Kirche auf Zukunftssuche: Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller, Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster 3402130076, 9783402130070

Im Sommersemester 2012 hat die Katholisch-theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Franz-Xav

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Table of contents :
Title
Inhalt
Vorwort
Eröffnung
Klaus Müller: Ansprache des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät
Laudationes
Judith Könemann: Laudatio für Franz Xaver Kaufmann
Thomas Schüller: Laudatio für Dr. Wunibald Müller
Festvorträge
Franz-Xaver Kaufmann: Was mir das Zweite Vatikanische Konzil bedeutet
Wunibald Müller: Das österliche Lied in der Kirche und in der Welt zum Klingen bringen
Anhang
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Kirche auf Zukunftssuche: Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller, Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster
 3402130076, 9783402130070

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I

Klaus Müller (Hg.)

m Sommersemester 2012 hat die KatholischTheologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller das theologische Ehrendoktorat verliehen. Den entscheidenden Anlass dafür gab das 50-jährige Jubiläum der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Beide Ehrendoktoren stehen mit ihrem Werk und Wirken genau für das ein, was die Konzils-Konstitution Gaudium et spes als Lektüre der „Zeichen der Zeit“ einfordert: Kaufmann hat dem katholischen Diskurs die Denkform der Soziologie nahegebracht und Müller müht sich wie kaum ein anderer, Eros und Sexus in ihrer Vielgestaltigkeit gegen alle notorische kirchen­ amtliche Ängstlichkeit angemessenen Raum zu geben.

Kirche auf Zukunftssuche

Klaus Müller (Hg.)

Kirche auf Zukunftssuche Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster

ISBN 978-3-402-13007-0

,....: Aschendorff 11..11. Verlag

Klaus Müller (Hg.) Kirche auf Zukunftssuche

Klaus Müller (Hg.)

Kirche auf Zukunftssuche

Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller

Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster

© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISBN 978-3-402-13007-0

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Eröffnung Klaus Müller Ansprache des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät

. . . . . . . . . . . . . 11

Laudationes Judith Könemann Laudatio für Franz Xaver Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Thomas Schüller Laudatio für Wunibald Müller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Festvorträge Franz-Xaver Kaufmann Was mir das Zweite Vatikanische Konzil bedeutet

. . . . 45

Wunibald Müller Das österliche Lied in der Kirche und in der Welt zum Klingen bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

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Anhang Liste der Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster . . . . . . 85

6

Vorwort

D

ie katholische Kirche in Deutschland – wenngleich nicht nur hier – befindet sich seit einigen Jahren in einer Umbruchsphase, von der noch nicht abzusehen ist, zu welchen Ergebnissen sie führen wird: Das offenkundige Ende der traditionellen Volkskirche, der Priestermangel, die Umstrukturierung pastoraler Räume, offenkundige Defizite im Verhältnis von Ortskirchen und weltkirchlicher Autorität, Züge eines Neoklerikalismus, die Aufdeckung des Missbrauchs einer großen Zahl von Jugendlichen in kirchlichen Institutionen, der manchmal so bemühte wie mühsame Dialog zwischen Amtsträgern und Laien, der Eindruck nach wie vor defizitärer Gleichberechtigung von Frauen und Männern – das alles macht es nicht unbedingt leicht, inmitten der pluralen Gesellschaft und ihrer Sinnmärkte den christlichen Glauben als katholische Christin oder Christ frei und froh zu bezeugen. Die akademische Theologie steht zudem unter kritischer Beobachtung, ob und wie sie als bekenntnisgebundene Disziplin den Standards des universitären Wissenschaftsbetriebs genügt. In dieser Gemengelage steht es einer theologischen Fakultät gut an, immer wieder einmal ihr Profil öffentlich zur Geltung zu bringen. Die Verleihung von Ehrendoktorwürden gehört zu den nobelsten Formen solcher Selbstartikulation, weil sie die Identitätsvergewisserung der promovierenden Institution mit der Anerkenntnis verbindet, durch Werk und Leistung der Geehrten im ei7

genen Anliegen gestärkt und in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Religion, Glaube und Kirche bereichert zu werden. Die vorliegende Dokumentation der Verleihung der Ehrendoktorwürde seitens der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster an Herrn Dr. Dr. hc. Franz-Xaver Kaufmann und Herrn Dr. phil. Wunibald Müller im Sommersemester 2012 sucht ein wenig kenntlich zu machen, welche Orientierungen sich einer ihre Zukunft suchenden Kirche heute nahelegen. Münster, den 15. November 2012, am Fest des Hl. Albertus Magnus

Klaus Müller

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Eröffnung

Klaus Müller

Ansprache des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät

M

agnifizenz, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende unserer Fakultät, verehrte Gäste, sehr geehrte Damen und Herren. Im Namen der Katholisch-Theologischen Fakultät begrüße ich Sie als Dekan sehr herzlich zur festlichen Verleihung der Ehrendoktorwürde an Herrn Prof. Dr. DDr. hc Franz-Xaver Kaufmann und Herrn Dr. Wunibald Müller. Mein allererster Gruß gilt darum Ihnen Beiden, die Sie heute geehrt werden, zusammen mit Ihren Angehörigen und Freunden, die Sie begleiten. Ich grüße die Rektorin unserer Hochschule, Magnifizenz Prof. Dr. Ursula Nelles, kirchlicherseits heiße ich als Vertreter des Bischofs von Münster Herrn stellv. Generalvikar Dr. Jochen Reidegeld willkommen. Herzliche grüße ich Kolleginnen und Kollegen anderer Fakultäten der WWU sowie auswärtiger Hochschulen. Ein Willkommen auch all denen, die einfach aus persönlichem Interesse anwesend sind. Desgleichen grüße ich alle aus der Studierendenschaft, der Gruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Lehrenden unseres Hauses. Unsere Fakultät hat per Beschluss des Fachbereichsrats Herrn Prof. Franz-Xaver Kaufmann und Herrn Dr. Wunibald Müller die Verleihung eines Doktors der Theo11

logie ehrenhalber angetragen. Beide haben angenommen. Aus welchen Motiven sich die Fakultät zu diesem Schritt entschloss, werden gleich die Laudatorin, Frau Kollegin Judith Könemann, und der Laudator, Herr Kollege Thomas Schüller, näher erläutern. Sie beide, Herr Kollege Kaufmann und Herr Dr. Müller, treten mit dem heutigen Tag in eine Reihe von Ehrendoktoren und -doktorinnen, die bis zum Jahr 1833 zurück reicht und 180 Namen umfasst. Ab heute werden auch Sie beide als die Jüngsten neben Theologen und Philosophen, Politikerinnen, Bischöfen, Kardinälen und Künstlern in der Galerie unserer Ehrendoktoren stehen, die man seit wenigen Monaten mit Bild und Biogramm auf der Internetseite unserer Fakultät einsehen kann. Mit der Verleihung eines Doktors honoris causa wird nicht nur eine Person für ihr Wirken oder Werk ausgezeichnet, sondern sagt natürlich auch die promovierende Fakultät über sich selbst etwas aus: Sie erblickt im Denken und Schaffen des zu Ehrenden etwas, das sie konstitutiv zu ihrem eigenen Selbstverständnis, ihrer Identität und ihrem Profil zählt. Sie signalisiert der Öffentlichkeit von Kirche und Gesellschaft: Der zu Ehrende ist mit dem, was er sagt und tut, symbolisch einer von uns. Bei Franz-Xaver Kaufmann begründet dieses Verbindende sein Jahrzehnte langes Bemühen, im Medium der wissenschaftlichen Disziplin der Religionssoziologie zu dem in weiten Teilen immer noch ausstehenden und heute erneut umstrittenen kritisch-produktiven Brückenschlag zwischen katholischer Tradition und Moderne beizutragen. Und Wunibald Müller steht als Theologe und Psychologe im Zentrum einer Problemlage, die in den letzten Jahren 12

durch die Missbrauchsdebatte zum Ausgangspunkt einer tief reichenden Erschütterung der katholischen Kirche geworden ist: Seit Beginn seiner beruflichen Tätigkeit sucht er an der Überwindung jener Denkbarrieren mitzuwirken, in die sich Teile der Theologie und des Lehramts in Fragen der Sexualität eingesperrt haben und die dazu führen, dass einschlägige kirchliche Verlautbarungen nach innen wie außen zumeist Belästigungscharakter eignet – ganz zu schweigen, von den Folgen unmittelbar Betroffener. – „Ich würde mir wünschen, dass die Kirche hinter Sexualität die Schöpfermacht Gottes und nicht einen lüsternen Satan sieht“, hat Wunibald Müller vorgestern bei einer Veranstaltung in München gesagt. Dem arbeitet er auch selbst zu, indem er neben seinen theoretischen Beiträgen durch seine praktisch-therapeutische Arbeit seit Jahrzehnten segensreich als Laie zum Seelsorger im buchstäblichen Sinn für Priester und Ordensleute geworden ist. Beides, der Brückenschlag zur Kultur der Moderne und die Kultivierung und Humanisierung des anthropologischen Feldes der Sexualität in all seine Facetten, gehört für unsere Fakultät zu den so oft zitierten „Zeichen der Zeit“, die es gemäß der Konzilskonstitution Gaudium et spes Nr. 4 zu erforschen und im Licht des Evangeliums zu deuten gilt, um für unsere Gegenwart in der Bezeugung des Evangeliums eine Sprache zu finden, die in die Seelen der Angesprochenen findet. Die Ehrenpromotion von Franz-Xaver Kaufmann und Wunibald Müller ist darum zugleich Ausdruck der Selbstverpflichtung unserer Fakultät auf den Geist des II. Vatikanischen Konzils, dessen 50jähriges Jubiläum wir in der zweiten Hälfte dieses 13

Jahres zu begehen beginnen werden. Die Schärfe, mit der seit Monaten um das Konzil und sein rechtes Verständnis wieder Streit geführt wird, sekundiert von teils irritierenden symbolischen Akten des römischen Lehramts, verrät, wie wenig selbstverständlich noch immer ist, wofür sich unsere beiden heute zu promovierenden Ehrendoktoren einsetzen. Umso mehr drängt sich auf, für das, dem sie verpflichtet sind, auch symbolisch gut sichtbare Markierungen aufzurichten. Ein Lehr-, Lern- und Forschungsverbund so groß wie unsere Münsteraner Fakultät scheint mir dafür ein guter Ort zu sein. Herr Professor Kaufmann und Herr Dr. Müller werden nach den Laudationes und dem Akt der Promotion je in einem Festvortrag ein wenig verdeutlichen, was sie bewegt. Franz-Xaver Kaufmann spricht zum Thema „Was mir das Zweite Vatikanische Konzil bedeutet“ und Wunibald Müller überschreibt seinen Beitrag mit „Das österliche Lied in der Kirche und in der Welt zum Klingen bringen“. Auf Beides freue ich mich. Und ich schließe mit dem herzlichen Dank im Namen der ganzen Fakultät und auch persönlich, dass Sie heute zu uns gekommen sind und die Ehrendoktorwürde unserer Fakultät annehmen.

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Laudationes

Judith Könemann

Laudatio für Franz Xaver Kaufmann

S

ehr geehrte Frau Rektorin, sehr geehrter Herr stellvertretender Generalvikar, sehr geehrter Herr Dekan, sehr geehrte Festversammlung, liebe zu Ehrende, lieber Herr Kaufmann, Es ist nicht die erste Auszeichnung und auch nicht der erste Ehrendoktor, den Sie, sehr geehrter, lieber Herr Kollege Kaufmann, heute von einer Universität verliehen bekommen. Demzufolge ist auch bereits die ein oder andere Laudatio auf Sie gehalten und damit der Versuch unternommen worden, Ihr umfangreiches Werk zu würdigen. Am heutigen Tag verleiht Ihnen zum zweiten Mal eine Katholisch-Theologische Fakultät den Ehrendoktor und dies, obgleich die Beschäftigung mit Religion und Religionssoziologie und das Thema der „katholischen Kirche“ eigentlich immer „nur“ ein Nebenschauplatz war, – mindestens, wenn man die Bezeichnung Ihres Lehrstuhles betrachtet, den Sie in aller Beständigkeit von 1969 bis 1997 an der Universität Bielefeld in der Fakultät für Soziologie innehatten. Ihre Lehrstuhlbezeichnung lautete „Sozialpolitik und Soziologie“1 und nicht Religionssoziologie, und so haben Sie selbst „die Beschäftigung mit religionssoziologischen Problemen“ ja auch als „beruflichen Luxus“ 1 Siehe http://www.uni-bielefeld.de/soz/personen/kaufmann/ (Zugriff 05.10.2012).

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bezeichnet.2 Für diesen „beruflichen Luxus“, von dem ich nicht weiß, wie viel Ihrer Schaffenskraft er in Anspruch genommen hat, erhalten Sie nun aber bereits zum zweiten Mal den Dr. honoris causa.3 Und allein das macht schon deutlich, von welch hoher Bedeutung Ihr „beruflicher Luxus“ für die katholische Theologie und auch für die Kirche ist; ganz abgesehen davon, dass dieser Luxus zu zehn Monographien und Herausgeberbänden und insgesamt 78 Aufsatzpublikationen geführt hat, wohlgemerkt nur zu den beiden Themenfeldern „Religionssoziologie“ und „Soziologie und Theologie, Sozialethik“. Ich möchte an dieser Stelle nicht den Versuch unternehmen, Ihr gesamtes Werk in den verschiedenen Schwerpunkten zu würdigen, denn zum einen würde dies weitaus längere Zeit in Anspruch nehmen, als mir hier zur Verfügung steht, und zum anderen ist es unserer Fakultät ein Anliegen, Ihnen den Dr. honoris causa gerade aufgrund Ihrer Verdienste für die Theologie und die katholische Kirche und ihren Weg in die Moderne zu verleihen. Von daher möchte ich mich insbesondere auf diesen Teil Ihres Werkes und Wirkens konzentrieren. Nichtsdestotrotz einige Bemerkungen zu Ihrer Vita: Sie erwarben 1960 den Doktor für Wirtschaftswissenschaft an der renommierten Hochschule St. Gallen und habilitierten sich 1968 hier in Münster für das Fach Soziologie und Sozialpolitik, um gleich darauf an die gerade 2 Franz-Xaver Kaufmann: Kirche begreifen. Analysen und Thesen zur gesellschaftlichen Verfassung des Christentums, Freiburg 1979, 6. 3 Der erste theologische Dr. honoris causa wurde von der Kath.Theol. Fakultät der Universität Bochum im Jahr 1993 verliehen.

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gegründete Universität Bielefeld zu gehen und dort den schon erwähnten Lehrstuhl für Sozialpolitik und Soziologie zu übernehmen. Dass Sie nie wechselten und 1997 auf eben diesem „Stuhl“ emeritiert wurden, scheint heute in Zeiten von W-Besoldungen fast undenkbar zu sein. In Bielefeld bauten Sie vor allem das Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik auf und leiteten dieses bis zu Ihrer Emeritierung. Sie waren und sind Mitglied von wissenschaftlichen Beiräten wie z.B. auch des Excellenzclusters „Religion und Politik“ an unserer Universität4 und sie waren stellvertretender Leiter der Sachverständigenkommission für den fünften Familienbericht (1994) der Bundesregierung. Sie sind Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien und des Collegium Philosophicum Hannover.5 Drei große Themen kennzeichnen Ihren wissenschaftlichen Werdegang und haben sich in zahlreichen Publikationen und Engagements niedergeschlagen: die Sozialpolitik und Bevölkerungswissenschaft, der Sie bereits Ihre Dissertation widmeten, das Verhältnis von Familie und Gesellschaft und die Religionssoziologie. Geboren wurden Sie aber auch: Am 22.08.1932 wurden Sie in Zürich in eine katholische Familie in einer ansonsten – damals noch – protestantischen Umgebung hineingeboren – heute hat sich dies ja selbst in Zürich sehr geändert. Zwei Dinge prägten – so ist Ihren biogra-

4 Vgl. http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/ (Zugriff 05.10.2012). 5 Vgl. dazu die unter Anm. 1 genannte Homepage zu Franz-Xaver Kaufmann.

