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German Pages 116 [118] Year 2017
Nestor Kavvadas
Jerusalem zwischen Aachen und Bagdad Zur Existenzkrise des byzantinischen Christentums im Abbasidenreich
Mittelalter Franz Steiner Verlag
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jenaer mediävistische vorträge
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Nestor Kavvadas Jerusalem zwischen Aachen und Bagdad
jenaer mediävistische vorträge Herausgegeben von Achim Thomas Hack Band 6
Nestor Kavvadas
Jerusalem zwischen Aachen und Bagdad Zur Existenzkrise des byzantinischen Christentums im Abbasidenreich
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Laupp & Göbel, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11879-8 (Print) ISBN 978-3-515-11888-0 (E-Book)
Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................... 7 Jerusalem zwischen Aachen und Bagdad. Zur Existenzkrise des byzantinischen Christentums im Abbasidenreich .............. 11 1. Der Überfall auf Mar Saba von März 797 und Thomas von Jerusalem................................................ 13 1.1 Mar Saba Kloster, Jerusalemer Patriarchat und orthodoxe Eliten.......................................................... 18 1.2 Die Fahndung nach Thomas in Mar Saba und die fränkisch-abbasidische Diplomatie ................................... 29 1.3 Thomas und der Höhepunkt der Kontakte zwischen Aachen, Bagdad und Jerusalem ......................................... 30 1.4 Die Jerusalemer Patriarchen und der fränkischabbasidische Missionsaustausch zur Zeit des Überfalls auf Mar Saba ..................................................................... 43 1.5 Die Aufstände von Palästina, die Schwächung der Barmakiden und der Angriff auf Mar Saba ....................... 48 2. Politische Destabilisierung und Islamisierung................... 61 3. Zu den Auslösern der Krise: Der Anfang fränkischer Überseepolitik und der Sturz der Barmakiden................... 73
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Namenregister .......................................................................... 89 Quellenregister ......................................................................... 93 Literaturverzeichnis ................................................................. 97
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Vorwort Für die Kirche von Jerusalem war die Zeit um das Jahr 800 eine Umbruchszeit. Damals sind ihre Vorsteher, die Patriarchen der Heiligen Stadt, aus der Unscheinbarkeit von Bischöfen unter arabischer Herrschaft herausgetreten. Ihnen fiel es zu, an einem Geschehen beteiligt zu werden, das die Geschichte des Nahen Ostens auf immer verändern würde. Es begann beinah unbemerkt im Jahre 797, als der Frankenkönig Karl, der bereits fast alle Kriege in Europa für sich entschieden hatte, erstmals Boten an den Kalifen Hārūn ar-Rašīd sandte, und diese auf ihrem Weg nach Bagdad in Jerusalem haltmachten. Von nun an sollte der Jerusalemer Patriarch eine zunehmend wirkmächtige Rolle bei der diplomatischen Annäherung zwischen der fränkischen Großmacht und der abbasidischen Regierung übernehmen. Es war in etwa zur gleichen Zeit, dass zum ersten Mal im bislang ausschließlich von orientalischen Christen geprägten Jerusalem Mönche aus dem Frankenreich, und zwar aus den hohen kirchlichen Eliten um Karl, am Ölberg ein eigenes, fränkisches Kloster gründeten. Damit war die neue Weltmacht im Nahen Osten angekommen. Und mit ihr war das griechische Patriarchat von Jerusalem von Anfang an verbunden: Solange dem Patriarchen eine un–7–
verzichtbare Vermittlerfunktion im fränkisch-abbasidischen Annäherungsprozess aufgetragen war, galt es ihm freilich, diese im Interesse seiner ohnehin gefährdeten Herde zu verwenden. In der Tat ist in jener Zeit der Einfluss des Patriarchats sichtlich gestiegen, und damit seine Bekanntheit: Eine Fülle an zeitgenössischen Schriften in Verbindung mit den Führungsgestalten des Patriarchats sind aus jenen Jahren erhalten – in starkem Gegensatz zur früheren und späteren (weitgehenden) Obskurität. Durch seine internationale Involvierung kam das Patriarchat ins Rampenlicht. Doch dies war nur die eine Seite der Medaille. Denn just jene Zeit der politischen Prominenz war zugleich – so zeigen es der archäologische Befund und schriftliche Zeitzeugen verschiedenster Provenienz und Sprache – die entscheidende Periode des Schrumpfens des Christentums in Syro-Palästina und darüber hinaus. Damals erst kam im Fruchtbaren Halbmond eine muslimische Mehrheit auf, während die Christen zur bedrohten Minderheit wurden, ein Status, der im Mittelalter für sie als selbstverständlich gelten sollte. Diesen Widerspruch zwischen politischer Einflusssteigerung und zeitgleicher Dezimierung ansatzweise zu verstehen, war das Ziel dieses Jenaer Vortrags. Prof. Dr. Achim Hack hat mich nicht nur mit seiner Einladung nach Jena und mit der außerordentlich fruchtbaren Diskussion nach dem Vortrag zur Weiterentwicklung vieler auf halber Strecke gebliebenen Gedanken angeregt, sondern mir durch die Aufnahme in die Jenaer Reihe auch den Anstoß gegeben, den Vortrag zu einem Text auszugestalten. Deshalb bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet. Ebenfalls großer Dank gilt meinem Freund PD Dr. Alexander Schilling, der durch seine Beschäftigung mit Karl dem Großen in der arabischen Literatur und den Gesprächen darüber, vor allem aber durch das Engagement, das er jetzt für meine Untersuchung zu Thomas von Jerusalem gezeigt hat, mir wesentlichen Impuls gegeben hat. –8–
Den ersten Anlass, aus meinen Untersuchungen zu den Themen dieser Studie Ergebnisse zusammenzustellen, gab mir eine Vortragseinladung von Prof. Dr. Bernd-Jochen Hilberath; dafür, wie auch für andere damit zusammenhängende großzügige Hilfe bin ich ihm zu herzlichem Dank verpflichtet. Ebenfalls PD Dr. Benjamin Gleede, der das Manuskript sprachlich, aber auch mit inhaltlichen Hinweisen, verbessert hat. Und nicht zuletzt Dr. Vasileios Tsakiris und Dr. Konstantinos Garitsis, sowie Marius Gnauk, der die Vorbereitung des elektronischen Manuskripts für den Druck auf sich genommen hat. Von ganzem Herzen danke ich auch diesmal meinen Eltern, Christos Kavvadas und Panagiota Poupi, sowie Giorgos Poupis und Tasoula Kavvada.
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Jerusalem zwischen Aachen und Bagdad. Zur Existenzkrise des byzantinischen Christentums im Abbasidenreich Es ist kein Zufall, dass wir ausgerechnet vom Angriff einer bewaffneten Gruppe auf das Mar Saba Kloster im Jahre 797 und der Tötung von zwanzig Mönchen einen nahezu singulär detaillierten Augenzeugenbericht besitzen, aus einem Zeitraum, der notorisch nur sehr karg und sporadisch, zudem meistens nur durch spätere, legendarisch überformte Quellen beleuchtet wird. Bereits dem Autor dieses Berichtes, dem Mönch Stephanos bin Manṣūr von Mar Saba,1 wird deutlich gewesen sein, 1
Die Information, dass der Autor der Akte Stephanos bin Manṣūr hieß, stammt nicht aus dem griechischen Original, sondern erst aus der georgischen Übersetzung, in deren Titel man liest, „geschrieben [hat es] Abba Stephanos, Sohn des Mansur, Damaskener, für [das] Mar Saba [Kloster]“ (აღწერა ამბა სტეფანე მანსურის ძემან დამასკელმან საბაწმიდას; s. PAUL PEETERS, De codice hiberico bibliothecae Bodleianae oxoniensis, in: Analecta Bollandiana XXXI 1912, S. 301–318, hier 307; vgl. ROBERT P. BLAKE, Deux lacunes comblées dans la Passio XX monachorum sabaitarum, in: Analecta Bollandiana LXVIII 1950, S. 27–43, hier 41, Anm. 6). Doch da die georgische Übersetzung höchstwahrscheinlich bereits kurze Zeit nach dem griechischen Original im Mar Saba Kloster – damals einem der prominentesten Zentren des georgischen Mönchtums – erstellt worden ist, scheint diese Zuschreibung an Stephanos zuverlässig. Unklar ist hingegen ob dieser Stephanos bin Manṣūr identisch mit einem – 11 –
dass jener Angriff, den er selbst kaum ein Jahr vorher knapp überlebt hatte, ein für seine Zeit sehr charakteristisches Ereignis war, das gleichsam pars pro toto für eine epochale Krise stand – eine Krise, die für das byzantinische Christentum nicht nur in Syro-Palästina, der Heimat des Stephanos, sondern überall im abbasidischen Kalifat beinahe fatal werden sollte.
Neffen des Johannes von Damaskus gleichen Namens ist, der ebenfalls Mönch von Mar Saba war und dort zwischen ca. 752 und 754 Abt wurde, oder aber ein anderes Mitglied der orthodoxen Archontenfamilie der Manṣūr, aus der auch Johannes von Damaskus kam (zum Neffen des Letzteren, Stephanos, s. Synaxarium Ecclesiae Constantinopolitanae, ed. HIPPOLYTE DELEHAYE, in: Acta Sanctorum Novembris – Propylaeum, Brüssel 1902, S. 170). Die zuletzt genannte Möglichkeit ist eher wahrscheinlich, da, wenn der Autor des Martyriums der 20 Sabaiten mit dem Neffen des Johannes von Damaskus identisch wäre, dieser über 88 Jahre alt gewesen sein müsste, als er das Martyrium schrieb (vgl. Art. Stephanos Manṣūr, in: Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit IV, Berlin/New York 2001, #6912, S. 200–203; außerdem war der ohnehin beliebte Name Stephanos in Palästina außerordentlich verbreitet, vgl. die zahlreichen Syro-Palästinenser unter den in der „Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit“ aufgezeichneten Träger dieses Names, ebd., # 6901–7108). – 12 –
1. Der Überfall auf Mar Saba von März 797 und Thomas von Jerusalem Zum Anfang des Osterfastens im Jahr 797, am 13. März, sahen die Mönche des Mar Saba Klosters, etwa 10 Kilometer von Jerusalem entfernt, eine Gruppe bewaffneter Araber auf Pferden auf ihr Kloster zureiten. Die Mönche wussten bereits, dass in den letzten Monaten „im Land der Palästinenser ein großer Bürgerkrieg [zwischen] den Stämmen der Sarazäner ausgebrochen war“.2 Sie wussten, dass bewaffnete Gruppen wie diese, die jetzt auf sie zukam, nicht nur bereits unzählige „Ortschaften, nachdem sie die Einwohner ausgeplündert, in die Flucht gejagt und ihr Eigentum geraubt oder sie gar [da] vorgefunden und getötet hatten, dem Feuer preisgegeben und in Ruinen lie2
Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων, ἤγουν Σαρακηνῶν, ἐν τῇ μεγίστῃ Λαύρᾳ τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Σάβα (BHG 1200), ed. ATHANASIOS PAPADOPOULOS-KERAMEUS, in: Συλλογὴ παλαιστινῆς καὶ συριακῆς ἁγιολογίας, St. Petersburg 1907 (Nachdr. Thessaloniki 2001), cap. 2, S. 2: συνεκροτήθη ἐν τῇ τῶν Παλαιστινῶν χώρᾳ μέγας ἐμφύλιος πόλεμος τῶν Σαρακηνικῶν φύλων. Dieser Martyriumstext, der eine außerordentlich aufschlußreiche Nahaufnahme anbietet, liegt jetzt zum ersten Mal in Übersetzung vor, s. STEPHEN SHOEMAKER, Three Christian Martyrdoms from Early Islamic Palestine: Passion of Peter of Capitolias, Passion of the Twenty Martyrs of Mar Saba, Passion of Romanos the Neo-Martyr, Provo, Utah 2016. – 13 –
gen gelassen hatten“, nicht nur ganze christlich geprägte Städte Palästinas wie „Eleutheropolis völlig unbewohnbar gemacht, indem sie sie ganz verwüstet hatten, […] und Askalon und Gaza und Sariphaia und andere Städte schrecklich geplündert hatten“,3 sondern selbst Jerusalem angegriffen hatten: Nach einer Generalmobilisierung hatten arabische Milizen versucht, die Heilige Stadt, wo bereits Geflüchtete, v. a. Christen, aus allen kleinen Orten Judäas vor dem Gewaltausbruch Zuflucht gesucht hatten, im Sturm einzunehmen, um auch sie auszuplündern4 – eine beispiellose Aktion gegen das auch für Mus3
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Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων (wie Anm. 2), cap. 3f., S. 3: χωρία, τοὺς οἰκήτορας λεηλατήσαντες καὶ φυγαδεύσαντες καὶ τὰ ἐνόντα πραιδεύσαντες ἢ καὶ εὑρεθέντας φονεύσαντες, πυρὶ παραδόντες ἐρείπια καταλελοίπασιν […] Ἐλευθερόπολιν παντελῶς ἀοίκητον ἔθηκαν, πᾶσαν ἐκπορθήσαντες […] καὶ Ἀσκάλωνα καὶ Γάζαν καὶ Σαριφαίαν καὶ ἑτέρας πόλεις δεινῶς ἐληΐσαντο. Die eindrückliche Schilderung des Angriffs durch Stephanos lässt die höchste Anspannung der bedrohten Jerusalemer Zivilbevölkerung als auch die besonderen Dimensionen der Kriegsoperationen erahnen: Die Einwohner „der Heiligen Stadt Christi, unseres Gottes, vernachlässigten ihre je eigenen Arbeiten und Unternehmungen, und versuchten, Gräber um die Stadt herum zu graben und Mauern aufzubauen; sie brachten [an die Mauern] Tore an, und setzten Wächter und Posten ein für Nacht und Tag, im Angesicht der überaus vielen und unerwarteten Stürme der Räubergruppen – denn sie waren von großer Angst ergriffen und antizipierten eine schreckliche Erstürmung [der Stadt]“ (τῆς ἁγίας Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν πόλεως, τῶν ἰδίων ἕκαστος ἀμελήσαντες ἔργων καὶ ἐγχειρήσεων, τάφρους περὶ τὴν πόλιν ὤρυττον καὶ τείχη ἀνοικοδομεῖν ἐπειρῶντο καὶ πύλας ἐφήρμοζον, νύκτωρ τε καὶ καθ’ ἡμέραν φύλακας καὶ σκοποὺς ἔθεντο, τὰς ἀθρόους καὶ ἀπροόπτους ἐφόδους τῶν λῃστρικῶν ὑφορώμενοι συναγμάτων, φόβῳ πολλῷ συνεχόμενοι καὶ πόρθησιν δεινὴν ἐκδεχόμενοι). Denn die arabischen Milizen hatten bereits das gesamte Umland Jerusalems unter ihrer Kontrolle, „und drohten sogar selbst die Heilige Stadt einzunehmen, sie auszuplündern und zur Festung ihrer eigenen Armee zu machen; was sie auch tatsächlich zu tun versuchten, indem sie mit allen ihren Truppen gegen sie ins Feld zogen und alle zusammen auf sie losstürmten. Und sie hätten ihr Vorhaben auch umgesetzt, wenn nicht eine göttliche Kraft mit den Wächtern der Stadt, die, obwohl wenig, zur – 14 –
lime heilige Jerusalem.5 Davor wurde die Stadt nur knapp gerettet dank seiner Einwohner, die vor dem Angriff unter Aufbietung all ihrer Kräfte – und nicht ohne das Zutun des Patriarchen Elias II. – die Befestigung der Stadt eilends verstärkten, und einer arabischen Militärgarde, die, obwohl hoffnungslos in der Minderzahl, die Angreifer abzuwehren vermochte.6 Die Nachrichten bekamen die Mönche von Mar Saba Tag für Tag mit stockendem Atem. Doch für sie war selbst die Errettung Jerusalems nur bedingt eine Erleichterung, denn den bewaffneten Gruppen blieb nach wie vor „im ganzen angrenzenden Hochland keine Siedlung, keine Ortschaft unzugänglich“.7 Und als sie dann die Meldung ereilte, auch noch ein anderes Kloster der judäischen Wüste, die „Alte Lavra“ des Heiligen Chariton, sei attackiert worden, war den Mönchen von Mar Saba deutlich, dass nun die Reihe an ihnen war.8 Dennoch hofften sie, wie ihre Mitbrüder vom Heiligen Chariton eher glimpflich davonzukommen. Die Mönche des Mar
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Abwehr hinausgezogen waren, zusammen gekämpft hätte, und so die Unreinen paradoxerweise besiegt, und in Schande zurückgeschlagen hätte“ (ἤδη δὲ ἠπείλουν καὶ τῆς ἁγίας ἐπιβαίνειν πόλεως καὶ ταύτην ληΐσασθαι καὶ τοῦ οἰκείου φοσσάτου ὀχύρωμα καταστήσασθαι· ὃ καὶ ποιεῖν ἐπειράθησαν, πανδημεὶ ταύτης καταστρατεύσαντες καὶ ὁμοθυμαδὸν καθορμήσαντες· καὶ δὴ ἂν τὰ τῆς προαιρέσεως ἐξετέλεσαν, εἰ μὴ θεία τις δύναμις τοῖς τῆς πόλεως φύλαξι, καίπερ ὀλιγοστοῖς οὖσιν, εἰς ἀντιπαράταξιν αὐτῶν προαπαντήσασι συμμαχήσασα τοὺς μιαροὺς παραδόξως ἥττησε καὶ κατῃσχυμμένους ἀπέστρεψεν); ebd., cap. 4, S. 4. Vgl. SHLOMO DOV GOITEIN, The Sanctity of Jerusalem and Palestine in Early Islam, in: DERS., Studies in Islamic History and Institutions, Leiden 1966, S.135–148, bes. 142f.; AMIKAM ELAD, Medieval Jerusalem and Islamic Worship: Holy Places, Ceremonies, Pilgrimage, Leiden 1995, bes. S. 62ff. Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων (wie Anm. 2), cap. 4, S. 4. Ebd.: οὐχ ὑπολέλοιπτο ... εἰς πᾶσαν τῆς Ὀρεινῆς τὴν περίχωρον χωρίον οὐδὲ τόπος ἀνεπίβατος. Ebd., cap. 3–4, S. 3f. – 15 –
Saba Klosters kamen sogar der bewaffneten Gruppe außerhalb ihres hoch ummauerten Klosters entgegen – in der Erwartung, dass die arabischen Räuber (wie im Chariton-Kloster) Lebensmittel und Wertgegenstände plündern und dann weiterziehen würden.9 Tatsächlich raubten die Angreifer das Kloster zuerst aus, doch bald daraufhin sollten die Ereignisse eine merkwürdige Wende nehmen. Was jetzt vor sich ging, war kein einfacher Raubüberfall mehr, auch wenn es so begonnen hatte. Die Räuber konzentrierten ihre Aktionen nicht nur darauf, den geheimen Hort des kostbaren liturgischen Geräts, sondern auch die Adligen unter den Mönchen von Mar Saba aufzuspüren, vor allem aber einen bestimmten vornehmen Mönch. Über diesen Mönch wissen die Angreifer zwar, dass er Thomas heißt und Arzt ist, sie kennen ihn aber nicht von Angesicht:10 So versuchen sie mit Todesdrohungen, Schlägen und Verwundungen die Mönche dazu zu zwingen, ihnen diesen Thomas bzw. weitere führende Brüder und das Versteck ihres sakralen Geräts zu zeigen. Die Mönche weigern sich standhaft. Wie der überlebende Augenzeuge Stephanos bin Manṣūr kommentiert, „wurden die von Natur aus Wilden [sc. die Angreifer] verwundert und erstaunt über die Liebe der Heiligen und über die [enge] Beziehung und Standhaftigkeit ihrer Bruderliebe“ – d.h. über ihre Bereitschaft, eher zu sterben, als ihnen Thomas und die anderen Vornehmen zu zeigen – „nur noch wilder“.11 Zwanzig 9 Ebd., cap. 12, S. 11. 10 Ebd., cap. 30, S. 23. 11 Ebd.: μᾶλλον ἀγριωθέντες οἱ ἐκ φύσεως ἄγριοι, καὶ τὴν τῶν ὁσίων θαυμάσαντες καὶ ἐκπλαγέντες ἀγάπην καὶ φιλάδελφον σχέσιν καὶ ἔνστασιν, ἔπαιον ράβδοις καὶ ἔνυττον μαχαίραις καὶ βέλεσι. Zu dieser von alters her unter Griechen und Römern verbreiteten Wahrnehmung der Araber bzw. Beduinen und zu ihren Hintergründen, vgl. BERNARD FLUSIN, Démons et Sarrasins. L’auteur et le propos des Diegemata steriktika d’Anastase le Sinaite, in: Travaux et mémoires XI 1991, S. 381–409, bes. 404ff.; ALAIN DUCELLIER, Byzance, juge cruel dans un environnement cruel? Notes sur – 16 –
Mönche von Mar Saba sterben unter den Foltern. Sie fanden sogleich als Märtyrer Eingang in den liturgischen Kalender der orthodoxen12 Kirche.13
le "Musulman cruel" dans l'empire byzantine entre VII ème et XIIIème siècles, in: TOIVO VILJAMAA/ASKO TIMONEN/CHRISTIAN KRÓTZL (Hgg.), Crudelitas: the Politics of Cruelty in the Ancient and Medieval World, Krems 1992, S. 148–180; KONSTANTIN M. KLEIN, Ο άγιος Ιερώνυμος και οι Σαρακηνοί της Συρίας και της Παλαιστίνης – Σχόλια με τους βίους του Μάλχου του Μοναχού και του αγίου Ιλαρίωνα, in: APOSTOLOS KRALIDES/ANDREAS GKOUTZIOKOSTAS (Hgg.), Byzantium and the Arab world, Thessaloniki 2013, S. 209–232, hier 210ff.; WALTER D. WARD, Mirage of the Saracen: Christians and Nomads in the Sinai Peninsula in Late Antiquity, Berkeley 2014, bes. S. 111ff. 12 Hier wie auch im Folgenden wird mit dem Adjektiv „orthodox“ bzw. mit dem daraus abgeleiteten Substantiv die Zugehörigkeit zur byzantinischen Kirche bezeichnet, die in voller Kommunion mit der nunmehr außerhalb der Grenzen des byzantinischen Reiches liegenden Kirche von Rom samt aller ihr unterstellten „lateinischen“ Kirchen des Westens stand. Davon zu unterscheiden sind die von der byzantinischen Kirche abgespaltenen miaphysitischen Kirchen, die insbesondere in Syro-Mesopotamien, Ägypten und Armenien heimisch waren, wie auch die ostsyrische, sog. „nestorianische“ Kirche, die sich von Mesopotamien aus überall im Iran sowie in Zentralasien, Südindien und im Fernen Osten ausgebreitet hatte. 13 Vgl. GERARD GARITTE, Le calendrier palestino-géorgien du Sinaiticus 34 (Xe siècle), Subsidia hagiographica XXX, Brüssel 1958, S. 55: am 19. März ist das Fest der „verbrannten heiligen Väter vom Mar Saba [Kloster]“ (წმიდათა მამათა დამწუართა საბაწმიდელთა). – 17 –
