gemeinsame ousia, ein Baumeister ist mit dem Haus nicht homoousios. Basilius fährt fort: »Wenn daher der Eingeborene ein Geschöpf (demiourgema) ist, so stellt er uns die ousia des Vaters nicht dar. Wenn er uns aber durch sich den Vater erkennen läßt, dann ist er kein Geschöpf (demiourgema), sondern wahrer Sohn und Bild Gottes (vgl. Kolosser 1, 15) und ›Charakter der Hypostase‹ (Hebräer 1, 3).«59 Was ist geschehen? Was hat den Basilius zu solcher Kehrtwendung veranlaßt? Abweichend von seiner üblichen Argumentation begründet er jetzt aus dem Zeugungsverhältnis und, mit Bezug auf Kolosser 1, 1560 und Hebräer 1, 3, aus der Abbildlichkeit des Sohnes die gemeinsame ousia von Vater und Sohn. Hat Basilius inzwischen des Athanasius zweiten Brief an Serapion von Thmuis in die Hände bekommen und haben ihn dessen Worte erschreckt? Sie klingen ja in der Tat so, als seien sie eigens gegen Basilius geschrieben: »Und der Schiffsbauer und der Baumeister zeugen nicht, was sie machen, sondern jeder stellt her: der eine das Boot, der andere das Haus. . . . Wie also nur ein Rasender sagen könnte, das Haus sei mit dem Baumeister, das Boot mit dem Schiffsbauer homoousios, so spricht jemand sachgerecht, wenn er jeden Sohn mit seinem Vater homoousios nennt.«61 Es ist jedoch unwahrscheinlich, ja eigentlich auszuschließen, daß Basilius diese Stelle des von ihm geschätzten Athanasius gelesen und danach noch in adv. Eunom. II, 19 geschrieben haben könnte, der Schiffsbauer sei mit den Bauhölzern homoousios.62 Weil es von der Sache her näher liegt, nehme ich an, daß es ihm inzwischen gelungen ist, einer Kopie von de decretis Nicaenae synodi habhaft zu werden, der Schrift aus der Zeit 350/351,63 in welcher Athanasius erklären 58
Adv. Eunom. II, 32 (PG 29, 648 C-D = SC 305, 136 S.). Ibid. 60 Kolosser 1, 15 wird von Basilius in adv. Eunom. I, 18 (PG 29, 552 C = SC 299, 234, 5 f. S.) zitiert, ebenso II, 16 (PG 29, 604 C = SC 305, 64, 33 S.); es wird also auch hier gemeint sein. 61 Athan., ad Serap. II, 6, 2 f. (PG 26, 617 A-B [= Werke I/1/4, 545, 11–17 Savvidis]). 62 Chronologisch wäre eine Kenntnis dieser Schrift des Athanasius seitens des Basilius möglich. M. Tetz, Athanasius von Alexandrien, in: TRE 4, 1979, 344, setzt sie 357/358 an. 63 Vgl. Tetz (o. Anm. 62). 59
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will, warum und in welcher Bedeutung die Väter von Nicaea das der Hl. Schrift fremde homoousios ins Glaubenssymbol schrieben. Es mußte ihn ja interessieren, was ein Teilnehmer der Synode zu dem ihm selbst bisher unlösbaren Problem zu sagen hatte. In de decret. 13 gibt es eine mit der eben aus ad Serap. II, 6 zitierten sachlich parallele, aber im Ton nicht ganz so scharfe Ausführung: »Wer, der gesunden Verstand besitzt, erkennt nicht, daß das, was geschaffen und gemacht wird, sich außerhalb des Machenden befindet, der Sohn aber, wie die vorhergehende Darlegung zeigte, nicht außerhalb (des Vaters), sondern aus dem zeugenden Vater existiert? Und es gründet (schafft) ja ein Mensch ein Haus, er zeugt aber einen Sohn, und es würde wohl niemand umgekehrt sagen, das Haus und das Schiff würden von dem Herstellenden gezeugt, der Sohn aber von ihm geschaffen und gemacht, noch wiederum, daß das Haus Bild des Schaffenden sei, der Sohn aber dem Zeugenden unähnlich (anhomoios). Sondern er wird vielmehr bekennen, daß der Sohn Bild des Vaters sei, das Haus aber ein Werk (demiourgema) der Technik, es sei denn einer im Verstand nicht gesund und habe die Urteilskraft verloren.«64
Dieser Text scheint mir den Basilius zu einem Rückzug und zu einer vorsichtigen Korrektur seiner vorher geäußerten Meinung veranlaßt zu haben. Daß der Sohn aus dem Vater gezeugt und dessen Bild ist, wie Athanasius sagt, gilt jetzt als Erkenntnisgrund der (gemeinsamen) göttlichen ousia. Das ist freilich mehr implizit als explizit gesagt, und das homoousios bleibt ungenannt. Hebräer 1, 3, bei Basilius der zweite Schriftbeleg für die Bildhaftigkeit des Sohnes, wird von Athanasius ein paar Zeilen zuvor zitiert.65 Aber man wird doch zweifeln, ob sich allein die Lektüre von de decretis in adv. Eunom. II, 32 ausgewirkt hat. Basilius hat ja jetzt − nahezu am Ende seines zweiten und wichtigsten Buches gegen Eunomius − zu einem guten Teil die von Apolinarius vertretene Position erreicht. Bestimmte Aussagen, die er wiederholt in der Schrift des Athanasius fand, mußten ihn an entsprechende bei Apolinarius erinnern und könnten ihn bewogen haben, dessen Ausführungen nochmals zu bedenken. Athanasius sagt im zitierten Text de decret. 13, 4, daß das Geschaffene sich außerhalb des Schaffenden befinde, und wiederholt dies in 23,1. Der Sohn aber, weil in der Schrift immerzu als »Abglanz« verkündet (Hebräer 1, 3), sei das eigene Erzeugte (gennema) der ousia des Vaters und bewahre darin im Verhältnis zu diesem notwendig die Identität (ταυτο´τητα). Deswegen könnten die Christusbekämpfer über das homoousios nicht befremdet sein. Denn der Logos, heißt es ein wenig weiter, »ist nicht etwas Andersgeartetes (ε῾τεροειδε´ς), damit nicht etwas Fremdes und Unähnliches der ousia des Vaters beigemischt werde, noch ist er einfach äußerlich gleich (ε῎ξωϑεν α῾πλω ῀ ς ο῞μοιος), damit er nicht gemäß einem anderen oder gänzlich anderen Wesens (ε῾τεροου´σιος) erscheine . . . Wenn nun auch der Sohn so ist (scil. wie wesensunähnliche Dinge), so soll er ein Geschöpf sein wie wir und nicht homoousios.«66 64
Athan., de decret. 13, 4 (II, 11, 24–32 Opitz); vgl. 23, 1–4 (II, 19, 10–30 Opitz). De decret. 12, 2 (II, 10, 32–11, 1 Opitz). 66 De decret. 23, 2 f. (das wörtliche Zitat: II, 19, 21–23. 27 Opitz). 65
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Ähnliches schreibt Apolinarius: »Die einen nämlich, welche die ousia in keinerlei Identität (ε᾽ν ου᾽δεμια῀ͺ ταυτο´τητι) angenommen haben, tragen die Ähnlichkeit von außen heran (τη`ν ο῾μοι´ωσιν ε῎ξωϑεν φε´ροντες) und weisen sie dem Sohne zu, was doch auch bis zu den Menschen möglich ist, die Gott verähnlicht sind. Die anderen aber, weil sie wissen, daß die Ähnlichkeit den Geschöpfen angemessen ist, verbinden zwar den Sohn mit dem Vater in Identität, jedoch in geminderter Identität (υ῾φειμε´νηͺ δε` ταυτο´τητι), damit er nicht etwa der Vater sei oder ein Teil des Vaters . . . So ist er Gott, nicht als jener, sondern als aus jenem, nicht das Urbild, sondern Bild; dieser ist homoousios auf eine ganz außergewöhnliche und eigentümliche Weise . . .«67 Die literarischen Bezüge zwischen beiden Texten sind im einzelnen hier nicht zu erörtern. Es ist deutlich, daß sich bei Apolinarius Gedanken und Begrifflichkeit des Athanasius wiederfinden. Ob Apolinarius dem Basilius zugleich mit seinem Antwortbrief auch eine Kopie der athanasianischen Verteidigung des homoousios mitgeschickt hat? Jedenfalls scheint der theologische Anfänger Basilius unter dem Eindruck der doppelten Autorität der beiden befreundeten Theologen Zeugungs- und Abbildverhältnis nochmals erwogen und geschrieben zu haben, was am Ende des Kapitels adv. Eunom. II, 32 steht. Die Identität der ousia hat er in II, 28 freilich erst rezipiert, nachdem er der apolinareischen Auffassung einer im Sohne geminderten Identität eine entschiedene Absage erteilt hat. Den Unterschied aber zwischen der II, 32 erkennbaren ousia-Auffassung und seinen bisherigen Definitionen erläutert er uns nicht. Es sind jetzt noch die oben übergangenen Stellen aus adv. Eunomium zu berücksichtigen, an denen Basilius das Zeugungsverhältnis erwähnt. Helfen auch sie zur Erklärung des soeben festgestellten Gesinnungswandels? Das scheint nicht der Fall zu sein. Denn es sind jene Stellen, an denen Basilius berichtet, in welcher Weise Eunomius den Vater- und Zeugungsbegriff von Gott ausschließen will, um die von den Homoiusianern aus diesem gezogenen Schlußfolgerungen zunichte zu machen.68 In seiner Antwort übernimmt er weitgehend deren Gedanken und Formulierungen: »Es wäre nötig gewesen . . ., den Begriff einer der Heiligkeit und Leidenschaftslosigkeit Gottes würdigen Zeugung zu denken, die Weise, nach der Gott zeugt, weil unsagbar und unerdenklich, beiseite zu lassen, sich aber von der Bezeichnung des Zeugens zur Gleichheit der ousia nach (τη`ν κατ ᾽ ου᾽σι´αν ο῾μοιο´τητα) führen zu lassen. Indessen ist jedem, der die Sache betrachtet, klar, daß die Bezeichnungen, ich meine ›Vater‹ und ›Sohn‹, von Natur aus hauptsächlich und zuerst nicht den Gedanken körperlicher Leidenschaft hervorrufen, sondern, so wie sie für sich gesagt werden, allein die gegenseitige Beziehung (σχε´σιν) anzeigen. Denn Vater ist, wer einem anderen den Ursprung des Seins gemäß der ihm gleichen Natur gewährt; Sohn aber, wer aus einem anderen durch Zeugung den Ursprung des Seins empfangen hat.«69 67 68
Apolin., ep. ad Basil., ep. 362 (CUFr III, 223 f., 44–53 C.). Basil., adv. Eunom. II, 22 (PG 29, 620 A-B = SC 305, 88, 2–14 S.).
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Das faßt die Überlegungen zusammen, mit denen Basilius von Ankyra in der Denkschrift seiner Synode von 358 die Gleichheit der ousia nach zu begründen sucht.70 An den übrigen hierher gehörigen Stellen in adv. Eunomium redet Basilius von τη῀ς ου᾽σι´ας οι᾽κει´ωσις oder τη῀ς φυ´σεως οι᾽κειο´της oder ähnlichem und benutzt damit ebenfalls homoiusianische Begrifflichkeit.71 Die Überlegungen der Homoiusianer führen aber nicht zum homoousios und der Identität der ousia, sondern schließen sie eigens aus, indem Vater und Sohn immer als zwei ousiai aufgefaßt werden.72 So gibt es auch bei Basilius dort, wo er die homoiusianischen Gedanken und Formeln aufgreift, keine Brücke vom Zeugungsverhältnis zur gemeinsamen ousia von Vater und Sohn. Die Gedankenreihen stehen unverbunden nebeneinander, ein deutliches Zeichen dafür, daß Basilius die verschiedenen von ihm aufgenommenen Ideen nicht in einer einheitlichen Konzeption zu integrieren vermochte. Wenn Basilius, als er in adv. Eunom. II, 19 schrieb, der Töpfer sei mit dem Ton, der Schiffsbauer mit den Hölzern homoousios, noch nicht auf die seiner dort dargelegten Auffassung diametral entgegengesetzte Meinung des Athanasius in de decretis gestoßen war, dann wird man nicht erwarten, daß er bereits in adv. Eunom. I, 20, der einzigen Stelle in seiner Trilogie gegen den Anhomoier, an der er das Wort homoousios auf Vater und Sohn anwendet, das Zeugungsverhältnis ins Spiel bringt. Das geschieht auch tatsächlich nicht: Es ist nicht möglich, daß der Gott des Alls mit seinem Bilde (vgl. Kolosser 1, 15), das zeitlos erglänzt, nicht von Ewigkeit zusammen sei und nicht eine Verbindung habe, die über die Zeit, ja über alle Äonen erhaben ist. Denn deswegen heißt er ›Abglanz‹, damit wir die Verbundenheit erkennen, und ›Charakter der Hypostase‹ (Hebräer 1, 3), damit wir das homoousion erlernen.73
Nur die Abbildhaftigkeit, wie in adv. Eunom. II, 32 durch Kolosser 1, 15 und Hebräer 1, 3 belegt, begründet hier die göttliche synapheia und das etwas kleinlaut hervorgebrachte homoousion. Auf diese beiden Schriftstellen, zugleich aber auch auf das Zeugungsverhältnis, nimmt Basilius nun auch an der einzigen Stelle seiner Homilien Bezug, an der das homoousios überhaupt vorkommt, nämlich in hom. 24, 4, contra Sabellianos, Arium et Anomoeos. Nun ist diese Stelle nachweislich eine Kopie der entsprechenden Passage im pseudathanasianischen Traktat contra Sabellianos. Ich setze beide Stellen hierher. 69
Adv. Eunom. II, 22 (PG 29, 621 A-B = SC 305, 90–92 S.). Vgl. das Synodalschreiben von Ankyra (358) bei Epiphan., haer. 73, 3, 1–4, 4 [GCS Epiph. 2III, 271, 7–273, 15 H./D.] und an anderen Stellen. 71 Basil., adv. Eunom. II, 6 (PG 29, 581 C = SC 305, 26, 17–20 S.); II, 23 (624 C–625 A = SC 305, 96, 56–62 S.); II, 24 (625 B. C = SC 305, 98, 1–4. 16–100, 23 S.); damit ist zu vergleichen der Brief des Georg von Laodicea bei Epiphan., haer. 73, 19, 1–5 [GCS Epiph. 2III, 291, 16–292, 16 H./D.], mit der fast gleichen Formel: τη῀ς φυ´σεως τη`ν οι᾽κειο´τητα (ebd. haer. 73, 19, 4 [292, 12 H./D.]). 72 Vgl. das Synodalschreiben des Basilius von Ankyra bei Epiphan., haer. 73, 8, 8; 9, 2. 6 f.; 10, 2. 9 [GCS Epiph. 2III, 279–282 H./D.]; differenzierter schon Georg von Laodicea ebd. haer. 73, 17, 4–18, 5 [289–291 H./D.]. 73 Basil., adv. Eunom. I, 20 (PG 29, 556 C = SC 299, 242, 6–244, 11 S.). 70
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Basilius, hom. 24, 4 (PG 31,605 D–608 C)
Ps-Athanasius, contra Sabellianos 6 f. (PG 28, 108 B; 109 A)
Denn wo es nur ein einziges Prinzip gibt und zugleich ein einziges, das aus ihm ist, und wo es nur ein einziges Urbild gibt und zugleich ein einziges Abbild (ει᾽κω´ν), da wird der Begriff der Einheit nicht zerstört. Weil der Sohn durch Zeugung (γεννητω ῀ ς) aus dem Vater stammt und auf natürliche Weise in sich den Vater abbildet, so besitzt er als Bild die unterschiedslose Gleichheit (α᾽παρα´λλακτον), als Erzeugtes (γε´ννημα) bewahrt er das ο῾μοου´σιον.
Wo es aber nur ein einziges Prinzip gibt und zugleich ein einziges Erzeugnis (γε´ννημα) aus ihm, da ist das genaueste und natürliche Bild, weil es ja auch aus ihm gezeugt ist; da ist ein einziger Gott, weil die Gottheit als vollkommene im Vater erkannt wird, und vollkommen auch im Sohn die väterliche Gottheit vorhanden ist.
Denn niemand, der auf dem Markt das kaiserliche Bild betrachtet und den im Bilde (Dargestellten) ›Kaiser‹ nennt, bekennt deswegen zwei Kaiser, das Bild und den, dessen das Bild ist; noch hat er, wenn er auf den deutet, der auf der Tafel gemalt ist, und sagt: ›Dies ist der Kaiser‹, das Urbild der Bezeichnung des Kaisers beraubt. ... Doch hier machen Holz und Wachs und des Malers Kunst das Bild vergänglich, eines Vergänglichen Nachahmung, und ein künstliches Bild eines, der selbst gemacht 89 ist. Wenn du aber dort von einem ›Bild‹ hörst, so verstehe darunter den ›Abglanz der Herrlichkeit‹. Was ist ›der Abglanz‹, und was ist ›die Herrlichkeit‹? Der Apostel erklärt es sofort selbst, indem er hinzusetzt: ›und Charakter der Hypostase‹ (Hebr 1, 3). Dasselbe also ist die ›Hypostase‹ mit der ›Herrlichkeit‹, der ›Charakter‹ mit dem ›Abglanz‹, so daß, weil die Herrlichkeit vollkommen bleibt und in nichts gemindert wird, der Abglanz vollkommen hervorgeht. Und so stellt uns das Wort des ›Bildes‹, wenn es gotteswürdig aufgefaßt wird, die Einheit der Gottheit dar. Denn dieser ist in jenem und jener in diesem, insofern dieser von der Art ist wie je-
Du vermagst ja doch auch durch jenes kleine Gleichnis, das die göttliche Schrift kundgetan hat, da sie Christus ›Bild des unsichtbaren Gottes‹ (Kol 1, 15) nannte, das Gesagte zu begreifen: Meiden wir auch hier wieder das Unähnliche in dem Gleichnis, daß nämlich das Bild Gottes künstlich und anderen Wesens (ε῾τεροου´σιον) sei, und bekennen wir, daß es gezeugt und gleichen Wesens (ο῾μοου´σιος) ist. Gleichwohl aber sieht, wer das Bild des Kaisers sieht, den Kaiser und sagt: ›Siehe, dies ist der Kaiser!‹ − und hat doch nicht zwei Kaiser gemacht . . .
Wie ist dieser in jenem und jener in diesem? Insofern dieser von der Art ist wie je-
Synopse Basilius, hom. 24 − Ps-Athanasius, c. Sabellianos ner, und jener von der Art wie dieser. So werden auch die zwei dadurch geeint, daß der Sohn nicht verschieden und auch nicht in einer anderen Gestalt (ει῏δος) und einem fremden ›Charakter‹ (Hebr 1, 3) zu denken ist.
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ner, und jener von der Art wie dieser. So sind auch die zwei dadurch eins, daß der Sohn nicht verschieden, nicht abgesondert und auch nicht in einer anderen Gestalt (ει῏δος) und einem fremden ›Charakter‹ (Hebr 1, 3) zu denken ist.
Es würde eine lange Darlegung ergeben, wollte man jetzt auf die feinen theologischen Unterschiede eingehen, die bei der Benutzung desselben Materials erkennbar sind. Es ist ersichtlich, daß Basilius das einzige homoousios seiner gesamten Predigten zusammen mit der Begründung aus dem Zeugungs- und Abbildverhältnis (Kolosser 1, 15 und Hebräer 1, 3)74 von dem meinerseits mit Apolinarius identifizierten pseudathanasianischen Autor übernimmt.75 Eine Zurückhaltung gegenüber dem nizänischen Kennwort und seiner Herleitung aus dem Sohnschaftsverhältnis zeigt er in der Homilie, anders als sonst, nicht, was zweifellos durch die massive Übernahme aus seiner Vorlage bedingt ist. Weil sich die Spu ren der Theologie und Terminologie des apolinareischen Traktats und gerade auch des oben daraus zitierten Textstücks in naher Umgebung (I, 18) der einzigen theologischen homoousios-Stelle der Bücher gegen Eunomius finden lassen, ist es wahrscheinlich, daß Basilius unter dem Einfluß dieser Schrift hier zum ersten Male vorsichtig die Homouseität des Sohnes mit dem Vater formuliert.76 Dafür spricht auch der Bezug auf Kolosser 1, 15 zusammen mit Hebräer 1, 3, Schriftstellen, die im ersten Buch gegen Eunomius nur in I, 18 und 20 vorkommen,77 im Antwortbrief des Apolinarius (ep. 362) aber nicht zitiert werden. Die Verteidigung des homoousios durch Athanasius in de decretis hat Basilius zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelesen, und in den homoiusianischen Denkschriften wird zwar Kolosser 1, 15 mehrfach zitiert, aber nicht Hebräer 1, 3. Faßt man die Beobachtungen zusammen, so kann man nicht umhin festzustellen, daß das theologische Erstlingswerk des Basilius nicht aus einheitlichem Guß ist. Das ist auch eigentlich nicht zu erwarten, wenn man bedenkt, daß die »Bekehrung« des Basilius erst wenige Jahre zurückliegt und er sich seitdem zwar mit den praktischen Anweisungen der Schrift für ein christliches Leben, aber nicht genug mit den im strengen Sinn theologischen Fragen der Gotteslehre beschäftigt hat. So mußte er, um Eunomius antworten zu können, sich auf verschiedenen Seiten nach theologischem Rat umsehen. Weil er selbst noch nach einem festen Standpunkt suchte, vermochte er die unterschiedlichen Lösungen 74 Kol 1, 15 wird von Ps-Athanasius zitiert, von Basilius hier nur angedeutet, aber hom. 24, 2 (PG 31, 604 B) angeführt; umgekehrt zitiert Basilius die Stelle Hebr. 1, 3, die PsAthanasius nur andeutet, aber c. Sabell. 5 (PG 28, 105 B) anführt. Beide Autoren haben also dieselben Schriftstellen. 75 Siehe die Untersuchung ›Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin‹ (o. Anm. 2), 47–125. 197–281. 76 Vgl. ebd. 252–255. 77 Sie kehren zusammen, deutlich unter dem Einfluß von Ps-Athan., c. Sabell., in adv. Eunom. II, 16 f. und dann eben II, 32 wieder.
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für dasselbe Problem nicht souverän zu beurteilen und in einen geschlossenen und in sich kohärenten Zusammenhang zu bringen. Homoiusianisches, Athanasianisches, Apolinareisches und aus dem Studium mitgebrachte philosophische Kenntnisse stehen zum großen Teil unverbunden nebeneinander. Die Einflüsse der einzelnen Schriften lassen sich ziemlich scharf abgrenzen, man kann manchmal die Seiten angeben, bei deren Abfassung Basilius jeweils auf einen bestimmten Text zurückgegriffen hat. So erklären sich auch die zum Teil schon seit langem bemerkten begrifflichen und sachlichen Unausgeglichenheiten und Widersprüche in seinen Ausführungen, die umso deutlicher hervortreten, je weniger Zeit Basilius zur Verarbeitung des aufgenommenen Materials hatte.78 Bei der literarischen Analyse seines Werkes stehen wir aber durchaus noch am Anfang, so daß auch das hier zum homoousios Dargelegte unvollständig bleibt. Nur ein durchgehender Kommentar zu den Büchern gegen Eunomius könnte umfassende und zuverlässige Auskunft bringen. Der Mangel an konsistenter Begrifflichkeit und kohärentem Denken bei den Kappadoziern, von dem hier Geehrten in vielfachen Arbeiten aufgezeigt,79 wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die nachnizänische Trinitätslehre eine Lehre im Werden ist, für welche weder die vorangegangene Theologiegeschichte noch die Philosophie adäquate Kategorien zur Verfügung stellte oder stellen konnte.
78 Einige Erläuterungen in: ›Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin‹ (o. Anm. 2), 120–125. 257–268. 79 Vgl. die zahlreichen Studien in dem Sammelband von G. C. Stead, Substance and Illusion in the Christian Fathers, CStS 224, London 1985; ders., Why Not Three Gods? The Logic of Gregory of Nyssa’s Trinitarian Doctrine, in: H. R. Drobner und Ch. Klock (Hg.), Studien zu Gregor von Nyssa und der christlichen Spätantike (FS A. Spira), SVigChr 12, Leiden u. a. 1990, 149–163 [erneut in: G. C. S., Doctrine and Philosophy in Early Christianity. Arius, Athanasius, Augustine, CStS 684, Aldershot u. a. 2000, Nr. XIV] und zuletzt: Art. Homousios, in: RAC 16, 1994, 364–433, hier 423–425.
Die Hauptquelle des Epiphanius (Panarion, haer. 65) über Paulus von Samosata: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos Mit einigem Bedauern über das nicht immer sachgerecht erscheinende Urteil der Fachgenossen über den Quellenwert des größten antihäretischen Werkes der Alten Kirche hat Jürgen Dummer kürzlich auf die Dienste hingewiesen, die das Panarion des Epiphanius jedem Theologiehistoriker leistet, der auch heute noch zu diesem »Medikamentenkoffer« greifen muß, wenn er die Häretiker zwar nicht kurieren, aber doch verstehen will. In der Tat ist es unbestritten, daß wir dem Sammeleifer des asketischen Ketzerbestreiters zahlreiche kostbare Texte verdanken, die sich sonst nicht erhalten haben. Schon die Liste der wenigen ausgewählten Namen, an die Dummer erinnert (Irenaeus, Methodius, Marcion, Ptolemaeus, Ae¨tius), ist beeindruckend und veranlaßt zu dankbarer Nachdenklichkeit.1 Wenn uns Epiphanius den Autor und Titel der von ihm zitierten Schriften nennt, ist ihr Quellenwert allerdings unzweideutig. Schwieriger ist es dort, wo anonyme Quellen vorauszusetzen sind. Sie können nur in mühsamer Kleinarbeit ermittelt werden. So hat Dummer im genannten Aufsatz nachweisen können, daß Epiphanius seine zoologischen Kenntnisse mit Hilfe eines uns unbekannten einschlägigen Handbuchs vom Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus aufgebessert hat, um die Gefährlichkeit der einzelnen Häretiker mit der jeweils angemessensten Giftschlangenart illustrieren zu können. Eine uns »unbekannte Schrift, auf die auch die mythologischen Partien der Apologie des Aristides zurückgehen«, soll Epiphanius auch in seinem Ancoratus benutzt haben.2 Freilich handelt es sich bei diesen Nachweisen um Inhalte, die den Theo1 J. Dummer, Ein naturwissenschaftliches Handbuch als Quelle für Epiphanius von Constantia, Klio 55, 1973, 289–299; hier 289 f. Die Übersetzung »Medikamentenkoffer« für das Panarion ebendort 291. − Eine etwas ausführlichere, aber durchaus nicht vollständige Liste der Werke, die uns allein Epiphanius ganz oder fragmentarisch aufbewahrt hat, bietet P. Nautin, E´piphane (Saint) de Salamine, DHGE 15, 1963, 617–631; hier 627. Der von ihm dort genannte Name des Basilius von Ancyra als Autor des haer. 72, 6–10 exzerpierten Werkes gegen Marcellus von Ancyra ist in Acacius von Caesarea zu korrigieren (vgl. Epiphanius, Panarion haer. 72, 5, 2 und 72, 10, 3 [GCS Epiph. III2, 260, 3 f. und 264, 33 Holl/Dummer). 2 J. Dummer, Ein naturwissenschaftliches Handbuch, 290 Anm. 8, mit Verweis auf seine phil. Diss. Berlin 1965 (maschinenschriftlich): Epiphanius von Constantia (Salamis), Studien zu den formalen Grundlagen seiner Bildung, 80–100.
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logiehistoriker eher am Rande interessieren. Für ihn entscheidend ist die Frage, aus welchen Quellen Epiphanius das reichhaltige Material geschöpft hat, das er ohne Angabe des Fundorts für seine Darstellungen der einzelnen Häresien verwendet. Seit der mehr als ein Jahrhundert zurückliegenden Untersuchung von R. A. Lipsius gilt es − wenigstens weithin − als ausgemacht, daß Epiphanius für die Häresien 13–57 neben dem Werk des Irenaeus vor allem das heute verlorene Syntagma des Hippolyt − also eine sehr verläßliche Quelle − ausgewertet habe, das ebenfalls den antihäretischen Schriften des Pseudo-Tertullian und Filastrius zugrunde liege und aus ihnen rekonstruiert werden könne.3 Dieses Syntagma des Hippolyt kennen wir aus einer Beschreibung des Photius, der es noch gelesen hat. Es war ein »Büchlein«, das 32 Häresien behandelte, mit den Dositheanern begann und bis zu Noe¨t und den Noe¨tianern führte.4 Den Schluß des Syntagmas glaubte Lipsius mit der im Codex Vaticanus graecus 1431 als vorletztem Stück überlieferten »Homilie des Hippolyt, Erzbischofs von Rom und Martyrers, gegen die Häresie eines gewissen Noet« gefunden zu haben.5 Da nun Epiphanius sein Kapitel über die Noe¨tianer (haer. 57) nachweislich mit Hilfe dieses Textes bestreitet,6 hatte Lipsius eine entscheidende Stütze für seine Rekonstruktion gewonnen.7 Ob wohl seine Thesen nicht unwidersprochen 3 R. A. Lipsius, Zur Quellenkritik des Epiphanios, Wien 1865. Lipsius’ Ergebnisse findet man − teilweise modifiziert − z. B. wieder bei A. (von) Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius II/2, Leipzig 21958 (= 11904), 220–223; O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur II, Freiburg 21914, 566; R. Gögler, Hippolytos v. Rom, LThK2 5, 1960, 379; P. Nautin, E´piphane (Saint), DHGE 15, 1963, 626 f.; B. Altaner/A. Stuiber, Patrologie, Freiburg/Basel/Wien 81978, 168. 316; M. Richard, Hippolyte de Rome (Saint), DSp VII/1, 1969, 541 f., jetzt auch in: Ders., Opera minora I, Turnhout/Leuven 1976, Nr. 10; J. Quasten, Patrologia I, Madrid 31978, 475. 4 Photius, Bibliothek cod. 121 (II, 95 Henry). 5 Die erste kritische Edition dieses Textes Contra Noe¨tum besorgte E. Schwartz, Zwei Predigten Hippolyts, SBAW.PPH 1936, Nr. 3, München 1936, 5–18. Schwartz geht ebd. 3 f. kurz auf frühere Editionen ein und gibt S. 23–51 seine Interpretation des Textes in Auseinandersetzung mit der vorhergehenden Forschung. Nach ihm hat P. Nautin eine gleicherweise umstrittene Edition wie Interpretation vorgelegt: Hippolyte. Contre les he´re´sies (fragment). E´tude et e´dition critique, ETHDT 2, Paris 1949. Zuletzt hat R. Butterworth, S. J. neben einer erhellenden Darstellung der bewegten Geschichte der Edition und Interpretation des kleinen Textes (S. 1–33) eine neue kritische Edition samt englischer Übersetzung erscheinen lassen: Hippolytus of Rome, Contra Noetum. Text introduced, edited and translated, HeyM 2, London 1977. S. 94–141 untersucht er Struktur und Stil von Contra Noe¨tum und kommt zu dem Schluß, daß es kein Fragment (eines anderen Werkes) sein kann. Das Problem der Autorschaft bleibt bewußt unberührt (S. I). [Die Edition von Butterworth ist vorzuziehen der späteren von M. Simonetti, Ippolito, Contro Noeto, BPat 35, Bologna 2000.] 6 Siehe die Nachweise für haer. 57 in der Edition K. Holls: GCS Epiphanius II, Leipzig 1922, 343–357 [2., bearbeitete Aufl. hg. von J. Dummer, Berlin 1980]. 7 R. A. Lipsius, Zur Quellenkritik, 37–40. 241–244. Lipsius war nicht der erste, der diese Identifizierung vollzog, sondern hatte darin berühmte Vorgänger: Le Nain de Tillemont, Fabricius, Gallandi, Routh. Ihre Ansicht war auch auf Widerstand gestoßen, siehe das Anm. 5 zitierte Buch von R. Butterworth, 7–14.
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blieben, haben sie sich in der Folgezeit weithin durchgesetzt, sogar bei seinen ursprünglichen Gegnern.8 Die Rezeption dieser Thesen wurde auch nicht nachhaltig durch E. Schwartzens harte Kritik aufgehalten, der das Syntagma Hippolyts, wie es Lipsius konstruiert hatte, einen »Schatten ohne Inhalt« nannte und energisch bestritt, daß die ziemlich umfangreiche Predigt Hippolyts Contra Noe¨tum jemals Schlußteil eines knapp gefaßten Häresienkatalogs gewesen sein könne.9 Den empfindlichsten Schlag gegen die auch heute noch geltende Ansicht, daß Epiphanius in seinem Noe¨t-Kapitel verläßliche Quellen ausgeschöpft habe,10 führte M. Richard. Nachdem er am Anfang einer berühmten Kontroverse mit P. Nautin Zweifel an der Autorschaft Hippolyts angemeldet hatte,11 konnte er in einem seiner letzten Artikel zwar kurz, aber m. E. doch durchschlagend beweisen, daß Hippolyt nicht der Verfasser der Homilie Contra Noe¨tum sein könne und daß Epiphanius einem Machwerk aus dem letzten Viertel des vierten Jahrhunderts aufgesessen sei.12
8
Lipsius hatte seine Position in einem neuen Werk gegen Harnack verteidigen müssen (Die Quellen der ältesten Ketzergeschichte neu untersucht, Leipzig 1875, bes. 115–137), der später seine Bekehrung eingestand, siehe die oben Anm. 3 zitierte Stelle; zu dieser Kontroverse und zur nachfolgenden Interpretationsgeschichte ausführlicher: R. Butterworth, Hippolytus of Rome (oben Anm. 5), 14–19. 9 E. Schwartz, Zwei Predigten Hippolyts (oben Anm. 5), 23–38; Zitat 37. Eine umsichtige Darstellung des Syntagma-Problems bei R. Butterworth, Hippolytus of Rome, 7–10; ebd. 19–21 zu E. Schwartz und zur Reaktion auf ihn. 10 Noch jüngst hat J. A. Fischer, Die vermutlichen Synoden gegen Noe¨t von Smyrna, MThZ 28, 1977, 55–63, Contra Noe¨tum als »primären Quellentext bei Hippolyt« (S. 55) ausgewertet [dies findet sich jedoch richtiggestellt in: J. A. Fischer/A. Lumpe, Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums, Paderborn u. a. 1997, 88]. 11 M. Richard hat seine Zweifel zuerst in einer Rezension des Werkes von P. Nautin, Hippolyte et Josipe, Paris 1947, in den MSR 5, 1948, 128 geäußert. Er hat sie, ohne Angabe von Gründen, wiederholt am Ende seines Artikels Comput et chronographie chez saint Hippolyte: MSR 8, 1951, 50, jetzt auch in: Ders., Opera minora I, Nr. 19. − Zu der von P. Nautin ausgelösten Kontroverse siehe R. Butterworth, Hippolytus of Rome, 21–32; vgl. auch V. Loi, La problematica storico-letteraria su Ippolito di Roma, in: Ricerche su Ippolito, SEAug 13, Roma 1977, 9–16. 12 M. Richard, La transmission des textes des Pe`res grecs, SE 22, 1974–1975, 51–60; hier 58 f.; jetzt in: Ders., Opera minora III, Nr. 83; vgl. auch die Bemerkung Richards zur Rezeption seines Artikels in der Einleitung zu Opera minora I, S. 17. Sehr knapp hatte Richard seine Argumente schon in seinem Hippolyt-Artikel angedeutet: DSp VII/1, 1969, 533; vgl. 541 (= Opera minora I, Nr. 10). − Die These Richards wird, soweit man von ihr überhaupt Kenntnis hat, von den Autoren des Sammelbandes Ricerche su Ippolito (siehe vorhergehende Anm.) entweder nur notiert, so von C. Curti, Osservazioni su un passo dell’ Elenchos (I, praef. 1) a. a. O. 91, oder kommentarlos zurückgewiesen, so von P. Meloni, Ippolito e il Cantico dei cantici, ebd. 98. Die Autorschaft Hippolyts an Contra Noe¨tum wird ansonsten vorausgesetzt oder mit neuen Argumenten bekräftigt. Eine Ausnahme macht J. Frickel, Contraddizioni nelle opere e nella persona di Ippolito di Roma, ebd. 137– 149, der C. Noe¨tum als ein posthippolytianisches Versöhnungsdokument erklären will. V. Loi und M. Simonetti verteilen die überlieferten Hippolyt-Werke wieder auf zwei Hippolyti (ebd. 67–88; 121–136; zusammenfassend M. Simonetti 151–156).
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Damit ist für haer. 57 nachgewiesen, was W. Schneemelcher in seinem großen Epiphanius-Artikel vom Jahre 1962 für das Panarion festgestellt hat: »Auf jeden Fall sind sicher viele Abschnitte ohne Quellenwert.«13 Der folgende Beitrag zu Ehren des Jubilars soll sein Urteil von 1962 für ein anderes Epiphaniuskapitel, nämlich haer. 65 erhärten und damit einen Schritt weiter auf »eine umfassende Quellenanalyse« hinführen, die nach seinen Worten immer noch aussteht.14 Der Bericht des Epiphanius über Paulus von Samosata im Panarion haer. 65 hat den Gelehrten, seit sie ihn näher untersuchten, schon immer Rätsel aufgegeben.15 F. Loofs, der in seiner Monographie über den Samosatener die Frage erörtert, ob Epiphanius im Kapitel haer. 65 »urkundliches Material benutzt hat«, kommt zu einem recht negativen Ergebnis. Von den Akten der Synode von 268 zeige sich bei ihm »nicht die geringste Spur«, die über Eusebius hinausführe, und vom Eusebius-Bericht16 nur dies, daß er Paulus als Erneuerer der Häresie des Artemon bezeichne. »Was über« Paulus von Samosata »selbst gesagt wird«, heißt es weiter, »erscheint . . . wesentlich als ein Echo dessen, was die anti-marcellisch bestimmte homoiusianische Beurteilung des PvS ihm vorgeworfen hatte«.17 Obwohl Epiphanius viermal so etwas wie Zitate des Paulus bringe,18 sei es »sehr unwahrscheinlich«, »daß diese ›Aussagen‹ des PvS urkundlichen Quellen entnommen« seien, denn »seinem Referat« fehle »die Frische«. Das Wissen des Epiphanius beruhe wohl auf der »Lektüre einer polemischen Schrift homoiusianischer Herkunft«.19
13
W. Schneemelcher, Epiphanius von Salamis, RAC 5, 1962, 909–927; hier 917. Ähnlich war G. Strecker in bezug auf die Kapitel des Epiphanius über die ebionitischen Theologien zu dem Urteil gekommen, »daß Epiphanius’ Darstellung für sich genommen wertlos ist . . . und nicht zur Identifizierung ebionitischer Texte herangezogen werden« kann: G. Strecker, Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen, TU 70, Berlin 1958, 265 f. Anm. 1 [seitengleich TU 70 2, Berlin 21981]. 14 W. Schneemelcher, Epiphanius, 917. 15 Noch ohne Verdacht gegenüber dem Wert des von Epiphanius, haer. 65, zusammengetragenen Materials hat A. (von) Harnack, Monarchianismus, RE3 13, 1903, 303–336; hier 319–324, das Panarion-Kapitel über Paulus von Samosata benutzt; vgl. auch sein Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen4 1909, 724–728. Ebenso J. Tixeront, Histoire des dogmes dans l’antiquite´ chre´tienne I, Paris 101924, 462–464. Auch F. Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, Halle a. S. 41906, 218. 16 Die sog. Akten der Synode von 268 hat zuletzt ediert H. de Riedmatten, Les actes du proce`s de Paul de Samosate. E´tude sur la Christologie du IIIe au IVe sie`cle, Paradosis 6, Fribourg en Suisse 1952, 135–158. Eusebius berichtet über die Affäre Paulus von Samosata in seiner Kirchengeschichte VII, 27, 1–30, 19 (GCS NF VI/2, 702–714 Schwarz). 17 F. Loofs, Paulus von Samosata, Eine Untersuchung zur altkirchlichen Literatur- und Dogmengeschichte, TU 44/5, Leipzig 1924, 161. 18 Die von Loofs angeführten Zitate stehen in der Edition Holls: Epiphanius, haer. 65, 1, 5 (GCS Epiph. III2, 3, 9–11 H./D.); 65, 1, 8 f. (4, 2–4. 6 H./D.); 65, 1, 10 (4, 7 f. H./D.); 65, 2, 1 (4, 10 H./D.). 19 F. Loofs, Paulus v. Samosata, 162.
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»Dennoch«, meint Loofs, sei »was Epiphanius in dem Abschnitt über PvS mitteilt, nicht ganz unergiebig«. Er beziehe sein Wissen »vornehmlich« von den Anhängern des Paulus, den »neuen Juden«, wie er sie nennt, deren Äußerungen er wahrscheinlich »durch persönliche Berührungen mit ihnen« kennengelernt habe. Loofs wertet fünf Zitate als solche »Reste von Ausführungen der Anhänger des PvS«.20 Er zählt sie als Fragmente 45–49: 45 46 47 48 49
Προ´σωπον ε῝ν το`ν ϑεο`ν α῞μα τω ῀ͺ λο´γωͺ φασι`ν ω῾ς α῎νϑρωπον ε῞να και` το`ν αυ᾽του῀ λο´γον21 τω ῀ ν α᾽πο` Παυ´λου του῀ Σαμοσατε´ως τω ῀ ν συ`ν τω ῀ͺ λο´γωͺ ϑεο`ν και` λο´γον συ`ν τω ῀ͺ ϑεω ῀ͺ φασκο´ντων22 Φα´σκουσι γα`ρ ο῞τι α῎νϑρωπος η῏ν ο῾ ᾽Ιησου῀ς και` ε᾽ν αυ᾽τω ῀ͺ ε᾽νε´πνευσεν α῎νωϑεν ο῾ λο´γος 23 και` ταυ῀τα (Mt. 11, 25–27)περι` ε῾αυτου῀ ο῾ α῎νϑρωπος λε´γει. ο῾ πατη`ρ γα`ρ α῞μα τω ῀ͺ υι῾ω ῀ͺ ει῟ς ϑεο´ς, ο῾ δε` α῎νϑρωπος κα´τωϑεν το` ῎ιδιον προ´σωπον υ῾ποφαι´νει, και` ου῞τως τα` δυ´ο προ´σωπα πληρου῀νται24 λο´γον γα`ρ οι῟ον το`ν ε᾽ν καρδι´αͺ ει῏ναι νομι´ζουσι και` σοφι´αν οι῞αν ε᾽ν ψυχη ῀ͺ α᾽νϑρω´που ε῞καστος ε῎χει τη`ν ε᾽κ ϑεου῀ φρο´νησιν ε᾽κ ϑεου῀ κεκτημε´νος.25
Besonders fg. 49, meint Loofs, erinnere »so eigenartig an PvS, daß man auch hier mit Anknüpfung an tatsächlich so oder ähnlich von den Anhängern des PvS Gesagtes rechnen« dürfe.26 F. Scheidweiler hat später bei seiner Diskussion der Paulus-Fragmente über fg. 48 (Loofs) mit offenkundiger Begeisterung ausgerufen: »Das scheint mir echter Paul von Samosata zu sein.«27 Loofs selbst war zurückhaltender, hat aber doch gemeint, annehmen zu dürfen, daß hinter den Mitteilungen des Epiphanius »so oder ähnlich« »wirkliche Äußerungen von Anhängern des PvS stehen«.28 Noch vorsichtiger hat G. Bardy geurteilt. Nachdem er auf die offenbaren Fehler im Bericht des Epiphanius hingewiesen hat, zitiert auch er dieselben Texte, die Loofs als angebliche Aussagen des Samosateners und als Fragmente von Äußerungen seiner Anhänger unterschieden hatte,29 aber nur um festzustellen, daß sie Scheinzitate sind und nicht wirkliche Worte des Paulus oder seiner Schüler. Epiphanius’ Wissen über Paulus und seine Lehre komme möglicherweise aus Texten, in denen auf die samosatenische Lehre angespielt wor20
F. Loofs, Paulus v. Samosata, 163. Epiphan., haer. 65, 3, 4 (5, 17 f. H./D.). Loofs zitiert zum Vergleich ferner haer. 65, 5, 8 (8, 13 f. H./D.) und verweist auf haer. 65, 5, 7 (8, 7 f. H./D.). 22 Epiphan., haer. 65, 5, 8 (8, 12 f. H./D.). 23 Epiphan., haer. 65, 7, 3 (10, 6 f. H./D.). 24 Epiphan., haer. 65, 7, 3 (10, 7–10 H./D.). 25 Epiphan., haer. 65, 3, 4 (5, 15–17 H./D.). Loofs druckt die Fragmente 45–49 nochmals S. 338 als »Fragmente der Paulinianer« ab. 26 F. Loofs, Paulus v. Samosata, 164. Loofs sieht eine Verwandtschaft des fg. 49 mit einem Satz, den Epiphan., haer. 65, 1, 8 (4, 2–4 H./D.) dem Samosatener in den Mund legt: 21
και` ου῞τως, φησι´ν, ει῟ς ε᾽στιν ο῾ ϑεο´ς, . . . ει῟ς ϑεο`ς ο῾ πατη`ρ και` ο῾ υι῾ο`ς αυ᾽του῀ ε᾽ν αυ᾽τω ῀ͺ, ω῾ς λο´γος ε᾽ν α᾽νϑρω´πωͺ. 27
F. Scheidweiler, Paul von Samosata, ZNW 46, 1955, 116–129; hier 125. F. Loofs, Paulus v. Samosata, 164. 29 G. Bardy, Paul de Samosate. E´tude historique, SSL 4, Louvain 21929, 93–97. 28
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den sei, vielleicht aus einer homoiousianischen Schrift, deren Anschuldigungen gegen Paulus er auswalze.30 Jedenfalls lehre er uns nichts Sicheres über den Paulinianismus. Bevor man seine Aussagen berücksichtigen könnte, müßte man vor allem wissen, woher der Bischof von Salamis die Nachrichten hat, die er bringe.31 Diese Frage läßt sich beantworten, wie der unten folgende Textvergleich zeigen wird. Bardy erhält insofern recht, als Epiphanius tatsächlich seine Kunde über den Samosatener aus einer Schrift bezog, in der lediglich auf dessen Lehren angespielt wurde. Mit bemerkenswerter Scharfsicht hat H. de Riedmatten aufgrund des Vergleichs der Konzilstexte von Sirmium (351)32 und der Berichte des Epiphanius über Paulus von Samosata (haer. 65) und Photin (haer. 71) die Vermutung geäußert, Epiphanius habe sein Kapitel über Paulus mit Hilfe der homoiousianischen Argumentation gegen den Markell-Schüler Photin von Sirmium komponiert.33 Das »homoiousianisch« ist in »apolinareisch« zu ändern, und die Vermutung erhält ihre Bestätigung: Epiphanius hat in haer. 65 einen polemischen Traktat des Apolinarius von Laodicea ausgeschrieben, in dem die Theologie Photins als samosatenisch bekämpft wird. Nun bin ich mit diesen Behauptungen allerdings schon über das hinausgegangen, was in diesem Beitrag bewiesen werden kann. Bewiesen werden kann und soll hier, daß Epiphanius als Hauptquelle für seinen Bericht über Paulus von Samosata in haer. 65 den kleinen pseudathanasianischen Traktat benutzt, der in der Ausgabe von Migne unter dem Titel De aeterna Filii et Spiritus Sancti cum Deo existentia, et contra Sabellianos, kurz: Contra Sabellianos (PG 28, 96–121) abgedruckt ist. Den Nachweis dafür, daß dieser Traktat eine wahrscheinlich in den Jahren 355–360 verfaßte, gegen Photin gerichtete Schrift des Apolinarius von Laodicea ist, habe ich an anderer Stelle zu erbringen versucht.34 Hier sollen nur noch ein paar Bemerkungen zur Charakterisierung der Abhandlung Contra Sabellianos vorausgeschickt werden. Im Gegensatz zu dem, was der Titel Contra Sabellianos verheißt, wird Sabellius an keiner Stelle der Schrift genannt. Ihre Gegner sind von der ersten Zeile an die »Hellenisierenden« und die »Judaisierenden«.35 Während sich der Verfasser bei den »Hellenisierenden«, die er klar als Arianer (Ge schöpfanbeter) kennzeichnet, nicht weiter aufhält,36 widmet er das Hauptstück seiner Abhand30 G. Bardy, Paul de Samosate, 98. Bardy verweist auf das homoiousianische Rundschreiben von 359, das Epiphanius selbst zitiert und in dem Marcell von Ancyra und Paulus ähnliche Vorwürfe gemacht werden: Epiphan., haer. 73, 12, 2–8 (284, 17–285, 28 H./D.). 31 G. Bardy, Paul de Samosate, 98. 32 Die Dekrete der Synode von Sirmium, auf der Photin verurteilt und abgesetzt wurde, bei Athan., de synodis 27 (Werke II, 254, 13–256, 22 Opitz). 33 H. de Riedmatten, Les actes (oben Anm. 16), 87 f. 34 Siehe meine Habilitationsschrift [Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989, 197–251]. 35 Ps-Athan., c. Sabell. 2 (PG 28, 97 B); vgl. 1 (96 D–97 B). 36 Ebd. 2 (97 B). Sonst läßt sich der Verfasser auf die Arianer nur ein, wenn die »Judai-
Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos
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lung (§2 bis Ende) der Darstellung und Widerlegung der Theologie der »Judaisierenden«, die er durchgängig so bezeichnet und auch mit eigenen Einreden (insgesamt acht) selbst zu Wort kommen läßt.37 Zweimal fällt der Name des Samosateners,38 und die ihm üblicherweise zugeschriebene Lehre, Christus sei ein bloßer Mensch, wird den »Judaisierenden« zur Last gelegt.39 Als Ausgangspunkt ihrer Häresie wird ein rigoroser (eben »jüdischer«) Monotheismus genannt, aufgrund dessen sie die wahre Zeugung des Logos aus Gott und seine selbständige Subsistenz, wie auch die Subsistenz des Heiligen Geistes leugnen40 und Vater, Sohn und Geist zu einer einzigen Person, einem in Analogie zum Menschen aus drei Teilen zusammengesetzten »Ding« (pragma), einer Monas machen.41 Der Verfasser, der sich mit dem Bekenntnis zum ›homoousios‹ eindeutig als Nizäner zu erkennen gibt42 und auch den Heiligen Geist zur ewigen Trias der Vollkommenen und wahrhaft Subsistierenden zählt,43 widerlegt in knapp und präzis formulierten Argumenten aus der Schrift, die er meisterhaft und mit scharfer Logik zu handhaben versteht, Punkt um Punkt die einzelnen Positionen und Einwände seiner Gegner und legt in stets dichter werdenden kleinen trinitätstheologischen Summen seinen eigenen profilierten Standpunkt dar.44 Diese bemerkenswerte Schrift haben die Gelehrten nahezu vollständig aus den Augen verloren, seit und weil ihr B. de Montfaucon 1698 ein irreführendes, ja verhängnisvolles Monitum vorausgeschickt hat, das Migne wieder abdruckte und das M. Geerard auszugsweise in die neue Clavis Patrum Graecorum aufnahm.45 sierenden« deren extreme Position ins Spiel bringen, um die eigene zu rechtfertigen, vgl. 5 (105 B); 6 (108 A). 37 Die Einwürfe der Judaisierenden: c. Sabell. 3 (101 B); 5 (105 C); 5 (108 A); 7 (108 C); 8 (112 A); 13 (117 C); 15 (120 B). Sie werden bald einem einzelnen (105 C; 108 C), bald einer Mehrzahl in den Mund gelegt, ohne daß sachlich zwischen ihren Lehren unterschieden würde. 38 Ps-Athan., c. Sabell. 3 (101 B) heißt es im Anschluß an eine Auslegung der Verse Mt 11, 25–27a, welche die »Diener der jüdischen Leugnung« gegeben haben: »Oh, diese Gottlosigkeit! Worin unterscheidet sich dies etwa noch von der Verteidigung des Samosateners?« − Ebd. 4 (104 C-D): »Und was soll ich noch die tausend göttlichen Worte unseres Herrn Jesus Christus aufzählen, durch die mit Recht die neue Lehre (καινοτομι´α) des Samosateners über den Erlöser, daß er ein bloßer Mensch sei, ausgeschlossen wird, und mit ihr zusammen das unsinnige Geschwätz seiner Nachahmer?« 39 Ebd. 4 (104 C); vgl. 3 (104 A). 40 Ebd. 2 (97 B-D); 13 (117 A-C). 41 Ebd. 2 (97 C; 100 B.C); 12 (116 C–117 A); 13 (117 A-B.C). 42 Ebd. 6 (108 B); vgl. 5 (105 B): μι´α . . . ου᾽σι´α 43 Ebd. 7 (108 C-D); 11 (116 A-B); 12 (116 C): . . . τριω ῀ ν . . . υ῾φεστω´των . . .; der Verfasser redet jedoch niemals von drei Hypostasen. Das Wort ›hypostasis‹ reserviert er, wenn er von der Trias spricht, dem Vater: 5 (105 B); 7 (109 B). 44 Die eindrucksvollsten Beispiele: c. Sabell. 5 (105 B); 7 (108 C); 11 (116 A-B). 45 B. de Montfaucon, In librum contra Sabellianos monitum bei Migne: PG 28, 95/96; vgl. M. Geerard, Clavis Patrum Graecorum II, Turnhout 1974, Nr. 2243, S. 44.