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phischen Aufzeichnungen zu entnehmen6 – Ihre Herkunft und Ihr Aufwachsen: die Bürgerlichkeit einer angesehenen Anwaltsfamilie und die tiefe katholische Verwurzelung Ihrer Familie, die ja einen Ihrer Brüder Jesuit werden ließ, Ludwig Kaufmann, der Vielen hier bekannt ist. Auch wenn Sie sich nicht zum Studium der Theologie entschlossen und auch nicht die Familientradition des Jurastudiums weiterführten, sondern über die Wirtschaftswissenschaften schon damals mit sozialwissenschaftlicher Blickrichtung zur Soziologie kamen, war und blieb die katholische Kirche eine Größe von besonderer Bedeutung für Sie. Von solcher Bedeutung, dass Ihr Anliegen, so darf ich es vielleicht formulieren, einen Beitrag zum Weg der Kirche in die Moderne zu leisten, Sie bis heute nicht losgelassen hat, oder wie Sie es selbst – vielfach zitiert – 1973 im Vorwort zu „Theologie in soziologischer Sicht“ schrieben: „Die Vorstellung, es sei mit Hilfe soziologischer Einsichten möglich, kirchliches Denken vom Ballast überholter Welt- und Sozialvorstellungen zu befreien, und der Wunsch, hierzu beizutragen, haben seinerzeit meine Entscheidung, mich der Soziologie zuzuwenden, mitbestimmt.“7 Seit 1965 veröffentlichen Sie regelmäßig zu Themenbereichen im Bereich der Religionssoziologie und zur katholischen Kirche, ob es z.B. 1965 um Überlegungen zum katholischen Bildungsdefizit ging, zur Frage 6 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann: Wie ein Bürgersöhnchen aus der Schweiz zur Soziologie fand, in: M. Huber, G. Lauer (Hg.): Wissenschaft und Universität: Selbstportrait einer Generation. Wolfgang Frühwald zum 70. Geburtstag, Köln 2005, 58–73. 7 Franz-Xaver Kaufmann: Theologie in soziologischer Sicht, Freiburg 1973, 5.

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der Bestimmung und Messung von Kirchlichkeit 1968, zur Bedeutung des katholischen Naturrechtsdenkens im Jahr 1973 oder um Katholizismus und Moderne als Aufgaben künftiger Forschung, so in einem Aufsatz von 1995.8 Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche war Ihre Erfahrung der „katholischen Enge“, wie Sie es selbst formulieren, deren „Genese und postkonziliare Fernwirkungen“9, die Sie bis heute beschäftigt, man denke nur an Ihr Buch „Kirchenkrise“ aus dem Jahr 2011 im Nachgang der Missbrauchsfälle.10 Mit diesem Profil einer klaren, auch öffentlich bekannten – und genau in diesem doppelten Wortsinn einer bekannten und bekennenden – Katholizität gehören Sie zusammen mit Hans Joas, José Casanova oder Charles Taylor zu einer Gruppe von katholischen Intellektuellen, die aus Ihrer kritisch zugewandten Haltung gegenüber der katholischen Kirche keinen Hehl machen, was angesichts nicht immer theologie- und kirchenfreundlicher Tenden8 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann: Religionssoziologische Überlegungen zum Thema ‚Katholisches Bildungsdefizit‘, in: CIVITAS – Monatsschrift des schweizerischen Studentenvereins, 20/6 (1965), 372–383; Ders.: Zur Bestimmung und Messung von Kirchlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, in: Internationales Jahrbuch für Religionssoziologie, Bd. 4, Opladen 1968, 63–100; Ders.: Wissenssoziologische Überlegungen zur Renaissance und Niedergang des katholischen Naturrechtsdenkens im 19. und 20. Jahrhundert, in: E.W. Böckenförde, F. Böckle (Hg.): Naturrecht in der Kritik, Mainz, 1973, 126–164; Ders.: Katholizismus und Moderne als Aufgaben künftiger Forschung, in: U. Altermatt, H. Hürten, N. Lobkowitz (Hg.): Moderne als Problem des Katholizismus (Eichstätter Beiträge 28), Regensburg 1995, 9–32. 9 Ders.: Wie ein Bürgersöhnchen (Anm. 6), 58. 10 Vgl. Ders.: Kirchenkrise. Wie überlebt das Christentum? Freiburg 2011.

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zen in verschiedenen Fachdisziplinen nicht unbedingt wundern würde. Dass die Loyalität zu Kirche dabei nicht die kritische Analyse scheut, braucht kaum erwähnt zu werden, viele Ihrer Arbeiten machen es mehr als deutlich. Seit der Würzburger Synode sind Sie ein gefragter Berater vieler kirchlicher Gremien, neben der Synode waren Sie lange Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz und avancierten so im Laufe der Jahre zu einem der führenden soziologischen Berater der katholischen Kirche in Deutschland und ihrer Vertreter wie Gremien. Dabei ist es Ihnen mit Ihrer Person und der Art Ihrer soziologischen Analyse gelungen, die vielfältigen Vorurteile gegenüber der Soziologie, die vielen Kirchenvertretern lange als verdächtig, manchen gar als kommunistisch unterwandert, auf jeden Fall aber kirchenfeindlich galt, abzubauen oder mindestens mit Ihrer Person zu überbrücken. Ihre gute Vernetzung in theologische Kreise und zu führenden Theologen – Theologinnen gab es noch nicht so viele – der letzten Jahrzehnte auf der einen Seite, aber auch Ihre guten Kontakte in die Politik, vor allem in die für Ihren Lehrstuhl einschlägigen Ministerien für Familie, Arbeit und Soziales auf der anderen Seite, dürfte hier nicht hinderlich gewesen sein. Aber nicht nur innerhalb der Kirche und ihrer Gremien ist es Ihnen gelungen, soziologische Analysen als etwas Aufhellendes, klärend-erklärendes, als Prozesse belebend und weiterbringend erleb- und erfahrbar zu machen, auch die wissenschaftliche Theologie verdankt Ihnen und Ihrer soziologischen Perspektive viel. Sie wa22

ren derjenige, der neben Thomas Luckmann deutlich und entschieden auf die Be- und Einschränkungen der damaligen Kirchensoziologie, die sich als Pastoralsoziologie innerhalb der praktischen Theologie zu etablieren suchte, hinwiesen und diese als „kirchliche Marktforschung“ etikettierten.11 Eine kirchliche Marktforschung, die sich in ihrer Focussierung auf die Datengewinnung zu klassischen Kirchlichkeitsparametern wie Messbesuch oder Sakramentenempfang ausschließlich mit den Außenbeziehungen der Kirche befasste und darüber wichtige nach innen gerichtete Themen vergaß. Hier sind z.B. zu nennen Struktur- und Organisationsthemen, wie etwa die Untersuchung des Selbst- bzw. Weltverständnisses der kirchlichen Hierarchie, Untersuchungen zum kirchlichen Disziplinarwesens und zur Struktur der Episkopalverwaltungen oder zu Kommunikationsprozessen zwischen Vatikan und territorialer Kirchenorganisation.12 Mancher von Ihnen hier im Raum würde vielleicht nicht vermuten, dass es das Jahr 1973 ist, in dem diese Themen als gänzlich fehlend gekennzeichnet werden, ein Zustand, der sich bis heute nicht geändert hat und die Aktualität und Notwendigkeit des Wirkens von Franz Xaver Kaufmann deutlich vor Augen führt. Neben der Kritik der kirchlichen Marktforschung wiegt jedoch die Kritik des Theoriedefizits einer sich mit Rahner und anderen als 11 Ders.: Theologie in soziologischer Sicht (Anm. 7), 22. Vgl. ferner dazu: Ders.: Empirische Sozialforschung zwischen Soziologie und Theologie, in: Karl Forster (Hg.): Befragte Katholiken – Zur Zukunft von Glaube und Kirche. Auswertungen und Kommentare zu den Umfragen für die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1973, 185–197. 12 Vgl. Ders.: Theologie in soziologischer Sicht (Anm. 7), 22.

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praktische Theologie verstehenden Pastoraltheologie und ihrer Teildisziplin, der Pastoralsoziologie, viel schwerer. Denn im Verhältnis von Soziologie und Theologie ging und geht es ja nicht nur um Methodenrezeption und das Erfassen von Daten, sondern darum, wie und unter Hinzuziehung welcher Theoriekonzepte diese Daten in soziologischer und theologischer Perspektive zu interpretieren sind. Dabei ist die jeweilige Perspektive der Fächer zu respektieren, ihre unaufhebbare Inkongruenz führt jedoch weder zur Irrelevanz der Perspektiven noch zu einer Inkompatibilität. So wurden Sie, Herr Kaufmann, ein wichtiger Förderer des Gespräches zwischen Theologie und Soziologie und haben mit Ihren Publikationen und Analysen wesentlich dazu beigetragen, dass sich die katholische Theologie den Sozialwissenschaften geöffnet und soziologische Theorie Eingang in theologisches Denken gefunden hat und bis heute findet. Man kann an Ihre religionssoziologischen Arbeiten nicht denken, ohne nicht verschiedene entscheidende Begrifflichkeiten mitzudenken, durch die sie geprägt sind: den Religionsbegriff und Ihre Kritik daran, die Entwicklung eines mehrebenenanalytischen Rasters zur heuristischen Bestimmung von Religion, den Ansatzpunkt einer Soziologie des Christentums und die so genannte Verkirchlichungsthese. Eingebettet sind diese Begriffe in die große Frage nach „Religion und Modernität“, so auch der Titel Ihres 1989 erschienenen wichtigen religionssoziologischen Werkes.13 Ihre Kritik am allgemeinen Religions13 Vgl. Ders.: Religion und Modernität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Freiburg 1989.

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begriff, der sich in Aporien verstrickt, in seiner Ahistorizität wenig Analysepotential beinhaltet und inhaltlich entleert ist, führt Sie einerseits dazu, in einem analytischen Mehrebenenraster sechs Funktionen von Religion zu entwickeln, die versuchen, sowohl den Ansprüchen des Individuums als auch der historisch-institutionellen Dimension von Religion gerecht zu werden. Dem allgemeinen Religionsbegriff stellen Sie – wenn auch in jüngerer Zeit mit gewissen Zugeständnissen – nach wie vor die historisch-konkrete Gestalt des Christentums als Ausgangspunkt der religionssoziologischen Forschung gegenüber und öffnen damit die Möglichkeit der soziologischen Analyse über die Verflechtungsprozesse von Christentum, Kirche und gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen.14 Wesentlich ist aber die bleibende und für die Kirche entscheidende Erkenntnis der Kontextualität und historischen Verortung der Sozialformen des Christentums inklusive ihrer historischen Wandel- und Veränderbarkeit. Eng verbunden mit der Soziologie des Christentums ist Ihre These der Verkirchlichung des Christentums als struktureller Anpassungsleistung an den Modernisierungsprozess mittels Ausbildung einer bürokratisch verwalteten Organisation und ihrer sakralen Aufladung insbesondere im 19. Jh. Das impliziert ein wichtiges Moment für ein modernes Verständnis der Kirche: Auf der einen Seite wird – endlich, so möchte man sagen – wahrgenommen, dass eine Differenz besteht zwi14 Vgl. Ders.: Kommentar, in: K. Gabriel, C. Gärtner, D. Pollack (Hg.): Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, Berlin 2012, 532–544.

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schen der (wandelbaren) Sozialgestalt der Kirche, d.h. ihrer historisch gewordenen und kulturell-gesellschaftlich bedingten Struktur und Organisationsform und ihrer (quasi unwandelbaren) Aufgabe und Bestimmung als „Zeichen und Werkzeug des Heils“ (LG 1). Diese Unterscheidung eröffnet die Möglichkeit, kirchliche Strukturen als historisch bedingt zu verstehen – noch dazu bedingt durch den Kontext des 19.Jh. – und somit auch als veränderbar, wandelbar so wie die gesamte Sozialgestalt der Kirche. Damit wird ein metaphysisch aufgeladenes Kirchenverständnis aufgebrochen, welches die Kirche allein als „mystischen Leib Christi“ interpretiert oder gar als der Welt entgegenstehende „societas perfecta“.15 Hier bewegen Sie sich ganz in den Bahnen des II. Vatikanums und dessen Versuch einer Erneuerung des Verständnisses von Kirche im Sinne einer „Volk-Gottes“- und einer „Communio“-Theologie. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch durch Ihre Forschungen deutlich, dass und inwiefern die Kirche gerade wegen ihrer Einbettung in gesellschaftliche Verhältnisse immer auch Modernisierungsschüben ausgesetzt war und ist. Zugleich werden auch die Ambivalenzen dieser Modernisierungsschübe sichtbar: Die Ausbildung von Strukturen und Organisationsformen, die sich verselbstständigen und zu Erstarrungen und Verkrustungen führen können, insbesondere dann, wenn vergessen wird, dass eben jene Strukturen historisch geworden sind – in der heutigen Gestalt vor allem Ergebnis 15 Vgl. die zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex auf der unter Anm. 1 angegebenen Homepage und der dortigen Literaturliste.

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des 19. Jh. Die Folge sind tiefgreifende Entfremdungsprozesse der Gläubigen von der Kirche, von ihrer Kirche, die sie nicht mehr als „Volk Gottes“ und als Gemeinschaft aller Getauften erfahren. Gegenwärtige Diskussionen um etwaige Reformen der Kirche springen zu kurz, wenn sie sich nicht mit diesen Prozessen auseinandersetzen, die Sie, sehr geehrter Herr Kaufmann, schon seit langem so weitsichtig analysieren. Ausgangspunkt war und ist für Sie das II. Vatikanum, dass mit seinen Errungenschaften der Anerkennung der Religionsfreiheit, der Zeichen der Zeit, des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen, des Volk-Gottes-Gedankens und so vielem mehr einen wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung der katholischen Kirche darstellt. Ihr Anliegen war es, einen Beitrag zur Überwindung der katholischen Enge zu leisten, dieses ist Ihnen vielleicht nicht für die katholische Kirche als solche gesamthaft gelungen, aber sicher haben Sie für Viele, wenn auch nicht für Alle, innerhalb der Kirche und vielleicht auch außerhalb Fenster und Türen geöffnet für die Wahrnehmung und Sichtweise einer katholischen Kirche, die die Modernisierung nicht zu scheuen braucht, denn besinnt sie sich auf die Botschaften des II. Vatikanums, kann sie sich gut gerüstet fühlen. Mit Ihrer soziologischen Außenperspektive und Ihren kritischen und zugleich der katholischen Kirche zugewandten religionssoziologischen Analysen haben Sie, so heißt es in der Urkunde, die Sie heute von unserer Fakultät überreicht bekommen – in entscheidendem Maße die Auseinandersetzung der katholischen Theologie und Kirche mit der Moderne befördert und der katholischen Kir27

che zu maßgeblichen Einsichten über ihre gesellschaft­ liche Verfasstheit in der Moderne verholfen. Dafür danken wir Ihnen – und ich glaube, ich darf „alle“ sagen – sehr, sehr herzlich!

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DIE KATHOLISCH-THEOLOGISCHE FAKULTÄT der Westfälischen Wilhelms-Universität verleiht in der Amtszeit der Rektorin Dr. Ursula Nelles Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht und des Dekans Dr. Dr. habil. Klaus Müller Professor für Philosophische Grundfragen der Theologie in staatlicher und kirchlicher Vollmacht Herrn

Prof. Dr. oec. Dr. h. c. Dr. h. c. Franz-Xaver Kaufmann Titel und Rechte eines Doktors der Theologie honoris causa. Die Fakultät ehrt den herausragenden Soziologen und den dem II. Vatikanischen Konzil verpflichteten katholischen Intellektuellen • der mit seiner soziologischen Außenperspektive und seinen kritischen und zugleich der katholischen Kirche zugewandten religionssoziologischen Analysen in entscheidendem Masse die Auseinandersetzung der katholischen Theologie und Kirche mit der Moderne befördert hat, • der in seinem wissenschaftlichen Wirken wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich die katholische Theologie den Sozialwissenschaften geöffnet und soziologische Theorie Eingang in theologisches Denken gefunden hat, • der der katholischen Kirche zu maßgeblichen Einsichten in ihre gesellschaftliche Verfasstheit in der Moderne verholfen hat.