1.1 Mar Saba Kloster, Jerusalemer Patriarchat und orthodoxe Eliten Die außerordentliche Tragweite dieses Angriffs auf Mar Saba wird bereits an der denkbar zentralen Stellung des Schauplatzes und der Protagonisten deutlich: Das Mar Saba Kloster war nicht nur das größte orthodoxe Kloster im abbasidischen Kalifat, sondern zählte Söhne der einflussreichsten byzantinischorthodoxen Familien von Syrien und Palästina unter seine Mönche, es war gleichsam das Eliten-Kloster im Abbasidenreich par excellence.14 Ferner standen damals die führenden Mönche von Mar Saba in einer denkbar engen Beziehung zum benachbarten orthodoxen Patriarchat von Jerusalem,15 ja das Kloster fungierte gleichsam als permanentes Nachwuchszentrum für die Führungsfunktionen im Patriarchat. Und dies in einer Zeit, als das Jerusalemer Patriarchat gemeinsam mit den großen Klöstern der judäischen Wüste das unbestrittene kirchenpolitische sowie kulturelle und geistliche Führungszentrum aller orthodoxen Kirchen im Kalifat, von Ägypten bis nach Bagdad, war. Nicht nur kamen die prominentesten griechisch- sowie arabischsprachigen orthodoxen theologischen Autoren – vom Patriarchen Sophronios von Jerusalem bis Johannes von Damaskus und Theodor Abū Qurra – sowie die damals geltenden Richtlinien zur liturgischen Praxis und die frühen Neomärtyrer-Akten mit ihrem für die Identitätsbildung 14 Vgl. SIMÉON VAILHÉ, Le monastère de Saint-Sabas (II), in: Échos d’Orient III 1899, S. 18–28, bes. 23ff.; vgl. SIDNEY GRIFFITH, The Life of Theodore of Edessa: History, Hagiography, and Religious Apologetics in Mar Saba Monastery in Early Abbasid Times, in: JOSEPH PATRICH (Hg.), The Sabaite Heritage in the Orthodox Church from the Fifth Century to the Present, Orientalia lovaniensia analecta XCVIII, Leuven 2001, S. 147–169, hier 160ff. 15 S. MILKA LEVY-RUBIN, הפטריארכיה הירושלמית לאחר הכיבוש הערבי, Jerusalem 1994, S. 250–257. – 18 –
der Orthodoxen des Kalifats denkbar prägenden Einfluss direkt aus Jerusalem und den herumliegenden Klöstern, v. a. aus Mar Saba;16 nicht nur wurden oft solche dogmatische, liturgische oder hagiographische Texte von Autorität ebenfalls im vielsprachigen, internationalen Mar Saba oder in Jerusalem ins Arabische und/oder Georgische übersetzt, und von da aus, über ein um Jerusalem zentriertes Netzwerk orthodoxer Eliten, in alle Ecken des orthodoxen Nahen Ostens verbreitet;17 dazu kam, dass das Jerusalemer Patriarchat, obwohl seine Jurisdiktion formell kaum über (Süd)palästina hinausreichte, wiederholt die Stellung der orthodoxen Kirchen nicht nur Syro-Palästinas, sondern des ganzen Kalifats in einer Reihe geopolitisch kritischer, weltweiter kirchlicher Auseinandersetzungen vom monotheletisch-monoenergetischen Streit im 7. bis zum ikonoklastischen Streit im 8./9. Jahrhundert weitgehend definierte und diese Kirchen auf die Seite derjenigen Konstantinopler (Kir16 S. SIDNEY GRIFFITH, Michael, the Martyr and Monk of Mar Sabas Monastery, at the Court of Caliph Abd Al-Malik; Christian Apologetics and Martyrology in the Early Islamic Period, in: Aram VI 1994, S. 115–148, hier 147f.; DERS., Christians, Muslims, and Neo-Martyrs. Saints’ Lives and Holy Land History, in: ARIEL KOFSKY/GUY STROUMSA (Hgg.), Sharing the Sacred: Religious Contacts and Conflicts in the Holy Land, First-Fifteenth Centuries, Jerusalem 1998, S. 163–207, bes. 181ff.; DERS., Melkites, Jacobites and the Christological Controversies in Arabic in Third-Ninth Century Syria, in: DAVID R. THOMAS (Hg.), Syrian Christians under Islam. The First Thousand Years, Leiden 2001, S. 9–56, hier 17f. 17 Vgl. SIDNEY GRIFFITH, Greek into Arabic. Life and Letters in the Monasteries of Palestine in the Ninth Century; the Example of the Summa Theologiae Arabica, in: Byzantion LVI 1986, S. 117–138, bes. 123ff.; DERS., From Aramaic to Arabic: The Languages of the Monasteries of Palestine in the Byzantine and Early Islamic Periods, Dumbarton Oaks Papers LI 1997, S. 11–31, bes. 23ff.; ALEXANDER TREIGER, Christian Graeco-Arabica. Prolegomena to a History of the Arabic Translations of the Greek Church Fathers, in: DIMITRI GUTAS/SABINE SCHMIDTKE/ALEXANDER TREIGER (Hgg.), New Horizons in Graeco-Arabic Studies = Intellectual History of the Islamicate World III 2015, S. 188–227, bes. 190ff. – 19 –
chen)partei brachte, welche den auf den ökumenischen Konzilien von Konstantinopel (680) und Nizäa (787) als orthodox sanktionierten Standpunkt vertrat.18 Diese informelle Führungsposition des Jerusalemer Patriarchenthrones in der orthodoxen Christenheit des Kalifats zeigt sich etwa darin, dass sein gefeiertster Inhaber jener Ära, Thomas von Jerusalem, den ersten Arabisch schreibenden orthodoxen Theologen, Theodor Abū Qurra, der Bischof von Harran war und demnach dem antiochenischen Patriarchen unterstand, mit der Abfassung einer Schrift „An die Armenier“ beauftragte und dann diese Schrift von seinem hochrangigen Mitarbeiter (Synkellos) und Vertrauensmann Michael ins Griechische übersetzt nach Armenien bringen ließ19 – also eine theologische Auseinandersetzung mit der miaphysitischen armenischen Kirche anstieß, die die gesamte orthodoxe Kirche betraf und demnach eher vom Konstantinopler ökumenischen Patriarchen, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem geogra-
18 Vgl. PATRICK T. GRAY, The Sabaite Monasteries and the Christological Controversies (478–533), in: JOSEPH PATRICH (Hg.), The Sabaite Heritage in the Orthodox Church from the Fifth Century to the Present, Orientalia lovaniensia analecta XCVIII, Leuven 2001, S. 237–259, bes. 239ff.; MILKA LEVY-RUBIN, The Role of the Judean Desert Monasteries in the Monothelite Controversy in Seventh-Century Palestine, in: J. Patrich (Hg.), The Sabaite Heritage, S. 283–300 (wie w.o.), bes. 289ff.; ANDREW LOUTH, John of Damaskus and the Making of the Byzantine Theological Synthesis, in: J. Patrich (Hg.), The Sabaite Heritage (wie w.o.), S. 301– 304. 19 S. Ἐπιστολὴ ... πρὸς τοὺς κατὰ τὴν Ἀρμενίαν αἱρετίζοντας, Migne Patrologia graeca 97, Paris 1865, Sp. 1504; vgl. JOHN C. LAMOREAUX, An Unedited Tract Against the Armenians by Theodore Abū Qurrah, in: Le muséon CV 1992, S. 327–341, bes. 328f.; DERS., Theodore Abū Qurra, in: Bibliographical History of Christian-Muslim Relations I, Leiden 2009, S. 408–460, hier 408. – 20 –
phisch nächststehenden Patriarchat von Antiochia – bzw. auch in Absprache mit Rom – hätte geführt werden müssen.20 Ebenso hat der Patriarch Thomas durch seinen engen Mitarbeiter Michael Synkellos im nordmesopotamischen Edessa – also wieder im Herzen des Jurisdiktionsbereichs des antiochenischen Patriarchen – den Unterricht des klassischen Griechisch forcieren wollen, das nicht nur vital für die griechischbyzantinische Identitätskomponente der orthodoxen Bevölkerungen des Abbasidenreichs in Zeiten der fortschreitenden Arabisierung21 und Islamisierung war, sondern auch kritisch für die Entwicklung des Griechisch-Arabischen Übersetzungsprojekts der abbasidischen Regierung bzw. der damals herrschenden Wesire der Barmakiden-Familie und damit für die Beziehung der orthodoxen Kirchen des Kalifats zu Bagdad.22 Ebenso charakteristisch für diese formlose, jedoch sehr reale Führungsrolle des Jerusalemer Patriarchats ist ein vorgebliches Synodalschreiben der Patriarchen Basilios von Jerusalem, Hiob von Antiocheia und Christophoros von Alexandria an Kaiser Theophilos: Wenn dort die angebliche Synode der drei Patriarchen in Jerusalem stattfindet, ihr Ergebnis weitgehend von der Jerusalemer anti-ikonoklastischen Position bestimmt, und obendrein während der Synode ein Bischof des antiochenischen Pa-
20 Über die Teilung der orthodoxen Kirche in Patriarchate und deren Jurisdiktionsbereiche s. v. a. JUDITH HERRIN, The Pentarchy: Theory and Reality in the Ninth Century, in: DIES., Margings and Metropolis: Authority Across the Byzantine Empire, Princeton/Oxford 2015, S. 239– 266, bes. 243ff. 21 S.w.o., Anm. 14. 22 S. Michael Synkellos, Le traité de la construction de la phrase, ed. DANIEL DONNET, Études de philologie d'archéologie et d'histoire anciennes […] XXII, Brüssel u. a. 1982; vgl. VITTORIO BERTI, Vita e studi di Timoteo I patriarca cristiano di Baghdad. Ricerche sull’epistolario e sulle fonti contigue, Cahiers de studia iranica XLI – Chrétiens en terre d'Iran III, Paris 2009, S. 311. – 21 –
triarchats in der Heiligen Stadt geweiht wird,23 so wird daran deutlich, gleich ob die im vorgeblichen Synodalschreiben geschilderten Vorkommnisse historisch sind oder nicht, welche kirchenpolitische Prävalenz der Kirche von Jerusalem zugedacht wurde – der Stadt, die man damals „Königin“ und „Vorbild aller Städte“ nennen konnte.24 Und in jener Ära der Prävalenz von Jerusalem stand das Mar Saba Kloster, wie gesehen, in nächster Nähe zur Patriarchatsführung: Aus Mar Saba kamen über Generationen die meisten diplomatischen Gesandten des Jerusalemer Patriarchen, wie auch die prominentesten Autoren und Kirchendichter, Gelehrten und Griechischlehrer des Patriarchats.25 Zugleich war das Mar Saba Kloster gemeinsam mit dem Patriarchat von Jerusalem der vornehmliche Kommunikationskanal zwischen den orthodoxen Kirchen des Kalifats einerseits und der byzantinischen Kaiserregierung, dem Konstantinopler Patriarchat, dem römischen Papst und, wie noch zu sehen sein wird, auch noch der neuen Großmacht der damaligen Welt, dem fränkischen Reich Karls des Großen26 andererseits. Somit richtete sich der
23 Dies bezeugt der Βίος καὶ πολιτεία τοῦ ... πατρὸς ἡμῶν Θεοδώρου ... ἀρχιεπισκόπου Ἐδέσσης, ed. J. POMJALOVSKIJ, St. Petersburg 1892, S. 35ff.; für das angebliche Synodalschreiben der drei Patriarchen, s. The Letter of the Three Patriarchs to Emperor Theophilos and Related Texts, ed. JOSEPH A. MUNITIZ/JULIAN CHRYSOSTOMIDES/EIRENE HARVALIACROOK/CHARALAMBOS DENDRINOS, Surrey 1997. 24 S. Martyrium des Hl. Michael von Mar Saba (წამებაჲ წმიდისა მიქაელისი რომელი იყო ლავრასა დიდსა წმიდისა მამისა ჩუენისა ნეტარისა საბაჲსსა), ed. CORNELIUS KEKELIDZE, in: DERS. (Hg.), Monumenta Hagiographica Georgica, pars prima: Keimena I, Tiflis 1918, S. 165–173, hier 172f.; vgl. PAUL PEETERS, La passion de S. Michel le Sabaïte, in: Analecta Bollandiana XLVIII 1930, S. 65–98, hier 76. 25 Vgl. SIMEON VAILHE, Les écrivains de Mar-Saba (I-II), in: Échos d’Orient II 1898, S. 1–11 und 33–47. 26 Vgl. MICHAEL BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden und mit den Patriarchen von Jerusalem, Münchener Bei– 22 –
Anschlag vom März 797 auf Mar Saba direkt gegen das Herz des orthodoxen Christentums im abbasidischen Reich. Dass dieser Anschlag ein Ereignis von außerordentlicher Tragweite, ja ein „historisches Novum“ darstellte, konnte Stephanos bin Manṣūr, der Autor des Berichtes darüber, klarer sehen als die meisten seiner Zeitgenossen. Er kam aus der einflussreichsten und ältesten unter den orthodoxen Adelsfamilien des Kalifats: Der Vorvater seiner Familie, Manṣūr bin Sarǧūn, soll der Legende nach im Jahr 635 die Stadt Damaskus dem Ḫālid bin al-Walīd, einem Gefährten des Muḥammad, übergeben haben27 und ist jedenfalls anschließend zum Sekretär des träge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung XXV, München 1978, S. 75, 114 et passim. 27 Das Problem, ob diese Legende von der Übergabe von Damaskus einen historischen Kern hat, hängt weitgehend von der noch offenen Frage ab, ob bzw. inwieweit das älteste uns erhaltene Zeugnis dieser Legende, nämlich der im Geschichtswerk des Saʽīd bin Baṭrīq, des orthodoxen Patriarchen von Alexandria, vorzufindende Bericht über Manṣūr bin Sarǧūn und dessen Rolle vor und bei der arabischen Eroberung, für glaubwürdig zu halten ist – ein Bericht, der weitgehend auf späten (ausgehendes 8. Jahrhundert), arabisch-muslimischen Quellen zu basieren scheint und sichtlich im Dienst einer Polemik des Saʽīd bin Baṭrīq gegen die Familie Manṣūr steht; s. Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien, ed. MICHAEL BREYDY, Corpus scriptorum christianorum orientalium, Arab. XLIV, Louvain 1985, S. 135–138; für eine traditionsgeschichtliche Einordnung der Quellen dieses Berichts des Saʽīd bin Baṭrīq, s. JENS SCHREINER, Die Eroberung von Damaskus: quellenkritische Untersuchung zur Historiographie in klassisch-islamischer Zeit, Islamic History and Civilization LXXVI, Leiden/Boston 2010, S. 147ff.; Schreiner schreibt über das ganze Narrativ des ibn Baṭrīq über den Fall von Damaskus: „Dass […] [sie] eine durchgängig fiktionalisierte Erzählung ist, braucht nicht noch betont zu werden“ (ebd., S. 149); für im Grunde historisch hält allerdings diesen Manṣūr-Bericht des ibn Baṭrīq Sidney Griffith, der die Invektiven des ibn Baṭrīq gegen die Familie Manṣūr als repräsentativ für einen Verdacht gegen die Manṣūr ansieht, welcher unter den Orthodoxen des Kalifats (seiner Meinung nach) weit verbreitet gewesen sei, s. SIDNEY GRIFFITH, The Manṣūr Family and Saint John of Damascus: Christians – 23 –
zweiten Kalifen ʽUmar avanciert. Manṣūr konnte dieses höchst einflussreiche Amt seinem Sohn, Sarǧūn, vererben,28 und Sarǧūn seinerseits hagiographischen Quellen zufolge seinem Sohn Johannes von Damaskus29 – dem bedeutendsten Kirchenvater, den die orthodoxe Kirche im Kalifat hervorgebracht hat. Aus der Familie Manṣūr kam möglicherweise auch Kosmas Melodos, einer der wirkungsreichsten Hymnographen in der Geschichte der ostkirchlichen Kirchendichtung.30 Aber auch zahlreiche kirchliche Würdenträger, darunter mehrere Patriarchen von Jerusalem, sind aus der Familie Manṣūr hervorgegangen: So u. a. die Jerusalemer Patriarchen Sergios bin Manṣūr (r. 842–844) und Elias III. (r. 879–907), ein außerordentlich einflussreicher Kirchenmann, der die Stellung der Jerusalemer Kirche (sowie aller Patriarchate im Abbasidenreich) im epochalen Konflikt zwischen Photios von Konstantinopel und Papst Nikolaus I. prägte, und zugleich, die international orientierte Politik von Jerusalemer Patriarchen wie Thomas fortführend, in Kontakt mit führenden fränkischen Bischöfen stand.31
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and Muslims in Umayyad Times, in: ANTOINE BORRUT/FRED DONNER (Hgg.), Christians and Others in the Umayyad State, Late Antique and Medieval Islamic Near East I, Chicago 2016, S. 29–52, bes. 29f. und 36ff. Vgl. ARTHUR S. TRITTON, The Caliphs and their Non-Muslim Subjects. A Critical Study of the Covenant of ʽUmar, London 1970, S. 19. Die Historizität dieser Nachricht ist jedoch nicht gesichert, s. ROBERT HOYLAND, Seeing Islam as Others Saw it. A Survey and Evaluation of Christian, Jewish, and Zoroastrian Writings on Early Islam, Studies in Late Antiquity and Early Islam XIII, Princeton, New Jersey 1997, S. 481. Dies ist allerdings angezweifelt worden, s. ALEXANDER KAZHDAN/STEPHEN GERÖ, Kosmas of Jerusalem: A More Critical Approach to his Biography, in: Byzantinische Zeitschrift LXXXII 1989, S. 122–132, bes. 128. Zu den Patriarchen Sergios bin Manṣūr und Elias bin Manṣūr, s. Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien, ed. M. BREYDY (wie Anm. 27), S. 61f.; vgl. S. GRIFFITH, The Manṣūr Family and Saint John of Damascus (wie Anm. 27), S. 32. – 24 –
Welche emblematische Rolle für die orthodoxe Christenheit im Abbasidenreich insgesamt der Familie Manṣūr zukam, zeigt sich aber vor allem in einem der miaphysitischen Chronik von Zuqnīn (8. Jahrhundert) entstammenden Bericht davon, wie Sarǧūn bin Manṣūr, der Vater des Johannes von Damaskus, die byzantinische Orthodoxie im Kalifat forciert habe: Dieser hätte die byzantinische Orthodoxie – von der Chronik von Zuqnīn polemisch als „Häresie des Maximos [Confessor]“ bezeichnet – gleichsam vom Byzantinischen Reich in den umayyadischen Nahen Osten importiert32 und diese dort durch seine hohe Stelle beim Kalifen mit Gewalt durchgesetzt: „Während nun in den Ländern der Rhomäer jene Gesinnung [sc. die „Häresie des Maximos“] herrschte, war diese in den Ländern Syriens jedoch nicht […] akzeptiert. Sie wurde aber [auch dort] gesät durch die [Kriegs]gefangenen und die Exulanten, die durch die Raubzüge 32 Die Historizitätsansprüche dieser Behauptung werden bereits dadurch relativiert, dass das, was die Chronik von Zuqnīn „Häresie des Maximos“ nennt – also die Glaubenslehre der orthodoxen, byzantinischen wie lateinischen Kirche nach dem 6., von Maximos’ dyotheletischer Christologie geprägten Ökumenischen Konzil – weitgehend palästinischer Herkunft war, da ja Maximos selbst Palästinenser und viele seiner engsten Mitarbeiter in seinen reichsweiten Aktionen gegen den Monotheletismus Landsleute aus Syro-Palästina, oder, wie der Patriarch Sophronios von Jerusalem, in Palästina aktiv waren (zur Herkunft des Maximos Confessor s. CHRISTIAN BOUDIGNON, Maxime le Confesseur était-il constantinopolitain?, in: BART JANSSENS/BRAM ROOSEN/PETER VAN DEUN (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek Patristic and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his Sixty-Fifth Birthday, Orientalia lovaniensia analecta CXXXVII, S. 11–43, bes. 41ff; PHIL BOOTH, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Transformation of the Classical Heritage LII, Berkeley/Los Angeles 2014, S. 144ff.; zu den Mitarbeitern des Maximos, vgl. PHILIPP WINTERHAGER, Rome in the Seventh-Century Byzantine Empire. A Migrant's Network Perspective from the Circle of Maximos the Confessor, in: NICHOLAS MATHEOU/THEOFILI KAMPIANAKI/LORENZO BONDIOLI (Hgg.), From Constantinople to the Frontier – The City and the Cities, The Medieval Mediterranean CVI, Leiden/Boston 2016, S. 191–206). – 25 –
der Araber [vom byzantinischen Reich] hergebracht und in Syrien angesiedelt wurden. Und insbesondere wurden von jener Gesinnung [sc. der „Häresie des Maximos“] – wegen des Prestiges […] des Reichs der Rhomäer – die Einwohner von Städten, deren Bischöfe und die Archonten unter ihnen verdorben, und sie akzeptierten sie. Es war Sergios bin Manṣūr, der die in Damaskus und Homs lebenden Gläubigen [sc. Miaphysiten] bedrängte, nicht nur damit sie das Wort ‚gekreuzigt‘ [sc. das Wahrzeichen ihrer miaphysitischen Konfession] von dem dreimal heiligen Lobgesang streichen, sondern so [sehr], dass viele der Unsrigen auf seine [sc. des Sergios] Häresie [sc. die byzantinische Orthodoxie] übergelaufen sind“.33 33
ܐܚܝܕ ܗܘܐ ܼܗܝ ܗܕܐ ܬܪܥܝܬܐ (ܐܪܣܝܣ.ܟܕ ܓܝܪ ܒܐܬ̈ܪܘܬܐ ܕ̈ܪܘܡܝܐ ... ܕܡܟܣܝܡܘܣ)܆ ܡܢ ܙ ܒܢܐ ܕܩܘܣܛܢܛܝܢܘܣ ܐܐܠ ܒܐܬ̈ܪܘܬܐ ܕܣܘܪܝܐ ܐܠ ̈ ̈ ܕܒܓܝܣܐ ̈ ̈ ܕܛܝܝܐ .ܘܓܠܘܝܐ ܫܒܝܐ ܗܘܬ ܕܝܢ ܐܙܕܪܥܬ ܒܝܕ.ܡܬܩܒܐܠ ܗܘܬ ܿ . ܘܝܬܝܪܐܝܬ ܐܬܚܒܠܘ ܒܬܪܥܝܬܐ ܘܩܒܠܘܗ.ܢܦܩܘ ܘܐܬܬܘܬܒܘ ܒܣܘܪܝܐ ̈ ̈ . ܕܡܠܟܘܬܐ ܕ̈ܪܘܡܝܐ... ܡܛܠ ܐܘܦܘܠܦܣܝܣ ܘܐܦܝܣܩܘܦܐ ܕܝܠܗܘܢ ܡܕܝܢܝܐ ̈ ܨܠܡܗܝܡܢܐ ܐܝܬܘܗܝ ܣܪܓܝܣ ܒܪ ܡܢܨܘܪ ܕܣܓܝ ܐ ܼܠ.ܘ̈ܪܝܫܢܐ ܕܡܢܗܘܢ ܠܘ ܒܠܚܘܕ ܕܢܛܥܘܢ ܠܒܪܬ ܩܐܠ ܿܗܝ.ܗܠܝܢ ܕܒܕܪܡܣܘܩ ܘܒܚܡܨ ̈ ̈ ܘܠܣܓܝܐܐ ܐܐܠ.ܩܘܕܫܐ ܕܐܘܣܛܐܘܪܘܬܝܘܣ ܡܢ ܬܫܒܘܚܬܐ ܿܗܝ ܬܠܝܬܝܬ ܡܢ ܕܝܠܢ ܢܓܪܘܦ ܠܘܬ ܐܪܣܝܣ ܕܝܠܗ, Michael der Syrer, Chronique IV, ed.