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Um die wörtlichen Übereinstimmungen des pseudathanasianischen Traktats Contra Sabellianos mit der inhaltsreichsten trinitätstheologischen Homilie 24 Contra Sabellianos, Arium et Anomoeos des Basilius von Caesarea46 zu erklären, hat B. de Montfaucon in seinem Monitum das Pseudathanasianum als minderwertiges Plagiat eines griechischen Schreiberleins (cujusdam Graeculi scriptoris) bezeichnet, ohne auch nur ein einziges Argument anzuführen, das der Nachprüfung standhält. Dennoch hat sein Urteil bis heute gewirkt. Als angebliches Plagiat einer Predigt des Basilius hat man die Schrift meist überhaupt nicht mehr beachtet, und auch die Theologiehistoriker, die Anlaß gehabt hätten, sie zu befragen, um etwas aus ihr über echten oder vermeintlichen Sabellianismus und Samosatenismus zu erfahren, haben sie beiseite gelassen.47 Zu Unrecht. Nicht nur erhält man, wenn man sie berücksichtigt, Aufschluß über das allmähliche Werden der Trinitätstheologie des Basilius, der sie schon in seinem ersten literarischen Werk, den ca. 362–364 geschriebenen Büchern Adversus Eunomium, und dann in nahezu allen trinitätstheologischen Homilien (einschließlich hom. 24) und Briefen bis hin zu De Spiritu Sancto benutzte;48 man erkennt auch mühelos, wenn man sie zum Vergleich heranzieht, daß Epiphanius sie als Quelle für seine Berichte über Sabellius (haer. 62), Paulus von Samosata (haer. 65) und Photin von Sirmium (haer. 71) ausgebeutet hat, ja daß er sie schon in seinem im Jahre 374 verfaßten Ancoratus verwendete.49 Ich begnüge mich hier mit dem Nachweis für haer. 65 über den Samosatener. Der Text des Epiphanius, der mit Contra Sabellianos verglichen werden soll, setzt mit dem Beginn des zweiten Paragraphen von haer. 65 ein und endet mit dem Schluß des dritten. An dieser Stelle verläßt Epiphanius seine Vorlage und flicht einen selbständigen Exkurs ein, der von haer. 65, 4, 1–5, 4 reicht. Danach nimmt er seine Vorlage, mit einem ausdrücklichen Rückverweis, an der Stelle wieder auf, an der er sie verlassen hat. Parallelen zu Contra Sabellianos lassen sich bereits im Eingangsparagraphen von haer. 65 feststellen, in dem Epiphanius auch schon einiges von den angeblichen Aussagen des Samosateners vorausschickt. Da diese Parallelen im folgenden Paragraphen, in dem er die Worte des Samosateners zu diskutieren beginnt, sehr viel genauer wiederkehren, kann für haer. 65, 1 auf eine Gegenüberstellung mit Contra Sabellianos verzichtet werden. Der Text von Contra Sabellianos beginnt mit dem zweiten Teil des Proöms an der Stelle, wo Ps-Athanasius die Konsequenzen aus den von ihm zuvor stigmatisierten Irrtümern der Juden und Griechen zieht. Er endet ungefähr mit 46
Basil. Caes., hom. 24, contra Sabell. (PG 31, 600 B–617 B). Siehe die Einleitung meiner (oben Anm. 34) genannten Habilitationsschrift. 48 Dem Nachweis der Priorität von Contra Sabellianos gegenüber der hom. 24 des Basilius ist das 1. Kap. meiner Habilitationsschrift (wie Anm. 34), 47–125, gewidmet; im 5. Kap. (252–268) werden die Spuren aufgezeigt, die der Traktat im übrigen trinitätstheologischen Werk des Basilius hinterlassen hat. 49 Zur Abfassungszeit des Ancoratus siehe W. Schneemelcher, Epiphanius (wie Anm. 13), 914. 47
Synopse Epiphanius − Ps-Athanasius
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dem ersten Drittel des zweiten Paragraphen dort, wo Epiphanius ihn verläßt, um seinen Exkurs einzuschieben. Der Wortlaut von haer. 65 in der folgenden Gegenüberstellung ist der Edition K. Holls entnommen, wobei seine Zeilenzahlen und Paragraphenunterteilungen beibehalten werden, um Verweise zu ermöglichen. Für Contra Sabellianos, das innerhalb der jetzt von W. Schneemelcher und M. Tetz betreuten kritischen Edition der »Athanasius Werke« erscheinen soll,50 sind wir bislang noch auf den von Migne wiedergegebenen Text angewiesen. Freundlicherweise hat mir M. Tetz seine vorläufigen Kollationen zu Contra Sabellianos zur Verfügung gestellt, die ich dankbar benutze und deren Benutzung ich jeweils anzeige. Der unten folgende Text Mignes ist nach diesen Kollationen verbessert, stellt aber keineswegs einen kritischen Text, sondern nur eine Arbeitsgrundlage dar. Die Spaltenzähler Mignes sind zu Vergleichszwecken rechts außen vermerkt.51 Wörtliche Übereinstimmungen sind durch Kursivierung kenntlich gemacht. Epiphanius, haer. 65, 2, 1 – 3, 9 (III, 4, 9 – 6, 9 Holl)
2, 1 ῎Ιδωμεν δε` ει᾽ οι῾ λο´γοι αυ᾽του῀ συσταϑη´σονται του῀ η᾽πατημε´νου. Z. 10 2. φα ´ σκει γα`ρ ο῞τι ει῏πεν »ε᾽γω` ε᾽ν τω ῀ͺ πατρι` και` ο῾ πατη`ρ ε᾽ν ε᾽μοι´«. και` αυ᾽τοι` δε´ φαμεν ε᾽κ πατρο`ς ϑεο`ν Λο´γον και` μετ᾽ αυ᾽του῀ α᾽ει`
Ps-Athanasius, contra Sabellianos 1 f. (PG 28, 97 A – 100 A) Διο´περ ε᾽ξεληλυ´ϑαμεν ε᾽ξ ῾Ελλη´νων και` α᾽φωρι´σμεϑα προ`ς το` μη` ται῀ς α᾽καϑα´ρτοις ει᾽δωλολατρει´αις α᾽ναμι´γνυσϑαι· ε᾽ξεληλυ´ϑαμεν δε` και` ε᾽κ τη ῀ ς τω ῀ ν ᾽Ιουδαι´ων βλασφημι´ας, το`ν Υι῾ο`ν ο῾μολογη´σαντες του῀ Θεου῀ και` φυγο´ντες τη`ν ο᾽λε´ϑριον α῎ρνησιν του῀ Κυρι´ου η῾μω ῀ ν του῀ λε´γοντος· »῝Ος δ ᾽ α῍ν α᾽ρνη´σηται´ με ε῎μπροσϑεν τω ῀ ν α᾽νϑρω´πων, α᾽ρνη´σομαι αυ᾽το`ν ε῎μπροσϑεν του῀ Πατρο´ς μου του῀ ε᾽ν τοι῀ς ου᾽ρανοι῀ς.«
97 A
B
S. 4
Vgl. 7 (108 C) ῾Ομολογου῀μεν δε` το`ν Υι῾ο`ν ε᾽κ Πατρο`ς και` α᾽ει` μετα` του῀ Πατρο`ς
50 Zum Stand der Edition siehe die Berichte von M. Tetz, Les e´crits »dogmatiques« d’Athanase. Rapport sur les travaux relatifs a` l’e´dition des œuvres d’Athanase, tome I, in: Politique et the´ologie chez Athanase d’Alexandrie. Actes du Colloque de Chantilly 23–25 Septembre 1973, e´dite´s par Ch. Kannengiesser, ThH 27, Paris 1974, 181–188, und W. Schneemelcher, Apologies, lettres, e´crits asce´tiques. Rapport sur l’e´dition des oeuvres d’Athanase tome II et III, ebd. 189–191. 51 Die Handschriften und ihre Gruppen sind beschrieben von H. G. Opitz, Untersuchungen zur Überlieferung der Schriften des Athanasius, AKG 23, Berlin/Leipzig 1935; wichtige Ergänzungen bei M. Tetz, Zur Theologie des Markell von Ankyra I. Eine Markellische Schrift »De incarnatione et contra Arianos«, ZKG 75, 1964, 217–270; hier 238– 247.
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Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata ο῎ντα ε᾽ξ αυ᾽του῀ γεγεννημε´νον α᾽λλ᾽ ου᾽χι` το`ν πατε´ρα λε´γομεν α῎νευ Λο´γου ε᾽νυποστα´του. 3. α᾽λλ᾽ο῾ λο´γοςτου῀ πατρο`ς,ο῾ μονογενη`ς υι῾ο`ς ϑεο`ς λο´γος, ω ῞ ς φησι «πα ῀ς ο῾ ο῾μολογω ῀ ν ε᾽ν ε᾽μοι`
ο῾μολογη´σω κα᾽γω` ε᾽ν αυ᾽τω ῀ͺ ε῎μπροσϑεν του῀ πατρο´ς μου.« Z. 15
τω ῀ͺ δε` »ε᾽ν ε᾽μοι` ε῎μπροσϑεν του῀ πατρο´ς μου«, ε῎δειξε φυ´σει ε᾽νυπο´στατον το`ν πατε´ρα.*
4. ου῟τοι δε` το`ν ᾽Ιουδαι¨σμον παρ-
εισφε´ροντες, ου᾽δε`ν περισσο´τερον τω ῀ ν ᾽Ιουδαι´ων κεκτημε´νοι, δευ´τεροι ᾽Ιουδαι῀οι κληϑη´σονται και` S. 5 Σαμο σατι῀ται, μηδε`ν ε῞τερον ο῎ντες η῍ τω ῀ͺ ο᾽νο´ματι μο´νον οι᾽η´σει προι¨σχο´μενοι. 5. το`ν γα`ρ ε᾽κ ϑεου ῀ ϑεο´ν, υι῾ο`ν μονογενη ῀ και` Λο´γον, α᾽ρνου´μενοι 65/211 ε᾽κει῀νοι´ ει᾽σιν ο῾ποι῀οι και` οι῾ αυ᾽το`ν ε᾽ν τη ῀ͺ παρουσι´αͺ α᾽ρνησα´μενοι, ϑεοκτο´νοι τε και` κυριοκτο´νοι και` ε᾽παρνησι´ϑεοι γεγονο´τες. τα᾽ληϑη ῀ Z. 5 δε´, ο ῞ τι ου῎τε περιτομη`ν ε῎χουσιν ου῎τε σα´ββατον φυλα´σσουσι, τα` δε` α῎λλα πα´ντα καϑα´περ ᾽Ιουδαι῀οι*. 3, 1. Και` γα`ρ τω ῀ͺ ο῎ντι και` αυ᾽τοι` ου᾽ δυ´ο φαμε`ν ει῏ναι ϑεου`ς ου᾽δε` ϑεο´τητας, α᾽λλα` μι´αν ϑεο´τητα· ε᾽πειδη` γα`ρ ου῎τε δυ´ο λε´γομεν πατε´ρας ου῎τε δυ´ο υι῾ου`ς ου῎τε δυ´ο πνευ´ματα α῞για, α᾽λλα` πατε´ρα και` υι῾ο`ν και` α῞γιον πνευ῀μα μι´αν Z. 10 ϑεο´τητα,* μι´αν δοξολογι´αν. 2. ου῟τος δε` ου᾽ λε´γει μο´νον ϑεο`ν δια` το` πηγη`ν ει῏ναι το`ν πατε´ρα, α᾽λλα` μο´νον ϑεο`ν 〈αυ᾽το`ν λε´γων〉 α᾽ναιρει῀ ο῞σον το` κατ᾽ αυ᾽το`ν τη`ν του῀ υι῾ου῀ ϑεο´τητα και` υ῾πο´στασιν και` του῀ α῾γι´ου πνευ´ματος· 3. ε῎χων δε` αυ᾽το`ν το`ν πατε´ρα ε῞να ϑεο`ν* α῎γονον υι῾ου῀, ω῾ς ει῏ναι τα` δυ´ο α᾽τελη ῀ , πατε´ρα και` υι῾ο`ν, το`ν με`ν πατε´ρα α῎γονον υι῾ου῀ και` α῎καρπον
Vgl. 2 (97 C) πιστευ´οντες αυ᾽τω ῀ͺ λε´γοντι και` ε᾽παγγελλομε´νω· ͺ «Πα῀ς ο῞στις ο῾μολογη´σει ε᾽ν ε᾽μοι` a ε᾽μπροσϑεν τω ῀ ν α᾽νϑρω´πων, ο῾μολογη´σω κα᾽γω` b αυ᾽το`ν ε῎μπροσϑεν του῀ Πατρο´ς μου του῀ ε᾽ν τοι῀ς ου᾽ρανοι῀ς.«
2. Του῀το ο῾ρω ῀ ντες το` παρα´δειγμα και` νυ῀ν α᾽πηλλοτριω´ϑημεν τω ῀ν ῾Ελληνιζο´ντων ε᾽π᾽ ο᾽νο´ματι Χριστιανισμου῀, τω ῀ ν ε῎ργον Θεου῀ τολμω´ντων ϑεολογει῀ν τε και` προσκυνει῀ν. Χωριζο´μεϑα δε` και` τω ῀ν ᾽Ιουδαι¨ζο´ντων και` το`ν Χριστιανισμο`ν ε᾽ν ᾽Ιουδαι¨σμω ῀ͺ παραφϑειρο´ντων·
Vgl. 2 (97 C)
οι῝ το´ν ε᾽κ του῀ Θεου῀ Θεο`ν α᾽ρνου´μενοι Θεο`ν ε῞να παραπλησι´ως ᾽Ιουδαι´οις λε´γουσιν·
Vgl. 6 (108 A-B)
ου᾽χ ο῞τι μο´νος α᾽γε´ννητος και` μο´νος πηγη` ϑεο´τητος, δια` του῀το φα´σκοντες αυ᾽το`ν ει῏ναι μο´νον Θεο´ν ·
Vgl. 6 (108 C) α᾽λλ᾽ ω῾ς α῎γονον Υι῾ου῀ και` α῎καρπον
C
Synopse Epiphanius − Ps-Athanasius Z. 15
το`ν Λο´γον ϑεου῀ ζω ῀ ντος και` σοφι´ας α᾽ληϑινη ῀ς. 4. Λο´γον γα`ρ οι῟ον το`ν ε᾽ν καρδι´αͺ ει῏ναι νομι´ ζουσι και` σοφι´αν, οι῞αν ε᾽ν ψυχͺη῀ α᾽νϑρω ´ που ε῎καστος
ζω ῀ ντος Λο´γου και` σοφι´ας α᾽ληϑινη ῀ς. Λο´γον γα`ρ οι῟ον το`ν ε᾽κ καρδι´ας α᾽νϑρω ´ που νομι´ ζουσι το`ν του῀ Θεου῀ και` σοφι´αν ο῾ποι´αν τη`ν ε᾽ν ψυχͺη῀ · και`
δια` του῀το προ´σωπον ε῝ν το`ν ϑεο`ν α῞μα τω ῀ͺ λο´γω ͺ φασι´ν, ω῾ς
δια` του῀το προ´σωπον ε῝ν το`ν ϑεο`ν α῞μα τω ῀ͺ Λο´γω ͺ φασι´ν· ω῞σπερ και`
α῎νϑρωπον ε῞να και` το`ν αυ᾽του῀ λο´γον, ου᾽δε`ν πλε´ον τω ῀ ν ᾽Ιουδαι´ων ω῾ς ε῎φην δοξα´ζοντες, τυφλω´ττοντες
α῎νϑρωπον ε῞να, ου᾽δε`ν πλε´ον ᾽Ιουδαι´ων δοξα´ζοντες, τω ῀ν
ε῎χει τη`ν ε᾽κ ϑεου῀ φρο´νησιν [ε᾽κ ϑεου῀] κεκτημε´νος.
Z. 20
α᾽πο` τη ῀ ς α᾽ληϑει´ας και` κεκωφωμε´νοι α᾽πο` του῀ ϑει´ου λο´γου και` κηρυ´γματος τη ῀ ς ζωη ῀ ς τη ῀ ς αι᾽ωνι´ου. 5. ου῎τε γα`ρ αι᾽δου῀νται το`ν α᾽ληϑη ῀ του῀ ευ᾽αγγελι´ου λο´γον το`ν λε´γοντα
»ε᾽ν α᾽ρχͺη῀ η῏ν ο῾ Λο´γος και` ο῾ Λο´γος η῏ν προ`ς το`ν ϑεο´ν, και` ϑεο`ς η῏ν ο῾ Λο´γος. πα´ντα δι᾽ αυ᾽του῀ ε᾽γε´νετο,
και` χωρι`ς αυ᾽του῀ ε᾽γε´νετο ου᾽δε` ε῞ν, ῀ͺ η῏ν ο῾ ο῝ γε´γονεν.« 6. ει᾽ γα`ρ ε᾽ν α᾽ρχη Λο´γος και` ο῾ Λο´γος η῏ν προ`ς το`ν Z. 25 ϑεο´ν, το` ει῏ναι αυ᾽του ῀ ου᾽ κατα` τη`ν προφορα`ν μο´νον ε᾽στι´ν, α᾽λλα` κατα` τη`ν υ῾πο´στασιν. και᾽ ει᾽ ο῾ λο´γος η῏ν προ`ς το`ν ϑεο´ν, ου᾽χ ο῾ Λο´γος ε᾽στι` προ`ς ο῝ν η῏ν· ου᾽δε` γα`ρ ο῾ προ`ς ο῝ν η῏ν ε῎στι λο´γος. ει᾽ γα`ρ ε᾽ν καρδι´αͺ λο´γον ϑεο`ς ε῎χει, *και` ου᾽ γεγεννημε´νον,
S. 6
Z. 5
ου᾽κ α᾽ποδεξαμε´νων το`ν ευ᾽αγγελιστη`ν το`ν ευ᾽ϑυ`ς ε᾽ξ α᾽ρχη ῀ ς βοω ῀ ντα·
»᾽Εν α᾽ρχͺη῀ η῏ν ο῾ Λο´γος και` ο῾ Λο´γος η῏ν προ`ς το`ν Θεο´ν, και` Θεο`ς η῏ν ο῾ Λο´γος.«
Ει᾽ γα`ρ ε᾽ν καρδι´αͺ Λο´γον Θεο`ς ε῎χει μη` γεγεννημε´νον ε᾽ξ αυ᾽του῀ κατα` α᾽λη´ϑειαν ω῾ς Θεο`ν ε᾽κ Θεου῀,
πω ῀ ς α῎ν ει῎η προ`ς το`ν Θεο`ν ο῾ Λο´γοςͽ και` πω ῀ ς α῍ν ει῎η Θεο´ςͽ Ου᾽ γα`ρ ο῾ του῀ α᾽νϑρω ´ που λο´γος c α῎νϑρωπο´ς ε᾽στι προ`ς α῎νϑρωπον, ε᾽πει` μη´τε
λαλου´μενος *διαμε´νει. 8. του῀ δε` ϑεου ῀ ο῾ Λο´γος* ω῞ς φησι
ζω´σης καρδι´ας και` υ῾φεστω´σης κι´νημα μο´νον· και` λε´γεται παραχρη῀μα, και` ου᾽κ ε῎στι, και` πολλα´κις λαλου´μενος ου᾽δε´ποτε δια με´νει. Το`ν δε` του῀ Θεου῀ Λο´γον α῎νωθεν ο῾
»ο῾ λο´γος σου ει᾽ς το`ν αι᾽ω ῀ να διαμε´νει.« συμφω´νως δε` του´τωͺ ο῾ ευ᾽αγγελιστη`ς λε´γει, ϑεο`ν ο῾μολογω ῀ν φανερωϑε´ντα και` παραγενο´μενον,
»Ει᾽ς το`ν αι᾽ω ῀ να, Κυ´ριε, ο῾ Λο´γος σου διαμε´νει ε᾽ν τω ῀ͺ ου᾽ρανω ῀ͺ.« και` συ´μφωνος αυ᾽τω ῀ͺ ο῾ Θεο`ν ει῏ναι το`ν Λο´γον ο῾μολογω ῀ ν ευ᾽αγγελιστη`ς φανερωϑε´ντα τε αυ᾽το`ν ευ᾽αγγελι´ζεται και` παραγενο´μενον μηνυ´ει
ου᾽ συμπαραλαμβα´νων τͺη῀ του῀ λο´γου σαρκω´σει το`ν πατε´ρα·
ου᾽ συμπεριλαμβα´νων τͺη῀ του῀ Λο´γου σαρκω´σει το`ν Πατε´ρα·
το` α῞γιον πνευ῀μα ε᾽ν τω ῀ͺ στο´ματι του῀ προφη´του
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το`ν α῎νϑρωπον α῞μα τω ῀ͺ ε῾αυτου῀ Λο´γωͺ
πω ῀ ς πληρου῀ται το` η῏ν και` ο῞τι ϑεο`ς η῏ν ο῾ Λο´γοςͽ 7. ου᾽ γα`ρ ο῾ του῀ α᾽νϑρω ´ που λο´γος α῎νϑρωπος προ`ς το`ν α῎νϑρωπον· ου῎τε γα`ρ ζη῀ͺ
ου῎τε υ῾πε´στη, καρδι´ας δε` ζω´σης και` υ῾φεστω´σης κι´νημα´ ε᾽στι μο´νον και` ου᾽χ υ῾πο´στασις. λε´γεται γα`ρ α῞μα και` παραχρη῀μα ου᾽κε´τι ε᾽στι´ν, α᾽λλα`
389
D
ζω ῀ ν ε᾽στι, μη´τε υ῾φεστω´ς, α᾽λλα`
ψαλμωδο ͺ ` ς ε᾽κεκρα´γειd
και` σαρκωϑε´ντα κηρυ´ττει,
100 A
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Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata 9. »῾Ο Λο´γος« γα´ρ φησι »σα`ρξ ε᾽γε´νετο και` ε᾽σκη´νωσεν ε᾽ν η῾μι῀ν«,
και` ου᾽κ ει῏πεν, ο῾ Λο´γος και` ο῾ πατη`ρ σα`ρξ ε᾽γε´νετο· και` ο῞τι »ε᾽ν α᾽ρχη ῀ͺ η῏ν ο῾ λο´γος, και` ο῾ λο´γος η῏ν προ`ς το`ν ϑεο´ν, και` ϑεο`ς η῏ν ο῾ Λο´γος«, και` ου᾽κ ει῏πεν· ε᾽ν ϑεω ῀ͺ η῏ν ο῾ λο´γος.
»῾Ο Λο´γος« γα´ρ φησι »σα`ρξ ε᾽γε´νετο και` ε᾽σκη´νωσεν ε᾽ν η῾μι῀ν, και`
ε᾽ϑεασα´μεϑα τη`ν δο´ξαν αυ᾽του῀, δο´ξαν ω῾ς Μονογενου῀ς παρα` Πατρο´ς, πλη´ρης χα´ριτος και` α᾽ληϑει´ας.«
Kollationen von Tetz: a ο῾μολογη´σει ε᾽ν ε᾽μοι` KOVSAHFMB b κα᾽γω` om. KOVSAGHFMBx c ο῾ του῀ α᾽νϑρω´που λο´γος KVx d λε´γων om. KOVSAGHFMBx
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Die Gegenüberstellung beider Texte bedarf nur weniger Erläuterungen. Die Abhängigkeit des Epiphanius ist, wenn man nur die letzten Sätze anschaut, evident. Er folgt in dem wiedergegebenen Stück dem Aufbau seiner Vorlage ziemlich genau, unterbricht sie aber verhältnismäßig oft, um entweder den Häretiker ausführlicher zu beschimpfen wie in 2, 5 und 3, 4 oder ein Argument etwas selbständiger zu entwickeln wie in 3, 6, gibt aber gerade dabei die Präzision und Klarheit seiner Vorlage preis. An zwei Stellen, 3, 1 und 3, 3, greift Epiphanius auf Gedanken vor, die in Contra Sabellianos erst später (§5 f.: 108 A-B; C) vorgetragen werden. Er kommt auf die erste in 8, 1–6, auf die zweite in 8, 10–12 noch einmal zurück, hält sich dort wenigstens mit einigen Sätzen genauer an seine Vorlage und ist dann verständlicher. Dennoch muß man sagen, daß er in 3, 1 und der parallelen Stelle 8, 3 den Gedanken seiner Quelle bis zur Sinnlosigkeit entstellt hat. Ps-Athanasius argumentiert in §5 f. nochmals gegen die anthropomorphe Deutung des göttlichen Logos, die dessen Subsistenz aufhebt: Contra Sabellianos 5 f. (108 A. B): »So ist auch der Logos nicht menschlich und auch nicht wie der deine. Denn er ist Gott, auch wenn es dir nicht ge fällt, und gleichwohl sind es nicht zwei Götter, weil es weder zwei Väter sind noch der Gezeugte anderen Wesens ist, als der, der gezeugt hat. (6) Denn wer zwei Prinzipien einführt, der verkündet zwei Götter. Dies ist die Gottlosigkeit Markions, der einen gerechten Gott als Vater eines eigenen Christus lehrt und einen anderen guten Gott als Vater eines eigenen Christus. . . . Wo aber das Prinzip eines ist, eines auch das ›Erzeugnis‹ aus ihm, . . . da ist ein einziger Gott, weil die Gottheit vollkommen im Vater erkannt wird und vollkommen auch im Sohn die väterliche Gottheit vorhanden ist.« Epiphanius macht daraus in haer. 65, 3, 1: »Wahrhaftig, auch wir selbst reden nicht von zwei Göttern und auch nicht von (zwei) Gottheiten, sondern von einer einzigen Gottheit. Denn wir reden ja auch nicht von zwei Vätern noch von zwei Söhnen noch von zwei heiligen Geistern, sondern von Vater und Sohn und Heiligem Geist als einer einzigen Gottheit. . . .«
Vergleich Epiphanius − Ps-Athanasius
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Und haer. 65, 8, 3: »Deswegen (sind es) weder zwei Götter noch zwei Söhne noch zwei heilige Geister, sondern eine einzige Gottheit ist die Trias, Vater, Sohn und Heiliger Geist, da sie (die Trias) konsubstantial (homoousios) ist.« Ps-Athanasius begründet in dem zitierten Text die Einzigkeit Gottes mit der Einzigkeit des (väterlichen) Prinzips und kann deswegen die Rede von zwei Vätern als Rede von zwei Prinzipien zurückweisen. Auf die zwei Christoi kommt er nur zu sprechen, weil sie zu der von ihm erwähnten Häresie Markions gehören. In seiner Argumentation für die Einzigkeit Gottes spielen sie keine Rolle. Epiphanius verfehlt in den angeführten parallelen Texten den springenden Punkt des Gedankengangs schon deshalb, weil er die Gleichung Vater = Prinzip nicht aufnimmt. Wenn er aber die Einzigkeit Gottes dadurch gewährleistet sieht, daß er nicht auch noch zwei Söhne und zwei heilige Geister bekennt, so hat er nicht nur das Material seiner Vorlage falsch ausgewertet und vermehrt, sondern die Bahnen der Logik verlassen. Man mag zweifeln, ob an der zweiten Stelle (3, 3), an der Epiphanius mit den Worten ω῾ς ει῏ναι τα` δυ´ο α᾽τελη῀, πατε´ρα και` υι῾ο´ν einen Gedanken einflicht, der erst in Contra Sabellianos 6 (108 C) entwickelt wird, der vorliegende Text verderbt ist, oder ob der eilige Plagiator seine Vorlage mißverstanden hat. So jedenfalls, wie der Satz 3, 3 nach der Edition Holls in der Übersetzung lautet, ist er unverständlich: »Er hält aber den Vater selbst für den einzigen Gott,52 ohne den Sproß eines Sohnes, so daß die zwei unvollkommen sind, Vater und Sohn, der Vater ohne den Sproß eines Sohnes, und der Logos ohne die Frucht eines lebendigen Gottes und einer wahrhaftigen Weisheit.« Was mag sich Epiphanius bei dem letzten Teil des Satzes gedacht haben? Seine Quelle ist völlig klar: »Sie (die Judaisierenden) behaupten nicht etwa deshalb, weil er (Gott) allein unerzeugt und allein Quelle der Gottheit ist, daß er der alleinige Gott sei, sondern weil sie meinen, daß er ohne den Sproß eines Sohnes und ohne die Frucht eines lebendigen Logos und einer wahrhaftigen Weisheit sei (97 C).« »Ohne Sproß« und »ohne Frucht« sind hier sinnvollerweise Aussagen über Gott. Um einen gleichermaßen sinnvollen Text des Epiphanius zu erhalten, brauchte man nur den Akkusativ το`ν λο´γον in den Genitiv του῀ λο´γου zu korrigieren. Eine solche Korrektur verbietet sich aber, weil Epiphanius die vorherige Aussage begründen will, beide, Vater und Sohn, seien unvollkommen, und offenbar zu diesem Zweck auf Vater und Logos verteilt hat, was bei PsAthanasius von Gott allein gesagt ist. Das hier von Epiphanius beigezogene Argument, daß Gott und Logos unvollkommen sind, wenn man sie sich wie der bekämpfte Gegner in Analogie Holl möchte an dieser Stelle »etwa 〈ποιει῀ αυ᾽το`ν〉« ergänzen (Apparat zur Stelle haer. 65, 3, 3 [5, 13 H./D.]). Dann wäre zu übersetzen: »Er aber hält den Vater selbst für den einzigen Gott und macht ihn zu einem, der ohne Sohnessproß ist, so daß die zwei unvollkommen sind, Vater und Sohn, . . .«. Sachlich bringt die Ergänzung keinen Fortschritt und ist wahrscheinlich auch in Anbetracht des Stils des Epiphanius überflüssig. 52
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Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata
zum Menschen und seinem Logos vorstellt, steht Contra Sabellianos 6: »Wie du es jedoch sagst, würde er ein einziger sein, aus zwei unvollkommenen Teilen zusammengesetzt. . . . Wer derlei phantasiert, bekennt weder Sohn noch Vater, da es nicht möglich ist, Vater und Sohn als unvollkommene zu denken.«53 Der Gedanke, an mehreren Stellen von Ps-Athanasius wiederholt, ist klar: Wer sich den Logos Gottes nach Art des menschlichen, also einer akzidentellen Bewegung54 denkt, setzt Gott aus Substanz und Akzidenz zusammen. Was zusammengesetzt ist, besteht aus Teilen, und Teile sind nicht vollkommen. Vater und Sohn sind aber vollkommen.55 Von dieser Klarheit des Arguments ist bei Epiphanius haer. 65, 3, 3 nichts mehr zu bemerken. Auch an der späteren Stelle 8, 10 sind vom ursprünglichen Gedanken des PsAthanasius nur Trümmer übriggeblieben: »Ein einziger Gott, nicht ein einziges Unvollkommenes aus zwei Teilen; vielmehr ist vollkommen der Vater, vollkommen der Sohn, vollkommen der Heilige Geist.«56 Diese Gegenüberstellungen zeigen immerhin, warum man den Epiphanius an vielen Stellen nicht verstehen kann. Das dürfte auch für andere Kapitel des Panarions, für die wir die Quellen nicht besitzen oder noch nicht entdeckt haben, lehrreich sein. Ein genauer Vergleich zwischen Ps-Athanasius und haer. 65 wird es erlauben, die Arbeitsweise des Epiphanius im einzelnen zu studieren. Da die beiden Texte sehr oft wörtlich miteinander übereinstimmen, wird ein solcher Vergleich auch gegenseitige Textverbesserungen ermöglichen. Ob z. B. haer. 65, 3, 6 (p. 5, 27 Holl) wirklich etwas ausgefallen ist − Holl ergänzt im Apparat hinter ε῎χει »etwa 〈προφερο´μενον μο´νον〉« − bleibt fraglich, wenn man den Text des Ps-Athanasius betrachtet. Auch 3, 7 (p. 6, 2) ist die Korruptel eher dem Text der Vorlage entsprechend zu heilen als nach dem Vorschlag von Holl, der nach λαλου´μενος »etwa 〈α᾽φανι´ζεται και` ου᾽〉« einfügen möchte. Ähnliche Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich für die übrigen, hier nicht behandelten parallelen Passagen. Das mag dem zukünftigen Editor überlassen bleiben. Mit der Identifizierung der Hauptquelle des Epiphanius für seine Darstellung des Paulus von Samosata ist das Urteil über ihren Quellenwert und über die Authentizität der von Loofs exzerpierten Fragmente der Paulinianer bereits gefällt. Epiphanius hat die Aussagen des oder der Theologen, die Ps-Athanasius als »Nachahmer« des Samosateners bekämpft,57 schlichtweg dem Paulus von Samosata selbst und seinen Anhängern in die Schuhe geschoben. Von der Lehre des Paulus weiß der pseudathanasianische Autor aber offenbar nur, was wir auch sonst wissen: daß er Christus einen bloßen Menschen genannt hat. 53 Ps-Athan., c. Sabell. 6 (PG 28, 108 C): ῞Ως δε` συ` λε´γεις, ει῟ς ε῎σται συ´νϑετος ε᾽κ δυ´ο μερω ῀ ν α᾽τελω ῀ ν . . . ου῎τε γα`ρ Υι῾ο`ν ου῎τε Πατε´ρα ο῾ του῀το φανταζο´μενος ο῾μολογει῀· ε᾽πει` μη´τε Πατε´ρα, μη´τε Υι῾ο`ν α᾽τελη ῀ νοει῀ν ε᾽γχωρει῀. 54
Vgl. Ps-Athan., c. Sabell. 2 (97 D); 5 (105 C–108 A); 13 (117 B). Vgl. Ps-Athan., c. Sabell. 12 (116 C–117 A); 13 (117 B). 56 Epiphan., haer. 65, 8, 10 (12, 11–13 H./D.). 57 Siehe die Nachweise oben Anm. 38. 55
Vergleich Epiphanius − Ps-Athanasius
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Die Paulinianer-Fragmente 45–49, die Loofs zusammengestellt hat, lassen sich ausnahmslos als Paraphrasen oder fast wörtliche Übernahmen des Epiphanius aus Contra Sabellianos erkennen. Fg. 45 Loofs (= haer. 65, 3, 4: III, 5, 17 f. Holl) entspricht Contra Sabellianos 2 (97 C). Fg. 46 Loofs (= haer. 65, 5, 8: III, 8, 12 f. Holl) ist eine Paraphrase dessen, was C. Sabell. 2 (100 B) steht. Den Kontext des fg. 46 hat Epiphanius z. T. wieder wörtlich aus diesem Stück exzerpiert. Fg. 49 Loofs (= haer. 65, 3, 4: III, 5, 15–17 Holl) ist teilweise wörtliches Exzerpt, teilweise selbständige Ergänzung des Epiphanius von C. Sabell. 2 (97 C).58 Fg. 48 Loofs (= haer. 65, 7, 3: III, 10, 7–10 Holl), von F. Scheidweiler als »echter Paulus von Samosata« begrüßt,59 hängt mit fg. 47 (= haer. 65, 7, 3: III, 10, 6 f. Holl) zusammen. Es handelt sich dabei um zentrale christologische Aussagen der angeblichen Samosatener. Sie fallen im Zusammenhang der Exegese von Mt. 11, 25–27. Der zugehörige Kontext reicht von haer. 65, 6, 10–7, 13 und hat seine Entsprechung in Contra Sabellianos 3 (101 A–104 A). Die Fragmente 47 und 48 (Loofs) sind bedauerlicherweise eine ziemlich selbständige Paraphrase des Epiphanius. Bedauerlich ist das in diesem Falle deswegen, weil der Text C. Sabellianos 3 (101 B), den Epiphanius frei wiedergibt, an dieser Stelle verderbt ist und nun leider auch nicht mehr mit Hilfe des Epiphanius hergestellt werden kann; umgekehrt kann auch die Paraphrase des Epiphanius nicht mehr in allen Punkten überprüft werden. So bleibt also eine Unklarheit in bezug auf die Christologie des von Ps-Athanasius bekämpften Theologen, den ich für Photin halte. Die Unklarheit wird auch nicht völlig durch die zweite Passage beseitigt, die Ps-Athanasius über die Christologie des Samosateners bringt, da sie knapp und schwer verständlich ist und bei Epiphanius keine Parallele hat.60 Er bricht sein Exzerpt aus Contra Sabellianos lange vorher ab. Wie die Paulinianer-Fragmente stammen auch die angeblichen Aussprüche des Paulus von Samosata, die Loofs aus Epiphanius zusammengestellt hat, aus Contra Sabellianos. Die Vermutung Loofs, daß ihnen kein Quellenwert zukomme, ist somit bestätigt.61 Epiphanius folgt seiner Quelle, indem er größere und kleinere Passagen übergeht, andererseits einen längeren Exkurs und öfter eigene Erläuterungen 58 Die von Loofs als verwandt empfundene angebliche Aussage des Samosateners haer. 65, 1, 8 (siehe oben Anm. 26) ist nichts weiter als eine zusammenfassende Paraphrase von C. Sabell. 2 (97 B.C). 59 Vgl. oben Anm. 27. 60 Vgl. Ps-Athan., c. Sabell. 13 (PG 28, 117 C). Zur Interpretation dieser christologischen Stellen siehe meine (oben Anm. 34 genannte) Habilitationsschrift, S. 192–194. 61 Vgl. Loofs, Paulus v. Samosata, 162 f.; die Stellenangaben in der Edition Holls oben Anm. 18. Das erste Exzerpt, haer. 65, 1, 5, ist eine zusammenfassende Paraphrase von C. Sabell. 2 (97 B-C); das zweite, haer. 65, 1, 8 f., ebenfalls; das dritte, haer. 65, 1, 10, wird eine freie Wiedergabe der soeben besprochenen christologischen Stelle C. Sabell. 3 (101 B) sein; das vierte, haer. 65, 2, 1, greift C. Sabell. 7 (108 C) auf.
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Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata
einfügt, bis zum Anfang des Paragraphen 7 (108 C), das heißt, etwa bis zur Mitte des Traktates Contra Sabellianos. Obwohl in den dort folgenden Stücken die »Judaisierenden« besonders häufig zu Wort kommen, bricht Epiphanius sein Exzerpt mit der Bemerkung ab, daß er diese wenigen Ausführungen gegen die Häresie für genügend erachte.62 Vergleicht man das Plagiat mit dem Original im einzelnen, so gewinnt man den Eindruck, daß Epiphanius sehr flüchtig gearbeitet hat. Er scheint sich nicht einmal die Zeit genommen zu haben, sein Original genau zu lesen. Von dem klar aufgebauten Gebäude des Ps-Athanasius ist bei Epiphanius nur noch ein Trümmerhaufen übriggeblieben. Unmöglich könnte man aus diesen übel zugerichteten Bruchstücken das Bauwerk rekonstruieren, aus dem sie stammen. Eine grobe Synopse beider Texte, in der kleinere Auslassungen, Sprünge und Einfügungen des Epiphanius nicht berücksichtigt sind, zeigt folgendes Schema: Epiphanius, haer. 65
Ps-Athanasius, contra Sabellianos
2, 2–3, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–2 4, 1–5, 4 Exkurs 5, 5–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 6, 1–5 Erläuterung 6, 6–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2–3 6, 10–7, 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 8, 1–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5–6 8, 11–12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
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(97 A–100 A) (100 A-B) (100 B–101 A) (101 A–104 A) (108 A-C) (108 C)
Es sei wenigstens noch erwähnt, daß auch die Stelle haer. 65, 8, 10 über die Einheit des Kaisers mit seinem Bild, die im Bilderstreit eine so entscheidende Rolle gespielt hat, ihre Vorlage ebenso in Contra Sabellianos hat63 wie die gleicherweise bedeutungsvoll gewordenen Basiliusstellen.64 Mir ist es wahrscheinlich, daß auch die entsprechende Passage in der dritten Arianerrede des Athanasius von Contra Sabellianos inspiriert ist,65 wie überhaupt wenigstens der erste Teil dieser Schrift bis Kapitel 16. Aber mit dieser Behauptung, deren Berechtigung hier nicht einmal mehr ansatzweise aufgezeigt werden kann, ist der Rahmen des Themas schon verlassen.66 62
Epiphan., haer. 65, 9, 1 (12, 20 f. H./D.). Vgl. Ps-Athan., c. Sabell. 6 (PG 28, 108 B) und Epiphan., haer. 65, 8, 10 (12, 10 f. H./D.) samt Holls Hinweisen im Apparat. 64 Vgl. Basil., hom. 24, 4 (PG 31, 605 D–608 B); de Spiritu Sancto XVIII, 45 (SC 17bis, 406, 15–23 Pruche); in diesem Kapitel begegnen Argumente und Formulierungen des pseudathanasianischen Traktats gehäuft. − Eine Stellensammlung zur Wirkungsgeschichte des Basilius-Zitats gibt F. X. Funk, Ein angebliches Wort Basilius des Großen über die Bilderverehrung, in: Ders., Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen II, Paderborn 1899, 251–253. 65 Vgl. Athan., contra Arianos III, 5 (PG 26, 332 A-B [Werke I/1/3, 311, 13–25 Metzler/ Savvidis]). Eine frühere Parallele, die durchaus auf Ps-Athanasius gewirkt haben kann, steht bei Eusebius von Caesarea, de eccl. theol. II, 7 und II, 23 (GCS Eus. IV3, 106, 13–24; 133, 32–134, 4 Klostermann/Hansen). Sein Schüler Eusebius von Emesa hat den Gedanken ebenfalls aufgegriffen, vgl. seine Homilie 14, 22 (I, 339, 3–8 Buytaert). 63
Vergleich Epiphanius − Ps-Athanasius
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Epiphanius hat Contra Sabellianos (2) nicht nur in seinem Bericht über Paulus von Samosata benutzt, sondern auch für seine Darstellung der Theologie Photins von Sirmium herangezogen. K. Holl hat im Apparat seiner Edition bereits auf die Parallelen hingewiesen, ohne freilich die Quelle dieser Übereinstimmungen zu kennen.67 Anderes aus dem zweiten Teil des pseudathanasianischen Traktats, und zwar für die Theologie des dort bekämpften Gegners sehr Spezifisches, hat Epiphanius bei Sabellius untergebracht und damit einen heillosen Wirrwarr angerichtet.68 Schon diese willkürliche Aufteilung ein und desselben Quellenmaterials auf wenigstens drei verschiedene Häresien zeigt, daß auf die Berichte des Epiphanius kein Verlaß ist, solange er uns seine Quelle nicht nennt. Kann man dem frommen Bischof, der seinen Lesern beteuert, »in keiner Weise gegen irgendjemanden verleumderisch geredet zu haben oder zu reden«,69 den Vorwurf der Fälschung ersparen? Daß Pseudo-Athanasius nicht Lehren des Paulus von Samosata bekämpfte, mußte er erkennen. Photin und Sabellius werden in der Schrift nicht genannt. Wie kommt Epiphanius zu seiner Verteilung auf diese drei Theologen? Wußte er, daß die Abhandlung gegen den als »Samosatener« betitelten Markell-Schüler Photin gerichtet war, und hat er sich auf Grund der damals üblichen und auch von ihm übernommenen Unterstellung der engen Verwandtschaft zwischen den Lehren der drei Häretiker70 für berechtigt gehalten, das Quellenmaterial wahllos auf sie zu verteilen? In der Tat ist es unwahrscheinlich, daß Epiphanius nicht wußte, gegen wen Contra Sabellianos geschrieben war.71 Er hat die Schrift doch kaum als anonymes oder pseudepigraphisches Werk in die Hand bekommen, sondern kannte ihren Autor. Wir wissen nicht, von wem er sie erhalten hat − es lassen sich mehrere Möglichkeiten denken −, aber gleichviel, ob sie ihm vom Autor selbst oder von anderen übergeben wurde, der Übermittler hat ihn − wenn es dessen überhaupt bedurfte − über die Identität des dort angefeindeten Theologen gewiß nicht im unklaren gelassen. Dann ist es aber äußerst merkwürdig, daß er den Großteil des Stoffes im Kapitel über Paulus von Samosata und nicht in dem Abschnitt über Photin verarbeitet. Muß man daraus nicht folgern, daß weder er noch seine an samosa66 Interessante Beobachtungen, die auf eine Sonderstellung der dritten Arianerrede des Athanasius gegenüber den ersten beiden schließen lassen, bei Ch. Kannengiesser, Le myste`re du Christ selon Athanase d’Alexandrie, RSR 63, 1975, 407–442; hier 430–439. 67 Vgl. Epiphan., haer. 65, 3, 4 (5, 18–29 H./D.) und haer. 71, 4, 1–3 (253, 9–15 H./D.). 68 Vgl. Epiphan., haer. 62, 1, 4 f. (389, 11–16 H./D.) und Ps-Athan., c. Sabell. 13 (PG 28, 117 B); vgl. auch haer. 62, 3, 6 (392, 5 f. H./D.) und c. Sabell. 7 (108 C). Genauere Quellenanalyse von haer. 62 in meiner Habilitationsschrift (wie Anm. 34), 179–185. 69 Epiphan., haer. 69, 5, 2 (156, 16 f. H./D.). 70 Vgl. Epiphan., haer. 65, 1, 6 (3, 12 f. H./D.); haer. 71, 1, 1 (249, 10–14 H./D.). 71 Basilius von Caesarea hat das offenbar gewußt, wie aus einer Stelle, an der er Contra Sabellianos benutzt, hervorgeht: Vgl. adv. Eunom. II, 15 (PG 29, 601 B-C [SC 305, 58, 24–60, 43 Sesboüe´]).
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Die Hauptquelle des Epiphanius über Paulus von Samosata
tenischem Material interessierten Gewährsleute einschlägige Urkunden über die Lehren des Paulus zur Verfügung hatten? Das wäre ein nicht zu unterschätzendes Argument gegen die von G. Bardy, F. Loofs und zuletzt von H. de Riedmatten verteidigte Echtheit der sogenannten Synodalakten von 268,72 deren mit apolinaristischer Terminologie gesättigte Reste erst im fünften und sechsten Jahrhundert und bei so verdächtigen Zeugen auftauchen,73 daß man sie mit M. Richard am ehesten als ein Produkt aus apolinaristischer Fälscherwerkstätte begreifen könnte.74 Aber dies Argument hätte nur dann sein volles Gewicht, wenn wir mit Bestimmtheit sagen könnten, daß der in anderen Fällen um glaubwürdige Zeugnisse durchaus bemühte Polemiker auch in Sachen des Paulus von Samosata alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft hat. Da er aber von dem doch recht ausführlichen, für die Lehre des Samosateners freilich nicht sehr ergiebigen Bericht, den Eusebius in seiner Kirchengeschichte bietet und der ihm leicht zugänglich sein mußte, entweder überhaupt keinen oder nur äußerst dürftigen Gebrauch gemacht hat, wie schon G. Bardy und Loofs bemerkten,75 kommen wir in diesem Punkte zu keinem überzeugenden Schluß. Immerhin schafft aber die Entdeckung der Hauptquelle des Epiphanius für haer. 65 die Voraussetzung, eindeutig Nicht-Samosatenisches und Nicht-Sabellianisches aus unserem Material aus zusondern und, wie ich meine, über Photins Theologie Zuverlässigeres zu erfahren. Stammt die von Epiphanius übel verwendete Schrift Contra Sabellianos aus der Feder des Apolinarius, so haben wir darüber hinaus eine vorzügliche Möglichkeit, einen mit apolinareischen Augen gesehenen Photin mit dem zu vergleichen, was angeblich noch von Paulus herrühren soll. Damit ist aber eine bessere Grundlage geschaffen, die Glaubwürdigkeit der späten Zeugnisse über Paulus zu überprüfen.76 72 G. Bardy, Paul de Samosate, 34–79; F. Loofs, Paulus v. Samosata, 110–133; H. de Riedmatten, Les actes du proce`s de Paul de Samosate, 15–67. 73 Zur Überlieferung und apolinaristischen Terminologie der Akten vgl. H. de Riedmatten, Les actes, 27–43; 49–58. 74 Siehe M. Richard, Opera minora I, S. 17; Malchion et Paul de Samosate. Le te´moignage d’Euse`be de Ce´sare´e, EThL 35, 1959, 325–338, jetzt in: Opera minora II, Nr. 25. Bereits R. Devreesse hat in seiner Rezension der zweiten Auflage des Buches von G. Bardy die Echtheit der sog. Akten bezweifelt: RSPhTh 19, 1930, 296–299; G. Bardy seinerseits bekennt in zwei Besprechungen der Arbeit von H. de Riedmatten, seine ursprüngliche Überzeugung von der Echtheit der Dokumente verloren und sie auch nicht durch de Riedmattens Darlegungen wiedergewonnen zu haben: RHE 47, 1952, 643–644 und RevSR 26, 1952, 294–296. 75 G. Bardy, Paul de Samosate, 98; F. Loofs, Paulus v. Samosata, 161. 76 Angesichts der unsicheren Quellenlage hat A. Grillmeier, Christ in Christian Tradition I, London/Oxford 21975, 164 f., mit bemerkenswerter Vorsicht auf eine Darstellung der Theologie des Paulus von Samosata verzichtet [vgl. ders., Jesus der Christus im Glauben der Kirche I, Freiburg/Basel/Wien 31990, 296–298]. Eine retractatio der historischen Daten mit neuen Ergebnissen bietet F. Millar, Paul of Samosata, Zenobia and Aurelian: The Church, Local Culture and Political Allegiance in Third-Century Syria, JRS 61, 1971, 1–17; Millar bestreitet u. a. überzeugend, daß Paulus ducenarius der Königin Zenobia von Palmyra gewesen sein könne (ebd. 10–13). Zur Persönlichkeit des Paulus siehe auch J. Burke, Eusebius on Paul of Samosata: A New Image, Kl. 7, 1975, 8–20.
Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos Zweimal begegnet im Ancoratus des Epiphanius völlig gleichlautend folgende Formel: α᾽ει` γα`ρ η῾ τρια`ς τρια`ς και` ου᾽δε´ποτε προσϑη´κην λαμβα´νει. (»Immer ist die Trias Trias und läßt
niemals eine Vermehrung zu.«)1
Diese kleine Formel faßt knapp zusammen, was Epiphanius in der Umgebung der ersten Stelle zum Teil mit denselben Worten, aber etwas ausführlicher formuliert. Ich zitiere im Hinblick auf einen unten folgenden Vergleich drei Texte, z. T. in größerem Umfang: Πο´τε ου῏ν δυ´νασαι τολμα ῀ ν και` λε´γειν ο῞τι ου᾽κ η῏ν πατη`ρ ο῾ πατη´ρ, ῞ινα και` υι῾ο`ν τολμη´σης ͺ ει᾽πει῀ν μη` ει῏ναι 〈υι῾ο´ν〉ͽ ει᾽ δε` ου᾽ τολμα ῀ͺς α᾽ξι´αν προσϑει῀ναι πατρι´ (το` γα`ρ ϑει῀ον ε᾽ν ταυτο´τητι υ῾πα´ρχει και` ου᾽κ ε᾽πιδε´εται προσϑη´κης, ου᾽ δο´ξης ου᾽ προκοπη ῀ ς), ›μα´ϑε μη` βλασφημει῀ν‹, . . . α᾽λλ᾽ α᾽ει` πι´στευε πατε´ρα α᾽ι´διον α᾽ληϑω ῀ ς γεννη´σαντα υι῾ο´ν, το`ν α᾽ει` ο῎ντως ο῎ντα προ`ς το`ν ο῎ντως ο῎ντα πατε´ρα (»Wann also kannst du dich unterstehen und sagen, der Vater war nicht Vater, damit
du auch zu sagen wagst, der Sohn sei nicht (Sohn)? Wenn du es aber nicht wagst, dem Vater eine Würde hinzuzufügen (denn die Gottheit existiert in Identität und bedarf nicht einer Vermehrung, nicht einer Ehre, nicht eines Fortschritts), so ›lerne nicht zu lästern‹, . . . sondern glaube, daß der Vater ewig einen wahrhaft ewigen Sohn gezeugt hat,2 der immer wirklich bei dem wirklich seienden Vater ist.«)3 ου᾽δε` συναλοιφη´ ε᾽στι πατρο`ς και` υι῾ου῀, α᾽λλα` τρια`ς α᾽ει` ου῏σα τη ῀ ς αυ᾽τη ῀ ς ου᾽σι´ας. (»Es gibt auch keine Verschmelzung von Vater und Sohn, sondern eine Trias, die immer ist und dieselbe ousia besitzt.«)4
〈η῾ τρια`ς〉 . . . μηδε`ν προσλαμβα´νουσα δο´ξης μη´τε α᾽φαιρουμε´νη 〈α᾽〉ιδιο´τητος5. ου᾽δε`ν γα`ρ ε᾽ν τρια´δι κτιστο`ν η῍ ε᾽πιγε´νητον, α᾽λλ᾽ ο῾ με`ν πατη`ρ το`ν υι῾ο`ν γεννα ῀ͺ, ου᾽κ η῏ν δε` ποτε` χρο´νος ο῞τε ου᾽κ 1 Ancor. 7, 2 und 15, 6 (GCS Epiph. I, 13, 22 f. und 24, 3 Holl). [Die von M. Bergermann und Ch.-F. Collatz erarbeiteten Addenda et Corrigenda der 2. Auflage von Holls Ausgabe, GCS NF 10/2, Berlin/Boston 2012, werden im folgenden nicht erwähnt, doch sei auf sie hingewiesen. In ihnen wird der vorliegende Aufsatz berücksichtigt.] 2 Ewige Zeugung bei Epiphanius z. B. auch ancor. 5, 6 (GCS Epiph. I, 11, 19 H.); 30, 6 (GCS Epiph. I, 39, 21 f. H.); haer. 42, 16, 13 (GCS Epiph. II2, 186, 14 f. Holl/Dummer); 69, 70, 4 (GCS Epiph. III2, 218, 20–22 Holl/Dummer); 76, 26, 4 (GCS Epiph. III2, 373, 18–21 H./D.); 76, 28, 5 (GCS Epiph. III2, 377, 11 f. H./D.). 3 Ancor 6, 1 f. (GCS Epiph. I, 12, 5–8. 10 f. H.). 4 Ancor. 6, 10 (GCS Epiph. I, 13, 9 f. H.). 5 Ancor. 7, 6 (GCS Epiph. I, 14, 12 H.): ι᾽διο´τητος. Ich verbessere aufgrund der Parallelen haer. 62, 3, 5 (siehe den oben folgenden Text) und haer. 74, 2, 7 (GCS Epiph. III2, 330, 15 f. H./D.): . . . τη῀ς τρια´δος ου῎σης ε᾽ν ταυτο´τητι δοξολογι´ας . . . και` μηδε´ποτε διαλει-
που´σης τη ῀ ς τρια´δος τη ῀ ς αυ᾽τη ῀ ς α᾽ιδιο´τητος.
