242 119 14MB
German Pages 388 Year 1996
Linguistische Arbeiten
349
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Hartmut Czepluch
Kasus im Deutschen und Englischen Ein Beitrag zur Theorie des abstrakten Kasus
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1996
Meinen Töchtern Katharina Marie und Saskia Susanna.
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufhahme Czepluch, Hartmut: Kasus im Deutschen und Englischen : ein Beitrag zur Theorie des abstrakten Kasus / Hartmut Czepluch. - Tübingen : Niemeyer, 1996 (Linguistische Arbeiten; 349) NE: GT ISBN 3-484-30349-2
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co.KG, Tübingen 1996 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nädele, Nehren
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
XI
Einleitung Kap. I:
1 Kasussystem und die Theorie des abstrakten Kasus
5
1. Vorüberlegungen zum Begriff des Kasussystems 1.1 Zur Tradition der Kasusforschung 1.2 Zum Problem des Kasusparadigmas 1.3 Ein Modell für die Kategorie 'Kasus'
5 5 8 12
2. Die generative Standardtheorie des abstrakten Kasus 2.1 Grammatikmodell und theoretische Begriffe 2.2 Das kasustheoretische Grammatikmodul 2.2.1 Der Kasusfilter 2.2.2 Die Regeln der Kasuszuweisung 2.2.2.1 Kasusmarkierte Kategorien 2.2.2.2 Kasustypen 2.2.2.3 Arten der Kasuszuweisung 2.2.3 Strukturelle Bedingungen der Kasuszuweisung 2.2.3.1 Kasusrektion 2.2.3.2 Adjazenz und Singularität 2.2.3.3 Exzeptionelle Kasuszuweisung 2.2.3.4 Zum Status der Strukturbedingungen der Kasuszuweisung 2.3 Grammatiktheoretische Konsequenzen der Kasustheorie 2.3.1 Kasustheorie und Lexikon 2.3.2 Kasustheorie und X-Bar-Basis 2.3.3 Kasustheorie und Transformationskomponente 2.3.3.1 Zur Geltung des Kasusfilters für transformationelle Relationen 2.3.3.2 'Kasusabsorption' für NP-Bewegungen 2.3.3.3 Konsequenzen der Modularität von Θ- und Kasustheorie
13 13 21 22 23 24 25 26 28 28 30 32 33 34 34 35 37 38 39 41
3. Fragestellungen zur Kasustheorie
42
Kap. Q:
Kasusmuster und Kasussystem im Deutschen
47
1. Die morphologischen Kasusmuster des Deutschen 1.1 Zur Verteilung von Nominativ und Objektskasus 1.2 Zur Kombination von Präpositional- und reinem Kasus 1.3 Verben mit mehr als drei Argumenten
49 50 52 54
2. Zur Abfolge kasusmarkierter Satzglieder 2.1 Zum Begriff der 'unmarkierten Abfolge'
59 60
VI
2.2 2.3 2.4 2.5
Invertierte Kasusabfolgen 'Natürliche' und 'unmarkierte' Abfolgen Zur Konfigurationalität des Mittelfeldes Singularität und Adjazenz der Kasusrektion im Deutschen
61 64 65 69
3. Generative Kasusanalysen zum Deutschen 3.1 Extensionen des Kasusmodells: H. Haider 3.1.1 Empirische Kritik an dem Standardkasusmodell 3.1.2 Prinzipien der Argument- und Kasusdistribution 3.1.2.1 Prinzipien der Kasusdistribution 3.1.2.2 Externes Argument vs. externe Realisierung 3.1.2.3 Singularität und Distinktheit 3.1.3 Bewertung des Haiderschen Vorschlags 3.2 Abstrakte und morphologische Kasus: H.Th. Tappe 3.2.1 Zum Prinzip der links-peripheren Kasuszuweisung 3.2.2 Strukturelle vs. lexikalische Kasuszuweisung 3.2.3 Zum Dativ-Problem 3.2.4 Domänen der Kasusrektion 3.2.5 Nonverbale Kasus 3.2.6 Kasus von Nicht-Argumenten 3.2.7 Singuläre Kasusrektion und distinkte m-Kasusrealisierung 3.2.8 Zur syntaktischen Relevanz der Kasusmorphologie 3.2.9 Morphologische Distinktheit und kasustheoretische Primitive
71 71 72 73 74 76 78 79 81 81 82 83 85 87 89 90 92 94
Kap. III: Syntaktische Projektion und abstrakte Kasus
97
1. Zum Konzept der lexikalischen Argumentstruktur 1.1 Zur Subkategorisierung des Subjekt-Arguments 1.2 Zum Status der kategorialen Subkategorisierung
97 98 100
2. Lexikalische Α-Struktur und das Projektionsproblem 2.1 Zur Kasusindizierung im Lexikon 2.1.1 Strukturelle Kasusindizes im Lexikon 2.1.2 Lexikalische Kasusindizes im Lexikon 2.2 Zur Kennzeichnung des externen Arguments 2.2.1 Externes Argument als lexikalische Idiosynkrasie? 2.2.2 Verben mit wechselndem thematischen Subjekt 2.2.3 Externes Argument vs. direktes Argument 2.2.4 Kasus und Präposition bei "object-switch"-Verben 2.3 Eine projektionsrelevante Indizierung von Argumenten 2.3.1. Semantischer Index in A-Strukturen 2.3.2 Lexikalischer Index in A-Strukturen 2.3.3 Lexikalische Schemata und Distinktheit 2.4 Die syntaktische Projektion eines Arguments als Subjekt
102 104 104 104 105 106 107 109 111 113 114 115 117 121
VII 3. Sätze mit expletivem Subjekt und ohne Subjekt 3.1 Zur Kritik des Realisationsprinzips 3.2 Das Subjekt-Problem im Deutschen: Eine alternative Analyse 3.2.1 'Nominativ-Verlust'als parametrische Eigenschaft 3.2.2 Alternation von expletivem und leerem Subjekt 3.2.3 VP-interne Nominative 3.2.4 Adjektivische Subjekte
123 123 125 125 126 128 129
4. Abstrakte Kasus und Syntax 4.1 Syntaktische Positionen und abstrakter Kasus 4.1.1 Verben mit drei NP-Argumenten 4.1.1.1 Die kanonischen Kasuspositionen im Deutschen 4.1.1.2 Lexikalische und rektionale Distinktheit 4.1.1.3 PO- und ADV-Argumente 4.1.2 Verben mit einem Komplement 4.1.3 Α-Kasus-und M-Kasusmuster 4.2 Invertierte Kasusabfolgen 4.2.1 Zur Dativ-Nominativ-Inversion 4.2.2 Zur Akkusativ-Nominativ-Inversion 4.2.3 Zur Akkusativ-Dativ-Inversion 4.2.4 Kasus inversion und Lexik 4.3 Verben mit doppeltem Akkusativ 4.3.1 Zur Heterogeneität der doppelten Akkusative 4.3.2 Die abstrakten Kasus der doppelten Akkusative 4.3.2.1 Der Akk2 bei bitten und fragen 4.3.2.2 Zur NP3-Stelle bei abfragen 4.3.2.3 Zum Problem von kosten 4.3.3 Variierende Projektionsmöglichkeiten 4.3.4 Zum lexikalischen Status der doppelten Akkusative
131 131 131 133 134 135 137 141 142 142 144 145 148 149 150 152 153 155 156 157 159
5. Zusammenfassung und Ausblick 5.1 Die Kasuspositionen im Deutschen 5.2 Die Kasusmuster im Deutschen 5.3 Kasus in der Rektion des Verbs 5.4 Das morphologische Kasussystem des Deutschen
162 162 166 169 173
Kap. IV
176
Abstrakter Kasus im Englischen
1. Eigenschaften des englischen Kasussystems 1.1 Prinzipien einer Theorie des abstrakten Kasus 1.2 Kasusparameter und das englische Kasussystem 1.2.1 Der Parameter des morphologischen Kasus 1.2.2 Der Parameter des inhärenten Kasus 1.2.3 Der Parameter des obliquen Kasus 1.2.4 Der V/P-Parameter
176 176 182 184 185 187 188
VIII
1.3 Kasusmerkmale und Kasusmorphologie 1.3.1 Zur Rolle der Kasusmorphologie 1.3.2 Zum relationalen Kasusbegriff
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2. Syntaktische Projektion lexikalischer Argumentstrukturen 2.1 Lexikalische Strukturen und lexikalische Indizierung 2.1.1 Der Ζ,-Index im Englischen 2.1.2 Subjektlose und ergative Verben 2.1.2.1 Verben ohne Argument und mit obliquem Argument 2.1.2.2 Ergatiwerben im Englischen 2.2 Zur syntaktischen Argumentprojektion im Englischen 2.2.1 Zur X-Bar-Syntax des Englischen 2.2.2 X-Bar-Syntax und das englische Kasussystem 2.2.3 Zur syntaktischen Projektion lexikalischer A-Strukturen 2.2.3.1 Syntaktische Schemata 2.2.3.2 Zur P-Markierung von Objekten 2.2.4 Die V'-Domäne als syntaktischer Argumentbereich
193 193 194 197 197 198 203 204 207 209 209 212 214
3. NP-NP-Komplementstrukturen im Englischen 3.1 Zur Dativ-Alternierung im Englischen 3.1.1 Probleme der transformationellen Dativ-Analyse 3.1.2 Probleme der Subkategorisierungsanalyse 3.1.3 Zum lexiko-syntaktischen Ansatz unter dem PJP 3.2 Dativ-Analyse I: Das indirekte Objekt als verdeckte PP 3.2.1 Zur empty-P-Amlyse des indirekten Objekts 3.2.2 Zur 'applikativen Konstruktion' 3.2.3 Probleme der P-Inkorporation und der empty-P-Analyse 3.3 Dativ-Analyse II: ΙΟ-Inkorporation 3.3.1 Das indirekte Objekt als V-inkorporierte NP 3.3.2 Probleme für die IO-Inkorporation 3.3.2.1 Zu Bakers Kritik 3.3.2.2 Zur C-Kommando-Analyse der UIO-Konstruktion 3.3.3 Zum zweiten Passiv der UIO-DO-Struktur 3.3.3.1 Zur Ungrammatikalität des zweiten Passivs 3.3.3.2 Zum pronominalen zweiten Passiv 3.3.4 Das Passivitätsdifferential der Datiwerben 3.3.5 Dialektale Variation 3.3.6 Abschließende Bemerkungen 3.4 Zur NP-NP-Struktur bei dem forgive- Verbtyp
219 220 220 221 222 223 223 225 227 229 229 232 232 234 237 237 239 242 243 244 244
4. Kasus- und Transformationssyntax 4.1 Move α und Transformationstypen 4.2 Argument-Bewegungen 4.2.1 Thematisch motivierte A-Bewegung
246 247 250 251