Münster, 22. Juni 2012 Prof. Dr. Dr. habil. Klaus Müller Dekan

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Thomas Schüller

Laudatio für Dr. Wunibald Müller

M

agnifizenz, Spectabilitäten, sehr geehrter, lieber Herr stellvertretender Generalvikar Dr. Reidegeld, sehr geehrter Herr Dr. Müller, sehr geehrte Frau Dr. Müller, sehr geehrte Familie Müller, vor allem lieber Burckhard Müller, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Namen der Katholisch-Theologischen Fakultät darf ich Ihnen mit Freude unseren neuen Ehrendoktor Dr. Wunibald Müller vorstellen und die Laudatio halten. Mit Wunibald Müller ehrt unsere Fakultät einen Grenzgänger in mehrfacher Hinsicht: einen Theologen und Psychologen, also einen klassischen Brückenbauer zwischen zwei Wissenschaften, die sich bis heute auf manchmal merkwürdige Weise fremd geblieben sind; einen Mann, der sich für die Kirche, sagen wir besser, für Frauen und Männer im kirchlichen Dienst segensreich einsetzt, und der doch nicht im verfassten Bereich der Kirche, sondern – wie ich es in der Verfassungsrechtsvorlesung sage – bei den „Partisanen“ der katholischen Kirche, den Orden, im der ehrwürdigen Benediktinerabtei in Münsterschwarzach nahe gelegenen Recollectio-Haus16 arbeitet und durch diesen besonderen Ort spirituell geprägt wurde und immer noch wird; einen Seelsorger und

16 Vgl. http://www.abtei-muensterschwarzach.de/ams/recohaus/index.html (eingesehen am 10.07.2012).

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Psychotherapeuten, der in vielen Gesprächen Seelsorgerinnen und Seelsorgern hilft, die Balance von Leib und Seele zu finden in Rückbindung an ihre je eigene Spiritualität, und trotz aller Diskretion, die diese Arbeit erfordert, mutig und furchtlos die Ursachen vieler Krisen in der Kirche auch öffentlich benennt. Dies führt dann zu der nicht selten widersprüchlich scheinenden Situation, dass viele Bischöfe und Personalverantwortliche in den Orden dankbar sind, ihre Seelsorgerinnen und Seelsorger zu Wunibald Müller in krisenhaften Momenten ihrer Berufungsbiographie nach Münsterschwarzach schicken zu können, gleichzeitig aber verschnupft sind, wenn Wunibald Müller den Finger in die strukturellen Wunden der Kirche legt und die Dinge beim Namen nennt, über die man in der katholischen Kirche doch nur hinter vorgehaltener Hand, aber nicht öffentlich debattieren möchte. Da geht es natürlich um eine der Grunddimensionen menschlicher Existenz, die Sexualität, aber eben auch um strukturelle Fehlformen der Kirche wie Klerikalismus oder männerbündisches Verhalten, das besonders in dem Umgang mit den schrecklichen Missbrauchstaten und deren Vertuschung über viele Jahrzehnte in jüngster Vergangenheit offen zu Tage getreten ist. Wenn man die Kirche so gut von innen kennt und aus Verbundenheit mit den anvertrauten Menschen die Sache theologisch qualifiziert kritisch, aber stets loyal anspricht, macht man sich augenscheinlich nicht nur Freunde in der Kirche. Wer ist also dieser Wunibald Müller, dessen Vorname eigentlich nur im katholischen Frankenland angesiedelt werden kann? Dr. Müller wurde 1950 in Buchen im Odenwald geboren und studierte nach dem Abitur Katholische 32

Theologie und Psychologie auf Diplom in Würzburg und Jerusalem. Nach dem Diplom in beiden Fächern schloss sich ein längerer Forschungsaufenthalt in Berkeley/USA für sein Promotionsprojekt in Pastoralpsychologie an, an dessen Ende die Erlangung des Masters of Arts in Marriage, Family and Child Counseling an der Graduate Theological Union in Berkeley stand. Seine theologische Promotion an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Würzburg schloss er 1985 mit einer Arbeit zum Thema Seelsorge und Homosexualität17 ab. Das Thema Homosexualität ist dann auch einer der inhaltlichen roten Fäden der weiteren wissenschaftlichen und berufspraktischen Tätigkeit von Dr. Müller, über das noch zu sprechen sein wird. Ab 1983 bis 1990 sammelte Dr. Müller erste Erfahrungen in nebenberuflicher Tätigkeit als Psychotherapeut in freier Praxis, trat aber bereits im November 1983 eine Stelle als Referent für Priesterfortbildung am Institut für Pastorale Bildung der Erzdiözese Freiburg an. Zum 1.1.1985 wurde er dann zum Leiter des Referates für Pastoralpsychologie und Praxisberatung an diesem Institut ernannt. In dieser Zeit reifte bei ihm der Gedanke, auch aufgrund seiner Erfahrungen in den USA mit entsprechenden Einrichtungen, ein Haus für Seelsorgerinnen und Seelsorger aufzubauen, in dem ihnen in psychischen und psychosexuellen Krisen und Problemen psychologisch, spirituell und theologisch geholfen werden kann. Die Vision, ein solches Haus in Deutschland zu begründen, verwirklichte er in der Abtei Münsterschwarzach mit dem Recollectio17 Vgl. Wunibald Müller: Homosexualität – Eine Herausforderung für Theologie und Seelsorge, Mainz 1986.

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Haus, das inzwischen von acht Diözesen getragen wird. Diese Abtei war ihm aufgrund seiner Schulzeit am dortigen Humanistischen Gymnasium gut vertraut und mit den Benediktinern fand er Kooperationspartner, die sein Konzept bis heute mittragen. Seit dem 1.1.1991 ist er Leiter des Recollectio-Hauses und dort als Psychotherapeut tätig. Ich könnte es an dieser Stelle schon auf sich bewenden lassen und sicher auch in Ihrer aller Namen sagen, dass ein so außerordentliches und singuläres Projekt, wie es Wunibald Müller ins Leben gerufen hat und bis heute prägt, in dem er zum Seelsorger, Therapeuten und spirituellen Begleiter der Seelsorgerinnen und Seelsorger wird, denen in allen Dimensionen ihres Menschseins der Boden unter den Füssen weggezogen zu sein scheint, hilft, wieder ganz, besser ganzheitlich Mensch zu werden, Grund und Anlass genug sind, die Ehrendoktorwürde zu überreichen. Und doch kommt noch viel mehr hinzu, was uns als Fakultät dazu bewogen hat, Ihnen, lieber Herr Dr. Müller, diesen Titel zu verleihen. Sie besitzen die Gabe, das, was Sie im genauen Hinhören erfahren, auch auf seine Bedeutung für die Theologie und ihre Einstellung zu diesen Grundfragen des Lebens zu reflektieren und ins Wort zu fassen. Damit sind die Themen des umfangreichen Oeuvre von Wunibald Müller angesprochen: Schuld und Vergebung, Nähe und Distanz, vom rechten Umgang mit Intimität, Leib und Seele, Angst und Depression, die Beichte als Ort der Vergebung, die evangelischen Räte insbesondere der Zölibat, integrierte Sexualität, Homosexualität, ausgebrannte Seelsorger (Burn out), vom Um34

gang mit den letzten Dingen, dem Tabuthema Tod und als einer der Ersten, lange bevor das Jahr 2010 das Ausmaß der langjährigen Vertuschung in die breite Öffentlichkeit brachte, sexualisierte Gewalt in der Kirche – ein Thema, zu dem er eigentlich nichts mehr schreiben und sagen wollte und das doch immer wieder Gegenstand seiner Arbeiten wurde. Dies ist nur ein Ausschnitt der Themen, doch macht er deutlich, Wunibald Müller stellt sich den wesentlichen Fragen. Damit macht er ernst mit dem, was auf dem II. Vatikanum in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zu Beginn allen Christen ins Stammbuch geschrieben wurde: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“18 Diese Haltung leben Sie – als Theologe, als Psychotherapeut als Publizist und als Seelsorger. Sie haben einen unverstellten Blick auf diese Erfahrungen und rechnen mit dem Handeln Gottes, Gnade genannt. Wer sich so der Wirklichkeit stellt, der wird zum Anwalt einer Haltung, aus der heraus der Mensch erst einmal so angenommen wird, wie er auf einen zukommt und nicht wie er möglicherweise in das Raster eines Katechismus oder eines kirchlichen Gesetzbuches passen sollte. Wer sich so der Wirklichkeit stellt, der sieht die Dinge des Lebens realistisch und nicht, wie sie an sich idealtypisch nach einer 18 Vgl. http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html (eingesehen am 10.07.2012).

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bestimmten Lehre sein sollten. Und doch zeichnet Ihre Beiträge – und mein Eindruck ist, in den letzten Jahren gelassener und gleichzeitig verstärkt – eben auch die Betonung der spirituellen Dimension unserer christlichen Existenz aus. Beispielhaft hierfür steht der Titel eines Buches von Ihnen, bei dem sicher manche fromme katholische Seele verschreckt schlucken muss: Küssen ist beten: Sexualität als Quelle der Spiritualität19 aus dem Jahr 2003. Und damit ist eines Ihrer großen Themen angesprochen: der Leib und die Seele. Sie halten es hier mit der gerade zu höchsten Ehren gelangten Hildegard von Bingen, die den Leib als Eingangstor zum Heil beschrieben hat und fassen ihre Ausführungen in dem Satz zusammen: „Tu Deinem Leib was Gutes, damit Deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Das ist dann aber nicht nur ein cooler Spruch, sondern wird zum Programm, wenn die Seelsorgerinnen und Seelsorger, die eine längere Zeit im Recollectio-Haus verbringen, neben der therapeutischen Arbeit mit ihnen sprichwörtlich leibhaftig im Kloster arbeiten müssen, sei es in der Gärtnerei oder in der Schreinerei. „Ora et labora“, geerdete benediktinische Spiritualität klingt da an, aber auch die zentrale Botschaft, dass der Leib, die Leiblichkeit des Menschen von Gott in all seinen Dimensionen gut geschaffen ist. Zur Leiblichkeit gehört die Sexualität, die Sie als Geschenk Gottes bezeichnen. Immer wieder fordern Sie die Kirche und Theologie auf, „die Sexualität, auch die Sexualität in ihren eigenen Reihen, aus dem Turm, manchmal 19 Vgl. Wunibald Müller: Küssen ist beten. Sexualität als Quelle der Spiritualität, Mainz 2003.

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auch der Dunkelkammer, herauszuholen, in die sie gesperrt worden ist und nun ein unwürdiges Leben vor sich hinfristet“.20 Der Brixener Moraltheologe Lintner nennt dies „Den Eros entgiften“.21 Dabei könne die Kirche auf der Grundlage ihrer biblischen und spirituellen Tradition angesichts der verbreiteten Banalisierung und Ausbeutung der Sexualität Anwältin dafür sein, dass der Sexualität nicht die ihr zukommende Würde und Einzigartigkeit genommen werde. In diesem Kontext muss ich das Thema Homosexualität ansprechen, das Sie in ihrer wissenschaftlichen und praktischen Arbeit schon lange beschäftigt. Wie gefährlich dieses Thema für Theologen und Theologinnen werden kann, erleben wir aktuell bei Schwester Margaret A. Farley, die als Moraltheologin wegen ihres Buches Just love. A Framework for Christian Sexual Ethics22 durch die Glaubenskongregation auch wegen ihrer Haltung zur Homosexualität mit einer lehrmäßigen Note belegt wurde, was im Ergebnis bedeutet, dass ihr Buch nicht mehr als katholisch gilt und nicht mehr gelesen werden darf. Ein Satz aus diesem Buch lautet und wurde als nicht mit der katholischen Glaubenslehre übereinstimmend erklärt: „Meine eigene Ansicht(...) ist, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen und Handlungen aufgrund derselben Sexualethik wie heterosexuelle Beziehungen und Handlun20 Ders.: Verschwiegene Wunden. Sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche erkennen und verhindern, München 2010, 141. 21 Vgl. Martin Lintner: Den Eros entgiften. Plädoyer für eine tragfähige Sexualmoral und Beziehungsethik, Innsbruck 2011. 22 Vgl. M.A. Farley: A Framework for Christian Sexual Ethics, New York 2006.

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gen gerechtfertigt sein können. Deshalb können und sollen gleichgeschlechtlich orientierte Personen und deren Handlungen respektiert werden, ob sie die Wahl haben, anders zu sein, oder nicht.“23 Angesichts einer solchen Reaktion des katholischen Lehramtes mutet es schon wagemutig an, wenn unser neuer Ehrendoktor seit mehr als vier Jahrzehnten nicht müde wird, auf folgenden anthropologischen und theologischen Sachverhalt hinzuweisen: „Die Begegnung mit homosexuellen Menschen sollte – auch im seelsorglichen Kontext – bestimmt sein von einer Einstellung, die im homosexuellen Menschen den ganzen Mitmenschen sieht, der aus dem gleichen Stoff und Gewebe geschaffen ist wie der heterosexuelle Mitmensch, der die gleichen Gefühle und Wünsche kennt wie er, der über die gleiche Liebesfähigkeit verfügt, die gleiche Sehnsucht nach Liebe und Annahme in sich verspürt. Homosexuelle und heterosexuelle Menschen sind zuallererst Söhne und Töchter Gottes, denen dieselbe fundamentale Identität zukommt wie allen Menschen: Geschöpf Gottes zu sein“24 – und ich füge an: damit auch sein Ebenbild. In diesem Zusammenhang warnen Sie auch davor, homosexuelle Menschen auf das oft verzerrte Bild einer nur genital fixierten gesehenen Homosexualität zu reduzieren und zitieren klug den Münchener Erzbischof und Kardinal Ratzinger aus dem Jahr 1984, der in einem Schreiben an die Münchener Gruppe von „Ho23 Vgl. http: // www.oecumene. radiovaticana . org / ted/articolo. asp?c = 593674 (eingesehen am 10.07.2012); vgl. auch http://www.vatican. va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_ doc_20120330_nota-farley_ge.html (eingesehen am 10.07.2012). 24 Wunibald Müller: Verschwiegene Wunden (Anm. 20), 156.

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mosexuelle und Kirche (HuK)“ es ablehnte, den homosexuellen Menschen rundweg nur noch als homosexuell zu sehen, „als ob sein Sein in seiner Geschlechtlichkeit aufgehe und ihn total bestimme“25. Sie kommentieren diesen Satz, indem Sie anfügen, dass homosexuelle Menschen nicht nur aus ihrer Homosexualität bestehen. Sie seien „zuallererst Menschen mit den gleichen Interessen, mit den gleichen Gefühlen und Sehnsüchten, die auch heterosexuelle Menschen kennen. Ihre Sexualität umspannt die gleiche Breite und Tiefe wie bei heterosexuellen Menschen, auch wenn ihre Sexualität nicht – wie das aber inzwischen ja auch für immer mehr heterosexuelle Sexualpartner zutrifft – in den Dienst der Fortpflanzung tritt.“26 Sie fügen der katholischen Moraltheologie damit den notwendigen Stachel ins Fleisch, theologisch reflektiert endlich das Thema der Homosexualität aufzugreifen. Und das ist gut so! Wie brisant das Thema ist, zeigt sich auch daran, dass aufgrund jüngster, von Papst Benedikt XVI. angeordneter Gesetzgebung, es nahezu ausgeschlossen zu sein scheint, homosexuelle Priesteramtskandidaten zur Weihe zuzulassen. Sie plädieren in vielen Beiträgen dafür, homosexuelle Männer, die ihre sexuelle Identität in ihre Persönlichkeit umfassend integriert haben und aus Freiheit ja zu einer zölibatären Lebensform sagen, zu Priestern zu weihen. Zitat: „Der katholischen Kirche und auch den Orden gingen, würde ihre Entscheidung, homosexuell empfindende Männer nicht länger zu Priestern zu weihen, 25 Ders.: Verschwiegene Wunden (Anm. 20), 157. 26 Ders.: Verschwiegene Wunden (Anm. 20), 157.

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umgesetzt werden, wertvolle Seelsorger, spirituelle Leiter und Mitglieder verloren. Unter homosexuell empfindenden Priestern gibt es viele, die durch ihre spirituelle Tiefe, ihre Kreativität, ihre künstlerische oder ästhetische Begabung und ihr Engagement überzeugen.“27 Und schließlich warnen Sie vor der allzu einfachen Gleichung: Zölibat und Homosexualität seien per definitionem die Ursachen für die sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige. Gerade in der Auseinandersetzung mit den Gründen für diese Taten durch Kleriker gehört es zu Ihren Verdiensten, darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass vielmehr die bei vielen Priestern feststellbare emotionale und sexuelle Unreife zu diesen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen geführt haben, unabhängig davon, ob diese Priester homosexuell oder heterosexuell seien. Wenn der Zölibat in dem Sinne von solchen Männern missverstanden werde, als könne man sich durch diese Lebensform von der Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Identität drücken, führe er zu pathologischen Situationen. Dann kaschiere der Zölibat die sexuelle Unreife mit all den Konsequenzen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, in welche auch kirchenpolitisch gesehen schwierigen Fahrwasser ein Mann wie Wunibald Müller kommen kann, wenn er in dieser Weise Position bezieht. Ich glaube nach unserem Gespräch in Münsterschwarzach eine Ahnung zu haben, wie Sie mit diesen Spannungen umgehen. Sie ziehen sich zurück zur Meditation, suchen den Ort der Stille ohne Worte, von denen Sie viele 27 Ders.: Verschwiegene Wunden (Anm. 20), 151.