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Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos
η῏ν ο῾ υι῾ο´ς. (»Die Trias nimmt nichts an Ehre hinzu, noch verliert sie ihre Ewigkeit. Nichts ist 326
in der Trias geschaffen oder hinzugekommen, vielmehr zeugt der Vater den Sohn, es gab keine Zeit, da der Sohn nicht war.«)6
Die kurze, an erster Stelle zitierte Formel hat dem Epiphanius offenbar sehr gefallen, denn er wiederholt sie wenig später im 62. Kapitel des Panarion über Sabellius und die Sabellianer nahezu unverändert: α᾽λλα` ου᾽ συναλοιφη` η῾ τρια´ς, ω῾ς ο῾ Σαβε´λλιος ε᾽νο´μισεν, ου῎τε η᾽λλοιωμε´νη τη ῀ ς ι᾽δι´ας α᾽ιδιο´τητο´ς τε και` δο´ξης, ω῾ς ο῾ ῎Αρειος κενοφωνω ῀ ν ε᾽δογμα´τισεν, α᾽λλ᾽ α᾽ει` με`ν η῏ν η῾ τρια`ς τρια`ς και` ου᾽δε´ποτε η῾ τρια`ς προσϑη´κην λαμβα´νει κτλ. (»Aber die Trias ist keine Verschmelzung, wie
Sabellius meinte, noch gibt es eine Änderung ihrer eigenen Ewigkeit und Ehre, wie Arius in leerem Geschwätz behauptete; vielmehr war die Trias immer Trias, und niemals läßt die Trias eine Vermehrung zu« usw.)7
In einer Passage des 74. Kapitels des Panarion über die Pneumatomachen, die Epiphanius teilweise wörtlich aus dem Ancoratus übernimmt, wie schon Karl Holl anmerkte, kehrt die Formel nochmals wieder, diesmal mit dem Zusatz: »Wie ich schon häufig sagte, immer ist die Trias Trias und läßt niemals eine Vermehrung zu.«8 Anklänge an diesen formelhaften Satz und seinen oben zitierten Kontext lassen sich auch noch an anderen Stellen bei Epiphanius entdecken, besonders häufig in haer. 76 über die Anhomoier und Ae¨tius.9 Niemand käme auf den Gedanken, daß diese von Epiphanius geschätzte Formel nicht sein Eigentum ist. Aber sie steht ebenfalls − in sprachlich eleganterer Fassung − in dem pseudathanasianischen Traktat, der bei Migne unter der Bezeichnung Contra Sabellianos (PG 28, 96–121) abgedruckt ist. Um den Vergleich mit den oben angeführten Texten aus dem Ancoratus zu ermöglichen, zitiere ich die entsprechende Stelle des Ps-Athanasius, zu dessen Identität ich mich bereits geäußert habe,10 in ihrem Zusammenhang. Der Autor (Apolinarius von Laodicea) zitiert Jo 14, 10 als Argument des »Judaisierenden« − nach meiner Meinung des Photin von Sirmium − für die Einpersonalität Gottes, widerlegt es und formuliert seine eigene Theologie:
6
Ancor. 7, 6 f. (GCS Epiph. I, 14, 11–14 H.). Haer. 62, 3, 5 f. (GCS Epiph. II2, 392, 3–6 H./D.). 8 Haer. 74, 12, 1 (GCS Epiph. III2, 329, 27 f. H./D.). 9 Vgl. Epiphan., de fide 14, 2 (GCS Epiph. III2, 514, 19 f. H./D.): ου῏σαν δε` α᾽ει` τη`ν τρια´δα και` μηδε´ποτε προσϑη´κης ε᾽πιδεομε´νην κτλ.; haer. 76, 25, 7 (GCS Epiph. III2, 372, 24–26 H./D.); 76, 29, 9 (GCS Epiph. III2, 379, 2–5 H./D.); 76, 35, 11 (GCS Epiph. III2, 385, 14– 20 H./D.); 76, 38, 3 (GCS Epiph. III2, 390, 13–17 H./D.); 76, 38, 9 (GCS Epiph. III2, 391, 10–13 H./D.); 76, 46, 4 (GCS Epiph. III2, 400, 3–7 H./D.); 76, 48, 6 (GCS Epiph. III2, 402, 14–18 H./D.). 10 Vgl. R. M. Hübner, Die Hauptquelle des Epiphanius (Panarion, haer. 65) über Paulus von Samosata: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, in: Von Konstantin zu Theodosius. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 4. Jahrhunderts. Wilhelm Schneemelcher zum 65. Geburtstag, hg. von W. A. Bienert und K. Schäferdiek = ZKG 90, 1979, 55–74 = (201)–(220) [erneut oben S. 379 ff.]. 7
»Immer ist die Trias Trias«
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᾽Αλλ ᾽ ει῎ρηται, φησι´ν, ο῞τι ᾽Εγω` ε᾽ν τω ῀ͺ πατρι` και` ο῾ πατη`ρ ε᾽ν ε᾽μοι´. ου᾽κ ε῎στι δε` λο´γος ε᾽ν καρδι´αͺ του῀ υι῾ου῀ ο῾ πατη´ρ· ου᾽ τοι´νυν ου᾽δε` ο῾ υι῾ο`ς λο´γος ε᾽ν καρδι´αͺ του῀ πατρο´ς, α᾽λλα` λο´γος ζω ῀ ν α᾽πο` ζω ῀ ντος πατρο`ς ϑεου῀, α᾽ιδι´ωͺ γεννη´σει πεφηνω´ς, α᾽να´ρχως τω ῀ͺ πατρι` συνω´ν· ω῾ς μηδε´ποτε μο´νον ε᾽πινοει῀σϑαι το`ν πατε´ρα. α᾽ει` γα`ρ τρια`ς η῾ τρια`ς και` προσϑη´κην ϑεο´τητος ου᾽ λαμβα´νει. ου᾽δ ᾽ ο῾ μη` προ´τερον ω ῍ ν συ`ν τω ῀ͺ πατρι` προστι´ϑεται υ῞στερον ο῾ υι῾ο´ς, ου᾽δε` τω ῀ͺ υι῾ω ῀ͺ το` πνευ῀μα ε᾽πιγι´νεται. τα` γα`ρ α᾽πο´ τινος α᾽ρχη ῀ ς γεγενημε´να και` ποιη´ματα´ εστι και` δου῀λα και` τη ῀ͺ τρια´δι συναριϑμει῀ται ου᾽δαμω ῀ ς. (»Aber es heißt, so sagt er: ›Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir‹ (Jo 14, 10).
Der Vater ist aber nicht ein Logos im Herzen des Sohnes, und also ist auch der Sohn nicht ein Logos im Herzen des Vaters, sondern lebendiger Logos vom lebendigen Gott Vater, durch ewige Zeugung erschienen, anfangslos mit dem Vater zusammen, so daß es sich nicht denken läßt, daß der Vater jemals allein gewesen sei. Denn immer ist die Trias Trias, und eine Vermehrung der Gottheit läßt sie nicht zu. Weder wird der Sohn, als wäre er vorher nicht mit dem Vater zusammen, später angefügt, noch kommt zum Sohn der Geist hinzu. Denn was durch ein Prinzip entstanden ist, ist Machwerk und Sklave und kann niemals zusammen mit der Trias gezählt werden.«)11
Nicht nur der kleine, von Epiphanius erstmals Ancoratus 7, 2 gebrachte Satz: »Immer ist die Trias Trias . . .« findet sich in Contra Sabellianos 7, sondern es stimmen auch weitere Gedanken dieser Passage mit den oben aus Ancoratus 6 und 7 zitierten Texten überein: die Polemik gegen die »sabellianische« Aufhebung der Eigenständigkeit des Logos, die ewige Zeugung, das immerwährende und anfangslose Beieinandersein von Vater und Sohn, die Zurückweisung von irgendetwas Geschaffenem oder Hinzugekommenen in der Trias, und diese Themen werden teilweise mit denselben Worten formuliert. Bei genauem 11 Ps-Athan., c. Sabell. 7 (PG 28, 108 C-D). Der zweite Teil des zitierten Textes hat zweifelsfrei große Ähnlichkeit mit der expositio fidei des Gregor Thaumaturgus, besonders ihrem letzten Abschnitt (bei Greg. Nyss., vita Gregor. Thaum.: PG 46, 912 D–913 A [GNO X/1, 17, 24–18, 25 Heil]). Daß aber nicht etwa dieses Glaubensbekenntnis die unmittelbare Quelle des Epiphanius ist, erkennt man schon daran, daß der so charakteristische Satz: »Immer ist die Trias Trias . . .« darin nicht vorkommt. − L. Abramowski, Das Bekenntnis des Gregor Thaumaturgus bei Gregor von Nyssa und das Problem seiner Echtheit, ZKG 87, 1976, 145–166, hat das Bekenntnis dem Thaumaturgen abgesprochen und als ein − sicher nach 379 entstandenes − Produkt der Redaktion des Gregor von Nyssa erklären wollen (ebd. 160–162). Dies ist jedoch schon durch die wörtliche Bezeugung des Schlußsatzes des Bekenntnisses bei dem wenigstens 20 Jahre früheren Ps-Basil., adv. Eunom. V (PG 29, 753 B) ausgeschlossen; dort finden sich noch zahlreiche andere Parallelen. Die Frage der Authentizität der expositio bedarf noch weiterer Untersuchung. − Auf ausgeprägte Parallelen zwischen der expositio fidei des Gregor Thaumaturgus und Athan., c. Ar. I, 18, hat M. Tetz hingewiesen (Markellianer und Athanasios von Alexandrien. Die markellianische Expositio fidei ad Athanasium des Diakons Eugenios von Ankyra, ZNW 64, 1973, 75–121, hier 80. 107. 112 f. [erneut in: M. T., Athanasiana. Zu Leben und Denken des Athanasius, hg. von W. Geerlings/D. Wyrwa, BZNW 78, Berlin/New York 1995, 66. 91. 97]). Wenigstens ebenso spezifisch erscheinen mir dazu noch die Übereinstimmungen zwischen contra Sabellianos (7; 8; 11) und c. Ar. I, 17 und 18; weitere Parallelen ließen sich aufzeigen. Ähnliches gilt für c. Ar. II (ein Beispiel unten Anm. 29) und c. Ar. III (vgl. z. B. das Paradigma des Kaisers und kaiserlichen Bildes c. Ar. III, 5 und c. Sabell. 6, oder die Auslegung von Joh 14, 10 in c. Ar. III, 6: PG 26, 332 C und c. Sabell. 7: PG 28, 109 B); zu einem Vergleich zwischen der ep. ad Epict. 8 f. und c. Sabell. 7 siehe den Schluß des Beitrags. Die Beziehungen zwischen diesen Schriften erfordern noch eine ausführliche Behandlung.
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Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos
Vergleich zwischen Ancoratus und Contra Sabellianos lassen sich noch weit mehr Übereinstimmungen in der trinitarischen Terminologie entdecken, auf deren Kennzeichnung ich aber hier verzichte, weil es mir nur um den Aufweis der Quellen des Epiphanius geht. Sobald dies geschehen ist, kann die reizvolle Aufgabe in Angriff genommen werden zu überprüfen, inwieweit die Trinitätstheologie des Epiphanius von den festgestellten Quellen beeinflußt ist. Man könnte sich natürlich auf den Standpunkt stellen, daß die oben angezeigten Parallelen zufällig seien, oder aber daß der pseudathanasianische Autor von Epiphanius abhängig ist. Daß wir es nicht mit zufälligen Parallelen zu tun haben, ergibt sich jedoch aus weiteren spezifischen Übereinstimmungen zwischen Contra Sabellianos, dem Ancoratus und haer. 62 über Sabellius. Ich beginne der Einfachheit halber mit haer. 62. Gleich im ersten Paragraphen dieses Kapitels legt Epiphanius dem Sabellius und seinen Anhängern einen anthropologischen Vergleich für die Trinität in den Mund. Er sagt: »Es lehrt dieser (scil. Sabellius) und die von ihm ausgegangenen Sabellianer, daß derselbe Vater sei, derselbe Sohn sei, derselbe Heiliger Geist sei, so daß auf eine einzige Hypostase drei Benennungen kommen; oder auch: Wie im Menschen Leib und Seele und Geist, so sei sozusagen der Vater der Leib, der Sohn gewissermaßen die Seele, der Geist aber wie der des ῀ μα και` Menschen, so auch sei der Heilige Geist in der Gottheit.« (η῍ ω῾ς ε᾽ν α᾽νϑρω´πωͺ σω
ψυχη`ν και` πνευ῀μα, και` ει῏ναι με`ν το` σω ῀ μα ω῾ς ει᾽πει῀ν το`ν πατε´ρα, ψυχη`ν δε` ω῾ς ει᾽πει῀ν το`ν υι῾ο´ν, το` πνευ῀μα δε` ω῾ς α᾽νϑρω´που, ου῞τως και` το` α῞γιον πνευ῀μα ε᾽ν τη ῀ͺ ϑεο´τητι.)12
Auch dieser anthropologische Vergleich für die Trinität, mit dem die triadische Struktur der Einpersönlichkeit Gottes veranschaulicht werden soll, hat sein Gegenstück in Ps-Athanasius, Contra Sabellianos. Nachdem der Autor in §12 zweimal kurz die Vorstellung zurückgewiesen hat, die Einheit der Drei (des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes) könne man sich in Analogie zu einer einzigen aus drei ungetrennten, eingekörperten Teilen zusammengesetzten Wirklichkeit denken,13 gibt er in §13 deutlicher zu erkennen, gegen welches Trinitätsmodell seines »judaisierenden« Gegners er polemisiert. Er verwahrt sich zunächst dagegen, aufgrund seiner eigenen Trinitätstheologie gezwungen zu sein, aus der Trias eine Monas zu machen, und fährt dann fort: »Ich unterstelle aber auch nicht, daß wie der Mensch aus dreien, nämlich Geist, Seele, Leib, zusammengesetzt ist, so auch Gott (zusammengesetzt) sei, wie es ebenfalls jene frech be῀ ν υ῾πονοω ῀ συ´νϑετον, πνευ´ματος, ψυχη ῀ ς, σω´ματος, ου῞τω και` haupten (ου᾽δε` α῎νϑρωπον ε᾽κ τριω ϑεο´ν, καϑα´περ κα᾽κει῀νοι τολμω ῀ σιν) . . . Denn die Teile des Zusammengesetzten und die Bewegungen des sich Bewegenden haben überhaupt keine Gemeinsamkeit mit der unzusammengesetzten und unveränderlichen Natur.«14 329
Es ist deutlich, daß der Pseudathanasianer hier dasselbe trinitätstheologische Modell bekämpft, das Epiphanius im oben zitierten Text aus haer. 62 als Ei12
Haer. 62, 1, 4 f. (GCS Epiph. II2, 389, 11–16 H./D.). Ps-Athan., c. Sabell. 12 (PG 28, 116 C): Μη` τοι´νυν ω῾ς ε῾νσω´ματα α᾽διαι´ρετα με´ρη φανταζω´μεϑα 〈τα`〉 τρι´α. (116 D–117 A): ου᾽χ ε῝ν ε᾽κ τριω ῀ ν πρα ῀ γμα συντιϑει´ς. 14 Ebd. 13 (PG 28, 117 AB). 13
Weitere Parallelen zwischen Epiphanius und Ps-Athanasius
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gentum des Sabellius ausgibt. An drei Stellen des Ancoratus spielt nun offenbar Epiphanius auf dasselbe Modell an, ohne aber zu sagen, welchen Häretiker er im Auge hat. Die auffälligste Parallele hat bereits K. Holl in seinen Noten zu haer. 62, 1 angezeigt. Sie steht Ancoratus 81, 5 f.: υ῾πο´νοιαν δε` ε῎χει τοιαυ´την κεκρυμμε´νην, ω῾ς α᾽φ᾽ η῾μω ῀ ν το` ϑει῀ον α᾽πεικα´σας, λε´γων ε᾽ν ε῾αυτω ῀ͺ, ο῞τι ω῾ς ε῎χω σω ῀ μα και` ψυχη`ν και` πνευ῀μα α᾽νϑρω´πειον, ου῞τω και` η῾ ϑεο´της. πατη`ρ με`ν ω῾ς ει᾽πει῀ν το` ει῏δος, υι῾ο`ς δε` ω῾ς ε᾽ν τω ῀ͺ α᾽νϑρω´πωͺ ψυχη´, πνευ῀μα δε` ω ῞ σπερ το` ε᾽μπνε´ον δια` του῀ α᾽νϑρω´που. τινε`ς γα`ρ δολιευ´ονται και` ου῞τως νομι´ζουσι τη`ν ϑεο´τητα. (»Dieser − nämlich: Häretiker −
hegt eine heimliche Unterstellung derart, daß er die Gottheit mit uns vergleicht und bei sich erklärt: Wie ich Leib und Seele und einen menschlichen Geist habe, so auch die Gottheit. Der Vater ist sozusagen die Gestalt (scil. des Leibes), der Sohn wie die Seele im Menschen, der Geist wie der, der den Menschen durchweht. Es gibt einige, die sich verstellen und die Gottheit auf diese Weise auffassen.«)15
Die beiden anderen, im Verhältnis zu dieser ausführlichen Darlegung eher kärglichen Anspielungen auf dasselbe anthropologische Beispiel für die Trinität stehen Ancoratus 8 und 12. Im Unterschied zur Passage Ancoratus 81 ist hier aber noch der Gedanke einer in Gott nicht akzeptablen Zusammensetzung aus dem Text des Ps-Athanasius aufgenommen.16 Die Übereinstimmungen zwischen dem pseudathanasianischen Traktat Contra Sabellianos und Ancoratus und Panarion lassen sich nicht durch den Hinweis auf eine gemeinsame Quelle über Sabellius oder durch die Abhängigkeit des PsAthanasius erklären. Denn Epiphanius hat den kleinen Traktat Contra Sabellianos in haer. 65 nachweislich für seine Darstellung des Paulus von Samosata benutzt und teilweise wörtlich ausgeschrieben.17 Er hat ihn ebenfalls in haer. 71 über Photin von Sirmium verwendet.18 Also ist dieser Traktat auch die Quelle der oben festgestellten Übereinstimmungen im Ancoratus und haer. 62 über Sabellius. Eine sorgfältige Lektüre des Ancoratus zeigt, daß das Pseudathanasianum auch noch an anderen Stellen dieses Buches seine Spuren hinterlassen hat. Gleiches gilt für das Panarion. Sie lassen sich leichter und sicherer identifizieren, wenn man zum Vergleich heranzieht, was Epiphanius in haer. 65 über Paul von Samosata aus dem Text Contra Sabellianos gemacht hat.19 15
Ancor. 81, 5 f. (GCS Epiph. I, 102, 1–6 H.). Ancor. 8, 6 (GCS Epiph. I, 15, 12 f. H.): πνευ῀μα γα`ρ ϑεου῀ και` πνευ῀μα του῀ πατρο`ς και` πνευ῀μα υι῾ου῀, ου᾽ κατα´ τινα συ´νϑεσιν, καϑα´περ ε᾽ν η῾μι῀ν ψυχη` και` σω ῀ μα κτλ. Ancor. 12, 1 f. (GCS Epiph. I, 20, 8–15 H.). 17 Siehe den oben Anm. 10 angezeigten Aufsatz. 18 Vgl. haer. 71, 4, 1–3 (GCS Epiph. III2, 253, 9–15 H./D.) und Ps-Athan., c. Sabell. 2; 13 (PG 28, 97 B-D; 117 B). 19 Vgl. z. B. die Darlegung über Jo 5, 31 und 8, 14 in ancor. 3, 4–8 (GCS Epiph. I, 8, 18– 9, 10 H.), haer. 65, 7, 10–13 (GCS Epiph. III2, 10, 26–11, 6 H./D.) und Ps-Athan., c. Sabell. 3 (PG 28, 101 C–104 A). M. Mees (Text und Textverständnis von Jn 8, 12–59 in den Werken des Epiphanius von Salamis, Laur. 20, 1979, 501–525, hier 505) vermerkt, daß Epiphanius in ancor. 3, 5 und 3, 8 eine Textvariante von Jo 8, 14 zitiert. Dieselbe Variante steht auch in seiner Vorlage c. Sabell. 3 (PG 28, 104 A), so daß sich eine besondere Absicht des Epiphanius daraus nicht erschließen läßt. 16
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Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos
Aus diesem Befund ergibt sich: 1. Der oben angeführten Stelle haer. 62, 1, 5 über den anthropologischen Vergleich, den angeblich Sabellius für die Trinität benutzt haben soll, kommt für diesen Theologen kein Quellenwert zu. Der Vergleich stammt aus Contra Sabellianos und ist nach den Aussagen des Autors dieser Schrift Eigentum eines »judaisierenden«, in den Spuren des Samosateners wandelnden Theologen, den ich für Photin von Sirmium halte. 2. Der pseudathanasianische Traktat Contra Sabellianos ist vor 374 geschrieben, denn er wird in dem sicher 374 verfaßten Ancoratus bereits benutzt.20 Wenn es zutrifft, daß Apolinarius von Laodicea der Autor der Schrift Contra Sabellianos ist, wie ich das anderorts zu beweisen versucht habe,21 so hindert nichts anzunehmen, daß Epiphanius die Schrift vom Verfasser selbst oder aber aus seinem Anhängerkreis erhalten hat. Das müßte geschehen sein, bevor er nach Antiochien reiste, um zwischen den nizänischen Parteien der Eustathianer unter Paulinus und der Apolinaristen unter Vitalis zu vermitteln, da diese Reise doch wohl eher ins Jahr 376 als 374 zu setzen ist.22 Daß er bis zu diesem Zeitpunkt den Apolinarius überaus hoch geschätzt hatte und sich nur widerwillig von dessen Häresie überzeugen mußte, sagt er selbst in haer. 77.23 Ich erlaube mir hier eine These zur Rolle der Schrift Contra Sabellianos zu formulieren, obwohl sie nicht im strengen Sinn demonstrabel ist. Um 370 waren Schüler des Apolinarius nach Cypern gekommen und hatten mit ihren Aussagen, die Epiphanius als Mißverständnisse der Lehren ihres Meisters betrachtete, solche Verwirrung gestiftet, daß man sich zu einer synodalen Widerlegung genötigt sah. Aufgrund der ihm zugegangenen Kopie der Synodalakten schrieb Athanasius seinen Brief an Epiktet von Korinth, den auch Epiphanius dem 77. Kapitel des Panarion über Apolinarius einfügt.24 Darin fallen einige Wendungen auf, die stark an die Formel aus Contra Sabellianos 7 (»Denn immer ist die Trias Trias, und eine Vermehrung der Gottheit läßt sie nicht zu«) anklingen und eine 20
Zum Datum vgl. ancor. 60, 5 und 119, 1 (GCS Epiph. I, 72, 12–73, 3 und 147, 24– 28 H.); W. Schneemelcher, Art. Epiphanius von Salamis, in: RAC 5, 1962, 914. 21 Vgl. den Hinweis in ZKG 90, 1979, 60/206 Anm. 34 [jetzt oben S. 384; vgl. R. M. Hübner, Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989]. 22 Epiphan., haer. 77, 20, 3–7; 22, 5 (GCS Epiph. III2, 434, 13–27; 435, 30–32 H./D.). Zum Datum vgl. H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule. Texte und Untersuchungen, Tübingen 1904 (Nachdruck Hildesheim/New York 1970), 15: »Etwa im Jahre 374«; E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, FKDG 23, Göttingen 1969, 50–53. 219: »spätestens 376«; J. F. Dechow, Dogma and Mysticism in Early Christianity: Epiphanius of Cyprus and the Legacy of Origen. Ph. D. Diss. University of Pennsylvania 1975, 50– 54, entscheidet sich nach umsichtiger Diskussion der Quellenangaben und Literatur für 376; [M. Tetz, Über nikäische Orthodoxie. Der sog. Tomus ad Antiochenos des Athanasius von Alexandrien [1975], in: Ders., Athanasiana (wie Anm. 11), 132, nimmt ebenfalls das Jahr 376 an]. 23 Haer. 77, 1, 1–2, 2; vgl. ebd. 18, 15–19, 10 (GCS Epiph. III2, 416 f.; 432 f. H./D.). 24 Haer. 77, 2, 3–7 (GCS Epiph. III2, 417, 5–24 H./D.); anschließend die epistula ad Epictetum, die bei Migne PG 26, 1049–1069 abgedruckt ist. Zu den Vorgängen vgl. die (oben Anm. 22) zitierte Arbeit von J. F. Dechow, 42–45.
Apolinarius von Laodicea
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Kenntnis dieses Traktats − oder zumindest dieses Argumentationsstückes des Traktats − vorauszusetzen scheinen, und zwar sowohl bei den von Athanasius nach den Synodalakten zitierten (apolinaristischen) Irrlehrern wie bei Athanasius selbst. Wir befinden uns hier aber in einem christologischen Kontext; der Gedanke der Ewigkeit und Unvermehrbarkeit der Trias bildet die Prämisse für die Schlußfolgerung der Apolinarius-Schüler, daß der Leib des Logos ihm konsubstantial (homoousion) sein müsse, damit aus der Trias nicht eine Tetras entstehe. Ich zitiere Athanasius in Anlehnung an die Übersetzung von Joseph Lippl: »In heftiger Scham werden aber alle jene erröten, die gar auf den Gedanken verfielen, es könnte statt der Trias eine Tetras entstehen, wenn man sage, der Leib sei aus Maria. ›Denn wenn wir behaupten‹, sagen sie, ›daß der Leib dem Logos konsubstantial (homoousion) ist, bleibt die Trias Trias (με´νει η῾ τρια`ς τρια`ς), da der Logos nichts Fremdes in sie einführt; wenn wir aber sagen, der aus Maria stammende Leib sei ein menschlicher Leib, so muß, da der Leib der ousia nach etwas Fremdes und der Logos in ihm ist, eine Tetras statt der Trias entstehen aufgrund der Hinzufügung des Leibes‹ (δια` τη`ν του῀ σω´ματος προσϑη´κην).«25
Daß wir es hierbei mit der Abwandlung eines Arguments zu tun haben, das Apolinarius selbst gegen die vorgebracht hat, die die Annahme eines vollständigen Menschen durch den Logos vertreten, ist zweifelsfrei, wie ein Blick auf parallele Äußerungen lehrt.26 Die Frage, ob er selbst durch seine diffizilen Erklärungen der Schlußfolgerung auf die Homoouseität des Leibes Christi mit dem Logos Vorschub geleistet hat, braucht hier nicht erörtert zu werden.27 In unserem Zusammenhang interessiert nur dies, daß doch offenbar der aus Contra Sabellianos 7 bekannte Grundsatz der Unvermehrbarkeit der ewigen Trias der Sache und dem Wortlaut nach vorausgesetzt und lediglich einem neuen Ziele dienstbar gemacht worden ist. In der Antwort des Athanasius vermehren sich die wörtlichen Anklänge an die Formel. Er dreht das Argument der Apolina25 Athan., ad Epict. 8, 5 (PG 26, 1064 B-C [Athanasius, Werke, I/1/5, 727, 31–728, 29 Savvidis]); p. 13, 14–14, 3 ed. Georgius Ludwig, Athanasii epistula ad Epictetum, Diss. phil. Jena 1911; Übersetzung nach J. Lippl, in: Des heiligen Athanasius ausgewählte Schriften, 1. Band = BKV213, Kempten/München 1913, 513; vgl. ad Epict. 2, 3 (1053 A-B [Werke I/1/5, 711, 13–712, 19 S.] ). 26 Vgl. Apolinarius, Kata meros pistis 31 (179 B, 4–11 Lietzmann); apodeixis, fg. 82 (224, 25–31 Lietzmann), bei Gregor. Nyss., adv. Apolin. (GNO 3/1, 201, 25–202, 13 Mueller); quod unus sit Christus 3 (296, 3–15 Lietzmann); Ps-Athan., c. Arian. IV, 21 (PG 26, 500 A-B), dazu A. Stegmann, Die pseudoathanasianische »IVte Rede gegen die Arianer« als ›κατα` ᾽Αρειανω ῀ ν λο´γος‹ ein Apollinarisgut, Rottenburg 1917. 27 Vgl. Apolin., de fide et inc. 3–7 (194–199 Lietzmann); fg. 117; 153 (235 f.; 248 L.); dazu die Diskussion bei H. de Riedmatten, Sur les notions doctrinales oppose´es a` Apollinaire, RThom 51, 1951, 553–571, hier 563 f.; ders., La Christologie d’Apollinaire de Laodice´e, StPatr 2 = TU 64, Berlin 1957, 208–234, bes. 218–222; E. Mühlenberg, Apollinaris (oben Anm. 22), 206; E. D. Moutsoulas, La Lettre d’Athanase d’Alexandrie a` Epictete, in: Politique et the´ologie chez Athanase d’Alexandrie. Actes du colloque de Chantilly 23–25 Septembre 1973, e´d. par Ch. Kannengiesser, ThH 27, Paris 1974, 313–333, hier 322–324; A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. 1: Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451), Freiburg/Basel/Wien 1979 (= 31990), 483–485.
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Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos
risten herum und beweist ihnen, daß gerade die Behauptung der Konsubstantialität des Leibes Christi zu einer Tetras führt: »Denn wie der Sohn nach den Vätern28 dem Vater zwar konsubstantial (homoousios), aber doch nicht selbst der Vater ist, sondern als Sohn beim Vater29 konsubstantial genannt wird, so ist auch der konsubstantiale Leib des Logos nicht der Logos selbst, sondern ein zweites neben dem Logos. Wenn er aber ein zweites ist, so ist nach ihren Anschauungen ihre Trias eine Tetras. Denn die wahre und wirklich vollkommene und unteilbare Trias duldet keine Vermehrung (ου᾽ γα`ρ η῾ α᾽ληϑινη` τελει´α και` α᾽διαι´ρετος τρια`ς δε´χεται προσϑη´κην), sondern nur die von ihnen erdachte.«30
Die weiter folgenden, an die oben zitierte Passage aus Contra Sabellianos 7 anklingenden Sätze gebe ich hier ohne Rücksicht auf ihren Kontext wieder: και` υ῾πονοου῀ντες δυ´νασϑαι τη`ν ϑεο´τητα προσϑη´κην λαμβα´νειν. και` η᾽γνο´ησαν, ο῞τι ου᾽ δια` προσϑη´κην ϑεο´τητος γε´γονε σα`ρξ ο῾ λο´γος κτλ.31 η῾ με´ντοι τρια`ς και` λαβο´ντος ε᾽κ Μαρι´ας σω ῀ μα του῀ λο´γου τρια´ς ε᾽στιν ου᾽ δεχομε´νη προσϑη´κην ου᾽δε´ α᾽φαι´ρεσιν, α᾽λλ᾽ α᾽ει` τελει´α εστι´ν κτλ.32 333
Besonders merkwürdig − und wie mir scheint, eben deshalb als Anlehnung an den Text Contra Sabellianos 7 am besten erklärbar − ist die damit wörtlich übereinstimmende Wendung, der Logos sei nicht zwecks Vermehrung der Gottheit (προσϑη´κην ϑεο´τητος) Fleisch geworden. Ich werte die angezeigten Parallelen als Zeichen dafür, daß der pseudathanasianische Traktat, den Epiphanius seit 374 so reichlich benutzt hat, schon bei den Synodalverhandlungen, 28
So der Text bei Migne und Ludwig; bei Epiphanius, haer. 77, 11, 2 (GCS Epiph. III2, 425, 15 H./D.): κατ᾽ αυ᾽του`ς. 29 Athan., ad Epict. 9 (PG 26, 1064 C [Werke I/1/5, 729, 6 S.]): α᾽λλα` υι῾ο`ς προ`ς πατε´ρα λε´γεται ο῾μοου´σιος. Zu diesem auf Joh 1, 1 fußenden Argument gegen eine ›sabellianische‹ Interpretation des homoousios vgl. Ps-Athan., c. Sabell. 2 (PG 28, 97 C-D): »Und deshalb bezeichnen sie Gott zusammen mit dem Logos als eine einzige Person, wie sie ja auch den Menschen zusammen mit seinem Logos einen einzigen Menschen nennen. Dabei gehen sie nicht im geringsten über die Anschauungen der Juden hinaus, die den Evangelisten nicht anerkennen, der gleich zu Beginn ruft: ›Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und der Logos war Gott.‹ Denn wenn Gott den Logos im Herzen hat, ohne daß er in Wahrheit aus ihm als Gott aus Gott gezeugt ist: wie wäre dann wohl der Logos bei Gott und wie wäre er Gott? Denn der Logos des Menschen ist nicht ein Mensch bei einem Menschen, da er weder lebendig ist noch subsistierend, vielmehr bloß eine Bewegung eines lebendigen und subsistierenden Herzens; soeben gesagt, ist er schon nicht mehr, und auch häufig ausgesprochen, bleibt er doch niemals.« − Athan., c. Ar. II, 35, 3 f. (PG 26, 221 BC [Werke I/1/2, 212, 12–23 S.]): »Und der Logos der Menschen besteht aus Silben, er lebt weder, noch wirkt er etwas, sondern bringt lediglich den Gedanken des Redenden zum Ausdruck, geht nur aus und geht vorüber, ohne wieder zu erscheinen, da er auch überhaupt nicht war, bevor er ausgesprochen wurde. Deshalb lebt er auch nicht, noch wirkt er etwas, noch ist der Logos der Menschen überhaupt ein Mensch. . . . ihr Logos subsistiert nicht.« (Übersetzung weitgehend nach A. Stegmann, in BKV213, 167 f., s. oben Anm. 25). 30 Athan., ad Epict. 9, 2 (PG 26, 1064 C–1065 A [Werke I/1/5, 729, 5–10 S.] ); 14, 8–13 Ludwig); vgl. Ps-Athan., c. Apollin. I, 9 und 12 (PG 26, 1108 B–1109 A und 1113 C). 31 Athan., ad Epict. 9, 3 (PG 26, 1065 A [Werke I/1/5, 729, 16–730, 17 S.]; 15, 2–4 Ludwig). 32 Ebd. 9, 4 (1065 B [Werke I/1/5, 730, 24–26 S.]; 15, 11–13 Ludwig).
Apolinarius von Laodicea
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von denen haer. 77, 2, 5 f. berichtet wird, eine Rolle gespielt hat, und daß er auch dem Athanasius bekannt war. Damit rücken wir für Contra Sabellianos über die Abfassungszeit des Ancoratus (374) mindestens vor die Entstehung des Briefes an Epiktet, d. h. also, wenn man Martin Tetz folgt, über »die Jahreswende 371/372« hinauf.33 Daß sich Spuren der Theologie und des Wortlauts von Contra Sabellianos auch in den Arianerreden des Athanasius finden lassen, habe ich angedeutet.34 Diese Frage bedarf aber noch einer sehr sorgfältigen Untersuchung und Behandlung.
33 M. Tetz, Markellianer (oben Anm. 11), 120 [Athanasiana (wie Anm. 11), 104]; ebenso ders., Art. Athanasius von Alexandrien, TRE 4, 1979, 344, 31 f. [Athanasiana, 17]. Keine durchschlagenden Gründe für die von ihm vertretene Frühdatierung (360–361) bringt Methodios of Aksum, When was the ad Epictetum written?, in: Pluralisme et Œcume´nisme en Recherches The´ologiques. Me´langes offerts au R. P. Docks, O. P., par Y. Congar e. a., BEThL 43, Paris/Gembloux 1976, 23–26. 34 Vgl. oben Anm. 11 und 29.
Ps-Athanasius, Contra Sabellianos Eine Schrift des Basilius von Caesarea oder des Apolinarius von Laodicea? Joseph T. Lienhard hat jüngst in dieser Zeitschrift einen Vergleich zwischen dem pseudathanasianischen Traktat Contra Sabellianos und der 24. Homilie des Basilius, Contra Sabellianos et Arium et Anomoeos angestellt.1 Er kommt zu dem Ergebnis, daß die zwischen beiden Werken vorhandenen Parallelen sich nur durch die Posteriorität der Homilie des Basilius erklären lassen,2 und schlägt vor, das Pseudathanasianum als ein sehr frühes Werk des Basilius selbst zu betrachten, das er in der späteren Homilie zum Teil wörtlich kopiert habe.3 Terminologische und theologische Unterschiede zwischen beiden Werken möchte Lienhard mit dem Wandel der historischen Situation und der theologischen Ausdrucksweise des Basilius erklären.4 In der Frage der Priorität des Pseudathanasianums ist Lienhard zu demselben Ergebnis gekommen wie ich bereits vor etlichen Jahren.5 Er weicht jedoch in 1
J. T. Lienhard, Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, and Basil of Caesarea, Contra Sabellianos et Arium et Anomoeos: Analysis and Comparison, VigChr 40, 1986, 365–389. C. Sab. ist in PG 28, 96–121 und die 24. Homilie des Basilius in PG 31, 600–617 abgedruckt. 2 Lienhard, 372–378. Es werden 17 parallele Stücke untersucht, und Lienhard erweckt den Eindruck, als sei damit die Zahl der Übereinstimmungen zwischen beiden Schriften erschöpft (372: »A careful study of the two homilies yields a list of seventeen passages . . .«). Dabei wurden aber wenigstens acht weitere, z. T. für die Identifizierung des Verfassers und bekämpften Gegners sehr bedeutsame Stellen übergangen oder übersehen. Es fehlen: PsAthan. 100, 25–29 par. Basil. 601, 30–35; 100, 40–41 par. 601, 47–48; 100, 36–101, 1 par. 605, 1–9; 101, 2–3 par. 604, 11–13; 101, 30–32 par. 604, 33–35; 116, 30–33.50 par. 609, 33–35; 116, 37–39 par. 609, 14–16; 116, 42–48 par. 609, 38–44. Die Liste zeigt, daß Basilius an mehr als einer Stelle die Reihenfolge des Ps-Ath. durchbricht (anders Lienhard 377). 3 Lienhard, 386: »The C. Sab. may be a very early work of Basil’s«; vgl. 368: »The years around 360 are the most probable.« 4 Lienhard, 384. 386. 5 Wenn Lienhard, 365, schreibt: »No one since Montfaucon, at the end of the seventeenth Century, has published a study of the relationship between the two homilies«, so ist dies nicht ganz richtig. Immerhin hat Remy Ceillier, Histoire ge´ne´rale des auteurs sacre´s et eccle´siastiques V, Paris 1735, 275 f., die Behauptung Montfaucons, das Pseudathanasianum sei ein Plagiat der Basilius-Homilie, zu entkräften versucht. Unzutreffend ist Lienhards Feststellung, 365: »There has been little analytic study of the C. Sab., and no com-
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der Bestimmung der in den beiden Schriften bekämpften Gegner von meiner Position ab, und während er es für nicht unwahrscheinlich hält, daß Ps-Athanasius mit Basilius zu identifizieren sei, meine ich bewiesen zu haben, daß dessen wahrer Name Apolinarius von Laodicea ist.6 Nun kann es für das Verständnis der Theologie und theologischen Entwicklung des Basilius und des späteren vierten Jahrhunderts überhaupt nicht gleichgültig sein, ob der Autor des kleinen, aber theologisch sehr reichhaltigen Traktats C. Sab., der außer von Basilius wenigstens auch von Epiphanius benutzt und kopiert wurde,7 Basilius oder Apolinarius heißt. Deswegen seien hier sehr kurz und unvollständig, aber dennoch ausreichend, die Gründe vorgetragen, die m. E. mit Sicherheit eine Verfasserschaft des Basilius an C. Sab. ausschließen. Zugleich benutze ich die Gelegenheit, zu einigen anderen Behauptungen Lienhards Stellung zu nehmen. Zwei methodische Bemerkungen sind vorauszuschicken. Um seinen mit einigem Zögern vorgetragenen Vorschlag, C. Sab. sei eine frühe Schrift des Basilius, zu begründen, verweist Lienhard auf die bemerkenswerte Ähnlichkeit des Vokabulars und Denkens in beiden Schriften; weiterhin darauf, daß Basilius, wie Dörries gezeigt habe, auch bei anderen Gelegenheiten eigene Werke benutzt habe, und daß die bekannte Abneigung des Basilius gegen Markell mit der scharfen antimarkellischen Polemik von C. Sab. übereingehe.8 Das alles ist aber zur Begründung selbst eines zurückhaltend formulierten Vorschlags nicht ausreichend. Abgesehen davon, daß die antimarkellische Ausrichtung der 24. Homilie des Basilius pauschal unterstellt, die von C. Sab. nicht sorgfältig bewiesen wird,9 kann es methodisch nicht genügen, lediglich C. Sab. parative study of the two homilies. Moreover, the parallel passages in the two homilies have never been identified and compared. What follows is meant to fill both gaps.« (Vgl. 372). Die Arbeit, die Lienhard vermißt und mit der er eine vermeintliche Lücke füllen will, war bereits in meiner Habilitationsschrift: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos. Eine Schrift des Apolinarius von Laodicea und ihre Spuren bei Basilius von Caesarea und anderen Zeitgenossen (Kath.-Theol. Fak. Bonn, 1976) getan. Die ersten zwei Kapitel (S. 8–140) enthalten eine Übersetzung und Analyse von C. Sab. sowie den Nachweis der Priorität dieses Traktats gegenüber der Homilie des Basilius. Lienhard berichtet zwar über die beiden (in Anm. 7) genannten Artikel, in denen meine größere Arbeit z. T. ausführlich vorgestellt wurde; er erwähnt auch die noch nicht veröffentlichte vollständige Studie zu C. Sab. (388 Anm. 7; vgl. 386), aber ohne zu sagen, worum es sich dabei handelt, und ohne zu bemerken, daß die von ihm vermißte Untersuchung in dem ersten der von ihm zitierten Aufsätze (1979) angezeigt war. [Die Arbeit erschien unter dem Titel: Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/New York 1989.] 6 Siehe das 4. Kap. der in Anm. 5 genannten Arbeit. 7 Siehe meine Beiträge: Die Hauptquelle des Epiphanius (Panarion, haer. 65) über Paulus von Samosata: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, ZKG 90, 1979, 201–220 [erneut oben S. 379 ff.], und Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, in: ZKG 92 (1981) 325–333 [erneut oben S. 397 ff.]. 8 Lienhard, 386; der Vergleich der Terminologie beider Werke 378–384. 9 Lienhard behauptet ohne Differenzierung: »Further, fourthcentury anti-sabellian po-
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und die von diesem Traktat abhängige Homilie des Basilius zu vergleichen, um aufgrund der Ähnlichkeit von Terminologie und Theologie die Identität der Verfasser zu postulieren. Denn diese Ähnlichkeit kann ja gerade durch die Abhängigkeit verursacht sein; und das auch an Stellen, die nicht direkt parallel gehen. Soll der Vorschlag respektabel sein, so müßte er − zumal da er ein Gegenvorschlag zu einer anderen These ist −, auf einem Vergleich zwischen C. Sab. und wenigstens jenen Schriften des Basilius beruhen, die derselben frühen Periode angehören: dem Briefwechsel mit Apolinarius, den frühen theologischen Briefen, und vor allem seinem Erstlingswerk, Adv. Eunomium I-III.
lemic is actually directed against Marcellus of Ancyra« (365) und schließt für den in der 24. Homilie des Basilius genannten Sabellius: »Again, following the usage of the fourth Century, the Sabellians are Marcellians.« (370) Aber dieser wie ein Prinzip formulierte Satz ist falsch, und es würde in der Theologiegeschichte des 4. Jahrhunderts eine heillose Verwirrung schaffen, wenn er sich durchsetzen sollte. Ich beschränke mich darauf, dies an einzelnen Beispielen für Basilius nachzuweisen. Ep. 129, 1 (CUFr II, 39 f. Courtonne) und Ep. 265, 2 (CUFr III, 129 f. C.) geht es um den (angeblichen) Sabellianismus des Apolinarius. Ep. 223, 6; 224, 2; 226, 4 (III, 15; 19 f.; 28 C.) verteidigt sich Basilius selbst dagegen, an dem apolinareischen Sabellianismus oder Judaismus teilzuhaben. Ep. 207, 1 (II, 184 C.) wird Atarbius von Neocaesarea, ein Verwandter des Basilius, beschuldigt, die Lehre des Sabellius und des Markell zu erneuern; Ep. 210, 3 und 5 (II, 192 u. 196 f. C.) gehen gegen den Judaismus und Sabellianismus des Atarbius. Ep. 214, 3 (II, 204 f. C.) weist auf den Sabellianismus der Paulinianer von Antiochien hin. Ep. 263, 5 (III, 125 C.) bezichtigt Markell und Paulinus von Antiochien des Judaismus. − Es sind also durchaus verschiedene Parteien, von deren ›Sabellianismus‹ Basilius spricht, und man muß deswegen, wenn er die Personen nicht beim Namen nennt, denen er ›Sabellianismus‹ vorhält, jedesmal sorgfältig den historischen Kontext prüfen, um zu einem begründeten Urteil über die Identität der ›Sabellianer‹ zu kommen. − In der Hom. 24 werden nun ganz gewiß nicht Markellianer bekämpft. Vielmehr gehört diese Predigt in die Zeit des ›Zweifrontenkrieges‹, den Basilius einerseits mit dem pneumatomachischen ›Anhomoier‹ Eustathius von Sebaste, der ihn des ›Sabellianismus‹ beschuldigt, andererseits mit dem ›sabellianisierenden‹ Atarbius von Neocaesarea, der ihn des Tritheismus bezichtigt, führen muß (vgl. Ep. 210, 2 [II, 193, 2–7 C.]; Ep. 226, 4 [III, 28, 12–21 C.]; Hom. 24, 1 [PG 31, 600 B-C]; De Spir. S. XXX, 77 [SC 17bis, 524, 45– 47 Pruche). Für die Belege im einzelnen verweise ich auf Kap. 5, §4 meiner Habil.-Schrift: ›Abfassungszeit, Umstände und Charakter der Hom. 24.‹ − Aber auch Lienhards Nachweis dafür, daß in C. Sab. Markell und (nur 101 B–105 A; p. 369 mit Anm. 13) Photin bekämpft würden (»There is no need for an extended demonstration of this.«; p. 368), ist unzureichend. Was er (ebd.) aus C. Sab. an Aussagen dafür zusammenträgt, daß der dort als Judaisierender (und eben nicht als Sabellius oder Sabellianisierender!) bezeichnete Gegner Markell sei, läßt sich explizit oder implizit in den verurteilten Sätzen der Synode von Sirmium (351) nachweisen, die − im Gegensatz zu dem, was häufig behauptet wird − nach den Mitteilungen aller alten Berichterstatter ausschließlich wegen Photin (und nicht auch wegen Markell) zusammengetreten ist (siehe die Anatheme III-XXVII bei Athan., De syn. 27, 3 (Werke II/7, 255 f. Opitz). Eine genaue Analyse des Argumentationsganges in C. Sab. ergibt überdies, daß es ein einziger Mann (mit seinen Anhängern) ist, der hier bekämpft wird. Mit äußeren und inneren Gründen läßt sich zeigen, daß dies Photin ist. Epiphanius benutzt C. Sab. zur Darstellung und Widerlegung der Häresien des Sabellius, Paulus von Samosata und Photin, nicht des Markell! Siehe dazu die in Anm. 7 genannten Beiträge und das 3. Kap. meiner Habil.-Schrift (126–196).
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Die zweite methodische Bemerkung betrifft die Frage der Pseudepigraphie. Unter fremden Namen sind altkirchliche Schriften aus verschiedenen Gründen geraten: zum Beispiel durch die Nachlässigkeit eines Kopisten, oder weil man das Werk eines weniger bedeutenden Schriftstellers unter die schützenden Flügel einer großen Autorität retten wollte, oder aber − und das in sehr vielen Fällen − weil Schriften der zu Häretikern Erklärten durch die Zuschreibung an eine Säule der Orthodoxie vor der Vernichtung bewahrt werden sollten.10 Die erste Möglichkeit scheidet in unserem Falle mit großer Sicherheit aus, weil siebzehn der achtzehn von M. Tetz kollationierten Handschriften, die C. Sab. enthalten, den Traktat dem Athanasius zuschreiben, die achtzehnte (G) keinen ausdrücklichen Verweis auf den Autor bietet.11 Die zweite Möglichkeit entfällt, weil das Werk theologisch so bedeutend ist, daß es einen Mann wie Basilius und auch Epiphanius beeindruckt hat. Die dritte Möglichkeit kommt schon gar nicht in Betracht. Es läßt sich kein Grund angeben, aus dem eine Schrift des der Nachwelt immer als orthodox geltenden Basilius unter dem Namen des Athanasius in Um lauf gesetzt worden sein sollte. So wurden dem Basilius zwar viele Werke zugewiesen, die ihm nicht gehören, aber nach Ausweis der Clavis Patrum Graecorum von M. Geerard ist kein einziges seiner echten opera im griechischen Original unter einem fremden Namen überliefert.12 Dagegen wissen wir, daß Schriften des Apolinarius mehrfach unter dem Namen des Athanasius überlebt haben.13 Nun zu den Gründen, die es unmöglich machen, in Basilius den Autor des Pseudathanasianums zu sehen. 1. Der Verfasser ist eindeutig Nizäner. Er redet von der einzigen Gottheit und einzigen ousia des Vaters und Sohnes (105 B) und bekennt ganz selbstverständlich, daß der Sohn, »das Bild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1, 15), homoousios mit dem Vater ist (108 B). Lienhard sagt mit Recht in Bezug auf den Gebrauch des homoousios bei Ps-Ath. und Basilius: »Neither work suggests that the word has any unique significance, or that it is a strongly controverted term«.14 10 Vgl. W. Speyer, Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum. Ein Versuch ihrer Deutung, HAW I/2, München 1971, bes. 221–225; 260–277. 11 Diese Auskunft verdanke ich den mir freundlicherweise von Herrn M. Tetz, Bochum, zur Verfügung gestellten vorläufigen Kollationen. Die griechischen Titel der in der Hs G (= Cod. Laurentianus 4, 23) enthaltenen Schriften sind bei H.-G. Opitz, Untersuchungen zur Überlieferung der Schriften des Athanasius, Berlin/Leipzig 1935, 79 f., aufgeführt. 12 M. Geerard, Clavis Patrum Graecorum II, Turnhout 1974, 149, vermerkt unter Nr. 2857 lediglich, daß eine armenische Version der 13. Hom. des Basilius auch unter dem Namen des Severian von Gabala überliefert ist. 13 Siehe H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule, Tübingen 1904, 129–163. 14 Lienhard, 379. − Daß jedoch Ps-Ath. nichts von einem Streit um den Hl. Geist wisse, wie Lienhard 375 meint, scheint mir fragwürdig zu sein. Die Passage C. Sab. 7 (108 C– 109 A) über die ewige Vollkommenheit der Trias, mit der nichts Geschöpfliches zusammengezählt werden könne, wie auch der Taufbefehl (Mt 28, 19) zeige, in dem »kein Prinzip, keine Gewalt, keine Kraft« (vgl. Eph 1, 21) − d. h. kein Engel − mitgezählt worden sei,
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Das ist in einer Schrift eines Nizäners gegen den Nizäner Photin auch gar nicht anders zu erwarten. Und auch für den späteren Basilius ist das homoousios problemlos. Keineswegs aber für den frühen! Basilius, der ja zunächst Homoiousianer ist, hat anfänglich mit dem homoousios schier unüberwindliche Schwierigkeiten, wie sich aus dem nach seinem verlegenen Rückzug vom Konzil von Konstantinopel (360) geschriebenen Brief Nr. 361 an Apolinarius ergibt.15 Das liegt daran, daß er zu dieser Zeit die ausdrückliche Distinktion von ousia und hypostasis noch nicht kennt, Vater und Sohn für ihn zwei ousiai (oder hypostaseis) sind. Von einer ousia oder vom homoousios zu reden, würde für ihn bedeuten, die göttliche ousia entweder zum gemeinsamen Artbegriff oder zu einem vorher vor Vater und Sohn vorhandenen, stofflichen Substrat zu machen. Deswegen zieht er die homoiousianische Formel: »genau und unterschiedslos gleich der ousia nach« vor.16 In seinem aus derselben Zeit stammenden Brief Nr. 9 an den Philosophen Maximus ist die Zurückhaltung gegenüber dem homoousios ebenfalls deutlich zu spüren (es müsse nach seinem gesunden Sinn aufgefaßt werden!), und die Formel: »gleich der ousia nach« hat für ihn dieselbe Bedeutung, wenn ihr das Wort »unterschiedslos« beigefügt ist. Auch hier spricht Basilius von der ousia des Vaters und der des Sohnes (demnach von zwei ousiai ).17 Gleiches gilt für die in den Jahren 360–361 verfaßten Bücher gegen Eunomius,18 in denen er noch immer von den ousiai des Vaters und Sohnes reden kann19 und die homoiousianische Formel oder ihre Äquivalente ohne Hemmungen benutzt.20 Die einzige Stelle, an der Basilius hier mit dem nizänischen Stichwort das Verhältnis von Vater und Sohn bezeichnet, ist immer noch sehr zögernd formuliert: »damit wir das homoousion erlernen«.21 scheint mir deutlich Kenntnis der Kontroverse mit den Tropikern zu verraten. Vgl. die ganz ähnliche Argumentation bei Athan., Ad Serap. I, 11, 6 f.; 28–30 (PG 26, 560 B; 596 A– 597 C [Werke, I/1/4, 481, 34–41; 519, 1–526, 43 Savvidis]); Ad Serap. III, 6 f. (PG 26, 633 C–636 C [jetzt als Ad Serap. II b, 15, 4–16, 3 gezählt in: Werke I/1/4, 561, 15–563, 17 S.]). Auch C. Sab. 12 (116 C–117 A) über die gemeinsame Einwohnung und die Einzigkeit der energeia der Trias, die in den Serapionsbriefen des Athanasius wiederholt beschworen werden, ist am ehesten als Widerhall der Auseinandersetzung um die Gottheit des Hl. Geistes zu verstehen. 15 Vgl. H. de Riedmatten, La correspondance entre Basile de Ce´sare´e et Apollinaire de Laodice´e I, JThS N. S. 7, 1956, 199–210 (Edition), und II: ebd. 8, 1957, 53–70; hier 59 f. zur Datierung des Briefes. [Ausführliche Darlegung des Folgenden im Artikel »Basilius von Caesarea und das homoousios«, oben S. 361 ff.] 16 Basil., Ep. 361 (CUFr III, 221, 15–28 Courtonne, 202 Riedmatten). 17 Basil., Ep. 9, 3 (CUFr I, 39, 1–13 Courtonne). 18 Die umsichtigste Datierung dieser Schrift scheint mir Th. A. Kopecek, A History of Neo-Arianism. PatMS 8, Cambridge, MA 1979, 364–372, gegeben zu haben. Er kommt (372) zu dem Ergebnis: »A. D. 360 or early 361«. 19 Nur ein paar Belege: Adv. Eunom. I, 26 (SC 299, 264, 19–22 Sesboüe´); I, 27 (268, 33 f. S.); II, 6 (SC 305, 26, 8–12 Sesboüe´); II, 11 (42, 7–30, 44 S.). 20 Auch hier nur einige Stellen: Adv. Eunom. I, 23 (SC 299, 254, 17 f. S.); II, 22 (SC 305, 88, 6 f. 92, 43 f. S.); II, 25 (106, 11 f. S.); II, 31 (128, 2–4 S.). 21 Adv. Eunom. I, 20 (SC 299, 244, 9–11 S.).