IX 4.2.2 Zur Passivbewegung 4.2.2.1 Zur Absorption der Subjekt-9-Rolle im Passiv 4.2.2.2 Partizipialanalyse für Perfekt- und Passivformen 4.2.2.3 Unterschiede der Passivierung im Englischen und Deutschen 4.2.2.4 Zur Small-Clause-Analyse der Prädikativa 4.2.2.5 Zum Kategorienstatus partizipialer Komplemente 4.2.3 Zur Anhebungsbewegung 4.2.4 Zur Ergativbewegung 4.2.4.1 Thematische Identität und Α-Struktur-Veränderung 4.2.4.2 Diagnostische Kriterien der syntaktischen Ergativität 4.2.4.3 Ergativa und Impersonalia 4.3 Non-Argument-Bewegungen 4.3.1 WH-Bewegung im Englischen und einzelsprachliche Variation 4.3.2 LF-Eigenschaften von WH-Bewegungen 4.3.3 Kasuszuweisung an WH-Ketten 4.3.4 Besonderheiten von WH-Ketten 4.3.4.1 Wfe-Spuren in SpecCP 4.3.4.2 Spuren in SpecCP: Subjazenz und CP-Tilgung 4.3.4.3 WH-Ketten ohne Bewegung 4.3.4.4 Wft-Platzhalter in WH-Ketten 4.4 Zur Strandung von Präpositionen 4.4.1 Beschränkungen der Extraktion aus PP 4.4.2 Reanalyse und oblique Spuren 4.4.2.1 Interaktionsprobleme der weiten Reanalyse 4.4.2.2 Probleme des OTF 4.4.3 V-P-Reanalyse und der Verlust des obliquen Kasus 4.4.4 Enge V-P-Reanalyse 4.4.4.1 Unterschiede der passiven und interrogativen P-Strandung 4.4.4.2 Adjazente Reanalyse 4.4.5 Zum ECP-Effekt für P-regierte Spuren 4.4.5.1 Zur Komplementarität von lexikalischer und Antezedent-Rektion 4.4.5.2 Rektionsübertragung 4.4.5.3 Reevaluierung der Interaktionsprobleme 4.4.6 Zum Verhältnis von P-Strandung unter WHM und NPM
253 253 255 259 262 264 265 267 268 269 273 274 274 277 279 280 280 281 282 284 285 288 289 291 292 293 294 295 295 297 298 299 300 300
5. Zusammenfassung
301
Kap. V:
303
Zum Nominativ im Deutschen und Englischen
1. Rektion und Kongruenz des Nominativs 1.1 Nominativ-Zuweisung durch AGR 1.2 Nominativ-Zuweisung als Spec-Head-Ylez\eh\mg 1.3 Nominativ-Zuweisung durch das flektierte Verb
303 304 306 307
χ 2. Zum Kasus des nominalen Prädikativs 2.1 Prädikativa ohne Kasuskongruenz 2.2 Prädikativa in Kontrollstrukturen 2.2.1 Prädikativa ohne SU-Stelle 2.2.2 Θ-Perkolation 2.2.3 Verbklassen und Subkategorisierungsunterschiede 2.2.4 Kasuskongruenz und Ersatznominativ 2.3 Zum prädikativen Nominativ im Zay.se/2-Komplement 2.3.1 Zur Kontroll- vs. ECM-Analyse des /owen-Komplements 2.3.2 Zur Struktur des /owe/t-Komplements 2.3.3 Zum prädikativen Kasus im /asse«-Komplement
310 312 313 314 315 318 319 320 321 322 326
3. Kasustheoretische Bewertung des Nominativs 3.1 Der Nominativ als konfigurationaler Kasus 3.2 Nominativ und Kongruenz 3.3 Der Nominativ als Null-Kasus 3.4 Der Nominativ: Primärer Kasus oder neutrales Element? 3.4.1 SU- und DO-Kasus als "primaries" 3.4.2 Ein relationales Modell der Kategorienelemente 3.4.2.1 Kasusinterpretationen im relationalen Kategorienmodell 3.4.2.2 Kasuselemente und Kasussyntax 3.5 Das Kasuskategorienmodell und der Sprachvergleich
329 329 331 332 335 335 337 338 341 343
Kap. VI: Ergebnisse und Ausblicke
347
1. Einzelsprach- und universalgrammatisches Kasussystem
347
2. Zum Modell einer Kasustheorie 2.1 Distinkte und links-periphere Kasusrealisierung 2.2 Objektkombinationen und Subjektprojektion 2.3 Die Parameter des englischen Kasussystems 2.4 Transformationssyntaktische Konsequenzen 2.5 Passiv- und Perfektpartizipien 2.6 Nominativ als neutraler Kasus
348 351 353 354 356 356 357
3. Offene Fragestellungen 3.1 Periphere Kopf- und Argumentrealisierung 3.2 Nominative Objekte 3.3 Nicht-nominative Subjekte
358 358 359 360
4. Schlußwort
360
Literatur
362
Vorwort Der vorliegenden Publikation liegt eine umfangreichere Arbeit zugrunde, mit der sich der Verfasser im Februar 1989 im Fach Englische Sprachwissenschaft an der Georg-AugustUniversität Göttingen habilitiert hat. Die Publikation orientiert sich an dem theoretischen Rahmen der Government-Binding-Theone. In Anbetracht weitreichender Neuerungen in der generativen Linguistik während der letzten Jahre, wie die Entwicklung der Theorie der funktionalen Kategorien, die Split-INFL-Analyse der Satzflexionsmerkmale und ihre neue Sicht von Wortstellungsphänomenen aufgrund der weitergehenden Möglichkeiten der Verbund Objektbewegungen sowie -last not least- die Ökonomie- und Minimalismus-Theorie, wäre es verlockend gewesen, die Arbeit stärker umzuarbeiten, als es hier geschehen ist. Wenn dennoch der originale Rahmen weitreichend bewahrt wird, hat das mehrere Gründe. Zum einen ist die Prinzipien-und-Parameter-Theorie außerhalb generativer Kreise wohl immer noch das seit der Aspecir-Theorie am besten bekannte generative Paradigma, das die deskriptiven Ergebnisse der Arbeit einer breiteren Leserschaft leichter zugänglich macht. Ebenso maßgebend ist aber auch der Gesichtspunkt, wie der Verfasser in einigen jüngeren Publikationen argumentiert hat, daß die neueren generativen Modelle in ihrer Generalisierung der Kasuserscheinungen als Kongruenzphänomene in Spezifikator-Kopf-Relationen und ihrer Rekonstruktion aller sprachlicher Determinationsverhältnisse als asymmetrische Strukturbeziehungen in strikt binären Konfigurationen weder der Komplexität des Kasusphänomens gerecht werden, noch in anderen Beschreibungsbereichen immer einen Fortschritt gegenüber früheren Konzeptionen darstellen. Wie nicht selten (nicht nur in der Linguistik) festzustellen, geht der theoretisch-konzeptuelle Gewinn bei einem Paradigmenwechsel auch einher mit einem Verlust an 'alten' Einsichten und an Umfang der erfaßten Fakten. Die Arbeit stellt somit auch ein Plädoyer für die GB-Konzeption dar, ohne daß sie sich allen Neuerungen verschließt. Wie sich alte und neue Prinzipien der generativen Sprachanalyse vereinen lassen, stellt jedoch ein neues Thema dar. Die wesentliche Änderung des Buches gegenüber der früheren Version besteht darin, daß die Arbeit um mehr als ein Drittel des Umfangs gekürzt werden mußte. Die Entscheidung, welche Teile der Arbeit auszulassen sind (z.B. der Überblick über die Kasusforschung seit Mitte des 19. Jahrhunderts und die detaillierte Darstellung strukturalistischer, kasusgrammatischer und früher generativer Kasusanalysen), ist nicht immer leicht gefallen. Es ist zu hoffen, daß diese Kürzungen nicht auch interessante Kasusphänomene betroffen haben, deren Analyse der Leser zu recht erwarten kann. Aktualisierungen des Textes und der Literatur sind nur sparsam eingefügt worden. Richtschnur war, daß sie die ursprünglichen Analysen nicht substantiell verändern und nur der Verdeutlichung bereits angesprochener Gesichtspunkte dienen. Für ihre Unterstützung und kritische Begleitung während des Entstehens der Arbeit gebührt vor allen meinen Göttinger Lehrern seit Studententagen, Prof. Dr. Thomas Gardner (Neuere englische Linguistik) und Prof. Dr. Wolfgang P. Schmid (Allgemeine Sprachwis-
XII
senschaft), ganz besonderer Dank. Thomas Gardner hat nicht nur Generationen von Studenten mit den Strömungen der modernen Linguistik vertraut gemacht und bei vielen ein Bewußtsein für die Schönheit und Erklärungskraft formaler Systeme geweckt. Er war seinen Mitarbeitern auch immer ein freundschaftlicher Anreger und Förderer. Wie kaum ein anderer hat er es verstanden, ein akademisches Umfeld zu schaffen, in dem sich viele Begabungen entwickeln konnten. Für meine Ausbildung in allgemeiner Sprachwissenschaft habe ich das Glück gehabt, in Wolfgang P. Schmid einen Lehrer gehabt zu haben, der uns generativen Anglisten stets mit interessierter, wenn auch kritischer Aufgeschlossenheit begegnet ist. Es war nicht zuletzt seine weite historisch-vergleichende und sprachtypologische Sicht der Dinge, die uns immer bewußt gemacht hat, daß Sprachwissenschaft sich nicht in der Beschäftigung mit ästhetisch befriedigenden Modellen kerngrammatischer Phänomene oder einigen wenigen modernen Sprachen erschöpft. Das vorliegende Buch verdankt auch viel der intellektuell anregenden Gemeinschaft damaliger Freunde und Kollegen am Englischen Seminar der Universität Göttingen, ohne daß ich jedem Einzelnen hier seinen gebührenden Dank aussprechen könnte. Gesondert erwähnen möchte ich aber Joachim Tuschinsky, mit dem mich seit jener Zeit nicht nur intensive linguistische Diskussionen verbinden, sondern der auch in kritischen Zeiten immer ein hilfsbereiter Freund war und geblieben ist. Den Einfluß von Hans Thilo Tappe, der lange zur Göttinger community gehörte, macht die Arbeit selbst deutlich. Außerhalb Göttingens war die freundschaftliche Verbundenheit zu Jan Koster und Henk van Riemsdijk von großem Einfluß auf mein linguistisches Denken. Nicht zuletzt ihnen war es zu verdanken, daß das GLOW Meeting 1981 in Göttingen stattfinden konnte. Schließlich ist noch Hubert Haider zu nennen, mit dem mich seit der DGfS-Tagung 1985 in Hamburg manche interessante Kontroversen über die Kasus- und Konfigurationalitätsthematik verbinden. Göttingen, im Oktober 1995 H. C.