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während der therapeutischen Arbeit hören, um aus diesen Quellen spirituell zu schöpfen. Kampf und Kontemplation – Gründe, Ihnen die Ehrendoktorwürde zu übertragen, weiß Gott!

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DIE KATHOLISCH-THEOLOGISCHE FAKULTÄT der Westfälischen Wilhelms-Universität verleiht in der Amtszeit der Rektorin Dr. Ursula Nelles Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht und des Dekans Dr. Dr. habil. Klaus Müller Professor für Philosophische Grundfragen der Theologie in staatlicher und kirchlicher Vollmacht Herrn

Dr. theol. Wunibald Müller Titel und Rechte eines Doktors der Theologie honoris causa. Die Fakultät ehrt den herausragenden und dem II. Vatikanischen Konzil verpflichteten katholischen Theologen und Psychologen, •





der mit seiner psycho-therapeutischen Außenperspektive und seinen kritischen und zugleich der katholischen Kirche verbundenen psychologischen Analysen in entscheidendem Maße die Auseinandersetzung der katholischen Theologie und Kirche mit der Moderne befördert hat, der in seinem wissenschaftlichen Wirken und in seiner Arbeit mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern nachhaltig dazu beigetragen hat, dass sich die katholische Theologie den Erkenntnissen der Psychologie geöffnet hat und diese Eingang in theologisches Denken und Handeln gefunden haben, der in der katholischen Kirche zu maßgeblichen Einsichten in die psychische Verfasstheit des Menschen verholfen und als Theologe zugleich die spirituelle Dimension zur Geltung gebracht hat.

Münster, 22. Juni 2012 Prof. Dr. Dr. habil. Klaus Müller Dekan

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Festvorträge

Franz-Xaver Kaufmann

Was mir das Zweite Vatikanische Konzil bedeutet28

D

I.

ie Verleihung des Ehrendoktorats der katholischen Theologie durch Ihre Fakultät bedeutet mir aus mehreren Gründen viel. Zunächst als Bestätigung, dass meine gelegentlichen kirchenkritischen Äußerungen zum mindesten von Seiten einer der bedeutendsten theologischen Fakultäten Deutschlands als eher hilfreich denn als kirchenschädlich angesehen werden. Sodann aber auch aus eher persönlichen Gründen, die mit der Lokalität Münster zu tun haben. Meine Familie mütterlicherseits war seit dem 18. Jahrhundert in Münster ansässig, und meine liebe Mutter betrachtete Münster, den Wohnort ihrer Großmutter, als ihre Heimat. Noch heute sind Haus Grael, der ländliche Wohnsitz meiner Urgroßmutter, und die nahe gelegene Gastwirtschaft Maikotten in Familienbesitz. Meine Mutter heiratete in die Schweiz, und so bin ich in der katholischen Diaspora von Zürich aufgewachsen, einer der großen Stätten der Reformation. Die Diaspora hat auch mein Verhältnis zum in meiner Jugend

28 Korrigierte Dankrede für die Verleihung des Ehrendoktorats durch die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster am 22. Juni 2012.

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herrschenden Katholizismus geprägt, der mir recht integralistisch vorkam. Im Jahre 1963 zog ich dann mit meiner jungen Familie aus der Schweiz nach Münster um, wo mir ein Onkel, im Zweiten Weltkrieg Generalleutnant der Luftwaffe, das Einleben sehr erleichtert hat. Ihm verdanke ich erst ein Verhältnis zur deutschen Geschichte, denn als Schweizer, wegen meiner deutschen Mutter oft gehänselt, hatte ich mir diese eher vom Leibe gehalten. An der Universität Münster habe ich, gefördert durch Helmut Schelsky und Joachim Matthes, am 2. Juli 1968 vor der damaligen hemdsärmelig vor mir sitzenden rechts-und staatswissenschaftlichen Fakultät meinen Habilitationsvortrag gehalten – bei fast 40 Grad im Schatten und im schwarzen Anzug – und wurde für Soziologie und Sozialpolitik habilitiert. In den neun Jahren unseres Lebens in Münster kam ich auch mit bedeutenden Vertretern Ihrer Fakultät wie Karl Rahner, Josef Ratzinger, Johann Baptist Metz und Peter Hünermann in Kontakt. Unvergessen sind auch die Impulse, die ich von den damaligen Studentenpfarrern Hans Werners, Reinhold Waltermann und Ferdinand Kerstiens erhielt. Und last but not least fühle ich mich durch die Verleihung Ihres Ehrendoktorats besonders geehrt, weil Sie als Fakultät auch dem von mir sehr verehrten Hans Urs von Balthasar 1965 den Ehrendoktor verliehen haben. Seine den Ernstfall des christlichen Glaubens betonende Dankesrede bleibt mir unvergesslich.29

29 Ausgearbeitet in: Hans Urs von Balthasar: Cordula oder der Ernstfall, Einsiedeln 1966.

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II. Den Anlass für unsere heutige Feier bildet die Erinnerung an das Zweite Vatikanische Konzil, welches vor einem halben Jahrhundert eröffnet wurde. Damals war ich dreißig Jahre alt und kann somit als Zeitzeuge gelten, auch für die vorkonziliare Zeit. Mein Verhältnis zu den Konzilsereignissen war stark durch meinen Bruder, den Jesuiten Ludwig Kaufmann bestimmt, der zunächst als rechte Hand Mario von Galli‘s und dann immer selbständiger in der von den Zürcher Jesuiten herausgegebenen Zeitschrift „Orientierung“ über die Konzilsereignisse berichtete. Ich konnte später feststellen, dass er unter vielen Konzilsberichterstattern recht beliebt war, und zwar nicht nur wegen seines heiteren Wesens, sondern auch, weil er im Pressesaal des Vatikans gefürchtet war. Er vermochte es, mit der unschuldigsten Miene die heikelsten Fragen an die Arkana des Vatikans zu stellen. Dennoch hatte ich zu jener Zeit andere Sorgen als das Konzil. Ich beobachtete es in der eher distanzierten Haltung eines katholischen Laien, der von Theologie nicht viel verstand. Erst viel später, als ich durch verschiedene Umstände in ein fortgesetztes Gespräch mit der Theologie geriet und im Rahmen der Görres-Gesellschaft selbst ein Projekt „Vatikanum II und Modernisierung“ initiierte,30 habe ich begonnen, mich mit den Inhalten und Kontexten des Konzils zu befassen. Was aber hat mich als Zeitzeuge damals beeindruckt? Da war zunächst die damals allgemein überraschende 30 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann, Arnold Zingerle (Hg.): Vatikanum II und Modernisierung. Historische, theologische und soziologische Perspektiven, Paderborn 1996.

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ökumenische Offenheit, mit der die Vertreter anderer christlicher Kirchen und Konfessionen behandelt wurden. „Extra ecclesia nulla salus“, in diesem Geiste war ich noch aufgewachsen, auch wenn mich als Diasporakatholik nie ganz überzeugte, dass meine reformierten Mitschüler in die Hölle kommen sollten. Da war ferner die bedeutende Gestalt Johannes XXIII., der in seiner gütigen, gelegentlich fast spitzbübisch wirkenden, klugen Art die Sensationen der ersten Sitzungsperiode und das Überspielen der römischen Kurie durch einen erheblichen Teil der Konzilsväter duldete, wenn nicht unterstützte, und vor allem dem Konzil einen weltzugewandten, glaubensoptimistischen Grundton verlieh. Und es war vor allem die Anerkennung der Laien als vollwertige Mitglieder des „Volkes Gottes“ und das Leitbild des „gemeinsamen Priestertums der Gläubigen“, was meinen Glauben und meine Motivation stärkte, an den Angelegenheiten der Kirche mitzuwirken, wann immer ich gerufen wurde. Eines der wichtigsten Ereignisse des Konzils, welches nicht nur mich, sondern die Weltöffentlichkeit aufrüttelte, geschah schon während der ersten Generalkongregation, so wurden die Plenarversammlungen des Konzils genannt. Hier setzten die Kardinäle Liénart (Lille) und Frings (Köln) unter Beifall eines erheblichen Teils der Konzilsväter durch, dass die vorgesehene diskussionslose Wahl der vom Konzil zu benennenden Mitglieder der Konzilskommissionen von der Tagesordnung abgesetzt wurde, um statt dessen zunächst Vorschläge der Nationalen Bischofskonferenzen einzuholen. Damit war die von der Kurie vorgegebene, vom Ersten Vatikanischen Konzil übernommene Verfahrensordnung durchbrochen und 48

ein auch institutioneller Einfluss der Nationalen Bischofskonferenzen gesichert. Zeugnisse zahlreicher Konzilsväter berichten, dass sie mit sehr geringen Erwartungen an das Konzil nach Rom gereist seien, dass aber infolge dieses Ereignisses erstmals in ihnen Hoffnung aufkeimte, das Konzil könne in der Kirche etwas verändern. III. Es bleibe dahin gestellt, ob, wie die jüngst auch auf Deutsch veröffentlichte Bislang ungeschriebene Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils von Roberto de Mattei behauptet, die Entmachtung der kurialen Kontrolle aus einem zwischen deutschen und französischen Bischöfen sorgfältig abgestimmten „Blitzkrieg“ resultierte,31 oder aus Eingebungen des Heiligen Geistes, wie die Mehrheit der sogenannten Progressiven glaubte.32 Auf jeden Fall dokumentieren diese Ereignisse eine weit verbreitete Unzufriedenheit im Weltepiskopat über den damaligen Zustand der katholischen Kirche, die sich in den vorbereitenden Umfragen erst zaghaft zu Wort gemeldet hatte. Das verbreitete, von Johannes XXIII. im Programmbegriff Aggiornamento thematisierte Unbehagen über den vorkonziliaren Zustand der katholischen Kirche lässt sich als zunehmendes Bewusstsein einer wachsenden Ungleichzeitigkeit, einer fehlenden Zeitgenossenschaft der 31 Roberto de Mattei: Das Zweite Vatikanische Konzil – Eine bislang ungeschriebene Geschichte. Edition Kirchliche Umschau, O.O 2011, 231. 32 Vgl. Melissa Wilde: Vatican II: A sociological analysis of religious change, Princeton University Press, Oxford 2007.

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Kirche mit Bezug auf die Fragen beschreiben, welche die Menschen unter den Einflüssen von Säkularisierung, Industrialisierung und Modernisierung umtreiben. Die Kirche war auf dem mit dem I. Vatikanischen Konzil erreichten Zustand stehen geblieben, der sich seinerseits erst in den ihm vorangehenden Jahrzehnten herauskristallisiert hatte. Die Enteignung der Kirchengüter und damit auch der weltlichen Herrschaftsbasis der Kirche im Zuge der Napoleonischen Kriege hatte eine grundlegende Neuorientierung notwendig gemacht. Sie resultierte aus dem Zusammenwirken zahlreicher Faktoren: Einer klugen Konkordatspolitik des Heiligen Stuhles, dem Wiederaufleben der Volksfrömmigkeit, der Renaissance der scholastischen Theologie, der zunehmenden Qualifizierung des Klerus, der Nutzung der bürgerlichen Freiheiten zur Selbstorganisation der Katholiken, der Entstehung religiöser Orden und Kongregationen im Hinblick auf die Erfordernisse an Bildung und Krankheit, sowie zur Missionierung, vorzugweise in den europäischen Kolonien. Jetzt erst entstand der Katholizismus als eine im Volk verankerte soziale Konfiguration, der in den Dogmen der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimats des Papstes eine Bestätigung seiner Sonderstellung erfuhr und sie mit einer bis dahin nie dagewesenen Sakralisierung und Verehrung des Papstes honorierte. Das Papsttum sah sich in Konkurrenz zu den entstehenden Nationalstaaten und beanspruchte eine vergleichbare Souveränität über seine Gläubigen wie der Staat über seine Bürger; allerdings auf dem Niveau des absolutistischen Staates, der im 19. Jahrhundert allmählich 50

durch Bewegungen zu Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaftsfreiheit und Demokratie überwunden wurde. Im Zeitalter der Ideologien, das von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg dauerte, war der exklusive Wahrheitsanspruch der katholischen Kirche für die Gläubigen durchaus plausibel: Nationalismus und Weltanschauungskämpfe beherrschten die Politik, und in diesen Auseinandersetzungen machte der Katholizismus keine schlechte Figur. Katholische Parteien wurden in vielen Ländern zu tragenden politischen Akteuren, und nach innen stärkte die Homogenität nicht nur des Ritus und des Glaubens, sondern auch einer weiter ausgreifenden, naturrechtlich begründeten Weltanschauung die Solidarität der Katholiken, welche soziale wie regionale Unterschiede und Interessen als sekundär erscheinen ließ. Diese Konstellation wurde wesentlich von homogenen sozialen Milieus der Katholiken getragen, sei es im Adel, im Groß und Kleinbürgertum, unter den Arbeitern, auf dem Lande und in der Stadt. Sie wurden durch die katholische Subkultur zu einer Milieukoalition motiviert. Diese Milieuhomogenität zerfiel allmählich als Folge des 2. Weltkriegs und der von ihm ausgelösten Flüchtlingsströme, ferner durch die wachsende wirtschaftlich bedingte Mobilität der Bevölkerung, vor allem aber durch die neuen Massenmedien von Rundfunk und Fernsehen und die von ihnen transportierten, vielfach aus den Vereinigten Staaten importierten neuen Leitbilder. Die doktrinale Rigidität des päpstlichen Antimodernismus wurde bereits im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in kleineren Zirkeln fragwürdig. Der bereits ewähnte De Mattei führt hierüber unter dem Ti51

tel Neo-Modernismus eingehend Buch: Bibelbewegung, liturgische Bewegung, philosophische und theologische Versuche, die Lehren des Heiligen Thomas mit modernen Strömungen des Denkens zu versöhnen, die „nouvelle théologie“, die ökumenischen Bewegung.33 In den letzten Jahren des Pontifikats von Pius XII., insbesondere nach seiner Enzyklika Humani generis näherte sich Rom einer byzantinischen Erstarrung, auch von einem „katholischen Ghetto“ war die Rede. Eben deshalb wirkte die Ankündigung des Konzils durch Johannes XXIII. so befreiend. Die Kurie opponierte nicht gegen die Idee als solche, sondern suchte sie unter der Kontrolle eines Glaubensverständnisses zu halten, für das die Tradition mit der Neuscholastik begann und enden sollte. Inhaltlich wurde der kuriale Entwurf zu den Quellen der Offenbarung zur entscheidenden Front, an der sich die Autonomie des Konzils entschieden hat. Hier ging es um die Grundlagen des katholischen Glaubens: Wie maßgeblich ist die biblische Überlieferung, und wie soll sich die Kirche zur wissenschaftlichen Bibelkritik verhalten? Und welche Rolle kommt den kirchlichen Lehrtraditionen im Verhältnis zur Bibel zu? Das sind Schlüsselfragen, vor allem auch für das Verhältnis zu den anderen christlichen Bekenntnissen. Wie Joseph Ratzinger in seiner Einleitung zur schließlich verabschiedeten Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum geschrieben hat, lief dieser Entwurf „im wesentlichen auf eine Kanonisierung der römischen Schult33 Roberto de Mattei: Das Zweite Vatikanische Konzil (Anm. 31), 55– 94.

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heologie hinaus (…) die Belastung die daraus der katholischen Theologie für ihren Weg in die Zukunft erwachsen musste (…) wäre vermutlich noch gravierender gewesen als die Schwierigkeiten, die sich aus der Einseitigkeit der antimodernistischen Verurteilungen ergaben.“34 Der Entwurf der Theologischen Vorbereitungskommission wurde in der Konzilsaule so heftig kritisiert, dass er nach einer unglücklichen Abstimmungsprozedur durch eine persönliche Intervention von Papst Johannes XXIII. zurückgezogen und das Thema einer neuen Kommission unter Beteiligung von Vertretern des Sekretariats für die Einheit der Christen zur Bearbeitung übergeben wurde. De Mattei, dessen Konzilsgeschichte die Perspektive der auf dem Konzil unterlegenen traditionalistischen und integralistischen Minderheit einnimmt – sozusagen ein Anti-Alberigo!35 – bemerkt dazu: „Es handelte sich jedenfalls um eine Entscheidung im Bereich der Geschäftsordnung, die das Reglement des Konzils offen verletzte und die den Arbeiten eine ‚verbindliche‘ Richtung aufzwang. Sie hatte eine bedeutende psychologische Konsequenz: vom Papst selbst wurde die Möglichkeit sanktioniert, dass die Konzilsväter ein von den römischen Kommissionen vorgelegtes Schema ablehnten.“36 Genau dieser, von de Mattei 34 Josef Ratzinger: Einleitung zur Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung, in: Das Zweite Vatikanische Konzil. Dokumente und Kommentare. Lexikon für Theologie und Kirche, 2. A., Bd. 12–14, hier Bd. 134, 500. 35 Gemeint ist das von Giuseppe Alberigo initiierte Projekt Storia del Concilio Vaticano II. Eine deutsche, von Klaus Wittstadt und Günter Wassilowsky herausgegebene Version erschien im Matthias Grünewald Verlag, Mainz, 5 Bände, 1997–2008. 36 Roberto de Mattei: Das Zweite Vatikanische Konzil (Anm. 31), 297.