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Alle diese Zeugnisse stehen in so krassem Gegensatz zu dem Befund im Traktat C. Sab., der doch auch nach Lienhard in diesen Jahren geschrieben sein soll,22 daß eine Identität der Verfasser auszuschließen ist. 2. In C. Sab. wird der Sohn durchgängig als γε´ννημα bezeichnet (105 B; 105 C; 108 B; 109 A; 116 B). Basilius entfaltet in seinem 2. Buch gegen Eunomius eine lange und heftige Polemik gegen diese Sohnesbezeichnung,23 die er, wie er sagt, nirgendwo in der Schrift gefunden habe und die deshalb jeder, dem das Gericht Christi vor Augen stehe, meiden müsse.24 Daß ein und derselbe Mann einmal einen Terminus scharf zurückweist, den er das andere Mal (kurz darauf?) mit größter Selbstverständlichkeit verwendet, wird man nicht annehmen wollen. An zwei Stellen der späteren Homilie 24 benutzt nun aber Basilius selbst dieses Wort, worüber sich der Herausgeber Garnier nicht genug wundern konnte.25 Die erste Stelle entspricht C. Sab. 108 B, die zweite stimmt wörtlich mit 116 A-B überein. Das läßt sich nur so erklären, daß hier der Prediger Basilius aus einer fremden Vorlage einen Terminus übernimmt, den er üblicherweise scheut. Er übernimmt ihn, weil ihm unter dem Drang der forteilenden Rede so schnell kein anderes passendes Wort einfällt. Wo das Wort sonst in trinitätstheologischem Zusammenhang bei Basilius begegnet, ist jeder direkte Bezug auf den Gottessohn sorgfältig vermieden. Dem Ausdruck γε´ννημα für den Sohn entspricht in C. Sab. 100 C. 109 A das Wort γεννη´τωρ für den Vater. Bei Basilius kommt es, wenn ich nichts übersehen habe, nur einmal vor, nämlich in Hom. 24, 2 (601 C), einer Passage, die Wort für Wort aus C. Sab. 100 C übernommen ist. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand. 3. In einem Satz der 24. Homilie, der nahezu wörtlich auch in C. Sab. 109 C steht, verwendet Basilius den Begriff ει῏δος für die gemeinsame ousia von Vater und Sohn: »Ein einziger Gott also, weil in beiden ein einziges eidos gesehen wird, das vollständig in beiden aufscheint« (608 C). Dieser Wortgebrauch, der bei Basilius einmalig ist, steht in offenkundigem Widerspruch zu seinen sonst anzutreffenden Definitionen, ob sie nun in seinem ersten oder letzten Werk stehen. Da er von der stoischen Seinsanalyse herkommt, fällt ει῏δος, mit μορφη´ und σχη῀μα gleichgesetzt, unter die Qualitäten, wird also der ousia entgegen22 S. oben Anm. 3. Wenn Lienhard 387 f. Anm. 7 schreibt: »In his second article (›Epiphanius‹ 333) Hübner allows a later date for the C. Sab.: namely before the composition of Athanasius’s letter to Epictetus, which, according to Martin Tetz, Athanasius wrote at the end of 371 or the beginning of 372«, so hat er die Intention meiner Argumentation nicht verstanden. Ich wollte im genannten Artikel zeigen, daß man aufgrund der Benutzung von C. Sab. im Ancoratus des Epiphanius und vielleicht sogar im Brief an Epiktet, also aufgrund äußerer Kriterien, eine Abfassung von C. Sab. wenigstens vor 374 (oder vielleicht 371) zugestehen muß. Das ändert nichts daran, daß ich aufgrund innerer Kriterien auf die Abfassung in den Jahren 355 (oder eher noch 358) bis 360 schließe. 23 Adv. Eunom. II, 6–10 (SC 305, 26–40 S.). 24 Ebd. II, 6 (28, 41 f. S.); 8 (32, 7–12 S.). 25 Hom. 24, 4 (PG 31, 608 A und 609 B); Garniers Bemerkung ebd. 607 D (Anm. 22).
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gestellt und von Gott absolut ausgeschlossen.26 Die Begriffsverwendung in Hom. 24 (608 C) ist ein Ausrutscher, der durch die Abhängigkeit von Ps- Athanasius verursacht ist. Bei diesem gehört ει῏δος zum festen Bestand der trinitarischen Terminologie.27 Das Angeführte scheint mir zu genügen, die Hypothese, C. Sab. könnte ein frühes Werk des Basilius sein, zurückzuweisen. Hier kann nun auch nicht der Ort sein, den Beweis dafür in extenso zu erbringen, daß die Schrift dem Apolinarius gehört.28 Aber es sei wenigstens ein Fingerzeig gegeben, der es erlaubt, diese These für nicht unbegründet zu halten. Zunächst einmal steht fest, daß der Traktat von einem entschiedenen Homoousianer verfaßt ist, der auf Basilius großen Eindruck gemacht hat. Wieviele große Nizäner gab es in den Jahren um 360, die Basilius erreichen konnte? Athanasius befindet sich in Verbannung. Die Paulinianer in Antiochien sind dem Basilius verdächtig, die Markellianer in Ankyra kommen noch weniger in Betracht.29 Basilius selbst beschreibt uns seine Situation nach dem Konstantinopler Konzil von 360 in dem Brief Nr. 361, in dem er Apolinarius um eine akzeptable Interpretation des homoousios bittet: »Bislang haben wir mit Dir über die dunklen Stellen in der Schrift korrespondiert, und wir freuten uns über das, was Du zur Antwort schicktest und was Du versprachst. Jetzt aber ist uns eine noch größere gedankliche Schwierigkeit in noch größeren Dingen aufgekommen, zu deren Lösung wir niemanden unter den Zeitgenossen haben, den wir als solchen Vertrauten und Beistand anrufen könnten, wie Dich, den uns Gott als einen Menschen geschenkt hat, dessen Denken und Reden korrekt sind und der zugleich leicht erreichbar ist«.30 26 Siehe meinen Beitrag: Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern, in: Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, publie´s par J. Fontaine et Ch. Kannengiesser, Paris 1972, 463–490, hier 482 f. mit den Belegen [erneut oben S. 272 f.]. − In dem oben Angeführten liegt der Grund dafür, daß Basilius den Begriff eidos im übrigen vermeidet, nicht aber in einem angeblichen Subordinatianismus einiger eidos-Passagen in C. Sab., wie Lienhard 380 vermutet, (oder weil der Terminus eine zu breite Öffnung für einen Modalismus geboten hätte; ebd. 385). Ein solcher Subordinatianismus ist in C. Sab. an keiner Stelle zu finden. Überall wird die Einzigkeit und Identität der theotes, ousia, morphe´, des charakter und eidos betont und nicht der geringste Raum für eine Unterordnung des Sohnes oder Geistes gelassen. Ein Modalismus ist schon durch die Ausrichtung des Traktats gegen den in der Trinitätslehre ›Judaisierenden‹ ausgeschlossen. 27 Siehe Lienhard 380. Vgl. Apolin., Ep. ad Basilium = Basil., Ep. 362 (CUFr III, 223, 31. 34. 44 C.; 203 f. Riedmatten); Frgm. 114 (234, 27–29 Lietzmann). Zu vergleichen sind: Athan., C. Ar. III, 3; 5; 6; 15; 16 (PG 26, 328 B; 332 A-B; 332 C; 353 B; 356 B-C [Werke I/1/3, 309–326 Metzler/Savvidis]); De syn. 52, 1 (Werke II/7, 275, 30–34 Opitz); Epiphan., Ancor. 81, 4 (GCS Epiphanius I, 101, 24 f. Holl [2. Aufl: GCS NF 10/1 u. 2 Holl/ Bergermann/Collatz]). Die Belege im »Patristic Greek Lexicon« sind zu ergänzen (vgl. Lienhard 385). 28 Siehe oben Anm. 6. 29 Noch Anfang 377 verklagt Basilius bei den Okzidentalen Markell und Paulinus wegen ›Judaismus‹: Ep. 263, 5 (III, 125, 1–11 C.). 30 Basil., Ep. 361, 1–7 (202 Riedmatten).
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Weiterhin: Der Nizäner von C. Sab. ist ein Mann, der nicht nur starke christologische Interessen, sondern auch (um 360!) eine ausgeprägte eigene Christologie hat. Wieviele Nizäner mit einer eigenen spezifischen Christologie gibt es zu dieser Zeit? Und der Ausgangspunkt und die Formeln dieser Christologie sind die des Apolinarius. Auch dazu nur wenige Hinweise. Auf die Herausforderung des Paulus von Samosata, Photin und Markell, die in seinen Augen Christus zu einem bloßen, von Gott inspirierten Menschen machen, antwortet Apolinarius mit dem Satz, der in nuce seine Christologie enthält: »Nicht ein Mensch von der Erde (vgl. 1 Kor 15, 47) ist der aus dem Himmel herniedergestiegene Mensch (vgl. Joh 3, 13); Mensch ist er freilich, auch wenn er aus dem Himmel herniedergestiegen ist«.31 Ebenso erwidert der Verfasser von C. Sab. seinem in die Nähe des Samosateners gerückten Gegner, der eine Sendung des Logos vom Vater ins Fleisch bestreitet und erklärt, der Mensch sei gesandt worden, nicht Gott von Gott.32 Dabei decken sich die Worte und Schriftbelege mit denen verschiedener Schriften des Apolinarius: Daß jedoch eine Fleischwerdung (sarkosis) des Logos verkündet ist – wer wagt dem zu widersprechen, wo doch der Evangelist deutlich ausruft: ›Und der Logos wurde Fleisch‹ (Joh 1, 14), und auch der Erlöser selbst nicht nur einmal, sondern viele Male laut ruft, daß er vom Himmel herabgestiegen ist (vgl. Joh 3, 13; 6, 38)! Und daß unser Herr Jesus Christus wahrhaftig nicht ein Mensch ist, versichert entschieden der Apostel Paulus den Galatern (vgl. Gal 4, 4). Aber wenn er auch ein Mensch ist, dann mit uns nur homonym (α᾽λλ᾽ ει᾽ και` α῎νϑρωπος ο῾μω´νυμος η῾μι῀ν), ›zweiter Mensch‹, und nicht wie der erste, der erdgeborene; dieser ist ›lebendige Seele‹, der andere aber ›lebendigmachender Geist‹ (vgl. 1 Kor 15, 45. 47).33
Nahezu alle Syllogismen des ersten Teils der Anacephalaeosis des Apolinarius laufen in die Schlußfolgerung aus: »Nicht ein Mensch ist Christus«. Ich zitiere jenen, der dem Wortlaut in C. Sab. 117 C am nächsten kommt: »Jeder Mensch ist irdisch. Christus aber ist nicht irdisch, sondern himmlisch (vgl. 1 Kor 15, 47 f.); ου᾽κ α῎ρα α῎νϑρωπος ο῾ Χριστο´ς, ει᾽ μη` ο῾μωνυ´μως το` αυ᾽το` του῀το α῎νϑρωπος«.34 31 Apolin., Apodeixis Frgm. 17 (209 Lietzmann) bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 138, 25–28 Mueller). Vgl. dazu meinen Aufsatz: Soteriologie, Trinität, Christologie. Von Markell von Ankyra zu Apollinaris von Laodicea, in: Im Gespräch mit dem dreieinen Gott. Elemente einer trinitarischen Theologie. Festschrift Wilhelm Breuning, hg. von M. Böhnke/H. Heinz, Düsseldorf 1985, 175–196 [erneut unten S. 417 ff.]. 32 C. Sab. 13 (117 C). Der Vergleich mit 3 (101 B) ergibt, daß in beiden Fällen dieselbe Christologie bekämpft wird. Auch hier reagiert Ps-Athan. mit den Worten: »Nicht ein Mensch ist der . . .« (vgl. 101 C; 104 D). 33 C. Sab. 13 (117 C-D). Bei der Übersetzung wurden stillschweigend die Ergebnisse der vorläufigen Kollationen von M. Tetz berücksichtigt. 34 Apolin., Anaceph. 4 (243, 3–5 Lietzmann); vgl. ebd. 16 (244, 3–5 L.): . . . α῎νϑρωπος Χριστο´ς, ω῾ς ει῎ρηται, ο῾μωνυ´μως. Von den weiteren Texten, die sich sehr eng mit C. Sab. 117 C-D berühren, sei wenigstens noch De unione genannt, weil sich dort nahezu dieselbe Sequenz der Schriftbelege findet. De un. 1: Gal 4, 4; Joh 3, 13; 2: Joh 1, 14; 1 Kor 15, 45; 4: Joh 3, 13: 1 Kor 15, 47 f.; 6: Gal 4, 4; 1 Kor 15, 45; dann heißt es: »nicht ein Mensch ist
Eine Schrift des Basilius oder des Apolinarius?
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Trotz intensiver Suche ist es mir bisher nicht gelungen, in der christlichen Literatur des vierten Jahrhunderts noch eine andere außer den drei genannten Stellen aufzuspüren, an der Christus als Mensch im homonymen Sinne bezeichnet würde. Das zweimalige Vorkommen dieser Formulierung in der unbezweifelt echten »Anacephalaeosis« beweist, daß sie die christologische Auffassung des Apolinarius ebenso knapp wie perfekt und unverwechselbar wiedergibt. Wenn sich die für die Christologie des Laodizeners charakteristischen Wendungen und Schriftbelege in einem kurzen Abschnitt des Pseudathanasianums finden, so ist das ein eindeutiger Hinweis auf dessen Verfasser. Ich lasse es damit bewenden und verweise für alle hier nicht gestellten oder nicht beantworteten Fragen auf die ausführliche Darlegung.35
er nach dem Apostel, auch wenn er von demselben als Mensch verkündet wird . . .« (185, 14– 187, 20 Lietzmann). 35 Siehe oben Anm. 5.
Soteriologie, Trinität, Christologie Von Markell von Ankyra zu Apolinarius von Laodicea
I.
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Daß es nicht die unbezähmbare griechische Lust am Spekulieren gewesen ist, welche die Kirchenväter des 4. Jahrhunderts in die so oft erbittert geführte Debatte um den rechten christlichen Gottesbegriff getrieben und die Dogmen von Nicaea und Konstantinopel verursacht hat, ist wiederholt festgestellt worden. Seit langem hat man bemerkt, daß die eine philosophische Terminologie benutzenden Glaubensaussagen dieser Konzilien, die das Sein des christlichen Gottes zu beschreiben scheinen, aus Sorge um die Bewahrung des Glaubens an den sich in Christus den Menschen zuneigenden Gott gesprochen sind. Obwohl man sich schwertäte, diese Erkenntnis mit einem von diesen Konzilien selbst stammenden Text zu belegen, hat man doch dafür mit einem gewissen Recht auf die freilich erst späteren theologischen Schriften des Athanasius von Alexandrien verwiesen. Dort wird mit Vehemenz gegen die Arianer die Überzeugung vorgetragen, daß nur Gott selbst der Schöpfer und also auch der Erlöser des Menschen sein könne und daß deswegen der Sohn Gottes und der Heilige Geist, weil das Leben Gottes schenkend, ebenso wahrer Gott sind wie der Vater. Diese Überzeugung hat nicht erst Athanasius gewonnen. Sie ist im Neuen Testament beschlossen und bildet durch die Jahrhunderte das Fundament des katholischen Glaubens, für den auch die Märtyrer ihr Leben gegeben haben.1 Die Formulierung dieser Überzeugung ist allerdings in den verschiedenen Zeiten auch verschieden ausgefallen, und manche dieser Formulierungen, obwohl sichtlich aus derselben Glaubensüberzeugung geboren, sind von der Kirche später zurückgewiesen worden. So kann es zum Beispiel nicht zweifelhaft sein, daß sich in der ›sabellianischen‹ Identifizierung von Gott Vater und Sohn ebendieselbe Überzeugung ausspricht, daß nur der eine Gott dem Menschen das Leben garantie ren könne.2 Der Schluß vom Wirken auf das Sein (von der
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1 Dazu E. Mühlenberg, The Divinity of Jesus in Early Christian Faith, in: StPatr 17, 1982, 136–146. 2 Erkennbar etwa in dem Bekenntnis des monarchianisch denkenden römischen Markioniten Apelles bei Euseb., hist. eccl. V, 13, 5–7 (GCS NF VI/1, 456, 11–458, 4 Schwartz). − Zum Monarchianismus: R. Cantalamessa, Il Cristo ›Padre‹ negli scritti del II-III sec, RSLR 3, 1967, 1–27.
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Soteriologie, Trinität, Christologie − von Markell zu Apolinarius
ε᾽νε´ργεια auf die ου᾽σι´α, wie dann der technische Ausdruck bei Athanasius lautet)
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ist auch hier schon impliziert, führt aber zu einer Formel, die, weil als patripassianisch verklagt, sich nicht halten konnte. Der den Menschen aus dem Tod Befreiende kann nur der dem Tod nicht erliegende Gott sein. Dieses Prinzip weist den Weg zu den trinitarischen Aussagen von Nicaea und Konstantinopel. Während dieser Weg einleuchtend gemacht werden kann, gibt das noch inmitten der arianischen Streitigkeiten scheinbar unvermittelte Auftauchen der eigentlich christologischen Frage nach dem Verhältnis von Gottheit und Menschheit im (göttlichen) Erlöser bisweilen noch Rätsel auf. Apolinarius, der jüngere Freund des Athanasius, mit ihm eifriger Kämpfer gegen den ›hellenischen‹ Polytheismus der Arianer und vielleicht noch vor ihm erklärter Homoousianer im eigentlichen Sinn, der diese Frage aufgeworfen hat, wird verdächtigt, seiner spekulativen Neigung erlegen zu sein und Physiologie seines Gottes zu betreiben, wenn er nach der seinsmäßigen Zusammensetzung Christi fragt und unerbittlich das Bekenntnis zu dem von ihm konstruierten Christus als dem ϑεο`ς ε῎νσαρκος zum Kriterium des wahren Christseins macht. Doch ist die christologische Frage nicht als zufälliger Gegenstand der Spekulationsfreude eines theologischen Ungeistes aufgekommen, der nach der angeblichen Lösung des trinitarischen Problems weitere Betätigungsfelder gesucht hätte. Das soteriologische Interesse des Apolinarius ist zu offenkundig und in der Tat auch nicht übersehen worden.3 Der in Nicaea wirksame Satz, daß nur Gott Erlöser sein kann, ist deutlich der erste Satz seiner Christologie, das System lediglich Konsequenz aus dieser Prämisse. Diese Christologie aber wird innerhalb einer Polemik entwickelt, sie gewinnt ihre unverwechselbare Gestalt, indem Apolinarius eine andere Christologie bekämpft, die ihm das nizänische Fundament zu zerstö ren scheint. Dem Gegner wirft er vor, den auf der Erde erschienenen Erlöser für einen Menschen von der Erde zu erklären. Das ist keine arianische Behauptung, und deswegen scheidet die arianische Christologie als Gegenpol zu der des Apolinarius aus. Und wenn sein christologisches Schema schließlich dem der Arianer ähnelt, so ist diese Übereinkunft ein eher zufälliges Ergebnis aus grundsätzlich verschiedenen Ansätzen; es beruht nicht auf einer Anleihe des Apolinarius bei seinen Gegnern.4 3 Vgl. z. B. D. Thomasius, Die Dogmengeschichte der alten Kirche, Erlangen 1874, 302; J. F. Bethune-Baker, An introduction to the early history of Christian doctrine to the time of the Council of Chalcedon, London 11903, 51933, 241; G. Krüger, Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit in seiner geschichtlichen Entwicklung, Tübingen 1905, 211 f.; J. Tixeront, Histoire des dogmes dans l’antiquite´ chre´tienne II, Paris 11909, 81924, 95 f.; A. Gilg, Weg und Bedeutung der altkirchlichen Christologie, München 11936, 3 1966, 88–91; J. N. D. Kelly, Early Christian doctrines, London 11958, 51977, 290 f. Vgl. im übrigen den Forschungsbericht von E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, Göttingen 1969, 151–156; Mühlenberg selbst vertritt die These, »daß die apollinaristische Christologie im Zusammenhang der griechischen Soteriologie durch Gotteserkenntnis verstanden werden kann«, so ders., Art. Apollinaris von Laodicea, in: TRE 3, 1978, 362–371; hier 367, 31–33. 4 So auch A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, I: Von der Apo-
I. Soteriologische Prämissen von Markell und Apolinarius
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Mit größerem Recht wurde auf die sogenannte antiochenische Trennungschristologie des Diodor von Tarsus verwiesen.5 Apolinarius hat gegen sie gestritten, aber das geschah zu einer Zeit, als seine eigene Lehre schon vollständig ausgebildet war; ihren Ursprung verdankt sie nicht dem ›antiochenischen‹ Skandalon.6 Er selbst nennt in einem späteren Werk, der Apodeixis, zugleich mit Paulus von Samosata offen die Nizäner Markell von Ankyra und Photin von Sirmium als die Urheber des Zerstörungswerkes,7 wobei natürlich der alte Ketzername des Paulus nur der Kennzeichnung seiner neuen Gefolgsleute dienen soll. Markell und Photin sind es auch, die er in wohl früher einzuordnenden Schriften als Sabellianer und schließlich als neue Samosatener hinstellt. Der Wechsel in der Ketzerbezeichnung zeigt den Übergang von der trinitarischen zur eigentlich christologischen Frage an.8 Zunächst mag es verwunderlich sein, daß ausgerechnet die Theologie eines Mannes, der sich rühmen konnte, die Gegner des nizänischen Dogmas in der synodalen Debatte widerlegt zu haben,9 der Anstoß gewesen sein soll, der zur Ausbildung der Christologie des Apolinarius führte. Markell und Apolinarius standen beide auf demselben nizänischen Fundament, der erste gehörte gar zu denen, die es gelegt haben. Wie könnte er es mit der Aussage, der Erlöser sei ein Mensch von der Erde, wieder einreißen? − Überzeugt, daß nur der eine stolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451), Freiburg/Basel/Wien 21982 [ 31990], 480–482, mit Literatur-Bericht über die Herkunft und Motive der apolinarischen Christologie. 5 Daß die Opposition gegen die Antiochener, insbesondere Diodor, der Ausgangspunkt für die Christologie des Apolinarius wurde, meinen G. Voisin, L’Apollinarisme. E´tude historique, litte´raire et dogmatique sur le de´but des controverses christologiques au IVe sie`cle, Louvain/Paris 1901, 51–59, und C. E. Raven, Apollinarianism. An Essay on the Christology of the Early Church, Cambridge 1923, 177–187. E. Mühlenberg, Apollinaris (wie Anm. 3), 215–230, versucht, Diodor als den Hauptgegner zu erweisen. 6 Zur Chronologie der Auseinandersetzung zwischen Diodor und Apolinarius s. L. Abramowski, Diodore de Tarse, in: DHGE 14, 1960, 496–504, hier 500–503. Eine ausführliche Kritik der These Mühlenbergs bei M. Tetz, Über nikäische Orthodoxie. Der sog. Tomus ad Antiochenos des Athanasios von Alexandrien, ZNW 66, 1975, 194–222; hier 210–217 [erneut in: M. T., Athanasiana. Zu Leben und Lehre des Athanasius, hg. von W. Geerlings/D. Wyrwa, BZNW 78, Berlin/New York 1995, 122–128]. 7 S. u. Anm. 69. 8 Als Sabellius wird Markell in der ›Kata meros pistis‹ 13. 15 f. (171, 20–172, 2. 16–24 Lietzmann) angegriffen. Der Übergang von der Anklage wegen ›Judaismus‹ in der Gotteslehre (= ›Sabellianismus‹) zur Anklage wegen ›Judaismus‹ in der Christologie (= ›Samosatenismus‹) läßt sich gut in der pseudathanasianischen Schrift ›Contra Sabellianos‹ 2–4 (PG 28, 97 B–105 A) feststellen. Dieser Traktat ist m. E. ein gegen Photin von Sirmium gerichtetes Werk des Apolinarius, s. meine Bemerkungen in ZKG 90, 1979, 60–62 [im vorliegenden Band oben S. 384–386; sowie meine Habilitationsschrift: Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, PTS 30, Berlin/ New York 1989.] 9 Vgl. Markell, Ep. ad Iulium = Nr. 129 (214, 13 f.). Die Fragmente Markells werden zitiert nach GCS Eusebius IV: Gegen Marcell. Über die kirchliche Theologie. Die Fragmente Marcells, hg. von E. Klostermann/G. Ch. Hansen, Berlin 21972.
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Soteriologie, Trinität, Christologie − von Markell zu Apolinarius
Gott den Menschen retten könne, entwirft Markell seine Trinitätslehre, um den christlichen Monotheismus mit der Erlösung durch den menschgewordenen Logos Gottes zu verbinden. Dieser Entwurf aber fällt so aus, daß das Ergebnis in den Augen des Apolinarius die Ausgangsbasis zerstört. Die Konsequenz einer nach seinem Urteil ›judaisierenden‹ Gotteslehre ist eine ›judaisierende‹ Christologie. Der Satz, daß Christus der Erlöser ist, kann nur aufrechterhalten werden, wenn eine seinsmäßige Differenz in Gott zugestanden wird. Gerade weil Apolinarius auf demselben nizänischen Boden steht wie Markell, hat er so scharf die Konsequenz des markellischen Systems erfaßt. Seine eigene Christologie ist der Versuch, die Basis von Nicaea neu zu begründen. Die Trinitätslehre Markells und die Christologie des Apolinarius haben also ihren Ursprung im selben soteriologischen Interesse. Die christologische Frage im eigentlichen Sinn wird durch die Aporien einer Trinitätslehre hervorgerufen. Das soll im folgenden gezeigt werden.
II.
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Wie stark das soteriologische Interesse bei Markell hervortritt, erkennt man schon daran, daß in den erhaltenen Fragmenten das Wort σωτη´ρ die weitaus häufigste Christusbezeichnung ist. Es begegnet wenigstens neunzehnmal; dagegen findet sich zum Beispiel δεσπο´της nur an neun Stellen, und κυ´ριος ist noch seltener.10 Gotteserkenntnis gibt es nur durch Gott selbst, das heißt genauer durch den im menschlichen Fleisch gekommenen, ungewordenen und ewigen, eigenen Logos Gottes.11 Wäre Christus, der mit dem menschlichen Fleisch geeinte Logos,12 ein zweiter, gewordener Gott und ein Geschöpf, wie das die Arianer behaupten,13 so gäbe es keine rettende Gotteserkenntnis. Durch den Logos Gottes allein, sagt Markell, »wird Gott erkannt, ›weil niemand den Vater erkennt, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will‹ (Mt 11, 27). Eben weil es anders unmöglich ist, Gott zu erkennen, lehrt er die Menschen, ihn durch den eigenen Logos zu erkennen.«14 Es ist sehr wohl der inkarnierte Logos, der diese Gotteserkenntnis verbürgt, der Logos, der »das nach dem Bilde Gottes geschaffene menschliche Fleisch angenommen hat« und »durch dieses Bild« zu uns spricht. »Ohne dieses Bild kann niemand den Logos oder den Vater des Logos erkennen.«15 10 Vgl. den Index sub voce in der Ausgabe E. Klostermann/G. C. Hansen, 249. 254. − Zu Markells Christologie s. A. Grillmeier, Jesus der Christus (wie Anm. 4), 414–449 (mit ausführlichem Quellen- und Literaturverzeichnis); vgl. auch J. T. Lienhard, Marcellus of Ancyra in modern theology, TS 43, 1982,486–503. 11 Diese Prädikate des Logos lassen sich den Frgm. 42, 45, 33, 43, 44 K. entnehmen. 12 Vgl. Frgm. 42 f. (192, 7–27 K.). 13 Vgl. Frgm. 40 (191, 29–33 K.). 14 Frgm. 44 (193, 3–6 K.). 15 Frgm. 94 (205, 13–17 K.).
II. Göttliches oder menschliches Subjekt der Heilsökonomie bei Markell?
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Aber nur wenn es die Worte des Logos Gottes selbst sind, ist das Heil gesichert. Gott selbst erscheint als Erlöser auf der Erde.16 Das Werk des Erlösers ist das Werk des Vaters.17 Markell wirft seinem Gegner vor, um der Ökonomie des Fleisches willen den Erlöser zu einem ›bloßen Menschen‹ zu machen. Dann müsse man auch die Hoffnung fahren lassen, erwidert er unter Berufung auf Jer 17, 5, ganz wie Novatian in der gleichen Situation.18 Die Stelle Phil 2, 6. 7 dient dem Markell − bemerkenswerte Übereinstimmung mit Apolinarius! − zum Beweis, daß der Erlöser nicht ein Mensch ist wie die übrigen Menschen.19 Diesen Aussagen der Fragmente entspricht, was sich der Epistula ad Iulium entnehmen läßt, dem einzigen unversehrten Schriftstück Markells, das uns unter seinem eigenen Namen überliefert ist. Markell verteidigt sich in diesem Schreiben gegenüber denjenigen, die behaupten, »der Sohn, unser Herr Jesus Christus, sei nicht der eigene und wahre Logos Gottes, des Allherrschers«, und »er sei nicht wahrhaft Sohn aus Gott«.20 Die Aussagen seines eigenen Glaubensbekenntnisses dienen dann insgesamt dem Ziel, die »Identität des fleischgewordenen Logos mit dem vom Vater ausgegangenen (präexistenten) Logos«21 herauszustellen: »Unser Herr Jesus Christus ist der eigene und wahre Logos Gottes, die untrennbare Kraft Gottes, durch die alles Gewordene entstand«, der uns durch das Evangelium ebendies lehrt, daß er vom Vater ausgegangen ist und da ist (Joh 8, 42), der »um unseres Heiles willen herabstieg, aus der Jungfrau geboren wurde und den Menschen annahm.«22 Christus ist also Gott, weil er Erlöser ist. Ja, man muß noch genauer formulieren. Wenn dieser Satz bestehen soll, dann darf die Gottheit des Sohnes und des Vaters nicht in zwei Götter auseinandergerissen werden:23 Christus ist der eine Gott, weil nur der eine Gott Erlöser ist. Wer sich an der Menschwerdung stößt und wegen des vom Sohn angenommenen menschlichen Fleisches den Sohn vom Vater hypostatisch trennt, der muß sich sagen lassen, daß er die Schrift nicht hört.24 Markell zitiert eine ganze Kette von Schriftworten, um zu belegen, daß nur der eine Gott der Erlöser ist: »Wer ist es, der sagt: ›Es gibt außer mir keinen Gott‹ (Jes 44, 6) . . .‹ Es gibt außer mir keinen Gerechten und Erlöser (Jes 45, 21)? Wenn er (Asterius) meint, es gebe zwei Götter, dann muß 16
Vgl. Frgm. 79 mit dem Zitat Bar 3, 36–38 (202, 20–24 K.). Vgl. Frgm. 15 K. mit Zitat Joh 5, 17 und 17, 4 (187, 23–25 K.). 18 Vgl. Frgm. 100 (206, 30–207, 10 K.); vgl. Novatian, De trin. XIV, 9 (74) (CChr.SL 4, 35, 24–26 Diercks). 19 Vgl. Frgm. 101 (207, 11–21 K.). Der Versuch von W. Gericke, Marcell von Ancyra, Halle 1940, 156–158, den letzten Teil des Fragments dem Markell abzusprechen, ist mit Recht von G. C. Hansen (wie Anm. 9), 262, zurückgewiesen worden. 20 Ep. ad Iulium = Nr. 129 (214, 28 f., 34 K.). 21 Zitat: M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis. Ein Beitrag des Marcellus von Ancyra, ZNW 75, 1984, 107–127, hier 121. 22 Ep. ad Iulium = Nr. 129 (215, 8–10. 15–18 K.); dazu M. Tetz, Zum altrömischen Bekenntnis (wie Anm. 21), bes. 116 f., 121 f. 23 Vgl. Ep. ad lulium = Nr. 129 (215, 25–33 K.). 24 Vgl. Frgm. 76 (200, 30–33 K.). 17
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er eingestehen, daß der eine weder gerecht ist noch auch Erlöser. Wenn er aber weder gerecht ist noch Erlöser, wie kann er dann noch Gott sein? Denn daß ein einziger gerecht ist und Erlöser, ist deutlich erklärt. Und wiederum sagt er: ›Vor mir gab es keinen anderen, und nach mir wird keiner sein. Ich bin Gott, und es wird außer mir keinen geben, der rettet‹ (Jes 43, 10 f.).«25 Das erlösende Subjekt ist der einzige Gott, und deswegen sind für Markell Vater und Sohn eine einzige Hypostase und eine einzige Person.26 Es stellt sich jetzt für ihn die Aufgabe, eine Trinitätstheologie zu denken, in der die beiden Aussagen: daß nur der eine Gott Erlöser ist und daß die Erlösung durch den inkarnierten Sohn erfolgt, so verbunden sind, daß Sohn und Vater in der Fleischwerdung nicht in zwei göttliche Hypostasen auseinandergerissen werden. Wie macht er das? Betrachtet man die Inkarnationsterminologie der Fragmente, so ist man zunächst überrascht festzustellen, mit welcher Selbstverständlichkeit Markell nicht etwa nur einmal, sondern fast durchgehend vom Logos oder Sohn redet, der das menschliche Fleisch oder den Menschen angenommen hat und durch die Jungfrau geboren wurde. »Wer hätte denn«, sagt er zum Beispiel in Fragment 16, »bevor der tatsächliche Beweis erfolgt ist, geglaubt, daß der Logos Gottes, durch eine Jungfrau geboren, unser Fleisch annehmen und in ihm die ganze Gottheit leibhaftig erscheinen lassen werde?« Es hat den Anschein, als sei dieser sich inkarnierende Logos vor und nach seiner Herabkunft durchaus ein selbständiges Subjekt.27 Allein, eine gründliche Nachforschung darüber, wie Markell sich die Verbindung des Logos mit dem angenommenen menschlichen Fleisch oder Menschen vorstelle, erweist, daß der inkarnierte Logos nicht als ein selbständiges Subjekt neben dem Vater gelten kann. Wie der Hervorgang des Logos aus dem Vater zum Zweck der Schöpfung keinerlei Sonderung innerhalb der Gottheit bedeutet, vielmehr Gott und sein Logos beim Schöpfungsakt ungetrennt eine einzige (göttliche) Kraft (δυ´ναμις) und eine einzige Hypostase oder Person bleiben, so auch bei der Inkarnation. Die Sonderung des Logos vom Vater bei der Schöpfung und Menschwerdung erfolgt lediglich im Wirken (ε᾽νεργει´αͺ), das göttliche Sein bleibt davon unberührt. Um zu verstehen, wie Markell zu dieser Aussage gelangt, muß man wissen, daß er eine zweifache Bedeutung des Wortes δυ´ναμις kennt. Er bestimmt einerseits den Inhalt des göttlichen Seins (der ου᾽σι´α oder υ῾πο´στασις) als ϑεο´της, πνευ῀μα, δυ´ναμις. Die Schriftworte Lk 1, 35, Joh 4, 2428, 1 Kor 1, 24 (»Christus, 25
Frgm. 76 (200, 33–201, 2 K.); vgl. auch das Folgende mit Hos 13, 4. Vgl. Frgm. 76 (200, 25 f. 30–33 K.). 27 Vgl. dazu die Zusammenstellung der Fragmente bei W. Gericke, Marcell (wie Anm. 19), 155 f. 28 Vgl. Frgm. 48 f. K. (193, 23–29 K.) (vor seiner Herabkunft und Geburt durch die Jungfrau war der Logos nichts anderes als Logos, und zwar im eigentlichen und wahren Sinn: Frgm. 45 f., 193, 8–11 K.) und Frgm. 54 (194, 22–25 K.): »Was also war dies, was herabgekommen ist, vor der Menschwerdung? In jedem Fall heißt es: Geist. Denn wenn jemand etwas anderes als dies nennen wollte, wird es ihm der Engel verwehren, der zur Jungfrau 26
II. Göttliches oder menschliches Subjekt der Heilsökonomie bei Markell?
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Gottes Kraft«) belegen ihm, daß Gott und sein Logos hierin ›eins‹ (Joh 10, 30),29 also identisch, oder, wie er auch sagt, eine ungeteilte μονα´ς sind: »Wenn man das Augenmerk allein auf den Geist richten wollte, so würde mit Recht der Logos mit Gott als ein und dasselbe erscheinen. Wenn man aber die fleischliche Hinzufügung beim Erlöser untersuchen wollte, so scheint sich die Gottheit im Wirken allein zu erweitern, so daß mit Recht die μονα´ς wirklich ungeteilt ist.«30 »Wenn wir unser Augenmerk auf den Geist richten und dann behaupten wollten, die μονα´ς sei in der Kraft (δυνα´μει) nicht ungeteilt − wie würden wir da nicht sündigen, wo uns doch der Logos klar belehrt: ›Den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und ihm allein dienen.«31 Hier bezeichnet δυ´ναμις ebenso wie πνευ῀μα den Inhalt des göttlichen Seinsbestandes; eine Teilung in der δυ´ναμις würde eine Teilung der einzigen göttlichen Hypostase (oder μονα´ς) bedeuten, was Markell rigoros ablehnt.32 Andererseits erscheint δυ´ναμις bei Markell aber auch in Gegenüberstellung zu ε᾽νε´ργεια, und dieses Begriffspaar bietet ihm dann die ra tionale Möglichkeit, von einer Ausweitung der im Sein ungeteilten göttlichen μονα´ς zur τρια´ς zu sprechen, also eine Trinitätslehre zu begründen. Fragment 52 ist (abgesehen von Fragment 61) das einzige, in dem beide Begriffe nebeneinander begegnen. Von ihm ist also auszugehen. Markell will offenbar beweisen, daß die Aussagen des Johannes-Prologs nicht dazu zwingen, den Logos als einen ›erzeugten‹ Gott neben oder genauer unter den ›unerzeugten‹ ewigen Gott zu stellen:33 »Wenn er sagt: ›Im Anfang war der Logos‹, zeigt er, daß der Logos δυνα´μει im Vater ist (denn Anfang alles Gewordenen ist Gott, ›aus dem alles ist‹); wenn er aber sagt: ›Und der Logos war bei Gott‹, zeigt er, daß der Logos ε᾽νεργει´αͺ bei Gott ist (denn ›alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn wurde auch nicht eines‹); und wenn er schließlich gesagt hat, der Logos sei Gott, dann zeigt er, daß man die Gottheit nicht teilen dürfe, weil ja der Logos in ihm ist und er im Logos: ›In mir‹, sagt er nämlich, ›ist der Vater, und ich bin im Vater‹ (Joh 10, 35).« Hier ist dem δυνα´μει-Sein des Logos ein ε᾽νεργει´αͺ- Sein gegenübergestellt. Die Analogie, die Markell in den Fragmenten 58, 61 und 62 zwischen dem göttlichen und menschlichen Logos und ihrer Tätigkeit herstellt, läßt den göttlichen Logos als ein (aktives) Vermögen Gottes erscheinen, das im Schöpfungsgesprochen hat: ›Heiliger Geist wird über dich kommen‹ (Lk 1, 35). Wenn er aber sagen wird, es sei Geist, so soll er auch den Erlöser hören, der sagt: ›Gott ist Geist‹ (Joh 4, 24).« 29 Vgl. Frgm. 60, Frgm. 73 (198, 30–199, 3 K.), Frgm. 74 (bes. 200, 2–14 K.); Ep. ad Iulium = Nr. 129 (215, 30–33 K.). 30 Frgm. 71 K.: ει᾽ με`ν γα`ρ η῾ του῀ πνευ´ματος ε᾽ξε´τασις γι´γνοιτο μο´νη, ε῝ν και` ταυτο`ν ει᾽κο´τως
α῍ν ο῾ λο´γος ει῏ναι τω ῀ͺ ϑεω ῀ͺ φαι´νοιτο. ει᾽ δε` η῾ κατα` σα´ρκα προσϑη´κη ε᾽πι` του῀ σωτη ῀ ρος ε᾽ξετα´ζοιτο, ε᾽νεργει´αͺ η῾ ϑεο´της μο´νηͺ πλατυ´νεσθαι δοκει῀. ω ῞ στε ει᾽κο´τως 〈η῾〉 μονα`ς ο῞ντως ε᾽στι`ν α᾽διαι´ρετος. 31
Frgm. 77 (201, 20–22 K.). Vgl. die Fortsetzung von Frgm. 77 (201, 33 f. K.), wo Markell die Meinung seiner Gegner zurückweist, der Logos sei ein zweiter Gott, »in der Hypostase und Kraft vom Vater getrennt«. Vgl. Frgm. 82 f. K. 33 Vgl. Frgm. 32 f. (190, 7–14 K.); Frgm. 51 (194, 5–9 K.); Frgm. 53 (194, 17–21 K.). 32
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akt in Tätigkeit übergeht. Dieses Vermögen ist ungetrennt in Gott, das heißt, es ist kein Teil Gottes, sondern mit Gottes Wirklichkeit identisch, also ewig. Im Schöpfungsakt jedoch kommt offenbar etwas Neues hinzu: Das Vermögen geht ins ε᾽νεργει´αͺ-Sein über. Diesen Übergang bezeichnet Markell als ›Hervorgang‹ des Logos aus dem Vater. Dieser Hervorgang wird offenbar in der ›zweiten Ökonomie‹34, der Menschwerdung, fortgeführt. Dabei spricht Markell davon, daß der Logos zum Zwecke der Schöpfung »in tätiger Wirksamkeit hervortrat«.35 Er redet aber auch von einer ›Ausweitung‹ der Gottheit aufgrund »der fleischlichen Hinzufügung im Wirken allein«.36 Und wie er sagen kann, daß der menschliche Logos vom Menschen »durch nichts anderes als die Wirksamkeit des Handelns gesondert« werde,37 so auch, daß die anscheinende Sonderung des Logos vom Vater aufgrund des menschlichen Fleisches (oder zum Zweck der Menschwerdung) ›im Wirken allein‹ erfolgt sei.38 Schließ lich redet er vom ›Ende des Handelns‹ des Logos, das eintreten werde, wenn die Ökonomien ihr Ziel erreicht haben,39 und vom Ende alles dessen, was »unseretwegen durch seine (des Logos) Vorsehung und sein Wirken« veranstaltet worden ist, zur Zeit des letzten Gerichts.40 Ein Bedeutungsunterschied der verschiedenen Ausdrücke (ε᾽νε´ργεια, ε᾽νε´ργεια δραστικη´, τη῀ς πρα´ξεως ε᾽νε´ργεια, πρα῀ξις) ist nicht zu entdecken, sie alle bezeichnen die wirksame Tätigkeit der Dynamis des Logos (Gottes oder des Menschen). Daß Markell diesen Gebrauch von δυ´ναμις und ε᾽νε´ργεια durch Bibelstellen (etwa Eph 3, 7. 20) abgesichert hätte, ist aus den erhaltenen Fragmenten nicht zu ersehen. Am interessantesten unter den zitierten Aussagen ist die Rede von der ›Ausweitung‹ der göttlichen μονα´ς in Fragment 71 und von der ›Sonderung‹ des Logos vom Vater in Fragment 116 f. Aus Fragment 67 ergibt sich, daß die ›Ausweitung‹ der göttlichen μονα´ς, die durch den Hervorgang des Logos aus dem Vater und seine Herabkunft zur Menschwerdung erfolgt, durch den Ausgang des Heiligen Geistes vom Vater und aus dem Sohn (Fragment 68) zur τρια´ς fortgeführt wird, ohne daß die μονα´ς dabei eine Teilung erführe.41 Der Vergleich von Fragment 71 und Fragment 116 f zeigt, daß ›Ausweitung‹ und ›Sonderung‹ im gleichen Sinn aufgefaßt sind, sie erfolgen um der Ökonomie 34
Frgm. 73 (199, 4 f. K.). Frgm. 121 (212, 10–12 K.): . . . προη῀λϑεν ο῾ λο´γος δραστικη῀ͺ ε᾽νεργει´αͺ; vgl. Frgm. 60 (196, 3–8 K.). 36 Frgm. 71 K., s. o. Anm. 30. 37 Frgm. 61 (196, 21 f. K.): ε῝ν γα´ρ ε᾽στιν και` ταυ᾽το`ν τω ῀ͺ α᾽νϑρω´πωͺ ο῾ λο´γος, και` ου᾽δενι` χωριζο´μενος ε῾τε´ρωͺ η῍ μο´νηͺ τη ῀ͺ τη ῀ ς πρα´ξεως ε᾽νεργει´αͺ. 38 Frgm. 116 (209, 27 f. K.): ου᾽κου῀ν ε᾽νεργει´αͺ μο´νηͺ δια` τη`ν τη῀ς σαρκο`ς προ´φασιν α῎χρι τοσου´του κεχωρι´σϑαι του῀ πατρο`ς φαι´νεται, α῎χρι ου῟ κτλ.; vgl. Frgm. 117 (210, 15 f. K.). 39 Vgl. Frgm. 41 (192, 3 f. K.): και` μετα` το` τε´λος τη῀ς πρα´ξεως αυ῏ϑις, ω῾ς λο´γος, ε῾νωϑη῀ͺ τω ῀ͺ 35
ϑεω ῀ͺ κτλ.
40 Vgl. Frgm. 119 (211, 16 f. K.): . . . πα´ντα δε` τα` καϑ᾽ η῾μα῀ς τη῀ͺ αυ᾽του῀ προνοι´αͺ και` ε᾽νεργει´αͺ ε᾽ν τω ῀ͺ καιρω ῀ͺ τη ῀ ς κρι´σεως τε´λους τευ´ξεται κτλ. 41 Vgl. Frgm. 67 (197, 27–33 K.): . . . φανερω ῀ ς ε᾽νταυ῀ϑα . . . η῾ μονα`ς φαι´νεται, πλατυνομε´νη με`ν ει᾽ς τρια´δα, διαιρει῀σϑαι δε` μηδαμω ῀ ς υ῾πομε´νουσα.
II. Göttliches oder menschliches Subjekt der Heilsökonomie bei Markell?
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willen ›im Wirken allein‹.42 Wie soll man sich nun diese ›Sonderung im Wirken allein‹, die dem Markell die Rede von einer τρια´ς erlaubt, vorstellen? Ein Text bei Methodius vermag deutlich zu machen, daß der Ausdruck ›Sonderung im (oder durch) Wirken allein‹ technisch ist. Bei dem Versuch, eine Theorie des Origenes vom Auferstehungsleib zu widerlegen, zählt Methodius die Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes χωρι´ζεσϑαι auf: »Wir wollen also zusehen, in wie vielen Bedeutungen von einer Sonderung des Gesonderten gesprochen werden kann. Es heißt, daß etwas von etwas gesondert werde entweder durch Wirken und in der Hypostase, oder gedanklich, oder zwar durch Wirken, aber nicht in der Hypostase.«43 Beispiel für eine Sonderung ε᾽νεργει´αͺ και` υ῾ποστα´σει ist die Trennung von Weizenkörnern und Gerstenkörnern, die vorher gemischt waren. Dabei hören wir eine wichtige Definition der Trennung ›durch Wir ken‹: »Insofern dies durch Bewegung getrennt wird, sagt man, es sei durch Wirken getrennt; insofern das Getrennte subsistiert« (also das Ergebnis der Trennung ein Haufen Weizen- und ein Haufen Gerstenkörner ist), »sagt man, es sei in der Hypostase getrennt.«44 Beispiel für eine rein gedankliche Trennung ist die Sonderung der Materie von den Qualitäten und der Qualitäten von der Materie. Von Trennung schließlich durch Wirken allein, nicht aber in der Hypostase, redet man, »wenn das, was von etwas getrennt ist, nicht mehr existiert, weil es keine Subsistenz besitzt«. Dafür bringt Methodius folgendes Beispiel: Bei der Einschmelzung eines bronzenen Männer- oder Pferdestandbildes verschwindet die jeweilige Form, während der Werkstoff erhalten bleibt.45 Diese Beispiele lassen sich nicht ohne weiteres auf die Markells übertragen. Bei Methodius geht es um eine Trennung in vorhandenen Dingen oder Gegenständen; bei Markell ist die Rede von einer Sonderung im Handelnden. Dennoch sind die Definitionen des Methodius hilfreich, weil sie zeigen, daß über sie in der Lehre gehandelt wurde, daß sie also termini technici sind. Wichtig ist hierbei die Bestimmung der Sonderung allein durch Energie als einer Sonderung, die durch Bewegung zustande kommt, wobei das Gesonderte als solches nicht in eigener Hypostase bestehen bleibt, keine eigene Existenzform hat. Das läßt sich durchaus auf Markells Texte anwenden: Der Logos bleibt, auch wenn er im Wirken vom Vater abgesondert wird und ›hervorgeht‹,46 hy42 43
Frgm. 71 K., s. o. Anm. 30; Frgm. 116 f. K., s. o. Anm. 38. Methodius, De Resurrectione III, 8, 3 (GCS 27, 307, 6 f. Bonwetsch): . . . λε´γεται τοι´-
νυν χωρι´ζεσϑαι´ τι α᾽πο´ τινος η῍ ε᾽νεργει´αͺ και` υ῾ποστα´σει, η῍ ε᾽πινοι´α, ͺ η῍ ε᾽νεργει´αͺ με`ν, ου᾽ μη`ν και` υ῾ποστα´σει. 44 Ebd. III, 6, 3 f. (397, 7–10 B.): . . . η῟ͺ με`ν κατα` κι´νησιν χωρι´ζεται, ε᾽νεργει´αͺ λε´γεται, η῟ͺ δε` χωρισϑε´ντα υ῾φε´στηκεν, υ῾ποστα´σει λε´γεται κεχωρι´σϑαι. 45
Ebd. III, 6, 4 f. (397, 10–19 B., das Zitat 397, 12 f.); für ›Subsistenz‹ steht im Text:
υ῾πο´στασιν ου᾽σι´ας.
46 In Frgm. 117 (210, 15 f. K.) heißt es: »Durch Wirken (ε᾽νεργει´αͺ) allein wegen des menschlichen Fleisches scheint er (der Allherrscher Gott) ihn (den Logos) abzusondern.«
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postatisch (υ῾ποστα´σει) mit dem Vater geeint, er gewinnt keine Subsistenz außerhalb des Vaters, er manifestiert sich nicht in einem eigenen Sein; der energetische Hervorgang oder die Aktivität ist also nicht eine Existenzform des ewigen Logos selbst (der als solcher in keiner Weise vom ewigen Vater abgesondert sein kann), sondern bringt (nur) ein Gewirktes hervor: die Welt, die Inkarnation, die Heiligung des Menschen. Bestünde der energetisch hervorgehende Logos als Hypostase in sich, so hätten wir eine Sonderung ε᾽νεργει´αͺ και` υ῾πο´στα´σει; die aber schließt Markell aus. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis des Logos zum angenommenen Menschen. Nach dem bisher Gesagten und rein systematisch betrachtet kann dieses Verhältnis eigentlich nur energetisch, nicht aber seinsmäßig sein. Das würde zugleich bedeuten, daß Eusebs Kritik ins Schwarze träfe. Er weist deutlich auf die christologischen Konsequenzen einer solchen Position hin: »Wie war er (der Logos) im Leib? . . . Er (Markell) würde wohl sagen, er sei durch das Wirken allein, nicht aber in der Hypostase seines Seins (ου᾽χι` ου᾽σι´ας υ῾ποστα´σει) auch im Leib gewesen; denn er sagt, er sei, während er allein im tätigen Wirken mit dem Fleisch zusammen gewesen sei (indem er es bewegt habe und getan habe, was in den Evangelien berichtet wird), im Sein (ου᾽σι´αͺ) mit Gott verbunden geblieben, weil er ja sein untrennbarer und abstandsloser Logos sei. Wenn er aber das sagen wollte, dann soll er auch unsere Frage beantworten, ob das Wirken des Logos sich nur auf dieses Fleisch erstreckt hat, nicht aber auch auf andere Menschen, nämlich die Heiligen Gottes? . . . In jedem Propheten hat derselbe Logos Gottes gewirkt. Also hatten auch jene allesamt an der gleichen Würde teil wie der eingeborene Sohn Gottes, und der Erlöser besaß durchaus nichts darüber hinaus, wenn ja er nur durch das Wirken von dem mit Gott verbundenen Logos bewegt wurde.«47 Eusebius formuliert hier den Vorwurf, den Apolinarius hartnäckig gegen Markell wiederholen wird: Er mache den Erlöser zu einem vom Logos inspirierten Menschen. Ist der Vorwurf berechtigt? Untersucht man Markells Aussagen über die ›zweite Ökonomie‹, ob es irgendwelche Anhaltspunkte dafür gibt, daß das Verhältnis des Logos Gottes zum angenommenen Menschen ein seinshafter Bezug ist, so ergibt sich zunächst kein klares Bild. In den Fragmenten 105–121 ist von der mit der Inkarnation begonnenen zweiten Ökonomie und ihrem Ende die Rede. Thema ist zunächst die Auslegung bestimmter ›kritischer‹ Schriftverse (z. B. Mt 28, 18, Joh 17, 22), die von den arianischen Gegnern als Beleg für die geminderte Gottheit des Sohnes beDie ε᾽νε´ργεια ist hier die des Vaters. Weil sie aber auch die des Logos ist, kann es genausogut heißen, »der Logos gehe im wirksamen Handeln (ε᾽νεργει´αͺ) hervor«: Frgm. 121 (212, 10 K.). 47 Euseb. Caes., Contra Marcellum II, 4 (GCS Eusebius IV, 57, 7. 12–18. 25–29 Klostermann). Es ist bemerkenswert, daß Eusebius, da er Markells Position diskutiert, dieselbe technische Unterscheidung verwendet wie Methodius (im oben angeführten Text): ε᾽νεργει´αͺ μο´νηͺ ου᾽χι` δε´ ου᾽σι´ας υ῾ποστα´σει.