JEAN-BAPTISTE CHABOT, Paris 1899, S. 457; vgl. JUAN SIGNES CODOÑER, Melkites and Icon-Worship During the Iconoclast Period, in: Dumbarton Oaks Papers LXVII 2013, S. 135–187, hier 150; JACK TANNOUS, In Search of Monotheletism, in: Dumbarton Oaks Papers LXVIII 2014, S. 29–67, bes. 34ff.; MURIEL DEBIÉ, Christians in the Service of the Caliph: Through the Looking Glass of Communal Identitities, in: A. BORRUT/F. DONNER (Hgg.), Christians and Others in the Umayyad State (wie Anm. 27), S. 53–73, hier 63. Die herausragende Stellung der Manṣūr unter den orthodoxen Eliten Syro-Palästinas brachte außerdem die patres der Familie wiederholt in Konfikt mit der edessenischen Archontenfamilie Gumoye, den einflussreichsten Protektoren der miaphysitischen Bevölkerungen des Nahen Ostens: Bereits zur Zeit des Kalifen al-Walīd I. (r. 705–715) lieferten sich Sarǧūn bin Manṣūr und Athanasios Gumoye in Damaskus einen Kampf auf Leben und Tod; s. Chronicon ad annum Christi 1234 pertinens, ed. APHRAM BARSUM, Corpus scriptorum christianorum orientalium, Syr. XXXVI, Paris 1920, S. 295: Athanasios kam – 26 –
Bei aller anti-chalkedonischen (bzw. anti-byzantinischen) Tendenz dieser Chronik wird deutlich, dass Stephanos bin Manṣūr bereits durch seine Herkunft, ja von seiner eigenen Familiengeschichte her wissen konnte, dass es seit der Eroberung Syro-Palästinas durch die Araber in den 630ern kaum mehr solche Anschläge auf christliche Klöster und Kirchen gegeben hatte wie den von 797,34 und dass die Klöster und Mönchssiedlungen der judäischen Wüste auch nach der arabinach dem Tod des ʽAbd al-Malik (705) mit seinem riesigen Hof und seinen Reichtümern nach Damaksus; „und er [sc. Athanasios] wurde beneidet von Sergios bin Manṣūr, dem Chalkedonier, Sekretär des ʽAbd alMalik in Damaskus. Und dieser [sc. Sergios] verleumdete ihn [sc. Athanasios] sogar vor dem König, indem er sagte, dass er, nämlich [Athanasios] bar Gumoye, alle Schätze Ägyptens herausgeschöpft und diese mitgebracht hat“ [ ܘܐܬܚܣܡ ܡܢ ܣܪܓܝ ܒܪ ܡܢܨܘܪ ܟܠܩܝܕܘܢܝܐ
ܿ :ܐܡܪ ܘܐܦ ܡܣܪܗ ܠܘܬ ܡܐܠܟܐ ܟܕ.ܟܬܘܒܗ ܕܥܒܕ ܠܡܠܟ ܒܕܪܡܣܘܩ ̈ ܿ ܓܙ ܝܗ ܕܡܨܪܝܢ܇ ܘܡܝܬܝ ܒܗ ܥܡܗ܀ ܕܓܪܝܦ ܠܗ ܠܒܪ ܓܘܡܝܐ ܟܠܗܘܢ,
ebd.]; Athanasios ist mit dem Leben davongekommen, musste jedoch die Hälfte seines Vermögens dem Kalifen abtreten. 34 Zum „Überleben“ der Klöster nach der arabischen Eroberung s. ELISABETH KEY FOWDEN, Rural Converters Among the Arabs, in: ARIETTA PAPACONSTANTINOU/NEIL MCLYNN/DANIEL SCHWARTZ (Hgg.), Conversion in Late Antiquity: Christianity, Islam and Beyond, Farnham 2015, S. 175–196, hier 189ff.; zu den weitgehenden Verwüstungen von Klöstern bereits bei der Eroberung Palästinas durch den sassanidischen Schah Chosrau II. (614) und dann während der arabischen Eroberungskriege vgl. jedoch BERNARD FLUSIN, Saint Anastase le Perse et lʼhistoire de la Palestine au début du VIIe siècle II: Commentaire, Paris 1992, S. 177f.; zur Situation in der ersten Zeit nach der Eroberung vgl. auch DANIEL REYNOLDS, Monasticism in Early Islamic Palestine: Contours of Debate, in: ROBERT HOYLAND (Hg.), The Late Antique World of Early Islam: Muslims among Christians and Jews in the East Mediterranean, Studies in Late Antiquity and Early Islam XXV, Princeton, New Jersey 2015, S. 338–391 (zum Mönchtum Palästinas vor der Eroberung, s. v. a. YIZHAR HIRSCHFELD, The Judean Desert Monasteries in the Byzantine Period, Jerusalem 1992, bes. 69–111; JOHN BINNS, Ascetics and Ambassadors of Christ: the Monasteries of Palestine, 314–631, Oxford 1994, bes. S. 80– 120). – 27 –
schen Eroberung – genauso wie vorher, in byzantinischer Zeit – zumeist nur mit der Gefahr zufälliger Raubüberfälle von Beduinenbanden zu tun hatten, die v. a. an ihren Speisekammern und ihrem Hausgerät interessiert waren.35 Damit war aber die Folterung und Tötung der zwanzig Mönche von Mar Saba nicht zu vergleichen. Es wird der Schock nach diesem Massaker gewesen sein, der Stephanos bin Manṣūr zur Abfassung eines so detailreichen Berichts bewogen hat.36 Stephanos’ Bericht über das Martyrium der zwanzig Mönche ist übrigens auch Zeugnis eines literaturgeschichtlichen Neuanfangs: Es handelt sich hierbei um eine der ältesten historischen Neomärtyrerakten,37 welche nicht von den „alten“ Märtyrern der Zeit der heidnischen römischen Kaiser, sondern von christlichen Märtyrern der Zeit nach der arabischen Eroberung des Nahen Ostens erzählen. 35 S. etwa Kyrillos von Skythopolis, Leben des Hl. Sabbas, cap. 72, ed. EDUARD SCHWARTZ, in: DERS., Kyrillos von Skythopolis, Texte und Untersuchungen XLIX, 2, Leipzig 1939, S. 85–200, hier 175; vgl. ELISABETH KEY FOWDEN, The Barbarian Plain. Saint Sergius between Rome and Iran, The Transformation of the Classical Heritage XXVI, Berkeley u. a. 1999, S. 62–67. 36 Mit dem Massaker von 797 ließen sich nur die Ereignisse der Zeit der persischen Eroberung Palästinas unter Schah Chosrau II. vergleichen. Auch damals, im Jahr 614, wurde Mar Saba von einer arabischen bewaffneten Gruppe angegriffen; 44 Mönche fanden einen tragischen Tod. Und auch damals hat ein überlebender Mitbruder, Antiochos Strategos, das Massaker in einem noch heute erhaltenen Bericht dokumentiert (s. S. VAILHÉ, Les écrivains de Mar-Saba [I] [wie Anm. 25], hier S. 8f.). 37 Zu den frühen Neomärtyrerakten, s. DAVID H. VILA, Christian Martyrs in the First Abbasid Century and the Development of an Apologetic Against Islam (Diss.), St. Louis, Missouri 1999, und jetzt CHRISTIAN SAHNER, Old Martyrs, New Martyrs and the Coming of Islam: Writing Hagiography after the Conquest, in: ADAM IZDEBSKI/DAMIAN JASINSKI (Hgg.), Cultures in Motion. Studies in the Medieval and Early Modern Periods, Krakau 2014, S. 89–112; DERS., Christian Martyrs and the Making of an Islamic Society in the Post-Conquest Period (Diss.), Princeton 2015, bes. S. 32ff. und 48ff. – 28 –
1.2 Die Fahndung nach Thomas in Mar Saba und die fränkisch-abbasidische Diplomatie Doch wie und warum ist es zu jenem präzedenzlosen Massaker gekommen? Diese Frage dürfte am besten wieder ausgehend von den Angaben des Stephanos bin Manṣūr angegangen werden. Stephanos gibt zu verstehen, wie bereits gesehen, dass die Angreifer die zwanzig Mönche zu Tode gefoltert haben, um von ihnen zu erfahren, wo sie ihr liturgisches Gerät aufbewahrten und wer jener Arzt Thomas – ein Mönch aus sehr vornehmer Familie – war. Sogleich stellt uns diese Erklärung vor neue Fragen: Wieso war jener Thomas den Angreifern so wichtig?38 38 Die „Schwierigkeiten“ dieser Fragen scheint Stephanos bin Manṣūr selbst wahrzunehmen, wenn er die Erklärung vorschiebt, dass die Angreifer deswegen ausgerechnet nach Thomas suchten, weil sie „meinten, bei jenem Vater [sc. Thomas] Geld zu finden; denn er war ein Adliger“ (ἐνόμιζον χρήματα εὑρεῖν παρὰ τῷ πατρί· ἦν γὰρ καὶ ἐπίσημος; s. Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων [wie Anm. 2], cap. 30, S. 23). Damit will Stephanos die Suche der Angreifer nach Thomas auf einen gemeinsamen Nenner mit ihrer ursprünglichen Forderung an die Mönche von Mar Saba bringen: „Zeigt uns die Honoratioren und die Vorsteher unter euch, die Kassenwarte sowie die Administratoren und Wächter der Sachen eures Klosters und eurer Kirche, oder wir bringen euch sofort ums Leben“ (δείξατε ἡμῖν ... τοὺς παρ’ ὑμῖν λογάδας καὶ προύχοντας, τοὺς ταμιούχους καὶ τῶν τῆς λαύρας καὶ τῶν τῆς ἐκκλησίας ὑμῶν πραγμάτων διοικητάς τε καὶ φύλακας, ἢ αὐθωρὶ τοῦ ζῆν ὑμᾶς ἀπαλλάττομεν, s. ebd., cap. 28, S. 22f.). Vorher wollten die Araber von den Vorstehern des Klosters das Versteck der vermuteten Goldschätze, v. a. des kostbaren liturgischen Geräts des Klosters erfahren, jetzt wollten sie Thomas, weil er Geld hätte – dies möchte Stephanos suggerieren (der Schatz des Klosters wird von Stephanos durchgehend als das Motiv der Angreifer dargestellt, vgl. S. SHOEMAKER, Three Christian Martyrdoms from Early Islamic Palestine, S. XXXVII). Doch dass Thomas trotz seiner vornehmen Herkunft als Mönch kein Geld bei sich haben würde, dürfte den Angreifern, die nicht zum ersten Mal ein Kloster – 29 –
Der Bericht des Stephanos gibt zwei Informationen über ihn – dass er ein hoch gebildeter Arzt war und dass er einige Monate nach dem Überfall auf Mar Saba zum Abt des CharitonKlosters gewählt wurde – die der Forschung längst erlaubt haben, ihn zu identifizieren: Dieser Thomas ist der spätere Patriarch Thomas von Jerusalem.39 1.3 Thomas und der Höhepunkt der Kontakte zwischen Aachen, Bagdad und Jerusalem Er sollte nur wenige Jahre nach dem Angriff auf Mar Saba, jedenfalls vor 807, die Nachfolge des Patriarchen Georg, dessen enger Mitarbeiter er vorher war, antreten. Und als Patriarch sollte Thomas gleich eine Schlüsselrolle im diplomatischen Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und dem Kalifen Hārūn ar-Rašīd spielen.40 Durch diese Rolle, aber auch überfielen, nicht unbekannt sein. Also scheint die Erklärung, dass sie „meinten, bei jenem Vater [sc. Thomas] Geld zu finden“, ein Versuch des Stephanos zu sein, durch eine vernünftig klingende Motivation jene merkwürdige Konzentration des Angriffs auf die Person des Thomas weniger fragwürdig zu machen. 39 Dies hatte bereits der Zeitgenosse des Stephanos gewusst, der das Martyrium der 20 Sabaiten wohl während der Amtszeit des Thomas (ca. 807(?)–821) ins Georgische übersetzt und bei der ersten Erwähnung des Thomas (cap. 15) in den Text die Glosse eingefügt hat, „und später wurde er Patriarch von Jerusalem“ (და კუალად მამათ-მთავარ იქმნა იერუსალემს, s. R. BLAKE, Deux lacunes comblées [wie Anm. 1], S. 42, Anm. 4). 40 Für die Geschichte dieses diplomatischen Austausches, s. v. a. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 45–107; vgl. ACHIM HACK, Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten, Jenaer mediävistische Vorträge I, Badenweiler 2011, bes. S. 22ff. und 28ff.; für eine Einordnung des Gesandtenaustausches mit den Abbasiden in den globalen Kontext der fränkischen Diplomatie unter Karl dem Großen, s. DERS., Welterfahrung durch Diplomatie, in: FRANK – 30 –
durch seinen entscheidenden Einfluss auf den ikonoklastischen Streit,41 das damalige Hauptthema der hohen Politik im Byzantinischen Reich, wurde Thomas zum prominentesten Patriarchen in der Geschichte des Jerusalemer Patriarchats unter arabischer Herrschaft, ja zum einzigen Christen aus dem Abbasidenreich, der in Kontakt mit nahezu allen herausragenden Herrschern seiner Zeit gestanden hat: Karl dem Großen, Papst Leo III., den byzantinischen Kaisern und den Konstantinopler
POHLE (Hg.), Karl der Große – Charlemagne. Orte der Macht, Dresden 2014, S. 66–77; zur ersten fränkisch-abbasidischen Kontaktaufnahme unter Pippin III., s. auch MICHAEL MCCORMICK, Pippin III, the Embassy of Caliph al Mansur, and the Mediterranean World, in: MATTHIAS BECHER/JÖRG JARNUT (Hgg.), Der Dynastiewechsel von 751, Münster 2004, S. 221–241, bes. 221ff. und 238ff. 41 Die Rolle des Thomas wird v. a. in den Briefen sichtbar, die ihm der Anführer des byzantinischen ikonophilen Widerstands gegen den sog. zweiten Ikonoklasmus unter Kaiser Leo V., Theodoros Studites, aus dem Exil geschickt hat; s. THEODOROS STUDITES, Epistulae, ed. GEORGIOS FATOUROS, Berlin/New York 1992, epp. 276 und 469, S. 409–412 und 672–674; und KEN PARRY, Byzantine and Melkite Iconophiles under Iconoclasm, in: CHARALAMBOS DENDRINOS/JONATHAN HARRIS/EIRENE HARVALIA-CROOK/JUDITH HERRIN (Hgg.), Porphyrogennita: Essays in the History and Literature of Byzantium and the Latin East in Honour of Julian Chrysostomides, Ashgate 2003, S. 137–151, hier 148; für einen Versuch, den zweiten Brief des Theodoros Studites an Thomas als eine (indirekte) Rüge an Letzteren wegen seines angeblich fehlenden Engagements für die ikonophile Sache während der Herrschaft Leos V. zu interpretieren, vgl. JUAN SIGNES CODOÑER, Theodore the Studite and the Melkite Patriarchs on Icon Worship, in: MATTEO CAMPAGNOLO/ PAUL MAGDALINO/MARIELLE MARTINIANI-REBER/ANDRÉ-LOUIS REY (Hgg.), L’aniconisme dans l’art religieux byzantin, Genf 2014, S. 95–103, bes. 101f.; für eine andere Übersetzung und Analyse desselben Briefes, die zeigen möchte, dass Theodoros hier – im Gegenteil – Thomas für sein Engagement gegen den Ikonoklasmus Leos dankt und gratuliert, s. NESTOR KAVVADAS, Iconic Otherness: Christian Icon Veneration as a Stumbling Block in Early Abbasid Society (zur Publikation eingereicht). – 31 –
Patriarchen sowie dem Kalifen Hārūn ar-Rašīd.42 So hat Thomas von Jerusalem eine distinkte Spur sowohl in fränkischen Quellen wie den Reichsannalen oder dem Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg, als auch in zahlreichen zeitgenössischen griechischen, arabischen und georgischen Quellen hinterlassen.43 Auch Thomas’ unmittelbare Vorgänger auf dem Jerusalemer Patriarchenthron waren von Anfang an am fränkischabbasidischen diplomatischen Austausch beteiligt,44 doch woll-
42 Bereits Chrysostomos Papadopoulos und Georg Graf hatten die Schlüsselrolle des Thomas von Jerusalem erahnt und diese in ihren umfassenden Nachschlagewerken angedeutet, ohne darauf ausführlich einzugehen (s. ΧΡΥΣΟΣΤΟΜΟΣ ΠΑΠΑΔΌΠΟΥΛΟΣ, Ἱστορία τῆς Ἐκκλησίας Ἱεροσολύμων, Jerusalem-Alexandria 1910, S. 312ff.; vgl. ἸΩΑΝΝΗΣ ΦΩΚΥΛΊΔΗΣ, Ἡ Ἱερὰ Λαῦρα Σάβα τοῦ Ἡγιασμένου, ἤτοι ἱστορία τῆς Λαύρας ἀπὸ τῆς ἱδρύσεως αὐτῆς μέχρι τῶν καθ’ ἡμᾶς χρόνων, Alexandria 1927, S. 451ff.; und GEORG GRAF, Geschichte der christlichen arabischen Literatur I, Vatikan 1944, S. 62f; vgl. auch JOSEPH NASRALLAH, Histoire du mouvement littéraire dans l'église melchite du Ve au XXe siècle II: 750–Xe siècle, Louvain 1988, bes. S. 111 und 153; zur Geschichte der orthodoxen Kirche von Jerusalem in der Zeit des Thomas s. auch ROBERT SCHICK, Christianity in the Patriarchate of Jerusalem in the Early Abbasid Period, 132–198/750–813, in: MUHAMMAD ADNAN AL-BAKHIT/ROBERT SCHICK [Hgg.], Bilād al-Shām During the Abbasid Period, Amman 1991, S. 63– 80, bes. 69ff.). Erst Karl Schmid hat die internationale politische Tragweite des Wirkens des Thomas gesehen und Michael Borgolte zu einer Doktorarbeit angeregt, die Thomas’ diplomatische Rolle erstmals skizziert; vgl. KARL SCHMID, Aachen und Jerusalem, in: KARL HAUCK (Hg.), Das Einhardkreuz. Vorträge und Studien der Münsteraner Diskussion zum arcus Einhardi, Göttingen 1974, S. 122–142, hier 139f.; M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 86ff. 43 Für die wichtigsten dieser Nachrichten s. Art. Thomas von Jerusalem, in: Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit V, Berlin/New York 2001, S. 26–31. 44 S. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), bes. S. 61ff.; vgl. ΣΩΦΡΟΝΙΟΣ ΕΥΣΤΡΑΤΙΑΔΗΣ, – 32 –
ten sie dies nicht direkt offenlegen, weshalb sie nur durch eigene, von den Gesandtschaften des Kalifen separate Botschafter nach Aachen agierten. Dagegen sollte der Patriarch Thomas, der bereits durch seinen sozialen Rang und seine Beziehungen zu den orthodoxen Eliten über andere Kapazitäten als seine Vorgänger verfügte, im Jahr 807 sich zum ersten Mal offen an der Gesandtschaft des Kalifen nach Aachen beteiligen. Dies war ein entscheidender Schritt. Thomas konnte – wohl im Auftrag des Kalifen – zwei Jerusalemer Mönche benennen, die gemeinsam mit dem Legaten ʽAbdallāh als Gesandten zu Karl dem Großen nach Aachen reisten: „der Gesandte des Königs der Perser [sc. des Kalifen], Namens Abdella, zusammen mit den Mönchen aus Jerusalem, die als Legaten des Patriarchen Thomas fungierten und deren Namen Georg und Felix waren (dieser Georg ist Abt auf dem Ölberg, und seine Heimat ist das Germanenland; er heißt mit eigen[tlich]em Namen Egilbald), sind zum Kaiser gekommen und übergaben dabei Geschenke, die der vorher genannte König dem Kaiser geschickt hatte“,45 wie die fränkischen Reichsannalen sichtlich interessiert berichten, um dann zu einer noch interessierteren Beschreibung der eindrucksvollen Geschenke des Kalifen überzugehen.46
Ἠλίας ὁ Β΄ πατριάρχης Ἱεροσολύμων, in: Νέα Σιὼν XXXI 1936, S. 201– 208 und 274–281. 45 S. Annales Regni Francorum inde ab A. 741 usque ad A. 829, ed. GEORG HEINRICH PERTZ/FRIEDRICH KURZE, MGH SS rer Germ VI, Hannover 1895, S. 123: „legatus regis Persarum nomine Abdella cum monachis de Hierusalem, qui legatione Thomae patriarchae fungebantur, quorum nomina fuere Georgius et Felix – hic Georgius est abba in monte Oliveti, et cui patria Germania est, qui etiam proprio vocatur nomine Egilbaldus – ad imperatorem pervenerunt munera deferentes, quae predictus rex imperatori miserat“. 46 S. ebd., S. 124; vgl. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 86ff. – 33 –
Wie stark sich Jerusalem und Aachen damals einander angenähert hatten, spiegelt sich bereits darin wider, dass die fränkischen Reichsannalen hier Thomas von Jerusalem, den Auftraggeber der Legaten, beim Namen nennen,47 während in früheren Annalen-Einträgen zu den Kontakten mit Jerusalem öfters bloß vom „patriarcha Hierosolimitanus“ die Rede ist. Doch weit aussagekräftiger ist, dass Thomas die denkbar sensible Aachen-Mission zwei Jerusalemer Mönchen anvertrauen konnte, die beide Franken waren: Egilbald/Georg und Felix aus dem fränkischen Petrus und Paulus-Kloster,48 das erst kürzlich im Rahmen des fränkisch-abbasidischen Rapprochements am Ölberg gegründet worden war. Damit brach Thomas mit einer bislang festen Praxis seiner Vorgänger, bei Missionen in den Westen je einen Mönch aus dem fränkischen Ölbergkloster und aus dem (mehrheitlich) griechischen Mar Saba zu entsenden. So setzte er ein Zeichen für die binnen weniger Jahre erreichte Intensivierung der Zusammenarbeit seines Patriarchats mit der fränkischen Regierung, ein Zeichen, das umso deutlicher ausfiel, als die fränkisch-byzantinischen Beziehungen nie frei von Schwierigkeiten waren. Ebenso deutlich sprach wiederum die Tatsache, dass Thomas erstmals zusammen mit dem Kalifen eine gemeinsame Aachen-Mission veranstaltete, für den erreichten Höhepunkt in der politischen Kooperation von Jerusalemer Patriarchat und abbasidischer Regierung – auch wenn dies zugleich der Anfang vom durch den Fall der Barmakiden vorgezeichneten Ende der fränkisch-abbasidischen Diplomatie sein sollte.
47 Sein Vorgänger, Georg, wird erst in den späteren Annales Maximiniani namentlich erwähnt (s. Annales Maximiniani ad A. 803, ed. GEORG HEINRICH PERTZ, MGH SS XIII, Hannover 1881, S. 23). 48 Dazu s. MICHAEL MCCORMICK, Charlemagne’s Survey of the Holy Land. Wealth, Personnel and Buildings of a Mediterranean Church between Antiquity and the Middle Ages, Washington 2011, S. 77ff. – 34 –
Alles in allem sollte es während Thomas’ Patriarchat in jenem diplomatischen Rapprochement zu einer präzedenzlosen Verdichtung persönlicher Kontakte zwischen den drei beteiligten Seiten, also der fränkischen und der abbasidischen Regierung sowie dem vermittelnden Patriarchat, kommen. Und dies hat sich vor allem am Aachener Treffen versinnbildlicht, als die (fränkischen) Vermittler des Jerusalemer Patriarchen zusammen mit dem Gesandten des Hārūn ar-Rašīd vor Karl dem Großen erschienen:49 Auch wenn der Inhalt ihres Gesprächs uns unbekannt bleiben muss, ist die Symbolik jener direkten Begegnung von drei Welten sprechend. Doch es sollte nicht bei jenem repräsentativen Treffen bleiben. Diese besondere Gesandtschaft des Patriarchen Thomas würde während ihres Aufenthaltes im Frankenreich auch weniger eindrückliche, aber nicht weniger folgenschwere Kontakte bis tief in den inneren Einflusskreis um Karl den Großen – mit dem ja mehrere Ölberg-Mönche persönlich bekannt waren – hinein knüpfen. Im Salzburg des Bischofs Arn, des intimen Vertrauten des Alkuin von York, eines der einflussreichsten Räte des Frankenkaisers,50 scheinen die beiden fränkischen Ge49 M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 88f. 50 Zur Verbindung zwischen Arn von Salzburg und Alkuin, s. MAXIMILIAN DIESENBERGER/HERWIG WOLFRAM, Arn und Alkuin 790 bis 804: zwei Freunde und ihre Schriften, in: META NIEDERKORN-BRUCK/ANTON SCHARER (Hgg.), Erzbischof Arn von Salzburg, Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung XL, Wien/München 2004, S. 81–106, bes. 81 und 86ff.; MARY GARRISON, Praesagum nomen tibi: The Significance of Name-Wordplay in Alcuin’s Letters to Arn, in: M. NIEDERKORN-BRUCK/A. SCHARER (Hgg.), Erzbischof Arn von Salzburg (wie w.o.), S. 107–127, bes. 125ff; zur engen Beziehung Arns zu Karl dem Großen selbst vgl. STEPHAN FREUND, Von den Agilolfingern zu den Karolingern: Bayerns Bischöfe zwischen Kirchenorganisation, Reichsintegration und Karolingischer Reform (700–847), München 2004, S. 211ff.; zum maßgeblichen Einfluss Alkuins bei Karl, vgl. z. B. LUTZ VON PADBERG, Die Christianisierung Europas im Mittelalter, Stuttgart – 35 –
sandten wohl im Auftrag des Patriarchen Thomas von Jerusalem im selben Jahr 807 mit Arn einen Gebetsbund, dessen Beurkundung noch im Original erhalten ist, eingegangen zu sein;51 damit kamen die Jerusalemer Boten einem älteren Appell, den Alkuin selbst an Thomas’ Vorgänger, Georg von Jerusalem, gerichtet hatte, entgegen.52 In einem anderen Kontext hätte es 1998, bes. S. 104; und zur breiteren kulturpolitischen Wirkung des Alkuin, s. etwa JOSEF FLECKENSTEIN, Alcuin im Kreis der Hofgelehrten Karls des Großen, in: PAUL L. BUTZER/DIETRICH LOHRMANN (Hgg.), Science in Western and Eastern Civilization in Carolingian Times, Basel 1993, S. 3–21; KERSTIN SPRINGSFELD, Alkuins Einfluß auf die Komputistik zur Zeit Karls des Großen, Sudhoffs Archiv: Beihefte XLVIII, Stuttgart 2002, S. 33ff. und 291ff.; STEPHAN WALDHOFF, Alcuins Gebetbuch für Karl den Großen: seine Rekonstruktion und seine Stellung in der frühmittelalterlichen Geschichte der libelli precum, Münster 2003, bes. S. 110f. und 331ff.; KRISTINA MITALAITE, Philosophie et théologie dans les libri carolini, Collection des études augustiniennes: série Moyen Âge et Temps Modernes XLIII, Paris 2007, bes. S. 384ff., 417ff. und 440ff. 51 Vgl. Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat der Handschrift A 1 aus dem Archiv von St. Peter in Salzburg, hg. KARL FORSTNER, Codices selecti LI, Graz 1974, S. 10: „Ista sunt nomina ultra mare/ de hierusalem / Thomas patriarcha/ Georgius monachus / Felix monachus cum omni / congregatione eorum“ (die neuere Forschung bezeichnet diese Salzburger Handschrift als liber vitae; s. META NIEDERKORN-BRUCK, Nomina scripta sunt in coelo, in: DIETER GEUENICH/UWE LUDWIG [Hgg.], Libri vitae. Gebetsgedenken in der Gesellschaft des Frühen Mittelalters, Köln u. a. 2015, S. 59–86, hier 61). 52 Der Appell steht in einem undatierten Brief Alkuins an den Patriarchen Georg von Jerusalem. Dieser Brief stellt – wenn er echt ist – die früheste erhaltene dokumentarische Quelle zum Rapprochement zwischen der fränkischen Regierung und dem Patriarchat von Jerusalem dar. Darüber hinaus ist er die einzige Quelle, die direkt von einer Person aus der nächsten Umgebung Karls des Großen kommt. In diesem Schreiben bedauert Alkuin nachdrücklich die aktuellen Repressalien seitens der Araber, denen das Jerusalemer Patriarchat und seine Herde ausgesetzt waren, und legt dem Patriarchen ans Herz, „hortare piis precibus, paterno affectu […] consocios tribulationis tuae forti animo in fide permanere Christi dei, et – 36 –
sich bei diesem Bund um nichts mehr als um eine gegenseitige Selbstverpflichtung zur Hilfe durch Gebet handeln können, nicht aber, wenn Männer wie Alkuin von York und Arn von Salzburg die Initiative trugen: Für sie war ein solcher Bund mit Jerusalem genauso wenig bloß geistlich wie etwa der Gebetsbund von Attigny (762) oder der spätere Gebetsbund der bayerischen Bischöfe in Dingolfing.53 So erscheint der Gebetsbund von Salzburg als ein weiterer Schritt auf dem Weg dazu, dass sich „der Patriarch [sc. Thomas von Jerusalem]“, wie Michael Borgolte bemerkt, im fränkisch-abbasidischen Rapprochement „eine [Karl dem Großen und Hārūn ar-Rašīd] gleichberechtigte Rolle verschaffen“ konnte.54
patienter sustinere varias infidelium persecutiones […] ‘Non sunt itaque condigne huius temporis passiones’, ait egregius predicator, ‘ad superventuram gloriam, quae revelabitur in nobis’ […]. Brevis est labor tribulationis huius vitae, sed mercis perpetua, quae vincentibus dabitur“. Und dann ruft der Rat Karls des Großen den Patriarchen Georg und seine Kirche dazu auf, ein Gebetsbündnis mit ihm und einigen seiner engsten Mitarbeitern einzugehen: Er versichert seinerseits dem Patriarchen, dass „vestri quoque nominis nobiscum esse memoriam inter officia sacri altaris“, und appelliert mit aller Emphase, „domine patriarcha honorande et desiderantissime pater, […] ut pro nostris filiis intercedere digneris, deprecor: pro Symeone episcopo, pro Onie et Martino sacerdotibus et Nathanaheli archidiacono et ceteris […] qui pro vestra beatitudine intercedere non desistunt“ (Alcuini epistolae, ed. ERNST DÜMMLER, MGH Epist IV, Berlin 1895, ep. 210, S. 350f.; vgl. ibid.: „Confortamini viri fratres in Christo Iesu et in potentia eius […]. Patientes estote ad omnes, scientes, quod labor vester non est inanis in Domino“). Für alle westeuropäischen Leser des Briefes wäre dieser Appel des Alkuin zum Gebetsbund unmittelbar als die „geistliche Ausdrucksweise“ für die politische Verbindung zwischen Frankenreich und Jerusalemer Patriarchat erkennbar gewesen, die damals energisch forciert wurde. 53 Vgl. KARL SCHMID/OTTO G. OEXLE, Voraussetzungen und Wirkung des Gebetsbundes von Attigny, in: Francia II 1974, S. 71–122, bes. 85ff. 54 M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 93. – 37 –
Und diese gesteigerte politische Relevanz des Thomas von Jerusalem für das Frankenreich sollte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Noch am Vorabend des ersten Kreuzzugs hallte Thomas’ Amtszeit in literarischen Erzeugnissen der westlichen politischen Ideologie wider. Hier steht nun die Person des Jerusalemer Patriarchen – und nicht bloß die Heilige Stadt in abstracto – im Mittelpunkt: So beschäftigen sich etwa die im frühen 11. Jahrhundert entstandenen Schriften des Adémar von Chabannes, eines der einflussreichsten Präkursoren der Jerusalem-Idee des ersten Kreuzzugs, nicht nur intensiv mit Dokumenten über fränkische Mönche im Jerusalem der Zeit des Thomas und Karls des Großen,55 sondern behaupten auch, dass ein Splitter des Hl. Kreuzes, der sich damals angeblich im Besitz des Saint-Sauveur Klosters von Charroux befand, ursprünglich ein persönliches Geschenk des Patriarchen von Jerusalem, also des Thomas oder seiner Vorgänger Georg bzw. Elias, an Karl den Großen gewesen sei, der diesen seinerseits dem Abt des Saint-Sauveur Klosters überreicht hätte.56 Dies ist offenbar 55 Adémar von Chabannes hat eine Schlüsselrolle in der handschriftlichen Überlieferung dieser Quellen gespielt und diese in seiner eigenen Chronik verwendet (s. LÉOPOLD DELISLE, Notice sur les manuscrits originaux d’Adémar de Chabannes, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale XXV (1896), S. 241–358, hier 272ff.; vgl. DANIEL F. CALLAHAN, The Problem of the Filioque and the Letter from the Pilgrim Monks of the Mount of Olives to Pope Leo III and Charlemagne: Is the Letter Another Forgery by Adémar of Chabannes?, in: Revue Bénédictine CII 1992, S. 75–134; die These von Callahan, dass es sich dabei nicht um echte Quellen, sondern um von Adémar frei erfundene Fälschungen handelt, bedarf einer eigehenden Diskussion, s. NESTOR KAVVADAS, Patriarch Thomas of Jerusalem and the Filioque Conflict (807), erscheint in: ARAM Periodical). 56 S. ADEMAR VON CHABANNES, Chronicon III, 40, edd. PASCALE BOURGAIN/RICHARD LANDES/GEORGES PON, Corpus christianorum – Continuatio mediaevalis CXXIX, Turnhout 1999, S. 161: „Denique hoc crucis lignum de cruce dominica extat quod Jherosolimorum patriarcha regi Magno Carolo direxerat, et idem imperator in eadem basilica, quam con– 38 –
eine fiktive Ätiologie, die „erklären“ soll, wie das Kloster in den Besitz dieser besonderen Reliquie gekommen war, und die zugleich die Besitznahme über jede Anfechtung erhebt: Die Berufung auf die alte Verbindung Karls des Großen mit den Jerusalemer Patriarchen seiner Zeit scheint bereits für die Zeitgenossen Adémars eine nicht zu unterschätzende Legitimierungsfunktion zu haben. Aber diese Legitimierungsfunktion sollte nicht nur beim Besitz von Reliquien geltend gemacht werden. Eine Schrift, die dem unmittelbaren Milieu des Franzosenkönigs Philipp I. (r. 1059–1108) entstammen könnte,57 die sog. Descriptio qualiter, ging so weit, die gesamte Selbstinszenierung der Kreuzzüge als Antwort auf den Hilferuf der unterdrückten Christen des Heiligen Landes ganz in die Zeit Karls des Großen und des Thomas von Jerusalem zurückzuprojizieren: Beschrieben wird dort, wie didit Rotgerius comes Lemovicensis in honore Salvatoris, reposuit. Locus autem antiquo sermone Gallorum Carrofus vocitabatur propter carrorum confinia“; vgl. MATTHEW GABRIELE, Empire of Memory: the Legend of Charlemagne, the Franks, and Jerusalem before the First Crusade, Oxford 2011, S. 27. 57 S. MATTHEW GABRIELE, The Provenance of the Descriptio qualiter Karolus Magnus: Remembering the Carolingians in the Entourage of King Philip I (1060–1108) before the First Crusade, in: Viator – Medieval and Renaissance Studies XXXIX 2008, S. 93–117, bes. 102ff.; anders als Gabriele meint Anne Latowski, dass die Descriptio qualiter östlich des Rheins entstanden ist, da sie an einer ebendort beheimateten imperialen Tradition teilhat; s. ANNE A. LATOWSKI, Emperor of the World: Charlemagne and the Construction of Imperial Authority, 800–1229, Ithaca 2013, S. 59–98; andere Autoren wiederum vertreten weiterhin in Übereinstimmung mir der älteren Forschung die Ansicht, dass die Descriptio in Saint-Denis geschrieben wurde, s. etwa JERZY PYSIAK, Les origines de la légende de la translation en Occident par Charlemagne des reliques de la Couronne d’épines, in: EDINA BOZÓKY (Hg.), Hagiographie, idéologie et politique au Moyen Âge en Occident: Actes du colloque international du Centre d’Études Supérieures de Civilisation Médiévale de Poitiers (11–14 septembre 2008), Hagiologia VIII, Turnhout 2012, S. 477–501, bes. 478 und 500. – 39 –
der Patriarch von Jerusalem aus seiner Stadt vor massiven muslimischen Repressalien flieht, um zuerst in Konstantinopel Zuflucht zu suchen, und von dort aus noch gemeinsam mit dem byzantinischen Kaiser einen Bittbrief an Karl den Großen zu richten, dass dieser zur „Befreiung“ des Heiligen Landes eilen solle: „In Jerusalem ist zwischen Christusverehrern und Heiden [sc. Muslimen] so großer Zwist aufgekommen, dass der Patriarch, ein Mann von vollkommener Frömmigkeit, nachdem er aus der Stadt durch Gewalt ausgestoßen wurde, zum Kaiser Konstantin und seinem Sohn, Leo, floh und zusammen mit anderen Christen [zum Kaiser] kam und ihm unter Tränen erzählte, welche und wie große Schmach ihm zugefügt worden ist, und wie jene allerschlimmsten Heiden [sc. Muslime] mit dem Grab des Herrn respektlos umgehen, was für alle Christen der Welt schmerzhaft sein müsste. Da zuletzt sogar um Jerusalem herum überaus zahlreiche Felder, Städte und Bürge entvölkert und viele Bekenner des wahren Glaubens umgebracht, andere wiederum den Fesseln des Gefängnisses übergeben wurden, so sind an unseren Kaiser Karl den Großen, dessen Ruf schon lange die Ohren der Orientalen erschüttert hatte, Legaten entsandt worden mit Briefen“, die vom Patriarchen und dem byzantinischen Kaiser unterzeichnet seien.58 58 „Interea apud Iherusalem inter christicolas et paganos discordia exorta est maxima adeo, ut patriarcha, vir perfectissime religionis, de civitate vi expulsus ad imperatorem Constantinum et filium eius Leonem Constantinopolim fugiens cum aliis christianis perveniret et ei lacrimabiliter, que et quanta sibi sint illata turpia, qualiterque ipsi pessimi pagani sepulchrum dominicum inhonestate tractarent, quod universis christianis esset dolendum, ennaravit. Tandem vero circa Iherusalem campis urbibusque et castris quampluribus depopulatis et vere fidei confessoribus multis interfectis, quibusdam quoque carceris vinculis mancipatis ad nostratem imperatorem Karolum magnum, cuius fama orientalium aures iam dudum diverberaverat, legati cum litteris missi sunt“. Zwei Gesandte überbrachten „epistulam […] manu patriarche Iohannis hominis dei prescriptam simulque imperatoris Constantini voluntate assignatam“ (Descriptio – 40 –
Was folgt ist nichts weniger als ein Feldzug Karls des Großen ins Heilige Land und die „Befreiung“ Jerusalems. So direkt war die selbstlegitimierende Berufung des “kreuzfahrerischen” Diskurses auf jene Anfänge fränkischer Überseepolitik in Palästina gleichsam wie auf seinen Gründungsakt, so nachhaltig präsent im fränkischen politischen Selbstbewusstsein jene „alte Zeit“ der Annäherung zwischen dem Jerusalem des Patriarchen Thomas und Karl dem Großen.59 Eine andere zeitgenössische Ausarbeitung desselben im Vor- bzw. Umfeld des ersten Kreuzzugs weit verbreiteten Mythos von Karl dem Großen als erstem Kreuzfahrer erwähnt den Patriarchen von Jerusalem sogar mit Namen und lässt ihn Karl vor der Mauer der Heiligen Stadt empfangen: Dieser sei Basilios, der unmittelbare Nachfolger des Thomas von Jerusalem und sein persönlicher Schüler.60 Wenn nicht Thomas selbst, qualiter Karolus Magnus clavum et coronam Domini a Constantinopoli Aquisgrani detulerit, ed. GERHARD RAUSCHEN, in: DERS., Die Legende Karls des Großen im 11. und 12. Jahrhundert, Leipzig 1890, S. 103f.). 59 Dies gilt auch, wenn man mit M. Gabriele die Leitintention der Descriptio qualiter eher in einer Legitimisierung der Kapetinger (durch Rückbindung an die Karolinger) sehen möchte, s. M. GABRIELE, The Provenance of the Descriptio qualiter Karolus Magnus (wie Anm. 57); vgl. etwa PAUL ROUSSET, Les origines et les caractères de la première croisade, New York 1978 (Nachdruck), S. 43, der die Legitimierung des Kreuzzugs als Hauptinteresse des Textes ansieht. 60 Diese Legende findet sich in der Gründungsgeschichte des Klosters von Charroux (11. Jahrhundert): „rex [Karolus] […] cum omni suo exercitu, neque enim aliter poterat, Iherosolimam decrevit abire. Quo cum prospere pervenisset, Basilius tunc temporis Iherosolimitanus patriarcha cum paucis christianis obviam processit, clavesque portarum civitatis imperatori obtulit. Imperator civitatem ingressus regiam vestem deposuit, pedes nudavit, sicque ad Domini sepulcrum properare curavit“ (Liber de constitutione […] Karoffensis coenobii pictaviensis dioecesis, ed. PIERRE DE MONSABERT, in: Chartes et documents pour servir à l’histoire de l’abbaye de Charroux = Archives historiques du Poitou XXXIX 1910, Poitiers 1910, S. 30f.). Zur politisch aufgeladenen Legende von Karl dem Großen in Jerusalem, s. z. B. GILBERT VAN BELLE, Le voyage de Charle– 41 –
dann stehen seine Mitarbeiter stets im Fokus solcher späteren Erzählungen, die gerade in jener formativen Zeit der Annäherung von Aachen und Jerusalem nach einer Ursprungslegende für den Kreuzzugsgedanken suchten.