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unter dem Titel „Ein trauriger Moment“ referierte Tatbestand brachte das Konzil auf seinen eigenen, weitgehend selbst bestimmten Weg, der nur selten durch Interventionen des Nachfolgepapstes Paul VI. begrenzt wurde. IV. Im Vergleich zu den Auseinandersetzungen bei vielen früheren Konzilien verliefen die Auseinandersetzungen beim II. Vatikanischen Konzil durchaus zivilisiert, und die nach Konzilien häufigen Abspaltungen der Unterlegenen haben sich auf die kleine Gruppe um Erzbischof Lefebvre beschränkt. Die Konflikte werden meist als Auseinandersetzung zwischen einerseits den „Progressiven“ –zu ihnen wurden in erster Linie die Mehrzahl der nordeuropäischen, aber auch der lateinamerikanischen Bischöfe und der Missionsbischöfe gezählt – und andererseits der „Konservativen“ oder „Traditionalisten“ thematisiert, worunter vor allem die zahlreichen italienischen und spanischen Bischöfe subsumiert wurden. Damit werden aber die Konfliktlinien allzu sehr vereinfacht. Vor allem zu Beginn des Konzils wird man eher von einem Konflikt Was de Mattei als offene Verletzung der Geschäftsordnung bezeichnet, resultierte aus einer mutmaßlich trickreichen Formulierung der Abstimmungsfrage: „Es wurde nicht gefragt, wie es normal gewesen wäre, ob der Text das grundsätzliche Placet der Väter finde, oder nicht, sondern ob sie für oder gegen eine Unterbrechung der Diskussion seien. … Wichtiger war, dass auf diese Weise die Rechtsbasis für die Frage der Annahme umgekehrt wurde: … Durch die Umkehrung der Prozedur war es dahin gekommen, dass ein gutes Drittel genügte, um den Text zur Annahme zu führen.“ (Josef Ratzinger: Einleitung zur Dogmatischen Konstitution (Anm. 34), 501).

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zwischen Teilen des Weltepiskopats und des kurialen Episkopats sprechen können. Es war die Verweigerung einer fairen Mitwirkung – der Versuch, alles unter Kontrolle zu halten – welcher die Opposition gegen die Vorschläge der Kurie auslöste. Und man kann vor allem aus Auseinandersetzungen um die Kollegialität der Bischöfe in der Kirchenkonstitution Lumen Gentium und erst recht um das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus entnehmen, dass nicht der Jurisdiktionsprimat oder gar die Infallibilität des Papstes, wohl aber der Status der römischen Kurie im Verhältnis zu den Bischöfen als echtes Problem gesehen wurde. Im Verlauf der Konzilsberatungen wuchs der Einfluss der Theologen, die als periti oder Experten von vielen Bischöfen nach Rom mitgenommen wurden. Das ist nicht verwunderlich, denn nach der Ablehnung des Entwurfs zu den Quellen der Offenbarung wurde allen klar, dass das Konzil nicht, wie von der Kurie beabsichtigt und erwartet, in wenigen Wochen zu Ende sein würde. Die Väter mussten sich nun selbst an die Erarbeitung neuer Texte machen, was jahrelang dauern konnte. Die wenigsten Bischöfe aber waren selbst wissenschaftlich geschulte Theologen. Alles in allem war die Effektivität der Konzilsarbeit beeindruckend: Die insgesamt 16 Dokumente, darunter vier Konstitutionen als hochrangigste Erklärungen des Konzils, wurden innerhalb von nur vier Sitzungsperioden zwischen Oktober 1962 und Dezember 1965 erarbeitet und beschlossen. Der vor allem während der Sitzungsperioden erhebliche Zeitdruck mobilisierte die Teilnehmer zu oft intensiver Nachtarbeit, zu vielfältigen Kontakten 55

und zunehmend auch politisch agierenden Zirkeln, wobei die Trennlinie zwischen Konservativen und Progressiven keineswegs scharf war. Realistischer ist die Vorstellung, dass die meisten Bischöfe nicht an solchen Parteiungen, sondern an der Formulierung überzeugender Texte oder auch einfach am Konsens in der Kirche interessiert waren. Das Ringen um die Gestalt der Texte, die wiederholten Anläufe, um einem Thema gerecht zu werden, die Vielzahl und die Divergenz der vielen Verbesserungsvorschläge lassen gerade bei den später einflussreichen Texten eine innere Dynamik der Textentstehung beobachten, für deren Erklärung das Schema Progressiv versus Konservativ oder ähnliche binäre Schematisierungen wenig problemaufschließend sind. Als Soziologe steht es mir nicht zu, den theologischen Ertrag des Konzils zu würdigen oder zu kritisieren, zumal sich schon bald nach dem Konzil unterschiedliche Interpretationen herauskristallisiert haben. Für die einen schrieb das Konzil lediglich die Glaubenstraditionen der Kirche fort und stand demzufolge auch in der Kontinuität zum seinerzeit wegen des Ausbruchs des Deutsch-Französischen Kriegs abgebrochenen I. Vatikanischen Konzil. Für andere war es ein mit Bezug auf diese jüngste Tradition und ihre zeitlose Fortschreibung revolutionärer Akt, weil es erstmals die Geschichtlichkeit der Kirche und wesentliche strukturelle Veränderungen menschlicher Vergesellschaftung im Zuge der Modernisierung anerkannte und die Kirche mit Bezug auf diese zu positionieren suchte.

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V. Was mich als Soziologe besonders beeindruckt, ist das Ausmaß des Konsenses, den das weltweit aus über 2500 Vätern zusammengesetzte Konzil erreicht hat, und der in den minimalen Quoten an Nein-Stimmen bei den Schlussabstimmungen über die Dokumente zum Ausdruck gekommen ist. Selbst die wohl am stärksten umstrittene Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae erhielt in der Schlussabstimmung nur 70 Nein-Stimmen, bei 2308 Ja-Stimmen. Bei einer in der dritten Sitzungsperiode von Papst Paul VI. angeordneten Probeabstimmung hatten sich bereits 1997 Konzilsväter für und nur 224 gegen die Fortführung der Arbeiten an dieser Erklärung ausgesprochen, was de Mattei „auf einen geheimnisvollen psychologischen Mechanismus, der die gegensätzlichen Positionen aufweichte“ zurückführt.37 Man könnte als einen solchen Mechanismus die sogenannte Schweigespirale vermuten, also den wiederholt festgestellten Umstand, dass Minderheiten sich gegenüber einer anders denkenden Mehrheit mit ihrer Meinungsäußerung zurückhalten. Aber hier war es genau umgekehrt: In den Debatten waren die Gegner der Erklärung lautstark und kaum seltener zu hören, als die Befürworter, während bei dem ja nicht kontrollierbaren Abstimmungsverhalten nur 10% eine ablehnende Position einnahmen. De Mattei wundert sich an anderer Stelle, dass der sich selbst als „Coetus Internationalis Patrum“ bezeichnende harte Kern der Traditionalisten keinen größeren Zulauf 37 Roberto de Mattei: Das Zweite Vatikanische Konzil (Anm. 31), 524.

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von Seiten der Konzilsväter hatte, und dass insbesondere Kardinal Siri, der in seinen Voten meist im Sinne der römischen Tradition argumentierende Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, mit dem Coetus nicht zusammen arbeitete.38 Wie sich aus von de Mattei zitierten Äußerungen Siris ergibt, glaubte dieser fest, dass in den Arbeiten des Konzils der Heilige Geist wirksam sei und zwar nicht gegen die Intentionen des Papstes. Dieser Glaube dürfte einen Großteil der Konzilsväter beseelt und ihnen daher auch die geheime Zustimmung zu Mehrheitsbeschlüssen erleichtert haben. Dass die Traditionalisten und mit ihnen de Mattei im Konzil nur Menschenwerk sahen und den nach dem I. Vatikanischen Konzil erreichten, papstzentrierten Glaubenszustand für den Höhe- und Endpunkt der Geschichte der christlichen Offenbarung ansahen, wirkt aus heutiger Sicht befremdlich. Diese Perspektive wird aber verständlich, wenn man berücksichtigt, dass die traditionalistische Position eine geschichtliche Betrachtung der Offenbarung überhaupt ablehnte. Wir können hier ein Phänomen beobachten, dass der Religionswissenschaftler Mircea Eliade als Merkmal archaischer Religionen herausgearbeitet hat: Die Ignorierung des Wandels, die Ausblendung eines linearen Zeitverständnisses durch zirkuläre Vorstellungen, oder – mit Nietzsche gesprochen – die ewige Wiederkehr des Gleichen.39 Voraussetzung hierfür ist die Vorstellung einer „anderen“ Welt des „Heiligen“, die den Erfahrungen der als kontingent verstandenen Alltagswirklicheit entgegen 38 Ders.: Das Zweite Vatikanische Konzil (Anm. 31), 371 ff. 39 Vgl. Mircea Eliade: Kosmos und Geschichte – Der Mythos der ewigen Wiederkehr, 2. A. Hamburg 1966.

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gesetzt wird. In diesem Sinne wurde auch die Spannung zwischen Transzendenz und Immanenz interpretiert. Nach Eliade war es aber gerade die jüdische und auf ihr aufbauend die christliche Religion, welche mit dem eschatologischen Denken ein lineares Zeitverständnis legitimierte. Dieser Gedanke wurde vom II. Vatikanischen Konzil im alttestamentarischen Bild vom pilgernden Gottesvolk wieder aufgenommen. Das hohe Ausmaß an Konsens auf diesem Konzil erklärt sich ferner aus der weithin transparenten Verfahrensweise bei der Erarbeitung und vor allem Überarbeitung der Texte nach ersten inhaltlichen Stellungnahmen der Bischöfe. So entstand beispielsweise die bereits erwähnte Erklärung über die Religionsfreiheit, welche eine echte Änderung der kirchlichen Lehre darstellt,40 auf der Basis von insgesamt sechs Textentwürfen, welche immer erneut Anregungen aus den Beratungen verarbeiteten. Auch dies belegt die bereits erwähnte hohe Arbeitsintensität der Konzilsteilnehmer. Das Konzil war eine beeindruckende Selbstreform des kirchlichen Bewusstseins im Horizont der Moderne. VI. Das Konzil – und auch das Leben, die Äußerungen und nicht zuletzt das Sterben der Konzils- und Nachkonzils­ päpste – haben sehr zur gesellschaftlichen und interna40 Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Über die Autorität päpstlicher Lehrenzykliken – am Beispiel der Äußerungen zur Religionsfreiheit, in: Ders.: Kirche und christlicher Glaube in den Herausforderungen der Zeit, 2. erw. A., Berlin 2007, 471–489.

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tionalen Anerkennung der Kirche beigetragen. Aber nach innen, im Hinblick auf die Gläubigen, zum mindesten in Europa, hat das Konzil nicht die erhofften pastoralen Wirkungen gezeitigt. Eine nicht erwartete Nebenwirkung des hohen Öffentlichkeitswertes des Konzils lässt sich als Bewusstseinsverschiebung unter den Katholiken beschreiben. In der vorkonziliaren Kirche stand die Kirche sozusagen im Dorf. Es waren die Pfarrer, die lokale Gemeinde der Gläubigen, die sich jeden Sonntag in und vor allem nach der Kirche traf, und zum mindesten auf dem Lande war es für die Männer nicht weit zum Wirtshaus. Mancherorts wurden auch Jugendliche angestellt, um den Männern mitzuteilen, wann der Pfarrer die Predigt beendigt hatte, damit sie rechtzeitig zur Opferung in die Kirche kamen. Und nach der Kommunion konnte man auch wieder gehen, dann war die Sonntagspflicht erfüllt. Diese minimalistische Unsitte scheint heute weitgehend verschwunden, denn diese Praktiken waren tief in den Sitten der katholischen Milieus verankert, welche in der Konzils- und Nachkonzilszeit ihre Prägekraft zunehmend verloren haben. Nach dem Konzil ging daher die herkömmliche Disziplin verloren, die soziale Kontrolle ließ nach; auch im Bewusstsein vieler Gläubiger verschwand das Drohende der kirchlichen Religion, und es breitete sich eine dem weltlichen Hedonismus analoge, aber mit ihm keineswegs identische Haltung des „Du darfst“ anstelle des „Du musst“ aus. Was vor allem in den ersten Jahren nach dem Konzil als Freiheitserfahrung auch des katholischen Christenmenschen Wirklichkeit wurde, führte in der Weitergabe vor allem an die nächsten Generationen und unter dem Einfluss der allgemeinen Optionserweiterung leicht dazu, den christli60

chen Glauben selbst als optional zu begreifen – als etwas, das man tun oder auch lassen kann. Soweit heute ein Heranwachsender nicht eine verbindliche Glaubenserfahrung – oder vielleicht sollte ich wagen, zu sagen: Gotteserfahrung macht, wird er schwerlich als Erwachsener bei seinem christlichen Glauben bleiben. Das ist ja auch der Sinn des oft zitierten Wortes von Karl Rahner, der Christ der Zukunft werde ein Mystiker sein, „das heißt einer, der etwas erfahren hat“. Die vorkonziliare Kirche setzte auf die Kraft der guten und weniger guten kollektiven Gewohnheiten, die den nachkonziliaren Generationen weithin nicht mehr zugänglich sind. Die Außenbestätigungen des kollektiven und eben in diesem Sinne kirchlichen Glaubens haben sich in einem Großteil der neueren sozialen Milieus nicht mehr gebildet. Glaube ist eine Frage persönlicher Entscheidung geworden. Aber die kirchliche Pastoral hat sich noch kaum auf diese individualistische Sinnsuche eingestellt. Aber noch in einem anderen Sinne hat sich seit dem Konzil das Bewusstsein der Gläubigen von ihrer Kirche verändert. Man denkt nicht mehr primär an die örtliche Pfarrei, sondern an Rom und den Papst, wenn man das Wort „Kirche“ hört. Das hat auch mit der eben erörterten Lockerung der lokalen Netzwerke zu tun, vor allem aber mit der Medialisierung unserer Wirklichkeiten. Das Fernsehen transportiert mehr Kirche als das örtliche Angelus-Läuten, und hier schafft die Kulisse des Petersplatzes oder anderer Gotteshäuser, aber auch der traditionelle Sinn der Kirche für die Aesthetik der Gottesverehrung Voraussetzungen für die mediale Wirksamkeit, um die sie jeder Politiker beneiden mag. Aber natürlich bringt 61

diese Romzentriertheit des öffentlichen Interesses auch Peinlichkeiten des Vatikans an den Tag, welche früher leichter unter dem Weihrauch der Sakralität vernebelt werden konnten. VII. Das II. Vatikanische Konzil war wohl das erste Ereignis der Christentumsgeschichte, auf dem die ganze Welt im Sinne der heutigen Globalisierung präsent war. Und dies gilt wenigstens annäherungsweise auch für die Christen aller Bekenntnisse, wenngleich nur die Vertreter der mit Rom unierten Kirchen Stimmrecht hatten. Ein ehemaliges Mitglied Ihrer Fakultät, der Kirchenhistoriker Bernhard Kötting, äußerte mir gegenüber bei einer Abendunterhaltung kurz nach Konzilsende: „Die Kirche wird mindestens ein Jahrhundert brauchen, um dieses Konzil zu verarbeiten.“ Wenn man berücksichtigt, dass viele Dekrete des Konzils von Trient erst an die vierhundert Jahre später, im 19. Jahrhundert, in die Praxis umgesetzt wurden, so hat Kötting die seitherige Beschleunigung der Zeit bereits einkalkuliert. Räumlich und zeitlich hat sich das Kirchenbewusstsein seither enorm erweitert und ist natürlich auch wesentlich komplexer geworden. Da die römische Kurie nach dem Konzil versucht hat, die Kontrolle über die Kirche wieder in die Hand zu bekommen, und diesbezüglich bei der Revision des CJC von 1983 auch recht erfolgreich gewesen ist, scheint sich heute wieder eine Spannung zwischen Zentrum und Peripherie aufzubauen. Nur wenn das Bewusstsein wächst, dass der dreifaltige Gott immer größer ist als alle Spannungen

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und Streitigkeiten in der Geschichte des Christentums, und dass auch die kirchlichen Institutionen Menschenwerk bleiben, das der ständigen Revision bedarf, können sich die Impulse des Konzils im Sinne der Glaubensgeschichte entfalten. Persönlich bin ich zur Überzeugung gelangt, dass das herrschaftliche Verständnis des Papsttums, welches sich seit Gregor VII. und Innonzenz III. herausgebildet und in den dogmatischen Erklärungen des I. Vatikanums seinen Höhepunkt gefunden hat, aber auch das geltende Kirchenrecht prägt, unter den heutigen Umständen einer Begegnung mit dem „Gott Abrahams, Isaacs und Jacobs“ und seinem Sohn Jesus Christus eher im Wege steht.