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nutzt werden. Markell sucht ihnen diese Belege zu entwinden, indem er die Aussagen dieser Bibelstellen nicht auf den Logos, sondern auf die Ökonomie bezieht. Will man aber jetzt das Subjekt, von dem diese Aussagen gelten sollen, genau bestimmen, so ergeben sich Schwierigkeiten. Sozusagen im selben Atemzug benennt Markell einerseits den (vom Logos) angenommenen Menschen, andererseits den Inkarnierten als Subjekt, ohne über das Verhältnis beider zueinander zu reflektieren.48 Noch erstaunlicher ist es, wenn er nicht nur ohne erkennbare Hemmungen vom menschwerdenden Logos spricht,49 sondern den Logos sogar zum handelnden Subjekt der Ökonomie macht: »Der Logos des unsichtbaren Gottes sollte durch die Jungfrau geboren werden und das menschliche Fleisch annehmen, damit er durch dieses den Teufel niederzwänge, der vorher den Menschen überwältigt hatte, und damit er diesen nicht nur unvergänglich und unsterblich mache, sondern auch zum Mitherrscher mit Gott im Himmel.«50 Aber auch hier zeigt sich ein bemerkenswertes Schwanken, denn in Fragment 108 ist es durchaus der (vorher vom Teufel getäuschte) Mensch, der den Sieg über den Teufel erringt (nachdem er dazu vom Logos befähigt worden ist).51 Es erscheinen also insgesamt drei Subjekte der zweiten Ökonomie: der Logos, der mit dem menschlichen Fleisch geeinte Logos, schließlich der angenommene Mensch. Das Verhältnis dieser Größen zueinander wird hierbei nicht expliziert. Das ist eigentlich verwunderlich, denn in Fragment 71 hat Markeil im Hinblick auf die Annahme des Fleisches von einer rein energetischen Ausweitung der Gottheit gesprochen und in Fragment 70 deutlich erklärt, daß die fleischliche Ökonomie den Menschen betrifft.52 Danach sollte man erwarten, daß diese grundsätzlichen Unterscheidungen bei den Aussagen über die Ökonomie konsequent angewendet werden. Statt dessen bleibt Markell bei der eher traditionellen Sprache und redet, weil die Ökonomie der Erlösung eben ein göttliches Subjekt verlangt, mit Vorzug vom Logos oder vom mit dem mensch48
In Frgm. 105 (208, 4–9 K.) z. B. ist zuerst der Mensch, dann der Inkarnierte das Subjekt: »Denn es hat der Mensch nicht nur die Gewalt über die Dinge auf der Erde, sondern auch über die im Himmel erhalten (vgl. Mt 28, 18); das gilt zu Recht; denn wenn, als er Mensch wurde und ›Mittler Gottes und der Menschen‹ (1 Tim 2, 5), damals alles auf ihn hin geschaffen wurde, wie der Apostel sagte, das, was im Himmel und das, was auf Erden ist (vgl. Kol 1, 16), dann läßt sich folglich genau erkennen, daß ihm Gewalt nicht nur über die Dinge auf der Erde, sondern auch über die im Himmel gegeben worden ist.« − Auch in Frgm. 106 (208, 10–13 K.) (zu Joh 17, 22) ist erstlich der Mensch, sodann der Inkarnierte Subjekt des Empfangs der Doxa. 49 S. Anm. 27. 50 Frgm. 110 (208, 27–30 K.); vgl. Frgm. 111 (209, 31–33 K.): »Der also, der herniederstieg (d. i.: der Logos, vgl. Frgm. 48 f. K.) und das Fleisch durch die Jungfrau hinzunahm, wurde zum König über die Kirche eingesetzt, offenbar damit durch den Logos der vorher des Königreichs der Himmel verlustiggegangene Mensch wieder die Königsherrschaft erlangen könne.« 51 Vgl. Frgm. 108 (208, 21–24 K.). 52 Vgl. Frgm. 70 (198, 17–18 K.): »Wir wissen, daß die fleischliche Ökonomie dem Menschen zukommt; wir haben aber den Glauben, daß die Geist-Ewigkeit mit dem Vater geeint ist.«
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lichen Fleisch geeinten Logos, führt aber auch, um alle mit der Ökonomie verbundenen Niedrigkeitsaussagen vom göttlichen Subjekt fernzuhalten, den (angenommenen) Menschen als Subjekt ein. Die Theorie von der energetischen Ausweitung der μονα´ς, die ersonnen wurde, um die erlösende Gottheit hypostatisch nicht zu trennen, wird dagegen nicht erkennbar berücksichtigt. In einem Gottes Einheit und Differenz auszusagen, scheint nicht möglich zu sein. Der kritische Punkt ist immer die Deutung der Inkarnation, die anscheinend eine hypostatische Diffe renzierung in Gott nötig macht, wenn man den ›Sabellianismus‹ vermeiden und nicht gezwungen werden will, schließlich zu sagen, Christus sei ein Mensch, in dem Gott wirke. Das aber, was Markell zum Anfang und Ende der ›Herrschaft‹ Christi sagt, gibt Gelegenheit, seine Auffassung vom Verhältnis der Gottheit zum angenommenen Menschen genauer zu erkennen. Einige Psalmverse (Ps 2, 6; 98, 1; 96, 1: Fragment 111 f; 115) belegen für Markell den Anfang der Herrschaft Christi, 1 Kor 15, 24 f. bezeugt ihr Ende (Fragment 113–117). Zunächst zeigt sich wieder das schon bekannte Schwanken in der Bestimmung des die Herrschaft empfangenden und abgebenden Subjekts: In Fragment 113 ist es zuerst der Logos im menschlichen Fleisch, dann der Mensch, dann Christus.53 In Fragment 116 aber wird das Verhältnis des Logos zu dem von ihm angenommenen Fleisch näher charakterisiert. Es geht dabei um die Frage, ob der Logos das menschliche Fleisch, »das er um unseretwillen vor nicht ganz vierhundert Jahren angenommen hat, auch in den zukünftigen Äonen behalten wird, oder nur bis zum Zeitpunkt des Gerichts«.54 Der hier entscheidende Satz lautet: »Also scheint er (der Logos) im Wirken allein wegen des Fleisches so lange vom Vater getrennt zu sein, bis der heranrückende Zeitpunkt des Gerichts erscheint . . .«55 Es sieht so aus, als sei die Sonderung ›im Wirken‹ eine Existenzform des Logos selbst. Doch diese Interpretation ist nicht möglich, weil das Wirken einen Anfang und ein Ende hat (›so lange, bis‹), der Logos selbst aber ewig ist und keiner Änderung unterliegt. Die ε᾽νε´ργεια des Logos ist (δυνα´μει betrachtet) die ε᾽νε´ργεια Gottes! Deswegen kann gesagt werden, daß der Logos zum König einsetzt, daß Gott zum König einsetzt, und ebenso, daß dies durch die δυ´ναμις des Logos erfolgt.56 Also ist die Sonderung des Logos vom Vater eigentlich nur Anschein,57 wirklich ›gesondert‹ ist nur das Objekt der ε᾽νε´ργεια. Dieses Ergebnis wird von den folgenden Fragmenten bestätigt.
51 Ähnlich in Frgm. 115 (209, 17–26 K.): Christus erhielt den Anfang der Herrschaft; der Mensch erhielt durch den Logos den Anfang der Herrschaft; Christus übergibt die Herrschaft Gott, der ihn zum König eingesetzt hat (vgl. Ps 2, 6). 54 Frgm. 116 (209, 32–210, 3 K.). 55 Frgm. 116 (209, 27–29), s. o. Anm. 38. 56 Vgl. Frgm. 113 (209, 9 K.); Frgm. 115 (209, 22 f. 25 f. K.; Frgm. 117 (210, 26 f. K.). 57 Vgl. Frgm. 116 (209, 28 K.): φαι´νομαι + Infinitiv, nicht Partizip.
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In Fragment 117 wird die Frage nach dem Schicksal des vom Logos angenommenen Fleisches beantwortet. »Das Fleisch nützt nichts« (vgl. Joh 6, 61–63), es ist also nicht sinnvoll, daß es mit dem Logos in alle Ewigkeit verbunden bleibt.58 Ps 109, 1, 1 Kor 15, 24 f., schließlich Apg 3, 21 lassen deutlich erkennen, daß die fleischliche Ökonomie befristet ist und, »wie sie einen Anfang hatte, so auch ein Ende haben wird«.59 Die befristete Herrschaft auf dem Thron zur Rechten des Vaters ist die Herrschaft des angenommenen Menschen: »Denn nicht der Logos selbst hat als solcher einen Anfang der Herrschaft empfangen, sondern der vom Teufel getäuschte Mensch wurde durch die δυ´ναμις des Logos König, damit er als König den früheren Verführer, den Teufel, besiege.«60 Das sind, wie es scheint, klare Äußerungen, die jeder Gegner Markells im Sinne eines Psilanthropismus deuten könnte. Das Ausmaß des christologischen Dilemmas, in dem sich der Theologe befindet und für das er trotz aller Anstrengung keine stringente Lösung finden kann, wird an einer anderen Stelle desselben Fragments 117 offenbar. Im Widerspruch zu dem soeben Gesagten führt Markell hier doch wieder den Logos als Subjekt der Ökonomie ein, macht aber mit der Interpretation, die er ihm gibt, seine eigentliche Absicht, ein göttliches Subjekt für die Ökonomie der Erlösung zu bewahren, erneut zunichte: »Deshalb scheint mir auch der allherrschende Gott, der Herr, zu ihm (dem Logos) zu sagen: ›Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege‹ (Ps 109, 1). Weil er ihn durch Wirken allein wegen des menschlichen Fleisches abzusondern scheint und ihm gleichsam eine bestimmte Zeit des Sitzens zur Rechten festgesetzt hat, spricht er so zu ihm: ›bis ich deine Feinde unter deine Füße lege‹. Dieses prophetische Wort Davids deutete uns klarer der heilige Apostel, wenn er so sprach: ›Er muß nämlich herrschen, bis er seine Feinde unter seine Füße legt‹. Also scheint seine menschliche Ökonomie und Herrschaft eine Grenze zu haben; denn nichts anderes als dies bedeutet das Wort des Apostels: ›bis er seine Feinde unter seine Füße legt‹. Sobald er also die Feinde unter seinen Füßen hat, benötigt er nicht mehr diese Herrschaft in einem Teilbereich, da er ja überhaupt Herrscher über alles ist; denn er herrscht zusammen mit ›dem Gott und Vater‹, dessen Logos er war und ist.«61 Das die Herrschaft ausübende Subjekt ist hier der Logos. Es ist von seiner Ökonomie und Herrschaft, von seiner Herrschaft im Leib, von seiner Allherrschaft die Rede. Aber man muß doch sofort differenzieren: Nicht alles dies kommt demselben Subjekt zu. Da der Logos als solcher zusammen mit dem Vater ewiger Allherrscher ist und niemals einen Anfang und ein Ende der 58
Vgl. Frgm. 117 (210, 6–13 K.). Ebd. (210, 13–211, 11 K.; Zitat: 211, 9 K.). 60 Ebd. (210, 26–28 K.). 61 Frgm. 117 (210, 13–25 K.). Unmittelbar anschließend folgt der oben wiedergegebene Satz: »Denn nicht der Logos selbst hat als solcher einen Anfang der Herrschaft erhalten, sondern der vom Teufel getäuschte Mensch . . .« 59
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Herrschaft empfängt, ist das die Herrschaft beginnende und endigende Subjekt der »um des Fleisches willen allein im Wirken (und nicht als Hypostase) vom Vater gesonderte Logos«, das heißt − systematisch gesehen − letztlich nur das Produkt der Energie des Logos, nämlich der »früher vom Teufel getäuschte Mensch«, der durch die δυ´ναμις des Logos die Herrschaft über den alten Widersacher erlangt. Markells systematischer Ansatz führt zwangsläufig zu einem Ergebnis, das er sicherlich nicht intendierte. Obwohl − soteriologisch gesehen − die Ökonomie ein göttliches Subjekt fordert, kann Markell diese Forderung nur scheinbar, aber nicht eigentlich erfüllen (indem er von einem energetisch hervortretenden Logos spricht), weil das göttliche Subjekt des Erlösers nicht in zwei Hypostasen getrennt werden darf und weil alle Aussagen eines Werdens (eines Beginns und Endes der Herrschaft) von Gott ferngehalten werden müssen. Es gibt keinen seinsmäßigen Bezug zwischen dem Logos und dem angenommenen Menschen. Das kommt unverborgen zum Ausdruck, wenn Markell erklärt, das menschliche Fleisch Christi brauche, auch wenn es unsterblich geworden sei, nicht auf ewig mit dem Logos verbunden zu sein.62 Es ist lediglich Produkt seiner Energie und steht zu ihm in keiner engeren Beziehung als die übrigen Produkte seines Wirkens. Deswegen kann Markell auch sagen, »die menschliche Ökonomie sei mit dem Logos verbunden worden«.63 Die Rede von einer Vereinigung oder Verbindung des Menschen mit dem Logos erweist sich als Metapher für das eigentliche Verhältnis von Urheber und Verursachtem. Ebenso enthüllt sich die Sprechweise vom ›Hervorgehen des Logos‹ als bloß metaphorischer Ausdruck für seine Wirksamkeit. Hat Markell im Zusammenhang mit 1 Kor 15, 24–28 zunächst vom Ende der menschlichen Herrschaft des Logos oder vom Ende der Herrschaft des angenommenen Menschen gesprochen,64 so sind ihm in Fragment 121 diese Schriftverse Beleg für das Ende des energetischen Hervorgangs des Logos selbst, das heißt, wie in Fragment 41 klar und nüchtern gesagt wird, für das Ende seiner Aktivität.65 Beides gehört freilich zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. Da der ›Hervorgang‹ des Logos zum Zweck der Schöpfung und Menschwerdung allein um der Menschen willen erfolgt − der Logos selbst gewinnt nichts dabei66 −, kann er beendet werden, sobald mit der allgemeinen Unterwerfung unter Gott und der Vernichtung des Feindes sein Ziel erreicht ist. Der Logos ist dann so ›in Gott‹, wie er vor Beginn der Schöpfung in Gott war.67 Auch daraus ergibt sich, daß keine seinsmäßige Einheit zwischen Logos und angenommenem Menschen besteht, denn das, was das Sein des 62
Vgl. Frgm. 117 (210, 6–13; 211, 2–11 K.); Frgm. 119 f (211, 15–24 K.). Frgm. 117 (210, 32 f. K.): . . . τη`ν κατα` α῎νϑρωπον οι᾽κονομι´αν η῾νω ῀ σϑαι τω ῀ͺ λο´γωͺ κτλ. 64 Vgl. Frgm. 112–117 (209, 5–211, 11 K.). 65 Vgl. Frgm. 121 (212, 5–12 K.) und Frgm. 41 (192, 1–6 K.): . . . μετα` το` τε´λος τη῀ς πρα´63
ξεως κτλ. 66 67
Vgl. Frgm. 117 (210, 6–8 K.); Frgm. 119 (211, 15 f. K.). Vgl. Frgm. 41; 121 (212, 5–12 K.).
III. Einwand des Apolinarius: Der Erlöser kann kein menschliches Subjekt sein
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Gott-Logos betrifft, ist ewig und kann kein Ende haben. Somit bestätigt die Durchsicht der Aussagen Markells über die zweite Ökonomie das oben in systematischer Überlegung gewonnene Ergebnis. Mit wenigen Strichen läßt sich Markells Trinitätstheologie so umreißen: Sein Ausgangspunkt und sein Ziel ist es, die Einheit und Einzigkeit Gottes zu wahren, weil nur Gott Erlöser sein kann. (Die Begründung findet sich vor allem in Fragment 76.) Zur Lösung des mit der Inkarnation aufgegebenen Problems schlägt er eine energetische, sich in der Ökonomie (oder in den Ökonomien) vollziehende Explikation der göttlichen Monas zur Trias vor. Die Sonderung des Logos vom Vater (und des Geistes von Vater und Sohn) erfolgt nur in der Aktivität, nicht im Sein. Das göttliche Sein der Monas bewahrt seine ungebrochene Identität. Die ›Sonderung‹ ist also nur Anschein. Diese Lösung (einer Sonderung allein in der Aktivität) bringt ihn ins christologische Dilemma. Es gibt, genau betrachtet, keinen seinsmäßigen Bezug zwischen Logos und angenommenem Menschen. Das in der Erlösungsökonomie handelnde Subjekt ist eigentlich das Produkt der tätigen Energie des Gott-Logos, der Mensch, von dem allein Werden und Vergehen, Anfang und Ende ausgesagt werden können. Damit zerstört Markell seine eigene Ausgangsbasis für die Verteidigung der Gottheit Christi, die in Fragment 76 erkennbar ist: Christus ist Gott, weil er erlöst. Daß dem Markell die christologischen Konsequenzen seiner Trinitätstheologie zum Bewußtsein gekommen wären, ist nicht erkennbar. Das offenkundige Schwanken zwischen dem Logos, dem inkarnierten Logos und dem angenommenen Menschen als dem Subjekt der (erlösenden) Ökonomie macht deutlich, daß er seine Reflexion über diese Frage nicht vorangetrieben hat.
III. Eben hier hat sehr bald und unnachgiebig Apolinarius von Laodicea eingehakt. Die Geschichte dieser Polemik läßt sich jedoch nicht rekonstruieren, weil die Chronologie seiner Schriften bis auf wenige Ausnahmen unsicher ist. Aus seinem zweifelsfrei in das Jahr 363 datierbaren, dem Kaiser Jovian vorgelegten Glaubensbekenntnis ergibt sich aber, daß Apolinarius seine ganz spezifische Christologie bereits zu dieser Zeit voll ausgebildet hatte. Der Beginn der Auseinandersetzung mit Markell, die nach der hier vertretenen These zur Formulierung dieser Christologie führte, muß dann beträchtlich früher angesetzt werden. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß Markells Schüler Photin, der dessen Gotteslehre radikalisierte und um der Monarchie Gottes willen die trinitarischen Hervorgänge offenbar gänzlich strich, die Aufmerksamkeit des Apolinarius für die christologischen Konsequenzen des markellischen Ansatzes noch geschärft hat. Dem Photin hat man spätestens auf der Synode von Sirmium (351) vorgeworfen, den aus Maria geborenen Sohn für einen bloßen Menschen zu erklären.68 In seiner christologischen Hauptschrift, dem wissenschaftlichen 68 Vgl. Anathem VIII des Sirmiense bei Athan., De syn. 27, 3 (Werke II/7, 255, 10 Opitz).
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Beweis für die göttliche Fleischwerdung (›Apodeixis‹), deren Widerlegung sich Gregor von Nyssa gewidmet hat, beschuldigt Apolinarius den Paulus von Samosata, den Photin und den Markell, Christus zu einem von Gott inspirierten Menschen (α῎νϑρωπον ε῎νϑεον) zu machen.69 Wie E. Mühlenberg gezeigt hat, liegt der Ansatzpunkt für die Christologie des Apolinarius in der Gegnerschaft zu dieser Christusdeutung.70 Ein α῎νϑρωπος ε῎νϑεος ist ein Mensch, in dem Gott wirkt, ein Heiliger, ein Wunderwirker, ein Prophet, in jedem Fall bloß ein Mensch. Dem stellt Apolinarius sofort seinen ersten und dann hier in der ›Apodeixis‹ wie in den anderen Schriften so oder ähnlich wiederholten Satz entgegen: »Nicht ein Mensch von der Erde ist der aus dem Himmel herniedergestiegene Mensch.«71 In der Schrift ›Quod unus sit Christus‹ ist deutlich erkennbar, daß Apolinarius den Vorwurf des Psilanthropismus aufgrund der markellischen Exegese zu 1 Kor 15, 28 erhebt, die sich in der oben gegebenen Analyse als inkohärent erwiesen hatte.72 Es heißt da: »Wenn du es nun genau bedenkst und auf den wahren Sachverhalt achten willst, dann wirst du feststellen, daß sie unsern Herrn Jesus Christus aus der heiligen Dreiheit hinauswerfen wie einen Sklaven, den Anbetungswürdigen wie einen Menschen, dem keine Anbetung gebührt, der vielmehr selbst zusammen mit allen anderen anbetet und Verehrung erweist und der heiligen Dreiheit unterworfen ist, wie Markell und der Samosatener Paulus ihre verkehrte Exegese betreiben, indem sie das göttliche und apostolische Schreiben nach ihrer eigenen Vorstellung verzerren: ›Denn wenn er‹, sagt er, ›ihm alles unterworfen hat, dann wird auch der Sohn selbst‹, das ist der angenommene Mensch, ›sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott‹, sagt er, wie auch vor der Fleischwerdung ›in allen sei, unkörperlich und ohne Leib, und der angenommene Mensch mit allen, und allen anderen beigezählt, hinzutrete, sich unterwerfe und Gott diene. − Seht, in welche Torheit diese Scheinweisen verfielen, in welchen Wahnsinn und Unglauben sie gerieten . . .!«73 Der Protest des Apolinarius richtet sich dagegen, daß Christus, der Sohn Gottes, in dieser Exegese als angenommener Mensch erscheint, der schließlich wie ein selbständiges Subjekt neben Gott tritt. Daß aber Christus nicht ein 69 Vgl. Apodeixis Frgm. 15 (209 Lietzmann), bei Gregor. Nyss., Adv. Apolinarium (GNO III/1, 138, 12–16 Mueller). 70 Vgl. E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea (wie Anm. 3), 111–149. 71 Apodeixis Frgm. 17 (209 L.) bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (138, 25–27 M.); vgl. Frgm. 16; 45; 106 (209; 214; 232 L.). 72 Siehe oben S. 428 f. G. Voisin, L’Apollinarisme (wie Anm. 5), 224–229, hat die Beweise zusammengetragen, die es sehr wahrscheinlich machen, daß die pseudoathanasianische Schrift ›Quod unus sit Christus‹ (294–302 L.) von Apolinarius stammt. H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule I, Tübingen 1904, 159, hat dem zugestimmt. − Der Vorwurf des Psilanthropismus: Quod unus sit Christus 2 (295, 6–10 L.). 73 Quod un. sit Chr. 4 (296, 15–297, 7). Der hier nach Markell genannte Samosatener Paulus kann nur Photin sein. Ihm wird in der Ekthesis makrostichos VI [11 Brennecke] von 344 dieselbe verkehrte Meinung in bezug auf 1 Kor 15, 28 nachgesagt wie dem Markell (bei Athan., De syn. 26 [Werke II/7, 253, 1–3 Opitz]; [ebd. III/1/3, 284 f. Brennecke] ).
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Mensch ist (in dem Gott wirkt), sondern daß er Gott ist (auch wenn er Mensch ist), ist die These, die er dieser Art von Theologie entgegenstellt und unablässig wiederholt. Besonders in diesem Satz kommt sein eminentes soteriologisches Interesse zum Ausdruck. Das zeigen schon die ersten Sätze der Anacephalaeosis, die in diese Konsequenz ausmünden: »Wenn Gott im Menschen wirkt, kommt ein Prophet zustande oder ein Apostel, nicht der Erlöser der Welt. Christus aber ist der Erlöser der Welt; also kam Christus nicht dadurch zustande, daß Gott in einem Menschen wirkte. (2) Jeder Mensch ist Teil der Welt, und kein Teil der Welt beseitigt die Sünde der Welt, unter der er selbst liegt. Christus aber beseitigt sie; also ist Christus nicht ein Mensch. (3) Jeder Mensch steht unter dem Tod, und niemand, der unter dem Tod steht, vernichtet den Tod. Christus aber vernichtet ihn; also ist Christus nicht ein Mensch.«74 Insgesamt dreizehn Syllogismen von den dreißig der ›Anacephalaeosis‹ haben eine soteriologische Begründung.75 Die Konstanz und Eindringlichkeit, mit der sie auch in anderen Schriften des Apolinarius wiederkehrt, läßt keinen Zweifel daran, wo sein theologisches Herz schlägt. »Denn es ist nicht möglich zu finden von einem Menschen das Leben, das von Gott (stammt)«, heißt es in ›De fide et incarnatione‹, »denn Leben spendet der, welcher litt, Leben spendet der, welcher vom Weibe geboren ward . . . Deshalb, wenn die Erlösung (eine Tat) Gottes ist und (ebenso) die Erneuerung der Welt, so ist es nicht (die Tat) eines anderen. Lebensspender aber ist der, welcher geboren und gekreuzigt ward. Nicht ein Mensch war der, welchen Maria gebar, und nicht ein Mensch war der, welchen die Juden kreuzigten, sondern Gott war der, welcher vom Weibe geboren ward, und Gott war der, welcher von den Juden gekreuzigt ward«.76 Ebenso redet er in der ›Apodeixis‹: »Es kann die Welt nicht retten der Mensch, der Mensch bleibt und der allgemeinen Todesverderbnis der Menschen unterliegt«, »eines Menschen Tod vernichtet nicht den Tod«.77
74 Anacephalaeosis 1–3 (242, 24–243, 3 L.). − Ein entsprechendes Argument gegen die dem Markell nachgesagte Auffassung, nicht der Logos, sondern der angenommene Mensch sei Sohn Gottes, findet sich Ps-Athan., C. Arianos IV, 20 (PG 28, 497 B): »Wenn nicht der Logos Sohn ist, sondern der Mensch Sohn ist, wie kann er die Welt retten, wo er doch selbst einer von der Welt ist?« Die These von A. Stegmann, Die pseudoathanasianische »IVte Rede gegen die Arianer«, als ›κατα` ᾽Αρειανω ῀ ν λο´γος‹ ein Apollinarisgut, Rottenburg 1917, sollte nochmals überprüft werden. Sie hat m. E. alle Chancen, richtig zu sein. Wir hätten dann in dieser Schrift die erste Polemik des Laodiceners gegen Markell, der aber − weil Freund des Athanasius − nicht namentlich genannt, sondern unter dem Ketzernamen des Sabellius bekämpft wird. Äußerungen gegen die trinitarischen Lehren des (ungenannten oder als Sabellius bezeichneten) Markell begegnen bei Apolinarius noch in der ›Kata meros pistis‹ 1. 6. 9. 13. 15 f. und in Frgm. 136. Die christologische Problematik im eigentlichen Sinn wird dabei nicht expliziert. 75 Vgl. Anacephalaeosis 1–3. 5. 9. 13. 17. 19 f. 23 f. 28 f. 76 De fide et inc. 9 (202, 22–25, 203, 16–24 L.). 77 Apodeixis Frgm. 93; 95 (228 f. L.), bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 217, 9–12; 219, 1 f. M.).
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Weil nur Gott den Menschen erlösen kann, kann der Erlöser Christus nur ein göttliches, nicht aber ein menschliches Subjekt sein. Das leidenschaftliche Interesse des Apolinarius an der Einheit Christi und seine Polemik gegen jede Christusinterpretation, in der die Menschheit Christi wie ein zweites Subjekt neben dem göttlichen erscheint, sind soteriologisch begründet. Er sagt es ausdrücklich: ». . . weil wir über unser eigenes Heil richtig urteilen, bekennen wir beides (scil. Logos und Leib) als einen einzigen Gott, eine einzige Hypostase und eine einzige Person . . .«78 Gegenüber der vorherrschenden soteriologischen Motivation erscheinen die Überlegungen, die Apolinarius über die Zusammensetzung Christi anstellt, um zu erklären, wie dieses eine Subjekt zustande kommt, und die dann zur Ausbildung seiner spezifischen Christologie führen, als durchaus sekundär. Weil die Erlösungstat nur die Tat Gottes sein kann und weil die Erlösung des Menschen vom Tod durch den Tod Christi erfolgt ist, muß Gott selbst das Subjekt des Erlösungsleidens sein: »Eines Menschen Tod vernichtet nicht den Tod (vgl. 1 Kor 15, 26; 2 Tim 1, 10), noch steht der (vom Tode) auf, der nicht gestorben ist; aus diesem allem erhellt, daß Gott selbst starb, wie es sich aus dem Schriftwort ergibt: ›Es war nicht möglich, daß Christus vom Tod festgehalten wurde‹ (vgl. Apg 2, 24).«79 Der harte Satz, daß Gott selbst starb, in diesem Fragment der ›Apodeixis‹ ist allerdings nur der eine Teil der Aussage des Apolinarius zu dieser Sache. Wie alle Väter hält er daran fest, daß Gott, insofern er Gott ist, nicht leiden kann.80 Leiden kann nur der Mensch; aber er darf neben dem göttlichen Subjekt kein eigenes (leidendes) Subjekt sein, und deswegen kappt Apolinarius das Menschliche, mit dem sich der Logos in der Inkarnation eint, um das, was es zu einem Subjekt machen würde: um Vernunft und freien Willen, das ›Pneuma‹, wie er es nennt, und läßt an dessen Stelle das göttliche Pneuma, den Logos, treten. Auf diese Weise ist das menschliche Fleisch nicht mehr das Fleisch eines Menschen, sondern das ›Fleisch Gottes‹, das menschliche Leiden nicht mehr das Leiden eines Menschen, sondern das erlösende Leiden Gottes:81 ». . . weil er eben durch sein eigenes Pneuma Gott ist und nicht etwa Gott als einen anderen neben diesem (Pneuma) in sich hat, hat er durch sich selbst, das heißt durch das Fleisch, die 78
Quod unus sit Christus 9 (300, 8–10 L.). Apodeixis Frgm. 95 (229 L.), bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 219, 1–6 M.). − E. Mühlenberg, Apollinaris (wie Anm. 3), 206, bezweifelt, daß Gregor von Nyssa hier die Aussagen des Apolinarius zuverlässig referiere (anders ebd. 70 und 80!). Gewiß ist bei Gregors Referaten Vorsicht geboten. Doch ist, was er hier dem Apolinarius in den Mund legt, zweifellos nur die Hälfte der Aussage, und Gregor hat die andere − sicher ausgleichende − Hälfte um des polemischen Effektes willen fortgelassen. Die für Apolinarius typischen Schriftzitate, aus denen man seinen Syllogismus rekonstruieren kann, sprechen für die sachliche Treue des Frgm. 95. Gregor von Nazianz hatte keine Scheu, sich ähnlich drastisch auszudrücken; vgl. die Stellensammlung bei K. Holl, Amphilochius von Ikonium in seinem Verhältnis zu den großen Kappadoziern, Tübingen/Leipzig 1904, 179 f. 80 Vgl. z. B. ›Kata meros pistis‹ 11 (171, 3–12 L.); Anacephalaeosis 30 (246, 17 f. L.); Conf. fidei ad Iovianum 2 (252, 1–11 L.); Ep. ad Dionys. A 6 (258, 19–259, 1 L.). 81 Vgl. die Argumentation Anaceph. 29 (245, 30–246, 13 L.). 79
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Welt von den Sünden gereinigt.«82 »Durch das Blut seiner Hypostase erlöste er die ganze Schöpfung.«83 »Durch sein eigenes Blut« hat er uns erkauft.84 Vom Leiden des Leibes »wird die Gottheit nicht getrennt; denn sie ist (mit ihm) geeint. Es mußte ja der Tod von Gott besiegt werden, und er ist besiegt worden.«85 Das Schwanken Markells bei der Bestimmung des Subjekts der Erlösungsökonomie ist hier einer absoluten Entschiedenheit gewichen. Neben dem göttlichen Subjekt des Logos ist das geeinte Fleisch kein zweites, sondern »ein und dasselbe« mit ihm,86 »ein einziges Leben«87, »ein einziger Lebendiger«88. Wäre es anders, so wären auch Taufe und Eucharistie nicht lebenspendend. Lebenspendend sind Taufe und Eucharistie nur, weil das Fleisch des Herrn, auf dessen Tod wir getauft sind und dessen Leib und Blut wir empfangen, nicht das Fleisch eines Menschen, sondern Gottes ist.89 Auf diese Weise gehört die Sarkosis auch zur Trinität: »denn es würde aus der Fleischwerdung für die Gläubigen kein Heil erfolgen, wenn sie sich außerhalb der Dreiheit befände; denn weder ist etwas anbetungswürdig noch heilbringend außer der göttlichen Dreiheit.«90
82 Apodeixis Frgm. 38 (215 L.), bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 155, 22–25 M.). 83 De fide et inc. 8 (201, 26 f. L.). 84 Vgl. Ep. ad Dionysium A 1 (257, 6 f. L.). 85 Ebd. 12 (261, 15–17 L.). 86 Vgl. z. B. De fide et inc. 7 (199, 23 f. L.); Frgm. 137 (240 L.); Ep. ad Dionys. A 3 (258, 2–4 L.). 87 De fide et inc. 6 (198, 16 f. L.); Ep. ad Dionysium A 10 (261, 1 f. L.). 88 De unione 10 (189, 15 f. L.); Apodeixis Frgm. 85, bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 204, 30–205, 1 M.); Frgm. 107 (232 L.). 89 Für die Taufe vgl. z. B. De fide et inc. 5 (196, 26–197, 16 L.): »Denn auch das große und kostbare Geschenk der Christen, das auf den Tod Christi vollzogene Taufbad, wird nicht als etwas Göttliches, sondern als etwas Menschliches gelten, wenn die Sarkosis unseres Herrn Jesus Christus nicht auch zur Trinität zählt.« Vgl. ebd. 7 (199, 19–23 L.); Ep. ad Dionys. A 6 (258, 15–259, 2 L.): »Notwendig müssen die, welche von zwei Naturen reden, die eine anbeten, die andere aber nicht, und sich auf die göttliche taufen lassen, auf die menschliche aber nicht. Wenn wir aber auf den Tod des Herrn getauft werden, bekennen wir eine einzige Natur der nicht leidensfähigen Gottheit und des leidensfähigen Fleisches, damit auf diese Weise unsere Taufe auf Gott und auf den Tod des Herrn vollzogen sei.« Vgl. auch die apolinaristische, im Kern vielleicht von Apolinarius selbst stammende Ep. tertia 2 (308, 5–14 L.). Für die Eucharistie vgl. z. B. Frgm. 116 (235, 8–11 L.): »Es macht uns lebendig sein Fleisch aufgrund der mit ihm wesentlich verbundenen (συνουσιωμε´νην) Gottheit; was aber lebendig macht, ist göttlich; göttlich also ist das Fleisch, weil es mit Gott verbunden wurde; und dieses rettet; wir aber werden gerettet, indem wir an ihm als einer Nahrung teilhaben.« Vgl. Frgm. 155 (249 L.); Frgm. in Mt 26, 26–28 (Nr. 134 Reuss); Frgm. in Joh 6, 54 (Nr. 28 Reuss). Zur Eucharistielehre des Apolinarius vgl. E. Cattaneo, Trois home´lies pseudo-chrysostomiennes sur la Paˆque comme oeuvre d’Apollinaire de Laodice´e. Attribution et e´tude the´ologique, ThH 58, Paris 1981, 140–165. 90 De fide et inc. 4 f. (195, 22–25 L.); vgl. ebd. 5 (196, 26–197, 16 L.), s. o. Anm. 89; ebd. 7 (199, 19–23 L.).
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Aufgrund der rigorosen Anwendung des soteriologischen Prinzips, das zur Begründung der wahren Gottheit des Sohnes und des Geistes führte, rechnet hier ApoIlinaris das mit dem Logos geeinte Fleisch zur Trinität. Zwar sagt er, daß das Fleisch als solches der Gottheit nicht konsubstantial ist, aber es gehört doch, weil als Fleisch Gottes Gott,91 weil mit dem Ungeschaffenen geeint, als ungeschaffen geltend,92 eben wegen der Einigung mit dem Gott Konsubstantialen zur konsubstantialen Trinität.93 Gerade weil das Fleisch neben dem Logos kein eige nes menschliches Subjekt ist, kann es zur heilbringenden Trinität zählen, ohne sie zu einer Quaternität zu erweitern. Dies zu tun, müssen sich alle vorwerfen lassen, die davon reden, daß der Logos einen vollständigen Menschen angenommen habe. Denn wenn diesem Subjekt das Heil zu verdanken wäre, müßten in der Gottheit vier angebetet werden: Gott, der Sohn Gottes, der Menschensohn und der Heilige Geist.94 Auch in dieser Überlegung, mit der Apolinarius die Asebie seiner Gegner aufweisen will, zeigt sich noch einmal die Wirksamkeit des Grundsatzes: Was rettet, ist Gott. Wenn aber einerseits dieser Grundsatz nicht aufgegeben werden kann, wenn andererseits die Konsequenz, die Apolinarius gezogen hat, nicht akzeptabel ist, muß der Fehler in der zweiten Prämisse liegen: Der Satz, daß Christus uns durch seinen Tod vom Tode erlöst hat, darf nicht so verstanden werden, daß die apolinarische Konsequenz folgt. 91
Außer Frgm. 153 und 164 (s. u. Anm. 93) vgl. Frgm. 157 (249, 17–20 L.); De unione 2 (s. u. Anm. 92). 92 Vgl. De unione 2 (186, 2–6 L.): »Auch ist es nicht möglich, den Leib im besonderen als Geschöpf zu bezeichnen, da er durchaus untrennbar ist von dem, dessen Leib er ist, vielmehr teilt er die Bezeichnung des Ungeschaffenen und die Benennung Gottes, weil er mit Gott zur Einheit verbunden ist.« Vgl. Frgm. 143–145 (241 f. L.). 93 Vgl. Frgm. 153 (248, 17–22 L.): »Ohne Sünde also ist der Herr Jesus Christus als Gott, und zusammen mit dem Fleisch ist er dem alleinigen Gott konsubstantial, er der ewige Weltschöpfer, das Fleisch aber ist als Fleisch Gottes Gott, als Fleisch des mit Gott Konsubstantialen ist es ein ihm geeinter, Gott konsubstantialer und nicht getrennter Teil.« Vgl. De unione 8 (188, 9–18 L.); De fide et inc. 4 (195, 18–22 L.); Frgm. 114 (234, 27 f. L.); Frgm. 116 (235 L.), mit der Verbesserung von E. Cattaneo, Trois home´lies (wie Anm. 89), 152. − Die vorhandenen Zeugnisse lassen vermuten, daß Apolinarius sich in diesem Punkt nicht immer unzweideutig geäußert hat. Während er in den oben angeführten Texten mit mehr oder weniger Differenzierungen das Fleisch des Logos an der göttlichen Konsubstantialität beteiligt und in Frgm. 116 sogar erklärt, daß der göttliche Leib Christi dem menschlichen nicht konsubstantial sei (vgl. auch Apodeixis Frgm. 45, bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. [GNO III/1, 165, 7–9 M.]), wehrt er sich an anderen Stellen entschieden gegen die Unterstellung, er sage, das Fleisch sei Gott konsubstantial: vgl. De fide et inc. 3 (194, 17–20 L.); Frgm. 112; 159; 161 f.; 164 (233 f., 253–255; 262 L.); Tomus synod. (263, 10–12 L.). Der dem Apolinarius zunächst durchaus wohl gesonnene Epiphanius erwähnt haer. 30, 28, 3 [GCS NF 10/1, 371, 13 f. Holl u. a.], dieser sage, »der Leib sei der Gottheit konsubstantial«. 94 Vgl. Kata meros pistis (in der Rezension des Leontius) 31 (179 b, 4–11 L.); Apodeixis Frgm. 82, bei Gregor. Nyss., Adv. Apolin. (GNO III/1, 201, 25–27 M.); Quod unus sit Christus 3 (296, 5–15 L.). Das gleiche Argument wird schon in der pseudoathan. or. c. Arianos IV, 21 (PG 28, 500 A-B) gegen Markell vorgetragen. Gegen Markell und Photin gerichtet, findet es sich ähnlich (unabhängig von Apolinarius?) bei Marius Victorinus, Adv. Arium I, 45 (CSEL 83/1, 136 f, 5–23 Henry/Hadot).
Addenda et Corrigenda
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Addenda et Corrigenda S. 419 Anm. 9* K. Seibt hat in seiner Dissertation (Die Theologie des Markell von Ankyra, AKG 59, Berlin/New York 1994), die Fragmente Markells neu geordnet, textkritisch behandelt, übersetzt und kommentiert. Er setzt sich S. 162–168 mit meiner hier abgedruckten Studie auseinander. M. Vinzent folgt in seiner Edition »Markell von Ankyra, Die Fragmente. Der Brief an Julius von Rom«, SVigChr 39, Leiden/New York/Köln 1997, weitestgehend dieser Neuordnung der Texte Markells. S. 433 Anm. 74* M. Vinzent hat in seiner Habilitationsschrift versucht, die in Contra Arianos IV bekämpften Theologen zu ermitteln: Pseudo-Athanasius, Contra Arianos IV. Eine Schrift gegen Asterius von Kappadokien, Eusebius von Caesarea, Markell von Ankyra und Photin von Sirmium, SVigChr 36, Leiden/New York/Köln 1996. Er datiert die in die aktuelle theologische Diskussion eingreifende Schrift, wie schon A. Stegmann, kurz vor den »Synoden von Rom, Antiochien und Serdika (340/342)« (S. 386, Diskussion S. 58–88). Den Apolinarius vermochte er jedoch nicht mit Bestimmtheit als Autor namhaft zu machen, weil ein genauer Vergleich mit den sicheren und vermutlichen Schriften des Apolinarius und anderer Autoren des 4. Jahrhunderts außerhalb seiner Zielsetzung lag.
Die eine Person und die zwei Naturen − Der Weg zur Zweinaturenlehre I. Am 23. Mai des Jahres 451 erließ Kaiser Markian, der Herrscher der Osthälfte des römischen Reiches, zugleich im Namen des Mitkaisers im Westen, Valentinians III. (425–455), ein kurzes Schreiben an die Metropoliten des Reiches, das sie und die von ihnen erwählten Bischöfe zu einer Synode einlud, die am 1. September in der altehrwürdigen Konzilsstadt Nicaea in Bithynien stattfinden und deren Aufgabe es sein sollte, »die ganze Wahrheit zu erforschen, die Machenschaften, mit denen jüngst einige die heilige und orthodoxe Religion verwirrten, zu beseitigen und unseren wahren Glauben für immer deutlicher zu erklären, damit es künftig darüber keinen Zweifel oder Zwiespalt mehr geben könne.«1 1 Die Akten des Konzils von Chalcedon und die dazu gehörigen Briefsammlungen wurden ediert von E. Schwartz in der Reihe Acta Conciliorum Oecumenicorum = ACO II/1/1–II/6, Berlin 1933–38. Das zitierte Einberufungsschreiben (sacra) der Kaiser Valentinian und Markian findet sich ACO II/1/1, 27 f. − Für die im Folgenden berichteten Daten aus der Konziliengeschichte verweise ich pauschal auf einige Gesamtdarstellungen: C. J. von Hefele, Conciliengeschichte. Nach den Quellen bearbeitet, II, Freiburg 21875, 141–544. − E. Schwartz, Über die Reichskonzilien von Theodosius bis Justinian (1921), in: Ders., Zur Geschichte der Alten Kirche und ihres Rechts = Gesammelte Schriften 4, Berlin 1960, 111–158. − E. Caspar, Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft, I: Römische Kirche und Imperium Romanum, Tübingen 1930, 389–564. − Bedeutende, größtenteils nicht überholte Einzeluntersuchungen in: A. Grillmeier/H. Bacht (Hg.), Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart, 3 Bde., Würzburg 1951–1954, 21962. − K. Baus, Die Reichskirche nach Konstantin dem Großen. Erster Halbband: Die Kirche von Nikaia bis Chalkedon, Freiburg 1973, HKG II/1, 113– 120. − F. Winkelmann, Die östlichen Kirchen in der Epoche der christologischen Auseinandersetzungen (5.–7. Jahrhundert), KGE I/6, Berlin 1980 [ 41994], 31–48. − L. R. Wickham, Art. Chalkedon, ökumenische Synode (451), in: TRE 7, 1981, 668–675. − L. Perrone, Von Nicaea (325) nach Chalcedon (451), in: G. Alberigo (Hg.), Geschichte der Konzilien, Düsseldorf 1993, 21–134. − Chr. Fraisse-Coue´/M. Maraval, in: Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur. III: Der lateinische Westen und der byzantinische Osten (431–642), hg. von L. Pietri, Freiburg/Basel/Wien 2001, 3–119. − Zur politischen Geschichte: A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr., HAW III/6, München 1989, 137–169 [ 22007, 169– 204]. − Zur Christologie: A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, I: Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451), Freiburg/Basel/Wien 1979
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Die eine Person und die zwei Naturen − der Weg zur Zweinaturenlehre
Das Konzil, das die größte synodale Versammlung der alten Kirche wurde und das unter der unnachgiebigen Hand des Kaisers tatsächlich den wahren Glauben »aufgesetzt« hat, trat aber erst am 8. Oktober 451 zur ersten Sitzung zusammen, und auch nicht in Nicaea, sondern in dem der Kaiserstadt Konstantinopel gegenüber liegenden Chalcedon am Bosporus, weil einerseits die Legaten des damaligen Papstes Leo die Anwesenheit des Kaisers bei den Verhandlungen unbedingt gefordert hatten, dieser andererseits wegen der jüngsten Einfälle der Hunnen auf dem Balkan sich von Konstantinopel nicht entfernen wollte. Papst Leo, der schon im September 450 vom Kaiser über die Konzilspläne informiert worden war, hatte im Juni 451 ebenfalls das offizielle Einladungsschreiben Markians erhalten. Leo hatte ein solches Konzil zur Bereinigung der voraufgegangenen theologischen und kirchenpolitischen Wirren seit dem Herbst 449 (also schon seit fast zwei Jahren) mehrfach und dringend gefordert, war aber beim unmittelbaren Vorgänger Markians, dem damals von seinem Minister Chrysaphius beherrschten Theodosius II., auf taube Ohren gestoßen. Aber als Theodosius II. überraschend starb, kam es zu einem vollständigen kirchenpolitischen Umschwung, den die Schwester des ehemaligen Kaisers, die Augusta Pulcheria, bewirkte. Sie, die selbstbewußte Enkelin Theodosius d. Gr., heiratete den (von Senat und Volk zum Augustus erhobenen) ehemaligen General Markian (nachdem dieser versprochen hatte, ihre auf ewig gelobte Jungfräulichkeit nicht zu verletzen) und legitimierte dadurch die Thronbesteigung des nicht aus kaiserlichem Hause stammenden Markian. Der neue Kaiser, vollauf mit der Abwehr der Hunnen auf dem Balkan beschäftigt, überließ die Kirchenpolitik weitgehend seiner energischen kai serlichen Gemahlin Pulcheria. So wurde Chrysaphius, der allmächtige Ratgeber ihres Bruders Theodosius, beseitigt, und Papst Leo erhielt ebenso wie die übrigen Erzbischöfe des Reiches die Einladung zum Konzil: Er möge selbst kommen oder aber Legaten schicken. Dem Papste kam das Konzil nun gar nicht mehr gelegen und er bat den Kaiser − freilich zu spät − um Aufschub auf einen günstigeren Termin. Warum? Die theologischen und kirchlichen Forderungen, die Leo seit zwei Jahren an den Osten gerichtet hatte, waren auf Betreiben Pulcherias eigentlich schon erfüllt worden. Wegen der durch Attilas Feldzüge verursachten Kriegswirren konnten die Bischöfe des Westens ihre Kirchen nicht verlassen, und so fürchtete Leo neue Disputationen über den Glauben, bei denen der gering vertretene Westen unterliegen würde. Er fürchtete, daß es dem Konzil nicht gelingen werde, eine dauerhafte klare Ordnung in das voraufgegangene theologische und kirchliche Chaos zu bringen.
[ 31990], besonders 637–775. − A. M. Ritter, in: HDThG 1, 1982 [ 21999], 222–270. − K. Beyschlag, Grundriss der Dogmengeschichte. II: Gott und Mensch. Teil 1: Das christologische Dogma, Darmstadt 1991.
I. Die christologische Formel von Chalcedon
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Was war voraufgegangen und worin sollte das Konzil theologische Ordnung schaffen? Mit dieser Frage kommen wir zur unmittelbaren Vorgeschichte des Konzils von Chalcedon, über die ich so kurz wie möglich berichte. In den letzten Monaten des Jahres 448 war der greise Presbyter und Erzabt eines Klosters in Konstantinopel mit Namen Eutyches auf einer unter dem Patriarchen Flavian tagenden (sog. endemischen) Synode wegen einer christologischen Häresie angeklagt und nach dramatischen Verhandlungen schließlich − unter den (bei solchen Gelegenheiten obligaten) »Tränen und Seufzern« der bischöflichen Richter »über seine gänzliche Verlorenheit« − wegen Apolinarismus und Valentinianismus verurteilt und abgesetzt worden.2 Worin bestand seine Häresie, die man als Apolinarismus und Valentinianismus brandmarkte? Eutyches hatte erklärt, er bete nach der Menschwerdung des Gott-Logos, d. h. nach seiner Geburt (aus Maria) eine einzige Natur (mian physin) des fleisch- und menschgewordenen Gottes, des Herrn Jesus Christus, an. Daß dieser aus zwei der Hypostase nach geeinten Naturen entstanden sei, könne er nicht zugeben, noch werde er eine Physiologie seines Gottes betreiben. Er bekenne, daß der aus Maria Geborene vollkommener Gott und vollkommener Mensch sei; aber auch daß er nicht ein Fleisch besitze, das mit uns konsubstantial (homoousion) sei. Die heilige Jungfrau, aus der Gott Fleisch wurde, sei mit uns konsubstantial (d. h. sie habe einen Leib wie alle Menschen, sie sei ein Mensch wie die übrigen Menschen). Aber Christi Leib sei der Leib Gottes, nicht der Leib eines Menschen, und deswegen nicht mit uns konsubstantial (d. h. Christus ist nicht ein Mensch wie wir).3 Im Laufe der Verhandlungen akzeptierte er schließlich, daß Christus »vor der Einigung (d. h. vor der Menschwerdung) aus zwei Naturen geworden sei«, aber er beharrte auf dem Bekenntnis, daß er »nach der Einigung eine einzige Natur sei«.4 Diese Formeln, daß der menschgewordene göttliche Logos nur eine einzige Natur sei, daß er nicht einen Leib habe, der allen übrigen Menschen konsubstantial sei, daß er also nicht ein Mensch sei wie alle anderen Menschen, diese Formeln stammen von dem vielleicht intelligentesten Theologen der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, dem Athanasius-Freund und -Gefolgsmann Apolinarius, dem Bischof des syrischen Laodicea, dessen Christologie jedoch auf der zweiten ökumenischen Synode in Konstantinopel (381) verurteilt worden war und dem später der große Bischof Theodor von Mopsuestia valentinianischen (also gnostischen) Doketismus nachgewiesen hat.5 2 Die Protokolle der endemischen Synode von Konstantinopel 448 sind innerhalb der Akten des Konzils von Chalcedon (451) überliefert. E. Schwartz hat sie gesondert zusammengestellt und kommentiert: Der Prozeß des Eutyches, SBAW.PH 1929, 5. Der Urteilsspruch über Eutyches ebd. 27. 3 Die Aussagen des Eutyches ebd., 14 f. 17. 24. 25. 4 Ebd. 25. 5 Das Konzil von Konstantinopel (381) hat in seinem ersten Kanon die Häresie der Apolinaristen verurteilt. Den Aufweis des implizierten Doketismus der arianischen und ebenso apolinaristischen Christologie findet man z. B. bei Theodor von Mopsuestia, Katech.
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Eutyches wurde also zu Recht des Apolinarismus und Valentinianismus beschuldigt. Allerdings konnte sich der Archimandrit Eutyches für seine Formel »eine einzige Natur nach der Einigung« auf eine inzwischen in Ost und West höchst angesehene Autorität berufen, auf Kyrill nämlich, den ruhmreichen Patriarchen von Alexandria. Dieser hatte die Formel, weil er glaubte, sie stamme vom Haupte der Orthodoxie des vierten Jahrhunderts, dem großen Athanasius, auf seine Fahnen geschrieben, unter denen er und sein Anhang in Ephesus 431 erfolgreich gegen die Zwei-Naturen-Lehre des Nestorius, des unglücklichen Patriarchen von Konstantinopel, und schließlich gegen alle ihre Verfechter zu Felde gezogen war. Die Formel stammte aber, wie gesagt, von Apolinarius, der sie ehemals ebenso kühn wie hartnäckig gegen jede Zwei-Naturen-Lehre formuliert hatte. Dessen listige Schüler hatten, um die Theologie ihres 381 verurteilten Meisters für die Nachwelt zu retten, seine Schriften unter dem Namen unverdächtiger Päpste und geachteter Väter, vor allem unter dem Namen des Athanasius, in Umlauf gebracht.6 Die Fälschung ist geglückt. Unter dem Namen des Athanasius las Kyrill, der mächtige Patriarch von Alexandria, die Schriften des Apolinarius, und so kämpften er und nach seinem Tode (444) seine geschworenen Anhänger, allen voran Eutyches in Konstantinopel, mit dem Schlachtruf des Ketzers gegen alles, was nach einer Zwei-Naturen-Lehre schmeckte. Eutyches verteidigte, was Kyrill von Alexandria bis zuletzt verteidigt hatte, und fühlte sich deswegen zu Unrecht verurteilt.7 Homilie 5, 9; in der Übersetzung von P. Bruns, FC 17/1, Freiburg/Basel/Wien 1994, 140 f. 6 Zur Geschichte und Rekonstruktion der Schriften des Apolinarius siehe H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea. Texte und Untersuchungen, Tübingen 1904; ebd. 250, 7–251, 2 die Leugnung der »zwei Naturen« und die dann zum Schlagwort werdende Formel von der »einzigen fleischgewordenen Natur des Gott-Logos« innerhalb des im Jahre 363 geschriebenen, an Kaiser Jovian gerichteten und unter dem Namen des Athanasius überlieferten Glaubensbekenntnisses. Zur Geschichte, Schriften, Theologie und Nachwirkung des Laodizeners siehe den zusammenfassenden Artikel von E. Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, in: TRE 3, 1978, 362–371. 7 H. Lietzmann, Apollinaris (wie Anm. 6), 91 f., führt die apolinaristischen Schriften auf, die Kyrill zitiert. Schon im Jahre 429 verweist dieser in seiner Schrift »De recta fide ad reginas« auf die christologische Formel aus dem in der Anmerkung zuvor genannten Glaubensbekenntnis des Apolinarius, das er unter dem Namen des Athanasius anführt (ACO I/1/5, 65, 25–28 Sch.). Die fast wörtliche eutychianische Fassung der Formel findet man z. B. in seinem Brief 40 vom Sommer 433 an Acacius von Melitene (ACO I/1/4, 26, 7–9 Sch.): »Wir sagen, dass zwei Naturen geeint wurden, nach der Einigung, so glauben wir, dass es eine einzige Natur des Sohnes sei, da er ein einziger ist, allerdings des Mensch und Fleisch gewordenen (Sohnes).« Ebd. (ACO I/1/4, 29, 20 ff. Sch.) sucht sich Kyrill gegenüber dem Vorwurf des Apolinarismus zu rechtfertigen. Für die Formel »eine einzige Natur nach der Einigung« tritt er wiederholt in seinen beiden Briefen an Succensus von Diocaesarea ein, vgl. z. B. Ep. 45, Ad Succensum I (ACO I/1/6, 153, 20–23 Sch.); Ep. 46, Ad Succensum II (ACO I/1/6, 158, 26; 160, 1–2; 161, 26–162, 4 Sch.). Noch in Chalcedon behauptet der Kyrillianer Eustathius von Berytos, die Formel von »der einzigen fleischgewordenen Natur des Logos«, an der er mit Dioskur und den Ägyptern festhält, stamme von Athanasius (ACO II/1/1, 112, 26–28 Sch.).