magne à Jérusalem et à Constantinople: pour une approche narratologique, in: Revue Belge de Philologie et d'Histoire LXIV 1986, S. 465– 472; PETER WUNDERLI, Das Karlsbild in der altfranzösischen Epik, in: BERND BASTERT (Hg.), Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters. Konstruktion eines Mythos, Tübingen 2004, S. 17–37, bes. 18ff.; JASE STUCKLEY, The Twelth-Century Vita Karoli and the Making of a Royal Saint, in: WILLIAM J. PURKIS/MATTHEW GABRIELE (Hgg.), The Charlemagne Legend in Medieval Latin Texts, Cambridge 2016, S. 33–58, bes. 48ff.; SEBASTIÁN SALVADÓ, Performing Sacrality: The Liturgical Portrait of Frederick Barbarossa’s Charlemagne, in: W. J. PURKIS/M. GABRIELE (Hgg.), The Charlemagne Legend in Medieval Latin Texts (wie w.o.), S. 59–91, bes. 78ff.; und zum Nachklang dieser Legende im arabischen Schrifttum, s. ALEXANDER M. SCHILLING, Karl der Große in der arabischen Historiographie: Eine Spurensuche, in: B. BASTERT (Hg.), Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, S. 201–245, hierzu 203 et passim. – 42 –
1.4 Die Jerusalemer Patriarchen und der fränkisch-abbasidische Missionsaustausch zur Zeit des Überfalls auf Mar Saba Und es scheint, dass jener Thomas, der als Patriarch den fränkisch-jerusalemer Kontakten ein neues Momentum verleihen sollte, bereits zur Zeit des Überfalls auf Mar Saba als Mitarbeiter eines seiner Vorgänger, des Patriarchen Elias II. von Jerusalem, in die Vorbereitungen auf den diplomatischen Austausch zwischen Hārūn ar-Rašīd und Karl dem Großen eingeweiht war.61 Daran war das Patriarchat bereits vor der ersten offiziellen Mission Karls des Großen nach Jerusalem und Bagdad – die im gleichen Jahr des Überfalls auf Mar Saba 797 erging – nicht unwesentlich beteiligt. Welche multiplen Rollen dem Jerusalemer Patriarchat dabei zukamen, sollte bereits zwei Jahre nachher bei der Krönung Karls des Großen zum Kaiser sichtbar werden. Bald darauf feierte Alkuin von York, einer der Architekten der karolingischen Kaiserideologie,62 in einem Brief an Karls Schwester Gisela und dessen Tochter Rotrud vor allen Dingen die Gegen61 Dies, zusätzlich zu seiner hohen Herkunft, könnte erklären, warum er bereits als einfacher Mönch von Mar Saba in der Zeit des Angriffs von 797 bzw. als Abt vom Hl. Chariton ein Jahr später so prominent war, dass Stephanos bin Manṣūr in seinen Akten ihn in den Mittelpunkt der Erzähung stellte und nicht nur die Suche der Angreifer nach ihm, sondern auch die schwierige Behandlung der Überlebenden durch Thomas und dessen Qualitäten als Arzt und Mensch ausführlich schilderte (vgl. Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων, cap. 14, S. 13; ebd., cap. 30, S. 23). 62 Dazu s. etwa MONIKA SUCHAN, Mahnen und Regieren: die Metapher des Hirten im früheren Mittelalter, Millennium-Studien LVI, Berlin/Boston 2015, S. 165ff. – 43 –
wart einer „ehrenvollen Gesandtschaft der Heiligen Stadt, in welcher unser Heiland es für würdig befand, die Welt mit seinem Blut zu erlösen und mit der Herrlichkeit der Auferstehung sowie der Himmelfahrt gekrönt und erhöht zu werden“63 bei jener „exaltatio excellentissimi Domini mei David“, wie Alkuin Karls Krönung in seinem abgehoben-theologisierendem Idiom umschreibt. Es fällt nun auf, dass Alkuin in diesem Brief – der wohlgemerkt das einzige zeitgenössische dokumentarische Zeugnis einer Jerusalemer Vertretung zu Karls Krönung darstellt – nicht expressis verbis von einer Gesandtschaft des Jerusalemer Patriarchen, also wohl von Thomas’ unmittelbarem Vorgänger Georg,64 sondern abstrakt von einer Delegation der „Heiligen
63 Alcuin, ep. 214, S. 358: „[…] legatione honesta sanctae civitatis, in qua salvator noster mundum suo sanguine redemere dignatus est, et gloria resurrectionis ascensionisque coronari et exaltari.“ Dieser Brief ist die Antwort Alkuins auf ein Schreiben von Gisela und Rotrud, in dem sie ihm über die römische Krönungszeremonie berichtet hatten. 64 Obwohl in keiner Quelle zu jener Mission von 800 ein Patriarch von Jerusalem namentlich erwähnt wird, so scheint die Mission – wenn sie tatsächlich vom Jerusalemer Patriarchen ausging – vom Patriarchen Georg veranstaltet worden zu sein. Denn die Tatsache, dass Alkuin im Brief an Georg von Jerusalem – seinem ersten Brief an ihn, mit dem er ihm zu seiner Wahl gratuliert – auch nicht die entfernteste Anspielung auf eine vorangegangene Delegation eines Jerusalemer Patriarchen zur Krönung Karls des Großen einfliessen lässt, ist sprechend: Wenn eine solche Delegation bereits von Georgs Vorgänger und Mentor Elias II. gesandt worden wäre, so hätte es Alkuin unter keinen Umständen unterlassen, ein Ereignis von solcher Bedeutung für die Beziehungen zwischen seiner fränkischen Kirche und Georgs Jerusalemer Kirche ins Zentrum seines Appells zum Gebetsbund zu stellen. Der undatierte Brief Alkuins an Georg wäre also vor dem Dezember 800 zu datieren. Und dementsprenend wäre Georgs ebenfalls undatierte Erhebung zum Patriarchen irgendwann zwischen März 797, als der alte Patriarch Elias II. zum letzten Mal als amtierend bezeugt ist, und Herbst 800 erfolgt. So könnte der Gratulationsbrief des Alkuin an Georg – wenn er echt ist – vielleicht Teil der – 44 –
Stadt“ spricht.65 Anders die – deutlich späteren – sog. Annales Einhardi: Diese sprechen sehr konkret von „zwei Mönchen, die der Patriarch […] zum König entsandte […], welche [sc. Mönche] um des Segens willen die Schlüssel des Grabes des Herrn und Golgathas, wie auch die Schlüssel der Stadt und des Berges
Vorbereitungen auf die Jerusalemer Delegation von 800 an Karl den Großen gewesen sein. 65 Die Gründe, aus denen Alkuin dies tut, obwohl jeder mit den historischen Kontexten des Ereignisses vertraute Leser gleich an Gesandte des Patriarchen von Jerusalem denken würde, könnten womöglich mit einer Intention des Abtes von Tours zu tun haben, die kritische, das Kaisertum Karls mitlegitimierende Autorität eher dem abstrakten, abgehobenen Konzept der Heiligen Stadt, und nicht explizit dem Jerusalemer Patriarchen zuzumessen. Denn eine solche Autorität könnte in den Händen des griechischen Patriarchen von Jerusalem, der stets in Verbindung zum Byzanz stand, unter geänderten Umständen zur Waffe gegen die fränkische (Kirchen)politik werden (ein Anlass zum Konflikt zwischen Franken und Griechen in Jerusalem würde bereits unter dem Patriarchen Thomas mit dem filioque-Streit von 807 aufkommen, s. MICHAEL BORGOLTE, Papst Leo III., Karl der Große und der Filioque-Streit von Jerusalem, in: Βυζαντινὰ X 1980, S. 403–427; HELMUT NAGEL, Karl der Große und die theologischen Herausforderungen seiner Zeit: zur Wechselwirkung zwischen Theologie und Politik im Zeitalter des großen Frankenherrschers, Hamburg 1998, S. 205ff.; PETER GEMEINHARDT, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter, Arbeiten zur Kirchengeschichte LXXXII, Berlin/New York 2002, S. 140ff.). Es wäre jedoch genauso denkbar, dass Alkuin einfach deswegen abstrakt von (einer Präsenz) der Heiligen Stadt bei Karls Krönung, und nicht konkret von Gesandten des Patriarchen spricht, weil die von Jerusalem Eingereisten eben keine Gesandte des Patriarchen waren. Es könnte sich ja durchaus um Franken handeln, etwa um fränkische Mönche aus dem neugegründeten Kloster Petri und Pauli auf dem Ölberg, die ohnehin mit dem zu ernennenden fränkischen Kaiser in persönlicher Verbindung standen. Wäre dem so, läge womöglich Alkuins Intention darin, durch die abstrakte Formulierung zu suggerieren, dass die Eingereisten die ganze Kirche Jerusalems verträten. – 45 –
samt des Banners“ brachten.66 Die Angaben der Annales qui dicuntur Einhardi scheinen, mindestens in ihren Details, vielfach fragwürdig.67 Doch gleich ob historisch oder nicht, bringen sie auf jeden Fall deutlich zum Ausdruck, welchen Stellenwert Jerusalem – und damit unausweichlich sein Patriarch und seine Christen – von Anfang an in der politischen Ideologie des fränkischen Reiches einnehmen sollte. Entsprechend neuralgisch konnte u. U. die politische Rolle der „real existieren-
66 Annales Regni Francorum, S. 112: „duobus monachis, quos patriarcha […] ad regem misit […] qui benedictionis causa claves sepulchri Dominici ac loci calvariae, claves etiam civitatis et montis cum vexillo“. 67 Es ist deutlich, dass wenn die Schenkung von Schlüssel und Banner Jerusalems als Übergabe der Herrschergewalt über die Stadt interpretiert werden soll, eine solche Übergabe der Heiligen Stadt vom Kalifen, ob vermittels des Jerusalemer Patriarchen oder nicht, an Karl den Großen nicht nur in sämtlichen zeitgenössischen Quellen durch nichts belegt, sondern bereits in sich vom Bereich des Möglichen weit entfernt ist. Dazu kommt, dass auch die fränkischen Quellen in der genauen Aufzählung der angeblichen Geschenke der Jerusalemer Delegation voneinander stark abweichen. So ist etwa die genaue Geschenkeliste der Fränkischen Reichsannalen so in keiner anderen Quelle wieder zu finden: Die früher Einhard zugeschriebene Chronik, die ansonsten in der hier einschlägigen Passage über die Jerusalemer Delegation zu Karls Krönung mit den Reichsannalen nahezu identisch ist, lässt das politisch symbolträchtigste unter den Geschenken, nämlich die Stadtschlüssel Jerusalems, völlig unerwähnt, und spricht nur von den Schlüsseln des Heiligen Grabes und Golgathas, sowie vom Banner der Heiligen Stadt. Sehr unterschiedliche – bis auf den Schlüssel zum Hl. Grab – Listen der angeblichen Geschenke des Jerusalemer Patriarchen sind wiederum in einigen Chroniken späteren Datums überliefert (s. Ex vetustis Annalibus Nordhumbranis, historiae regum anglorum et dacorum insertis, ed. REINHOLD PAULI, MGH SS XIII, Hannover 1881, S. 156; Annales Altahenses maiores [11. Jahrhundert], edd. WILHELM VON GIESEBRECHT/EDUARD VON OEFELE, MGH SS rer Germ IV, Hannover 1891, S. 4). Insgesamt ist es jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass die Geschenkeliste der Reichsannalen, mindestens in ihrer genauen Gestalt, im fränkischen Westen fabriziert worden sein könnte. – 46 –
den“ Vertreter der Heiligen Stadt, also des Jerusalemer Patriarchen und seines Stabes, ausfallen. In jener kritischen Phase der intensivierten Kommunikation zwischen Aachen, Jerusalem und Bagdad, schon ab der Vorbereitungsphase vor der ersten offiziellen diplomatischen Mission von 797, konnte die Ausfüllung der außerordentlich sensiblen Vermittlungsfunktion, die dem Jerusalemer Patriarchat aufgetragen wurde, nur einer sehr kleinen Zahl von Personen um den patriarchalen Thron anvertraut werden: Nachdem Elias II. von Jerusalem, dessen mehr als fünfzehnjährige Amtszeit das Patriarchat geprägt hat, in jenen fränkisch-abbasidischen Austausch einbezogen worden war, trat sein hochrangiger Mitarbeiter (Synkellos) und Vertrauensmann Georg, der unter Elias eine Adjutantenrolle in der diplomatischen Vermittlung gespielt zu haben scheint, seine Nachfolge auf dem Patriarchenthron an und führte die Kontakte mit Aachen, Rom und Bagdad fort.68 Und ebenso scheint auch Georgs Nachfolger, Thomas von Jerusalem, seinerseits schon lange vor dem Tod Georgs durch Letzteren in die Leitung der diplomatischen Vermittlung zwischen Hārūn ar-Rašīd und Karl dem Großen eingeweiht gewesen zu sein. Dies könnte ein erster Hinweis sein auf die Richtung, in der man nach einer Antwort auf die Ausgangsfrage, warum Thomas für die Räuber derart bedeutend war, suchen sollte. Doch auf den ersten Blick wirft auch dieser Hinweis nur weitere Fragen auf: Welchen Grund hätten die arabischen Räuber, nach einem Kirchenmann zu fahnden, der in einem vom Kali-
68 Die diplomatische Tätigkeit des Georg als enger Mitarbeiter (Synkellos) des Elias dürfte die an sich sehr fragliche Nachricht, ein Mönch Georg sei Gesandter des Patriarchen Elias auf dem 7. Ökumenischen Konzil von Nizäa (787) gewesen, widerspiegeln, s. GEORGIOS MONACHOS, Chronicon IX, 36, ed. CARL DE BOOR/PETER WIRTH, Bd. 2, Stuttgart 1988, S. 769. – 47 –
fen und seiner Regierung getragenen Projekt tätig war? Was für Interessen könnte diese bewaffnete Gruppe vertreten? 1.5 Die Aufstände in Palästina, die Schwächung der Barmakiden und der Angriff auf Mar Saba Nun kann diese Räubergruppe, die Mar Saba überfiel, eindeutig zugeordnet werden, wieder dank des Berichts des Stephanos bin Manṣūr, und sogar die politischen Hintergründe des Überfalls auf Mar Saba lassen sich, diesmal dank des Zeugnisses der Historiker aṭ-Ṭabarī und ibn al-Aṯīr, weitgehend rekonstruieren. Die Räubergruppe, die Mar Saba überfiel, gehörte demnach dem Stammesverband des sogenannten ahl al-Yaman69 – den „südlichen“ Stämmen – an, die sich damals in Palästina einen gewaltigen Konflikt mit dem von altersher rivalisierenden Stammesverband der Qais – der „nördlichen“ Stämme – lieferten.70 Und dieser Konflikt, der ganz Syro-Palästina ins Chaos 69 Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων (wie Anm. 2), cap. 2, S.3. 70 Dazu s. aṭ-Ṭabarī, تأريخ الرسل وامللوك واخللفاء, ed. MICHAEL JAN DE GOEJE, tertia series I, Leiden 1879–80, S. 625ff.; ibn al-Aṯīr, الكامل يف التأريخ, ed. ʿUMAR ʿABD-AS-SALĀM TADMURĪ, Bd. 6, Beirut 1997, S. 127ff.; PAUL COBB, White Banners. Contention in ʽAbbasid Syria, 750–880, New York 2001, S. 86ff.; ANTOINE BORRUT, Entre mémoire et pouvoir: l'espace syrien sous les derniers Omeyyades et les premiers Abbassides (v. 72–193/692–809), Leiden/Boston 2011, S. 451ff. Zur Struktur und Geschichte der beiden seit der Umayyadenzeit aktiven Stammesverbände, s. PATRICIA CRONE, Were the Qays and Yemen of the Abbasid Period Political Parties?, in: Der Islam LXXI 1994, S. 1–57; für eine andere Interpretation dieser Stammesverbände als politische Parteien mit je eigenem Programm s. MUHAMMAD A. SHABAN, Islamic History A. D. 600–750 (A. H. 132), a New Interpretation, Cambridge 1971, bes. S. 119f.; unterschiedliche Visionen von der Gestalt des islamischen Reiches schreibt den beiden Stammesverbänden auch DAVID S. POWERS zu, s. seine Einführung in: The History of al-Ṭabari, Band 24, Albany 1989, S. XIV (Kri– 48 –
stürzte, war Teil und Ausdruck einer übergeordneten Auseinandersetzung zwischen der ostiranischen Familie der Barmakiden, die seit Jahrzehnten die höchsten und einflussreichsten Würdenträger um die abbasidischen Kalifen stellten, und einer noch älteren, von den Barmakiden weitgehend unabhängigen militärischen Elite arabischer Stammesführer.71 In der Tat wurden ausgerechnet in Syro-Palästina, das seit der abbasidischen Revolution, dem Sturz der Umayyaden und der Verlegung des Kalifensitzes von Damaskus nach Bagdad zum Unruheherd und Hort der anti-abbasidischen bzw. antibarmakidischen Eliten geworden war, jene permanente Auseinandersetzung zwischen bagdadtreuen und oppositionellen, zentrifugalen Eliten besonders akut. Palästina hatte seit Jahren wiederholt unter verheerenden Raubzügen der Yaman, zu denen wie gesehen auch die Gruppe gehörte, die 797 Mar Saba überfiel, zu leiden gehabt, wodurch die Hausmacht des Gouverneurs von Syro-Palästina, ʿAbd al-Malik bin Ṣāliḥ, ausgehöhlt worden war. Letzterer war nicht nur Stellvertreter der abbasidischen Regierung vor Ort, sondern v. a. Oberhaupt einer lokalen Familiendynastie, der Banū Ṣāliḥ, welche über Generationen hinweg tik dagegen äußert, neben P. Crone, auch REINHARD EISENER, Zwischen Faktum und Fiktion. Eine Studie zum Umayyadenkalifen Sulaimān b. ʽAbdalmalik und seinem Bild in den Quellen, Wiesbaden 1987). 71 Vgl. HUGH KENNEDY, The Early Abbasid Caliphate, London/Totowa, New Jersey 1981, S. 121ff.; zu den Barmakiden s. DERS., The Barmakid revolution in Islamic government, in: CHARLES MELVILLE (Hg.), History and literature in Iran, Cambridge 1990, S. 89–98; RICHARD A. KIMBER, The early Abbasid vizierate, in: Journal of Semitic Studies XXXVII 1992, S. 65–85; C. EDMUND BOSWORTH, Abū Ḥafṣ ʽUmar al-Kirmānī and the rise of the Barmakids, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies LVII 1994, S. 268–82; TAYEB EL-HIBRI, Reinterpreting Islamic Historiography: Hārūn al-Rashīd and the narrative of the ʻAbbāsid Caliphate, Cambridge 1999, S. 31ff.; KEVIN VAN BLADEL, Art. Barmakids, in: Enyclopaedia of Islam, Three, Bd. 2012–3, Leiden/Boston 2012, S. 32–38. – 49 –
in enger persönlicher Zusammenarbeit mit den Barmakiden Palästina und Syrien allen anti-abbasidischen bzw. anti-barmakidischen Bewegungen zum Trotz fest an Bagdad gebunden hielt.72 Es war nun ein Ausdruck des Vormarsches der antibarmakidischen Opposition und des sich abzeichnenden Machtverlustes der Barmakiden, dass ʿAbd al-Malik bin Ṣāliḥ und seine Familie bereits seit den frühen 790ern nicht mehr die Rückendeckung von Bagdad erhielt, die er zur Durchsetzung seiner Position gegen die zunächst von einem Teil der Qais (obzwar die Banū Ṣāliḥ selbst Qais waren), dann von den Yaman Syro-Palästinas vertretenen zentrifugalen Kräfte nötig hatte. So geriet in den letzten Jahren des 8. Jahrhunderts das ohnehin gefährdete Syro-Palästina in bürgerkriegsähnliche Konflikte wie diejenigen, die 797 zur Plünderung großer Städte, ja beinahe zur Einnahme von Jerusalem durch die Yaman und zum Angriff auf Mar Saba führten.73 Und dies waren lokalpalästinensische Höhepunkte eines reichsweiten Konflikts, in dem zwei Welten aufeinanderprallten. Auf der einen Seite standen die Barmakiden. Diese Dynastie von Wesiren stand für eine neu aufgekommene administrativ-politische Regierungselite (die sog. „Schreiber“), aber auch für ein altes ostiranisches Netzwerk aus Ḫurāsān, welches ca. 50 Jahre vorher der Hauptträger der abbasidischen Revolution gegen die Umayyaden gewesen war.74 Auf der anderen Seite 72 Zur Machtstellung der Banū Ṣāliḥ in Syro-Palästina, s. H. KENNEDY, The Early Abbasid Caliphate (wie Anm. 71), S. 74f. und 125; A. BORRUT, Entre mémoire et pouvoir (wie Anm. 70), S. 446ff.; eine andere Meinung vertritt jedoch MICHAEL BONNER, s. Aristocratic Violence and Holy War: Studies in the Jihad and the Arab-Byzantine Frontier, New Haven 1996, S. 88f. und 90. 73 Vgl. A. BORRUT, Entre mémoire et pouvoir (wie Anm. 70), S. 451ff. 74 Die Frage, ob die Eliten und Truppen aus Ḫurāsān, die der abbasidischen Bewegung den militärischen Durchschlag verschafft haben, tatsächlich ostiranisch (geprägt) waren, ist in der Forschung umstritten. Doch auch wenn die genaue ethnische Zusammensetzung der abbasidischen Ḫurā– 50 –
standen die politischen Gegner der Barmakiden, das Gros der militärischen Eliten Syro-Palästinas, auf die sich die frühere Dynastie der Umayyaden und deren Herrschaft über ihr enormes Reich gestützt hatte. Die Barmakiden hatten ihre Vormacht mit epochalen internationalen und kulturpolitischen Projekten sāni-Armee wohl nicht mehr rekonstruiert werden kann, so ist jedenfalls deutlich, dass jene Armee, nachdem ab 748 das Gros der bislang in Ḫurāsān stationierten arabisch-umayyadischen Truppen durch Abū Muslim ausgetrieben worden war, in überwältigender Mehrheit aus Einheimischen bestand. Bereits damit dürfte einiges über den (ost)iranischen Charakter jener Ḫurāsāni-Armee feststehen: Denn auch wenn die Bevölkerung des Ḫurāsān – eines geographischen Großraumes, der bereits lange vor der arabischen Eroberung nicht wirklich unter sassanidischer Kontrolle stand – nicht nur aus ostiranischen, sondern auch aus türkischen und iranisch-hunnischen Elementen bestand, so war es doch das ostiranische Element, das die Sprache und den kulturellen Charakter v. a. des nichtnomadischen Bevölkerungsanteils definierte (im Sinne eines iranischen Hintergrunds der abbasidischen Revolution und ihre Truppen aus Ḫurāsān argumentierten u. a. GERHOF VAN VLOTEN, De Opkomst der Abbasiden in Chorasan, Leiden 1890, etwa S. 108; JULIUS WELLHAUSEN, Das arabische Reich und sein Sturz, Berlin 1902, bes. S. 247f.; und in der neueren Debatte PATRICIA CRONE, On the Meaning of the ʿAbbāsid Call to al-Riḍā, in: C. EDMUND BOSWORTH/CHARLES ISSAWI/ROGER SAVORY/ABRAHAM UDOVITCH [Hgg.], The Islamic World from Classical to Modern Times: Essays in Honour of Bernard Lewis, Princeton 1989, S. 95–111, bes. 104f.; SAID AGHA, The Revolution which Toppled the Umayyads: neither Arab nor ʿAbbāsid, Leiden 2010, bes. S. 212ff. Dagegen stimmten v. a. die kritischen Beiträge von FAROUK OMAR, The ʿAbbāsid Caliphate 132/750–170/786, Bagdad 1969, bes. S. 132ff.; MUHAMMAD A. SHABAN, The ʽAbbāsid Revolution, Cambridge 1970, S. XIV; AMIKAM ELAD, The Ethnic Composition of the ʿAbbāsid Revolution, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam XXIV 2000, S. 246–326, hier 246; IRIT BLIGH-ABRAMSKI, Evolution Versus Revolution: Umayyad Elements in the ʿAbbāsid Regime 133/750–320/932, in: Der Islam LXV 1988, S. 226–243, hier 230f.; SHLOMO DOV GOITEIN, A Plea for the Periodization of Islamic History, in: Journal of the American Oriental Society LXXXVIII 1968, S. 224–228, hier 226; für einen Überblick über die Forschungsdiskussion zur Frage s. A. BORRUT, Entre mémoire et pouvoir [wie Anm. 70], S. 326ff.). – 51 –
verbunden, wie eben der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit dem Frankenreich, aber auch der systematischen Übersetzung der griechischen Philosophie und Wissenschaft, der indischen Mathematik und der mittelpersischen Geschichtsschreibung ins Arabische und der Forcierung einer arabisch(sprachig)en säkularen Bildungskultur75 – Projekte, die dem Kalifat gleichsam einen neuen kulturellen Charakter aufprägten. Ja auch innerhalb der islamischen Theologie hatten die Barmakiden eine Strömung gefördert, die dem logisch-philo-