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Wunibald Müller

Das österliche Lied in der Kirche und in der Welt zum Klingen bringen

F

ür einen katholischen Theologen ist die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster vergleichbar mit der Verleihung des Oscars. Im Unterschied zu den Oscarpreisträgern weiß ich schon seit einiger Zeit, dass mir diese Ehre bevorsteht und muss jetzt nicht überrascht wirkend auf die Bühne springen und von Dankbarkeit überwältigt vom größten Tag meines Leben sprechen. Das muss und werde ich nicht tun. Mit einer Ausnahme. Ich bin überzeugt davon, dass in diesem Moment meine Mutter und mein Vater vom Himmel her voller Stolz ganz gebannt (sind sie stolz und gebannt oder vor Stolz gebannt?) mit verfolgen, was hier geschieht und dass es heute geschieht verdanke ich neben meiner Frau und meinen Kindern vor allem auch meinen Eltern. Von Karl Barth wird gesagt, er gehe davon aus, dass man an der Garderobe im Himmel seine Doktorhüte abgeben müsse. Wenn es bei mir einmal soweit ist, werde ich meine Urkunde von Münster auf alle Fälle mitnehmen. Vielleicht hilft sie mir ja doch, wenn mir noch ein paar Punkte fehlen für den Einlass. Ihnen, meine Damen und Herren der katholischen Fakultät jedenfalls ein herzliches Danke für diese Auszeichnung, Ihnen, lieber Professor Thomas Schüller, Danke für ihre Würdigung. 65

Vor genau 40 Jahren – 1972 – traf ich den heutigen Erfurter Bischof Joachim Wanke – damals war er noch Assistent von Prof. Heinz Schürmann – in der Bar Moskua in Prag. Wir sind uns seitdem immer wieder begegnet. Als ich ihn im letzten Jahr an seinem 70. Geburtstag in aller Frühe anrief, sagte er mir am Schluss unseres Gespräches, er wünsche mir etwas von der Freude des Auferstandenen. Dieser Wunsch wirkte bei mir noch lange nach. Später las ich in einem Beitrag von ihm über die Kirche: „Die Kirche kann sich nicht selbst garantieren. Sie ist Widerschein des Evangeliums. Sie ist für das Evangelium, um des Evangeliums willen da. Sie ist – im Bild gesprochen – nicht die Melodie selbst, sondern nur deren Resonanzraum. Sie muss und darf das österliche Lied, das allein von Gott ausgeht, zum Klingen bringen. Davon lebt sie. Das ist ihre Aufgabe. Nicht mehr und nicht weniger“.1 Wo vernehmen wir dieses österliche Lied in der Kirche und in der Welt? Ich spreche bewusst nicht nur von der Kirche, sondern auch von der Welt, weil ich, wenn ich gefragt würde, was der Beweis für den Sündenfall der Welt ist, mit Paul Tillich antworten könnte: „Die Religion selber, nämlich eine religiöse Kultur neben einer Welt in dieser Kultur und ein Tempel neben einem Rathaus, das Abendmahl neben einem täglichen Abendessen, das Gebet neben der Arbeit, Meditation neben Forschung, caritas neben eros (...)“.2 1 Joachim Wanke: Evangelisch und Katholisch, in: Christ in der Gegenwart, Nr.23/2011, 253. 2 Christian Feldmann: Was uns unbedingt angeht, in: Publik Forum Nr.11, Juni 2004.

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Es ist in diesen Tagen auch genau 40 Jahre her, dass ich als Schüler Karl Rahner in München besuchte, um mit ihm ein Interview für unsere Schülerzeitung Egmatanjo (1972) zu führen. Wenn ich heute dieses Interview nachlese, bin ich erstaunt, dass die Themen, mit denen ich mich in den letzten Jahrzehnten befasst habe, genau die Themen sind, die ich auch damals schon in diesem Gespräch mit Karl Rahner angesprochen habe: Priester, Zölibat, Sexualität und natürlich die Kirche. Mir ist von diesem Gespräch in meinem Gedächtnis vor allem haften geblieben, dass er damals schon von der Kirche als der ecclesia semper reformanda sprach. Weiter hat folgende Passage aus diesem Gespräch tief in meinem Herzen und meiner Seele einen Platz gefunden und mich in den letzten Jahrzehnten stark geprägt. Auf die Frage des damals 21Jährigen auf dem Hintergrund der Einstellung der fortschrittlichen Wochenzeitung „Publik“: „Müsste nicht eigentlich jeder überzeugte Katholik diese Kirche verlassen oder darf er seine Zugehörigkeit tatsächlich noch rechtfertigen mit der Devise: Lieber reformieren von innen her als bekämpfen von außen her?“, antwortete Karl Rahner: „Wenn ich ein Christ bin, wenn ich meine, dass zum Christentum auch eine Gemeinschaft des Glaubens gehört, wenn ich der Meinung bin, dass eine solche Glaubensgemeinschaft eine Glaubensgemeinschaft mit Institutionen sein muss, dann muss ich, wenn ich Christ bin, erst recht, wenn ich katholischer Christ bin, die konkrete Kirche grundsätzlich bejahen. Von daher ist es dann selbstverständlich, dass ich, wenn ich meine, sie sei zu reformieren, das nur von einer Reformation von innen her versuchen kann (…) dass man 67

also, wie man schon formuliert hat, den langen Marsch durch die Institution notwendigerweise antreten muss.“3 Dieser lange Marsch durch die Institution, den ich seitdem gegangen bin und auf dem ich mich in gewisser Weise auch heute noch befinde, war von vielen schönen, aber auch von vielen schwierigen Erfahrungen geprägt. Ich möchte nicht verschweigen, dass es auf diesem Weg auch Zeiten gab, in denen ich große Zweifel hatte, ob das der richtige Weg ist und auch, ob diese Kirche wirklich die Kirche ist, für die ich mein Herzblut einsetzen möchte. Die Kirche, von der Joseph Ratzinger in seiner Einführung in das Christentum4 schreibt: „Nur wer erfahren hat, wie über den Wechsel ihrer Diener und ihrer Formen hinweg Kirche die Menschen aufrichtet, ihnen Heimat und Hoffnung gibt, eine Heimat, die Hoffnung ist: Weg zum ewigen Leben – nur wer dies erfahren hat, weiß, was Kirche ist, damals und heute“. Ich konnte und kann es noch immer gut verstehen, dass Viele in meiner allernächsten und weiteren Umgebung diese Kirche, die ihnen aus ihrer Sicht und ihrer Erfahrung nach eben nicht Heimat und Hoffnung gab, verlassen, und es sich dabei oft nicht einfach gemacht haben. Mir haben auf meinem Weg in der Kirche Personen wie Pierre Teilhard de Chardin, Karl Rahner, Thomas Merton und Henri Nouwen geholfen, nicht aufzugeben, dabei zu bleiben, tiefer zu sehen, die äußere Kruste Kirche von dem Kern zu unterscheiden, um den es wirklich geht: Die Melodie, das österliche Lied, das allein von Gott 3 4

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Egmatanjo: Schülerzeitung des Theresianums, Bamberg 1972. Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum, München 2005, 326.

ausgeht, und das in der Kirche und in der Welt zum Klingen zu bringen Aufgabe der Kirche ist beziehungsweise ihre Aufgabe sein sollte. Ich habe von ihnen auch gelernt, sensibler dafür zu werden, wo dieses österliche Lied in der Kirche, aber auch außerhalb der Kirche zum Klingen kommt. So schreibt Thomas Merton in einem Brief an die Theologin Rosemary Radford Ruether: „Ich frage mich manchmal, ob die Kirche echt ist. Ich glaube es, wie du weißt. Aber manchmal frage ich mich, ob ich verrückt bin, das zu glauben. Bin ich Teil eines großen Schwindels? Ich drücke mich vielleicht nicht so gut aus, wie ich möchte: Ich spüre echtes Vertrauen in die Tatsache, dass Christus in der Welt präsent ist, und daran zweifle ich keinen Augenblick. Aber ist diese Präsenz dort, wo wir es von ihr behaupten? Wir zeigen alle irgendwo hin, aber mein Verdacht ist, dass wir in die falsche Richtung zeigen.“5 Ich habe gemerkt: Wenn ich in dieser Demut von Kirche und Gott sprechen kann, mit dieser Zurückhaltung und das ganz bewusst auch als katholischer Christ, dann, ja dann kann die Kirche auch ein Ort sein, an dem immer wieder einmal leise, dann wieder lauter das österliche Lied zum Klingen kommt, wobei dieser Ort für mich vorwiegend die Eucharistiefeier ist, auf die ich, glaube ich, nie verzichten könnte und wollte. Wenn ich in dieser Demut von Kirche und Gott spreche, dann vernehme ich aber auch in der Welt die österliche Melodie, wenn in dem, was in der Welt geschieht, das geschieht, was ei5 Mary Tardiff: At Home in the World. The Letters of Thomas Merton and Rosmary Ruether, New York 1995, 17.

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gentlich in der Kirche geschehen müsste, ich dabei und darin Gottes Anwesenheit und Wirken spüre. Man denke etwa an die Rolle und Stellung der Frauen da in der Gesellschaft, dort in der Kirche. Oder man denke an die Einstellung zur Homosexualität und den Umgang mit homosexuellen Menschen, da in der Gesellschaft, dort in der Kirche. Manchmal wäre es hier angebracht, statt von Entweltlichung der Kirche von ihrer Verweltlichung zu sprechen und für diese Verweltlichung der Kirche zu plädieren, weil in der Toleranz, dem Respekt und der Würdigung, die zum Beispiel Frauen in unserer Gesellschaft erfahren – so ausbaufähig und ausbaunotwendig sie auch dort noch sind –, Einstellungen zum Ausdruck kommen, die zutiefst auf christlichen Werten gründen. Hier nimmt die Gesellschaft eine Vorreiterrolle ein, die eigentlich die Kirche übernehmen müsste. Der Historiker John Boswell konnte aufzeigen, dass es letztlich das Christentum war, das die Sklaverei abschaffte. Denn, obwohl die christlichen Kirchen sich über eine lange Zeit nicht hervortaten in der Opposition gegen die Sklaverei, waren alle Argumente, die im 18. und 19. Jahrhundert im Kampf gegen die Sklaverei angeführt wurden, Ideen, die sich in der westlichen Welt aufgrund des Christentums durchgesetzt hatten. Vorstellungen von Nächstenliebe, grundsätzlicher Würde aller Menschen, der Liebe für Freund und Feind, arm und reich und anderes mehr. Statt christliche Prinzipien zu zwingen, sich der Welt anzupassen, zwang das Christentum die Welt, sich christlichen Prinzipien anzupassen. Könnte es sein, dass manche dieser genuin christlichen Werte heute über die Welt Einzug in die Kirche halten, die Welt die Kirche 70

„zwingt“, sich zum Beispiel, was die Frauenfrage oder die Beurteilung homosexueller Menschen und homosexueller Liebe betrifft, ihrer eigenen Ideale und Werte zu besinnen, damit das österliche Lied in der Kirche und in der Welt zum Klingen kommt? Das aber wollen wir doch als Kirche. Das österliche Lied zum Klingen bringen. Damit das geschehen kann, dürfen wir der augenblicklich allenthalben feststellbaren Resignation bei der Frage, wie es mit der Kirche weitergeht, nicht verfallen, sondern müssen innerlich aufwachen, uns hinstellen, und das Unsere dazu beitragen, dass diese Kirche unsere Kirche bleibt. Wir dürfen sie nicht einfach aufgeben, auch nicht irgendwelchen Kräften überlassen, die augenblicklich stärker zu sein scheinen. Weil das meine Kirche ist und ich will, dass sie meine Kirche bleibt, war es für mich immer wichtig und ist es mir heute noch wichtiger, dass ich das ins Wort bringe, was ich für richtig und wichtig erachte, von dem ich überzeugt bin. Dass ich mich ohne Angst in dieser Kirche bewege. Ich mich von niemandem davon abhalten lasse, auch nicht von einem Papst oder einem Bischof, das zu sagen, was ich als Wahrheit erkenne. Ich im Bewusstsein des königlichen Priestertums, an dem ich als Getaufter teilhabe, dann, wenn es notwendig ist, den Mut habe, in Liebe und Respekt zu widersprechen, mich mit meinen Mitchristen zu streiten, zu denen dann auch meine Brüder Bischöfe gehören. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kirche nur dann eine Chance hat, wenn wir als Christinnen und Christen den Mut haben, zu sagen, was wir als Wahrheit erkennen, aufstehen, uns melden, widersprechen, miteinander 71

streiten – in gegenseitigem Respekt. Die Apostel und die Ältesten haben es uns doch vorgemacht, wie wir in der Apostelgeschichte erfahren. Sie haben miteinander gerungen und gestritten und dabei die Erfahrung gemacht, dass der heilige Geist gerade auch in der Auseinandersetzung, in der Spannung seine Chance hat, zum Zuge zu kommen. Diese Auseinandersetzung wünschte ich mir zwischen den so genannten Laien und Klerikern, darunter auch den Bischöfen, unter den Bischöfen selbst und auch zwischen den Bischöfen und ihrem großen Bruder in Rom. Dass man mich nicht falsch versteht: als katholischer Christ bin ich für den Papst, die Bischöfe, die Priester. Ihnen kommt zum Beispiel durch die Weihevollmacht eine ganz eigene Rolle zu. Allein, sie können sich doch um Gottes willen, wirklich Gottes wegen, nicht über die anderen, die so genannten Laien, stellen, ihre Eigenarten und Vorlieben – auch theologischen – , die ihnen persönlich zugestanden sein mögen, zur Norm erklären, so als seien diese mitgeweiht worden und jetzt für alle bindend. Nein! Wenn es Diözesen gibt, in denen Mitarbeitern gedroht wird, wenn sie sich nicht an kirchliche Vorstellungen halten, in denen ein Klima der Angst und des Denunziantentums herrscht, in denen anscheinend im Namen des Evangeliums der Dialog verweigert, die brüderliche und schwesterliche Konfrontation als Majestätsbeleidigung gewertet und mit Ausgrenzung geahndet wird – ja, dann und da wird die Kirche nicht als Widerschein des Evangeliums erlebt. Wir müssen den Mut haben, ein klerikales Verhalten, das immer noch meint, von oben nach unten schalten 72

und walten zu können, zu unterlaufen und nicht länger zu akzeptieren, sofern sich dieses klerikale Verhalten letztlich als eine Kaschierung von Lieblosigkeit erweist, die mit einem spirituellen Mantel überdeckt wird, um dann auch noch als Willen Gottes deklariert zu werden. Wenn ich von klerikalem Verhalten spreche, meine ich eine Einstellung und Verhaltensweise, für die ein bestimmtes Denken und eine entsprechende Verhaltensweise typisch sind. Das heißt, klerikales Verhalten beschränkt sich nicht auf die so genannten Kleriker und ihr Verhalten. Wir entdecken es auch unter Medizinern, Juristen oder den so genannten Laien. Auch kann man nicht von vorneherein alle Kleriker mit klerikalem Verhalten in einen Zusammenhang bringen, da es natürlich sehr wohl Kleriker gibt, die alles andere denn ein klerikales Verhalten an den Tag legen.6 Klerikales Gebaren und Verhalten kann sich darin zeigen, dass diejenigen, die für andere da sind, den wirklichen Kontakt zu denen, für die sie da sein sollen, verloren haben. Es gibt in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes keinen Kontakt, da ein Gefälle in der Beziehung entstanden ist, bei dem die einen „oben“, die anderen „unten“ sind. Im Umgang miteinander kann das dazu führen, dass die Person, die sich oben befindet, die Person, die sich unten befindet, entpersönlicht, zu einem Objekt macht. Sie wird zu einem Geringeren gemacht, ihre Würde nicht länger geachtet. Eine echte Beziehung ist nicht länger möglich. Die Rolle dominiert die Interaktion. 6 Vgl. George B.Wilson: Clericalism. The Death of Priesthood, Collegeville 2008.