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Aber was bedeuten seine Formeln eigentlich: Jesus Christus − eine einzige Natur, nicht mit den Menschen konsubstantial? Und warum sind sie dem Eutyches so wichtig? Was glaubt er zu verlieren, wenn er sie preisgibt (und zugesteht, daß Jesus Christus nach der Inkarnation in einer göttlichen und menschlichen Natur, also in zwei Naturen, sei und daß er einen menschlichen Leib habe wie auch wir?) Es geht dem Eutyches, wenn er sagt, daß er nicht eine Physiologie seines Gottes Jesus Christus betreiben will, d. h. daß er ihn nicht in zwei physeis, zwei natürliche Wirklichkeiten, eine göttliche und eine menschliche, auseinanderreißen will, um die Einheit und Einzigkeit des göttlichen Erlösers. Der Erlöser, der für die Menschen den Tod am Kreuz gestorben ist, muß einer und ein einziger sein und er muß Gott sein, denn: nur Gott kann den Menschen erlösen. Der Erlöser muß ein einziges göttliches Subjekt sein. Wenn der göttliche Logos (in der Inkarnation) die menschliche Natur angenommen hat, dann kann das nur so geschehen sein, daß daraus ein einziges Subjekt, und zwar ein göttliches, resultiert. Die »einzige Natur« Jesu Christi, auf der Eutyches beharrt, bedeutet eben dies, daß der Erlöser Jesus Christus ein einziges göttliches Subjekt ist. Seine Menschheit ist in diesem göttlichen Subjekt aufgegangen, und deswegen ist der Leib Jesu Christi nicht mit uns konsubstantial. Die Konsubstantialität mit Gott schließt die Konsubstantialität mit den Menschen aus. Aber auch für jene, die den Eutyches verurteilt haben und von zwei Naturen, der vollen göttlichen und der vollen menschlichen in Jesus Christus sprechen, ist es absolut selbstverständlich und unaufgebbar, daß Jesus Christus ein einziges Subjekt ist. Eben darum sprechen sie von der einzigen Person oder Hypostase, zu der Gottheit und Menschheit in Jesus Christus geeint sind. Jedoch beharren sie darauf, daß der göttliche Logos in der Inkarnation eine solche menschliche Natur angenommen hat, die mit uns konsubstantial ist; denn nach einem Grundsatz, den der Kappadozier Gregor von Nazianz im vierten Jahrhundert gegen Apolinarius formuliert hat, ist der ganze Mensch nur erlöst, wenn auch der ganze Mensch vom göttlichen Logos angenommen wurde.8 Eutyches und seinen Richtern geht es theologisch eigentlich um dieselbe Sache: um die Erlösung des Menschen, die nur von Gott kommen kann. Warum können sie sich nicht einigen? Diese Frage läßt sich einleuchtend nur im größeren Zusammenhang beantworten, wenn wir den Punkt aufsuchen, an dem der gordische Knoten der christologischen Frage geknüpft wurde. Ich übergehe diese Frage zunächst − sie wird uns im 2. Teil des Vortrags beschäftigen − und berichte jetzt weiter über den folgenden Sieg des Eutyches auf einer ökumenischen Synode in Ephesus 449 und seine endgültige Niederlage auf dem Konzil von Chalcedon. Eutyches (der, wie er dem Papst Leo klagte, sein Leben außer durch den Beistand Gottes und die Gebete Leos nur mit Hilfe der mitgebrachten militä8 Gregor von Nazianz, Ep. 101, 32 (SC 208, 50, 2 f. Gallay): »Was nicht angenommen worden ist, ist nicht geheilt; was jedoch Gott geeint ist, das wird auch gerettet.«
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rischen Bedeckung retten konnte9), gab seine Sache nicht verloren. Er appellierte an die Bischöfe von Alexandria, Jerusalem, Thessaloniki, Ravenna und Rom, und bat um synodale Rehabilitierung. Daß er zu Unrecht als Häretiker verurteilt worden war, suchte er insbesondere durch eine Sammlung von einschlägigen Exzerpten aus Väterschriften zu beweisen. Dieses Florileg bestand freilich fast ausnahmslos aus apolinaristischen Fälschungen.10 Aufgrund seiner vorzüglichen Beziehungen zum Kaiserhofe − Eutyches war der Taufpate des bei Theodosius II. überaus einflußreichen Ministers, des Eunuchen Chrysaphius, − erreichte der abgesetzte Mönchsführer, daß der Kaiser zum 1. August 449 ein Reichskonzil nach Ephesus einberief, das seine Verurteilung durch die Synode des Flavian überprüfen sollte. Der Erzbischof Flavian hatte vergeblich versucht, dieses Konzil zu verhindern. Er wußte, daß dabei nichts Gutes herauskommen konnte. Flavian hatte auch Papst Leo unterrichtet und ihm die Akten der Konstantinopler endemischen Synode von 448, auf der Eutyches abgesetzt worden war, zugesandt. In einem großen, berühmt gewordenen, an den Patriarchen von Konstantinopel gerichteten Lehrschreiben, dem sog. Tomus ad Flavianum, gab Leo seine Antwort auf die christologischen Ansichten des Eutyches. Das Bekenntnis zur einzigen Natur Christi nach der Einigung, an dem Eutyches in treuer Gefolgschaft seines Lehrers Kyrill bis zuletzt festgehalten hatte, bezeichnete Leo in seinem Lehrschreiben als »absurd« und »pervers«, als »über die Maßen töricht« und »ebenso blasphemisch«.11 Leo gab selbst eine breite und ausführliche Darstellung seiner Christologie und wagte damit als erster Papst in den dogmatischen Streitigkeiten des Ostens theologisch argumentierend Stellung zu beziehen. Allerdings verstand Leo kein Griechisch, hatte die Diskussion im Osten nicht verfolgt und den eigentlichen Streitpunkt, nämlich die Frage nach der Einheit und Einzigkeit des Erlösers, nicht erfaßt. So greift er in seinen Formulierungen − direkt oder indirekt − die christologische Terminologie Tertullians vom Anfang des 3. Jhs. auf und spricht von dem Zusammenkommen zweier (in ihrer Eigentümlichkeit unversehrter) Naturen, nämlich der göttlichen und menschlichen Natur, in der Einheit einer Person (nämlich Jesu
9 Eutyches, Libellus appellationis ad Papam Leonem, ed. E. Schwartz, Der Prozeß des Eutyches (wie Anm. 2), 32. 10 E. Schwartz, Der Prozeß des Eutyches (wie Anm. 2), 32. 88; die apolinaristischen Texte sind aufgeführt bei H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule (wie Anm. 6), 92 f. 11 Leo, Ep. ad Flavianum (Nr. 180–184 Silva-Tarouca, ACO IV/1, 172, 2–6 Straub): Nach dem Zitat des Bekenntnisses des Eutyches urteilt Leo: ». . . miror tam absurdam tamque peruersam professionem nulla iudicantium increpatione reprehensam et sermonem nimis insipientem minusque blasphemum ita omissum, quasi nihil quod offenderet, esset auditum, cum tam impie duarum naturarum ante incarnationem unigenitus dei filius fuisse dicatur quam nefarie, postquam verbum caro factum est, natura in eo singularis adseritur.« Die Formel von »der einen fleischgewordenen Natur des Wortes« verurteilt Leo auch im Brief 88 vom 24. Juni 451 an seinen Legaten Paschasinus (ACO II/4, 46, 15–18 Sch.).
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Christi),12 redet aber auch, weil er es versäumt hat, die Begriffe »Natur« und »Person« zu definieren oder wenigstens zu umschreiben, ebenso forsch wie unbedacht, von den beiden Naturen wie von zwei selbständig handelnden Subjekten,13 scheint also zwei Handlungssubjekte in die eine Person Christi einzuführen und damit die Einheit und Einzigkeit des erlösenden Subjekts preiszugeben. So gleicht seine christologische Formel und Ausdrucksweise (zwei Naturen in einer Person) ziemlich genau jener des ehemaligen Patriarchen von Konstantinopel Nestorius, den dessen ärgster Widersacher, der Erzbischof Kyrill von Alexandria, auf seiner schismatischen Synode in Ephesus 431 mit Unterstützung und Zustimmung des Papstes Coelestin (422–432) und seines damaligen Erzdiakons Leo (!) verurteilt und abgesetzt hatte. Und Leos christologische Formel widerspricht diametral jener Formel von der einen fleischgewordenen Natur des Gott-Logos, die Kyrill − zunächst ohne sein Wissen − vom verurteilten Apolinarius übernommen, bis zuletzt verteidigt und seinen Anhängern und eben auch dem Archimandriten Eutyches vererbt hatte. Dem geschickten Taktiker Kyrill aber, der den Vorsitz auf der ökumenischen Synode von Ephesus 431 usurpiert hatte, dessen Synode vom Kaiser Theodosius II. für rechtswidrig und nichtig erklärt,14 dessen Verurteilung und Absetzung als Häretiker (durch die Gegensynode des Johannes von Antiochien) von eben diesem Kaiser bestätigt worden war,15 gelang es in den Jahren danach, nicht nur den Bischofsthron von Alexandria wieder zu erlangen, sondern auch sein schismatisches Konzil (das den Nestorius wegen seiner Zwei-Naturenlehre verurteilt hatte) mit Hilfe unermeßlicher Bestechungsgelder, die an den Kaiserhof gingen, und durch den Druck demonstrierender konstantinopler Mönche als heiliges, ökumenisches Konzil durchzusetzen. (Es ist unser 3. ökumenisches Konzil).16 Die Anerkennung des römischen Papstes Sixtus, des Nachfolgers des 432 gestorbenen Coelestin, hat sich Kyrill durch ein geschicktes sprachliches Täuschungsmanöver erwirkt.17 12
Leo, Ep. ad Flav. (Nr. 54–62 S.-T., ACO IV/1, 168, 36–169, 3 St.). Leo, Ep. ad Flav. (Nr. 94 S.-T., ACO IV/1, 169, 32–34 St.): »agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est, verbo scilicet operante quod verbi est, et carne exsequente quod carnis est.« Dieses christologische Schema und die Terminologie gehen auf Tertullian zurück, vgl. dessen Schrift Adv. Prax. 27, 11 (CChr.SL 2, 1119 f., 58–68 Kroymann/Evans). 14 Schreiben Theodosius II. vom 29. Juni 431 an die Synodalen von Ephesus (ACO I/1/3, 10, 3–12 Sch.). 15 Sacra des Kaisers an die Synodalen von Ephesus (ACO I/1/3, 31, 22–27 Sch.). Bestätigung der Rechtswidrigkeit der Synode Kyrills und seiner Absetzung auch im Brief des Comes Irenaeus (ACO I/1/5, 135 f. Sch.). 16 Siehe z. B. die Auflistung der Geschenke und Geldsummen im Directorium Kyrills für seinen Archidiakon Epiphanius (ACO I/4, 222–225 Sch.). 17 Siehe dazu M. Richard, Le Pape saint Le´on le Grand et les »Scholia de Incarnatione Unigeniti« de saint Cyrille d’Alexandrie, in: Me´langes Jules Lebreton, RSR 39–40, 1951– 52, 116–129, erneut in: Ders., Opera minora II, Turnhout/Leuven 1977, Nr. 53. 13
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Jetzt verurteilte Papst Leo in Eutyches, was seine Vorgänger und er selbst (ohne Wissen) in Kyrill bestätigt hatten, und er lehrte in seinem Schreiben an den Patriarchen Flavian − und verlangte dafür vom bevorstehenden ökumenischen Konzil die bedingungslose Anerkennung −, was seine Vorgänger und er selbst ohne gerechte Prüfung in Nestorius verurteilt hatten. Die theologische und kirchenpolitische Konfusion konnte nicht größer sein. Das war die Situation, in der der schwache und wankelmütige Kaiser Theodosius II. auf Betreiben seines Ministers Chrysaphius zum 1. August des Jahres 449 ein ökumenisches Konzil nach Ephesus berief, welches Eutyches rehabilitieren sollte. Präsident des Konzils war nach dem Willen des Kaisers Kyrills ehemaliger Archidiakon und Nachfolger, der Erzbischof Dioskur von Alexandria, ein enger Verbündeter des Eutyches und ein ebenso rigoroser Verfechter der kyrillischen Christologie, die er − wie Eutyches − auf die Formel von der »einzigen Natur des Gott-Logos nach der Einigung« komprimiert hatte. Das Ergebnis des Konzils stand von Anfang an fest. In einem scheinbar formgerechten Verfahren wurde Eutyches für rechtgläubig erklärt, Flavian von Konstantinopel abgesetzt.18 Leos Brief an die Synode durfte trotz wiederholter Bitten der päpstlichen Legaten nicht verlesen werden. Ohnehin war klar, daß der Papst auf diesem Konzil, das jeden Vertreter der Zwei-Naturen-Lehre in Stücke hacken wollte,19 eher als Nestorianer verschrien als gehört werden konnte. Zaudernde Bischöfe, die dem über Flavian ergangenen Urteil nicht zustimmen wollten, wurden durch drohende syrische Mönchtrupps, schlagkräftige ägyptische Krankenpfleger und die Knüppel und blanken Schwerter der Soldaten des Polizeiaufgebotes der Konstantinopler Comites zur Unterschrift gebracht oder retteten ihr Gewissen und ihr Leben durch die Flucht. Leo protestierte in einem Schreiben vom Oktober 449 bei Theodosius II. gegen das von Dioskur begangene »verruchte Verbrechen, das alle Sakrilegien übersteige«, und verlangte vom Kaiser die Einberufung einer ökumenischen Synode nach Italien zur Wiederherstellung der Glaubenseinheit.20 Aber der Papst erhielt vom Kaiser keine Antwort, auch nicht, als er am Vorweihnachtstag desselben Jahres nochmals geschrieben hatte. Erst auf eine Intervention des westlichen Kaisers Valentinian III., seines Vetters und Schwagers, und der Kaiserinmutter Galla Placidia, seiner Tante, antwortete schließlich Theodosius II., in Ephesus sei alles rechtmäßig verlaufen; der Glaube der Väter sei gegen die Eine sehr umsichtige Untersuchung der Zeugnisse bietet W. de Vries, Das Konzil von Ephesus 449, eine »Räubersynode«?, OCP 41, 1975, 357–398. 19 Siehe die Akten des Konzils von Ephesus 449 (verlesen und überliefert innerhalb der ersten Sitzung des Konzils von Chalcedon 451), ACO II/1/1, 140, 25 f. Sch.: Gegen Eusebius von Doryläum, den Ankläger des Eutyches im Prozeß von 448, der von diesem das Bekenntnis zu den zwei Naturen und der Konsubstanzialität Christi »dem Fleische nach« verlangt hatte, schrien die Ägypter: »Bringt ihn um, verbrennt den Eusebius! Bei lebendigem Leib soll er brennen! Zerhackt ihn in zwei Stücke, ihn, der Christus spaltet!« Die Ägypter bleiben auch in Chalcedon bei ihrer Auffassung, siehe ACO II/1/1, Nr. 497. 20 Leo, Ep. 44, An Kaiser Theodosius (ACO I/4, 19, 11–21, 9; Zitat 20, 10 f. Sch.). 18
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Neuerung Flavians bewahrt worden.21 Die kyrillische Ein-Naturen-Lehre in Gestalt des Monophysitismus des Eutyches hatte im Osten dank der Gewaltpolitik des Patriarchen von Alexandria Dioskur fast auf ganzer Front gesiegt. Dabei wäre es vielleicht geblieben, auch der Westen würde das Konzil von 449, das Leo später als »Räubersynode« bezeichnet hat,22 möglicherweise schließlich doch noch als ökumenisches anerkannt haben (wie er sich ja auch später von Justinian zur Anerkennung des fatalen 5. ökumenischen Konzils hat zwingen lassen). Wir alle wären heute vielleicht Monophysiten wie Eutyches und Dioskur, wenn nicht Theodosius II. am 28. Juli 450 bei der Jagd vom Pferde gestürzt und gestorben wäre. Das Konzil, das jetzt die Kaiserin Pulcheria und ihr Gemahl Markian im Oktober 451 in Chalcedon zusammenbrachten, um die drohende Spaltung mit dem Westen zu verhindern und durch die wieder vereinten kirchlichen Gebete das von Attila bedrohte Reich zu retten,23 kehrte die theologischen und kirchenpolitischen Verhältnisse vollständig um. Der streitbare Mönch Eutyches und der allgewaltige Patriarch Dioskur wurden abgesetzt und in die Verbannung geschickt. Die einander feindlich gesinnten bischöflichen Parteien wurden unter dem unnachgiebigen Druck der neunzehn höchsten Reichsbeamten, denen der Kaiser die Leitung des Konzils übergeben hatte, und durch die Drohung (falls sie sich nicht auf eine auch vom Westen akzeptierte Glaubenserklärung einigen könnten), ein neues Konzil in Rom einzuberufen, dazu gebracht, ihr Widerstreben zu überwinden und eine Glaubensformel anzunehmen, deren feierliche Verlesung und Unterzeichnung in der Sitzung vom 25. Oktober durch die Anwesenheit des Kaiserpaares und die voraufgehende lateinische Ansprache des Kaisers zu einem Staatsakt wurde. Hierin wurde nun die von Kyrill, Eutyches und Dioskur nie aufgegebene Formel von »der einzigen Natur Jesu Christi nach der Einigung« mit dem Bannfluch belegt24 und dagegen gelehrt, daß der eine und selbe (Sohn und Herr) Jesus Christus wahrhaftig Gott und Mensch sei, und zwar so, daß die beiden Naturen, die Natur der Gottheit und die Natur der Menschheit, in einer einzigen Person oder Hypostase zusammenkommen, ohne daß die Unterschiedenheit dieser Naturen in irgendeiner Weise aufgehoben oder ihre Einheit in zwei Personen auseinandergerissen würde.25 Jesus Christus steht vor uns als eine Person (oder Hypostase; die Begriffe haben hier dieselbe Bedeutung) in zwei unterschiedlichen Naturen.26 Wie ist 21 Schreiben Theodosius II. an Kaiser Valentinian III. und die Kaiserinnen Galla Placidia und Eudoxia vom 3. April 450 (ACO II/3, 15–17 Sch.). 22 Leo, Ep. 95 vom 20. Juli 451, an Kaiserin Pulcheria (ACO II/4, 51, 4 f. Sch.). 23 Zweites Schreiben des Kaisers Markian an die Synodalen (ACO II/1/1, 28 f. Sch.). 24 Glaubensdefinition von Chalcedon, in: Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 1 Konzilien des ersten Jahrtausends, hg. von J. Wohlmuth, Paderborn 31998, 86, 10–13. 25 Glaubensdefinition von Chalcedon, ebd. 86, 14–87, 2; deutsche Übersetzung im Paralleldruck. 26 Eine knappe, treffende Analyse der christologischen Definition bei L. Abramowski,
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das zu verstehen? Das klingt zunächst sehr klar, ausgewogen und logisch. Hier ist die Einheit und Einzigkeit des Subjekts des Erlösers gewahrt und zugleich das vollkommene, unveränderte Gottsein (das die Erlösung verbürgt) und das vollkommene, unverletzte Menschsein (das die Erlösung des ganzen Menschen garantieren soll). Aber die Formel ist nur scheinbar klar. In Wirklichkeit sind die Probleme, über die jahrzehntelang gestritten wurde, zugedeckt, nicht gelöst. Das wird sofort erkennbar, wenn wir fragen, welche Realitäten sich hinter den Begriffen »Natur« und »Person« oder »Hypostase« verbergen. Das hat das Konzil nicht erklärt. Jesus Christus wird als eine einzige Person (oder Hypostase) bezeichnet. Welcher Person-Begriff ist hier verwendet? Was ist das für eine Person? Eine göttliche? Eine menschliche? Oder − da in dieser einen Person göttliche und menschliche »Natur« vereinigt sind − eine ganz neuartige Person, für die der Begriff »Person« im eigentlichen Sinn gar nicht zutreffen kann? Und wie steht es mit der Realität der göttlichen und der menschlichen »Natur«, die, wie das Konzil sagt, in dieser einen »Person« Jesu Christi zusammenkommen? Wird die göttliche Natur Mensch? Folgt man der Glaubensdefinition des ökumenischen Konzils von Konstantinopel (381) − auf welche das Chalcedonense ausdrücklich Bezug nimmt −, dann ist die eine göttliche Natur oder das eine göttliche Wesen (die ousia, wie es auch heißt), als solche und für sich genommen nicht eine eigene Realität. Real sind die drei trinitarischen Personen oder Hypostasen der einen göttlichen Natur: Vater, Sohn und Hl. Geist. Nicht die göttliche Natur als solche wird Mensch, sondern die göttliche Person oder Hypostase des Logos. Wie verhält sich dieser trinitarische Person-Begriff zum christologischen von Chalcedon? Und weiter: Was ist eigentlich und welche Realität hat »die menschliche Natur«, die mit der göttlichen zu der einzigen Person Jesu Christi zusammenkommt? Jesus Christus ist wahrer Mensch (sagt das Konzil); er ist nicht eine wahre menschliche Natur (die als solche so wenig existiert wie die göttliche Natur als solche), sondern er ist eine wahre menschliche Person (wie wir) − es sei denn wir streichen − wie die verurteilten Apolinarius und Eutyches −, daß er mit uns konsubstantial ist, d. h. in allem ein Mensch wie wir (ausgenommen die Sünde) − was aber doch das Konzil ausdrücklich lehrt. So sind denn in Jesus Christus, wenn wir die Formel von Chalcedon in kategoriale Sprache übersetzen, eine göttliche Person und eine menschliche Person in einer Person vereint. Die logische und ontologische Aporie wird noch größer, wenn wir uns klar machen, daß die trinitarische Formel des Konzils von Konstantinopel (381), (nämlich daß Vater, Sohn und Hl. Geist drei »Personen« eines »Wesens« oder
Der Christusglaube der Konzilien, in: W. Brandmüller (Hg.), Wer ist Jesus Christus? Mythen, Glaube, Geschichte, Aachen 1995, 237–273, hier 266–272.
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einer »Natur« sind) nicht etwa eine kategoriale Definition des göttlichen »Wesens« und der göttlichen »Person« und ihres gegenseitigen Verhältnisses enthält, sondern nur als Chiffre für Gottes unbegreifbares Sein aufgefaßt werden kann. Niemand kann definieren, was eine göttliche Person in sich und im Verhältnis zur göttlichen Natur ist.27 All diese Unbekannten und Unbestimmten stecken in der christologischen Definition und machen die zunächst so ausgewogen und logisch erscheinende Formel vollständig aporetisch, wenn und solange sie als eine kategoriale Aussage über Gott und Jesus Christus verstanden wird. Daß sie aber so verstanden wurde, beweisen die Jahrhunderte währenden christologischen Debatten nach Chalcedon, die bis heute zu keiner allseits akzeptierten Lösung geführt haben. Wenn das so ist, muß man dann nicht erwägen, ob die christologische Frage, so wie sie gestellt wurde und zu ausnahmslos aporetischen Antworten geführt hat, nicht vielleicht auf der falschen Ebene gestellt wurde? Aber wie kommt es überhaupt zu dieser Fragestellung, die eine solche aporetische Antwort hervorgerufen hat? Diesem Thema müssen wir uns jetzt zuwenden, indem ich versuche − mit möglichst einfachen Strichen − den Weg zur Zwei-Naturen-Lehre nachzuzeichnen und damit die Ursachen dafür aufzuzeigen, daß die so verhandelte christologische Frage im Dilemma enden mußte.
II. Alle Christologien, angefangen von denen der Monarchianer im zweiten Jahrhundert und ihres Gegners Tertullian bis zur Ausbildung der klassischen, auf den Aussagen von Chalcedon beruhenden Christologie, versuchen den Satz zu interpretieren, daß Jesus Christus, der Sohn Gottes, uns durch seinen Tod erlöst hat. Dieser Satz, der von den ersten Zeugen der Auferstehung Jesu herrührt,28 ist für das Christentum grundlegend. Aber dieser Satz ist im Laufe der christlichen Geschichte nicht immer gleich verstanden worden. Er ändert seinen Sinn und damit die jeweils eingeschlossene Problematik je nach der Interpretation, die erstens Jesus Christus und zweitens die Erlösung erfährt. In der Hauptsache sind es zwei Faktoren, die unsere Christologie hervorgebracht haben: einmal die Bibel und sodann die hellenistisch-römische Philosophie der Spätantike. Dabei, war das, was ich das soteriologische Interesse nenne − ich werde das alsbald näher erklären −, der Motor und zugleich der Katalysator der jeweiligen Gestalt der christologischen Formulierungen.
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Siehe meinen Beitrag: Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea, in: Für euch Bischof − mit euch Christ. FS Friedrich Kardinal Wetter, hg. von M. Weitlauff/P. Neuner, St. Ottilien 1998, 123–156, bes. 149–156 [erneut oben S. 291–325, besonders S. 316–323]. 28 Z. B. 1 Kor 1, 18. 23 f.; Gal 3, 13; Röm 3, 25; 5, 6–11. 19.
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Man muß sich, um den Weg der frühkirchlichen Christusauffassung zu verstehen, zuerst in Erinnerung rufen, daß das Christentum aus dem Judentum stammt, daß die Christen lange Zeit, z. T. bis über die Zerstörung des jüdischen Tempels 70 n. Chr. hinaus, nichts anderes als eine jüdische, partikuläre Sekte sind. Das bedeutet, daß die Christen mit den Juden den Glauben und die Sittenlehre, lange Zeit sogar den Gottesdienst gemeinsam haben. Der Glaube der Juden, das ist vor allem der Monotheismus, der Glaube, daß nur ein einziger Gott ist, der Himmel und Erde erschaffen hat. (Das einzige Dogma der Juden.) Der rigorose Monotheismus, der die Juden vor allen antiken Religionen auszeichnet, ist auch der Glaube der Christen. Auch sie sind von Anfang an rigorose Monotheisten (und bleiben es bis heute); um dieses Monotheismus willen gehen viele Christen bis zur konstantinischen Wende in den Tod. Ein römischer Christ (namens Hermas) hat diesen christlichen Glauben etwa in der Mitte des 2. Jhs. so formuliert: »An erster Stelle glaube, daß Gott ein einziger ist, der das All geschaffen und ausgestattet und alles aus dem Nichtsein ins Sein gebracht hat; und der alles umfaßt, allein aber unfaßbar ist. Glaube ihm also und fürchte ihn, lebe in dieser Furcht enthaltsam! Halte das ein, dann wirst du alle Schlechtigkeit von dir werfen, wirst jede Tugend der Gerechtigkeit annehmen und für Gott leben, wenn du dieses Gebot hältst!«29 Hier hängt das ganze Christentum am Glauben an den einen Gott. Christsein heißt, diesem einzigen Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde, zu glauben und seinen Geboten zu gehorchen. (Sie werden bemerkt haben, daß hier weder von Jesus noch vom Sohn Gottes noch vom Hl. Geist ausdrücklich die Rede ist. Inwiefern sie doch in den Glauben an den einzigen Gott eingeschlossen sind, werde ich gleich erklären.) Auch andere Formulierungen des christlichen Glaubens dieser Zeit lauten so wie die des Hermas.30 Wie aber sprachen die Christen von Jesus Christus? Zunächst in den Kategorien, die ihre Ursprungsreligion, das Judentum, zur Verfügung stellte, und jedenfalls immer so, daß der Monotheismus nicht verletzt wurde. Um nur eine, zunächst wohl auch die wichtigste dieser Kategorien zu nennen: Jesus galt ihnen als der endzeitliche Heilsbringer Gottes, der Messias, der »Knecht Gottes«, und 29 Hermas, Der Hirte, erstes Gebot, übersetzt in Anlehung an N. Brox, Der Hirt des Hermas, übersetzt und erklärt, KAV 7, Göttingen 1991, 191. Zur folgenden Darstellung vgl. meinen Aufsatz (mit ausführlichen Belegen): Zum christlichen Gottesglauben im zweiten Jahrhundert, MThZ 47, 1996, 325–344, erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, mit einem Beitrag von M. Vinzent, SVigChr 50, Leiden/Boston/Köln 1999, 206–240. 30 Vgl. z. B. das Kerygma Petri, Frgm. 2 a, in: W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 51989, 38: »Erkennet nun, dass es einen Gott gibt, der den Anfang aller Dinge schuf und der die Macht hat, ein Ende zu setzen. Der Unsichtbare, der alles sieht, der Unfaßbare, der alles umfaßt, der Bedürfnislose, dessen alles bedarf . . .« [Clem. Alex., Strom. VI, 5, 39, 2 [GCS Clem. II 4, 451, 7–10 Stählin/Früchtel/Treu.]
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im messianischen Sinn (der besonderen Erwähltheit) auch als der »Sohn Gottes«, der bei seiner Wiederkunft die an ihn Glaubenden in das Reich Gottes führen wird.31 Wir kennen den Gottes-Glauben der römischen Gemeinde aus einem langen und bedeutenden, in der alten Kirche hochgeschätzten Schreiben, das die römische Gemeinde um 100 n. Chr. an die christliche Gemeinde von Korinth richtet und das ein gewisser Clemens verfaßt haben soll.32 Darin ist die Einzigkeit Gottes stark betont: Er ist der »alleinige Höchste unter den Höchsten«, er ist »Gott allein«, er allein trägt den Titel »Gott«, »Schöpfer«, »Erlöser«. Jesus Christus ist für die römische Gemeinde um 100 n. Chr. der »geliebte pais« des Schöpfers,33 also nach der traditionellen messianischen Titulatur der »Knecht Gottes«.34 Er trägt keinen der Titel, die dem einzigen Gott vorbehalten sind, keine der göttlichen Tätigkeiten (z. B. Schöpfertätigkeit) wird von ihm ausgesagt. Es ist deutlich, daß Jesus Christus für die römische Gemeinde um 100 n. Chr. nicht Gott ist und auch nicht eine Gestalt mit göttlichem Seinsrang neben Gott. Das Gebet der Gemeinde richtet sich an den einzigen Gott: »Alle Völker sollen dich erkennen, denn du bist Gott allein und Jesus Christus (ist) dein Knecht und wir (sind) dein Volk und die Schafe deiner Weide.«35 Diese Formulierung (im Gemeindegebet!) läßt den Abstand des Messias Jesus Christus vom einzigen Gott erkennen; für eine göttliche Gestalt neben dem einen Gott gibt es keinen Platz. Eine Generation später aber hat sich in Rom und anderswo die Glaubensauffassung durchaus gewandelt: Jesus Christus gilt als Gott. Den Weg zu dieser gewandelten Überzeugung nachzuzeichnen, ist nicht möglich, weil uns die Quellen darüber fehlen. Aber aus den zahlreichen Texten, die wir aus der Zeit um 150 n. Chr. haben, ergibt sich klar, daß Jesus Christus für die Christen dieser Zeit als Gott gilt.36 Wie vereinigen die Christen dieser Zeit, die rigorose Monotheisten sind − das ist nicht aus dem Gedächtnis zu verlieren −, den Glauben, daß es nur einen einzigen Schöpfergott gibt, mit dem Glauben an die Gottheit Jesu Christi? Das geschieht auf denkbar einfachste (und die m. E. damals einzig mögliche) Weise: Die Gottheit Jesu Christi ist letztlich die des einzigen Gottes selbst. Wie der eine Gott den Gerechten des Alten Bundes erschienen ist, dem Abraham, dem 31 Siehe dazu F. Hahn, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, Göttingen 51995, bes. Anhang 466–482. 32 Zur »Verfasserfrage und Entstehungszeit« siehe H. E. Lona, Der erste Clemensbrief, übersetzt und erklärt, KAV 2, Göttingen 1998, 66–78; ebd. 398–401: »Die Christologie des I Clem« [zur Abfassungszeit 120–125 n. Chr. (Zwierlein) siehe »Addenda« zu S. 44 des Artikels »Die Anfänge von Diakonat . . .«, oben S. 61]. 33 1 Clem 59, 2–4 (SUC I, 98–100 Fischer). 34 Vgl. z. B. Jes 42, 1; Mt 12, 18; Apg 3, 13. 26; Did. 9, 2; 10, 2 f. 35 1 Clem 59, 4 (SUC I, 100 Fischer). 36 Einige Beispiele: Hermas, »der Hirt«; Justin; Markion; Ptolemaeus; Valentinus; Barnabasbrief; 2 Clem.
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Jakob, dem Mose, den Propheten, so ist er zuletzt im Menschen Jesus Christus offenbar geworden. Der Mensch Jesus Christus gilt als die Erscheinung, als die Offenbarung des einen Gottes selbst. Der römische Hermas formuliert das z. B. so, daß er sagt: Gott läßt seinen Heiligen Geist in einem von ihm erwählten »menschlichen Fleisch«, d. h. in einem Menschen (nämlich Jesus), wohnen.37 Der »Heilige Geist«, von dem hier bei Hermas und in gleicher Weise bei (fast) allen Autoren des 2. Jhs. die Rede ist, darf nicht etwa als eine eigenständige dritte göttliche Person verstanden werden, sondern ist letztlich Gott selbst, gewissermaßen Gottes uns zugewandte Seite; Gott, insofern er sich dem Menschen wirksam zuwendet. Gottes Geist wohnt im Menschen Jesus Christus und in ihm unter uns. In diesem Sinne wurde Joh 1, 14 z. B. von Melito von Sardes verstan den.38 Die Gottheit Christi ist identisch mit der Gottheit des einen Schöpfergottes. Auf diese Weise ist der Monotheismus unverletzt gewahrt. Das ist der allgemeine Glaube der Christen um 150 bis 250 und z. T. darüber hinaus. Die christologische Formel oder das christologische Schema, das wir bei den Autoren dieser Zeit finden, ist entsprechend einfach: Jesus Christus ist göttlicher Geist in menschlichem Fleisch (pneuma und sarx [anthropos]). Über das Verhältnis von beiden, über die Art und Weise der Einigung − wenn man davon überhaupt sprechen kann − wird nicht reflektiert. Dazu bestand offenbar kein Anlaß. Danach hat niemand gefragt, weil vom alttestamentlichen und jüdischen Denken her, von dem die Christen der ersten Hälfte des 2. Jhs. vor allem bestimmt sind, die Vorstellung, daß Gott sich im Laufe der Geschichte in vielfältiger Weise und Gestalt offenbart hat und so auch in einem Menschen erscheinen und als Mensch unter den Menschen wandeln kann (so formuliert das ja auch ein alttestamentlicher Text: Bar 3, 38), geläufig war und keine Probleme hervorrief. Aber wie ist es nun zu dieser Ausprägung des Christusglaubens zwischen 100 n. Chr. und 130/140/150 n. Chr. gekommen? Darüber geben uns, wie schon gesagt, keine zeitgenössischen Texte Auskunft, weil sie sich nicht erhalten haben. Aber wir können aus späteren Texten der Zeit zwischen 130 und 230 wohl mit Recht Rückschlüsse ziehen, welches die Gründe waren, die zu der Glaubensüberzeugung führten, daß im Menschen Jesus der eine Gott auf Erden als Retter und Erlöser erschienen ist. Diese Gründe sind soteriologischer Art: Sie liegen in der Glaubensüberzeugung, daß nur Gott selbst das Heil des Menschen verbürgt. Endgültige Rettung kann es nur durch Gott selbst geben. Nur Gott allein, der einzige Gott, dem wir Existenz und Leben verdanken, kann der Erlöser des Menschen sein. Diese Glaubensüberzeugung ist vielfach im Alten Testament ausgedrückt und wurde von den Christen geteilt. Die Bibel der Christen ist − das darf man
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Hermas, »der Hirt«, Gleichnis 5, 6, 5 (SUC III, 264 Leutzsch). Melito von Sardes, De pascha 45 (22 Hall).
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nicht vergessen − das AT. (Erst nach ca. 140/150 tritt dem AT das NT an die Seite). Ich zitiere Ihnen nur zwei Stellen, beide aus dem (von den Christen besonders intensiv gelesenen) Jesaja: Jes 43, 11 (LXX): »Ich bin Gott, und es gibt nicht einen außer mir, der erlöst.« Jes 45, 21 (LXX): »Ich bin Gott, und es gibt nicht einen anderen außer mir. Einen Gerechten und Erlöser gibt es nicht außer mir.« Nur der einzige Gott kann der Erlöser des Menschen sein. Nun aber − so müssen die Christen weiter gedacht haben − ist Jesus Christus, der für uns gestorben ist, unser Erlöser geworden. Also ist in ihm der einzige Gott auf Erden erschienen und unser Erlöser geworden. Und auch das ist schon im AT angekündigt. Bar 3, 36–38 (LXX) heißt es: »Dieser ist unser Gott, neben ihm wird kein anderer Gott gelten. (37) Er hat jeden Weg der Weisheit erforscht und gab sie Jakob, seinem Knecht, und Israel, seinem Geliebten. (38) Danach erschien er auf der Erde und wandelte unter den Menschen.« Diese BaruchStelle wird überaus häufig in altchristlichen Texten angeführt; neben ihr, ebenfalls häufig, das Schriftwort Jes 63, 9 (LXX), das die Juden (innerhalb der Pascha-Haggada) bei der Feier der Pascha-Nacht rezitierten: »Und er (scil. der Herr) wurde ihnen zur Rettung (soterian) aus jeder Bedrängnis. Nicht ein Gesandter, auch nicht ein Engel, sondern der Herr selbst rettete sie, weil er sie liebte und ihrer schonte; er selbst befreite sie . . .!« Die Schlußfolgerung, welche die Christen aus diesen Schriftworten ihrer Bibel ziehen mußten und gezogen haben, liegt auf der Hand; ich wiederhole sie noch einmal: Wenn Jesus Christus uns erlöst hat und nach dem Zeugnis der Schrift nur der eine Gott der Erlöser des Menschen sein kann, dann ist der eine Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, in dem Menschen Jesus Christus unser Erlöser geworden. Im ersten Satz einer frühchristlichen Predigt aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts findet diese Überzeugung ihren Ausdruck. Es heißt da: »Brüder, über Jesus Christus müssen wir ebenso denken wie über Gott, wie über den ›Richter der Lebenden und Toten‹ (Apg 10, 42; 2 Tim 4, 1; 1 Petr 4, 5); und wir dürfen nicht gering denken über unsere Rettung.«39 Jesus Christus gilt als Gott − als der im menschlichen Fleische offenbare Gott40 −, weil er uns die Erlösung gebracht hat und weil es Hoffnung auf Erlösung (soteria) nur beim einzigen Gott gibt.41 M. E. ist es vor allem dieses soteriologische Argument gewesen, das den Glauben an die Gottheit Jesu Christi begründet hat. Dieses Argument gehört zu den wirkmächtigsten in der Theologiegeschichte der Alten Kirche. Es führt später zur formellen Definition der wahren Gottheit des Sohnes auf dem 1. ökumenischen Konzil in Nicaea (325) und schließlich zur Definition der wahren Gottheit des Hl. Geistes auf dem 2. ökumenischen Konzil in Konstantinopel (381). 39
2 Clem. 1, 1 (SUC II, 238 Wengst). 2 Clem. 9, 5 (250 W.); 14, 4 (256–258 W.). 41 2 Clem. 1, 7 (238–240 W.); 20, 5 (268 W.). 40
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Das Konzil von Nicaea erklärt in seinem Glaubensbekenntnis, daß wir nur an einen einzigen Gott, den Schöpfer des Alls, glauben, und daß der Sohn Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott vom wahren Gott ist, homo ousios mit dem Vater. Eine Begründung für diese Aussage finden wir in den Texten von Nicaea nicht. Das ist umso verwunderlicher, als Arius (dessentwegen das Konzil berufen wurde) die wahre Gottheit des Sohnes um des rigorosen altkirchlichen Monotheismus willen bestritten hat: Es kann nicht zwei wahre Götter geben. Wenn der Vater der eine wahre Gott ist, kann der Sohn nicht wahrer Gott, sondern nur ein untergeordneter, geschaffener zweiter Gott sein. Das Konzil von Nicaea aber erklärt, daß sowohl der Vater als auch der Sohn wahrer Gott sind und daß die Christen dennoch nur an einen einzigen wahren Gott glauben. Logisch gesehen ist das ein Widerspruch. Das Konzil beharrt aber auf der wahren Gottheit des Sohnes (und nimmt den logischen Widerspruch in Kauf), weil der Sohn Gottes nur als wahrer Gott Erlöser des Menschen geworden sein kann. Diese Argumentation finden wir z. B. bei einem der teilnehmenden Konzilstheologen, Markell von Ankyra. Er löst den in der Formulierung des Konzils enthaltenen Widerspruch auch ganz im Sinne der Theologie des zweiten Jahrhunderts: Die Gottheit des Sohnes ist die des einen Gottes und Erlösers.42 Bei Athanasius von Alexandrien ist erkennbar, daß das soteriologische Argument ebenfalls zur Erklärung der wahren Gottheit des Geistes führt: Der Hl. Geist wirkt ebenso unser Heil, wie es Vater und Sohn tun. Seine Gaben sind göttliche Gaben. Er schenkt uns z. B. in der Taufe zusammen mit Vater und Sohn das ewige, göttliche Leben: Göttliches Leben schenkt nur Gott, also ist der Hl. Geist wahrer Gott.43 Das Konzil von Konstantinopel (381), das die wahre Gottheit des Geistes definiert, hält an dem Bekenntnis fest, daß es nur einen Gott gibt, obwohl jetzt von drei wirklich Existierenden (Hypostasen) ausgesagt wird, daß sie wahrer Gott sind. Die Vielheit (Dreiheit) wird mit der unabdingbaren göttlichen Einheit ausgesöhnt durch die Formel: Vater, Sohn und Hl. Geist seien drei Personen, Hypostasen eines einzigen göttlichen Wesens (mia ousia − treis hypostaseis).44 Dieses trinitätstheologische Modell stammt von Apolinarius von Laodicea 42 Genauere Ausführungen zum oben behaupteten Zusammenhang in meinem Aufsatz: »Soteriologie, Trinität, Christologie. Von Markell von Ankyra zu Apollinaris von Laodicea«, in: Im Gespräch mit dem dreieinen Gott. Elemente einer trinitarischen Theologie, FS Wilhelm Breuning, hg. von M. Böhnke/H. Heinz, Düsseldorf 1985, 175–196 [erneut oben S. 417 ff.]. Vgl. K. Seibt, Die Theologie des Markell von Ankyra, AKG 59, Berlin/New York 1994, bes. 334–441; M. Vinzent, Markell von Ankyra. Die Fragmente. Der Brief an Julius von Rom, SVigChr 39, Leiden/New York/Köln 1997, bes. die Texte S. 54–108. 43 Die hier natürlich verkürzt wiedergegebene Argumentation führt Athanasius breit aus vor allem in seinen Epistulae ad Serapionem II und III. − Zu Leben, Werk und Lehre des Athanasius siehe M. Tetz, Athanasiana, BZNW 78, Berlin/New York 1995. 44 Siehe den Bericht der Synode von Konstantinopel 382 über die Glaubenserklärungen des Konzils von 381 in: Dekrete der ökumenischen Konzilien I (wie Anm. 24), 28.
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und wurde durch Basilius von Caesarea in der östlichen Kirche die klassische trinitarische Formel. Daß sie, logisch − gleichviel mit Hilfe welcher Philosophie − durchgerechnet, regelmäßig in die Aporie führt und deswegen nicht als metaphysische Definition Gottes, sondern nur als Chiffre für den Gott der Bibel aufgefaßt werden darf, kann ich hier nur andeuten.45 Ich habe jetzt aber, um die langanhaltende Wirksamkeit der soteriologischen Argumentation zu demonstrieren, weit vorgegriffen. Ich habe noch gar nicht erklärt, wie und warum es zur Differenzierung des einen Erlösergottes in zwei, dann drei eigenständige »Wirklichkeiten« oder »Personen« oder »Hypostasen« kommt, d. h. warum die Christen eine Trinitätslehre ausgebildet haben und vom dreifaltigen (dreieinigen) Gott sprechen. Diese Differenzierung des einen Gottes in drei Gestalten ist ein (zwangsläufiges) Ergebnis der Rezeption der antiken philosophischen Gotteslehre durch die christliche Intelligenz. Durch diese Rezeption kam es zu einer bedeutsamen Verschiebung im Inhalt der christlichen Lehre. Während die Christen bislang nur davon gesprochen hatten, was Gott für sie in Schöpfung und Erlösung durch Jesus Christus getan hatte, während also bisher Gottes Taten in Erinnerung gerufen und gepriesen wurden, denkt man jetzt über Gottes Sein, über sein Wesen, seine Substanz nach, wie er sei und was er sei und welche Prädikate ihm zukommen, wenn er der erste Gott sei. Jetzt reden die Christen von Gott in metaphysischen Begriffen. Man redet von Gottes ousia oder physis (wie von der ousia/physis der Welt, des Menschen, aller Dinge). Gottes Wesen erhält die Prädikate, die in der langen philosophischen Tradition der Antike, insbesondere von den Platonikern, für den wahren Gott gefunden wurden: Er gilt als absolut einzig, unverursacht, unerzeugt, aus sich selbst, allein wahrhaft seiend, die letzte Ursache von allem, unkörperlich, unsichtbar, unbewegt, unveränderlich, immer derselbe, bedürfnislos, mangellos, vollkommen, unverletztlich, leidensunfähig, unsterblich, unvergänglich, ewig, unbegreifbar, unsagbar usf. Wenn man jetzt diese philosophischen Aussagen über den einzigen, wahren Gott mit den Glaubensaussagen der Christen des zweiten Jahrhunderts konfrontiert, dann ergeben sich schwer lösbare Probleme, sogar unauflösbare Widersprüche: Der eine unsichtbare, unkörperliche, unveränderliche, leidensunfähige, unsterbliche Gott − so lautet die Argumentation jetzt − kann nicht in einem menschlichen Körper sichtbar auf Erden gewandelt sein, dem Leiden und dem Tode unterworfen. Gott wird nicht geboren, er leidet und stirbt nicht − oder er ist nicht Gott. Die göttliche und die menschliche ousia/physis mit ihren entgegengesetzten Prädikaten können nicht in einer Person (Einheit) zusammenkommen. Wie also können die Christen sagen, daß der eine ErlöserGott in Jesus Christus zur Erlösung der Menschen als Mensch geboren wurde, gelitten hat und gestorben ist? Dieses Dilemma kann man auf zwei verschiedene Weisen lösen. 45
Siehe oben Anm. 27.
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Die erste Lösung finden wir bei dem christlichen Philosophen und Märtyrer Justin (Mitte des zweiten Jahrhunderts); den zweiten Lösungsvorschlag haben um dieselbe Zeit die − wie Justin von der Philosophie her kommenden − Gnostiker gemacht. Justin unterscheidet von der ousia des einen, ewigen, wahrhaft seienden, leidensunfähigen und unsterblichen Gottes, des Vaters, den vor der Zeit aus dessen Willen hervorgegangenen Logos-Sohn als einen anderen, leidensfähigen, dem Vater untergeordneten Gott. Dieser Logos-Sohn, der als Gott geringer ist als der Vater, konnte auf Erden als Mensch sichtbar werden, geboren werden, leiden und sterben.46 Jetzt erstmals, seit Jesus Christus als Gott geglaubt wird, kommt es zu einer Unterscheidung seiner göttlichen Wirklichkeit von der des Vaters. Diese Differenzierung erfolgt, um das Dilemma zu lösen, das sich aus der philosophischen Interpretation der Glaubensüberzeugung ergibt, daß der Schöpfergott im leidenden und sterbenden Jesus Christus die Erlösung des Menschen bewirkt hat. Dieselbe Unterscheidung Gottes des Vaters als des vollen und wahren Gottes, vom leidensfähigen Sohn als einem geringeren Gott, finden wir bei Tertullian.47 In dieser Unterscheidung ist der Anfang unserer Trinitätslehre begründet. Vorher gibt es im Christentum keine Trinitätsvorstellung, auch nicht implizit. Der Justinische Ansatz ist bei Arius zuende gedacht. Er sieht darin, daß Jesus Christus gelitten hat, einen Beweis dafür, daß der Sohn ein geringerer und deswegen leidensfähiger Gott ist. Mit der Verurteilung der Gotteslehre des Arius in Nicaea (325) entfällt auch diese Lösung für das Problem des leidenden Erlösers. Die zweite Lösung für das christologische Dilemma (das in dem Satz beschlossen ist, daß der eine unsterbliche Gott in Jesus Christus den Erlösungstod gelitten hat) haben die ebenfalls von der Philosophie her kommenden Gnostiker gebracht.48 Sie bestreiten, daß das Menschsein, die Geburt, das Leiden und der Tod Jesu Christi real sind. Das alles ist nur Schein. Geburt, Leiden und Tod, die der Erlösergott auf sich nimmt, betreffen ihn nur scheinbar. Die göttliche ousia/physis bleibt davon gänzlich unberührt, sie hat mit diesem Geschehen nichts zu tun. Das alles betrifft nur den von einem minderwertigen Demiurgen produzierten Schein-Menschen.
46 Die Darlegungen z. B. Apol. I, 13 f. [110, 1–112, 2 Minns/Parvis]. 25 [146, 3 M./P.], Apol. II, 5 (6) [284, 5–288, 3 M./P.]. 13 [320, 6–23 M./P.], Dialogus cum Tryphone 60– 64 (164–172 Goodspeed). 127–129 (248–251 G.), lassen Justins Gotteslehre und Christologie erkennen. Eine gute zusammenfassende Darstellung gibt Ch. Munier, L’Apologie de saint Justin, philosophe et martyr, Par. 38, Fribourg 1994, 95–110. 47 Seine Trinitätslehre und Christologie begründet Tertullian in Adv. Praxean. Er benötigt die Inferiorität des Sohnes in der Gottheit, um dessen Sichtbarwerden und Leiden erklären zu können, vgl. z. B. Adv. Praxean 14. 19. 29. 48 Eine gute Einführung: Chr. Markschies, Die Gnosis, München 2001. Zur »Erlösungsund Erlöserlehre« vgl. K. Rudolph, Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Göttingen 1977 [= 42005], 130–184.
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Der Unsichtbare kann nicht sichtbar werden, der Unsterbliche kann nicht sterben: Es ist ein anderer, nicht der eine, transzendente, unverletzbare Gott, der geboren wird, leidet und stirbt, nämlich jenes menschliche Produkt des minderwertigen Demiurgen. Der eine Erlöser Jesus Christus wird also von den Gnostikern aufgespalten in zwei Gestalten, die nichts miteinander zu tun haben, weil die Prädikate ihrer −ousiai (oder Naturen) sich ausschließen: in den transzendenten Erlöser-Gott und den scheinbar irdischen Menschen. Das ist die Geburt der Zwei-Naturen-Lehre (allerdings unter negativem Vorzeichen). Es sind die Gnostiker, die als erste die Unterscheidung der Naturen, der pneumatisch-göttlichen Natur und der materiell erscheinenden, menschlichen Natur in der Erlösergestalt vornehmen.49 Sie bestreiten, daß beide Naturen zu einem Subjekt vereinigt werden können. Damit zerstören die Gnostiker radikal die lebensverheißende und -verbürgende Glaubensüber zeugung der Christen des zweiten Jahrhunderts, daß nämlich Jesus Christus, der im menschlichen Leib auf Erden erschienene einzige Gott, der Schöpfer aller Dinge und der Erlöser aller Verlorenen sei. Die Gnostiker werden die ersten Irrlehrer, die ersten Häretiker der Kirche. Um ihrer Irrlehre zu wehren, formulieren die damaligen Lehrer in der katholischen Kirche, die Bischöfe, die ersten Glaubensregeln, eine GlaubensRichtschnur für die Gemeinde, die Grundlage unseres späteren (erst im vierten Jahrhundert fest formulierten50) »apostolischen« Glaubensbekenntnisses. Der Ursprung der Glaubensregel ist antignostisch.51 Wie sieht diese Glaubensregel aus? Was sagt sie über Gott und Jesus Christus? Welche Christologie enthält sie? − Sie fügt zusammen, was die Gnostiker auseinandergerissen haben. Eine der ältesten Glaubensregeln, die erkennbar direkt antignostisch konzipiert ist, finden wir im Epheserbrief des sog. Ignatius von Antiochien, unter dessen Namen ein unbekannter Autor in Ephesus oder Smyrna oder Pergamon um 175 n. Chr. schreibt.52 Da heißt es: 49
Die Unterscheidung von »göttlichem Geist« und »menschlichem Fleisch« in Jesus Christus ist, wie oben dargelegt, natürlich alt. Das Neue ist die philosophische Auffassung und Bezeichnung dieser »Bestandteile Christi« als eigene »Wesen« (ousiai) oder »Naturen« (physeis). Dies führt augenblicklich zur Erkenntnis der Unvereinbarkeit der jeweils zugehörigen Wesenseigenschaften. Vgl. z. B. Irenaeus, Adv. haer. III, 16, 5 (SC 211, 306 Rousseau/ Doutreleau) über diese »blasphemischen Lehren«: dividunt Dominum, quantum ex ipsis adtinet, et ex altera et altera substantia dicentes eum factum. − Zur »Zwei-Naturen-Lehre« der Gnostiker siehe schon A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 4 1909, 285–288. 50 Siehe M. Vinzent, Die Entstehung des »Römischen Glaubensbekenntnisses«, in: W. Kinzig/Chr. Markschies/M. Vinzent, Tauffragen und Taufbekenntnis. Studien zur sogenannten »Traditio Apostolica«, zu den »Interrogationes de fide« und zum »Römischen Glaubensbekenntnis«, AKG 74, Berlin/New York 1999, 185–409. 51 Nachweis für die Glaubensregel des Noe¨t in meinem Beitrag zur FS L. Abramowski (1993): Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna, erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (wie Anm. 29), 95–129. Deutlichen Bezug auf die Glaubensregel des Noe¨t nimmt Irenaeus, Adv. haer. III, 16, 6 (SC 211, 310–314 R./D.), wo er auf den in Anm. 49 zitierten Vorwurf der gnostischen Teilung Christi in verschiedene »Substanzen« antwortet.