75 S. KEVIN VAN BLADEL, The Bactrian Background of the Barmakids, in: ANN AKASOY/CHARLES BURNETT/RONIT YOELI-TLALIM (Hgg.), Islam and Tibet – Interactions along the Musk Routes, Farnham, Surrey 2011, S. 43–88, bes. 83ff.; vgl. PAUL KRAUS, Zu ibn al-Muqaffa, in: Rivista degli studi orientali XIV 1933, S. 1–20, hier 10f.; vgl. MALAKE ABIAD, Culture et éducation arabo-islamiques au Šām pendant les trois premiers siècles de l’Islam, Damas 1981, S. 109; vgl. NIKITA ELISSÉEFF, L’orient musulman au moyen âge, Paris 1977, S. 136; DOMINIQUE SOURDEL/JANINE SOURDEL, La civilisation de l’Islam classique, Paris 1968, S. 71. Charakteristisch für die barmakidische Politik der Förderung der Wissenschaften, darunter der Alchemie, ist etwa der Fall des Alchemisten Ǧābir bin Ḥayān aus Ḫurāsān, der in einer eigenen Schrift von seinen Konversationen mit den Barmakiden spricht und sie seine „Brüder“ nennt. Ǧābir war insbesondere mit dem Barmakiden Ǧaʿfar bin Yahyā, den er in seinen Briefen seinen „Meister“ nennt, so verbunden, dass er nach dem Sturz und der Hinrichtung des Ǧaʿfar im Jahre 803 von Kufa, wo er lebte, aus akuter Lebensgefahr fliehen musste; trotzdem sollte er noch im selben Jahr den Tod finden (s. ALBERT N. NADER, Les alchimistes arabes du Moyen Age et leur conception de la nature, in: ALBERT ZIMMERMANN/ANDREAS SPEER (Hgg.), Mensch und Natur im Mittelalter, 1. Halbbd., Berlin/New York 1991, S. 510–536, hier 514f.). Die Barmakiden sind auch als auffallend großzügige Gönner der Künste und der Architektur in Erinnerung geblieben, vgl. etwa CHAHRYAR ADLE, La mosquée Hâji-Piyâdah / Noh-Gonbadân à Balkh (Afghanistan). Un chef d’œuvre de Fazl le Barmacide construit en 178–179/794–795?, in: Comptes rendus des séances. Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 2011, S. 565–625, bes. 618ff. – 52 –
sophischen Argumentieren besonderes Gewicht beimaß.76 Ihre politischen Rivalen wiederum stützten ihre Macht hauptsächlich auf ihre eigenen, stammesgebundenen Streitkräfte, sowie gelegentlich auf ein Bündnis mit konservativen (Rechts)gelehrten (ʿUlamāʼ), die Teile der Bevölkerung Bagdads bzw. des Kalifats überhaupt gegen die Barmakiden und ihre „Weltoffenheit“ aufwiegeln konnten.77 Doch der Konflikt zwischen den Barmakiden und der Opposition war nicht nur politisch-sozial und kulturell, sondern auch national bedingt: Denn mit der Durchsetzung der ostiranisch-baktrischen barmakidischen Wesirendynastie war zum ersten Mal seit der großen arabischen Eroberung eine nichtarabische Elite zur führenden politischen Macht im Kalifat avanciert. Und diese nicht-arabische, primär ostiranische Elite um die Barmakiden hatte also jetzt die Oberhand selbst gegenüber 76 S. JOSEF VAN ESS, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jh. Hidschra III, Berlin/New York 1992, bes. S. 31ff., 63f. und 93ff.; vgl. DIMITRI GUTAS, Greek Thought, Arabic Culture. The Graeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early ʽAbbāsid Society, Abingdon 1998, bes. S. 72f. und 128f. (zur Rolle des logisch-philosophischen Argumentes bei der damaligen Konstruktion einer „islamischen Orthodoxie“ s. auch WOLFRAM DREWS, Die Karolinger und die Abbasiden von Bagdad: Legitimationsstrategien frühmittelalterlicher Herrscherdynastien im transkulturellen Vergleich, Köln 2009, S. 308ff.). Indem die Barmakiden jene das logischen Argumentieren hochschätzende Strömung, die frühen Muʿtaziliten, förderten, schmiedeten sie eine gewisse Verbindung zwischen Letzteren und dem abbasidischen Herrscherhaus, eine Verbindung, die später unter al-Maʾmūn – einem Kalifen, der die barmakidische Linie auch nach dem Tod der prominentesten Barmakiden erneut forcieren sollte – in der offiziellen Protektion der Muʿtazila durch den Kalifen kulminieren sollte (s. MOHAMED TALBI, L’émirat aghlabide, 184–296/800–909, Paris 1966, bes. S. 61ff.; vgl. auch WILLIAM MONTGOMERY WATT, The Political Attitude of the Muʿtazilah, in: The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 1963, S. 38–57, hier 46 und 54). 77 Zur politischen Rolle der damals aufkommenden (Rechts)gelehrten (ʿUlamāʼ), vgl. etwa WILLIAM MONTGOMERY WATT, The Formative Period of Islamic Thought, Edinburgh 1973, S. 173ff. – 53 –
den einflussreichsten arabischen Militäreliten, die bis zur abbasidischen Revolution im von ihnen geschaffenen Eroberungsreich eine so gut wie uneingeschränkte Herrschaft ausübten.78 Damit bedeutete die Herrschaft der Barmakiden – die ja nach
78 Dieser ethnische Teilaspekt der Herrschaft der Barmakiden wurde stellenweise in der älteren Forschung, v. a. von Lucien Bouvat, stark in den Vordergrund gerückt (s. LUCIEN BOUVAT, Les Barmécides d'après les historiens arabes et persans, Paris 1912, S. 113f.). Doch bereits seit Dominique Sourdel – der als erster die uferlose arabische und persische Barmakiden-Historiographie vollständig aufgearbeitet hat – hat man zu Recht auf die Grenzen einer historischen Interpretation der Barmakidenherrschaft unter nationalen Kategorien hingewiesen: Die Barmakiden haben arabischsprachige islamische Theologenkreise gefördert, Übersetzungsprojekte ins Arabische forciert, insgesamt eine sprachlich arabische Kultur gepflegt. Letztlich waren die Barmakiden selbst keine Perser im Sinne der persischen „Kernbevölkerung“ in Mesopotamien und Fārs, sondern eher baktrischen Hintergrunds (s. K. VAN BLADEL, Art. Barmakids [wie Anm. 71], bes. S. 33 und 37). Auf der anderen Seite scheint allerdings die Identität einer baktrischen aristokratischen Familie wie der Barmakiden die Identität von iranischsprachigen „Kulturiranern“ nicht nur nicht auszuschließen, sondern – in der gegebenen Zeit – geradezu zu implizieren (s.w.o., Anm. 74). Es war also nicht von ungefähr, dass alAṣmaʽī über die Barmakiden schrieb, „wenn man unter ihnen [sc. den Barmakiden] einen Koranvers rezitiert / gehen sie zu Erzählungen von Mazdak [d.h. einen persischen (Anti)helden aus der Sassanidenzeit] hinüber“ ( أتوا بألحاديث عن مزدك/ ( ) لو تليت بينهم آيةal-Ğahšiyārī, Das Kitāb al-Wuzarāʾ wa-l-kuttāb, hg. von HANS VON MŽIK, Leipzig 1926, S. 251f.); oder, dass der Urfeind der Barmakiden, al Faḍl bin al-Rabīʽ sich als Rächer der Araber stilisierte (DOMINIQUE SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside de 749 à 936, Damaskus 1959, S. 177). Dennoch scheint nie dieser iranisch-ethnische Aspekt, sondern vielmehr das Vorhaben der Etablierung von effektiven Regierungsstrukturen das Leitmotiv für die Politik der Barmakiden abgegeben zu haben; dass sie oft iranischsassanidische Staatsstrukturen einführten liegt nicht an Schauvinismus, sondern eher daran, dass sie – als baktrische Kulturiraner – eben nur solche kannten. – 54 –
ibn Ḫaldūn eigentlich zu den „Königen“ zählten79 – einen Identitätswandel für das ganze abbasidische Reich: Dieses war kein arabisches Reich mehr, sondern ein islamisches Reich, dessen Zentralregierung in den Händen einer ostiranischen Elite lag.80 Entsprechend vehement musste die Gegenreaktion der Verlierer, der alten, mehrheitlich arabischen Militäreliten Syriens, ausfallen. Und der daraus entsprungene politische Konflikt zwischen Barmakiden und den alten Militäreliten erreichte seinen Höhepunkt in den 790ern mit offenen Aufständen gegen Bagdad etwa in Nordmesopotamien81 oder mit den Schlachten zwischen Yaman und Qais in Palästina – eine Eskalation begleitet von immer mehr Rückschlägen für die Barmakiden.82 Hintereinan79
يف عداد امللوك, Les prolégomènes d’Ebn Khaldoun I, ed. ÉTIENNE-MARC
QUATREMÈRE, Paris 1858, S. 50; vgl. auch D. SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside (wie Anm. 78), Damaskus 1959, S. 127ff. 80 Vgl. ROY MOTTAHEDEH, The ʽAbbasid Caliphate in Iran, in: RICHARD N. FRYE (Hg.) The Cambridge History of Iran IV. The Period from the Arab Invasion to the Saljuqs, Cambridge 1975, S. 57–89, bes. 86f. 81 H. KENNEDY, The Early Abbasid Caliphate (wie Anm. 71), S. 121. 82 Zum tiefgehenden Antagonismus zwischen Iranern und Arabern im Kalifat, der z.T. den politischen Antagonismus zwischen Barmakiden und Opposition verschärfte, s. u. a. MOSHE SHARON, Revolt. The Social and Military Aspects of the ʽAbbāsid Revolution, Jerusalem 1990, bes. S. 292f.; SULIMAN BASHEAR, Arabs and Others in Early Islam, Princeton 1997, bes. S. 25f., 41 und 122; SARAH BOWEN SAVANT, “Persians” in Early Islam, in: Annales Islamologiques XLII 2008, S. 73–92, bes. 88f.; S. AGHA, The Revolution which Toppled the Umayyads (wie Anm. 74), bes. S. 212ff.; PATRICIA CRONE, The Nativist Prophets of Early Islamic Iran: Rural Revolt and Local Zoroastrism, Cambridge 2012, bes. S. 46ff. und 453ff.). Der persisch-arabische Antagonismus war seit der abbasidischen Revolution stets im Zunehmen; bereits die Revolution selbst, die sich, wie gesehen, v. a. auf ostiranischen Truppen aus Ḫurāsān gestützt hatte, war von einigen ihrer Gegner im Sinne eines ethnisch motivierten Kampfes gegen die Araber interpretiert worden: So hat der umayyadische General Naṣr bin Sayyār über die Intentionen der Revolutionären gesagt, „und fragt jemand nach ihrer primären Religion / so ist ihre Religion, die – 55 –
der wurden der pater familias Yahyā bin Ḫālid, früher der einflussreichste Mann im Reich, und dessen Sohn al-Faḍl aus dem Regierungsgeschäft entfernt, nur der andere Sohn des Yahyā, Ǧaʿfar, der Kindheitsfreund des Kalifen Hārūn, war noch an der Macht.83 Und Ǧaʿfar bin Yahyā war 797 noch in der Lage zu reagieren: In der Führung einer riesigen, fast überproportionaAraber zu töten“ ( فان دينهم ان تقتل العرب/ ;فمن يكون سائل عن اصل دينهم ad-Dinawari, األخبار الطوال, ed. VLADIMIR GIRGAS, Leiden 1888, S. 360; zu diesem Gedicht von Naṣr bin Sayyār s. S. AGHA, The Revolution which Toppled the Umayyads [wie Anm. 74], S. 209ff.). Dass solche (anti-abbasidische) Propaganda nicht ganz ohne reale Anhaltspunkte war, zeigt u. a. ein Bericht der syrischen Chronik von Zuqnīn über einen iranischen Magistraten namens Ḫalīl bin Zedin, der 769 von der abbasidischen Regierung zum Statthalter im nordmesopotamischen Mardin eingesetzt wurde und dort „viele Übel auf die Araber gebracht hat; weder vor ihm noch nach ihm kann man einen ihm in der Feindschaft gegen die Araber ̈ ܗܢܐ ̈ ̈ ebenbürtigen Mann finden“ ( .ܠܛܝܝܐ ܣܓܝܬܐ ܐܣܒܠ ܐܢܘܢ ܒܝܫܬܐ
ܐܠ ܡܢ ܩܕܡܘܗܝ ܐܦܐܠ ܡܢ ܒܬܪܗ ܐܫܬܟܚ ܠܗ ܗܒܪܐ ܒܒܥܠܕܒܒܘܬܐ ̈ ܕܠܘܩܒܠ, Chronicon anonymum pseudo-dionysianum vulgo dictum, ܛܝܝܐ
ed. JOANNES-BAPTISTA CHABOT, Corpus scriptorum christianorum orientalium, Syr. LIII, Paris 1933, S. 269) – er ging so weit, dass er den Arabern ihre Äcker und Häuser nahm und sie Syrern übergab, s. ebd.). In diesem sozialen Klima kam es dazu, dass die spätere islamische Historiographie nicht nur den Barmakiden nachsagte, sie seien ursprünglich Zoroastrier gewesen (realiter waren sie Buddhisten), sondern sogar behauptete, dass Hārūn ar-Rašīd sie deswegen entmachtet hätte, weil sie die Kaʽba zum zoroastrischem Feuertempel konvertieren wollten! (alBaġdādī, Moslem Schisms and Sects II, Übers. ABRAHAM S. HALKIN, Tel Aviv 1935, S. 117; vgl. D. SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside [wie Anm. 78], S. 133). Alles in allem stellte also die Herrschaft der Barmakiden auch aus ethnischen Gründen eine Provokation für die alten arabischen Militäreliten dar. 83 Ebd., S. 122. Die Geschichte von Ǧaʿfar, dem Gefährten des Hārūn, und seinem Sturz – der in 1001 Nacht nacherzählt wird – ist im Lauf der Jahrhunderte in immer wieder neue Narrativen umgeformt und zu einer sehr populären arabischen „historischen Legende“ geworden; vgl. JOCELYNE DAKHLIA, L’empire des passions: l’arbitraire politique en Islam, Mayenne 2005, S. 25ff. und 83ff. – 56 –
len Armee, die zum großen Teil aus eigenen, ostiranischen barmakidischen Truppen bestand, marschierte er selbst nach Palästina gegen die aufständischen Stammesverbände, setzte ihren Schlachten und Raubzügen ein Ende und ordnete die Dinge in Palästina in seinem Sinne.84 Es ist für die Haltung der Barmakiden gegenüber den Christen des Kalifats vielleicht nicht irrelevant, was ein Hofdichter der Zeit, Manṣūr anNamarī, an Ǧaʿfar bin Yahyā unmittelbar vor seinem Aufbruch nach Palästina sagte: „Du hast die nicht verraten, die einen Schutz[vertrag] besitzen“85 – also die Christen und die Juden. Dass Ǧaʿfar ausgerechnet für seine Protektion der „Völker des Buches“ von einem „eigenen“ Mann wie an-Namarī gelobt wird, der sicherlich v. a. darum bestrebt war, die Selbstwahrnehmung des Wesirs so genau wie möglich ins Wort zu fassen, scheint zu implizieren, dass für Ǧaʿfar diese Protektionsfunktion von programmatischer Bedeutung war. Diese Stilisierung der Barmakiden zu Protektoren der Christen und der Juden spiegelt sich nachdrücklich in einer Erzählung über den Sturz der Dynastie wider: Der ostsyrische christliche Arzt Ğibrīl bin Baḫtīšūʽ, einer der einflussreichsten Männer am Hof des Hārūn ar-Rašīd und „Protektor“ aller Ostsyrer, habe bei einem Besuch bei einer kranken Frau des Kalifen gehört, wie dieser seine Wut gegen seinen Wesir Yahyā bin Ḫālid offen laut werden ließ; und da hat Ğibrīl – obwohl ihm der Kalif Verschwiegenheit befohlen hatte – Yahyā bin Ḫālid sofort vom Ausbruch des Kalifen gegen ihn in Kenntnis gesetzt, damit er sich in Acht nehme.86 Diese Verbundenheit der ostsyrischen Christen mit 84 Aṭ-Ṭabarī, تأريخ الرسل وامللوك واخللفاء, ed. M.J. DE GOEJE, tertia series I. (wie Anm. 70), S. 639ff. 85 Ebd., S. 640: بذمة ّ ( فلم تغدر لقومzu Manṣūr an-Namarī s. J. VAN ESS, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jh. Hidschra III [wie Anm. 76], S. 100f.). 86 S. al-Ğahšiyārī, Das Kitāb al-Wuzarāʾ wa-l-kuttāb (wie Anm. 78), S. 278f.; D. SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside (wie Anm. 78), S. 171; zur poli– 57 –
dem Wesir Yahyā bin Ḫālid, die die Anekdote zum Ausdruck bringt, scheint im Zusammenhang mit einer aktiven Protektion von Christen und Juden durch die Barmakiden zu stehen.87 Eine Protektion, die insbesondere den Orthodoxen zugute kam: So ist auf Ǧaʿfars Militärexpedition hin der Arzt und Mar SabaMönch Thomas, der, wie gesehen, bereits an den diplomatischen Kontakten zwischen Bagdad und Aachen beteiligt war, nachdem er knapp mit seinem Leben dem Einfall der Yaman entkommen war, zum Abt des Chariton-Klosters und, wenige Jahre später, zum neuen Patriarchen von Jerusalem eingesetzt worden. Es scheint nun, dass das Beharren der im Sinne der antibarmakidischen arabischen Militäreliten agierenden Yaman, im Mar Saba Kloster Thomas ausfindig zu machen, eine gewisse Erklärung findet: Den Angreifern ging es darum, in der Person des Thomas einen Schlüsselmitarbeiter in einem zentralen politischen Projekt der Barmakiden – den diplomatischen Kontakten mit Karl dem Großen – auszuschalten. Ǧaʿfar bin Yahyā konnte diesmal seine Macht und damit dieses diplomatische Großprojekt noch retten – aber nicht für lange Zeit:88 Einige Jahre später sollte auch er im politischen tischen Rolle des Ğibrīl bin Baḫtīšūʽ s. auch SILKE ABELE, Der politischgesellschaftliche Einfluss der nestorianischen Ärzte am Hofe des Abbasidenkalifen von al-Manṣūr bis al-Mutawakkil, Nūr al-ḥikma III, Hamburg 2008, S. 66f.; zur Geschichte der Familie vgl. HUSAIN F. NAGAMIA, The Bukhtīshū‘ Family: A Dynasty of Physicians in the Early History of Islamic Medicine, in: Journal of the Islamic Medical Association of North America XLI 2009, S. 7–12; MURIEL DEBIÉ, Sciences et savants syriaques: une histoire multiculturelle, in: ÉMILIE VILLEY (Hg.), Les sciences en syriaque (Études syriaques 11), Paris 2014, S. 9–66, hier 43ff. 87 Vgl. auch D. SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside (wie Anm. 78), S. 179. 88 Dass Ǧaʿfar bin Yahyā höchstpersönlich die Spitzenstreitkräfte des Abbasidenreichs nach Palästina führen musste, um nach der Zuspitzung von 797 dort Ordnung zu schaffen, war allerdings eher ein Zeichen von Schwäche denn ein Ausdruck von Macht: Dieser überproportionierte Militäreinsatz bestätigte den von der anti-barmakidischen Opposition durch – 58 –
Kampf gegen die Oppositionseliten unterliegen, und daraufhin würde auch die internationale politische Kooperation mit dem Frankenreich, mitten in ihrer intensivsten Phase, wenn nicht enden – da die überlebenden Führungsgestalten der barmakidischen Partei weiterhin aktiv blieben89 – so doch abzunehmen beginnen. den quasi dauerhaften Ausnahmezustand in Syro-Palästina geschaffenen Eindruck, dass die dortige lokale Dynastie der Banū Ṣālih ihres eigenen Landes nicht mehr Herr werden konnte und, mehr noch, dass die Barmakiden nicht einmal die militärische Stoßkraft hatten, die Kernländer des Kalifats unter Kontrolle zu halten (ʿAbd al-Malik bin Ṣāliḥ wurde bereits seit den frühen 790ern allmählich geschwächt, um schließlich beim Sturz der Barmakiden im Jahr 803 ins Gefängnis zu kommen; s. aṭ-Ṭabarī, تأريخ الرسل وامللوك واخللفاء, ed. MICHAEL JAN DE GOEJE, tertia series II., Leiden 1881, S. 688ff.; DOMINIQUE SOURDEL, L’État impérial des califes abbassides. VIIIe–Xe siècle, Paris 1999, S. 74; P. COBB, White Banners [wie Anm. 70], S. 28; A. BORRUT, Entre mémoire et pouvoir [wie Anm. 70], S. 448ff.). 89 Mehrere Mitarbeiter der Barmakiden haben den Sturz überlebt und konnten trotz eines massiven Einflussverlustes die barmakidische Politik – sowohl das internationalpolitische Projekt als auch die Übersetzungsbewegung – weiter fortsetzen (Männer aus dem Kreis der Barmakiden wie ʽAbd Allāh bin ʽAbdah, Abū Ṣāliḥ Yaḥyā, Manṣūr bin Ziyād, ʽIsā bin Yazdānīrūḏ blieben auf Schlüsselstellen im Regierungsapparat, obwohl der Erzfeind der Barmakiden und Haupturheber ihres Sturzes, Faḍl bin ar-Rabīʽ, neuer Wesir wurde, s. al-Ğahšiyārī, Das Kitāb al-Wuzarāʾ wa-lkuttāb [wie Anm. 78], S. 322, 293, 336, 329; daher scheint die Behauptungen späterer Historiker, Hārūn ar-Rašīd habe nach der Hinrichtung des Ǧaʿfar bin Yahyā auch dessen Mitarbeiter aus dem Regierungsgeschäft entfernt, unbegründet, s. D. SOURDEL, Le vizirat ʽabbāside [wie Anm. 78], S. 186f.). Und nach Hārūns Tod trat der alte Kreis der Barmakiden fast geschlossen auf der Seite des al-Maʾmūn im Sukzessionskrieg gegen al-Amīn hervor (al-Maʾmūn stand unter dem maßgeblichen Einfluss seines vom Kalifen eingesetzten „Erziehers“ Ǧaʿfar bin Yahyā und, nach dessen Hinrichtung, eines Schützlings der Barmakiden, des al-Faḍl bin Sahl, eines zoroastrischen Iraners, der zum neuen „Erzieher“ des alMaʾmūn bestimmt wurde und erst daraufhin zum Islam konvertierte; s. al-Ğahšiyārī, Das Kitāb al-Wuzarāʾ wa-l-kuttāb [wie Anm. 78], S. 230. – 59 –
2. Politische Destabilisierung und Islamisierung In diesen breiteren Kontext der abbasidisch-fränkischen politischen Kontakte scheint sich also der unerhört gewalttätige Anschlag der arabischen Yaman auf das Mar Saba Kloster einzuordnen. Dieser Anschlag war zwar ein Novum, sollte aber kein Einzelfall bleiben. Er sollte nur den Anfang bilden in einer Reihe von Angriffen auf das Jerusalemer Patriarchat, das sich mit den Großprojekten der Barmakiden fest verbunden hatte – und zwar nicht nur mit dem diplomatischen Projekt, sondern auch mit der Übersetzung griechischer Wissenschaft und Philosophie, für die das Patriarchat von Jerusalem, v. a. unter Thomas, sogar die Ausbildung von Übersetzern aus dem Griechischen ins Arabische von Grund auf organisierte.90 90 Thomas von Jerusalem scheint selbst nach dem endgültigen Sturz der Barmakiden (803) zusammen mit anderen früheren Mitarbeitern der Dynastie weiterhin an dem barmakidischen Übersetzungsprojekt tätig zu sein. Während seiner Amtszeit als Patriarch von Jerusalem verfasste nämlich sein intimer Mitarbeiter (Synkellos) Michael, einer der gelehrtesten Männer des Patriarchats, ein Lehrbuch für den Unterricht des Griechischen im nordmesopotamischen Edessa, der kulturellen Hauptstadt der syrischen Welt und damals auch Standort der größten orthodoxen Gemeinde jenseits des Euphrat. Es ist bemerkenswert, dass Michaels anspruchsvoles Lehrbuch nicht nur das „kirchliche“ byzantinische Griechisch abdeckt, sondern auch das klassische, attische Griechisch der philosophisch-wissenschaftlichen Literatur der Antike berücksichtigt: In je– 61 –
Die Anschläge auf christlich-orthodoxe Ziele sollten sich also nach dem Sturz der Barmakiden und während der damit einhergehenden Eskalation der innerabbasidischen Machtkonflikte, welche unmittelbar nach dem Tod des Hārūn ar-Rašīd in einen offenen, reichsweiten Bürgerkrieg zwischen seinen Söhnen al-Amīn und al-Maʾmūn kulminieren würden, noch weiter vermehren: Gleich zu Anfang des Bürgerkrieges, im Jahr 811, ist das Mar Saba Kloster erneut angegriffen, ja diesmal gründlich verwüstet worden. Eine große Welle von orthodoxen Christen ist aus Syro-Palästina geflüchtet, vor allem Richtung Konstantinopel, wo die palästinischen Flüchtlinge ein ganzes Stadtviertel füllten, aber auch nach Griechenland.91 Das Chris-