Einleitung Die vorliegende Arbeit stellt eine Untersuchung zur Kasustheorie am Beispiel des Deutschen und Englischen dar. Während die Relevanz der grammatischen Kategorie Kasus für das Deutsche unstreitig ist, ist nicht gleichermaßen selbstverständlich, daß Kasus in der Grammatik des Englischen eine wesentliche Rolle spielen. Zwar gibt es noch eine rudimentäre Kasusmorphologie im Pronominalbereich, wo Nominativ-, Objektiv- und Genitivformen (he : him : his) unterschieden sind. Von den Nomina ist jedoch nur noch die Genitivform gekennzeichnet (John's). Alle anderen Nomina treten unabhängig von ihrer syntaktischen Stellung und Funktion in unflektierter Form auf, dem sog. "common case" (z.B. Jespersen 1933, Quirk et al. 1972). Wenn dennoch auch für das Englische eine grammatische Kategorie Kasus angenommen wird, ist ein allgemeinerer Kasusbegriff gemeint als ein rein morphologischer. Es ist seit jeher von sprachwissenschaftlichem Interesse gewesen, hinter den vielfältigen Erscheinungsformen der morphologischen Kasus in Sprachen deren allgemeine Funktionen aufzudecken. So hat z.B. W.P. Schmid (1972) für die indogermanischen Sprachen exemplarisch gezeigt, daß sich die unterschiedlichen morphologischen Erscheinungsformen grammatischer Kategorien auf ein über Sprachen hinweg invariantes System von funktionalen Subkategorien beziehen lassen. Und wenn man A. Wierzbicka (1980:xviii) folgt, daß Sprachen sich nicht den Luxus arbiträrer morphologischer Kategorien leisten, die nichts 'bedeuten', dann setzt zwar das Vorhandensein von Kasusformen die Existenz von Kasusfunktionen voraus. Es gilt jedoch nicht, daß Kasusfunktionen auch immer morphologisch ausgedrückt sein müssen. Unter Kasus wird im allgemeinen die morphologische Kennzeichnung von bestimmten "Satzverhältnissen" (Delbrück 1907) verstanden. Als "Satzbeziehungsmittel" (Lamprecht 1973) sind die Kasus grundsätzlich relational zu verstehen. Sprachen unterscheiden sich in vielfaltiger Weise, wie sie von solchen Kennzeichnungen Gebrauch machen. Die Kasusrelationen können am abhängigen Element oder am regierenden gekennzeichnet sein (vgl. z.B. Nichols 1986). Die Kennzeichnung kann unterschiedlich organisiert sein: Ergativ-Sprachen fassen das intransitive Subjekt und das transitive Objekt unter dieselbe Kasusmarkierung, die Nominativ-Akkusativ-Sprachen dagegen das intransitive und transitive Subjekt (s. z.B. Mallinson/Blake 1981). Schließlich machen Sprachen in unterschiedlichem Maße von der morphologischen Kennzeichnung Gebrauch. Die Spannbreite reicht von den 52 Kasus des nordkaukasischen Tabassaranisch (s. Hjelmslev 1935:138ff.) bis zu minimalen morphologischen Systemen mit zwei Kasusformen, von denen die eine zudem in der Regel den reinen Nominalstamm repräsentiert. Wenn aber Sprachen die Kasusfunktionen durch mehr oder weniger viele Kasusformen und in sehr unterschiedlicher Weise ausdrücken können, dann liegt die Annahme nahe, daß beschränkt kasusflektierende Sprachen wie das Englische bzw. flexionslose Sprachen wie das Chinesische lediglich den 'Grenzfall' darstellen, in der auch die letzte morphologische Opposition zwischen unmarkierter und markierter Nominalform
2 aufgegeben ist. Auch diese Sprachen sollten prinzipiell in Begriffen allgemeinsprachlicher Kasusfunktionen analysierbar sein. Die Annahme ist nicht unstrittig. Insbesondere Ansätze, die Kasus vornehmlich oder ausschließlich als morphologische Kategorie auffassen, werden mit dem Verschwinden der Kasusflexion auch den Verlust der Kasuskategorie annehmen. Deren Funktionen im Satz müssen dann durch andere grammatische Mittel übernommen werden. Die allgemein angenommenen Wechselbeziehungen zwischen Kasus und Präposition einerseits sowie Kasus und Wortstellung andererseits legen jedoch eine integrative Beschreibung nahe. Die Integration der syntaktischen Ordnungs- und Ausdrucksfunktionen dieser Mittel wird u.E. durch einen abstrakten relationalen Kasusbegriff geleistet. Das bedeutet: Kasus ist unabhängig davon, ob er in einer Sprache morphologisch ausgedrückt ist oder nicht, eine grammatikalisch relevante Kategorie. Das rechtfertigt eine Untersuchung zum Kasussystem des Englischen. Wenn oben davon gesprochen wurde, daß Kasusformen 'bedeuten', so ist zu präzisieren, daß ihre strukturelle Bedeutung als syntaktisches Ausdrucksmittel von der semantischen Interpretation der Kasusrelationen zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung ist in maßgeblichen kasustheoretischen Ansätzen der ferneren und jüngeren Vergangenheit nicht immer beachtet worden. Mehr oder weniger direkte semantische Kasusinterpretationen liegen z.B. in den 'Grundbedeutungen' der lokalistischen Kasustheorie vor (z.B. Wüllner 1827, Härtung 1831), die in jüngerer Zeit v.a. durch Anderson (1971, 1977) wieder aufgegriffen worden ist, ebenso in den 'Grundbegriffen' des Kasusgebrauchs (vgl. Delbrück 1893, 1907) und insbesondere in der semantischen Reinterpretation der 'Case roles' durch Ch. Fillmore (1968 u.ö.). Die Nachteile solcher direkten Form-Inhalt-Beziehungen sind oft aufgezeigt worden: Es gibt Kasus mit primär syntaktischer Funktion und solche mit primär semantischer Funktion (s. Kurylowicz 1949, 1964), so daß eine einheitliche inhaltliche Bestimmung verfehlt erscheint. Einzelne Kasusformen lassen sich nicht eindeutig dem einen oder anderen Kasustyp zuordnen, so daß eine gegebene Form einmal semantisch, einmal syntaktisch determiniert erscheint. Eine Kasusform kann mithin unterschiedliche Verwendungen haben und ein Gebrauchstyp kann durch unterschiedliche Kasusformen realisiert sein; und schließlich ist eine unabhängige semantische oder ontologische Fundierung der durch Kasus ausgedrückten 'Satzverhältnisse' bisher immer fehlgeschlagen. Wenn also morphologische Kasus semantische Verhältnisse anzeigen, so ist diese Form-Inhalt-Beziehung nicht direkt, sondern durch (mindestens) eine Zwischenstufe vermittelt. Diese Zwischenstufe wollen wir, da der Begriff der Kasusfunktion in vielfältiger und uneinheitlicher Weise besetzt ist, als abstrakten Kasus bezeichnen und sowohl gegenüber den semantischen (Kasus-)Relationen wie den morphologischen Kasusformen abgrenzen. Die abstrakten Kasus sind formale Beschreibungskategorien für bestimmte syntaktische Beziehungen nominaler Elemente zu anderen Elementen im Satz. Sie haben selbst keinen semantischen Gehalt und nicht notwendig eine morphologische Form. Semantisch interpretierbar sind sie nur insofern, als ihre syntaktischen Funktionen zu semantischen Relationen in Beziehung gesetzt sind. Ebenso müssen sie auf Kasusmorpheme beziehbar sein, wenn eine Sprache von solchen Gebrauch macht. In beiderlei Hinsicht kann nicht davon ausgegangen werden, daß diese Ebenen in einfachen l:l-Beziehungen zueinander stehen.
3 Die Annahme des abstrakten Kasusbegriffs hat unmittelbare Vorteile: Er ist weit genug, um flexionslose und flektierende Sprachen in Begriffen von Kasus analysieren zu können. Gleichzeitig erlaubt er, die vielfaltigen Erscheinungsformen morphologischer Kasussysteme auf ein System (oder Systemvarianten) abstrakter Kasuskategorien zu beziehen. Er vermeidet die Probleme ontologisch-semantischer Kasusansätze und eröffnet die Möglichkeit, die Wechselbeziehung zwischen Kasus, Präposition und Wortstellung als Mittel zum Ausdruck relevanter Satzrelationen in einen systematischen Zusammenhang zu bringen. Die Grundzüge einer Theorie des abstrakten Kasus im skizzierten Sinne liegen in dem als Rektions- & Bindungstheorie (kurz: GB-Theorie) bekannten Chomskyschen Paradigma (s. v.a. Chomsky 1981a, 1982) vor. Kasusphänomene sind in der generativen Syntax lange Zeit vernachlässigt worden, indem sie entweder aufgrund der Orientierung an flexionsarmen Sprachen wie dem Englischen überhaupt nicht oder in kasusmarkierenden Sprachen als rein oberflächensyntaktische Erscheinungen behandelt worden sind (z.B. Bierwisch 1967, Chomsky 1965, ch.4). Das hat sich in den letzten Jahren entscheidend geändert. Für den universalgrammatischen Ansatz der GB-Theorie waren dabei gleichermaßen sprachvergleichende Beobachtungen wie theorieinterne Überlegungen maßgeblich. So zeigt sich zum einen, daß die Stellungsregularitäten von nominalen Satzgliedern in Sprachen mit und ohne morphologischen Kasus ähnlichen Bedingungen unterliegen, wie z.B. der Vergleich der Verb-Zweit-Sprachen Isländisch und Englisch einerseits (s. z.B. Andrews 1982) und der Verb-End-Sprachen Deutsch und Niederländisch andererseits ausweist (s. z.B. Koster 1975). Zum anderen wird die Grammatiktheorie nicht mehr primär als komponentiell organisiertes Regelsystem gesehen, sondern als ein modulares System von relativ einfachen und allgemeingültigen Prinzipien (Subtheorien) mit beschränkten Variationsmöglichkeiten ('Parametern'). Die Unterschiede zwischen Einzelsprachen ergeben sich aufgrund unterschiedlicher parametrischer Fixierungen. Die Komplexität sprachlicher Phänomene wird durch die Interaktion der Subtheorien ('Modularität') beschrieben. Unter beiden Gesichtspunkten, dem deskriptiven wie dem explanatorischen, scheinen die o.g. parallelen syntaktischen Regularitäten auf dasselbe Grammatikmodul beziehbar. Als solches wird die Kasustheorie angesehen, die die Auftretensmöglichkeiten nominaler Satzglieder in Begriffen struktureller Rektionsbedingungen, d.h. durch die Zuweisung abstrakter Kasusmarkierungen, beschreibt. Für eine Kasustheorie des Englischen stellt sich die Frage, wie kasusrelevante Phänomene gegenüber den Effekten anderer Grammatikmodule identifizierbar sind. Um hierfür zu überprüfbaren Hypothesen zu kommen, bieten sich zwei Ansatzpunkte an. Zum einen impliziert die Modularität der Grammatik, daß die Bedingungen des abstrakten Kasus mit anderen grammatischen Prinzipien interagieren. Die Beobachtung solcher Modularitätseffekte erlaubt Rückschlüsse auf die Wirkungen abstrakter Kasus, auch wenn diese nicht morphologisch realisiert sind. Zum anderen kann von der Beobachtung der Kasusverhältnisse in morphologisch kasusmarkierenden Sprachen (zumindest mittelbar) auf die Kasusverhältnisse in einer Sprache ohne morphologischen Kasus geschlossen werden: Die Kasusverhältnisse in beiden Sprachtypen müssen als Parametrisierungen der universalgrammatischen Kasustheorie beschreibbar sein. Insofern die morphologischen Kasus in einer Sprache auf die ab-
4 strakten Kasus in deren Grammatik und darüber auf die allgemeine Form der Kasustheorie rückbeziehbar sind, gibt eine kasusflektierende Sprache in direkterer Weise Auskunft über die mögliche Form der universalen Kasustheorie, als es Sprachen ohne Kasusmorphologie tun. Der Sprachvergleich hat somit auch die Funktion, die Annahmen der Standardtheorie des abstrakten Kasus (s. Chomsky 1981a) einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. In dieser Doppelfunktion wird hier das Deutsche herangezogen und eklektisch auch andere Sprachen. Die GB-Kasustheorie ist Ausgangspunkt der hier vorgelegten Überlegungen zur Form einer Kasustheorie. Schwerpunkte der Fragestellung sind: Von welchem Inventar abstrakter Kasus ist auszugehen und welchen Gebrauch machen Sprachen davon? Welche Arten der Kasusmarkierung gibt es? Welches ist die Beziehung zwischen abstrakten und morphologischen Kasus? In welchem Verhältnis stehen die abstrakten Kasus zu den semantischen Kasusrelationen, i.e. den thematischen (Θ-) Relationen der GB-Theorie? Insofern die Überprüfung der Validität linguistischer Konzepte für jede sprachwissenschaftliche Tätigkeit unabdingbar ist, die über die Analyse der empirischen Phänomene in Einzelsprachen hinaus die Aufdeckung einzelsprachunabhängiger, universaler Prinzipien der Sprachbeschreibung im Blick hat, verfolgt die Untersuchung ein allgemeinsprachwissenschaftliches Interesse. Insofern die Beschreibungs- und Erklärungskraft des Konzeptes des abstrakten Kasus mit Blick auf das Deutsche und Englische untersucht wird, stellt die Arbeit einen deskriptiven Beitrag dar. Der Gang der Darstellung ist wie folgt: Kap. I skizziert die GB-Theorie des abstrakten Kasus und ihre Motivation sowie ihre deskriptiven und theoretischen Konsequenzen. Kap. II gibt einen Überblick über die morphologischen Kasusmuster des Deutschen und versucht anhand von neueren kasustheoretischen Ansätzen Kriterien für deren Beschreibung zu gewinnen. Diese werden in Kap. III bezüglich des Verhältnisses zwischen lexikalischen und Kasusstrukturen diskutiert. Das sich ergebende Kasusmodell des Deutschen wird in Kap. IV zu einer Kasustheorie des Englischen in Beziehung gesetzt, woran sich die Untersuchung einer Reihe von kasusrelevanten syntaktischen Phänomenen des Englischen anschließt. Kap. V reevaluiert den Status des Nominativs im Englischen und Deutschen und gibt einen kritischen Vergleich mit der Kasusinterpretation im Rahmen des indogermanistischen Modells von W.P. Schmid für die interne Struktur grammatischer Kategorien. Kap. VI faßt die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen und zeigt weitergehende Fragestellungen auf.