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Ein klerikales Verhalten liegt weiter vor, wenn der, der „oben“ ist, sich für etwas Besonderes hält beziehungsweise ihm eine Sonderrolle zugestanden wird und dieser daraus ableitend ein Anspruchsdenken an den Tag legt, das dazu führt, dass ihm Privilegien zugestanden werden, die ihn von den anderen nicht nur unterscheiden, sondern auch abheben. Dazu kann kommen, dass ihm im Unterschied zu anderen zugestanden wird, dass das, was er tut, undurchsichtig bleiben kann, Entscheidungsvorgänge unter sich und seinesgleichen ausgehandelt werden und Verbindlichkeit von ihm weniger eingefordert werden kann als von jenen, die nicht zur Gruppe der von „oben“ gehören. Ein entscheidendes oder sogar das entscheidende Kennzeichen klerikalen Verhalten ist: Es fehlt an der Liebe. Diese ist von der Ideologie, der absoluten Wahrheit, die höher eingeschätzt wird als die Liebe, abgelöst worden. Das Verfolgen dessen, was anscheinend oder angeblich wichtig ist, erlaubt es, gegen die Liebe zu verstoßen. Dabei scheut man sich nicht davor, im religiösen Kontext sein liebloses Verhalten spirituell zu überhöhen oder spirituell zu kaschieren. Die herausgehobene Position wird dazu gebraucht und missbraucht, der Durchsetzung der Wahrheit, der „heiligen Sache“ Nachdruck zu verleihen. Einem solchen klerikalen Verhalten steht ein priesterliches Verhalten gegenüber, das sich aus der allen Getauften im 1. Petrusbrief zugesprochenen königliche Priesterschaft ergibt und sich in bestimmten Haltungen und Verhaltensweisen niederschlägt.7 So zeigt sich die priester7

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Vgl. Ders.: Clericalism (Anm. 6).

liche Haltung in erster Linie in der Liebe, im liebevollen Umgang miteinander. Priesterliches Verhalten zeigt sich, wenn wir bei allen unterschiedlichen Rollen und Funktionen, die es wahrzunehmen und zu beachten gilt, dennoch bereit und fähig dazu sind, uns gegenseitig die Füße zu waschen. Wenn wir nicht vergessen, dass es wichtiger ist, miteinander zu sein als Recht zu haben. Wenn ich als Christ meinem Mitchristen, der eine andere Meinung hat als ich nicht länger die Füße waschen kann, mag ich zwar furchtbar Recht haben, aber, wenn ich Recht hätte, „hätte aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts“ (1 Kor 13,3). Worum es im Augenblick geht, ist eigentlich ganz einfach und klar, und zugleich, so scheint es, genau das, was augenblicklich in der Kirche schier unmöglich erscheint. Es geht schlicht darum, dass wir in der Kirche wieder miteinander reden. Auf Augenhöhe. Dass wir gemeinsam, als königliche Priesterschaft, als Gottes Volk in dieser Krise unterstützen, aufeinander hören, miteinander überlegen, wie es weitergeht. Aber noch einmal: Auf Augenhöhe. Wieweit sind wir doch noch davon entfernt. Der in Mannheim begonnene Dialogprozess ist ein guter und gut gemeinter Anfang, aber ein Dialog auf Augenhöhe ist es noch nicht. Ich sage das in allem Respekt vor Bischöfen wie Robert Zollitsch, Fanz-Josef Bode, Joachim Wanke, Ludwig Schick oder Karl Lehmann und anderen. Diese Bischöfe und führende Katholiken wie Alois Glück sollten wir unterstützen, auch wenn, wie ich allenthalben feststellen muss, immer weniger diesem Mannheimer Projekt eine echte Chance einräumen, wirklich etwas zu bewegen, ja die Stimmen sich mehren, die von einem Flop reden. 75

Bei einem Dialog auf Augenhöhe würde ich meinen Brüdern im Bischofsamt sagen: Liebe Brüder! Ich weiß nicht, ob ihr uns das glaubt, aber wir würden uns gerne einfach vertrauensvoll auf euch, unsere Brüder, die ihr ein Hirtenamt innehabt, einlassen und das, was ihr sagt, manchmal auch fordert, beherzigen, mit euch an einer Kirche arbeiten, die wir als Gemeinschaft erleben. Eine Kirche, die sich selbst als Gottes Kirche versteht und in der und durch die ja – oh, das wünschen wir uns so sehr – Christus als lumen gentium, als Licht der Völker aufstrahlt, in der das österliche Lied zum Klingen kommt. Aber ich habe zuweilen den Eindruck, dass irgendetwas zwischen euch und uns steht, jedenfalls bei einigen von euch. Kann es sein, dass manche von euch, liebe Brüder, offensichtlich immer noch glauben, uns von oben herab behandeln zu müssen? Ist das jenen unter euch, auf die das zutrifft, überhaupt bewusst? Was glaubt ihr, wer ihr seid? Ihr seid doch unsere Brüder! Und nicht unsere Herrscher. Da kann es doch nicht wahr sein, dass ihr auf uns herabschaut und glaubt, uns einfach eure Vorgaben vorlegen zu können, die wir dann zu erfüllen haben. Wir sind Brüder und Schwestern! Und als Brüder und Schwestern müssen wir brüderlich, schwesterlich, geschwisterlich miteinander umgehen. Auch, weil wir uns – ihr uns, wir euch – gegenseitig brauchen, gerade auch jetzt, wo es darum geht, dass wir miteinander, ich betone miteinander, nach einer Lösung suchen müssen, wie es weitergeht mit unserer Kirche. 76

Das aber setzt voraus, dass wir miteinander reden, diskutieren, streiten, gemeinsam nach dem richtigen Weg schauen. Gemeinsam und auf Augenhöhe. Merkt ihr nicht, wie weit weg manche von euch, einschließlich unseres großen Bruders in Rom, von uns sind, unserer Wirklichkeit, unseren Nöten? Dem, was uns bewegt? Habt ihr vergessen, dass nicht ihr oder der Papst der Lenker und Leiter unserer Gemeinschaft, die sich Kirche nennt, seid, sondern der Heilige Geist? Der Heilige Geist, der ganz sicher durch euch spricht, aber auch durch uns. Habt ihr das vergessen? Wir freuen uns, in euch Brüder zu haben, die ein besonderes Amt innehaben, die einen wichtigen Dienst in unserer Gemeinschaft wahrnehmen. Es ist gut, dass es euch gibt und wir sind dankbar für den Dienst, den ihr für uns leistet. Doch, liebe Brüder, was hält euch eigentlich davon ab, mit uns zusammen herauszufinden, was der Heilige Geist von uns will, wie es weitergeht mit unserer Gemeinschaft? Was hält euch davon ab, in fröhlicher Demut damit zu rechnen, dass, wie Karl Rahner es sagt, „der Geist weht, wo er will, dass er keine exklusive Erbpacht bei“ euch „eingerichtet hat, dass das nie völlig reglementierbare Charismatische ebenso notwendig zur Kirche gehört wie das Amt, das nie einfach mit dem Geist identisch ist und ihn nie ersetzen kann, dass auch das Amt seine wirklich effiziente Glaubwürdigkeit vor den Menschen nur im Erweis des Geistes und nicht durch die bloße Berufung auf die noch so legitime formale Sendung und Autorität hat“.8 In diesen Worten Karl Rahners 8

Karl Rahner: Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance, Freiburg 1972, 61f.

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hört man regelrecht das österliche Lied erklingen. Und wenn jetzt vom Heiligen Geist und seinem Wirken in unserer Kirche die Rede ist, da muss ich gestehen, dass manchmal in mir die Frage auftaucht: Könnte es sein, dass Gott gerade in dieser Zeit in besonderer Weise in unserer Kirche anwesend ist, sein Geist in ihr wirkt? Dass er, sie, die „Ruach“, unsere Kirche im Augenblick kräftig durcheinander wirbelt. Weil es höchste Zeit ist. Ich meine manchmal, wir gehen bei unserer Beurteilung darüber, wie es um die Kirche steht, zu sehr von einem sehr einseitig kirchlichen Blick aus, starren auf die Zahlen, darauf, wie viele Männer zu Priestern geweiht werden und so weiter und sofort. Wir wollen es kirchlicherseits gerne so haben, wie wir meinen, dass es sein muss und sein sollte. Könnte es aber nicht sein, dass Gott uns die Stirn bietet und sagt: Merkt ihr eigentlich nicht, dass ich es ganz anders haben möchte? Merkt ihr nicht, dass ich mich längst nicht mehr wohlfühle in all den Verkrustungen und Auswüchsen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in meiner Kirche gebildet haben? Dass es jetzt einfach genug ist? Ich will, dass meine Kirche wieder mehr wirklich der Ort ist, an dem nicht nur von der Liebe geredet wird, sondern Liebe spürbar ist, die Liebe, die ich doch selbst bin. Und dass diese Liebe nicht länger erstickt wird durch Enge und Engherzigkeit, durch Regeln und Dogmatismus, für die man dann auch noch mich verantwortlich macht? Die augenblickliche Krise kann uns dazu motivieren, wieder mehr aufeinander zuzugehen. Denn die Krise, in der wir uns befinden, hat auch damit zu tun, ist auch dadurch bedingt, dass wir so sehr voneinander abgerückt 78

waren, unsere Ideale verraten haben, es an der Liebe haben fehlen lassen, die doch unser Erkennungszeichen ist. Sein sollte. „Seht, wie sie einander lieben“ lässt Tertullian die heidnische Welt voller Hochachtung von den Christen künden. Oh Gott, wie weit sind wir davon doch entfernt! Und doch, auch wenn mich meine Brüder und Schwestern einen unverbesserlichen Romantiker heißen werden: Darum geht es uns doch: Das österliche Lied, das von Gott kommt, der die Liebe ist, in und durch die Kirche, unserer Kirche, zum Klingen zu bringen. In unseren Gottesdiensten, wenn wir miteinander beten, gelingt es uns manchmal eine Atmosphäre zu schaffen, eine Sprache an den Tag zu legen, einen Umgang miteinander zu pflegen, die etwas von dem königlichen Priestertum widerspiegelt und in denen das österliche Lied voll zum Klingen kommt. Auch, weil dann wirklich Brüder und Schwestern beisammen sind, die mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben betraut sind, sich vor allem aber des sie verbindenden königlichen Priestertums bewusst sind und sich aus diesem Bewusstsein heraus wirklich als Brüder und Schwestern verstehen und dies dann auch nach dem Gottesdienst nicht in Abrede stellen oder vergessen. Allein, das ist die große Crux, an der unsere Kirche leidet, dass im Alltag, im außerliturgischen Umgang miteinander, das Bewusstsein unserer gemeinsamen königlichen Priesterschaft schwindet, an die Stelle der Liebe, die Gott selbst ist, oft Lieblosigkeit, Unachtsamkeit und Respektlosigkeit treten, damit aber Gott, der die Liebe ist, außen vor bleibt. Und das in der Kirche, die doch, so Bischof Joachim Wanke, den Resonanzraum für das österli79

che Lied, das von Gott kommt, sein sollte. Wen wundert es dann, dass Menschen diesen Resonanzraum woanders suchen und auch finden!? Ich glaube, es ist deutlich geworden, wie es in unserer katholischen Kirche zugehen könnte, würden wir uns auf unsere Anfänge besinnen und uns miteinander auf den Weg machen, alles zu tun, damit unsere Kirche ein Widerschein des Evangeliums wird. In ihr die Melodie zum Klingen kommt, die allein von Gott kommen kann. Wir sollten miteinander alles daran setzen, dass das geschieht. Was würde das für Energien freisetzen, die wir im Augenblick vergeuden, weil wir uns gegenseitig blockieren! Was würde das für eine Freude machen, in einer solchen Gemeinschaft zu leben, zu arbeiten, zu lieben, in einer Kirche, in der das österliche Lied zum Klingen kommt! Nach einer solchen Kirche sehne ich mich und, Gott sei Dank, gibt es ja auch diese Kirche. Ich denke an die Männer und Frauen, die sich selbstlos für andere einsetzen, die ihre Stimme für die Entrechteten erheben, die ihr echtes Interesse, ihre Sorge und Zuneigung in der Begegnung mit körperlich und seelisch kranken Menschen zum Ausdruck bringen. Aber, ich wünschte mir, es gäbe mehr davon und wir würden mehr davon spüren. Auch, weil wir eine solche Kirche, in der das österliche Lied zum Klingen kommt, so dringend brauchen oder bräuchten. Ich tröste mich hier mit Erasmus von Rotterdam, der meint: „Ich ertrage meine Kirche und hoffe, dass sie sich bessert. Meine Kirche muss mich ertragen und ich hoffe, dass ich mich bessere“, wohlwissend, dass, wie Karl Rahner so schön sagt, „alle Erneuerung, aller Fortschritt 80

der Kirche (…) gleichsam immer wieder hineinverzehrt werden in die Erfahrung der Mühsal der Geschichte, in die Enttäuschung über uns selbst, die wir doch die Kirche sind und sie also auch so erfahren werden, wie wir uns erfahren müssen, so wir nur wahrhaftig gegen uns selbst sind. Wir spielen immer die unvollendete Symphonie der Ehre Gottes, und immer nur die Generalprobe“.9 Als 5jähriger, so Karl Barth, habe er an einem Palmsonntag den ganzen Tag damit verbracht, die Gardinen hochzuhalten und nach draußen zu schauen – in der freudigen Erwartung, dass Jesus gleich vom Bremgartenwald nach Bern einziehe. Gefragt, ob er nicht am Abend enttäuscht war wegen der „Parusieverzögerung“, antwortete er: „O nein, keineswegs! Vielmehr habe ich gedacht, wenn das Warten auf ihn schon so schön war, wie schön wird es erst sein, wenn er tatsächlich eintrifft!“10 Ja, wie schön wird es erst sein, wenn er tatsächlich eintrifft! Der Feststellung des Basler Neutestamentlers Oskar Cullmann, das Zweite Vatikanum sei wohl ein heilsgeschichtliches Ereignis gewesen, setzte Karl Barth entgegen, es gebe immer eine letzte Unsicherheit in Bezug auf das, was ein heilsgeschichtliches Ereignis sei, um dann die Frage zu stellen: „Wie ist es denn? ‚Wenn zwei oder drei‘ schlicht und unauffällig‚ versammelt sind in meinem Namen‘ (Mt 18,20), wenn sie Ihn anrufen und Ihm danken, ist Er da nicht mitten unter ihnen? Ist das nicht – ohne alle

9 Jürgen Springer: Ich bin Kirche – Bin ich Kirche?, in: Christ in der Gegenwart, Nr.26/2012, 279. 10 Eberhard Busch: Meine Zeit mit Karl Barth. Tagebuch 1965 – 1968, Göttingen 2011, 686.

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letzte Unsicherheit – ein, ‚heilsgeschichtliches Ereignis‘?“11 “Wer (…) unter Kirche vor allem die Amtskirche und ihr Zentrum versteht, tappt in eine Falle“, schreibt FranzXaver Kaufmann. „Denn das ist nicht der Kern des Christentums, auch nicht in seiner römisch-katholischen Form. Das Christentum lebt in der Feier des Gedächtnisses an Lehre, Leiden, Tod und Auferstehung seines Gründers und das, was daraus folgt: Glaube, Hoffnung, Liebe.“12 Ist es nicht das, worum es letztlich geht? Wo immer wir diese Erfahrung machen dürfen, kommt das österliche Lied zum Klingen – in der Welt und in der Kirche. Ist Er mitten unter uns. Hat die Zeit des Wartens ihr Ende gefunden, entdecken wir tatsächlich eine Gestalt, die auf einem Esel sitzend daher reitet und es ist dann gleichgültig, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt. Entscheidend ist dann, dass wir in diesem Moment, wenn wir stille werden, in unserem Herzen, da wo wir sind, in der Welt, in der Kirche, das österliche Lied vernehmen, um jetzt gemeinsam erst leise und dann immer lauter in die Melodie des österliches Liedes einzustimmen und uns davon bestärken zu lassen für den Weg auf unserer gemeinsamen Pilgerschaft. Auf dieser Pilgerschaft lassen wir nicht nach, von einer Kirche zu träumen, die, so Pierre Teilhard de Chardin, um uns zu verführen, mit ihr zu fühlen und vorauszufühlen sich als fähig zeigt, mit der Welt zu fühlen und vorauszufühlen. Ich kann nicht zulassen, so Pierre Teilhard de Chardin, dass die abgeschlossene oder ängstliche 11 Ders.: Meine Zeit mit Karl Barth (Anm. 50), 37. 12 Franz-Xaver Kaufmann: Was ist katholisch, was ist „römischer Geist“?, in: Christ in der Gegenwart, Nr.38/2011, 422.