ner Zeit, als in der barmakidischen „Übersetzungsbewegung“ ein Bedürfnis nach direkten griechisch-arabischen Übersetzungen anstelle der bisherigen Übertragungen vermittels syrischer Versionen der griechischen Originale spürbar wurde, und in einem multilingualen Bildungszentrum wie dem damaligen Edessa mit seinen griechischen, syrischen und armenischen Milieu, scheint nun das Lehbruch des Mitarbeiters des Patriarchen Thomas (u. a.) eben zur Ausbildung von arabischsprachigen Übersetzern gedient zu haben, wie bereits Vittorio Berti vorschlägt (s. V. BERTI, Vita e studi di Timoteo I [wie Anm. 22], S. 311). 91 Vgl. THEOPHANES, Chronographia, ed. C. DE BOOR, Leipzig 1883, S. 499. Diese Nachricht über eine Flüchtlingswelle von 811 hält MarieFrance Auzépy für unglaubwürdig bzw. massiv überzogen durch Theophanes oder den Palästiner Georgios Synkellos, mutmaßlicher Autor des Großteils der Theophanes-Chronik, der die Not der Orthodoxen Palästinas mit allen Mitteln ausmalen wollte; s. MARIE-FRANCE AUZÉPY, De la Palestine à Constantinople (VIIIe–IXe siècles). Étienne le Sabaite et Jean Damascène, in: Travaux et Mémoires XII 1994, S. 183–218, hier 215f.; vgl. DIES., Le rôle des émigrés orientaux à Constantinople et dans l’empire (634–843): acquis et perspectives, in: Al-Qantara XXXIII 2010, S. 475–503, hier 494. Doch diese Nachricht des Theophanes scheint durch eine fränkische Quelle, das Chronicon Laurissense breve, bestätigt zu werden: „eo tempore [sc. in 814] Hierusolima vastata est a Persis [sc. von den Arabern], et persecutionem magnam in orientalibus partibus christiani habebant“, liest sich dort (Chronicon Laurissense breve V, 1, – 62 –
tentum Palästinas, des Kernlandes der orthodoxen Christenheit im Kalifat, war irreparabel dezimiert. Auf jenen ersten Bericht des Stephanos bin Manṣūr über das Martyrium der 20 Mönche von Mar Saba sollten sehr bald zahlreiche weitere Neomärtyrerakten folgen, meistens aus Palästina.92 Das Zeugnis dieser Akten sowie weiterer zeitgenössischer Quellen wird eindeutig von der Baugeschichte Jerusalems bestätigt: In denselben Zeitraum des ausgehenden 8./frühen 9. Jahrhunderts sind, wie Klaus Bieberstein gezeigt hat, weitgehende Verwüstungen bzw. Zerstörungen von byzantinischen Kirchen in und um Jerusalem zu datieren, und zwar zum ersten Mal nach der arabischen Eroberung.93 Der Angriff auf Mar Saba inauguriert also eine neue Ära für die orthodoxen Christen des Kalifats: Was für mehr als 150 Jahre nach der Eroberung ihrer Heimatländer durch die Araber ed. HANS SCHNORR VON CAROLSFELD, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XXXVI 1911, S. 13–39, hier 38). 92 Vgl. CHRISTIAN SAHNER, Christian Martyrs and the Making of an Islamic Society in the Post-Conquest Period, Princeton 2015, S. 32ff. 93 Betroffen waren u. a. die Kirchen des Hl. Stephanus, des Hl. Georg westlich des Hinnomtales, die Marienkirche am Teich Bethesda, die Hagia Sophia, die Nea Maria; s. KLAUS BIEBERSTEIN, Der Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und Hārūn ar-Rašīd und seine Bedeutung für die Kirchen Jerusalems, in: Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins CIX 1993, S. 151–173, bes. 160f.; vgl. DERS./HANSWULF BLOEDHORN, Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, TAVO Beiheft B 100, Bd.e I–III, Wiesbaden 1994, Bd. I, S. 189ff.). Dass Gideon Avni das Abnehmen der christlichen Bevölkerung Jerusalems erst ins 10. Jahrhundert datiert, dürfte daran liegen, dass er erst positive archäologische Belege für die Aufgabe von Kirchen und Klöstern, und nicht das argumentum ex silentio, dass prominente Kirchen der Stadt überhaupt nicht mehr belegt sind, gelten lässt, wie Bieberstein und Bloedhorn es tun. Doch das Zeugnis der zeitgenössischen historiographischen und hagiographischen Quellen scheint für die Ansicht Biebersteins und Bloedhorns zu sprechen (GIDEON AVNI, The Byzantine-Islamic Transition in Palestine: An Archaeological Approach, Oxford 2014, S. 113). – 63 –
gegolten hatte, war jetzt, im Strudel der permanenten Destabilisierung, die mit dem Niedergang und Sturz der Barmakiden einherging, auf einmal erschüttert. Konnten die Christen bisher – bei allen gelegentlichen Gewaltausbrüchen – in der Regel ihr altes gesellschaftliches Leben auch unter der arabischen Herrschaft fortführen und dabei eine Schlüsselrolle in Wirtschaft, Handel und Administration des Kalifats spielen,94 so stand jetzt, mehrere Generationen nach der arabischen Eroberung, selbst ihre persönliche Sicherheit und ihre Religionsfreiheit auf dem Spiel. In der Tat hatten die byzantinisch-orthodoxen, syrischen, koptischen u. a. Christen nach der arabischen Eroberung und bis zum ausgehenden 8. Jahrhundert – einer Zeit, in der sie sich in ihrer Heimat noch in der Mehrheit befanden – eine sehr schwer zu umreißende, jedenfalls im Vergleich zur späteren Entwicklung deutlich bessere Stellung im arabischen Reich inne: Sie lebten, wie Arietta Papaconstantinou schreibt, in „a loose social organisation of unstable faith-based groups […], and the early Muslim umma found its place among them; this fluidity continued for another seventy years at least, since for various reasons borders between groups started being strengthened. Secondly, from that moment, under ʽAbd-alMalik and his successors, it took another century for the medieval system as we know it – or as it is usually described –, that is with the accompanying legislation, formal definitions and more systematic application of laws to personal status, to actually take form“.95 94 S. A. TRITTON, The Caliphs and their Non-Muslim Subjects (wie Anm. 28), S. 18ff. vgl. w.o., Anm. 33 und z. B. PETRA SIJPERSTEIJN, Shaping a Muslim State: The World of a Mid-Eighth-Century Egyptian Official, Oxford 2013, S. 209ff. 95 S. ARIETTA PAPACONSTANTINOU, Between umma and dhimma. The Christians of the Middle East under the Umayyads, in: Annales islamologiques XLII 2008, S. 127–156, hier 151; zur Entwicklung dieses „mittel– 64 –
Nun scheint sich jenes festgefügte „medieval system as we know it“ binnen kurzer Zeit, vom späten 8. bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts, sowohl für die orthodoxe Kirche Syro-Palästinas als auch für sämtliche im Kalifat lebenden Christen weitgehend etabliert zu haben. Mehr noch: In der gleichen Zeit erscheinen unter den abgespaltenen syrischen Christen Mesopotamiens, des geographischen Herzstückes des abbasidischen Kalifats, apokalyptische Schriften, in denen die zeitgenössischen sozialpolitischen Umwälzungen und die Repressalien gegen die Christen als Vorspiel eines unmittelbar bevorstehenden Weltendes gedeutet werden. Eine neuentdeckte Apokalypse des ausgehenden 8. Jahrhunderts spricht nun nicht mehr – wie frühere syrische Apokalypsen des 7. Jahrhunderts96 – von Krieg und Unterwerfung der Christen, sondern von einer drohenden Auslöschung des Christentums im fruchtbaren Halbmond. Dort sagt die Antichrist-Figur, die für die muslimische Herrschaft steht, über die Christen: „Ich will nicht mehr Steuer und Abga-
alterlichen Systems“ vgl. auch u. a. WOLFGANG KALLFELZ, Nichtmuslimische Untertanen im Islam: Grundlage, Ideologie und Praxis der Politik frühislamischer Herrscher gegenüber ihren nichtmuslimischen Untertanen mit besonderem Blick auf die Dynastie der Abbasiden (749–1248), Wiesbaden 1995, bes. S. 76–117; ABD AL-AZIZ DURI, Early Islamic Institutions: Administration and Taxation from the Caliphate to the Umayyads and Abbasids, London 2011, bes. S. 107–141. 96 Dazu s. den Beitrag von Emmanouela Grypeou in HAGIT AMIRAV/ EMMANOUELA GRYPEOU/GUY STROUMSA (Hgg.), Apocalypticism and Eschatology in the Abrahamic Religions between the 6th and 8th centuries c.e. (erscheint bei Peeters, Leuven); HARALD SUERMANN, Die geschichtstheologische Reaktion auf die einfallenden Muslime in der edessenischen Apokalyptik des 7. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. u. a. 1985; STEPHEN SHOEMAKER, “The Reign of God Has Come”: Eschatology and Empire in Late Antiquity and Early Islam, in: Arabica LXI 2014, S. 514–558, bes. 543ff. – 65 –
ben von ihnen, sondern ich will ausschließlich, dass sie mir Anbetung zollen“.97 Ebenfalls lesen wir in der westsyrischen Chronik von Zuqnīn, entstanden im Nordmesopotamien der frühen Abbasidenzeit, dass im Jahr 769 viele „ohne Schläge und Wunden, von irgendeinem großen Drang zur Apostasie verführt worden sind. Sie zogen in Gruppen von zehn Männern, oder von dreißig, von hundert oder von dreihundert [Männern], ohne jeglichen Zwang […], hinab nach Harran und zu den Präfekten, und wurden Muslime [lit.: Haggarener] […], während sie zu uns sagten, ‚ihr seid gottlos‘“.98 Aber auch über Ägypten berichtet das koptische Synaxar, dass während der Amtszeit des koptischen Patriarchen Michael Ḫāīl von Alexandria (r. 743–767) „heftige Bedrängnisse über die Gläubigen kamen; und eine Menge von Gläubigen zog […] aus dem Land Ägypten hinaus, und die Zahl derjenigen, die Christus abschwörten, war 24.000 Mann“.99 Solche Nachrichten über Massenislamisierung von Christen, durchdrungen von der Angst selbst um das Überleben des Christentums im Kalifat, häufen sich so zum allerersten 97 Joseph Hazzaya, On Providence, ed. NESTOR KAVVADAS, Texts and Studies in Eastern Christianity VIII, Leiden/Boston 2016, Kap. 118, S. ̈ ܠܘ ܓܝܪ 132: ܐܐܠ ܣܓܕܬܐ ܒܠܚܘܕ.ܫܩܐܠ ܘܡܕܐܬܐ ܬܒܥ ܐܢܐ ܠܗܘܢ ܒܥܐ ܐܢܐ ܕܡܩܪܒܝܢ ܠܝ. Charakteristischerweise gipfelt diese vom ostsyrischen Mystiker Joseph Hazzaya geschriebene Apokalypse in einen Appell zur Um- und Rückkehr an die Massen der jüngst islamisierten Christen und spricht dabei von unzähligen Christen, die „in dieser Generation“ zum Islam abgefallen sind (ebd., Kap. 144ff., S. 157ff.). 98 ܕܐܠ ̈ܡܚܘܬܐ ܘܣ̈ܪܩܐ ܠܘܬ ܟܦܘܪܘܬܐ ܠܚܐܦܐ ܡܕܡ ܪܒܐ ܡܫܬܪܓܠܝܢ
̈ ܓܘܕܐ ܕܓܒ̈ܪܐ ܥܣ̈ܪܝܢ ܘܬܠܬܝܢ ܘܡܐܐ ܘܡܬܝܢ ܟܕ ܥܒܕܝܢ ܗܘܘ.ܗܘܘ ̈ ܘܢܚܬܝܢ ܠܚܪܢ ܘܨܝܕ. ܥܠ ܗܕܐ... ܘܬܠܬܡܐܐ ܕܐܠ ܩܛܝܪܐ ܡܕܡ ܕ ܥܡܐܠ ܿ ܟܕ... .( ܘܡܗܓܪܝܢChronicon .ܐܡܪܝܢ ܠܢ܆ ܕܐܢܬܘܢ ܐܝܬܝܟܘܢ ܕܐܠ ܐܠܗܝ
anonymum pseudo-dionysianum vulgo dictum, ed. I.-B. CHABOT [wie Anm. 81], S. 385). 99
من البالد املصرية... علي املومنني شدائد عظيمة وخرجت مجاعة من املومنني والذي أحصي ممن كفر بامسيح اربعة وعشرين الف انسا, Le synaxaire arabe
jacobite, ed. RENÉ BASSET, Patrologia Orientalis XVI, Paris 1922, S. 233. – 66 –
Mal seit der arabischen Eroberung in eben jenen ersten Jahrzehnten nach der abbasidischen Revolution.100 Und genau in jenen Jahrzehnten der neuaufkommenden Märtyrerakten, der apokalyptischen Endzeitvisionen und der zerstörten Kirchen ist der muslimische Bevölkerungsanteil in den bisher christlich geprägten Gebieten Palästinas, Nordsyriens und Nordmesopotamiens, wie Richard Bulliet in seinem bahnbrechenden Versuch einer statistischen Hochrechnung aufzuweisen versucht hat,101 erstmals von etwa 15% der Ge100 Anders verhielt es sich nur auf der arabischen Halbinsel, wo bereits kurze Zeit nach der arabischen Expansion alle islamisiert wurden; beispielsweise zu Oman s. Išōyahḇ III., Liber epistularum, ed. RUBENS DUVAL, Corpus scriptorum christianorum orientalium, Syr. XI, Paris 1904, ep. 14, S. 248f. 101 Richard Bulliet hat es als erster unternommen, den Gang der Islamisierung in den Ländern des umayyadischen und abbasidischen Kalifats statistisch zu ermitteln (zu seiner Methode, s. RICHARD BULLIET, Conversion to Islam in the Medieval Period: An Essay in Quantitative History, Cambridge, Mass. 1979, S. 9ff.). Ihm zufolge wurden die Muslime in sämtlichen Ländern des frühen Kalifats (unter Ausnahme der Arabischen Halbinsel) erstmals in der Zeit von ca. 780 bis ca. 850 von einer Minderheit, die unter weit größeren christlichen Bevölkerungsgruppen lebte, zu einer aufstrebenden Mehrheit (ebd., bes. S. 43ff. und 80ff.). Bulliets Vorgehen und Ergebnisse sind allerdings, insbesondere in Hinblick auf Spanien, mehrfach kritisiert worden (s. MAYTE PENELAS, Some Remarks on Conversion to Islam in Al-Andalus, in: Al-Qanṭara XXIII 2002, S. 193– 200; dagegen neigt jedoch Thomas Glick dazu, Bulliet auch in Bezug auf Spanien zu bestätigen, s. THOMAS F. GLICK, Islamic and Christian Spain in the Early Middle Ages, Leiden 2005, S. 22f.; vgl. auch ALWYN HARRISON, Behind the Curve: Bulliet and Conversion to Islam in al-Andalus Revisited, in: Al-Masāq XXIV 2012, S. 35–51). Sicher ist, dass Bulliets Ergebnisse nicht nur für Syro-Palästina durch das plötzliche Aufkommen der palästinischen Akten der Neomärtyrer sowie durch die Zerstörung oder Aufgabe von Kirchen und Klöstern bestätigt, sondern auch durch mehrere weitere Untersuchungen zur Islamisierung des Nahen Ostens bestätigt werden, s. MICHAEL MORONY, The Age of Conversions: A Reassessent, in: MICHAEL GERVERS/RAMZI JIBRAN BIKHAZI (Hgg.), Conversion and Continuity: Indigenous Christian Communities in Islamic Lands, – 67 –
samtbevölkerung steil auf eine relative Mehrheit von ca. 40%, manchmal sogar auf eine überwältigende Mehrheit von 80– 85% – je nach Land – gestiegen: Alles in allem scheint es, dass erst damals, anderthalb Jahrhunderte nach der arabischen Eroberung, der größte Druck zur Islamisierung auf Christen, Juden und Zoroastrier des fruchtbaren Halbmonds – aus noch unbekannten Gründen – aufgebaut wurde.102 Dies ist die Zeit, in der dort eine „frühe muslimische Mehrheit“ aufgekommen ist.
Toronto 1990, S. 135–150, bes. 138ff.; ROBERT SCHICK, The Christian Communities of Palestine from Byzantine to Islamic Rule: A Historical and Archaeological Study, Princeton 1995, S. 139–159 und 220–225; darüber hinaus s. u. a. MIMI HANAOKA, Authority and Identity in Medieval Islamic Historiography: Persian Histories from the Peripheries, Cambridge 2006, S. 36f. 102 Zum Islamisierungsprozess vgl. u. a. DANIEL DENNETT, Conversion and the Poll Tax in Early Islam, Harvard Historical Monographs XXII, Cambridge, Mass. 1950, bes. S. 43ff.; RICHARD BULLIET, Conversion to Islam and the Emergence of a Muslim Society in Iran, in: NEHEMIA LEVTZION (Hg.), Conversion to Islam, New York 1979, S. 30–51, bes. 48ff.; RICHARD BULLIET, Conversion Stories in Early Islam, in: M. GERVERS/R. JIBRAN BIKHAZI (Hgg.), Conversion and Continuity (wie Anm. 101), S. 123–133; NEHEMIA LEVTZION, Conversion to Islam in Syria and Palestine and the Survival of Christian Communities, in: M. GERVERS/R. JIBRAN BIKHAZI (Hgg.), Conversion and Continuity (wie Anm. 101), S. 289–311, bes. 297ff.; LEOR HALEVI, The Paradox of Islamization: Tombstone Inscriptions, Qurʾānic Recitations, and the Problem of Religious Change, in: History of Religions XLIV 2004, S. 120–52, bes. 125ff.; SHAUN O’SULLIVAN, Coptic Conversion and Islamization of Egypt, in: Mamluk Studies Review X 2006, S. 65–79; TIMOTHY POWER, The Red Sea from Byzantium to the Caliphate, New York 2012, S. 11, 90 und 237; JOHN NAWAS, A Client’s Client: The Process of Islamization in Early and Classical Islam, Journal of Abbasid Studies I 2014, S. 143–158, bes. 154ff.; MAGED MIKHAIL, From Byzantine to Islamic Egypt. Religion, Identity and Politics after the Arab Conquest, London 2014, S. 51ff. und 106ff. – 68 –
Zur gleichen Zeit wurde der sogenannte Pakt von ʿUmar, welcher die Rechte und v. a. die Pflichte der im Kalifat lebenden Christen und Juden in einer Weise festlegen wollte, die gegenüber dem bisherigen status quo in der Praxis weitgehend restriktiv war, endgültig in der arabischen Rechtstradition etabliert.103 Damit kulminierte damals eine Entwicklung, die, wie Milka Levy-Rubin gezeigt hat, spätestens seit dem Kalifen ʿUmar bin ʿAbd al-ʿAzīz (r. 717–720) und der Befreiung (nunmehr nicht nur der arabischen, sondern) aller Muslime von der Kopfsteuer im vollen Gang war: Denn durch die tendenzielle Gleichsetzung aller islamisierten Nicht-Araber mit den arabischen Eroberern lief nunmehr die Klassentrennlinie in den Gesellschaften des Kalifats nicht mehr zwischen Eroberern und Eroberten, sondern zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen – also v. a. Christen und Juden, die als einzige Untertanen zweiter Klasse zur Kopfsteuer verpflichtet blieben und diskriminierenden Satzungen bezüglich ihrer Kleidung, Pferde, Frisur usw. unterworfen wurden.104 103 Dies hat neuerdings Milka Levy-Rubin gezeigt, s. MILKA LEVY-RUBIN, Non-Muslims in the Early Islamic Empire: From Surrender to Coexistence, Cambridge 2011, S. 85f.; die Autorin vertritt die Ansicht, dass die restriktiven Regelungen zwar in ihrem Kernbestand bereits auf ein Edikt des Kalifen ʿUmar bin ʿAbd al-ʿAzīz zurückgehen, sich jedoch in ihrem (bei allen Unterschieden zwischen verschiedenen Versionen des Pakts von ʿUmar) endgültigen, dem islamischen Mittelalter bekannten Grundbestand erst um 800 herauskristallisiert haben (s. auch w.o., Anm. 64; einen Zusammenhang zwischen der massiven Islamisierung bzw. dem Erstaufkommen einer muslimischen Mehrheit auf der einen und der Herauskristallisierung des islamischen Rechts überhaupt auf der anderen Seite sieht RICHARD BULLIET, Conversion and Law: A Muslim-Christian Comparison, in: MICHAEL COOK/NAJAM HAIDER/INTISAR RABB/ASMA SAYEED (Hgg.), Law and Tradition in Classical Islamic Thought. Studies in Honor of Professor Hossein Modarressi, New York 2013, S. 279–290, bes. 289). 104 Dies gilt unabhängig davon, ob der Pakt von ʿUmar bzw. eine Urform desselben tatsächlich, wie Levy-Rubin glaubt, auf ʿUmar II. zurückgeht – 69 –
Eben diese Entwicklung wurde nach der abbasidischen Revolution, die überall im Kalifat eine primär muslimische, nicht arabische Identität noch stärker in den Vordergrund brachte, weiter beschleunigt und vertieft, so dass bereits im frühen 9. Jahrhundert jenes frühere, „spätantike“ Bild des ersten Jahrhunderts nach der arabischen Eroberung durch das „mittelalterliche System“ abgelöst zu werden schien. In jener Zeit der frühen Abbasiden begann also der alte status quo endgültig dahinzuschwinden, der status quo, unter welchem christliche Großstädte wie Edessa oder Nisibis eine quasi autonome Administration, Verwaltung und Rechtsprechung genossen,105 während einzelne Christen, v. a. Orthodoxe, so hohe Positionen im Staat und Gesellschaft wie die des Präfekten von Alexandria
oder nicht, wie u. a. Luke Yarbrough meint; vgl. MILKA LEVY-RUBIN, ʿUmar II’s ghiyār Edict: Between Ideology and Practice, in: A. BORRUT/F. DONNER (Hgg.), Christians and Others in the Umayyad State (wie Anm. 27), S. 157–172, bes. 166ff. und LUKE YARBROUGH, Did ʿUmar b. ʿAbd al-ʿAzīz Issue an Edict Concerning Non-Muslim Officials?, in: A. BORRUT/F. DONNER (Hgg.), Christians and Others in the Umayyad State (wie Anm. 27), S. 173–206, bes. 197ff. 105 Zur Situation in Edessa und Nisibis, s. CHASE ROBINSON, Empire and Elites after the Muslim Conquest: The Transformation of Northern Mesopotamia, Cambridge 2000, S. 31f. und 54–59; zum besonderen Fall von Damaskus vgl. NANCY KHALEK, Damascus after the Muslim Conquest: Text and Image in Early Islam, Oxford 2011, bes. S. 111ff. Von einer Quasi-Autonomie der christlichen Bevölkerungsgruppen spricht Uriel Simonsohn, der die früher vorherrschende Vorstellung von einer vollen Autonomie bzw. Isolierung der christlichen und jüdischen Bevölkerungen des frühen Kalifats revidiert; Simonsohn weist u. a. auf die Tatsache hin, dass in Rechtssachen sowohl Christen als auch Juden des frühen Kalifats öfters auf islamische Gerichte, und nicht auf diejenigen der eigenen Gemeinde, rekurrierten (URIEL SIMONSOHN, A Common Justice: The Legal Allegiances of Christians and Jews under Early Islam, Philadelphia 2011, S. 147ff. und 174ff.; s. auch die vergleichbaren Überlegungen von A. PAPACONSTANTINOU, Between umma and dhimma [wie Anm. 95], bes. S. 148ff.). – 70 –
in Ägypten oder des Sekretärs des Kalifen besetzen konnten.106 Das Bild von einem Epocheneinschnitt scheint zu entstehen.107 Dabei mag paradox erscheinen, dass die Auflösung des alten status quo ausgerechnet zu dem Zeitpunkt kam, als die Beteiligung von Christen in der höheren Politik des Kalifats mit der Schlüsselrolle der Patriarchen von Jerusalem in den vielleicht profiliertesten Projekten der abbasidischen Regierung, besonders in Form der internationalen politischen Rolle des Patriarchen Thomas, ihren Höhepunkt erreicht hatte. Aber auch die barmakidische Übersetzungsbewegung brachte zur gleichen Zeit eine Reihe Christen, Griechen wie Syrer, Orthodoxe wie Miaphysiten oder Nestorianer, in die unmittelbare Nähe des Kalifen und seines Wesirs in Bagdad,108 was in einem zentralistischen Regime wie dem abbasidischen, wo unter Umständen ein Leibarzt des Kalifen an größeren politischen Einfluss als ein Provinzstatthalter kommen konnte,109 von kaum zu überschät106 Vgl. A. TRITTON, The Caliphs and their Non-Muslim Subjects (wie Anm. 28), S. 19ff.; LOUIS CHEÏKHO, Les vizirs et secrétaires arabes chrétiens en Islam (622–1517), Rom 1987, S. 20f., 48, 52 et passim; HUGH KENNEDY, Syrian Elites from Byzantium to Islam: Survival or Extinction?, in: JOHN HALDON (Hg.), Money, Power and Politics in Early Islamic Syria: A Review of Current Debates, Burlington 2010, S. 181–200, bes. 193ff.; s. auch Theophanes, Chronographia (wie Anm. 91), S. 430f. 107 Vgl. auch die Beobachtungen des D. GUTAS, Greek Thought, Arabic Culture (wie Anm. 76), S. 69ff. und 75ff. 108 S. ebd., passim; vgl. SIDNEY GRIFFITH, The Philosophical Life in Tenth Century Baghdad: The Contribution of Yahyā ibn 'Adi's Kitāb tahdhib alakhlāq, in: DAVID THOMAS (Hg.), Christians at the Heart of Islamic Rule: Church Life and Scholarship in ʿAbbasid Iraq, Leiden 2003, S. 129–149, bes. 129ff.; vgl. auch JOSHUA T. OLSSON, The Reputation of Ḥunayn b. Isḥāq in Contemporaneous and Later Sources, in: Journal of Abbasid Studies III 2016, S. 29–55, bes. 42. 109 Vgl. S. ABELE, Der politisch-gesellschaftliche Einfluss der nestorianischen Ärzte (wie Anm. 86), bes. S. 147ff.; vgl. RAYMOND LE COZ, Les médecins nestoriens au Moyen Âge. Les maîtres des Arabes, Paris 2004, bes S. 108 und 223ff.; zu einer anderen vergleichbaren christlichen Elite am Hof, s. CECILE CABROL, Une étude sur les secrétaires nestoriens sous – 71 –
zender Bedeutung war. Doch ausgerechnet zu jener Zeit scheint eine neue gesellschaftliche Situation zu entstehen, in der die christlichen Bevölkerungsgruppen nun erstmals als Minderheiten mit „angefochtenen“ Rechten dastehen – im Prinzip derjenige status quo, der, durch alle historische Umschläge hindurch, bis ins 21. Jahrhundert fortgedauert hat.