Kapitel I Kasussystem und die Theorie des abstrakten Kasus In diesem Kapitel werden auf dem Hintergrund einiger Bemerkungen zum Begriff des Kasussystems (§ 1) die Grundzüge der generativen Standardtheorie des abstrakten Kasus dargelegt (§ 2). Daraus ergeben sich einige Fragestellungen (§ 3), die die weiterführenden Überlegungen in späteren Kapiteln leiten.
1. Vorüberlegungen zum Begriff des Kasussystems 1.1 Zur Tradition der Kasusforschung Kasussysteme haben wie jedes sprachliche System eine formale Struktur und eine Interpretation (vgl. z.B. Saumjian 1971). Die Struktur ist im einfachsten Fall als Liste von Kasusformen gegeben (i.e. als Paradigma) oder als System von Oppositionen (wie im Strukturalismus) oder als Menge von Regeln und Prinzipien (wie im generativen Ansatz). Die Interpretation des Systems betrifft die einzelnen Kasus, deren Beziehung untereinander sowie die Rolle der Gesamtkategorie im Sprachsystem. Die Interpretation kann funktional sein, z.B. Kasus als Kennzeichnungen grammatischer Relationen wie Subjekt, Objekt etc. auffassen (z.B. den Besten 1981a), oder auf inhaltliche Aspekte abheben, z.B. Kasus als Ausdruck bestimmter 'Bedeutungen' oder semantischer Relationen wie AGENS, PATIENS etc. auffassen (z.B. Fillmore 1968). Die Etablierung von Kasusparadigmen gibt bereits partielle Interpretationen, insofern nämlich unterschiedliche Kasusflexive in einer Sprache mit den gleichen Kasusnamen bezeichnet und dieselben Kasusnamen in verschiedenen Sprachen verwendet werden. 1 Das eine stellt eine innersprachliche Generalisierung dar, das andere eine interlinguale. Die herkömmlichen Kasusbezeichnungen stammen aus der klassischen Antike: (1) casus nominativus 'Genannte' ptosis orthe 'Gerade' genitivus 'Gezeugte' genike 'Allgemeine' dativus 'Gegebene' dotike 'Gegebene' accusativus 'Angeklagte' aitiatike 'Bewirkte' ablativus 'Weggetragene' Obschon bereits seit der Antike Kasus wechselweise nach formalen oder inhaltlichen Kriterien unterschieden worden sind (z.B. bei Dionysios Thrax, Varro, Priscian einerseits und Quintilian, Maximus Planudes, Thomas von Erfurt andererseits), 2 sind die Kasus primär 1 2
Die Ergativ-Absolutiv-Sprachen bleiben hier außer Betracht. Der interpretatorische Aspekt zeigt sich auch in den frühen Schwankungen der Bezeichnungen und den Übertragungsproblemen vom Griech. ins Lat. (vgl. z.B. Wackernagel 1920:17ff.): neben der unklaren Übertragung gr. genike zu lat. genitivus in der MiDübersetzung des gr.
6 nach inhaltlichen Gesichtspunkten, einer charakteristischen Funktion oder Bedeutung, benannt worden (s. Brugmann 1902:373; Robins 1951, 1972). Hinter der Konstanz der Kasusunterscheidungen und -bezeichnungen steht die Annahme, daß die Kasus ein allgemeinsprachliches Phänomen sind und dieselben 'Verhältnisse' zwischen Elementen in Sätzen von Sprachen kennzeichnen. Der universalistische Standpunkt ist für die vorstrukturalistische Sprachwissenschaft kennzeichnend. Das universale Modell war dabei nicht eine theoretisch-linguistische Abstraktion wie in der neueren Grammatikforschung, sondern eine existierende oder zu rekonstruierende ältere Sprache, von der angenommen wurde, daß sie den allgemeinen Sprachbau ganz oder in Teilbereichen in idealer Weise repräsentierte bzw. daß spätere Sprachen von ihr abstammten. Während die griechische Sprachphilosophie, beginnend mit Aristoteles, auf keine grammatische Tradition zurückblicken konnte, war für die römisch-lateinischen Grammatiker bereits das Griechische, insbesondere in der Beschreibung durch Dionysios Thrax, das Vorbild, nach dem sie die lateinische Grammatik modellierten. Das galt auch für die spätantike, mittelalterliche und lange Zeit für die neuzeitliche Periode: Am klassischen Latein und Griechisch orientierte sich die Beschreibung der Volkssprachen seit Beginn der Neuzeit. Das änderte sich erst mit der Entdeckung des Altindischen für die abendländische Sprachforschung (s. Arens 1969, Lockwood 1982). Im Rahmen der entstehenden historisch-vergleichenden Indogermanistik, als deren Begründer Lockwood (1982:11, 24) F. Bopp, R. Rask und J. Grimm nennt, übernahm dann v.a. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Sanskrit bzw. die hinter den überlieferten idg. Sprachen zu rekonstruierende (ur-)idg. Grundsprache die Rolle als Modell der Sprachbeschreibung. Zwar scheint das Sanskrit nicht in allen Teilbereichen die ursprünglichen Verhältnisse am reinsten zu repräsentieren. Für das Tempus- und Modus-System gibt z.B. das Griechische die ursprünglichen Verhältnisse genauer wieder. Für die Kasusforschung waren aber zweifellos die sieben vibhaktis (Kasusformen) des Sanskrit grundlegend. 3 Hierfür waren mehrere Faktoren maßgeblich. So begründete die Sanskrit-Forschung die Auffassung, daß von einem volleren Kasusbestand auszugehen sei, als er im Griechischen oder Latein gegeben ist. 4 Das entsprach der allgemeinen wissenschaftstheoretischen Haltung der Zeit, daß eine Erklärung sprachlicher
aitiatike als accusativus sowie in der Bezeichnung des im Griech. nicht vorhandenen Ablativs als casus latinus. Beides wird auf Varro (126-27 v.C.) zurückgeführt. In der überkommenden Kasusbezeichnung wird zudem der besondere Status des Nominativs gegenüber den anderen Kasus deutlich: In der aristotelischen Unterscheidung von onomata und ptoseis onomatos noch nicht selbst als Kasus aufgefaßt, wird die nominale Grundform von den Stoikern zwar als Kasus verstanden, i.e. ptosis orthe 'casus rectus', als solcher aber weiterhin den ptoseis plagiai 'casus obliqui' gegenübergestellt. - Der Vokativ bleibt unberücksichtigt, da er außerhalb syntaktischer Beziehungen steht. 3
4
Hirt (1934:36) schreibt die kasuelle Vorbildfunktion allgemein den Sprachgruppen des Indoiranischen und Litu-Slawischen zu. Vgl. Holzweissig (1877:25): "Von dieser Thatsache eines ursprünglichen Casusbestandes von 8 Casus hat jede Untersuchung über die Casussyntax jeder idg. Einzelsprache, auch die griechische (und lateinische) Casussyntax auszugehen."