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Atmosphäre, die man im Augenblick in der Kirche atmet, die des Evangeliums sein soll. Und dann habe ich tatsächlich einen Traum: Gründonnerstag, Fußwaschung. Eine illustre, außergewöhnliche Gruppe hat sich in der Peterskirche um Papst Benedikt XVI. versammelt. Leonardo Boff und seine Frau, Hans Küng, vor wenigen Tagen doch noch zum Kardinal ernannt, auch wenn er sich zunächst etwas geziert hatte. Dann entdecke ich tatsächlich auch Eugen Drewermann, der ein paar Worte mit seinem Nachbarn Kardinal Joachim Meisner austauscht. Und ist das nicht Bischof Gerhard Ludwig Müller, zusammen mit MarieTheres Wacker und Marianne Heimbach-Steins? Ja, und wie kommen die denn hierher? Sind das nicht Anne Will und ihre Lebenspartnerin Miriam Meckel, zwischen ihnen Bischof Franz-Josef Overbeck, der sich da offensichtlich sehr wohl fühlt? Ja und auch Franz-Xaver Kaufmann hat sich eingefunden, vertieft in ein Gespräch mit Bischof Felix Genn. Der Papst macht seine Runde, wäscht allen die Füße, assistiert von seinem Sekretär Georg Gänswein, der bei einigen Jüngern und Jüngerinnen ganz schön ins Schwitzen gerät. Als Benedikt XVI. bei der Frau von Leonard Boff ankommt, wäscht er ihr die Füße und bittet sie dann, ihren Platz einnehmen zu dürfen, um sich von ihr die Füße waschen zu lassen. Sie wäscht sie zärtlich und küsst sie. Papst Benedikt scheint es zu genießen. Der liebe Gott, der das alles vom Himmel aus beobachtet, wundert sich sehr, greift an seine Brust und meint: „Mir wird es plötzlich so warm ums Herz. Wie lange nicht mehr, wenn ich an meine katholische 83

Kirche denke. Vielleicht, vielleicht… ? Ich will ihr noch einmal eine Chance geben.“ Nur ein Traum?

Anmerkung: Ich danke unserer Tochter Dorothea Müller für das sorgfältige Gegenlesen meines Redemanuskriptes und wichtige sprachliche Verbesserungsvorschläge.

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Anhang Liste der Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster 1. Laymann,

Prof. Dr. Georg  . . . . . . . . 2. Darup, Dr. Franz  . . . . . . . . . . . . 3. Fotschki, Martin  . . . . . . . . . . . 4. Reinke, Prof. Dr. Laurenz   . . . . . . . . 5. Busch, Bernhard H.  . . . . . . . . . . 6. Friedrich, Clemens  . . . . . . . . . . 7. Höfer, Prof. Dr. Dr. Josef   . . . . . . . . 8. Kanne, Wolfgang  . . . . . . . . . . . 9. Kretek, Matthias  . . . . . . . . . . . 10. Lüpke, Dr. Karl A.  . . . . . . . . . . . 11. Reckfort, Heinrich   . . . . . . . . . . 12. Roling, Gerhard H.   . . . . . . . . . . 13. Schmülling, Prof. Dr. Johann-Heinrich. . . 14. Büttner, Friedrich   . . . . . . . . . . 15. Grothues, Johann   . . . . . . . . . . 16. Nadermann, Dr. Dr. Hermann L. . . . . . . 17. Georgi, Markus  . . . . . . . . . . . . 18. Hölling, Johann H.  . . . . . . . . . . 19. Beckering, Johann H.  . . . . . . . . . . 20. Siemer, Anton  . . . . . . . . . . . . . 21. Claessen, Anton G.   . . . . . . . . . . 22. Arnoldi, Prof. Dr. Dr. Wilhelm  . . . . . .

(1833) (1834) (1834) (1834) (1835) (1835) (1835) (1835) (1835) (1835) (1836) (1836) (1836) (1837) (1837) (1837) (1838) (1838) (1840) (1840) (1841) (1842) 85

23. Muth,

Peter A.  . . . . . . . . . . . . Dr. Carl R.  . . . . . . . . . . 25. Diekhoff, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . . 26. Geritz, Joseph A.  . . . . . . . . . . . 27. Krabbe, Kaspar F.  . . . . . . . . . . . 28. Drepper, Prof. Dr. Johann F.  . . . . . . . 29. Mähler, Theodor J.  . . . . . . . . . . 30. Grosman, Hos. N. H.  . . . . . . . . . . 31. Herzog, Eduard  . . . . . . . . . . . . 32. Beelenherm, Carl J.C.  . . . . . . . . . . 33. Püngel, Nikolaus  . . . . . . . . . . . 34. Cassel, Johann  . . . . . . . . . . . . 35. Roleff, Heinrich  . . . . . . . . . . . . 36. Rahfeldt, Theodor  . . . . . . . . . . . 37. Bisping, Prof. Dr. August  . . . . . . . . 38. Oswald, Prof. Dr. Johannes H.  . . . . . . 39. Buse, Prof. Dr. Adolph  . . . . . . . . . 40. Marwitz, Johann N. von der  . . . . . . 41. Melchers, Paul L. Kardinal (SJ)  . . . . . 42. Rohling, Heinrich  . . . . . . . . . . . 43. Vrede, Albert  . . . . . . . . . . . . . 44. Reusch, Prof. Dr. Franz H.  . . . . . . . . 45. Schwane, Prof. Dr. Joseph A.  . . . . . . . 46. Ketteler, Wilhelm E. Freiherr von  . . . . 47. Lohaus, Heinrich  . . . . . . . . . . . 48. Pohlmann, Dr. Anton  . . . . . . . . . . 49. Scholz, Dr. Paul  . . . . . . . . . . . . 50. Bade, Johann  . . . . . . . . . . . . . 51. Simar, Prof. Dr. Hubert T.  . . . . . . . . 52. Hildebrand, Dr. August  . . . . . . . . . 24. Dammers,

86

(1842) (1843) (1843) (1843) (1844) (1845) (1845) (1846) (1847) (1849) (1849) (1850) (1853) (1854) (1855) (1855) (1856) (1857) (1857) (1858) (1858) (1859) (1860) (1862) (1862) (1862) (1862) (1863) (1867) (1868)

53. Bossmann,

Johann  . . . . . . . . . . . Johann B.  . . . . . . . . . 55. Deitering, Albert  . . . . . . . . . . . 56. Rohling, Dr. Dr. August  . . . . . . . . . 57. Franz, Dr. .Adolf  . . . . . . . . . . . . 58. Neteler, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . . 59. Luedtke, Clemens  . . . . . . . . . . . 60. Keller, Johann P. A.  . . . . . . . . . . 61. Weiss, Hugo  . . . . . . . . . . . . . 62. Wieck, Bernhard U. von  . . . . . . . . 63. Schäfer, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . . 64. Freusberg, Joseph  . . . . . . . . . . . 65. Drobe, Franz C.  . . . . . . . . . . . . 66. Höting, Bernhard  . . . . . . . . . . . 67. Marquardt, Prof. Dr. Julius  . . . . . . . 68. Chotkowski, Wladyslaw L.  . . . . . . . 69. Herzog, Robert  . . . . . . . . . . . . 70. Gleich, Hermann  . . . . . . . . . . . 71. Kayser, Prof. Dr. Johann B.W.  . . . . . . 72. Schemm, Bernhard  . . . . . . . . . . . 73. Cramer, Franz W.  . . . . . . . . . . . 74. Sommerwerck gen. Jacobi, Daniel W.  . . . 75. Dinder, Julius  . . . . . . . . . . . . . 76. Fechtrup, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . 77. Fell, Dr. Winand  . . . . . . . . . . . 78. Likowski, Eduard  . . . . . . . . . . . 79. Kopp, Georg Kardinal von  . . . . . . . . 80. Jeiler, P. Dr. Ignatius  . . . . . . . . . . 81. Dingelstad, Dr. Hermann J.  . . . . . . . 82. Bautz, Prof. Dr. Josef  . . . . . . . . . . 54. Brinkmann,

(1869) (1870) (1871) (1871) (1873) (1873) (1874) (1875) (1876) (1876) (1877) (1879) (1881) (1881) (1881) (1882) (1882) (1883) (1883) (1883) (1884) (1885) (1886) (1886) (1886) (1886) (1887) (1888) (1890) (1892) 87

83. Wilpert,

Joseph  . . . . . . . . . . . . Franz  . . . . . . . . . . . . . 85. Pradzynski, Julius von  . . . . . . . . . 86. Kegel, Eduard  . . . . . . . . . . . . . 87. Rosentreter, Prof. Dr. August  . . . . . . 88. Tappenhorn, Anton  . . . . . . . . . . 89. Velten, Gottfried  . . . . . . . . . . . 90. Dörholt, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . . 91. Willi, P. Dominikus M. C. (OCist)  . . . . 92. Jedzink, Paul A.  . . . . . . . . . . . . 93. Wichert, Johannes  . . . . . . . . . . . 94. Denifle, P. Heinrich (OP)  . . . . . . . . 95. Ehrle, Franz Kardinal (SJ)  . . . . . . . 96. Falk, Dr. Franz  . . . . . . . . . . . . 97. Schmidt, Friedrich  . . . . . . . . . . . 98. Schnütgen, J.W. Alexander  . . . . . . . 99. Degen, Heinrich  . . . . . . . . . . . . 100. Ptomski, Franz X.  . . . . . . . . . . . 101. Dorczewski, Kasimir  . . . . . . . . . . 102. Hartmann, Dr. Felix Kardinal von  . . . . 103. Kaufmann, Karl M.  . . . . . . . . . . 104. Poggenburg, Johannes  . . . . . . . . . 105. Dalbor, Dr. Edmund Kardinal  . . . . . . 106. Middendorf, Arnold  . . . . . . . . . . 107. Henrichs, Leopold  . . . . . . . . . . . 108. Klein, Caspar  . . . . . . . . . . . . . 109. Streit, P. Robert (OMI)  . . . . . . . . . 110. Deitmer, Joseph  . . . . . . . . . . . . 111. Gier, P. Dr. Wilhelm (SVD)  . . . . . . . 112. Grewing, Hugo  . . . . . . . . . . . . 84. Hitze,

88

(1892) (1893) (1894) (1895) (1896) (1896) (1896) (1897) (1898) (1899) (1899) (1902) (1902) (1902) (1902) (1902) (1903) (1908) (1910) (1911) (1911) (1913) (1915) (1916) (1917) (1920) (1922) (1923) (1925) (1925)

113. Löwenstein-Wertheim-Rosenberg,

Dr. A. Fürst zu. . . . . . . . . . . . . . (1925) 114. Pesch, Dr. rer. Pol. h.c. Heinrich (SJ)  . . . (1925) 115. Scheifes, Johannes  . . . . . . . . . . . (1925) 116. Hagen, Johann G. (SJ)  . . . . . . . . . . (1927) 117. Pacha, Augustin  . . . . . . . . . . . . (1928) 118. Scheiermann, Hermann  . . . . . . . . (1928) 119. Henninghaus, Augustin (SVD)  . . . . . . (1929) 120. Molitor, P. Raphael (OSB)  . . . . . . . (1929) 121. Meis, Dr. Franz  . . . . . . . . . . . . (1930) 122. Ricking, P. Ephrem (OFM)  . . . . . . . (1930) 123. Rösch; P. Prof. Dr. Konstantin (OFMCap)  . (1930) 124. Kramp, Joseph (SJ)  . . . . . . . . . . . (1931) 125. Engel, Aloysius  . . . . . . . . . . . . (1932) 126. Grosse-Wietfeld, Dr. Franz  . . . . . . . (1932) 127. Boom, P. Gregor van den (OFMCap)  . . . . (1933) 128. Galen, Clemes A. Kardinal Graf von  . . . (1933) 129. Jürgensmeier, Friedrich  . . . . . . . . . (1933) 130. Wiedemann, Hendrik  . . . . . . . . . . (1933) 131. Wiesehöfer, Franz   . . . . . . . . . . (1933) 132. Sigge, P. Dr. Franz T. (OFM)  . . . . . . . (1934) 133. Vat, Odolfus van der   . . . . . . . . . . (1934) 134. Ammann, Prof. Dr. Albert M. (SJ)  . . . . . (1935) 135. Scheidt, Hubert  . . . . . . . . . . . . (1935) 136. Niebecker, Dr. Engelbert  . . . . . . . . (1936) 137. Pfleger, Dr. Luzian  . . . . . . . . . . (1936) 138. Schäppi, P. Dr. Franz S. (OFMCap)  . . . . (1936) 139. Schreitmüller, Leovigildo  . . . . . . . (1936) 140. Herkenne, Henrik  . . . . . . . . . . . (1947) 141. Jaeger, Lorenz Kardinal   . . . . . . . . (1947) 89

142. Francken, Arnold 

. . . . . . . . . . . (1948) Dr. Robert  . . . . . . . . . . (1948) 144. Muench, Prof. Dr. Aloisius Kardinal  . . . . (1948) 145. Straubinger, Dr. Johannes  . . . . . . . (1948) 146. Dindinger, P. Prof. Dr. Joh. (OMI)  . . . . . (1952) 147. Schulemann, Dr. Dr. Günther  . . . . . . (1952) 148. Pelster, Prof. Dr. Franz (SJ)  . . . . . . . (1955) 149. Schwamborn, Prof. Dr. Gregor  . . . . . . (1955) 150. Rütten, Felix  . . . . . . . . . . . . . (1956) 151. Waeyenbergh, Ludwig van  . . . . . . . (1957) 152. Scherz, P. Dr. Dr. rer.nat.h.c.G. (CSsR). . . . (1958) 153. Geyer, Prof. Dr. Bernhard  . . . . . . . . (1959) 154. Schmidt, Jakob  . . . . . . . . . . . . (1961) 155. Kleineidam, Prof.Dr.phil.Dr.theol.h.c. Erich  . (1962) 156. Rahner, Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Karl (SJ)  . . . (1964) 157. Balthasar, Dr.Dr.h.c.mult. Kardinal Hans U. von  . . . . . . . . . . (1965) 158. Dirks, Walter  . . . . . . . . . . . . . (1966) 159. Thomé, Josef  . . . . . . . . . . . . . (1971) 160. Trilling, Prof. Dr.Dr.h.c. Wolfgang  . . . . (1971) 161. Pessõa Câmara, Dom H.  . . . . . . . . (1972) 162. Pieper, Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Josef. . . . . . (1974) 163. Bours, Dr. Johannes . . . . . . . . . . . (1979) 164. Werners, Hans . . . . . . . . . . . . . (1979) 165. Arns, P. Prof. Dr.Dr.h.c.mult.P.E. Kardinal (OFM)  . . . . . . . . . . . . 1983) 166. Farhat-Naser, Dr. Sumaya  . . . . . . . (1989) 167. Klein, P. Dr. Laurentius (OSB)  . . . . . . (1989) 168. Werblowsky, Prof. Dr. Raphael J.Z.  . . . . (1989) 169. Lettmann, Dr.Dr.h.c.mult. Reinhard  . . . . (1991) 143. Mommert,

90

170. Nossol,

Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Alfons  . . . . Prof. Dr. Franz Kardinal  . . . . . . 172. Laurien, Dr. Hanna-Renate  . . . . . . . 173. Alberigo, Prof. Dr.Dr.h.c. Giuseppe  . . . . 174. Frühwald, Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Wolfgang . . 175. Henrich, Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Dieter  . . . 176. Rainer, Arnulf . . . . . . . . . . . . . 177. Neudeck, Dr. Rupert  . . . . . . . . . . 178. Noko, Dr.Dr.h.c.mult. Ishmael  . . . . . . 179. Zizioulas, Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Ioannis . . . 180. Kaufmann, Franz-Xaver  . . . . . . . . 181. Müller, Wunibald  . . . . . . . . . . . 171. König,

(1991) (1994) (1996) (1999) (1999) (1999) (2004) (2005) (2010) (2010) (2012) (2012)

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