les Abbassides (762–1258) à Bagdad, in: Parole de l’Orient XXV 2000, S. 407–491, bes. 431ff. – 72 –
3. Zu den Auslösern der Krise: Der Anfang fränkischer Überseepolitik und der Sturz der Barmakiden Wie konnte es aber dazu kommen? Was hatte dies alles ausgelöst? Die Frage nach den Ursachen der Islamisierung der Christen im Nahen Osten stellt sich ja ganz anders, seitdem man nach Bulliets Statistik und den darauffolgenden Bewährungsforschungen weiß, dass das Gros der Konversionen von Christen und Juden zum Islam – zusammen mit den restriktiven Regeln des sog. Pakts von ʿUmar – erst anderthalb Jahrhunderte nach der arabischen Eroberung, im späten 8.–frühen 9. Jahrhundert erfolgte. So können die allgemeinen Ursachen der Islamisierung von Christen – Befreiung, unter ʿUmar bin ʿAbd al-ʿAzīz (r. 717–720), aller Muslime (und nicht nur der arabischen Eroberer) von der Kopfsteuer, leichterer Zugang zu Ämtern für Muslime, Eintritt von Christen in ein Klientelverhältnis zu muslimischen Protektoren, Umsiedlung von Christen in „attraktiven“ muslimisch-arabischen Garnisonstädten110 – kaum eine Erklärung dafür geben, dass die (Repressalien und die) große Islamisierungswelle erst einige Jahrzehnte nach der abbasidischen Revolution ausbrach und sehr schnell und hart v. a. 110 Vgl. R. HOYLAND, Seeing Islam as Others Saw it (wie Anm. 29), Princeton 1997, S. 338ff.; vgl. w.o., Anm. 102. – 73 –
Syro-Palästina traf. Ebensowenig kann die Erklärung genügen, dass jetzt das Kalifat von einem arabischen Eroberungsreich zu einem islamischen Staat verwandelt wurde, d.h. dass das Kalifat von einem nach außen gewandten, auf weitere Expansion ausgerichteten Eroberungsreich zu einem zunehmend introvertierten, sich strukturierenden Staat wurde, der jetzt von den Bevölkerungen seiner Kernländer nicht mehr einfach Steuern eintreiben will, sondern zunehmend Integration verlangt – und dies hieße fürs abbasidische Kalifat v. a. religiöse Integration, also Islamisierung.111 Denn, wenn es sich dabei tatsächlich um einen solchen historischen Automatismus gehandelt hätte, wäre schwerlich einzusehen, warum dieser Prozess der Islamisierung der Christen erst so spät eingesetzt hat, mindestens ein Jahrhundert nachdem die Expansion des arabischen Reichs aufgehört und seine Außengrenzen sich im Wesentlichen stabilisiert hatten, und warum dieser Prozess, einmal begonnen, so schnell – fast innerhalb einer Generation – und so flächendeckend vor sich gegangen ist. Es wird deutlich, dass dieser offenen Frage nach den Auslösern jener massiven Islamisierungswelle des späten 8./frühen 9. Jahrhunderts keine einfache, monokausale Antwort gerecht werden kann. Doch ein erster Hinweis auf eine fragmentarische Antwort könnte in der angedeuteten aktuellen innen- und außenpolitischen Konstellation liegen. Einerseits hatten die orthodoxen Christen des Kalifats und ihre Jerusalemer Führung um den Patriarchen sich politisch mit den Barmakiden verbunden, so dass diese Dynastie in ihrem gewaltigen Sturz auch sie, die Christen, gleichsam mit sich hinabriß bzw. der Vergeltung seitens der Gegner der Barmakiden, der alten arabischen Militäreliten, aussetzte. Andererseits scheint auch ein weiterer Faktor ins Gewicht zu fallen: Nämlich das zeitgleiche Eingreifen 111 Vgl. ROBERT HOYLAND, In God’s Path: The Arab Conquests and the Creation of an Islamic Empire, Oxford 2015, bes. S. 207–230. – 74 –
des Frankenreiches – der neuen politischen, wirtschaftlichen, militärischen Großmacht der Zeit – in die politische Konstellation des Nahen Ostens. Die Aufnahme diplomatischer Kontakte mit dem Kalifat bedeutete für die Regierung Karls des Großen viel mehr als nur die Etablierung freundschaftlicher Beziehungen mit einem bisher wenig bekannten Reich: Es ging zuerst einmal um eine strategische Allianz, die den geopolitischen Rivalen des Frankenreichs, das Byzantinische Reich, unter massiven Druck setzte – genauso wie sie den Rivalen der Abbasiden, das umayyadische Emirat von Córdoba, in die Zange nahm.112 Mehr noch, es ging um die Präsenz des Frankenreichs – politischdiplomatische, religiöse, kulturelle Präsenz – als neuer Weltmacht im Mittelmeerraum, also auch in den abbasidischen Ländern am Mittelmeer, beginnend mit Palästina.113 Wie dies Einhard, der Biograph Karls des Großen, auf den Punkt bringt, war Karl um Wohltaten zugunsten der notleidenden Christen bemüht „nicht nur in der Heimat und in seinem Königreich […] sondern wahrhaftig auch in Übersee, in Syrien, Ägypten und Afrika, in Jerusalem, Alexandria und Karthago […], indem er vor allem deswegen die Freundschaft der Könige vom Übersee erstrebte, um den Christen, die in ihrem Herrschaftsbereich leben, einen gewissen Trost und eine Erleichterung zu verschaffen“.114 112 Vgl. EDWARD A. FREEMAN, History of Europe, New York 1877, S. 62f. sowie JOSEPH CALMETTE, Charlemagne. Sa vie et son œuvre, Paris 1945, S. 151, der von einer „Achse Aachen-Bagdad“ sprach; s. auch GIOSUÈ MUSCA, Carlo Magno e Harun al Rashid, Bari 1963, 97ff. 113 Vgl. M. MCCORMICK, Charlemagne’s Survey of the Holy Land (wie Anm. 48), S. 186f. 114 EINHARD, Vita Caroli Magni, ed. GEORG H. PERTZ/GEORG WAITZ/ OSWALD HOLGER-EGGER, MGH SS rer Germ XXV, Hannover/Leipzig 1911, cap. 27, S. 31f.: „non in patriam solum et in suo regno…verum trans maria in Syriam et Aegyptum atque Africam, Hierosolimis, Alexandriae atque Carthagini, […] ob hoc maxime transmarinorum regum – 75 –
Und tatsächlich nahm die energische Präsenz der neuen fränkischen Weltmacht im Abbasidenreich konsequent die Formen der religiösen Teilnahme an: In Jerusalem, der Hauptstadt des Christentums im Kalifat, wurden in kurzer Zeit fränkische Klöster, Kirchen, Armenhäuser gegründet,115 im Gegensatz zu den zeitgleichen Zerstörungen von byzantinischen Kirchen. Bald zählten gemäß einer Rechnung von Michael McCormick zu den mindestens 406 Mönchen, die zur Zeit Karls des Großen in Jerusalem lebten, ca. 60 Franken.116 Und das einflussreiche fränkische Kloster Petri et Pauli auf dem Ölberg wurde mit Mönchen besetzt, die mindestens z.T. Karl dem Großen persönlich begegnet waren. Wie intensiv dieses unter dem Zeichen der Religion gestellte Engagement in Jerusalem von Karl selbst gepflegt wurde, zeigt sich außerdem daran, dass unter seinen Gesandten in die Heilige Stadt ein Adliger aus seinem engeren Aachener Kreis war.117 Und dieses Engagement in Jerusalem war keine Einzelepisode. Die starke fränkische Präsenz sollte vielmehr zum Dauerzustand werden. Bereits Ludwig der Fromme sollte mit einer Mission an Jerusalem die Verbindung zwischen Frankenreich und Palästina erneuern.118 Insbesondere die kirchlichen Einrich-
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amicitias expetens, ut Christianis in eorum dominatu degentibus refrigerium aliquod ac relevatio proveniret“ (für eine Charakteristik der Art der Darstellung von Karls Taten in der Vita Einhards, s. STEFFEN PATZOLD, Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard, Stuttgart 2013, S. 193ff.). Vgl. K. BIEBERSTEIN, Der Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und Hārūn ar-Rašīd (wie Anm. 26), S. 168f.; M. MCCORMICK, Charlemagne’s Survey of the Holy Land (wie Anm. 48), S. 76ff. Ebd., S. 59. Dies hat Michael McCormick nachgewiesen; s. ebd., S. 167ff. S. Ex Miraculis S. Benedicti auctore Adrevaldi Floriacensis, ed. OSWALD HOLDER-EGGER, MGH SS XV, I, Hannover 1886, S. 497 und M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 110f. – 76 –
tungen, die Karl der Große bzw. Ludwig der Fromme gegründet hatten, scheinen permanente finazielle wie politische Unterstützung vom fränkischen Westen zu genießen: So berichtet der fränkische Mönch Bernhard, der 867 nach Palästina gereist ist, von der Existenz eines durch Karl den Großen errichteten Hospitals für „alle Pilger, die die lateinische Sprache sprechen“ und schildert dieses als eine wohl funktionierende Gründung, ausgestattet u. a. mit einer gut sortierten Bibliothek.119 Die bleibende Verbindung zwischen fränkischem Westen und Jerusalem – und vielleicht auch die fortwährende fränkische Präsenz am Ölberg – zeigt sich auch daran, dass die Xantener Annalen zum Jahr 870 oder 871 zeitgenössische muslimische Repressalien gegen Kirchen und Klöster in und um Jerusalem, insbesondere am Ölberg, wichtig genug finden, um sie zu registrieren;120 ebenso manifestierte sich diese Verbundenheit zu Palästina in den Geldbeiträgen, die mehrere westeuropäische Herrscher in den 880ern für den Patriarchen Elias III. Manṣūr von Jerusalem geleistet haben.121 119 Das „Itinerarium Bernardi Monachi“, Edition, Übersetzung, Kommentar JOSEF ACKERMANN, MGH Studien und Texte L, Hannover 2010, cap. 10, S. 120 (dieses Hospital findet in dem ca. 810 entstandenen Commemoratorium de casis Dei keine Erwähnung, müsste also entweder in den letzten Lebensjahren Karls oder unter Ludwig dem Frommen gegründet worden sein). Ebenfalls bezeugt Christian von Stablo/Druthmar von Corvey im fortgeschrittenen 9. Jahrhundert das Fortbestehen eines (angeblich) von Karl dem Großen in Hakeldama errichteten kleinen Klosters, s. Expositio in Evangelium Matthaei, ed. JOHANN SECERIUS, Migne Patrologia Latina CVI, Paris 1864, Sp. 1486). 120 Annales Xantenses, ed. BERNHARD VON SIMSON, MGH SS rer Germ XII, Hannover/Leipzig 1909, S. 30. 121 S. Roger von Wendover, Flores Historiarum I, ed. HENRY COXE, London 1841, S. 354; Asser’s Life of King Alfred, ed. WILLIAM H. STEVENSON, Oxford 1904, S. 77; PAUL E. D. RIANT, Inventaire critique des lettres historiques des croisades, in: Archives de l'Orient latin I 1881, S. 1–224, hier 26–30; vgl. STEVEN RUNCIMAN, Charlemagne and Palestine, in: English Historical Review L 1935, S. 606–619, hier 618). Schließlich scheint – 77 –
Allerdings ist die Signifikanz des fränkischen Engagements in Palästina bzw. dessen geopolitische Virulenz bereits vom Anfang an sichtbar geworden: Am deutlichsten versinnbildlichen dies die Geschenke, die angeblich Karl dem Großen von Jerusalemer anlässlich seiner Kaiserkrönung in Rom mit einer Gesandtschaft geschickt wurden: der Schlüssel der Heiligen Stadt und ihre Fahne – im europäischen Westen, gängige Symbole der Herrschaft über eine Stadt.122 Die besondere Bedeutauch die Tatsache, dass der byzantinische Kaiser Konstantinos VII. Porphyrogennetos in De administrando imperio von beträchtlichen finanziellen Zuwendungen Karls des Großen an Palästina und von seiner Finanzierung von Klöstergründungen ebendort berichtet, zu implizieren, dass noch zu seinen Zeiten das fränkische Geld, die Klöster und die fränkischen Mönche in Palästina aktuell präsent waren – wodurch sich der Kaiser veranlasst sah, an die Anfangszeit jener fränkischen Präsenz unter Karl dem Großen zu erinnern (De administrando imperio, cap. 26, ed. GYULA MORAVCSIK, Corpus fontium historiae byzantinae I, Washington 1967, S. 108). Dass die Nachrichten über Franken in und um Jerusalem im fortgeschrittenen 9.–frühen 10. Jahrhundert so knapp ausfallen, dürfte weniger daran liegen, dass die fränkische Präsenz dort abgeschwächt worden wäre, als vielmehr daran, dass nach Karl dem Großen Jerusalem nicht mehr die diplomatische Schaltstelle in den Beziehungen zwischen der fränkischen Welt – die immer mehr in den Wirbel der Transformation vom karolingischen Großreich zu kleinteiligeren Territorien geriet – und dem ebenfalls auseinanderfallenden abbasidischen Kalifat war, so dass das Heilige Land vorläufig aus dem Fokus der politisch interessierten Historiographie geriet. 122 Vgl. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden (wie Anm. 26), S. 67ff. Die Symbolträchtigkeit Jerusalems in der damals im Entstehen begriffenen – und insbesondere von Alkuins Kreis forcierten – fränkischen Kaiserideologie hat sich anscheinend auch in einer späten Münzprägung Karls des Großen mit der Aufschrift XPICTIANA RELIGIO niederschlagen: Auf dieser Münze, die nach 800, also in der Zeit der intensivsten Involvierung Karls in Palästina, geschlagen wurde, ist ein kaum wiedererkennbares Heiligtum abgebildet, welches von Victor Elbern und neuerdings von Michael McCormick mit dem Heiligen Grab identifiziert wurde (s. VICTOR H. ELBERN, Der eucharistische Kelch im frühen Mittelalter, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für – 78 –
samkeit jener angeblichen Jerusalemer Gesandtschaft (legatio honesta sanctae civitatis) zur Kaiserkrönung Karls hebt, wie bereits gesehen, charakteristischerweise Alkuin von York, der damals denkbar einflussreiche Rat des Frankenkönigs, hervor.123 Und diese besondere symbolische Signifikanz des Engagements in Jerusalem für die fränkische Reichsidee war nicht ohne Verbindung mit konkreten imperialpolitischen Plänen. Parallel zur fränkischen Annäherung an das Jerusalemer Patriarchat lief ja der Plan einer Eheschließung zwischen Karls Tochter Rotrud – der Empfängerin des Alkuin-Briefes über die Kunstwissenschaft XVII 1963, S. 1–76 und 117–188; DERS., Einhard und die karolingische Goldschmiedekunst, in: HERMANN SCHEFERS (Hg.), Einhard. Studien zu Leben und Werk, Darmstadt 1997, S. 155–178, hier 163; und M. MCCORMICK, Charlemagne’s Survey of the Holy Land [wie Anm. 48], S. 188ff.); es war also keine pure Erfindung der VorKreuzzugszeit, sondern eine Fortschreibung karolingischer Ansätze, wenn die legendäre Historia des Saint-Sauveur Klosters von Charroux (11. Jahrhundert) Karl den Großen erst zu dem Zeitpunkt als imperator, anstelle von rex, bezeichnet, als dieser vor der Mauer Jerusalems vom Patriarchen der Hl. Stadt empfangen wird (s. Liber de constitutione […] Karoffensis coenobii [wie Anm. 60], S. 31; vgl. M. GABRIELE, Empire of Memory [wie Anm. 56], S. 98): Der späte Mythos birgt in sich einen Nachklang der symbolischen Bedeutung, die jenen angeblichen Geschenken aus Jerusalem zu Karls Kaiserkrönung wohl bereits zur Zeit Karls – sehr wahrscheinlich von Alkuin und anderen Zeitgenossen – im Westen zugedacht wurde (zu den Versuchen der früheren Forschung, die Geschenke zu deuten, s. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden [wie Anm. 26], S. 68–75; für eine Interpretation der angeblichen Geschenke als eine benedictio nominis imperatoris seitens des Jerusalemer Patriarchats, s. ARYEH GRABOÏS, Charlemagne, Rome and Jerusalem, in: Revue Belge de Philologie et d'Histoire LIX 1981, S. 792–809, hier 805). 123 Alcuini epistolae, ed. E. DÜMMLER (wie Anm. 52), S. 327; für den Brief an Gisela und Rotrud, s. ebd., S. 357f.; zur politischen Rolle Alkuins s. DOUGLAS DALES, Alcuin: His Life and Legacy, Cambridge 2012, S. 42, 95, 107 et passim. – 79 –
Jerusalemer Vertretung bei Karls Krönung – und dem byzantinischen Kaiser Konstantin VI. Was dieser Plan für Karl den Großen bedeutete, bringt ein mit seinem Hof eng verbundener Historiker und Literat, Paulus Diaconus, in einem Gedicht an den Frankenkaiser zum Ausdruck: „Mir ist nicht unbekannt, sondern ich jubele [darüber], dass sie über das Meer hin aufbrach / Deine schöne Tochter, Gebieter, und das Zepter ergriff, / damit durch die Nachfahrin die Kräfte des Königreichs sich gen Asien strecken“.124 Es ist deutlich, dass Karls Ambitionen auf eine Expansion seiner Einflusssphäre gen Osten nicht nur Gedankenspiele blieben. Noch aussagekräftiger was Palästina angeht ist die Erstellung, wahrscheinlich auf Karls Befehl, der sogenannten Basler Rolle, einer genauen Auflistung der christlichen religiösen Einrichtungen Palästinas, oft mit präziser Ausmessung von Kirchen- und Klosterbauten, Aufzählung der Kleriker und des Dienstpersonals, Errechnung ihrer jährlichen Erhaltungskosten – also eine gründliche Bestandsaufnahme, wie sie der Frankenkönig für die Kirchenprovinzen seines eigenen Reiches verordnet hatte!125 Das heißt: Karl der Große nahm indirekt, aber unmissverständlich, die Rolle des Protektoren der im Kalifat lebenden 124 S. KARL NEFF (ed.), Die Gedichte des Paulus Diaconus: kritische und erklärende Ausgabe, München 1908, Gedicht Nr. XIII, S. 67: „nec me latet, sed exulto, quod pergat trans maria / vestra, rector, et capessat sceptrum pulchra filia, / ut per natam regni vires tendantur in Asiam“; vgl. WARREN T. TREADGOLD, The Byzantine Revival, 780–842, Stanford 1988, S. 71 und 89f.; MARTINA HARTMANN, Die Königin im frühen Mittelalter, Stuttgart 2009, S. 190. Zur Wahrnehmung der Expansionsabsichten Karls durch die byzantinischen Führungseliten, s. EVANGELOS CHRYSOS, Karl der Große und Europa aus byzantini(sti)scher Sicht, in: Hellenika X N.F. 2015, S. 12–26, bes. 21ff. 125 Vgl. M. MCCORMICK, Charlemagne’s Survey of the Holy Land (wie Anm. 48), S. 156ff. Generell zum Zusammenhang von Kirchen- und Reichspolitik unter Karl dem Großen, s. etwa H. NAGEL, Karl der Große (wie Anm. 65), bes. S. 227ff. – 80 –
Christen in Anspruch. Damit trat der Frankenkaiser jedoch nicht etwa in ein internationales Vakuum: Vielmehr verdrängte er v. a. das geschwächte Byzanz als Schutzherrn der (großenteils noch griechischsprachigen) orthodoxen Christen des Abbasidenreichs. Das Byzantinische Reich war ja eine Art natürliche Schutzmacht der orthodoxen Bevölkerungen des Kalifats, die mit Konstantinopel nicht nur durch die kirchliche Communio, sondern – mindestens bis zum fortgeschrittenen 9. Jahrhundert – weitgehend durch Kultur und Sprache verbunden waren, so dass ihr Zugehörigkeitsbewusstsein primär durch die byzantinische Orthodoxie geprägt blieb, auch wenn viele unter ihnen aramäischer, arabischer oder persischer Herkunft und Muttersprachler des Palästinisch-Aramäischen oder des Arabischen (bzw. vielsprachig) waren;126 wegen dieses byzantini-
126 So konnte etwa ein hochgebildeter Byzantiner wie Theodoros Studites an den hochrangigen Mitarbeiter (Synkellos) und Vertrauten des Patriarchen Thomas von Jerusalem, Michael, der gemäß seiner Vita „persischer Herkunft“ (Περσογενὴς) – was im damaligen griechischen Sprachgebrauch auch „arabischer Herkunft“ heißen könnte – war, schreiben: „denn dass ihr anderer Herkunft seid heißt nicht, dass wir andersartig sind als ihr; vielmehr sind wir, da wir alle von einer Mutter, der Annahme an Kindes statt, geboren und vom selben Prägestempel des reinen Glaubens geformt sind, sowohl Brüder als auch Mitbürger, indem wir Christus als Haupt haben. Insofern wir Dessen [sc. Christi] Körper sind, […] sind wir dazu gehalten, uns füreinander über gute Dinge mitzufreuen und uns wiederum in Bedrängnissen füreinander zu betrüben“ (οὐδὲ γὰρ ὅτι ὑμεῖς ἀλλοδαπεῖς ἡμεῖς ὑμῶν ἑτεροειδεῖς, ἀλλ’ ὅτι ἐκ μιᾶς μητρὸς τῆς υἱοθεσίας γεγεννημένοι καὶ τῷ αὐτῷ χαρακτῆρι τῆς εἰλικρινοῦς πίστεως μεμορφωμένοι καὶ ἀδελφοὶ καὶ συμπολῖται, κεφαλὴν ἔχοντες τὸν Χριστόν· οὗπερ ὡς σῶμα τελοῦντες […], ὀφειλέται ἐσμὲν καὶ συγχαίρειν ἀλλήλοις ἐν τοῖς δεξιοῖς καὶ ἀνιᾶσθαι αὖ πάλιν ἐπὶ τοῖς λυπηροῖς); mehr noch, Theodoros wusste von der außerordentlich hohen griechischen Gelehrsamkeit des Michael Synkellos und hob diese in seinem Schreiben stark hervor (s. THEODOROS STUDITES, Epistula 547 Μιχαὴλ συγκέλλῳ Ἁγιοπολίτῃ [wie Anm. 41], S. 827f.; die denkbar hohe Bildung des Michael Synkellos zeigt sich u. a. in seinem erhaltenen Lehrbuch des klassi– 81 –
schen Einschlags wurden die Orthodoxen des Kalifats u. a. von den syrischen Miaphysiten und Monotheleten pejorativ als Melkiten, also Anhänger des byzantinischen Kaisers, bezeichnet.127 Jetzt wurden sie jedoch von einem anderen Kaiser, dem fränkischen, umworben. Aber die Konsequenzen von Karls Intervention hörten nicht hier auf: Denn sie machte die Protektorenrolle, die der Frankenkönig nun für sich beanspruchte, auch dem Kalifen bzw. seiner Regierung streitig, die ja die im Kalifat lebenden Christen (wie die Juden) als ihre Schutzbefohlene betrachtete, und inaugurierte dadurch eine Beschützerrolle der Franken über Palästina, wie sie erneut von den Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts und dann immer wieder bis zur französischen Überseepolitik im 19. Jahrhundert in Anspruch genommen wurde.128 Daschen Griechischen, vgl. MICHAEL SYNKELLOS, Le traité de la construction de la phrase [wie Anm. 22], bes. S. 15ff.). 127 Vgl. SIDNEY GRIFFITH, Byzantium and the Christians in the World of Islam: Constantinople and the Church in the Holy Land in the Ninth Century, in: Medieval Encounters III 1997, S. 231–265, bes. 232ff. und ALEXANDER TREIGER, Unpublished Texts from the Arab-Orthodox Tradition (1), On the Origin of the Term “Melkite” and on the Destruction of the Maryamiyya Cathedral in Damascus, in: Chronos – Revue d’histoire de l’université de Balamand XXIX 2014, S. 7–37, bes. 8, Anm. 5. 128 Es ist bemerkenswert, wie stark die Forschungsmeinungen dazu auseinandergehen: Zuerst haben die französischen Historiker des 19./frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere Louis Bréhier von einem fränkischen Protektorat, verbunden mit etablierten Rechten – einer quasi-Souveränität Karls des Großen – über Jerusalem und das Christentum Syro-Palästinas gesprochen (zu dieser schon im 19. Jahrhundert von Alphonse Couret und comte Riant vertretenen Protektoratsthese s. ALPHONSE COURET, La Palestine sous les empereurs grecs, 326–636, Grenoble 1869, S. 273f.; P. RIANT, Inventaire critique des lettres historiques de croisades [wie Anm. 121], S. 10–13, und bes. LOUIS BREHIER, Charlemagne et la Palestine, Revue Historique CLVII 1928, S. 277–291). Diese These, die Bréhier selbst später sichtlich relativierte, sollte auf Kritik stoßen; v. a. haben die Untersuchungen von Einar Joranson und Steven Runciman deutlich gemacht, dass es ein solches Protektorat nach den Vorstellungen des Impe– 82 –
mit machte nun Karl auch die fränkische Präsenz im Nahen Osten in einer Weise spürbar, dass sie mindestens von bestimmten politischen Eliten im Abbasidenreich – und v. a. von rialismus des 19. Jahrhunderts – also eine Oberhoheit Karls über Palästina – nie gegeben hat (s. EINAR JORANSON, The Alleged Frankish Protectorate in Palestine, in: American Historical Review XXXII 1927, S. 241– 261; S. RUNCIMAN, Charlemagne and Palestine [wie Anm. 121], bes. S. 618f.; zur Geschichte der Kritik an Bréhier s. M. BORGOLTE, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden [wie Anm. 26], S. 5– 9, dort auch die einschlägige ältere Literatur); und Michael Borgolte hat dann die Meinung vertreten, die „Maßnahmen“ Karls v. a. „die Spendeleistungen [sc. für die Christen Palästinas], die Förderung lateinischer Christen und die mutmaßliche Unterstützung der Pilger“ (ebd., 100), seien „mit der universell aufgefaßten Verantwortung für die Christenheit, die Einhard als Motivation für Karls ‚Überseepolitik‘ angibt“ in voller Übereinstimmung (ebd., 101); nur an zweiter Stelle „allerdings dürften sie [sc. die Maßnahmen Karls] auch der Verbreitung des fränkischen Namens gedient haben“. Erst in letzter Zeit ist die Frage nach der realbzw. machtpolitischen Dimension des Engagements Karls des Großen in Palästina neu gestellt worden: So vertrat Michael McCormick in seiner Neuedition und Untersuchung der Basler Rolle die Ansicht, dass „there were also good political reasons for the mighty king to be involved there. Not least was the competition with Byzantium. Charlemagne may have relished the opportunity to outdo the Eastern emperors in their own backyard. […] By taking the initiative of financing one of the most significant shrines of Christendom, a shrine that was still heavily staffed by Greek speakers and in close intellectual and personal contact with Constantinople, it is hard to avoid the impression that Charlemagne and his entourage were making a statement about how they viewed their own place in the world“ (Charlemagne’s Survey of the Holy Land [wie Anm. 48], S. 195f.; vgl. jetzt auch MICHAEL BORGOLTE, Karl der Große – Sein Platz in der Globalgeschichte, in: Saeculum LXIII 2013, S. 168–188, bes. 186f., wo der Autor die Ansicht vertritt, dass es die “erstaunlichste globale Leistung” Karls des Großen “war, dass er Mönche und Nonnen seines Reiches in Jerusalem unterstützte oder gar selbst ansiedelte, obwohl die Heiligen Stätten kirchlich nach Konstantinopel orientiert waren und politisch unter der Gewalt des Kalifats standen. Dabei ließ er sich vom Vorbild des antiken Imperiums ebenso leiten wie von biblischer und näherhin christlicher Überlieferung”). – 83 –
den alten arabischen Militäreliten, den Gegnern der Barmakiden – als Bedrohung empfunden werden konnte. Bald sollten jedoch diese bedrohten Eliten, wie bereits gesehen, zum Gegenschlag ausholen. Und als es dazu kam, schien kein Ziel leichter als das „schwächste Glied“ in jener Kooperation zwischen Aachen, Jerusalem und Bagdad, das die fränkische Einflussnahme erst ermöglicht hatte: das Patriarchat von Jerusalem und seine Herde, die orthodoxen Christen SyroPalästinas. Weil ihre Führung eine neuralgische Rolle bei jenem barmakidischen Annäherungssprojekt gespielt hatte, wurden nun die Christen Syro-Palästinas zunehmend von den vorrückenden politischen Gegnern der Barmakiden angefeindet – genauso wie bei jenem Anschlag auf das Mar Saba Kloster im März 797 ihr späterer Patriarch Thomas, weil Protagonist im fränkisch-abbasidischen diplomatischen Austausch, ins Visier derselben arabischen Militäreliten geraten war. Dies soll freilich nicht etwa heißen, dass das fränkische Auftreten in Palästina die einheimischen Christen – wie dies zur Zeit der Kreuzzüge der Fall sein sollte – unter den Generalverdacht brachte, eine „fünfte Kolonne“ der westlichen christlichen Großmacht zu sein, und dadurch den Islamisierungsdruck erhöhte bzw. das zeitgleiche Schrumpfen des Christentums im Abbasidenreich katalysierte. Das Abnehmen der christlichen Bevölkerungen scheint vielmehr Ergebnis einer weit komplexeren Kettenreaktion zu sein, worin jener ominöse Zusammenfall der fränkischen Einflussnahme mit dem politischen Kollaps der Barmakiden, der treibenden Kraft hinter den diplomatischen Beziehungen zu Karl dem Großen, ein – kritisches – Glied war. Es entbehrt aber trotzdem nicht einer gewissen historischen Aussagekraft, dass die Christen des Kalifats just in dem Moment unterdrückt und dezimiert wurden, als die drei größten Reiche ihrer Zeit darum rivalisierten, wer ihr eigentlicher Protektor ist.