7 Erscheinungen sich (primär) in deren genetischer Herleitung ausdrückt.5 Wenngleich Bopp (1816) die Auffassung F. von Schlegels, daß das Sanskrit selbst die idg. Grundsprache sei, korrigiert hatte, wurde dem Sanskrit als ältester erreichbarer idg. Sprachstufe doch eine besondere 'Nähe' zum Uridg. zugeschrieben. Zum anderen stellen die ai. Kasusformen gewissermaßen das Gesamtinventar von kasuellen Wurzelelementen dar, die sich in den idg. Sprachen in unterschiedlicher Weise verteilt wiederfinden.6 Im Sinne des sprachgenetischen Ansatzes kann die Reduzierung der Kasusunterscheidungen als Zusammenfall (Synkretismus) verschiedener idg. 'Grundkasus' beschrieben werden (z.B. Delbrück 1907). Diese Bezüge hat Hirt (1934:36) in einer Tabelle zusammengefaßt: 7 Lat. Germ. Griech. (2) Idg. = Nom = Nom = Nom Nom Akk Akk = Akk = Akk Gen Gen Gen Gen Dat Dat Dat Dat Lok Dat Abi Dat Gen = Abi Abi Dat, Gen = Abi Ins Dat Dat Schließlich lagen in der Panini-Grammatik des Sanskrit detaillierte Benennungen und ausführliche Beispiele vor, die für die Kasusflexion der sieben vibhakti präzise Hinweise der Verwendung in Begriffen allgemeiner semantischer Relationen, karakas, angaben:8 5 6
7
8
Zum genetischen Erklärungsbegriff vgl. Stegmüller (1974:117ff.). Der idg. Lokativ findet sich als Restform in lat. domi 'zu Hause', ruri 'auf dem Land' etc. (s. Rubenbauer/Hofmann 1975:173) und allgemein in den arischen Sprachen (s. Delbrück 1893: 217ff.); den Instrumental gibt es z.B. noch im Baltisch-Slawischen (s. a.a.O.:232 u.ö.) Es gilt als sicher, "daß der griechische Genitiv aus zwei, der Dativ aus drei, der lateinische Ablativ aus drei, der gotische Dativ aus vier ursprünglichen Kasus zusammengeflossen sei." (Delbrück 1919:134) Die Korrelationen sind als jeweils auf die idg. Kasus bezogen zu verstehen. Über diesen Bezugspunkt ergeben sich mittelbar Entsprechungen zwischen den Sprachen. Nach Delbrück (1893:175); in eckigen Klammern Ergänzungen nach Philipose (1984:99). Die *arafca-Begriffe charakterisiert Delbrück (a.a.O.: 174f.) wie folgt: apadana: Wegnahme-, "was bei einer Trennung am Platze verbleibt", etc.; sampradana: Hingabe; "derjenige, mit Rücksicht auf den man mit einer Handlung vorgeht", karana: Werkzeug; "dasjenige, was ein Anderes (Akk.) unmittelbar zu Wege bringt ([...] das förderndste)"; adhikarana: Lokativ; "der Behälter, das Gebiet (einer Wirksamkeit oder Thätigkeit)"; karman: Handlung-, "dasjenige, was der Agens vor allem zu erreichen wünscht"; "auch [...] was bisher mit keinem anderen Namen [...] belegt worden ist [...]"; kartar·. Agens; "der aus eigenem Antrieb Handelnde". Die vibhaktis sind selbst uninterpretierte Kasusbegriffe, die in der Reihenfolge ihrer Nennung einfach als der erste, zweite bis siebte Kasus bezeichnet sind. (s. Philipose 1984:98f.) Sie sind den semantischen karaka-Begriffen regelhaft zugeordnet. Es ist nicht klar ist, ob die Benennungen als Kasusnamen zu verstehen sind oder lediglich Kapitelüberschriften wiedergeben. Der Nominativ (prathama, 'der Erste1) ist mit keiner speziellen karaka assoziiert: "Das ist natürlich nicht aus Unüberlegtheit geschehen, sondern weil die Inder den Agens in dem Suffix der dritten Person des Verbums finden, so gut wie in der ersten und zweiten." (a.a.O.: 181) Das erklärt auch die Zuordnung des kartar zum Instrumental im Passiv, in dem wiederum das karman, da bereits in der Passivendung des Verbs ausgedrückt, im Nominativ erscheint.
8 (3)
karaka apadana (Quelle) sampradana (Ziel) karana (Mittel) adhikarana (Ort) karman (Objekt) kartar (Agens) [hetu (Ursache)
=>
vibhakti pancami (Abl.) caturthi (Dat.) trtiva (Ins.), pancami (Abl.) [sasthi (Gen.)] saptami (Lok.), sasthi (Gen.) dvitiva (Akk.), caturthi (Dat.) [sasthi (Gen.)] trtiya (Ins.), sasthi (Gen.) trtiva (Ins.), pancami (Abl.), sasthi (Gen.)]
Für jeden karaka gibt es einen typischen vibhakti (Unterstreichung), so daß der karakaBegriff als die inhaltliche Interpretation des betreffenden vibhakti verstanden werden konnte: Er entspricht jedenfalls ziemlich genau dem, was man als 'Grundbedeutung' (Brugmann) bzw. 'Grundbegriff' (Delbrück) eines Kasus bezeichnete; vgl. (4) (zit. nach Brugmann 1902:417f.): (4) Nominativ: "der den Träger oder Mittelpunkt des Vorgangs bildende Nominalbegriff, [...] der Kasus des grammatischen Subjekts"; Akkusativ: "der Nominalbegriff, der vom Verbalbegriff am nächsten und ganz betroffen wird"; Genitiv: "wenn der Verbalbegriff nicht auf den vollen Umfang des Nominalbegriffs be zogen, sondern dieser als Sphäre vorgestellt wird, die von der Handlung nur berührt wird"; Ablativ: ein Punkt, "von dem aus die Handlung erfolgt"; Dativ: "der Nominalbegriff, mit Hinblick und Rücksicht auf welchen die Handlung geschieht, welchem die Handlung gilt, ... der Kasus der Beteiligung, des Interesses"; Lokativ: "der, innerhalb dessen sich die Handlung abspielt, in dem etwas ist oder eintrifft"; Instumental: "der, mit dem zusammen oder mit dessen Hilfe der Träger der Handlung diese vollzieht." Kurz: Die karakas des Sanskrit entsprechen weitgehend denjenigen semantischen 'Satzverhältnissen', die man durch die Kasus der jüngeren Sprachen ausgedrückt fand. Durch den Rückbezug auf einen volleren Kasusbestand wurde sowohl die heterogene Formenbildung einzelner Kasus wie auch die unterschiedlichen Funktionen synkretischer Kasus in Sprachen mit unterschiedlich weniger Kasusdistinktionen erklärt. Beiden Hauptvarianten der traditionellen Kasusforschung gemeinsam ist die Auffassung von Kasussystemen als einheitlichen Flexionsparadigmen. Das ist die einfachste Form der Darstellung und Modellbildung. Sie ist der Anschauung in den empirischen Phänomenen aber keineswegs auf unproblematische Weise vorgegeben.
1.2 Zum Problem des Kasusparadigmas Die Etablierung einzelsprachlicher Kasusparadigmen stellt für sich jeweils schon eine theoretische Abstraktion dar, da die jeweiligen Kasus nicht notwendig durch je eigene morDer Instrumental ist exemplarisch heterogen, da er der typische Kasus für unterschiedliche karakas ist. Im Akkusativ steht gemäß der Regel sese alles, was als karman aufgefaßt werden kann, wenn es nicht schon anders ausgedrückt ist -darin dem adnominalen Genitiv gleichend.
9 phologische F o r m e n repräsentiert sind, wie das z . B . im T ü r k i s c h e n der Fall ist; v g l . die Deklination von yil 'Jahr' (s. Wurzel 1984:81): sing. yil yil-i yil-a yil-in yil-dan yil-da
Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv Ablativ Lokativ
plur. yill-ar yill-ar-i yill-ar-a yill-ar-in yill-ar-dan yill-ar-da
Jeder Kasus hat eine eigene E n d u n g und dieselbe E n d u n g in beiden N u m e r i . Die nominalen Flexionskategorien sind durch separate S u f f i x e repräsentiert ( N u m e r u s d u r c h das Pluralm o r p h e m -ar-).
D e m g e g e n ü b e r gibt es nach Lyons (1968:291) im Latein keine N o m i n a l -
deklination, f ü r die alle Kasus in beiden N u m e r i morphologisch distinkt sind; vgl. z . B . : Nom. Akk. Dat. Gen. Abi. Nom. Akk. Dat. Gen. Abi.
masc. domin-us domin-um domin-o: domin-i: domin-o:
fem. flamm-a flamm-am flamm-ae flamm-ae flamm-a:
neutr. don-um don-um don-o: don-i: don-o:
domin-i: domin-o: s domin-i :s domin-o: rum domin-i :s 'Herr'
flamm-ae flamm-a:s flamm-i:s flamm-a:rum flamm-i:s 'Flamme'
don-a don-a don-i :s don-o: rum don-i :s 'Geschenk'
In j e d e m Paradigma treten dieselben Flexionssuffixe für verschiedene Kasus auf und dieselben Kasus w e r d e n in verschiedenen Paradigmen durch unterschiedliche Flexion m a r k i e r t . 9 N i m m t man andere Deklinationsklassen hinzu, wird das Bild noch unübersichtlicher. Z u d e m sind anders als im agglutinierenden Türkischen mit d e n K a s u s e n d u n g e n die b e i d e n anderen g r a m m a t i s c h e n Flexionskategorien des N o m e n s , N u m e r u s und G e n u s , v e r s c h m o l zen. W e n n dennoch eindeutig f ü n f Kasus unterschieden w e r d e n , dann "because this is the minimum n u m b e r of syntactically relevant distinctions with which it is possible to state rules of selection valid for all declensions [ . . . ] " (Lyons 1968:292). D a s bedeutet, daß K a susparadigmen nicht allein morphologisch begründet w o r d e n sind, sondern i m m e r schon eine linguistische Analyse darstellen, d i e von paradigmatischen und syntagmatischen Kriterien, F o r m - und Kontextvariation, Gebrauch macht. Die morphologische T r a n s p a r e n z einzelsprachlicher Kasussysteme ist dabei unabhängig von der Anzahl der jeweiligen Kasus. Obschon das Deutsche w e n i g e r Kasus a u f w e i s t als Türkisch und Latein und einen weitgehenden A b b a u der N o m i n a l f l e x i o n zeigt (vgl. H e i b i g / 9
So z.B. im Singular Dativ und Ablativ beim Maskulinum und Neutrum, Nominativ und sativ beim Neutrum, welche Form wiederum dem Akkusativ des Maskulinums gleicht, und Genitiv beim Femininum. Hinzu kommt, daß im Plural Dativ und Ablativ in jedem und z.T. in allen Generi durch dieselbe Form repräsentiert sind, daß für Maskulina und nina der Nominativ mit dem Gen.sing, übereinstimmt; etc.
AkkuDativ Genus Femi-
10 Buscha 1975: 203ff.; Duden IV: 185ff.), bereitet die Kasusklassifikation offensichtlich keine wesentlichen Probleme: 1 0 (7) Nom. Akk. Dat. Gen.
Typ I der Mann das Kind den Mann das Kind dem Mann-(e) dem Kind-(e) des Mann-(e)s des Kind-(e)s
Typ II der Held den Held-en dem Held-en des Held-en
Typ III die Frau die Frau der Frau der Frau
Wendet man morphologische Formkriterien z.B. auf das Englische an, wird man für Nomina nur noch zwei Kasus unterscheiden, einen "common case" und den Genitiv (Jespersen 1933), für Pronomina drei Kasus, wobei die morphologischen Distinktionen für Personalund Interrogativpronomina unterschiedlich ausfallen: (8)
a. b. c.
book : book's = 'Common Case' : Gen. he : him : his = Nom. Obj. : Gen. who : whom : whose = Nom./Obj. : Obl. : Gen.
Berücksichtigt man alle Distinktionen, könnte man auf dem Wege des paradigmatischen Ausgleichs ein 4-Kasus-System postulieren: (9) Nom. Obj. Obl. Gen.
Nomen book book book book's
Pers.pron. he him him his
Int.pron who who(m) whom whose
Das Kasusparadigma (9) weist zwar eine Parallelität zu den abstrakten Kasus der GBTheorie auf (s.u. (34)), seine Angemessenheit ist aber in der Tradition bestritten worden. 1 1 Die Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß die herkömmlichen Kasusparadigmen bereits theoretische Abstraktionen des Grammatikers darstellen. Um f ü r eine einzelne Sprache und sprachübergreifend eine paradigmatische Ordnung in den Bestand der Kasusformen zu bringen, sind immer schon theoretische Gesichtspunkte berücksichtigt worden. So wenig nun, wie Kasus allein aufgrund der morphologischen Form bestimmbar sind, sind sie es aus semantischen Gründen; vgl. Heibig (1973): "Wenn man [...] die Kasus allein nach der Bedeutung bestimmt, bedarf es nur noch eines weiteren Schrittes, um auch -neben den Kasusformantien- die Wortstellung und die Präpositionen in den Begriff des Kasus mit einzubeziehen. [...] Aber die Bestimmung von der Bedeutung her fuhrt noch zu einer weiteren Schwierigkeit, da es mehr Bedeutungen gibt als Kasus und jedem Kasus mehr als eine Bedeutung (im denotativen Bereich) zukommt [...]. Ein Aufbau des Kasus10
Bei dem Typ III der Feminina sind die Nomina formal nicht mehr unterschieden. Die Maskulina des Typs II haben einen morphologischen 'Gemeinschaftskasus' für die Casus obliqui im Gegensatz zum Casus rectus. Gemäß Typ I werden die Mehrzahl der Maskulina und alle Neutra dekliniert: Diese tendieren dazu, nur noch den Genitiv morphologisch zu kennzeichnen. Es liegt auf der Hand, daß die kasuellen Unterschiede an den Artikeln deutlicher werden als an den Nomina selbst.