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Die eine Person und die zwei Naturen − der Weg zur Zweinaturenlehre Einer ist Arzt, fleischlich und pneumatisch, gezeugt und unerzeugt, im Fleisch gekommener Gott, im Tode wahrhaftiges Leben, sowohl aus Maria als auch aus Gott, zuerst leidensfähig, dann ohne Leiden, Jesus Christus, unser Herr.53
Unerzeugt (agennetos), leidensunfähig (apathes), unsterblich (athanatos) sind die (philosophischen) Prädikate des absoluten Gottes, des einzigen Gottes. Dieser einzige Gott wird mit Jesus Christus identifiziert. Er ist der im menschlichen Fleisch erschienene einzige Gott, der unerzeugte, der aus Maria erzeugt wurde, der leidensunfähige, der gelitten hat, der unsterbliche, der am Kreuz gestorben ist. Gegen die philosophische Gnosis wird hier das Paradox des leidenden Leidensunfähigen formuliert. Weil nur der eine Gott der Erlöser des Menschen sein kann, und weil unser Erlöser Jesus Christus die Menschen durch Leiden und Tod erlöst hat, ist Jesus Christus der eine unsterbliche Gott, der im Fleisch erschienen ist, geboren wurde und den Tod erlitten hat. Ignatius spricht (paradox) vom Leiden Gottes, Melito von Sardes, sein Zeitgenosse, vom Tode (von der Ermordung) Gottes. Diese paradoxen Aussagen sind durch die Polemik gegen die Gnostiker bedingt. Wir finden ähnliche Aussagen in allen christlichen Texten dieser Zeit, (eine Ausnahme ist Justin), vor den Gnostikern aber nicht!54 Ganz in der Tradition und im Sinne dieser Theologie formuliert der römische Bischof Zephyrin (188/9–217) öffentlich folgendes Glaubensbekenntnis: »Ich kenne nur einen einzigen Gott Christus Jesus, und außer ihm, der geboren wurde und gelitten hat, keinen anderen.«55
52 Die vor allem auf der Chronologie des Eusebius von Caesarea beruhende Datierung der Ignatianen in die Zeit um 110 n. Chr., die sich seit dem Ausgang des 19. Jhs. besonders durch die Arbeiten von Th. Zahn und J. B. Lightfoot allmählich fast vollständig durchgesetzt hat, hält der Überprüfung nicht stand. Siehe jetzt, nach R. Joly, Le dossier d’Ignace d’Antioche, Bruxelles 1979, die gründliche Untersuchung von Th. Lechner, Ignatius adversus Valentinianos? Chronologische und theologiegeschichtliche Studien zu den Briefen des Ignatius von Antiochien, SVigChr 47, Leiden/New York/Köln 1999. [Zu den weiteren Forschungen über Ignatius vgl. die Einleitung, oben S. 3–7.] 53 Ignatius, Brief an die Epheser 7, 2 (SUC I, 146–148 Fischer); vgl. Brief an Polykarp 3, 2 (ebd. 218 F.). 54 Ignatius, Brief an die Römer 6, 3 (ebd. 188 F.): »Leiden meines Gottes«. Vgl. Brief an die Epheser 1, 1 (ebd. 142 F.): »im Blut Gottes«. Melito von Sardes, De pascha 96 (54 Hall): »Gott ist gemordet worden.« Zu diesen und ähnlichen Aussagen vom Todesleiden Gottes in der christlichen Literatur des späten zweiten Jahrhunderts siehe meine Studie: Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna, in: »Der paradox Eine« (wie Anm. 29), 179–188. 55 Zephyrin bei Hippolyt, Refutatio IX, 11, 3 (GCS Hippolytus III, 246, 2 f. Wendland).
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In diesem Glaubensbekenntnis eines römischen Bischofs vom Anfang des dritten Jahrhunderts ist von einer Trinitätstheologie nichts zu bemerken; Vater, Sohn, Logos, Hl. Geist werden in Zephyrins Glaubensbekenntnis nicht genannt. Das ist kein Zufall. Die Aufspaltung des einen Gottes in zwei/drei Wirklichkeiten (Personen), die zu gleicher Zeit Tertullian und Hippolyt vornehmen, gilt als ärgste Häresie, nämlich Polytheismus.56 Zephyrin formuliert traditionell so paradox, weil für ihn zwei Glaubensaussagen unaufgebbar sind: erstens, daß es nur einen einzigen Erlöser-Gott geben kann, und zweitens, daß Jesus Christus uns durch sein Todesleiden vom Tode befreit hat. Zusammen genommen ergibt das notwendig das Paradox des leidenden Leidensunfähigen, des sterbenden Unsterblichen. Dieses Paradox ist der Ausgangspunkt unserer gesamten folgenden Christologiegeschichte bis zur Definition von Chalcedon und darüber hinaus. Alle folgenden Christologien sind entworfen, um dieses Paradox in irgendeiner Weise rational aufzulösen. Jedes christologische Modell der Folgezeit soll in irgendeiner Weise erklären, wie es möglich ist, dass ein und derselbe, dass das einzige Subjekt des Erlösers leidet und nicht leidet, stirbt und nicht stirbt. Daß jeder dieser Versuche notwendig scheitern muß, liegt auf der Hand. So, wie das Paradox formuliert ist, ist es gegen das Widerspruchsprinzip. Ich skizziere im folgenden nur kurz und schematisch die wichtigsten Lösungsvorschläge, die einander folgen, z. T. modifiziert wieder aufgegriffen werden und in ihrem Auf und Ab unsere Dogmengeschichte ergeben. Dem Zephyrin hat man wegen seiner Glaubensformel den Vorwurf gemacht, er lasse Gott leiden und sterben. Wenn aber Gott gestorben ist, wer wird ihn dann zum Leben erwecken, und wie könnte er anderen das Leben verleihen? Das ist der Vorwurf des Patripassianismus oder Theopaschitismus. Um diesem Vorwurf zu entgehen, unterschied man in dem einen Jesus Christus, in der einzigen Person Jesus Christus, einen leidensfähigen und sterblichen Teil und einen nicht-leidensfähigen, unsterblichen Teil, zwei Naturen, die menschliche und die göttliche Natur. Das ist die Lösung Tertullians mit seinem christologischen Modell, das zwei Naturen in einer Person vereinigt. (Tertullian greift also in positivem Sinn die gnostische Unterscheidung der Naturen auf!)57 Die Lösung klingt einleuchtend, schafft aber Probleme für das damalige soteriologische Denken. Wenn einerseits nur Gott der Erlöser des Menschen sein kann, andererseits wir durch den Tod Jesu Christi das unsterbliche Leben gewonnen haben, dann muß dieser erlösende Tod in irgendeiner Weise Gott zugeschrieben werden. Das erlösende Subjekt muß ein einziges sein. Wenn Jesus 56 Hippolyt, Refutatio IX, 11, 3 (246, 7 W.) und IX, 12, 16 (248, 23 W.), beklagt sich, dass er von Kallist, dem Nachfolger des Zephyrin, öffentlich als »Ditheist« (d. h. als Polytheist!) geschmäht wurde. Dem Tertullian wird die Verkündigung von »zwei, ja drei« Göttern vorgeworfen (Adv. Praxean 3, 1 (CChr.SL 2, 1161, 8 f. K./E.). 57 Vgl. z. B. Tertullian, Adv. Praxean 27, 11 (1199, 58–64 K./E.); 29, 2 (1202, 6–12 K./E.).
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Christus aus zwei Teilen besteht und nur die menschliche Natur gestorben ist, dann sind wir nicht erlöst. Ein Mensch erlöst den Menschen nicht. Der Tod eines Menschen schafft kein Leben. »Verflucht ist, wer seine Hoffnung auf einen Menschen setzt.« (Jer 17, 5).58 Die Zwei-Naturen-Formel Tertullians (die durch Papst Leo die »klassische« westliche geworden ist) löst das Problem nicht, weil aus Gott und Mensch nicht ein einziges Subjekt, eine einzige physische Person, werden kann. Um dieses einzige Subjekt zu schaffen, hat der vielleicht scharfsinnigste Theologe des vierten Jahrhunderts, der schon erwähnte Apolinarius von Laodicaea, zu einer radikalen Methode gegriffen und das, was den Menschen zum Subjekt und zur Person macht, nämlich Vernunft und freien Willen, aus der menschlichen Natur Jesu Christi gestrichen. An die Stelle der menschlichen Vernunft und des menschlichen freien Willens Jesu setzt er die göttliche Vernunft, den Logos, der sich in der Inkarnation mit einem unvernünftigen menschlichen Leibe verbindet. So entsteht ein einziges erlösendes Subjekt, zusammengesetzt aus der zweiten göttlichen Person der Trinität, dem Logos, als dem Leitungsprinzip, und dem menschlichen, unvernünftigen Fleisch. Diesem einzigen göttlichen Subjekt wird der Erlösungstod zugeschrieben: »Denn der Tod eines Menschen vernichtet nicht den Tod, (noch steht der von den Toten auf, der nicht gestorben ist). Daraus ergibt sich klar, dass Gott selbst starb«.59 Der leidensunfähige göttliche Logos erleidet den Tod an seinem eigenen menschlichen Fleisch, das teilhat an der physischen Konsubstantialität des Logos mit dem Vater und als eigenes Fleisch des Logos zur Trinität gehört.60 Jesus ist nicht ein Mensch wie wir, sein Leib nicht mit dem unsrigen konsubstantial, denn sonst wäre er (in der Eucharistie) nicht lebensspendend.61 Der eine Sohn ist nicht zwei Naturen, sondern eine einzige fleischgewordene Natur 58 Siehe diese soteriologische Begründung der Gottheit Christi bei Novatian, De trinitate 16, 1 (89) (CChr.SL 4, 39 f., 1–12 Diercks). Noch bei dem späten Monarchianer Markell von Ankyra begegnet diese Argumentation mit Jer 17, 5 wieder, siehe sein Frgm. 126 bei K. Seibt, Die Theologie des Markell (wie Anm. 42), 450 f. (= Frgm. 100 Klostermann), bei M. Vinzent, Markell (wie Anm. 42), 116–119. 59 Apodeixis, Frgm. 95, bei H. Lietzmann, Apollinaris (wie Anm. 6), 229. 60 Vgl. Frgm. 153, bei H. Lietzmann, Apollinaris (wie Anm. 6), 248: »Sündlos ist der Herr Jesus Christus als Gott und zusammen mit dem Fleisch ist er dem alleinigen Gott konsubstantial, er der ewige Weltschöpfer; das Fleisch aber ist als Fleisch Gottes Gott: als Fleisch des mit Gott Konsubstantialen (scil. des Logos) ist es ein mit Gott konsubstantialer, ihm geeinter und nicht getrennter Teil.« De fide et incarnatione 4 f., bei H. Lietzmann, Apollinaris, 195, 22–25: »Es würde für die Gläubigen aus der Fleischwerdung kein Heil folgen, wenn sie außerhalb der göttlichen Dreiheit wäre; denn es ist weder etwas anbetungswürdig noch heilbringend außer der göttlichen Dreiheit.« 61 Vgl. Frgm. 116: »Es macht uns aber lebendig Christi Fleisch (scil.in der Eucharistie) wegen der mit ihm wesenhaft verbundenen Gottheit; was aber lebendig macht, ist göttlich; göttlich also ist das Fleisch, weil es mit Gott verbunden wurde; und dieses rettet, wir aber werden gerettet, weil wir an ihm als der Speise teilhaben. . . . Der Leib Christi ist nicht (wie der unsere) ein Leib des Todes, sondern des Lebens; also ist dieser göttliche (Leib) mit dem (unsrigen) menschlichen nicht konsubstantial.« (235, 8–14 L.).
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des Gott-Logos, eine einzige Person, eine einzige Hypostase, ein einziges Subjekt.62 Apolinarius ist mit seiner Christologie der Urheber des Monophysitismus. Kyrill von Alexandrien, sein Schüler Eutyches von Konstantinopel und Dioskur von Alexandrien im fünften Jahrhundert folgen mehr oder weniger differenziert oder vergröbert diesem christologischen Modell, in dem die wahre Menschheit Christi vernachlässigt oder aufgegeben wird, damit ein einziges göttliches erlösendes Subjekt entsteht. Gegen die Christologie des Apolinarius erhob sich der Protest bedeutender Theologen des vierten Jahrhunderts, des Gregor von Nyssa, des Gregor von Nazianz, des Diodor von Tarsus. Auf dem 2. ökumenischen Konzil in Konstantinopel 381 wurde der Apolinarismus verurteilt. Eine durchschlagende Widerlegung des Apolinarius und ein bedeutendes christologisches Gegenmodell hat der Schrifttheologe Theodor von Mopsuestia Ende des vierten, Anfang des fünften Jahrhunderts hervorgebracht. Theodor von Mopsuestia stellt aufgrund der aufmerksamen Lektüre der Schrift fest, daß Jesus ein Mensch war wie wir, mit menschlicher Vernunft und mit menschlichem freien Willen begabt, eine menschliche Person.63 In dieser menschlichen Person nimmt bei der Inkarnation die göttliche »Person« des Logos Wohnung wie in einem Tempel. Gott und Mensch vereinigen sich nicht zu einer Natur, wie das Apolinarius sagt, es gibt keine physische Einigung zwischen Gott und Mensch, denn das würde die Menschheit aufheben und auch die absolute Gottheit verletzen.64 Das ist alles zweifellos richtig und scharfsinnig erkannt. In der Konsequenz hat Theodor jetzt aber in Jesus Christus zwei Personen, die nicht zu einem einzigen physischen Subjekt, einer einzigen physischen Person geeint werden können. Wenn aber die Einheit des erlösenden Subjekts aufgegeben ist, wenn der Erlösungstod der menschlichen Person zugewiesen wird, dann sind wir − nach dem soteriologischen Denken der damaligen Zeit − nicht erlöst, denn ein Mensch erlöst den Menschen nicht; nur Gott kann der Erlöser des Menschen sein. So wird die Christologie Theodors und die seines Schülers Nestorius, der sie erneuert, im Gegenschlag wieder beantwortet mit einem modifizierten Apolinarismus, mit der Ein-Naturen-Formel des Kyrill, des Eutyches und Dioskur. 62 Ep. ad Iovianum 1, bei Lietzmann, Apollinaris 250, 1–251, 3: »Wir bekennen, . . . dass der eine Sohn nicht zwei Naturen (sei), eine anbetungswürdige und eine nicht anbetungswürdige, sondern eine einzige fleischgewordene Natur des Gott Logos, die angebetet wird mit seinem Fleisch in einer einzigen Anbetung.« 63 Theodor schließt das zum Beispiel aus dem Bericht über Jesus im Ölgarten (Lk 22, 43 f.) oder aus dem Bericht über den Beistand des Geistes bei seinem Wüstenkampf mit dem Teufel (Mt 4, 1; Lk 4, 1) und seine Rechtfertigung durch den Geist (1 Tim 3, 16), siehe Frgm. 4 und 7 aus Contra Apolinarium III (ACO IV/1, S. 46 f. Straub). 64 Das hat L. Abramowski eindringlich an einem von ihr aufgefundenen und übersetzten Fragment aus der Schrift des Theodor gegen Eunomius, Buch 18, aufgezeigt: »Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia«, Muse´on 71, 1958, 97–104.
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Die weitere Geschichte und die theologische Antwort darauf, nämlich die christologische Formel von Chalcedon, kennen Sie bereits und Sie ahnen jetzt vielleicht auch, warum die folgenden, Jahrhunderte währenden Auseinandersetzungen nach Chalcedon zu keinem theologisch einsichtigen und relevanten Ergebnis geführt haben. Lassen Sie mich schließen mit einer Hypothese zu den vermutlichen Gründen des Fehlschlags, wie sie sich mir aus einer Analyse des Ganges der Theologiegeschichte zu ergeben scheinen. Drei Missverständnisse oder Fehler scheinen mir die hauptsächlichen Gründe für die Aporien in der altkirchlichen Christologiegeschichte zu sein. Das erste Missverständnis scheint mir unterlaufen zu sein bei der Deutung der Aussage von Joh 1, 14, daß der Gott-Logos Fleisch geworden ist und unter den Menschen gewohnt hat. Ist das eine Aussage über ein historisches Ereignis oder Faktum, dessen Ergebnis mit den Mitteln der metaphysischen Ontologie interpretiert werden kann (wie das die Gnostiker und nach ihnen ihre Gegner getan haben)? − oder ist Joh 1, 14 ursprünglich eine Glaubensaussage über eine Offenbarung Gottes in Jesus Christus in metaphorischer Sprache? Gott wird im Menschen Jesus Christus offenbar und »wohnt«/»zeltet«, wie er es verheißen hat, unter den Menschen, so ungreifbar wie es das Alte Testament sagt. Joh 1, 14 ist nicht eine Aussage über ein historisches Ereignis. Seit die christlichen Theologen etwa in der Mitte des zweiten Jahrhunderts das philosophische Denken rezi pieren und von der ousia/physis Gottes und von der ousia/physis des Menschen reden, wird die metaphorische, kategorial nicht faßbare Offenbarungsaussage von Joh 1, 14 in eine ontologische, kategoriale Aussage über ein physisches Geschehen verwandelt. Lautet die Mitteilung von Joh 1, 14 ursprünglich: Gott ist im Menschen Jesus Christus offenbar geworden − was in exakten begrifflichen Kategorien nicht fassbar ist −, so lautet sie jetzt kategorial: Die göttliche Natur/Substanz und die menschliche Natur/Substanz haben sich in Jesus Christus zu einer Person vereinigt. Seitdem handelt man in metaphysischen Begriffen von dem Offenbarungsgeschehen, ohne zu bemerken, daß Gottes Natur der menschlichen Erkenntnis nicht zugänglich ist, daß von Gott nicht wie von einem kontingenten Ding dieser Welt geredet werden kann. Aber tut man das nicht, wenn man von Gottes Natur redet wie von der menschlichen und von ihr sagt, wann und wie sie sich mit einer menschlichen vereinigen kann oder nicht kann? − Ein weiterer Fehler scheint mir in einer unzulänglichen Interpretation des altkirchlichen soteriologischen Satzes zu liegen, daß Jesus Christus uns durch seinen Tod erlöst hat. Dieser soteriologische Satz hat unterschiedliche Deutungen erfahren. Zwei dieser Deutungen scheinen theologisch nicht haltbar zu sein. Sie haben die Aporien der Christologie verursacht. Theologisch nicht haltbar ist die Vorstellung, daß Gott, um die Sünden der Menschen zu vergeben, eines unendlichen Sühnopfers, des Todes eines göttlichen Sohnes, bedurfte. Theologisch nicht haltbar ist weiter eine bestimmte Erlösungsvorstellung, die wir z. B. bei Apolinarius und Kyrill, aber auch − z. T. bis heute − bei vielen Christen finden. Die Überwindung des Todes durch Jesus, die Vertreibung der Todesmacht
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aus dem Menschengeschlecht und die Mitteilung des ewigen Lebens an die Menschen stellte man sich vor wie einen physischen Prozeß: Von dem menschlichen Leib Jesu fließt das göttliche Leben, das er durch die physische Einigung mit Gott enthält, gewissermaßen durch physischen Kontakt − z. B. durch sakramentalen Kontakt in der Taufe, Eucharistie − in die Menschen über und erfüllt sie mit göttlichem Leben und Unsterblichkeit. Diesem Zweck diente die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in der Person Jesus Christus. Diese physische Erlösungslehre ist theologisch unhaltbar. Man kann bei Apolinarius lernen, zu welchen absurden Konsequenzen sie führt. Obwohl diese christologischen Konsequenzen abgelehnt wurden, ist die physische Erlösungslehre, weil sie so plastisch ist, unterschwellig z. T. bis heute wirksam. Soviel zur Analyse der Gründe für die Aporetik der altkirchlichen (klassischen) Christologie. Die Erkenntnis ihrer Voraussetzungen ermöglicht es uns, ihre Tragweite und Grenzen zu erfassen und jeweils einen Neuansatz für die verschiedenen Kulturen unserer Zeit zu suchen. Die alten Interpretationen sind deutlich zeitbedingt, Ergebnis des Versuchs einer Inkulturation in die antike Welt. Sie können m. E. nicht als zeitlose, ewig gültige Form des biblischen Zeugnisses über Gottes Handeln mit den Menschen betrachtet werden.
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Schriftenverzeichnis Reinhard M. Hübner und Nachweise Selbständig erschienene Schriften Die Einheit des Leibes Christi bei Gregor von Nyssa. Untersuchungen zum Ursprung der ›physischen‹ Erlösungslehre, Philosophia Patrum 2, Leiden: E. J. Brill 1974. Der Gott der Kirchenväter und der Gott der Bibel. Zur Frage der Hellenisierung des Christentums, Eichstätter Hochschulreden 16, München: Minerva 1979 [erneut im vorliegenden Band, 327–348]. Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea, Patristische Texte und Studien 30, Berlin/New York: de Gruyter 1989. Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, mit einem Beitrag von Markus Vinzent, Supplements to Vigiliae Christianae 50, Leiden/Boston/ Köln: E. J. Brill 1999. Kirche und Dogma im Werden. Aufsätze zur Geschichte und Theologie des frühen Christentums, herausgegeben von Roland Kany, Studien und Texte zu Antike und Christentum 108, Tübingen: Mohr Siebeck 2017.
Beiträge in Zeitschriften, Sammelbänden und Lexika1 Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra, in: E´criture et culture philosophique dans la pense´e de Gre´goire de Nysse. Actes du colloque de Chevetogne (22–26 Septembre 1969), organise´ par le Centre de Recherche sur l’Hellenisme tardif de la Sorbonne, e´dite´s par Marguerite Harl, Leiden: E. J. Brill 1971, 199–229. »Gotteserkenntnis durch die Inkarnation Gottes« (Zu einer neuen Interpretation der Christologie des Apollinaris von Laodicea), in: Kleronomia 4, 1972, 131–161. Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basilius. Zum unterschiedlichen Verständnis der ου᾽σι´α bei den kappadozischen Brüdern, in: Epektasis. Me´langes patristiques offerts au Cardinal Jean Danie´lou, publie´s par Jacques Fontaine et Charles Kannengiesser, Paris: Beauchesne 1972, 463–490 [erneut im vorliegenden Band, 245–283, mit Addenda et Corrigenda, 283–289]. Die Hauptquelle des Epiphanius (Panarion, haer. 65) über Paulus von Samosata: Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, in: Wolfgang A. Bienert und Knut Schäferdiek (Hg.), Von Konstantin zu Theodosius. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 4. Jahrhunderts. Wilhelm Schneemelcher zum 65. Geburtstag, Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1979, 55–74 (zugleich Zeitschrift für Kirchengeschichte 90, 1979, 201–220) [erneut im vorliegenden Band, 379–396]. 1
Die Liste ist nicht ganz vollständig. So fehlen Rezensionen des Verfassers.
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Schriftenverzeichnis R. M. Hübner und Nachweise
Rubor confusionis (RB 73, 7). Die bleibende Herausforderung des Basilius von Caesarea für Mönchtum und Kirche, in: Erbe und Auftrag 55, 1979, 327–343. Basilius der Große, Theologe der Ökumene, damals und heute, in: Der Dienst für den Menschen in Theologie und Verkündigung. Festschrift für Alois Brems, Bischof von Eichstätt, zum 75. Geburtstag, im Auftrag der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt herausgegeben von Reinhard M. Hübner, Bernhard Mayer, Ernst Reiter, Eichstätter Studien N. F. 13, Regensburg: Pustet 1981, 207–216 [erneut im vorliegenden Band, 349–359, mit Addendum, 359]. Epiphanius, Ancoratus und Ps-Athanasius, Contra Sabellianos, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 92, 1981, 325–333 [erneut im vorliegenden Band, 397–405]. Fragmente zu Papias, in: Josef Kürzinger, Papias von Hierapolis und die Evangelien des Neuen Testaments. Gesammelte Aufsätze, Neuausgabe und Übersetzung der Fragmente, kommentierte Bibliographie, Eichstätter Materialien 4. Abt. Philosophie und Theologie, Regensburg 1983, 91–127. Soteriologie, Trinität, Christologie. Von Markell von Ancyra zu Apollinaris von Laodicea, in: Im Gespräch mit dem dreieinen Gott. Elemente einer trinitarischen Theologie. Festschrift zum 65. Geburtstag von Wilhelm Breuning, herausgegeben von Michael Böhnke und Hanspeter Heinz, Düsseldorf: Patmos 1985, 175–196 [erneut im vorliegenden Band, 417– 436, mit Addenda et Corrigenda, 437]. Die Anfänge von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche, in: Albert Rauch/Paul Imhof (Hg.), Das Priestertum in der Einen Kirche. Diakonat, Presbyterat und Episkopat. Regensburger Ökumenisches Symposion 1985. Im Auftrag der ÖkumeneKommission der Deutschen Bischofskonferenz 15. 7. bis 21. 7. 1985, Koinonia 4, Aschaffenburg: Kaffke 1987, 45–89 [erneut im vorliegenden Band, 21–57, mit Addenda et Corrigenda, 58–61]. (Übersetzung des Aufsatzes ins Japanische von Johanna T. Aoki, in: »Theology Digest« 1990, 17–35). Ps-Athanasius, Contra Sabellianos. Eine Schrift des Basilius von Caesarea oder des Apolinarius von Laodicea?, in: Vigiliae Christianae 41, 1987, 386–395 [erneut im vorliegenden Band, 407–415]. Melito von Sardes und Noe¨t von Smyrna, in: Damaskinos Papandreou/Wolfgang A. Bienert/Knut Schäferdiek (Hg.), Oecumenica et Patristica. Festschrift für Wilhelm Schneemelcher zum 75. Geburtstag, Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1989, 119–240 [mit Nachträgen und Ergänzungen erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (s. o.), 1–37]. Die antignostische Glaubensregel des Noe¨t von Smyrna (Hippolyt, Refutatio IX, 10, 9–12 und X, 27, 1–2) bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian, in: Münchener Theologische Zeitschrift 40, 1989, 279–311 [mit Ergänzungen und Korrekturen erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (s. o.), 39–94]. Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noe¨t von Smyrna, in: Hanns Christof Brennecke/Ernst Ludwig Grasmück/Christoph Markschies (Hg.), Logos (FS Luise Abramowski), BZNW 67, Berlin/New York 1993, 57–98 [mit Ergänzungen erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (s. o.), 95–129]. Basilius von Caesarea und das homoousios, in: Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity. Essays in Tribute to George Christopher Stead, Ely Professor of Divinity, University of Cambridge (1971–1980). In Celebration of his Eightieth Birthday 9th April 1993, edited by Lionel R. Wickham and Caroline P. Bammel, assisted by Erica C. D. Hunter, Supplements to Vigiliae Christianae 19, Leiden/New York/Köln: E. J. Brill 1993, 70–91 [erneut im vorliegenden Band, 361–378].
Beiträge in Zeitschriften, Sammelbänden und Lexika
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Athanasius von von Alexandria − nützlicher Zeuge einer wohlbegründeten Anklage?, in: Hans Reinhard Seeliger (Hg.), Kriminalisierung des Christentums? Karlheinz Deschners Kirchengeschichte auf dem Prüfstand, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1993, 185–196. Art. Pneumatomachen, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. VII, München: LexMa-Verlag 1995, 27. Ει῟ς ϑεο`ς ᾽Ιησου῀ς Χριστο´ς. Zum christlichen Gottesglauben im 2. Jahrhundert − ein Versuch, in: Münchener Theologische Zeitschrift 47, 1996, 325–374 [mit Ergänzungen erneut in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (s. o.), 207–240].
Die alte Kirche und das Geld. Kirchlicher Auftrag und materielle Basis, in: Friedrich Fahr (Hg.), Kirchensteuer. Notwendigkeit und Problematik, Regensburg: Pustet 1996, 9–35. Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien, in: Zeitschrift für Antikes Christentum 1, 1997, 44–72 [erneut im vorliegenden Band, 63–90, mit Addenda et Corrigenda, 91 f.]. Zur Genese der trinitarischen Formel bei Basilius von Caesarea, in: Für euch Bischof − mit euch Christ. Festschrift für Friedrich Kardinal Wetter zum siebzigsten Geburtstag. Im Auftrag der Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München herausgegeben von Manfred Weitlauff und Peter Neuner, St. Ottilien: Eos 1998, 123–156 [erneut im vorliegenden Band, 291–323, mit Addenda et Corrigenda, 323–325]. Die Ignatianen und Noe¨t von Smyrna [Erstpublikation in: R. M. Hübner, Der paradox Eine (wie oben), 131–206]. Art. Ignatius von Antiochien. Sieben pseudepigraphische Briefe, ca. 170, in: Markus Vinzent (Hg.), Metzler-Lexikon christlicher Denker. 700 Autorinnen und Autoren von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart, Stuttgart/Weimar: Metzler 2000, 356 f. Art. Kallist von Rom, in: Siegmar Döpp/Wilhelm Geerlings (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg/Basel/Wien: Herder 32002, 420–422. Die eine Person und die zwei Naturen − Der Weg zur Zweinaturenlehre, in: Jan Rohls, Ludwig Mödl und Gunther Wenz (Hg.), Das Wesen des Christentums, Münchener Theologische Forschungen 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Unipress 2003, 139– 168 [erneut im vorliegenden Band, 439–463]. Überlegungen zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks ›Katholische Kirche‹ (καϑολικη` ε᾽κκλησι´α) bei den frühen Kirchenvätern, in: Väter der Kirche. Ekklesiologisches Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit. Festgabe für Hermann Josef Sieben SJ zum 70. Geburtstag, hg. von Johannes Arnold/Rainer Berndt SJ/Ralf M. Stammberger, zusammen mit Christine Feld, Paderborn u. a.: Schöningh 2004, 31–79 [erneut im vorliegenden Band, 93–141, mit Addenda et Corrigenda, 142–145]. Nachruf auf Professor Dr. Hermann Josef Vogt (1.2.1932–28.8.2015), in: Theologische Quartalschrift 196, 2016, 97–100. Acta Iohannis, Kapitel 94–102 und 109: gnostisch oder monarchianisch? Die Nachwirkungen der paradoxen Antithesen des Noe¨t von Smyrna [Erstpublikation im vorliegenden Band, 147–241].
Stellenregister zu den antiken Texten Aelius Aristides Oratio 47 57
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Ae¨tius Syntagmation 3–36 16
305 304
Alexander Alexandrinus Epistula ad Alexandrum Thess. (Urkunde 14 Opitz) 96 Alexander Aphrodisiensis De anima 4, 4–11 Bruns 250 6, 17–20 B. 250 In Aristotelis metaphysica commentaria 204–207 Hayduck 256 Alexander Aphrodisiensis (?) De anima II 168 f. Bruns 257 Anastasius II Papa Professio fidei (ep. 3) 239 Anastasius Sinai¨ta Viae dux II, 5 217 Apocryphon Iohannis (BG 2) 19–21 179 76 179 vide etiam: NHC II, 1 Apolinarius Laodicenus Anacephalaeosis 1–3 433 4 414 5 433 9 433 13 433 17 433 19 f. 433
23 f. 433 28 f. 433 29 434 30 434 Apodeixis (Fragmenta Lietzmann) 15 432 16 432 17 414, 432 32 436 38 435 45 432, 436 82 403 85 435 93 433 95 433 f., 460 106 432 Confessio fidei ad Iovianum 1 442, 461 2 434 Epistulae (Basil.) ep. 362 298, 315, 364– 370, 374, 413 (Basil.) 364 363 ad Dionysium A 434 f. De fide et incarnatione 3 436 3–7 403 4 436, 462 4–8 435 9 433 Fragmenta (Lietzmann) 107 435 112 436 114 413, 436 116 435 f., 460 117 403 143–145 436 153 403, 436, 460 155 435 157 436 159 436
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Stellenregister
161 f. 436 164 436 Fragmenta in Iohannem (Reuss) Nr. 28 435 Fragmenta in Matthaeum (Reuss) Nr. 134 435 Kata meros pistis 11 434 13 419 14 f. 298 15 f. 419 31 403, 436 Quod unus sit Christus 2 432 3 403, 436 9 434 Tomus synodalis 436 De unione 1 f. 414 4 414 6 414 f. 2 436 8 436 10 435 Apolinarius Laodicenus (?) Adversus Eunomium IV-V (Ps.-Basilius) 12–16 680 A 316 681 A 12 681 AB 12, 316 Contra Sabellianos (Ps.-Athanasius) 13–16, 298, 379–415 1 f. 387–390 2–4 419 5 377 6 f. 14, 376 f. Epistula tertia 435 Oratio IV c. Arianos (Ps.-Athanasius) 1 294, 298, 315 3 315 9 315 12 343 14 343 20 433 21 403, 436 25 294, 343 Aristoteles Analytica posteriora Β 13 256 Categoriae 1 a 11 ff. 254
2 a 11–13 256 3 b 33–39 255 De interpretatione 17 a 39–b 2 255 Metaphysica Α 5, 986 a 34–986 b 2 279 Α 8, 989 b 18 277 Β 3, 998 b 22–27 256 Γ 2, 1003 a 33–1003 b 19 256 Δ 6, 1016 b 4 f. 276 Δ 8, 1017 b 21–26 254 Arius Epistula ad Eusebium Nicomediensem 4 f. 335 Thalia 335–337 Vide etiam: Athanasius, De synodis Arius Didymus Epitomes fragmenta physica Frgm. 20 250, 267 Frgm. 27 271 Athanasius De decretis Nicaenae synodi 7 341 8 336, 341 12, 2 373 13, 4 373 17, 2 (Dionys. Alex.) 328 23, 1–4 373 26, 2 f. (Dionys. Roman.) 328 37, 2 (symb. Nicaen.) 324 Epistula ad Epictetum 2, 3 403 8, 5 403 9 404 14 f. 404 Epistula ad episcopos Aegypti et Libyae 12 336 Epistulae ad Serapionem I, 11, 6 f. 411 I, 28–30 411 II, 6, 2 f. 372 III, 6 f. (II b, 15 f. Savv.) 411 IV, 3 f. (III, 3 f. Savv.) 314 IV, 5 (III, 5 Savv.) 347 In illud: Omnia mihi tradita sunt 6 293 Orationes c. Arianos I, 5 336 I, 14 366 I, 17 f. 399 II, 16 217
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II, 21–28 II, 24 II, 35 III, 3 III, 5 III, 6 III, 15 f. De synodis 8 15 (Arius) 16 (Arius) 26 27 28 30 45 51
341 336 404 413 394, 399, 413 399, 413 413 306 335 f. 335 f., 340, 367 432 384, 409, 431 303 363 366 366
Tomus ad Antiochenos 3 313 5 296, 298, 312 f. 5 f. 299, 314 9 363 Ps.-Athanasius Dialogus II de trinitate PG 28, 1173–1201 304 (De incarnatione) contra Apolinarium I, 9 404 I, 12 404 De incarnatione et contra Arianos PG 26, 1000 B 293 Contra Macedonianos dialogi II 366 f., 371 Oratio IV c. Arianos vide: Apolinarius (?) Contra Sabellianos vide: Apolinarius (?) Augustinus Epistulae 237 Sermones 214, 7
202 f., 221, 239 238 f.
Barhebraeus Excerpta PO 13/2, 259 f.
194
»Barnabae« epistula 7, 3 185 Basilius Ancyranus (?) Epistula synodica
306–310, 375
471
Basilius Caesariensis Epistulae 1 363 8 vide: Evagrius Ponticus 9 362 9, 2 253, 270, 321, 323, 367 9, 3 271, 343, 368 51, 2 362 52 362 52, 1 262 f., 365 f., 368 52, 2 365, 369 52, 3 367 90 362 91 362 92, 3 362 113 355, 362 114 357, 362 125 246, 362 125, 1 367–369 125, 3 344 f. 126 367 128, 2 362 129, 1 367, 369, 409 138, 2 355 140 362 159 362 204, 6 248, 362 207, 1 367, 409 210, 2 409 210, 3 253, 343, 409 210, 3–5 367 210, 5 253, 270, 409 214 301, 362 214, 3 253, 270, 367, 409 214, 4 271 f., 362 223, 2 363 223, 3 248 223, 5 366 223, 6 367, 409 224, 2 367, 409 226 362, 365 f. 226, 3 369 226, 4 367, 409 234, 2 351 236 362 236, 6 263, 270, 272, 367 244 362 258, 2 274, 346, 354, 362 263 362 263, 4 346 263, 5 253, 409, 413 265, 2 367, 409
472
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265, 3 265, 5 361
362 312 258, 262, 271, 322, 343 f., 362–368, 371, 411 f. 361–364 361 362 vide: Apolinarius 363 363 364 vide: Apolinarius Adversus Eunomium I-III I, 1 274, 317, 350 I, 5 251, 272 f., 322, 344 I, 6 250 f. I, 7 251 f., 270 f., 344, 369 I, 9 272, 274, 318, 322 I, 10 270, 318, 344 I, 10–14 345 I, 11 258, 319, 345 I, 12 273, 319, 351 I, 13 273, 351, 369 I, 14 274, 319, 345, 351 I, 15 12, 261, 269–271, 319, 324 f., 344 f., 371 f. I, 18 377 I, 19 262 f., 269–271, 319, 345, 365, 371 I, 20 362, 371, 375, 377, 411 I, 23 273, 369, 411 I, 26 369, 411 I, 27 369, 411 II, 1 274, 353 II, 3 369 II, 4 260–262, 269, 271, 321, 362, 370 f. II, 6 321, 367, 369, 375, 411 f. II, 6–10 412 II, 9 258, 321 II, 10 274, 362, 370 f. II, 11 369, 411 II, 13 321, 369 II, 14 320 II, 15 395 II, 16 320 f., 372, 377 II, 17 258, 274, 320 f., 344, 369, 377 II, 19 259, 268 f., 273, 362, 370–372 II, 22 352, 369, 374 f., 411 II, 23 273, 374 II, 24 273, 352, 375
II, II, II, II,
25 26 27 28
II, 29 II, 31 II, 32 III, 1 III, 2 III, 3 III, 6 III, 7 Homiliae 12, 15 15, 1 16, 4 23, 4
272, 369 270, 258, 273, 272, 369, 321, 273 273, 321, 272, 272,
369, 371, 411 370 260, 268, 271– 320, 369–371 319, 369, 371 411 371 f., 377 321, 345 345 274, 344, 351 274, 321
270 274, 350 f. 253, 270 271, 274, 343, 346, 357, 369 24 13 f., 253, 263, 386, 409 24, 1 409 24, 2 412 24, 3 272 24, 4 14, 262, 272 f., 350, 365 f., 376 f., 394, 412 24, 6 320, 322, 351, 362 Homilia adversus eos qui per calumniam dicunt dici nobis deos tres (29) 2 350 3 344, 352 4 351 f. Homilia de fide 1 274, 346 3 346 4 358, 362 5 346, 358 Homiliae in hexaemeron I, 6 270 I, 8 250, 268 II, 2 f. 268, 270, 273 III, 7 247 VI, 3 250, 268, 270 Contra Sabellianos et Arium et Anhomoeos (PG 31) 601 A-B 253 604 B–605 B 253 605 B 262 609 C 253 De spiritu sancto IV, 6 274 VIII, 19 344
473
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XVII, 41 XVIII, 45 XVIII, 46 XX, 51 XXVI, 61 XXVI, 69 XXIX, 72 XXX, 77
247, 286, 272, 320, 274 273 274 328 409
255–258, 265, 322, 364 394 322, 351
Basilius Caesariensis (?) In psalmum CXV homilia 1 346, 353 2 346, 351 Homilia in Christi generationem 1 352 6 346, 357 Ps.-Basilius Epistula 38 vide: Gregorius Nyssenus Adversus Eunomium IV-V vide: Apolinarius Laodicenus (?) Biblia (Vetus Testamentum) Exodus 33, 11 341 Iob 11, 2 f. 77 33, 6 370 Psalmi 2, 6 428 68, 22 LXX 185 96, 1 428 98, 1 428 99, 3 228 109, 1 429 148, 3 229 Isaias 2, 2 f. 117 42, 1 451 43, 10 f. 422 43, 11 LXX 453 44, 6 421 45, 21 151, 230, 421 45, 21 LXX 453 60, 17 46 63, 9 453 Ieremias 17, 5 421, 460 Baruch 3, 36–38 421, 453 3, 38 452
Osea 13, 4
422
Pseudepigrapha et apocrypha V. T. Apocalypsis Esdrae 7, 1 190 Ascensio Isaiae (aeth.) 9, 5 80 9, 13 156 Odae Salomonis 19, 7 224 33, 1 224 33, 10 (9) 224 Testamentum Levi 4, 1 80 Biblia (Novum Testamentum) Evangelium secundum Matthaeum 4, 1 461 8, 20 220 10, 2–4 23 10, 18–20 86 11, 25–27 383, 385, 393 11, 27 420 12, 18 451 26, 26–28 435 27, 30 185 27, 46 198, 240 27, 48 185 28, 18 426 f. 28, 19 310, 410 Evangelium secundum Marcum 3, 14–19 23 15, 19 185, 194 15, 36 185 16, 19 179, 186 Evangelium secundum Lucam 1, 35 422 f. 4, 1 461 6, 12–16 23 9, 58 220 22, 43 f. 461 23, 36 185 Evangelium secundum Iohannem 1, 1 404 1, 3 280 1, 14 13, 414, 452, 462 3, 13 414 4, 24 422 f. 5, 17 421 5, 26 308 6, 38 414 6, 40 125
474
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6, 54 6, 57 6, 61–63 8, 23 8, 31 f. 8, 42 10, 9 10, 30 10, 35 10, 38 12, 31 13–19 14, 6 14, 10 14, 11 14, 17 14, 30 15, 18 f. 16, 8–11 17, 4 17, 5 17, 6–26 17, 21 17, 22 19, 29 19, 34 19, 19, 20, 20,
35 37 17 28
Acta apostolorum 1, 2 1, 11 1, 13 1, 15–26 1, 21 f. 2, 24 3, 13 3, 21 3, 26 6, 1–6 6, 6 6, 9 8, 1 8, 4–40 10, 42 11, 19 f. 11, 26 11, 30 12, 1 f. 12, 3–17 13, 1
435 308 429 177 172 421 220 423 423 197 177 169 220 174, 197 174 177 177 177 177 421 197 177 197 426 f. 185 185–187, 194, 216 f., 219 f. 187 187, 217 303 80 179, 186 179, 186 23 22 22 434 451 429 451 24, 39 42 24 24 24 453 25 f. 26 22 f., 37 22 23 27, 35
13, 1–3 42 13, 1–4 25 14, 4 25–27 14, 14 25–27 14, 15 329 14, 23 30, 37, 42, 58 15, 2 23, 37 15, 4 23, 37 15, 6 22 f., 37 15, 22 f. 37 16, 4 22 f., 37 20, 17 30, 37, 55, 58 20, 17–35 38 20, 18 37 20, 19 38 20, 19–25 38 20, 20 38 20, 24–30 38 20, 28 38 f., 80 20, 31–35 38 21, 8 24 21, 18 22 f. Epistula ad Romanos 1, 1–6 29 3, 25 449 5, 6–11 449 5, 19 449 11, 13 33 12, 7 32, 34 12, 8 28 f., 31 15, 14 30 16, 1 33–34, 46 16, 2 32 16, 5 45 16, 7 32 Epistula ad Corinthios I 1, 11–15 29 1, 18 449 1, 23 449 1, 24 422, 449 3, 5 33 3, 10 30 3, 11 27, 122 3, 16 f. 220 5 f. 28 6, 5 29 f. 9, 5 23 11, 4–16 27 11, 11–34 34 12 33 12, 5 33 12, 7 26 12, 8 28
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12, 8–10 27 12, 11 26, 280 12, 18 30 12, 25 26 12, 28 27–29, 31, 112, 144 12, 29 144 12, 31 27 13, 2 27 14, 1–40 27 14, 3–6 26 14, 6 28 14, 9 28 14, 12 26 14, 17 26 14, 24–26 28 14, 27 26 14, 31 28 14, 29–31 28 14, 33b–36 28 15, 5 22 15, 7 22 15, 7–11 29 15, 24 f. 428 f. 15, 24–28 430 15, 26 434 15, 28 432 15, 45 414 15, 47 316, 414 16, 15 29, 33 f., 45 16, 15 f. 31 16, 16 29 16, 18 29 Epistula ad Corinthios II 2, 14 f. 159 3, 6–9 33 4, 1 33 5, 18 33 6, 3 f. 33 6, 16 220 11, 23 33 Epistula ad Galatas 1, 1 29, 77 1, 2 29 2, 5 30 2, 7–9 23 2, 11–14 23 3, 13 449 4, 4 414 6, 6 28 Epistula ad Ephesios 1, 21 410 2, 20 122 3, 7 424
475
3, 20 424 Epistula ad Philippenses 1, 1 30–32, 34, 36, 40, 46, 58 2, 6 308 f. 3, 13 351 3, 20 120 4, 10–18 31 Epistula ad Colossenses 1, 15 352, 375–377, 410 1, 16 226, 427 Epistula ad Thessalonicenses I 4, 9 125 5, 12 28 f., 31 5, 13 29, 31 5, 14 30 Epistula ad Timotheum I 1, 1 120 1, 3 42, 55 1, 4 42, 121 1, 8 60 1, 11 121 1, 16 121 1, 18 f. 42 2, 2–6 120 2, 4 81, 121 2, 5 60, 121, 427 2, 6 81, 121 2, 7 120 3, 1–7 39 3, 1–13 40 3, 2 41, 60 3, 5 41 3, 8–13 39, 43 3, 11 43 3, 13 44 3, 15 121 3, 16 121, 461 4, 3 121 4, 3–5 60 4, 6–16 42 4, 8–10 121 4, 10 81, 120 f. 4, 12 43 4, 14 39 f., 42, 121 4, 16 43 5, 3–16 39 5, 17–19 39–42 5, 22 42 5, 23 60 6, 5 121 6, 12 121 6, 12–14 42
476 6, 19 121 6, 20 39, 42, 59 f. 6, 21 42, 122 Epistula ad Timotheum II 1–4 42, 121 1, 10 434 1, 13 39 2, 15 43 2, 18 122 4, 1 453 4, 10–20 55 Epistula ad Titum 1–3 42, 120 f. 1, 5 39 f., 45 1, 6 39 f. 1, 7 40 f., 60 1, 7–9 39, 131 2, 7 43 2, 11 81 2, 13 f. 80 f. Epistula ad Hebraeos 1, 3 248 f., 287, 321, 372 f., 375–377 3, 6 220 11, 6 319 Epistula Iacobi 1, 13 158, 164 2, 19 158, 164 4, 4 177 5, 14 f. 38 Epistula Petri I 1, 1 55 4, 5 453 5, 1–5 38 Epistula Petri II 1, 1 80 Epistula Iohannis I 2, 15–17 177 4, 8 330 4, 16 330 Apocalypsis 21, 23 220 Apocrypha N. T. Acta Andreae 16 80 Acta Iohannis (electio) 22, 8. 12 151 23, 2–6 151, 176 34–36 161 42, 7 f. 150 46, 5–8 159 77 80, 167
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77, 4–8 79, 8–14 77, 15 f. 77, 16–19 77, 19 82 84, 10 f. 84, 13–18 85 87–93 87–105 88, 9–102, 7 90, 10 f. 90, 21 f. 93 93, 2–6 94 94–96 94, 8–95, 50 95, 2–17 95, 6 f. 95, 8 f. 95, 15 95, 18 95, 23–26 95, 23–28 95, 31–50 96, 4 96, 6 96, 12 96, 20–23 96, 26 97, 1 97–99 97, 1–5 97, 1–10 97, 1–12 97, 7 97, 9 97, 10 98 98, 1–3 98, 3–6 98, 7–12 98, 8–13 98, 9–12 98, 14–19 98, 16–19 99, 5 f. 99, 5–7 99, 8 100, 2–7 100, 11 f.
157 151 152 150 152 80 159 159 80 157 f. 169, 233 f. 234 157, 232 158 233 f. 157 191 202–232 204 f. 210–222 215–219 212–215 211 222–225 222 223, 225–227 210–222 199 f. 195, 211 232 196 224 174 175 227, 230 f. 185 f. 181 174 185, 216 f. 185 173–175 182 181 224 196 175 175 176 232 186 174 182 174–176, 197
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101, 1 186 101, 1–3 231 101, 2–6 186, 216 101, 6 182 101, 6–16 186 f. 101, 7 185, 194 f., 216 101, 7–9 217 101, 7–11 185–193 101, 8 194 f., 216 101, 9 216 101, 12 f. 185 f., 216 f. 101, 12–16 195–202 101, 13 216 101, 14 187 101, 14–16 173, 184, 199 102, 5 174 103 167, 184 103, 9 154, 198–202 103, 9. 12 f. 199 104 153, 184 104, 1 f. 154, 232 104, 1–3 181, 188 104, 1–5 152 106, 11–13 157 107 f. 80 107, 1–5 150 f. 108, 4–9 151 108, 7–9 176 109 174 f., 196, 224, 230 109, 12 174, 176 109, 12–17 211 109, 13 176 112 80 112, 4 f. 151 112, 13–15 152 112, 14–17 151 Acta Pauli (P. Heid. Inv. Kopt. 300/301) 1–6 80 Acta Petri (1–29 = Codex Vercellensis; 30–41 = Martyrium Petri 1–12) 1–3 167 5 160 5–7 80 20 9, 156, 190, 196, 213, 224 21 80 23 154 28 80 37 189 39 80 40 f. 167 Acta Philippi XI, 9 203
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Acta Thomae 34 182 47 179 80 157 143 152 Apocalypsis Petri (aeth.) 16 80 Epistula apostolorum 1 128 21 (32) 77, 213 Epistula Titi 161 Evangelium Petri 9 185 f. 16 185 39–42 173 Evangelium Thomae vide: Nag Hammadi Codex II, 2 Martyrium Petri (= Acta Petri 30–41) 8 (APetr 37) 189 10 (39) 80, 167 40 f. (11 f.) 167 Ps.-Caesarius Quaestiones et responsiones 185 238 Calcidius In Platonis Timaeum commentarius 288–310 250 292 267 Callistus vide: Hippolytus Canon Muratorianus 98, 106, 142 Clemens Alexandrinus Excerpta ex Theodoto 23, 1 223 30, 2 223, 225 f. 31, 1 223 31, 1–4 201 59, 3 f. 4, 76 63 227 Paedagogus I, 25–52 (c. 6) 108, 124–127 Protrepticus 12, 119, 2 228 f. 12, 120, 2 228 Quis dives salvetur? 29, 1 152 Stromata VI, 5, 39, 2 450 VI, 9, 71, 1 f. 156 VII, 106, 1–108, 2 127
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»Clemens Romanus« Epistula I ad Corinthios 1, 3 44 2, 1 80 3, 3 44 21, 6 44 30, 5 77 40–44 44–48, 50 47, 6 44 54, 2 44 57, 1 44 59, 2–4 451 63, 3 44 Epistula II 1, 1 453 1, 7 453 5, 2 f. 50 6, 1 50 9, 5 453 11, 1 50 17, 3 50 17, 5 50 19, 1 50 Coelestinus Papa Epistula ad Cyrillum 357 Commodianus Carmen de duobus populis VV. 100–122 239 VV. 277–285 239 VV. 413 f. 239 Concilia Synodus Antiochena (a. 268) 382, 396 Synodus Antiochena (a. 324) Urk. 18 Opitz 96 Synodus Antiochena (a. 344) 432 Concilium Oecumenicum Chalcedonense (a. 451) 333, 439–451 Concilium Constantinopolitanum (a. 360) 363 Concilium Oecumenicum Constantinopolitanum (a. 381) 96, 333, 441, 448 Concilium Constantinopolitanum (a. 382) 333, 454 Concilium Constantinopolitanum (a. 448) 441 Concilium Ephesinum (a. 449) 446 Concilium Lateranense (a. 649) c. 4 239
Concilium Oecumenicum Nicaenum (a. 325) 333 f., 346 Synodus Sirmiensis (a. 351) 433 Concilium Toletanum (a. 684) c. 8 239 Constitutiones apostolicae II, 5 V, 20, 1 VIII, 12, 30–33
55 216 213, 215
Cosmas Melodus Hymni 8 217 Cyprianus Epistulae 68, 5 87 81, 5 87 Acta Cypriani 1, 2 327 Ps.-Cyprianus Adversus Iudaeos (ed. van Damme) 28 80 Cyrillus Alexandrinus Dialogi de trinitate VI, 600 A 216 Directorium ad mandatarios ACO I/4, 224 f. 445 Epistulae 40 442 45 f. 442 Contra Iulianum I, 47 295 De recta fide ad reginas (Oratio ad Pulcheriam et Eudociam) ACO I/1/5, 65 442 Cyrillus Hierosolymitanus Catecheses 18, 22–27 96 f. Dexippus In Aristotelis categorias commentarium I, 4 256 I, 22 267 I, 22 f. 252 Didache 7 36 9, 2 451 10–13 35 10, 2 f. 451
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10, 6 10, 7 11 13 15 16
224 25, 35 25 25 35 f. 36
Didascalia apostolorum (syr.) 4 55 Ps.-Didymus De trinitate II, 760 B
295
Diodorus Siculus Bibliotheca historica XX, 23, 7 218 Diogenes Lae¨rtius De vitis clarorum philosophorum VII, 58 265, 269 VII, 60 264 f., 268 VII, 61 258, 264 f., 268 VII, 134 267 VII, 137 267, 269, 272 VII, 138 269 VII, 142 272 VII, 148 269 VII, 150 267, 269 VII, 156 272 Ad Diognetum epistula 9, 6 174 11, 3 196 11, 6 225 Dionysius Alexandrinus vide: Eusebius, historia ecclesiastica; Eusebius, praeparatio evangelica Dionysius Corinthius vide: Eusebius, historia ecclesiastica Dionysius Romanus vide: Athanasius, de decretis Dio Prusaensis Orationes 40
61
Ephraem Syrus Commentarii in Diatessaron XX, 27 185 Epiphanius, archidiaconus Epistula ad Maximianum Constantinopolitanum 445
Epiphanius Salamiensis Ancoratus 3, 4–8 401 5, 6 397 6, 1 f. 397 6, 10 397 7, 2 397, 399 7, 6 397 f. 8, 6 401 12, 1 f. 401 15, 6 397 30, 6 397 60, 5 402 81, 4 413 81, 5 f. 401 119, 1 402 De fide 14, 2 398 Panarion (Adversus haereses) 30, 28, 3 436 42, 16, 13 397 49, 2, 5 32 57 380–382 62 386, 395 62, 1, 4 f. 395, 400–402 62, 3, 5 397 f. 62, 3, 6 395 65 379–396 passim 65, 7, 10–13 401 69, 5, 2 395 69, 70, 4 397 71 384, 386, 401 71, 1, 1 395 71, 4, 1–3 395, 401 72, 5, 2 379 72, 10, 2 379 73, 1, 8 306 73, 2–11 306 73, 3, 1 96 73, 3, 1–8 307 73, 3, 1–4. 4 375 73, 4, 1 f. 307 73, 5, 4 307 73, 6, 1 367 73, 6, 7 f. 308 73, 8, 2 307 73, 8, 6–8 308 73, 8, 8 367, 375 73, 9, 2 367, 375 73, 9, 4 f. 308 73, 9, 6 f. 309, 375 73, 9, 10 367, 375 73, 10, 2 367, 375
479
480
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73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 73, 74, 74, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 76, 77, 77, 77, 77, 77,
10, 6. 8 367 10, 9 308, 11, 4 367 11, 5 307 11, 8 307 11, 10 309 12–22 306 12, 2–8 384 12, 3. 8 311 14, 3 310 16–21 311 16, 1–6 310 17, 4–18,5 375 19, 1–5 367, 2, 7 397 12, 1 398 2, 2 304 11, 1–12, 37 14–54 304 25, 7 398 26, 4 397 28, 5 397 29, 9 398 35, 11 398 38, 3. 9 398 46, 4 398 48, 6 398 1, 1–2, 7 402 11, 2 404 18, 15–19, 10 20, 3–7 402 22, 5 402
Evagrius Ponticus 375
279
Euripides Phoenissae 1397 f.