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Aus jener jahrzehntelangen Existenzkrise sollte das byzantinische Christentum Syro-Palästinas sowie des Abbasidenreiches insgesamt zahlenmäßig dezimiert, sprachlich weitgehend arabisiert129 und rechtlich-sozial in einen neuen, weit restriktiveren Status versetzt hervorgehen. Aber trotzdem vermochte es, in seinem ekklesialen Selbstverständnis ungebrochen fortzubestehen. Dass dies gelingen konnnte, wurde im Bewusstsein der Orthodoxen des Kalifats fest mit den Namen des Thomas von Jerusalem und seiner Mitarbeiter verknüpft:130 Sie hatten vor 129 Zu dieser sprachlichen Entwicklung s. die Arbeiten von Sidney Griffith (w.o., Anm. 17) und A. TREIGER, Christian Graeco-Arabica (wie Anm. 17), bes. 190ff; DERS., The Earliest Dated Christian Arabic Translation (772 AD). Ammonius' Report on the Martyrdom of the Monks of Sinai and Raithu, in: Journal of the Canadian Society for Syriac Studies XVI 2006, S. 29–38, bes. 34ff.; ANDRÉ BINGGELI, Early Christian GraecoArabica: Melkite Manuscripts and Translations in Palestine (8th–10th Centuries AD), in: DIMITRI GUTAS/SABINE SCHMIDTKE/ALEXANDER TREIGER (Hgg.), New Horizons in Graeco-Arabic Studies = Intellectual History of the Islamicate World III 2015, S. 228–247. 130 Dies bringt etwa das Enkomion über den heiligen Theodoros Graptos, einen Mitarbeiter des Thomas von Jerusalem, zum Ausdruck, wenn es Letzteren mit dem Propheten Elias vergleicht und schildert, wie Thomas den Heiligen Theodoros durch die Priesterweihe „zum Genossen in seinen heiligen Kämpfen macht“ (ποιεῖται τοῦτον κοινωνὸν τῶν ἱερῶν ἀγώνων, s. JEFFREY-MICHAEL FEATHERSTONE [ed.], The praise of Theodore Graptos by Theophanes of Caesarea, in: Analecta Bollandiana XCVIII 1980, S. 104–150, hier 113: „Derjenige nun, der [Theodoros] die Priesterwürde gab [sc. Thomas], war kein unbedeutender Mann, sondern ein solcher, der würdig war, einem so großen Mann [sc. Theodoros] die Hände aufzulegen und ihm den Geist mitzuteilen – ja sogar in doppeltem Maß, wie früher jener Tesbiter [sc. der Prophel Elias] an Elischa […]. So macht der Hohepriester und Patriarch jener Heiligen Stadt, welche ihren Namen duch Taten bewahrheitet hat, […] diesen [sc. Theodoros] zum Genossen in seinen heiligen Kämpfen und gewährt ihm durch die orthodoxen Dogmen die Vervollkommnung der Priesterwürde“ (ὁ δὲ τῆς ἱερωσύνης τὸ ἀξίωμα δοὺς οὐ τῶν τυχόντων, ἀλλ’ οἷον ἔδει τηλικούτῳ ἐπιθεῖναι τὰς χεῖρας καὶ μεταδοῦναι τοῦ πνεύματος καὶ διπλοῦ γε τάχα, καθάπερ Ἐλισαίῳ τὸ πρὶν ὁ Θεσβίτης ἐκεῖνος […]. ὁ γάρ τοι τῆς ἁγίας – 85 –
der gleichsam unlösbaren Aufgabe gestanden, sich als Vertreter einer breiten Bevölkerung ohne jegliche eigene staatlichpolitische Entität hinter ihr in einem Spiel zwischen Großmächten zu positionieren, die sich freilich letzten Endes auf ihre eigenen Interessen hin orientierten, auch wenn sie sich zeitweilig – wie im Fall der Barmakiden-Wesire oder der Regierung Karls der Großen – mit dem Jerusalemer Patriarchat verbündeten. Und angesichts dieser unlösbaren Aufgabe sollte es dem Patriarch Thomas und seinen Mitarbeitern doch gelingen, die für die orthodoxe Christenheit Syro-Palästinas überlebenswichtige Balance zwischen den immer wieder prekär kollidierenden
ἐκείνης πόλεως, ἣ τὴν κλῆσιν τοῖς πράγμασιν ἐπιστώσατο, μέγας ἀρχιερεὺς καὶ πατριάρχης […] ποιεῖται τοῦτον κοινωνὸν τῶν ἱερῶν ἀγώνων καὶ τοῖς ὀρθοδόξοις δόγμασιν ἐπιτίθησι τὴν τῆς ἱερωσύνης τελείωσιν). Diese Kämpfe des Patriarchen Thomas, die hier mit dem „orthodoxen Dogma“ in Verbindung gesetzt werden, veranlassten auch den Übersetzer bzw. Redaktor der georgischen Version des Martyriums des Hl. Michael von Mar Saba dazu, Thomas von Jerusalem zusammen mit dem Heiligen Stephanos Sabaites, Johannes von Damaskus und Theodor Abū Qurra gleichsam als die prominentesten Personen in der Geschichte des Mar Saba Klosters zu feiern (s. Martyrium des Hl. Michael von Mar Saba, ed. C. KEKELIDZE [wie Anm. 24], S. 173; vgl. MONICA BLANCHARD [Übers.], The Georgian Version of the Martyrdom of St. Michael, Monch of Mar Sabas Monastery, in: ARAM Periodical VI 1994, S. 149– 163, hier 158). Und bereits im Martyrium der zwanzig Sabaiten des Stephanos bin Manṣūr scheint der außerordentliche Nachdruck, den der Autor auf die Haltung und die Taten des Thomas während des Angriffs auf Mar Saba legt, nicht ohne Zusammenhang zu sein mit der schon damals begonnenen, für das byzantinische Christentum Syro-Palästinas vitalen Zusammenarbeit des Thomas mit dem Patriarchen Elias II. und dessen Kreis – die Thomas auch bei jenem Angriff auf Mar Saba ins Visier der Angreifer gebracht hatte. Also stand Thomas’ Name, wie auch die Namen seiner unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger sowie seiner engsten Mitarbeiter, dafür, dass jene kritische Zeit der Repressalien, der Islamisierungen und der Neomärtyrer, letztlich nicht zum Ende des byzantinischen Christentums im Kalifat führte. – 86 –
Ansprüchen der fränkischen, der byzantinischen und der abbasidischen Politik zu finden.
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Namenregister Aachen 33–5, 42, 47, 58, 74f. ʽAbd Allāh bin ʽAbdah, 59 Anm. 89 ʽAbd al-Malik (Kalif) 27 Anm. 33, 64 ʿAbd al-Malik bin Ṣāliḥ 49f., 58 Anm. 88 ʽAbdallāh 33 Abū Muslim 51 Anm. 74 Abū Ṣāliḥ Yaḥyā, 59 Anm. 89 Adémar von Chabannes 38f. Ägypten 66, 70, 75 ahl al-Yaman 48–50, 55, 58, 61 al-Aṣmaʽī 54 Anm. 78 Alexandria 21, 23 Anm. 27, 66, 70, 75 al-Faḍl bin Sahl 59 Anm. 89 al-Faḍl bin Yahyā 56 Alkuin von York 35–7, 43–5, 72 Anm. 122, 79 al-Maʾmūn (Kalif) 53 Anm. 76, 59 Anm. 89, 62, „Alte Lavra“ des Hl. Chariton 15f., 30, 43 Anm. 61, 58 al-Walīd I. (Kalif) 26 Anm. 33 Antiocheia 21
Antiochos Strategos 28 Anm. 36 Arn von Salzburg 35–7 Askalon 14 Athanasios Gumoye 26f. Anm. 33 aṭ-Ṭabarī 48 Attigny 37 Auzépy, Marie-France 62 Anm. 91 Avni, Gideon 63 Anm. 93 Bagdad 71, 75 Anm. 112, 84 Banū Ṣāliḥ 49f., 58 Anm. 88 Barmakiden 21, 34, 49–59, 61f., 64, 71, 74, 83f., 86 Basilios (Patriarch von Jerusalem) 21, 61 Anm. 60 Bernhard 77 Berti, Vittorio 62 Anm. 90 Bieberstein, Klaus 63 Bloedhorn, Hanswulf 63 Anm. 93 Borgolte, Michael 32 Anm. 42, 37, 83 Anm. 128 Bouvat, Lucien 54 Anm. 78 Bréhier, Louis 82 Anm. 128 – 89 –
Bulliet, Richard 67, 73
Ǧaʿfar bin Yahyā 52 Anm. 75, 56f., 58, 59 Anm. 89 Gaza 14 Georg (Patriarch von Jerusalem) 30, 34 Anm. 47, 36 Georg/Egilbald 33f., 36f. Anm. 51, 38, 44, 47 Georgios Synkellos 62 Anm. 91 Ğibrīl bin Baḫtīšūʽ 57 Gisela 79 Anm. 123 Golgatha 45f. Graf, Georg 32 Anm. 42 Griffith, Sidney 23 Anm. 27
Callahan, Daniel 38 Anm. 55 Charroux 38, 41 Anm. 60 Chosrau II. (Schah) 27 Anm. 34, 28 Anm. 36 Christian von Stablo/Druthmar von Corvey 77 Anm. 119 Christophoros (Patriarch von Alexandria) 21 Córdoba 75 Damaskus 23, 26f., 49, 70 Anm. 105 David (Prophet und König) 44 Dingolfing 37
Hakeldama 77 Anm. 119 Ḫālid bin al-Walīd 23 Harran 66, 20 Hārūn ar-Rašīd (Kalif) 30, 32, 35, 37, 43, 47, 56f., 59 Anm. 89, 62f. Hiob (Patriarch von Antiocheia) 21 Homs 26 Ḫurāsān 50–52, 55 Anm. 82
Edessa 61 Anm. 90, 70 Anm. 105 Einhard 76 Anm. 114, 83 Anm. 128 Elbern, Victor 78 Anm. 122 Eleutheropolis 14 Elias II. (Patriarch von Jerusalem) 15, 38, 43f., 47 Elias III. (Patriarch von Jerusalem) 24, 77 Elias (Prophet) 85 Anm. 130 Elischa (Prophet) 85 Anm. 130
ibn al-Aṯīr 48 ibn Ḫaldūn 54 ʽIsā bin Yazdānīrūḏ 59 Anm. 89
Faḍl bin ar-Rabīʽ 54 Anm. 78, 59 Anm. 89 Fārs 54 Anm. 78 Felix 33f., 36 Anm. 51 Frankenreich 37 Anm. 52, 38 Anm. 55, 52, 59, 74–76
Johannes von Damaskus 12 Anm. 1, 18, 24f., 86 Anm. 130 Joseph Hazzaya 65 Anm. 97 Judäa 14 Judäische Wüste 15, 18, 27
Ǧābir bin Ḥayān 52 Anm. 75 Gabriele, Matthew 39 Anm. 57, 41 Anm. 59
Kaʽba 56 Anm. 82
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Karl der Große 22, 30f., 33, 35, 36 Anm. 52, 37–41, 43–7, 58, 75–80, 82–4, 86 Konstantin VI. (byzantinischer Kaiser) 79 Konstantinopel 20, 40, 81, 83 Anm. 128 Kosmas Melodos 24 Kufa 52 Anm. 75
Ölberg 33–5, 45 Anm. 65, 76f. Oman 66 Anm. 100 Papaconstantinou, Arietta 64 Papadopoulos, Chrysostomos 32 Anm. 42 Paul Warnefried 80 Petrus und Paulus-Kloster 34, 45 Anm. 65 Philip I. (König von Frankreich) 39 Photios (Patriarch von Konstantinopel) 24
Latowski, Anne 39 Anm. 57 Leo III. (Papst) 31 Leo V. (byzantinischer Kaiser) 31 Anm. 41 Levy-Rubin, Milka 68 Anm. 103 Ludwig der Fromme 76f.
Qais 48, 50, 55 Rom 17 Anm. 12, 21, 44 Anm. 63, 47, 78 Rotrud 43f., 79
Manṣūr an-Namarī 57 Manṣūr bin Sarǧūn 23f. Manṣūr bin Ziyād 59 Anm. 89 Mar Saba Kloster 11–3, 15–9, 22f., 28–30, 34, 43, 48–50, 58, 61–3, 84, 86 Anm. 130 Maximos Confessor 25f. Mazdak 54 Anm. 78 McCormick, Michael 76, 78 Anm. 122 Mesopotamien 17 Anm. 12, 54 Anm. 78, 55, 65f. Michael Ḫāīl (koptischer Patriarch von Alexandria) 66 Michael Synkellos 20f., 61 Anm. 90, 81 Anm. 126 Muḥammad 23 Muʿtazila 53 Anm. 76
Saʽīd bin Baṭrīq/Eutychios (Patriarch von Alexandria) 23 Anm. 27 Saint-Sauveur Kloster 38, 78 Anm. 122 Salzburg 32, 35–37 Sarǧūn bin Manṣūr 24–26 Sariphaia 14 Schmid, Karl 32 Anm. 42 Schreiner, Jens 23 Anm. 27 Sergios bin Manṣūr (Patriarch von Jerusalem) 24 Sophronios (Patriarch von Jerusalem) 23 Anm. 32 Sourdel, Dominique 54 Anm. 78 Spanien 67 Anm. 101 Stephanos bin Manṣūr 11 Anm. 1, 12, 14 Anm. 4, 16, 27–30,
Naṣr bin Sayyār 55 Anm. 82 Nikolaus I. (Papst) 24 Nisibis 70 Nizäa 20 – 91 –
43 Anm. 61, 48, 63, 86 Anm. 130 Stephanos Sabaites 86 Anm. 130
Thomas (Patriarch von Jerusalem) 16, 20f., 24, 29–39, 41, 43, 44f., 47, 58, 61f., 71, 81 Anm. 126, 84–6
Theodor Abū Qurra 18, 20, 86 Anm. 130 Theodoros Graptos 85 Anm. 130 Theodoros Studites 31 Anm. 41, 81 Anm. 126, Theophanes 62 Anm. 91 Theophilos (byzantinischer Kaiser) 21
ʿUlamāʼ 53 ʿUmar bin ʿAbd al-ʿAzīz (Kalif) 69, 73 ʽUmar (Kalif) 24 Yahyā bin Ḫālid 56–8 Yarbrough, Luke 69 Anm. 104 Zuqnīn 25, 56 Anm. 82, 66
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Quellenregister ad-Dinawari, األخبار الطوال, ed. GIRGAS S. 360 ...................................................................................................... 55 Adémar von Chabannes, Chronicon, edd. BOURGAIN/ LANDES/ PON III, 40, S. 161 ........................................................................................ 38f. Adrevaldus Floriacensis, Ex Miraculis S. Benedicti, ed. HOLDER-EGGER S. 497 ...................................................................................................... 76 al-Baġdādī, Moslem Schisms and Sects, Übers. HALKIN Bd. 2, S. 117 ........................................................................................... 56 Alcuini epistolae, ed. DÜMMLER ep. 210, S. 350f. ...................................................................................... 37 ep. 214, S. 357f. ...................................................................................... 44 al-Ğahšiyārī, Das Kitāb al-Wuzarāʾ wa-l-kuttāb, ed. VON MŽIK S. 230 ...................................................................................................... 59 S. 251f..................................................................................................... 54 S. 278f..................................................................................................... 57 S. 293 ...................................................................................................... 59 S. 322 ...................................................................................................... 59 S. 329 ...................................................................................................... 59 S. 336 ...................................................................................................... 59 Annales Maximiniani ad A. 803, ed. PERTZ S. 23 ........................................................................................................ 34 Annales Altahenses maiores, edd. VON GIESEBRECHT/VON OEFELE S. 4 .......................................................................................................... 46 Annales Regni Francorum, ed. PERTZ/KURZE S. 112 ...................................................................................................... 46 S. 123 ...................................................................................................... 33
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Annales Xantenses, ed. VON SIMSON S. 30 ........................................................................................................ 77 Asser’s Life of King Alfred, ed. STEVENSON S. 77 ........................................................................................................ 77 aṭ-Ṭabarī, تأريخ الرسل وامللوك واخللفاء, ed. DE GOEJE tertia series I, S. 625ff. ............................................................................ 48 tertia series I, S. 639ff. ............................................................................ 57 tertia series II, S. 688ff. ........................................................................... 59 Bernardus Monachus, Das „Itinerarium Bernardi Monachi“, ed. ACKERMANN cap. 10, S. 120......................................................................................... 77 Βίος καὶ πολιτεία τοῦ...πατρὸς ἡμῶν Θεοδώρου...ἀρχιεπισκόπου Ἐδέσσης, ed. POMJALOVSKIJ S. 35ff. .................................................................................................... 22 Christian von Stablo/Druthmar von Corvey, Expositio in Evangelium Matthaei, ed. SECERIUS Sp. 1486 .................................................................................................. 77 Chronicon ad annum Christi 1234 pertinens, ed. BARSUM S. 295 ...................................................................................................... 26 Chronicon anonymum pseudo-dionysianum vulgo dictum, ed. CHABOT S. 269 ...................................................................................................... 56 S. 385 ...................................................................................................... 66 Chronicon Laurissense breve, ed. SCHNORR VON CAROLSFELD V.1, S. 38 .............................................................................................. 62f. Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg, hg. FORSTNER S. 10 ........................................................................................................ 36 Descriptio qualiter Karolus Magnus clavum et coronam Domini a Constantinopoli Aquisgrani detulerit, ed. RAUSCHEN S. 103f..................................................................................................... 41 Einhard, Vita Caroli Magni, edd. PERTZ/WAITZ/HOLGER-EGGER cap. 27, S. 31f. ........................................................................................ 75 Eutychios von Alexandria, Das Annalenwerk, ed. BREYDY S. 61f....................................................................................................... 24 S. 135–138 .............................................................................................. 23 Ex vetustis Annalibus Nordhumbranis, historiae regum anglorum et dacorum insertis, ed. PAULI S. 156 ...................................................................................................... 46 ibn al-Aṯīr, الكامل يف التأريخ, ed. TADMURĪ Bd. 6, S. 127ff. ........................................................................................ 48 ibn Ḫaldūn, Les prolégomènes d’Ebn Khaldoun I, ed. QUATREMÈRE S. 50 ........................................................................................................ 54 – 94 –
Išōyahḇ III., Liber epistularum, ed. DUVAL ep. 14, S. 248f. ........................................................................................ 66 Joseph Hazzaya, On Providence, ed. KAVVADAS Kap. 118, S. 132 ..................................................................................... 65 Kap. 144ff., S. 157ff. .............................................................................. 66 Konstantinos VII. Porphyrogennetos, De administrando imperio, ed. MORAVCSIK cap. 26, S. 108......................................................................................... 78 Kyrillos von Skythopolis, Leben des Hl. Sabbas, ed. SCHWARTZ cap. 72, S. 175......................................................................................... 28 Le calendrier palestino-géorgien du Sinaiticus 34, ed. GARITTE S. 55 ........................................................................................................ 17 Le synaxaire arabe jacobite, ed. BASSET S. 233 ...................................................................................................... 66 Liber de constitutione […] Karoffensis coenobii pictaviensis dioecesis, ed. DE MONSABERT S. 30f....................................................................................................... 41 Μαρτύριον τῶν ἁγίων πατέρων τῶν ἀναιρεθέντων ὑπὸ τῶν βαρβάρων, ἤγουν Σαρακηνῶν, ἐν τῇ μεγίστῃ Λαύρᾳ τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Σάβα, ed. PAPADOPOULOS-KERAMEUS cap. 2, S. 2 .............................................................................................. 13 cap. 3f., S. 3 ............................................................................................ 14 cap. 4, S. 4 .............................................................................................. 15 cap. 12, S. 11 .......................................................................................... 16 cap. 14, S. 13 .......................................................................................... 43 cap. 28, S. 22f. ........................................................................................ 29 cap. 30, S. 23 .................................................................................... 16, 29 Martyrium des Hl. Michael von Mar Saba (წამებაჲ წმიდისა მიქაელისი), ed. KEKELIDZE S. 172f..................................................................................................... 22 Michael Synkellos, Le traité de la construction de la phrase, ed. DONNET ..... 21 Michael der Syrer, Chronique IV, ed. CHABOT S. 457 ...................................................................................................... 26 Paulus Diaconus, Die Gedichte, ed. NEFF Nr. XIII, S. 67 ......................................................................................... 80 Roger von Wendover, Flores Historiarum, ed. COXE Bd. 1, S. 354 ........................................................................................... 77 Synaxarium Ecclesiae Constantinopolitanae, ed. DELEHAYE S. 170 ...................................................................................................... 12 Theodor Abū Qurra, Ἐπιστολὴ ... πρὸς τοὺς κατὰ τὴν Ἀρμενίαν αἱρετίζοντας – 95 –
Sp. 1504 .................................................................................................. 20 Theodoros Studites, Epistulae, ed. FATOUROS ep. 276, S. 409–412 ................................................................................ 31 ep. 469, S. 672–674 ................................................................................ 31 ep. 547, S. 827f. ...................................................................................... 81 The Letter of the Three Patriarchs to Emperor Theophilos and Related Texts, edd. MUNITIZ/CHRYSOSTOMIDES/HARVALIA-CROOK/ DENDRINOS ............................................................................................ 22 Theophanes, Chronographia, ed. DE BOOR S. 499 ...................................................................................................... 62 S. 430f..................................................................................................... 70 Theophanes von Caesarea, The praise of Theodore Graptos, ed. FEATHERSTONE S. 113 ...................................................................................................... 85
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www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-11879-8