11
Vgl. zusammenfassend Philipose (1984:215ff); dort auch zu der sog. Sonnenschein-JespersenDebatte (pp.238ff). Die morphologisch begründeten Einwände der traditionellen Grammatik basieren wohl darauf, daß die Nominalflexion den Normalzustand des Englischen darstellt, so daß die Pronominalmorphologie eher als diachrone Überreste früherer Sprachstufen anzusehen ist. Vgl. § 3 und Kap.IV zum Verlust der Objektiv-Oblique-Vnteischeidung im Englischen.
11 systems allein von den Bedeutungen her führt also -streng genommen- zu einer unermeßlich großen Anzahl von Kasus, führt zum Subjektivismus und zur Annahme von verschieden vielen Kasus in verschiedenen Grammatiken der gleichen Sprache." (a.a.O.:55) "Die eigentliche Problematik des Kasus besteht darin, daß es nach der Bedeutung (im sachlichdenotativen Bereich) eine große Menge von schwer bestimmbaren Fällen gibt, nach der Form aber bei jedem einzelnen Substantiv (bedingt durch den Zufall der Formen) eine verschiedene Anzahl von Kasus." (a.a.O.:56) Auch wenn die Einwände im einzelnen differenziert zu bewerten sind, wird man Helbigs Auffassung im Großen und Ganzen folgen können. Insofern Kasussysteme allein weder aus morphologischen, noch aus semantischen Kriterien begründbar erscheinen, sind sie auf eine syntaktische Grundlage zu stellen: Kasusflektierte Ausdrücke treten nicht in Isolation auf, sondern wechseln ihre Form in unterschiedlichen syntagmatischen Relationen. Es sind diese Beziehungen, die die Unterschei-dung der Kasus begründen und Gegenstand einer Kasustheorie sind: "Eine letzte Bestätigung für die Existenz der Kasus als einheitlicher Kategorien gewinnen wir [...] nicht auf formaler oder inhaltlicher, sondern auf syntaktischer Ebene." (Heibig 1973:58) 12 Jede Bestimmung der syntaktischen Kasusfunktionen muß den gegenläufigen Anforderungen der Universalität (Restriktivität) und der einzelsprachlichen Variation (deskriptive Vielfalt) Rechnung tragen. Das hat notwendig zur Folge, daß die empirischen Verhältnisse mittels einzelsprachunabhängiger Prinzipien rekonstruiert werden müssen.
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Heibig benutzt zum Nachweis der vier Kasus im Deutschen die strukturalistische Methode der "substitution-frames" (ibid.): a. [Kl] besucht den Freund Kl = Nominativ b. Er grüßt [K4] K4 = Akkusativ c. Wir danken [K3] K3 = Dativ d. Der Vater [K2] kommt K2 = Genitiv Wenngleich den Angaben nur exemplarischer Charakter zukommt, sind gegen das Verfahren grundsätzliche Einwände zu erheben. Zum einen setzt es voraus, was es nachweisen will: Die Postulierung der diagnostischen Substitutionsrahmen basieren auf Vorwegannahmen über die relevanten Kasusdistinktionen. Es gibt aber kein unabhängiges Kriterium für die Bestimmung, wieviele Kasusbeziehungen in einer Sprache zu unterscheiden sind. So bleibt unklar, wie etwa die diagnostischen Substitutionsrahmen (e)-(g) zu interpretieren sind: e. Er bedarf [Kx] Kx = der Hilfe - Genitiv f. Er spielt [Ky] Ky = den ganzen Tag = Akkusativ g. Er streunt [Kz] Kz = des Nachts = Genitiv Wenn Kx mit K2 gleichgesetzt wird, dann geschieht das aus morphologischen Gründen; entsprechend für Ky = K4 und Kz = K2. Wenn aber aus naheliegenden Gründen (lexikalische Subkategorisierung, syntaktische Distribution) Kx und Kz von K2 und Ky von K4 unterschieden werden, ist aufgrund dieser funktionalen Kasusdifferenzierung nicht mehr klar, wieviele Kasus für das Deutsche anzunehmen sind und wo eine 'obere Grenze' für Kasusunterscheidungen liegt. Zum anderen ist das Verfahren unter universalgrammatischem Gesichtspunkt und damit in Hinblick auf eine allgemeine Kasustheorie ungenügend: Es ist nur geeignet, gleiche Formen eines Substantivs unterschiedlichen Kasus zuzuordnen, wenn diese Formen bei einem anderen Substantiv unterschieden sind. Damit ist es aber für Sprachen ohne Kasusflexion ungeeignet -es sei denn, man wollte diesen Sprachen die Kasuskategorie absprechen.
12
1.3 Ein Modell für die Kategorie 'Kasus' Für die Kasuskategorie liegen v.a. zwei Entwürfe vor, die diesen Prämissen gerecht werden. Das ist zum einen die generative Theorie des abstrakten Kasus, die die syntaktischen Kasus unabhängig von ihrer morphologischen Realisierung als unterscheidbare strukturelle Rektionsverhältnisse rekonstruiert. Das ist zum anderen in der historisch-vergleichenden Tradition das Modell der Struktur grammatischer Kategorien von W.P. Schmid (1972), das mit einzelsprachlich neutralen Kriterien sieben generelle Kategoriefunktionen unterscheidet. Dem Kategoriensystem 'Kasus' gibt Schmid (1972:16; 1977) die folg Interpretation der Kasusfunktionen C r C 7 (rechts davon die idg. Kasusformen): (Nominativ) C i : Thema = Bezugspunkt von V (Akkusativ) C 2 : in direkter Relation zu Cj; durch V näher bestimmt (Lokativ) C 3 : gibt nähere Bestimmung im Gültigkeitsbereich Β an (Genitiv) C 4 : bestimmt nicht B, sondern nur Elemente in Β (Dativ) C 5 : wird außerhalb von Β durch Β näher bestimmt (Ablativ) aus C 6 : bestimmt Β von (Instrumental) C 7 : unbestimmt relativ zu Β Jedes Kategoriensystem ist durch einen Bezugspunkt, Thema, bestimmt. Es gibt ein Element, daß zum Thema in direkter Beziehung steht, C 2 . Die Elemente in direkter Beziehung zueinander, Cr und C2 stellen den Geltungsbereich Β der Kategorie dar, hinsichtlich dessen die anderen Kategoriefunktionen bestimmt sind. Ein Problem stellt die Ausdeutung der verschiedenen Spezifizierungen für die Positionen C3-C6 hinsichtlich der Bestimmtheit in/außerhalb/durch den Geltungsbereich Β bzw. von "'S aus dar. Diese Probleme hintangestellt, 13 ist die Position C7 als Null-Element des Kategoriensystems anzusehen. Der Status als neutrales Element ergibt sich zum einen aus empirischen Gründen: Jede Kategorie enthält offenkundig eine morphologische Form, die hinsichtlich der jeweiligen kategorialen Interpretation unspezifiziert ist: er in der Pronominaldeixis hinsichtlich der Sprechsituation; das zeitlose Präsens im Tempussystem hinsichtlich der Sprechzeit; der Injunktiv als neutraler Modus hinsichtlich der Sprecherwirklichkeit. Theoretisch folgt die Existenz des neutralen Systemelements aus der vorausgesetzten Kontextabhängigkeit sprachlicher Äußerungen, als deren Grammatikalisierung Schmid die pragmatischen Kategorien versteht (Schmid 1972: 8f., 10): 14 Die pragmatische Dimension eines Satzes kann per deßnitionem nicht Null sein; das ist aber nur dann gewährleistet, wenn das Fehlen ihres morphologischen Ausdrucks durch ein neutrales Element kompensiert ist. 13
14
Die strikt relationale Reinterpretation des Kategorienmodells durch Beifuß et al. (1985), die in Kap.V § 3.4 für die Diskussion des Status des Nominativs zugrunde gelegt wird, wird diesbezüglich größere Klarheit verschaffen. Schmid (1972) interpretiert die Satzstrukturformel S -» Μ χ Ρ als kartesisches Produkt aus pragmatischen Elementen der Modalität und syntaktischen und semantischen Elementen der Proposition. Keine der beiden Komponenten kann null sein: Jeder Satz ist notwendig kontextabhängig. Der pragmatische Kontext kann dann (insb. in der Wissenschaftssprache) nur in dem Sinne neutral sein, wenn pragmatische Kategorien eine Null-Form haben. Da das Kategorienschema für pragmatische Kategorien universalen Anspruch erhebt, sind M/W-Elemente auch für solche syntaktischen Kategorien anzunehmen, die unter das allgemeine Kategorienschema fallen.
13 Die Kriterien können insofern als unabhängig motiviert angesehen werden, als sie sich für die Analyse unterschiedlicher Kategorien wie (deiktisches) Pronomen, Tempus, Modus und eben auch Kasus als explanatorisch erweisen (s. Schmid 1972, 1977; Rauh 1983a,b; Beifuß et al. 1985). Da die Existenz der Funktionsstruktur zumindest partiell unabhängig von deren morphologischen Ausdrucksformen ist, können ähnlich der GB-Theorie prinzipiell zwei Typen von einzelsprachlichen Systemvariationen unterschieden werden: Funktionsneutralisierung, die zum Abbau distinkter Kasusrelationen führt und damit zu Systemvarianten des universalgrammatischen Modells, und Kasussynkretismus, der durch Zusammenfall morphologischer Formenunterschiede die Beziehungen zwischen Kasusfunktionen und -formen verändert, aber nicht notwendig die Funktionsstruktur. Sowohl vom theoretischen Ansatz wie von der Anwendbarkeit auf sprachvergleichende und sprachhistorische Fragestellungen stellen die beiden Kasusmodelle die vielversprechendsten Entwürfe dar. Im weiteren Gang der Erörterung werden daher Gesichtspunkte des Kategorienmodells von W.P. Schmid zu berücksichtigen sein. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der generativen Kasustheorie, die die Vorzüge hat, in eine umfassende Grammatikkonzeption integriert zu sein und die syntaktische Relevanz der Kasus zu betonen.
2. Die generative Standardtheorie des abstrakten Kasus Kasus ist in die generative Grammatik durch die Arbeiten von Rouveret/Vergnaud (1980) und v.a. Chomsky (1980a, 1981a) eingeführt worden. 15 Die folgende Darstellung (§ 2.2) orientiert sich an der Originalversion der GB-Theorie. Diese Grammatikkonzeption dürfte trotz verschiedener Neuerungen das seit der sog. Standardtheorie (Chomsky 1965) einem breiteren Publikum zumindest in ihren Grundzügen am besten bekannte generative Modell darstellen. 16 Die Modularität der Grammatikkonzeption macht eine knappe Darstellung des Modellrahmens und wichtiger theoretischer Begriffe erforderlich (§ 2.1), da auf diese in der Diskussion von Kasusphänomenen wiederholt Bezug genommen werden muß.