217
Eusebius Caesariensis
375
304
402
Ps.-Epiphanius Homilia in assumptionem Christi PG 43, 485 C 217 Eunomius Liber apologeticus 7 7–11 8 9 11 12 15 19 19–21 19–22 20 21 f. 22–24 26 28
Epistula ad Basilium (Basil.) ep. 8, 3
318 344 317 318, 344 317 f. 318, 344 317 344 343 317 318 317 338 317 f., 367 318, 344
De ecclesiastica theologia II, 7 394 II, 23 394 Historia ecclesiastica III, 22 54 III, 36 65 IV, 15 (Mart. Polyc.) 143 IV, 22, 2–5 (Hegesipp.) 52 IV, 22, 3 55 IV, 23, 1 (Dionys. Cor.) 128 IV, 23, 10 (Dionys. Cor.) 52 V, 1, 9 f. 29. 59–62 (epistula eccl. Vienn. et Lugd.) 87 f. V, 3, 2 f. 87 V, 13, 5–7 (Apelles) 417 V, 16 (Anonymus antimontanista) 8, 98, 101, 105, 107 f., 115, 142 f. V, 17, 4 101 V, 18, 5 (Themiso) 128 V, 20, 4 (Irenaeus) 51 V, 20, 7 (Irenaeus) 51, 144 V, 24, 4 (Polycrates) 144 V, 24, 14–16 (Irenaeus) 51 V, 28, 1–6 154 V, 28, 8–12 80 VII, 6 (Dionys. Alex.) 328 VII, 11, 3 (Dionys. Alex.) 327 VII, 11, 8 (Dionys. Alex.) 327 VII, 27, 1–30, 19 382 Contra Marcellum II, 4
426
Praeparatio evangelica VII, 19, 3 (Dionys. Alex.) 328 XV, 17, 2 (Numenius) 267 Eusebius Emesenus Homilia 14 22
394
Eustathius episc. Beryti ACO II/1/1, 112 442
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Eustathius monachus Epistula ad Timotheum 34 217 Eutyches archimandrita Libellus appellationis ad Papam Leonem 444 Galenus De libris propriis 11 264 Georgius Laodicenus (?) Professio 306, 310–312, 375 Gregorius Nazianzenus Epistulae 101, 15 238 101, 20 238 101, 32 443 Orationes 31, 15 365 38, 2 238 38, 13 238 43, 68 356 43, 69 362 Gregorius Nyssenus Ad Ablabium, quod non sunt tres dei (GNO III/1) 38, 8–15 282 40, 10–17 275 40, 17–19 276 41, 2–7 277 41, 10 f. 276 46, 12–47, 3 282 49, 1–7 282 50, 20–52, 2 280 51, 5 f. 284 54, 1–4 276 55, 10–20 282 De anima et resurrectione (PG 46) 124 C-D 250 Adversus Apolinarium (GNO III/1) 138, 12–16 432 138, 25–28 414, 432 155, 22–25 435 158, 1 f. 260 165, 7–9 436 165, 9–12 260 201, 25–27 436 201, 25–202, 13 403 204, 30–205, 1 435 217, 9–12 433 219, 1 f. 433
481
219, 1–6 434 Epistulae 5 281 f. »Epistula 38« Ps.-Basilii (De differentia usiae et hypostaseos) 10–12, 16, 245–289 Contra Eunomium I-II (GNO I 2) I (49, 13–50, 23) 317 I (78, 11–22) 277 I (78, 16) 276 I (79–82) 317 I (79, 30–80, 3) 277 I (80, 4–7) 250 I (93, 8–11) 276 I (94, 26–95, 24) 277 I (160, 13–18) 279 I (168, 13) 247 II (369, 22–24) 276 Contra Eunomium III (GNO II 2) III, 1 (30, 7–10) 276 III, 1 (30, 9 f.) 260 III, 1 (30, 18–20) 276 III, 1 (30, 24–28) 277 III, 2 (63, 8 f.) 276 III, 2 (74, 10–18) 277 III, 5 (168, 2 f.) 261 III, 5 (169, 10–170, 12) 260, 276 Ad Eustathium de s. trinitate (GNO III/1) 5, 3–6, 17 281 5, 16–19 282 6, 8–11 282 12, 1–13, 23 280 Ad Graecos, ex communibus notionibus (GNO III/1) 19, 1–23, 3 282 21, 4–6 276 25, 20–23 276 29, 4–32, 7 280 29, 11–20 275 29, 17–20 260 30, 11–19 281 31, 1–7 275 21, 34 f. 275 In hexaemeron (GNO IV/1) 16, 9 250 44 279 De hominis opificio 282 16 248, 278–280 24 249, 252, 280 29 f. 279
482
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Hippolytus
Adversus Macedonianos (GNO III/1) 91, 13–29 277 De mortuis (GNO IX) 52, 19–22 261 Quando sibi subiecerit . . . (PG 44) 1312 C 279 Refutatio confessionis Eunomii (GNO II 2) 333, 1–8 284 336, 10–23 276 368, 1–5) 277 De virginitate 11 250 De vita s. Gregorii Thaumaturgi (GNO X/1) 17, 24–18, 25 399 18 248 Ps.-Gregorius Nyssenus Adversus Arium et Sabellium (GNO III/1) 69–85 293 Gregorius Thaumaturgus Expositio fidei 248, 399 Ps.-Gregorius Thaumaturgus Sermo de passibili et impassibili Hegesippus vide: Eusebius, historia ecclesiastica Hermas pastor Visiones II, 2, 6 49 II, 4, 2 49 II, 4, 3 49 f. III, 9, 7 49 Mandatum I 450 Similitudines III, 5, 1 50 V, 6, 5 452 IX, 26, 1 f. 50 IX, 27, 1 f. 50 IX, 31, 5 f. 50 Hilarius Pictaviensis De synodis 11 303 68 365, 367 81 365–367 90 366 Ps.-Hippocrates Epidemiae V 21 217
Refutatio omnium haeresium IX, 6–12 218 IX, 7, 1 73 IX, 10, 9 f. (Noe¨t.) 74 f., 153, 189, 214 IX, 10, 9–12 (Noe¨t.) 73, 77, 99, 155, 212 IX, 10, 10 (Noe¨t.) 198 IX, 10, 12 (Noe¨t.) 77, 189, 216 f., 220 IX, 11, 3 (Zephyrinus et Callistus) 150, 197, 331, 458 f. IX, 12, 16 (Callist.) 459 IX, 12, 16–19 (Callist.) 197 f., 331 X, 23, 3 f. (Callist.) 197 X, 26 (Noe¨t.) 75, 77 X, 27, 1 f. (Noe¨t.) 56, 73, 77, 99, 155, 188, 192 X, 27, 2 (Noe¨t.) 74 f., 213 f. X, 27, 3 f. (Callist.) 198 Ps.-Hippolytus (?)
191
In sanctum pascha 1 122 f. 2 123 3 81, 123 f., 228 4 124 8 124 16 123 25–27 124 38 81 39 123 f. 40 f. 124 42 123 44 123 45 196 46 f. 123 48 123 49 123 f. 50 123 f. 51 173, 176 56 124 58 124 62 124 Contra Noe¨tum 380 f. 3, 2 77 Traditio apostolica vide: Traditio apostolica
483
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»Ignatius Antiochenus« Ad Ephesios 1, 1 56, 80, 196, 458 1, 2 88 3, 1 88 3, 2 55, 95, 130 4, 1 f. 53 5, 2 52, 84 5, 3 52 f. 6, 1 53, 131 7, 1 74 7, 2 3, 56, 72, 74–78, 80, 82 f., 130, 151 f., 189 f., 213 f., 458 9, 1 131 11, 1 130 12, 1 88 12, 2 55, 86 15, 1 54, 56, 131 15–20 85 16, 1 131 16–18 130 17, 1 131 17, 2 130 18, 1 130 18, 2 56, 72, 80, 83, 157 19, 1 83, 189, 228 19, 2 f. 228 20 130 20, 2 123, 130 f., 188 21, 2 88 Ad Magnesios 1, 2 88 2 f. 53 4 52 6, 1 53 f., 130 7, 1 52, 54 7, 2 71 8, 2 54, 70–72, 80, 196 9, 1 f. 54, 131 11 72 13, 1 55 13, 2 54 Ad Trallianos Inscriptio 55 2, 2 52–54 3, 1 52, 54 3, 3 55, 88 5, 1 87 5, 2 87 f. 7, 1 55 7, 2 52 10 88
11, 1 11, 2 Ad Romanos 1, 1 2, 1 2, 2 3, 2 4, 1 4, 2 4, 3 5, 1 5, 2 5, 3 6, 3 6, 4 9, 1 9, 2 9, 3 10, 2 Ad Philadelphios 1, 1 4, 1 5, 1 f. 5, 2 7, 1 9, 1 f. 9, 2 11, 1 Ad Smyrnaeos 1, 1 1, 1 f. 2 3 4, 1 4, 2 5, 1 7, 1–3 7, 1–9,1 7, 2 8, 1 8, 2
9, 1 10, 1 Ad Polycarpum 1, 2 1, 3 2, 1–3,1 2, 2 3, 2
80 80, 173 88 87 54, 88 88 88, 102 88 f. 54, 88, 90 88 88 88 56, 80, 82, 458 196 103 90 90 90 53, 131 84 55 54 87 54 f. 72 88 72, 80, 83 131 72, 77 f., 83 4 130 86 55, 131 129 f. 130 54 f., 131 52 f., 84, 130 8, 52, 81, 84, 94 f., 100, 103, 105–107, 109, 112, 128 f., 133 f. 131 90 78 54, 78 74 75 3 f., 54, 56, 72, 74–78, 80, 82, 153, 189 f., 213, 238, 458
484
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3, 5, 5, 6, 7, 8, 8,
4 1 2 1 2 f. 1–3 3
215 54, 78 52, 83 53, 78 78 78 86
Iohannes Mandakuni Demonstratio
239
Irenaeus comes Epistula ad episcopos Orientales 445 Irenaeus Lugdunensis Adversus haereses I, pr. 1 I, 1, 1 I, 1, 3 I, 2, 5 f. I, 5, 6–7, 2 I, 6, 1 I, 6, 4 I, 7, 2 I, 10, 3 I, 11, 1 I, 11, 5 I, 13 I, 13, 1 I, 13, 2 f. I, 13, 5 I, 14, 1 f. I, 15, 2–16, 3 I, 15, 3 I, 16, 1 f. I, 17, 1 I, 17, 2 I, 29 I, 31, 3 II, pr. III, 3, 4 III, 16, 5 III, 16, 6 III, 18, 2 IV, 20, 8 IV, 22, 1 IV, 41, 2 V, 17, 4 V, 18, 1 V, 26, 2 V, 28, 4 V, 33, 1
174 224 225 225 118 4 f., 76 118 4, 76 196 174 174 84 174 223 f. 118 223 227 223 223 226 75, 226 178 174 174 78, 144 457 73, 82, 153, 190, 213, 457 157 190 192 162 157 196 60 102 192
Demonstratio (Epideixis) 9 227 88 81 Vide etiam: Eusebius, Historia ecclesiastica Iustinus martyr Apologiae I, 13 f. 456 I, 25 456 I, 65 50, 159 f. I, 67 50 II, 5 (6) 456 II, 13 456 Dialogus cum Tryphone 1, 3 f. 9 60–64 456 74, 2 189 91, 1 189 97, 4 189 106, 1 189 119, 6 55 127–129 456 138, 2 189 Libri Jeuˆ (Codex Brucianus) I, 41 203 Leo Magnus Epistulae 44 446 119 240 28 (Tomus ad Flavianum) 54–62 Silva-Tar. 445 85–88 S.-T. 239, 241 94 S.-T. 445 180–184 S.-T. 444 63, 4 241 88 444 95 447 Sermones 21, 1 241 22, 2 239–241 Marcellus Ancyranus Fragmenta (Klostermann) 15 421 32 423 33 420, 423 40 420 41 343, 424, 430 42–45 420 45 f. 422 48 f. 420 51 423
485
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53 423 54 422 60 343, 423 61 424 66 342 67 342, 424 70 427 71 342, 423–425 73 423 f. 74 423 76 421 f. 76–78 342 77 423 79 421 81–83 342 82 f. 423 94 420 100 460 100 f. 421 103 343 105 f. 427 108 427 110 f. 427 112–117 428, 430 116 343, 424 f. 117 343, 425, 429 119 424, 430 120 430 121 343, 424, 426, 430 129 (epistula ad Iulium) 419, 421, 423 Marcianus et Valentinianus imperatores Epistula ad concilium Nicaeae Chalcedonem transferendum 447 Marcus Aurelius Ad se ipsum libri XII XII, 30 267 Marius Victorinus Adversus Arium I, 29 I, 45 II, 4 III, 4 III, 9
365 436 297 297 f. 297
Meletius Antiochenus et al. Epistula synodalis ad Iovianum 314
Melito De pascha 2 8 9 10 11 31 45 46 56–65 66 79 96 100 Frgm. 10 Frgm. 13
189 188 213, 219, 224 224 189 189 452 154, 200 f. 189 200 185 80, 193, 196, 458 201 220 73, 82, 153 f., 182, 189, 195, 213, 215, 220, 239 Nov. Frgm. II, 4 182 Nov. Frgm. II, 21 191
Methodius Contra Porphyrium 2 190 f. De resurrectione III, 6, 3–5 425 f. III, 8, 3 425 III, 21, 4 191 III, 23, 4 190 f. Nag Hammadi Codices Epistula Iacobi apocr. (NHC I, 2) 1, 8–25 179 Tractatus tripartitus (NHC I, 5) 65, 11–23 201 85, 33–37 201, 223 114, 30–36 201 Apocryphon Iohannis (NHC II, 1) 2, 5 179 Evangelium Thomae (NHC II, 2) 13 179 Bronteˆ − Mens perfecta (NHC VI, 2) 13, 9–22 211 13, 22–14, 5 212, 220 14, 10–13 210 14, 26 f. 210 16, 3–5 210 16, 11–15 210 16, 24 f. 211 18, 9 210 19, 15–17 211 20, 5 f. 210
486 20, 31–33 211 Apocalypsis Petri (NHC VII, 3) 81,3–83, 15 180 f. Doctrina Silvani (NHC VII, 4) 8, 24–26 192 101, 33–102, 4 77 Zostrianus (NHC VIII, 1) 48, 27 f. 192 Melchisedech (NHC IX, 1) 5, 1–11 77, 191 Expositio valentiniana (NHC XI, 2) 33, 23–26 192 Protennoia (NHC XIII, 1) passim 214 Noe¨tus Smyrnensis vide: Hippolytus Novatianus De trinitate 14, 9 (74) 421 16, 1 (89) 460 Numenius Frgm. 3 des Places 267 Oracula Sibyllina I, 367 185 I, 374 f. 185 VI, 22–24 80 VII, 66 f. 80 VIII 196 VIII, 249 f. 80, 190, 196 VIII, 285–304 196 VIII, 296 185 f. VIII, 303 185 VIII, 329–332 81 Frgm. 5 153 Origenes Contra Celsum VIII, 67 229 In Lucam homiliae 6, 104 (4) 53, (65) Paulus Samosatenus Fragmenta (Holl) 45–49 383, 393 Ps.-Petrus apostolus Kerygma Petri Frg. 2a 450 Philostorgius Historia ecclesiastica IV, 4 f. 304 IV, 12 317, 366 VIII, 18 305
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Philoxenus Mabbugensis De trinitate et incarnatione Tract. II 239 Pionii martyrium 2, 1 9, 2 11, 2 19, 4 f. 21, 5 Plinius Epistulae X, 96, 8 Plotinus Enneades I, 8, 10 II, 4, 1–16 II, 6, 2 III, 6, 16 f. V, 1 V, 1, 4–6 V, 1, 6 V, 1, 9 V, 3, 10 VI, 1, 25 VI, 1, 26–29 VI, 9, 2 Polycarpi martyrium inscr. 4 5, 2 8, 1
9, 3 12, 2 12, 3 15, 1 f. 16, 1 16, 2 17, 1 17, 2 17, 3 18, 2 19, 2
(106), (106), (106), (106), 115
115 116 115 116
43
250 250 267 250 272 339 339 339 339 266 f. 267 339 81, 100, 104, 106 f., 109 f., 115, 127 f., (133), 143 112–115, 144 87, 91 81, 94, 100, 104, 106, 108–110, 112, 115 f., 119, 128, (133), 143, 145 54 86 87, 91 86 86, 102 52, 54, 61, 81, 87, 91, 100, 104–116, 127 f., 131, 133 f., 143 f. 88, 92 81, 88, 92, 102, 128, 145 92 92 81, 100, 104–110, 115, 128 f., (133), 143
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20, 1 22, 1
110 86
Polycarpus Smyrnensis Epistula ad Philippenses Praescriptio 50 1, 1 6, 68 f., 89 1, 2 69 5, 2 50 5, 3 50 f., 111 6, 1 50, 110 6, 3 54 f. 9, 1 54, 68 9, 2 68, 87 11, 1 50, 111 13, 1–2a 6, 68, 88 f., 166 13, 2b 6, 166 Porphyrius In Aristotelis categorias expositio 75, 27–29 Busse 281 Historia philosophica Frgm. 221 F Smith 296 Isagoge 1 a 8–14 257 1 a 9–12 250 1 a 37–2 a 12 255 1 b 8 f. 257 1 b 35–2 b 26 255 2 a 13–42 281 2 a 22–30 256 2 b 6–11 256 2 b 24 f. 276 2 b 30–3 a 3 281 2 b 43–3 a 3 275 3 b 5–38 275 Priscillianus/Priscillianea Tract. 6 239 Vide etiam: Augustinus, epist. 237 »Psalmen-Buch« (liber manich.) II, 191, 1–9 194 f., 203 Rufinus Gregorii Nazianzeni orationes 2 (38), 2. 4 238 Severus Antiochenus Epistulae ad Sergium grammaticum 1 239 Sextus Empiricus Pyrrhoniae hypotyposes I, 138 265
Adversus mathematicos VII, 246 265 VII, 276–280 265 Simplicius In Aristotelis categorias commentarium 48, 11–16 Kalbfleisch 267 66, 32–67, 2 K. 266 69, 19–21 K. 258 212, 7–213, 1 K. 267 222, 30–33 K. 267 Socrates scholasticus Historia ecclesiastica III, 25, 10–18 299, 314 Sophronius Hierosolymitanus Epistula synodica 458, 17–19 R. 217 Sozomenus Historia ecclesiastica III, 15, 8 304 IV, 12, 3–7 304 IV, 13, 2 304 IV, 13, 4–6 306 IV, 13, 5 366 IV, 14 306 IV, 15, 1 366 VI, 4, 7–10 299, 314 Symeon novus theologus Hymni 17 Kambylis 238 26 K. 238 28 K. 238 Syrianus In Aristotelis metaphysica commentaria 28, 18 f. Kroll 268 Tatianus Oratio ad Graecos 13, 3 80, 177, 182 15, 8 177 16, 6 177 Tertullianus Adversus Marcionem II, 16, 3 80 II, 17, 1 117 III, 21, 1 117 III, 22, 6 117 IV, 4, 3 117, 144 III, 9, 9 117
487
488 Adversus Praxean 3, 1 459 14 456 19 456 23, 11 212 27–30 198 27, 11 445, 459 29 456 29, 2 459 29, 5 198 30 198 Adversus Valentinianos 26, 2 4 27, 2 4 Apologeticum 17 73, 237 17, 1–3 153 17, 2 4 De baptismo 17, 5 87, 168 De carne Christi 5 73, 82, 213 f. 5, 1 80 5, 1–7 190, 237 De monogamia 2, 1 117 11, 1 f. 83 De praescriptione haereticorum 20, 8 164 26, 9 117 27, 11 445 30, 2 117 De pudicitia 4, 4 83 De uxore II, 8, 6 83 Testamentum domini 22 192 28 191, 201
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Theodoretus Historia ecclesiastica V, 9, 10–13 333 V, 9, 11 291 Theodorus Mopsuestenus Contra Apolinarium III, Frgm. 4. 7 461 Contra Eunomium XVIII, Frgm. 461 Homiliae catecheticae 5, 9 441 f. Theodosius II Imperator Epistula rescripta ad Valentinianum Sacra ad synodum Ephesinam Sacra directa per Iohannem comitem concilio Theophilus Antiochenus Ad Autolycum I, 7 152 II, 22 196 Traditio apostolica 8 51 Valentinianus et Marcianus Imperatores Sacra (a. 451) 439 3 Vita Abercii (BHG 2) 16 f. 224 Zephyrinus vide: Hippolytus Zeno Citieus Fragmenta et placita SVF I, 86 267
447 445 445
Personenregister Abenstein, Ch. 16 Abercius 224 Abramowski, L. 73, 77, 153, 191–193, 250, 292 f., 296–299, 312 f., 317, 344, 399, 419, 447, 457, 461 Adam, A. 245, 349 Aelius Aristides 152 Ae¨tius 300, 304, 398 Agrippa I. 23 Aland, B. 116, 136 Alexander v. Alexandria 96, 182 Alexander v. Aphrodisias 250, 256 f., 272 Alexander v. Byzanz/Thessalonich 96 Altaner, B. 238, 380 Amphilochius 247, 248, 257, 270, 282, 292, 320, 351, 434 Anastasius II. 239 Anastasius Sinaı¨ta 217 Andresen, C. 246, 253, 293 f., 349, 362 Anonymus Antimontanista 8, 98, 101, 107, 108, 112, 115, 138, 141 f., 154 Antoninus Pius 65 Apolinarius v. Laodicea 12–16, 155, 239, 258, 260, 271, 276, 287, 292–303, 312, 315–317, 324, 343–346, 354, 361, 363 f., 368 f., 371–374, 377 f., 384, 396, 398, 402 f., 407–415, 417–421, 426, 431–437, 441–443, 445, 448, 454, 460– 463 Apollinaris v. Hierapolis 186, 217 Aristoteles 11, 254–257, 259, 264 f., 267, 272, 276 f., 279, 281–283, 339 f. Arius 96, 246, 333–338, 340–342, 344, 346, 367, 378, 398, 454, 456 Arius Didymus 250, 267, 271 Armstrong, A. H. 250, 330, 338 Artemon 154, 382 Atarbius v. Neocaesarea 252, 409 Athanasius 217, 292, 296, 299, 312–314, 317, 322, 324, 328, 335 f., 341 f., 347, 354, 362 f., 366, 372–375, 377, 387, 394 f., 399, 401–405, 410–413, 417– 419, 433, 442, 454
Ps.-Athanasius 14, 16, 273, 298, 315, 324, 343, 376 f., 379, 386 f., 389–398, 400– 402, 404, 407 f., 410, 412–414 Attridge, H. W. 199 Audi(us) 194 Augustinus 16, 17, 202 f., 221, 231, 238, 239 Ayres, L. 286 f. Baarda, T. 77 Bacht, H. 356, 439 Baeumker, C. 266–268 Bala´s, D. L. 261 Balthasar, H. U. v. 241, 342 Bardenhewer, O. 246, 380 Bardy, G. 293, 383 f., 396 Barhebraeus 194 Barnabas 185 Barnes, T. 4, 323 f. Bartsch, H. W. 209 Basilius v. Ankyra 306–310, 312, 317, 320, 323 f., 366, 375 Basilius v. Caesarea 10, 12–17, 245–289, 291–325, 328, 333–347, 349–359, 361– 378, 384, 386, 394 f., 402, 407–415, 419, 449, 455 Ps.-Basilius 16, 298, 324 Bauer, W. 50 f., 65, 70, 109, 111, 186, 193, 224 Baumeister, Th. 83, 102, 114, 372 Baur, F. Ch. 3, 59, 82, 257 Baus, K. 45, 327, 349, 439 Beierwaltes, W. 286 Beinert, W. 93 f., 109, 132 Benedetto, D. 16, 288 Bergermann, M. 397 Bergjan, S.-P. 285, 292, 301, 312, 324 Bethune-Baker, J. F. 109, 418 Beyer, H. W. 31, 34 Beyschlag, K. 292, 440 Bienert, W. A. 164, 327, 328 Bihlmeyer, K. 66 Bizer, Ch. 304
490
Personenregister
Bochen´ski, J. M. 256, 264, 266 Bochet, I. 190 Böhlig, A. 184, 199 Böhm, Th. 288, 321 Bonnet, M. 148, 150, 152, 157, 158, 182 Bornkamm, G. 37, 40, 44 f., 48 Bousset, W. 82 Bowe, B. E. 207 f., 231 Braun, R. 4 Bremmer, J. N. 166 Brems, A. 13, 323 Brenke, U. 298, 365 Brennecke, H. Ch. 96, 292, 299–301, 303, 312, 363, 366 Brent, A. 4, 6 Breuning, W. 15 Brioso, M. 206 Broadhurst, L. 215 Brown, M. P. 85 Brox, N. 38, 40, 450 Brunner, G. 46 Bruns, P. 250, 257, 442 Bulgakow, S. 349 f., 352 Burke, J. 396 Buschmann, G. 102, 107, 109, 112–114 Butler, B. C. 356 Butterweck, Ch. 115 Butterworth, R. 380 f. Campenhausen, H. v. 38–40, 42, 45, 53, 59, 72, 101, 111, 119, 142 Cantalamessa, R. 122, 201, 209, 213, 417 Capone, A. 287 Caspar, E. 66, 439 Cattaneo, E. 435 f. Cavalcanti, E. 317, 344, 367, 371 Cavallin, A. 245–248, 286 Ceillier, R. 407 Ceretius 202 f. Chavasse, A. 239 Chrysaphius 440, 444, 446 Chrysipp 264 Clemens v. Alexandrien 4, 106, 124–127, 130, 152, 156, 186, 201, 213, 221, 227–229 Clemens v. Rom 3, 38, 44–51, 54, 58, 61, 77, 80, 98, 201, 451, 453 Coelestin I. 357, 445 Colish, M. L. 287 Collatz, Ch.-F. 397 Colpe, C. 214 Coman, J. 257 Commodian 236, 239 Corrigan, K. 287
Cosmas Melodus 217 Courtonne, Y. 245, 272, 361, 364 Crouzel, H. 252 Curti, C., 381 Cyprian v. Karthago 48, 87, 327 Ps.-Cyprian 80 Cyrill v. Alexandrien 216, 295, 356, 442, 445, 461 Cyrill v. Jerusalem 96 f. Czachesz, I. 170, 186, 232, 233 Damasus I. 291, 355 Dams, Th. 285 Danie´lou, J. 252, 282, 330, 338 Dassmann, E. 36, 48, 52 f., 55 Dautzenberg, G. 28, 54 Dechow, J. F. 402 Deferrari, R. J. 245 Degli Espositi, M. 288 Dehandschutter, B. 6, 69 f., 76, 80, 83, 85, 102 f., 107, 114 f. Dehnhard, H. 272 Deichgräber, R. 75 DelCogliano, M. 287 Demandt, A. 439 Dewey, A. J. 207 f Dexippus 252, 256, 266 f., 270, 272, 283 Dibelius, M. 31, 34, 40, 50 Ps.-Didymus Caecus 295 Dinsen, F. 294 f., 307, 310, 334, 342, 361, 366 Diodor v. Tarsus 419, 461 Diodorus Siculus 217 f. Diogenes Lae¨rtius 258, 264 f., 267–269, ¨ iognet 174, 196, 225 272 D Dion v. Prusa 61 Dionysius v. Alexandrien 327 f. Dionysius v. Korinth 52, 128 Dionysius v. Rom 328 Dioskur v. Alexandrien 442, 446 f., 461 Dix, G. 47 Docks, R. P. 405 Dölger, F. J. 87, 224, 226 Dörnemann, M. 152 Dorner, I. A. 246 Dörrie, H. 245, 250, 267, 285, 292 f., 330, 338, 362, 408 Drecoll, V. H. 284–288, 293, 301, 324 f. Drobner, H. R. 64 f., 250, 285, 378 Dumeige, G. 152 Dummer, J. 379 f., 397 Duns Scotus, J. 291
Personenregister
Edwards, M. J. 5, 98 Elert, W. 237, 240 Eleutherus 7, 73, 102 Elia 240 Ephraem der Syrer 185 Epigonos 73, 155, 218 Epiktet v. Korinth 402, 405, 412 Epiphanius (Archidiakon) 445 Epiphanius v. Salamis 14, 32, 96, 274, 306, 346, 354, 357, 379–405, 408–410, 412 Ps.-Epiphanius 217 Esbroeck, M. Van 73 Euagrius Ponticus 279 Eudoxius 304 Eunomius 10–14, 16, 251, 259–261, 271, 273, 276 f., 282, 287, 289, 294, 299– 305, 316–318, 321 f., 325, 338, 340, 344, 346, 349, 351, 353, 362 f., 369, 371, 373 f., 377 f., 411 f., 461 Euodius 54 Euripides 217 Eusebius v. Caesarea 5, 15, 54 f., 64–67, 91, 98, 101, 115, 128, 143 f., 154, 267, 295, 327 f., 334, 336, 342, 380, 382, 394, 396, 419, 426, 437, 446, 458 Eusebius v. Emesa 394 Eustathius v. Antiochien (314, 369, 402) Eustathius, Arzt 246 Eustathius v. Berytos 442 Eustathius Monachus 217 Eustathius v. Sebaste 317, 349, 354, 358 f., 366, 409 Eutyches 240, 441–448, 461 Ewig, E. 349 Fa`brega, V. 32 Fabricius, J. A. 380 Fahey, M. 352 Fedwick, P. F. 285 f., 288, 316, 355, 361 Ficker, G. 189, 214 Filastrius 380 Fischer, J. A. 45, 47, 53, 64, 68, 69, 109, 130, 381 Flavian 99, 239, 241, 441, 444, 446, 447 Forlin Patrucco, M. 285 Foster, P. 158, 173 Fraisse-Coue´, Ch. 439 Frazee, Ch. A. 359 Fredouille, J.-Cl. 190 Frickel, J. 4, 77, 381 Funk, F. X. 107, 394 Funk, W.-P. 192 Fürst, A. 234
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Galen 264 Galla Placidia 446 f. Gallandi, A. 380 Garcia, H. 158 Garciadiego, A. 101, 107, 109, 114 f., 127, 132 Garnier, J. 245, 412 Gavrilyuk, P. 215 Geerard, M. 385, 410 Gemeinhardt, P. 324 Georg v. Laodicea 306, 310–312, 320, 375 Georg v. Trapezunt 16 Gericke, W. 421 f. Ghellinck, J. de 257 Giet, S. 272, 344, 363 Giversen, S. 191 Gnilka, J. 30 f., 34, 120 Gögler, R. 380 Goltz, E. v. d. 66, 82 Gonzalez, S. 257 Goppelt, L. 45 Grapte 50 Greeven, H. 27–30, 34 Gregor Barhebraeus s. Barhebraeus Gregor d. Große 240 Gregor »der Lehrer« 191 Gregor v. Nazianz 238, 246, 292, 349, 356, 362 f., 365, 368, 443 Gregor v. Nyssa 10 f., 183, 245–289, 292, 302, 317, 345, 349, 361, 378, 399, 403, 413 f., 432–436, 461 Ps.-Gregor v. Nyssa 293 Gregor Thaumaturgus 191, 248, 399 Gribomont, J. 285, 316, 355, 359, 361–363 Grillmeier, A. 263, 331, 333, 342, 350, 356 f., 396, 403, 418, 420, 439 Gronau, K. 250 Groscourt, R. 95 Gryson, R. 56, 70, 76 Gummerus, J. 303 f., 306–308, 310, 366 Gwatkin, H. M. 337, 355 Hadot, P. 281, 298, 365 f. Hadrian 45, 61, 65 Haenchen, E. 26 Häfner, G. 59, 61 Hahn, F. 40, 48, 83, 451 Hahnemann, G. M. 98, 142 Hainz, J. 30 f., 34 Halleux, A. de 352, 361 Halton, Th. 290 Hammerstaedt, J. 283 f., 286–289, 296, 302 Hammond Bammel, C. P. 68, 71, 76, 79, 86–88
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Personenregister
Hanson, R. P. C. 302 f., 317 Harnack, A. (v.) 3, 12, 55, 65 f., 77, 82 f., 101, 107, 109, 143, 156, 246, 261, 292 f., 331 f., 341, 350, 380–382, 457 Harrison, P. N. 66, 68 Havelaar, H. W. 180 f. Hefele, C. J. (v.) 355, 439 Hegesipp 52, 55 Heil, U. 363 Helm, R. 66 Hengel, M. 23 f., 26 Hennecke, E. 148, 216 Henoch 240 Herakleides 168, 194 f., 203 »Hermas« 49 f., 58, 87, 155, 450–452 Herzer, J. 59–61 Hilarius v. Potiers 303, 365–367 Hildebrand, S. M. 287 Hilgenfeld, A. 3, 70, 82, 205, 216, 220 f., 231 Hiob 278 f. Ps.-Hippokrates 217 Hippolyt 3 f., 48, 56, 73–75, 77, 99, 150, 152 f., 155, 182, 188 f., 192, 197 f., 212– 214, 216–218, 220, 223, 225, 235 f., 331, 380 f., 458 f., 466 Ps.-Hippolyt 77, 122–124, 130 f., 165, 173, 176, 182, 186, 196, 201, 209, 228, 237 Hirscher, J. B. 357 Holl, K. 240, 247 f., 257, 282, 292, 294, 308, 320, 387, 391 f., 394 f., 398, 401, 434 Holtzmann, H. J. 119, 129 Holzmann, H. 17 Hormisdas 240 Hörner, H. 245 Hornschuh, M. 180 Hruby, K. 43 Hübner, R. M. VI, 3 f., 17, 73, 79, 84, 98 f., 101 f., 118, 131, 151–153, 155 f., 168, 183, 186, 188–190, 196 f., 198, 201, 209, 213 f., 215, 218, 228, 286, 288, 293 f., 296, 298, 302, 315 f., 323, 345, 359, 361, 364, 398, 402, 412, 450, 457 Hume, B. 356 »Ignatius v. Antiochien« 3–9, 15, 46, 51–56, 60, 63–92, 98–107, 109, 111 f., 119, 123, 126, 128–134, 143, 151, 153, 166, 187–189, 196, 209, 213, 228, 237 f., 457 f. Irenaeus (Comes) 445 Irenaeus v. Lyon 3–5, 8, 51, 60, 63, 72 f.,
75 f., 79, 82, 99, 101 f., 105, 111, 115, 118, 144, 153, 157, 162, 168, 174, 176, 186 f., 190, 192, 196 f., 209, 218, 221– 227, 236 f., 379 f., 445, 457 Isaye, G. 282 Jakab, A. 148, 165 f. Jakobus d. Ältere 22 f., 276 Jakobus d. Herrenbruder 2, 22–24, 37 f., 67, 84, 158, 177 Janssen, M. 59 Jesus v. Nazareth 9, 22, 24 f., 45, 120 f., 169, 199, 201, 203, 333 f., 450–453, 461 f. Joannou, P.-P. 355 Johannes, Apostel 23, 67, 82 Johannes, Evangelist 82, 163, 171, 177, 187, 232, 236, 423 Johannes, Verf. der Apk 142 Johannes Mandakuni 239 Johannes II. (Papst) 240 Johannes Paul II. 359 Joly, R. 2 f., 5 f., 52, 55 f., 64, 67–71, 76, 79 f., 84 f., 98 f., 101 f., 111, 129, 196, 209, 458 Jonas, H. 184 Jovian 299–301, 314, 431, 442 Julius Bf. v. Rom 96 Julius Africanus 65 Junia 32 Junod, E. 9, 147–150, 154, 156–158, 161– 168, 170–175, 177, 179, 183–186, 194– 196, 199–212, 214–216, 219–233 Justin d. Märtyrer 9, 50, 55, 60, 83, 104 f., 159 f., 189, 439, 447, 451, 456, 458 Kaestli, J.-D. 9, 147–150, 154, 156–158, 161–164, 166–175, 177, 179, 183–186, 194–196, 199–212, 214216, 219–234 Ps.-Kaisarios 238 Kallist 9, 73, 155, 187, 197–201, 218, 233, 235, 331, 459 Kannengiesser, Ch. 395 Kany, R. 1, 16 f., 238, 241 Karasszon, I. 151 Käsemann, E. 32 f. Kasper, W. 93 f. Kattenbusch, F. 103, 107–109, 114, 124, 133, 143 f. Keim, Th. 101, 103–106, 108 f., 112, 129, 133, 143 f. Kelly, J. H. D. 109, 112, 334, 418 Kinzig, W. 189, 457 Klauck, H.-J. 24, 28 f., 33 f., 54, 148 f., 154, 157 f., 163, 168, 170
Personenregister
Klauser, Th. 47, 66 Klemens s. Clemens Kleomenes 155, 187 Knight, J. 5 Knopf, R. 45, 47 Koch, D.-A. 2, 58, 61 Koch, H. 144 Koep, L. 66 Konstantius II. 303–306, 318, 366 Kopecek, Th. A. 363, 411 Koschorke, K., 191 Kötting, B. 48 Kraft, H. 54, 114 f. Kramm, Th. 52 f. Kretschmar, G. 42 f. Kroll, J. 213–215, 228 f., 268 Kroymann, E. 82, 117, 144 Krüger, G. 82, 418 Kühnert, W. 101 Küng, H. 333 f., 338, 342, 350 Künzel, G. 54 Kyrill s. Cyrill Laktanz 153 Lalleman, P. J. 149 f., 154, 156, 158–170, 172–175, 177–184, 186 f., 195 f., 199 f., 202, 206, 222, 230–233 Lampe, G. W. H 176 Lattke, M. 224 Layton, B. 171, 177 Lebon, J. 239, 245, 247, 261 f. Lechner, Th. 5–7, 17, 65, 68, 85, 98 f., 102, 116, 118, 130, 209, 228, 458 Leclercq, H. 107 Le Nain De Tillemont, L.-S. 380 Leo d. Große 99, 239–241, 440, 443–447, 460 Leo II. (Papst) 240 Leontius v. Byzanz 436 Lienhard. J. T. 14, 407–410, 412 f., 420 Lietzmann, H. 31, 33 f., 37, 45, 50–52, 298, 349, 355, 402, 410, 432, 442, 444, 460 f. Lightfoot, J. B. 5, 65–67, 69–71, 82, 84, 103–110, 112 f., 458 Lindemann, A. 5, 98 Lippl, J. 403 Lips, H. v. 39–43, 90, 205, 216 Lipsius, R. A. 90, 205, 216, 380 f. Lohfink, G. 25, 32 f., 43 Löhr, H. 61 Löhr, W. A. 59, 184, 187, 199 f., 224, 303, 306 f., 310, 366. Lohse, B. 118, 209
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Lohse, E. 43, 209 Loi, V. 381 Lona, H. E. 61, 75, 174, 225, 451 Loofs, F. 3, 82, 109, 197, 214, 237, 246, 329, 331, 382 f., 392 f., 396 Lukas 23–25, 30, 37, 39, 42, 54, 58, 142, 164 Luther, M. 240 f. Luttikhuizen, G. 170–172, 175, 177 f., 180–184, 187, 200, 206, 208, 230 McArthur, A. A. 53 MacDonald, D. R. 167 Maran, P. 245 Maraval, M. 439 Marcus Aurelius 87, 102, 104 Marcus Magus (Valentinianer) 84 f., 118, 209, 223 f., 227 Maria 74, 83, 155, 190, 212, 228, 316, 403, 431, 433, 441, 458 Marius Victorinus 292, 294–298, 300 f., 365 f., 436 Markell v. Ankyra 11, 13–15, 236, 248, 252 f., 280, 282, 294 f., 309, 312, 315, 342 f., 384, 387, 395, 399, 405, 408 f., 413 f., 417–437, 454, 460 Markian (Kaiser) 439 f., 447 Markion 4, 7, 39, 59 f., 72, 77, 81, 142, 390 f., 417, 451, Markschies, Ch. VI, 17, 142, 297 f., 312, 325, 456 Marrou, H.-I. 125 Martin, J. 45 Maspero, G. 16, 288 Mates, B. 264–266 Mau, J. 263 f. Maximilla 115 Maximus (Philosoph) 368, 411 Mees, M. 401 Meletius v. Antiochien 282, 299–301, 314, 324, 370 Melito v. Sardes 3, 8 f., 15, 73, 76, 79, 81 f., 85, 99, 118, 122, 153–156, 162 f., 165, 167, 182, 185–189, 193, 195 f., 200 f., 209, 213, 215, 218–220, 224, 228, 233, 235, 237, 239, 452, 458, 466 Merklein, H. 27, 42, 133 Methodius 190 f., 379, 425 f. Michel, O. 32 f. Mignucci, M. 266 Millar, F. 396 Miller, R. H. 159 f. Mitterrutzner, B. 17 Moll, H. 48
494
Personenregister
Molland, E. 51 Montfaucon, B. de 385 f., 407 Moreschini, C. 287, 289 Mortley, R. 317 Mosshammer, A. A. 66 Moureau, H. 93 f. Moutsoulas, E. D. 403 Mueller, J. G. 58 Mühlenberg, E. 246, 263, 279, 315, 361, 402 f., 417–419, 432, 434, 442 Müller, K. 45 Munier, Ch. 64, 67 f., 456 Nagel, P. 195 Nagel, T. 169 f., 187, 197, 217 Nau, F. 356 Nautin, P. 379–381 Nestorius 240, 263, 356 f., 442, 445 f., 451 Nicklas, T. 186, 196 Nikolaou, Th. 94 Noe¨t v. Smyrna 3 f. 8–10, 15, 56, 63, 71– 92, 99, 118, 147, 152 f., 155 f., 165, 168, 186 f., 188–195, 197 f., 200, 212– 220, 231, 233, 235–241, 380 f., 457 f. Novatian 421, 460 Numenius 267 Oberdorfer, B. 94 f. Oeing-Hanhoff, L. 347 Opitz, H.-G. 387, 410 Origenes 48, 53, 65, 87, 175, 227, 229, 425 Osten-Sacken, P. v. der 215, 218 Pallas, D. I. 191, 216, 221, 224 f., 231 Pannenberg, W. 330, 332 f. Paulsen, H. 55, 64 f., 70 f., 75 f., 85, 87, 111, 135 f. Paulus 3, 7, 14, 23–39, 42, 46, 54 f., 58 f., 61, 67 f., 80 f., 84, 91, 104, 120, 132, 142, 152, 166 f., 189, 196, 226, 235, 255 f., 260, 265, 275–279, 358, 414 Paulus v. Samosata 14, 262, 311, 366, 379– 396, 401, 409, 414, 419, 432 Pearson, B. A. 191 Pelland, G. 56, 68 Perler, O. 83, 85, 189, 201, 218 Perrone, L. 439 Pervo, R. I. 152, 158, 169 f., 207 Pesch, W. 48 Peterson, E. 161, 177, 182 Petrus 3–6, 9, 22 f., 37 f., 54 f., 61, 65, 80, 91, 99, 104, 147, 149, 154, 166–168, 172, 178, 180 f., 186 f., 189 f., 196, 213 f., 224, 226, 235, 237, 241, 245, 255 f., 260, 265, 275 f.
Petrus Lombardus 241 Pfleiderer, O. 109, 119, 120, 122 Philippus 24, 132, 178, 180, 203, 231 Philon v. Alexandrien 228 Philostorgius 304 f. 317, 366 Philoxenus v. Mabbug 191, 239 Phoebe 32–34 Photin v. Sirmium 14, 295, 384, 386, 398, 401 f., 419, 437 Pietri, Ch. 355, 439 Pionius 3, 59, 91, 106, 115 f., 143 f. Ps.-Pionius 3, 6, 61, 91 f., 143 f. Platon 228, 296 Plisch, U.-K. 210 Plotin 193, 250, 266 f., 272, 338–340, 352 Plümacher, E. 148, 151 f., 156, 162, 164, 166, 168, 234 Pohlenz, M. 258, 264, 266–268, 271, 329 Pollard, T. E. 342 f. Polycarp v. Smyrna 2 f., 7 f., 52, 59, 61, 65– 70, 81 f., 91, 94, 98–116, 119, 127–134, 143 Pontius Pilatus 83 Porphyrius 250, 255–257, 265 f., 275, 280 f., 286, 295–298, 339 Poseidonius 250, 267 Pouchet, R. 285, 293, 316, 321 Prantl, C. 264–268 Praxeas 152, 155 f., 212, 235 Prestige, G. L. 245, 330, 361, 370 Prostmeier, F. R. 186 Ptolemaeus 5, 209, 379, 451 Puech, H.-Ch. 179, 194 Pulcheria 440, 447 Pulver, M. 205 f., 222, 231 Quasten, J. 380 Rabanus Maurus 240 Radde-Gallwitz, A. 287 Rathke, H. 55 Raven, C. E. 419 Reitzenstein, R. 112 f., 327 Rengstorf, K. H. 152 Reynolds, R. E. 51 Richard, M. 73, 355, 380 f., 396, 445 Richter, G. 217 Richter, S. G. 194 f. Ricken, F. 334, 336 f., 340, 344 Riedmatten, H. de 343 f., 361, 382, 384, 396, 403, 411 Rist, J. M. 119, 296 Ritter, A.-M. 96, 164, 245, 247, 261, 283, 293 f., 304, 317, 333, 349, 361, 440
Personenregister
Ritter, H. 246 Robbins, V. K. 208 Robertson, D. G. 286 Roessli, J. M. 185, 196 Rohls, J. 241 Roloff, J. 23–30, 37–40, 42 f., 57, 119 f. Routh, M. J. 380 Rouwhorst, G. A. M. 122 Rudberg, S. Y. 245, 247, 285 Rudolph, K. 456 Rufin 238 Rupp, J. 262 Sabellius 14, 155, 187, 253, 328, 384, 386, 395, 398, 400–402, 409, 419, 433. Satake, A. 38 Saxer, V. 102 Schäferdiek, K. 148–150, 156, 158, 160, 162 f., 167, 170 f., 176, 179, 185, 194, 203 f., 233 f., 292, 331, 398 Scheidweiler, F. 383, 393 Schelkle, K. H. 48 Schendel, E. 342 Schenke, H.-M. 171, 181, 191–193 Scherbenske, E. W. 59 Schillebeeckxs, E. 357 Schimmelpfeng, G. 148, 156 Schindler, A. 250 Schlier, H. 32 f., 42 f., 189, 196, 200, 202, 209, 229 Schmid, H. 17, 132, 177, 214 Schmidt, C. 9, 149, 154, 172, 214, 226 f. Schmithals, W. 5–7, 196 Schnackenburg, R. 57 Schneemelcher, W. 14, 22, 24, 142, 168, 292, 331, 382, 386 f., 398, 402, 450 Schneider, P. G. 170, 184, 200, 205, 208, 216, 222, 226, 230 Schoedel, W. R. 64 f., 67, 70 f., 87, 109 Schöllgen, G. 5, 55, 98 Schröger, F. 38 Schubert, V. 338 Schutz, R. 358 Schwartz, E. 66, 96, 111, 380 f., 439, 441, 444 Schwarz, K. 178 Schwarz, R. 240 Schweizer, E. 36, 40, 42, 45, 48, 54 Scipioni, L. I. 263 Seeberg, R. 109 Seibt, K. 437, 454, 460 Severus v. Antiochien 70, 239 Sextus Empiricus 264 f. Sieben, H. J. 8, 362
495
Siegert, F. 162, 164 Sier, K. 150, 167 »Silvanus« 192, 260 Simon Magus 154, 174 Simonetti, M. 4, 284, 292, 295–297, 303, 315, 317, 342, 344, 349, 355, 361, 366, 381 Simplicius 258, 266 f., 269 f. Sirker-Wicklaus, G. 158, 160, 162 f., 171, 174, 176, 196, 200, 233 f. Sixtus (Papst) 445 Slenczka, N. 240 Snyder, J. A. 151, 164 Socrates scholasticus 299, 314 Sophronius v. Jerusalem 217 Soter v. Rom 52, 111 Sozomenus 299, 304, 306, 314, 366 Spanneut, M. 304, 317, 329, 344 Speyer, W. 410 Staats, R. 96, 109, 133 Stalder, K. 46 Stead, G. Ch. 285, 302, 334–338, 361, 371, 378 Stegmann, A. 295, 343, 403 f., 433, 437 Steinacker, P. 95 f., 109 Stephanas 29, 33 Stephanus 24, 26 Stewart-Sykes, A. 122 Stockhausen, A. v. 363 Stockmeier, P. 109, 132 f. Strecker, G. 382 Strobel, A. 52 Studer, B. 299 Stuiber, A. 380 Sturdy, J. V. M. 5 Stylianopoulus, Th. 352 Swarat, U. 67, 90 Symeon, der neue Theologe 238 Syrian 268 Tatian 161, 177, 182, 235 Taylor, J. 355 Terenz (Comes) 271 Tertullian 3 f., 8, 48, 59, 73, 80, 82 f., 87, 98 f., 117, 144, 153, 164, 168, 186 f., 190, 198, 201, 212 f., 215, 218, 235– 238, 380, 444 f., 449, 456, 459 f. Ps.-Tertullian 380 Tetz, M. 305, 312 f., 342, 372, 387, 390, 399, 402, 405, 410, 412, 414, 419, 421, 454 Theissen, G. 25 f. Themiso 128 Theobald, M. 3, 6 f., 58–60, 91
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Personenregister
Theodor v. Mopsuestia 441, 461 Theodoret v. Cyrus 285, 291 f., 301, 312, 333 Theodosius I. 291, 398, 439 f. Theodosius II. 440, 444–447 Theodot 154, 178, 180, 201, 217, 223, 226 f. Theophilus v. Antiochien 51, 82, 152, 196 f., 235, 237 Thomas, Ch. M. 167 Thomasius, D. 418 Thomassen, E. 201 f. Timotheus 39, 40, 60, 120, 142, 260 Timotheus Aelurus 70 Tixeront, J. 109, 382, 418 Trajan 43, 51, 65–67, 107 Trelenberg, J. 177 Trevett, Ch. 84, 101, 113–115 Trilling, W. 22, 54 Trobisch, D. 119, 128 Trouillard, J. 339 Tryphon 9, 456 Tuilier, A. 36, 246 Turescu, L. 286 Turmel, J. 70 f. Uhlhorn, G. 109 Ulrich, J. 295, 297, 312, 325 Uribarri Bilbao, G. 4 Uthemann, K.-H. 317 Valentinian III. 439, 446 f. Vandenbussche, E. 338 Vanhoye, A. 49 Verheyden, J. 159 Vespasian 54 Vielhauer, Ph. 39, 52, 59, 81, 119 Vilela, A. 51 Vinzent, M. 3 f., 17, 59, 73, 91, 96, 99, 129, 151–153, 155, 168, 186, 188–190, 196–198, 201, 209, 213–215, 218, 228, 295, 298, 315, 324, 437, 450, 454, 457, 460
Visona, G. 122 Vitalis 402 Vogt, H. J. 4 f., 44, 47, 52, 55, 98, 109, 315 Vögtle, A. 34 Voisin, G. 419, 432 Völter, D. 101 f. Voorgang, D. 180, 187, 191 f. Vries, W. de 446 Wagner, J. 2 Wahlde, U. C. v. 181 Waldstein, M. 178 Wanke, D. 102 Weigandt, P. 154, 172, 175, 178, 182 Weiser, A. 24, 32 f. Wellesz, E. J. 215 Wengst, K. 35 Wetter, F. 12, 291 Wickham, L. R. 304, 317, 344, 363, 439 Wiles, M. 317, 334 Winkelmann, F. 439 Wünsche, M. 101 Xystus I. 328 Zachhuber, J. 284, 288 Zahn, Th. 3, 5, 65–67, 69 f., 82, 84, 90, 103, 104, 106–109, 132, 283, 458 Zeller, E. 264, 266–268, 273 Zenon v. Kition 267 Zephyrin 9, 73, 150, 155, 197, 235, 330 f., 458 f. Zollitsch, R. 37, 45, 50 f. Zwierlein, O. 3 f., 6–8, 59, 61, 91 f., 143– 145, 150, 166 f., 189, 196, 224