2.1 Grammatikmodell und theoretische Begriffe Die Grammatik ist wie in früheren Modellen in die Komponenten Lexikon, Syntax, Phonetische Form (PF) und Logische Form (LF) organisiert (s. (11)). Die Syntax hat zwei 15
Die Bemerkungen zu Kasus in Chomsky (1965:170ff.) dienten lediglich der Begründung der Merkmalsanalyse in der lexikalischen Subkategorisierung gegenüber früheren segmentalen Analysen der Flexionsmorphologie. Als oberflächensyntaktischer Erscheinung ist Kasus dabei keine weitergehende grammatiktheoretische Bedeutung beigemessen worden; s.a. Bierwisch (1967).
16
Gute Einführungen sind z.B. Fanselow/Felix (1987), von Stechow/Sternefeld (1988) und Haegeman (1990/1994). Auf neuere generative Entwicklungen von der Barrieren-Theorie (insb. Chomsky 1986a) bis zum Minimalismus-Programm (v.a. Chomsky 1989, 1992) wird nur an relevanten Stellen eingegangen. Wie der Gang der Darstellung zeigen wird, ist die hier vertretene Kasustheorie nur bedingt mit den neuesten Auffassungen verträglich.
14 relevante Repräsentationsebenen: Tiefenstruktur (D-Struktur) und Oberflächenstruktur (SStruktur): A Β C
Lexikon Syntax:
(12)
i. Basis ii. Transformation Interpretative Komponenten: i. Phonetische Form (PF) ii. Logische Form (LF)
i. ii. iii. iv. V.
vi. vii.
X-Bar-Theorie θ-Theorie Kasustheorie Bindungstheorie (Binding) Begrenzungstheorie (Bounding) Kontrolltheorie (Control) Rektionstheorie (Government)
Die Eigenschaften der Repräsentationsebenen sind modular durch die parametrisierten UGPrinzipien der Subtheorien (12) bestimmt; vgl. das Modellschema (13) (nach Seils 1985):
Form
Kontrolle
• Form
Zentrale Bedeutung und weitreichende Auswirkungen hat das sog. Projektionsprinzip. Es postuliert, daß syntaktische Strukturen Projektionen lexikalischer Eigenschaften sind: (14)
Proiektionsprinzip (PJP) "Representations at each syntactic level [...] are projected from the lexicon, in that they observe the subcategorization properties of lexical items." (Chomsky 1981a:29
Das PJP 'verzahnt' in informationserhaltender Weise das Lexikon mit den grammatischen Ebenen der D-, S-Struktur und LF und diese untereinander: D-Strukturen sind hinreichend und vollständig durch das Lexikon und die X-Bar-Theorie der Phrasenstruktur bestimmt. SStrukturen sind strukturerhaltende Abbildungen von D-Strukturen durch die generelle Bewegungsregel Bewege a. Da das PJP erzwingt, daß die D-Struktur-Positionen von bewegten Elementen erhalten bleiben, folgt die Spurentheorie der Transformationen. Die 'angereicherten' S-Strukturen enthalten alle relevanten D-Struktur-Informationen. LF- und PF-Repräsentationen sind voneinander unabhängige Abbildungen der S-Strukturen. 1 7 17
Der Begriff 'Logische Form' ist enger gefaßt als der frühere Begriff 'semantische Interpretation': LF "represents [...] those aspects of semantic structure that are expressed syntactically. Succinctly, the contribution of grammar to meaning." (May 1985:2) Das sind die satzgrammatisch formulierbaren Aspekte der semantischen Interpretation (s. Chomsky 1976), z.B. Quantoren- und Operatoreskopus und die Überprüfung von (i.w.S.) Bindungsrelationen zwischen Vindizierten Positionen. Koindizierungen entstehen durch die 'freie Indizierung' referentieller NPn in der D-Struktur, durch Bewegungen, die eine 'gebundene Spur' hinterlassen, oder durch Re-Indizierung in LF, z.B. zwischen Relativpronomen und Bezugsnomen.
15 Für die angemessenen LF-Interpretationen von Satzstrukturen dürfen auf den Zwischenebenen keine relevanten Informationen getilgt, eingefügt oder in ihren Strukturbeziehungen verändert werden. Das erfordert u.a., daß die Θ-Rollen von Lexemen in l:l-Beziehung zu den Argumenten in LF stehen. 18 Diese LF-Bedingung wird als Θ-Kriterium bezeichnet: (15) Θ-Kriterium "Each argument bears one and only one θ-role, and each θ-role is assigned to one and only one argument." (Chomsky 1981 a:36) Das PJP verschafft der Θ-Theorie Geltung für alle Ebenen der Repräsentation: Als direkte syntaktische Realisierungen lexikalischer Eigenschaften sind D-Strukturen 'reine' Repräsentationen der Θ-Rollen von Lexemen; in S-Strukturen können (D-strukturelle) Θ-Positionen durch Bewege α ausschließlich zu Non-0-Positionen in Beziehung gesetzt sein. 19 Die Form der D-Struktur (und der nachfolgenden Ebenen) ist durch die X-Bar-Theorie bestimmt. Die X-Bar-Theorie ist eine restriktive Hypothese über die zulässigen Phrasenstrukturen in natürlichen Sprachen. Die wesentlichen Postulate sind, daß Phrasenkategorien als Projektionen der kategorialen Eigenschaften ihrer Köpfe ("heads") keinen unabhängigen Status haben und daß die Kopfkategorien nicht syntaktische Primitive darstellen, sondern als Bündel syntaktischer Merkmale analysierbar sind (z.B. Chomsky 1970). Syntaktische Kategorien, die durch die Merkmale [±N,±V] ([ + N] = 'substantivisch'; [ +V] = 'prädikativ') analysierbar sind, werden als lexikalische Kategorien bezeichnet: 20
18
19
20
Zur PF-Ebene zählen morphonologische 'Anpassungen' ("readjustment rules"), wie z.B. die Affigierung des Tempus-Flexivs an einen Verbstamm), die optionale Tilgung grammatischer Formative (z.B. der "complementizers" that und for in verbadjazenter Position), bestimmte Oberflächenfilter' (vgl. Chomsky/Lasnik 1977) und eventuell stilistische Bewegungen. Argumente sind lexikalische Phrasen in θ-markierten Positionen (meist: NP): "X = NP is an argument of Y iff X is assigned a θ-role listed in the lexical entry of Y by Y or by a projection of Y." (Jaeggli 1986:590) Vgl. auch Chomsky (1981a:35f.). Θ-Rollen werden in LF-Strukturen unter Rektion syntaktischen Positionen zugewiesen ("θ-role assignment"). Das Θ-Kriterium beschränkt syntaktische Bewegungen: Die Bewegung aus einer Non-0-Position verletzt das Θ-Kriterium in der D-Struktur; die Bewegung in eine Θ-Position verletzt das ΘKriterium in der S-Struktur. Das bedeutet, daß eine bewegte Phrase und ihre obligatorisch gebundene(n) Spur(en) in Hinblick auf das Θ-Kriterium als ein formales Objekt aufgefaßt werden können, als syntaktische Kette von transformationell koindizierten Positionen: (x^..., xn) mit xn als D-Struktur-Position und x i als S-strukturellem Kopf der Kette. Nicht-bewegte Phrasen sind ein-gliedrige Ketten, f.d.g.: x{ = xn. Das erlaubt, das Θ-Kriterium als Eigenschaft von Ketten aufzufassen: Jede Kette muß genau eine Θ-Rolle haben; jede lexikalische Θ-Rolle wird genau einer Kette zugeordnet. Zwischenglieder von Ketten müssen ebenfalls in Non-0-Positionen stehen. Es ist impliziert, daß die 'natürlichen' Klassen von Kategorien -die durch weniger Merkmale beschreibbar sind als die einzelnen Elemente der Klasse- grammatische Eigenschaften teilen, z.B.: [-N]-Kategorien, V und P, sind im Engl, kasuszuweisende Kategorien, d.h. nur sie können mit 'direkten Objekten' auftreten; [+N]-Kategorien, Ν und A, sind potentielle Kasusträger und zeigen z.B. im Deutschen Kasuskongruenz in attributiver Beziehung; [-V]-Kategorien, Ν und P, fungieren als 'Argumente' (Subjekt und Objekte) lexikalischer Kategorien; [ + V]-Kategorien, V und A, haben keine referentielle Funktion und treten (i.d.R.) nicht als Argumente auf.
16 (16)
V A Ν Ρ
[-N, +V] [+N, +V] [+N, -V] [-N, -V]
Zu den Kategorien, die durch andere Merkmale charakterisiert sind, gehören die Artikelelemente DET (z.B. [±definite]), die Konjunktionen COMP ([±WH]) und die Satzflexionsmerkmale INFL, die durch [±Tense] und die AGR(eement)-Merkmale [Person, Number] spezifiziert sind. Diese werden auch funktionale Kategorien genannt. Phrasenkategorien sind 1- und 2-stufige Projektionen X' bzw. XP ( = X m l = X") über den Kopfkategorien X°. Die Phrasenstruktur über Köpfen richtet sich in allen Kategorien nach den Schemata (17); YP* steht für null oder mehr Vorkommen von Phrasen: (17) a. X' = X°, YP* b. XP = X \ YP* Es werden zwei Arten von kopf-abhängigen Elementen unterschieden: Die Phrasen YP in (17a) werden als Komplemente bezeichnet; es sind die das Lexem in der Position X° strikt subkategorisierenden Elemente. Die Kategorien YP, die mit X' eine maximale Phrase XP bilden, werden als Spezifikatoren (kurz: Spec) bezeichnet. 21 Die Kopf-Komplement-Abfolgen sind einzelsprachlich parametrisiert. 22 Die Stellung der Komplemente relativ zum Kopf ergibt sich aus dem sog. Head Parameter: X° tritt in X' ausschließlich entweder initial oder final auf (s. Stowell 1981). Die unmarkierten Optionen 'X°-Erst' bzw. 'X°-End' bestimmen die rekursive Seite lexikalischer Kategorien und damit die relative Kopf-Komplement-Ordnung. 23 Die idealtypischen Schemata (17) sind zu restriktiv, um die tatsächlichen Strukturmöglichkeiten vollständig zu erfassen. Zusätzliche Struktur ergibt sich, wenn alle X-BarKategorien als potentiell rekursiv aufgefaßt werden. 24 Wenngleich damit dem restriktiven 21
22
23
24
Spezifikatoren sind in der Regel kategorienspezifisch beschränkte Elemente, z.B. Artikel oder possessive NPn in NP (the book, John 's book), Gradpartikel oder AdvP in AP (very eager, quite unexpectedly successfid) oder Adverbialpartikel und measure-NPn in PP (right to the wall, five miles down the river). Spezifikatoren treten i.allg. konsistent links-peripher auf. Die Gradpartikel sehr in (b) ist entweder anders als im Engl, kein Spezifikator oder die auf-PP vorangestellt: A · UP very [A.curious about the result ]] b. [AP auf das Ergebnis sehr neugierig ] Das Englische ist in allen Kategorien X°-initial, das Japanische durchgängig X°-final; das Deutsche hat X°-End für V, X°-Erst fur Ν und Ρ und für Α beide Optionen: a. daß er [y.das Kind küßte] vs. *daß er küßte das Kind b. die [N.Zerstörung der Stadt] vs. *die der Stadt Zerstörung c. [p.auf dem Tisch] vs. *dem Tisch auf d. sie war [A.wütend auf ihn] vs. auf ihn wütend Es gilt als der unmarkierte Fall, daß in einer Sprache die Stellung der Spezifikatoren und Komplemente relativ zum Kern für alle Kategorien gleich ist. Insofern ist das deutsche Mischsystem als markiert anzusehen (zu den Besonderheiten des Deutschen vgl. insb. Tappe 1985:28ff.). Adjunkte (= Angaben) werden entweder als V'-Schwestern (z.B. Radford 1988) oder VPAdjunktionen (z.B. Pollock 1989; Chomsky 1989, 1992) aufgefaßt. Mehrere Adjunkte erfordern dann X'- bzw. XP-Rekursivität. X°-Rekursivität ergibt sich aus Inkorporationsprozessen.
17 X-Bar-Schema ein großes Maß an Flexibilität zugeschrieben wird, ist die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten durch das PJP beschränkt. X-Bar-Strukturen werden nach den Erfordernissen der Projektion lexikalischer auf syntaktische Repräsentationen restriktiv realisiert. Unter dem Zusammenspiel des PJP mit anderen Modulen der Grammatik haben PS-Regeln keinen unabhängigen Status mehr: Die phrasenstrukturelle Basis besteht nur noch aus dem X-Bar-Schema und der relevanten Parametrisierungen (s. Stowell 1981, Chomsky 1982). Die X-Bar-Theorie stipuliert Endozentrizität der Kategorien als den unmarkierten Fall: Alle Phrasenkategorien sind kategoriale Projektionen eines X°-Kopfes. In diesem Sinne werden auch die früheren Satzkategorien S' und S als Projektionen über den funktionalen Köpfen COMP ( = C°) und INFL ( = 1°) analysiert (s. v.a. Stowell 1981, Chomsky 1986a). 2 5 Sätze erhalten damit eine CP-IP-VP-Struktur: (18)
[ C P {Spec) [ C , C° [ I P NP [ r 1° VP ]]]]
Die wesentlichen Bestandteile der Rektionstheorie sind der Begriff Rektion
als zentraler
Strukturbegriff, durch den strukturabhängige Wirkungen anderer Subtheorien ausgedrückt werden, und das Prinzip
der leeren Kategorie
("Empty Category Principle"; kurz: ECP),
das die Distribution von Leerstellen einer Rektionsbeschränkung unterwirft. Rektion ist im Gegensatz zum traditionellen morphologischen Rektionsbegriff -etwa: "Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses der Wörter zueinander durch die Flexion" (Rubenbauer/Hofmann 1 9 7 5 : 6 6 ) - als rein struktureller Begriff definiert: 2 6 (19)
Rektion In [ γ . . . β . . . α . . . p . . . ] regiert α ρ g.d.w.: (i) α = Χ° und (ii) die maximale Projektion, die α dominiert, auch ρ dominiert und umgekehrt.
Der Effekt ist, daß ein Kopf alle Phrasen in seiner X P - D o m ä n e regiert, aber nicht aus seiner XP-Projektion heraus, noch in eine X P hinein: "Thus the maximal projections [ . . . ] are absolute barriers to government" (Chomsky 1981a: 164). 2 7 Der barrier-Eifekt
schließt aus,
daß Rektionsbeziehungen überlappen: Ein Element kann nur einmal regiert sein. Der zweite wichtige Strukturbegriff neben Rektion ist der des "c(onstituent)-command" (nach Reinhart 1976, 1979): (20)
C-Kommando: Ein Knoten α c-kommandiert einen Knoten Ρ g.d.w.: (i) α nicht Ρ dominiert oder umgekehrt und (ii) der erste verzweigende Knoten über α den Knoten ρ dominiert.
25
Die Annahme, daß die Kategorie 'Satz' eine exozentrische Konstruktion ist (z.B. Bloomfield 1933), ist auch in solchen generativen Arbeiten impliziert, in denen S' und S nicht unter das XBar-Schema fallen, i.e. die konventionelle feNP INFL VP]-Struktur (so noch Chomsky 1981a).
26
Nach Aoun/Sportiche (1983:228) und Chomsky (1981a: 162ff.). Rektion und C-Kommando sind immer wieder redefiniert und zueinander in Beziehung gesetzt worden (s.a. Anm.51).
27
Vgl. die V-Komplement-Adjunkt-Struktur (a): a. ... [vplv'V NP] [ P P P NP*]] ... V regiert NP und PP in VP, aber nicht NP*, das durch den minimalen Regenten Ρ vor der VRektion geschützt ist. Ebensowenig regiert V aus VP heraus, etwa das Subjekt in SpecIP.
18 Gemäß (20) c-kommandiert eine Kategorie alle Schwesterkategorien und deren Konstituenten, aber nicht Elemente außerhalb der Schwester-Domäne. 28 Allgemein definiert C-Kommando 'Prominenz'-Beziehungen zwischen strukturellen Positionen. Der Kerngedanke des allgemeine Rektionsbegriffs (19) ist, daß der Kopf einer Phrase die Elemente in Konstruktion mit ihm regiert. Für verschiedene Subtheorien kann Rektion in unterschiedlicher Weise 'adaptiert' sein (s. Safir 1982:419ff.). Ein spezieller Rektionsbegriff liegt dem Empty Category Principle zugrunde (vgl. z.B. Chomsky 1981a:250): (21) Prinzip der leeren Kategorie (ECP) Eine leere Kategorie [ XP e] muß strikt regiert sein. (22) Strikte Rektion ("proper government") Eine Kategorie β wird von α strikt regiert, wenn: (i) α eine lexikalische Kategorie ist und β regiert oder (ii) β mit α koindiziert ist. Gemäß (22i) sind die lexikalischen Kategorien Ν, V, A, P, aber nicht INFL, strikte Regenten -eine Einschränkung des allgemeinen Rektionsbegriffs. Gemäß (22ii) ist strikte Rektion auch gegeben, wenn eine Leerstelle mit einer c-kommandierenden Phrase in Spec- oder Adjunktionsstelle (modulo anderer Subtheorien aus (12)) koindiziert ist -eine Erweiterung des allgemeinen Rektionsbegriffs. Das ECP beschränkt das Auftreten von Spuren. Da Bewege α auch in LF operiert, gilt das ECP als LF-Bedingung, deren Effekte gemäß dem PJP auch S-strukturell wirksam sind. Hier genügt ein Blick auf die sog. that-trace-Phänomene (52a-b), die klassischen ECP-Fälle: (23) a. b. c.
Who do [ IP you know [ C P t [ IP t cheated John ]]] *Who do [ipyou know [ c p t that [ [p t cheated John ]]] Who do [ IP you know [ C P t (that) [ IP John cheated t ]]]
Die leere SU-Stelle in (23a-b) ist nicht gemäß (22i) lexikalisch regiert ("lexical ment"), da INFL kein lexikalischer Regent ist. Die SU-Spur kann mithin nur durch zierung mit einem Antezedenten gemäß (22ii) dem ECP Genüge tun ("antecedent ment"). Koindizierungsrelationen sind nur wohlgeformt, wenn der Antezedent die kommandiert. In der CP-Struktur c-kommandieren sowohl die C°-Partikel wie auch Spur die SpecIP-Stelle: (24)
[cpXP; [ c , ( / M b
-
governKoindigovernSpur cdie Wh-
ii •··]]]
Es ist also zusätzlich anzunehmen, daß ein phonetisch realisiertes C° die Antezedent-Rektion durch XP; in SpecCP blockiert. 29 Es folgt die Grammatikalität von (23a) qua Anteze28
Hinsichtlich der Satzstruktur (18) gilt: SpecCP c-kommandiert C' und alle Elemente in C'; C° ckommandiert IP und alle Elemente in IP; SpecIP (die Subjekt-NP) c-kommandiert I' und deren Elemente; etc.. Gegenüber dem früheren C-Kommando bringt der Rektionsbegriff folgende Einschränkungen: Nur χΟ-Kategorien sind Regenten (c-kommandieren können auch Phrasenkategorien); regierte Elemente sind maximale Phrasen (c-kommandiert können auch nichtmaximale Phrasen sein); die strukturelle Relation 'Rektion' ist lokal beschränkt auf die Beziehung innerhalb einer Phrasenkategorie (C-Kommandierung ist nicht lokal beschränkt).
29
Aoun/Hornstein/Sportiche (1980:80) schlagen für die frühere COMP-Struktur die Indizierungskonvention (a) vor:
19 dent-Rektion (22ii) und die Ungrammatikalität von (23b), da weder lexikalische noch Antezedent-Rektion gegeben ist, so daß die SU-Spur das ECP verletzt. In Beispiel (23c) ist die WH-Extraktion aus der postverbalen Position möglich, unabhängig davon, ob in CP die Satzpartikel auftritt oder nicht: Die Leerstelle in VP ist gemäß (22i) durch V lexikalisch regiert und somit für das ECP legitimiert. Das läßt annehmen, daß Leerstellen im Sinne des ECP entweder durch lexikalische Rektion oder durch AntezedentRektion strikt regiert sind (exklusives oder in (22)): Antezedent-Rektion legitimiert Leerstellen in SpecCP und der SU-Stelle (SpecIP); alle anderen Leerstellen müssen lexikalisch regiert sein. Gegenstand der Bindungstheorie sind (i.w.S.) anaphorische Beziehungen zwischen koindizierten Positionen im Satz. Strukturelle Indizes der "intended reference" werden in der Basis frei generiert. Die Bindungstheorie 'überprüft' mögliche Ko-Indizierungen. Den Begriff 'Bindung' hat Chomsky (1981a: 184) definiert: (25) α bindet β g.d.w. α und β koindiziert sind und α β c-kommandiert. Koindizierungen, in denen der Antezedent die koindizierte Stelle nicht c-kommandiert, fallen nicht unter Bindung; vgl. (26a). Je nachdem, ob der Antezedent in einer A(rgument)Stelle steht oder nicht, spricht man von A- bzw. Non-A-Bindung; vgl. (26b v.r. c): (26) a. b. c.
[ the pet [Mary lent to Βί11( ]] frightened himj Johrij has [ V p tickled himselfj ] This bookj [ c p John wouldn't lent itj to anyone ]
Im engeren Sinn befaßt sich die Bindungstheorie mit den Relationen der Α-Bindung. Für jeden der drei NP-Typen Anapher, Pronominal und R-Ausdruck wird der anaphorische Normalzustand als Bindungsprinzip formuliert (s. Chomsky 1981a: 188): 30
30
A · [COMP XPi ••·] [COMP "·1Ί · iff C O M P dominates only/-indexed elements. Für die neuere CP-Analyse wäre das etwa so zu reformulieren: Der Spezifikator in CP kann in die IP nur c-kommandieren, wenn CP denselben Index hat wie SpecCP. Das ist der Fall, wenn kein lexikalisches C°-Element als Kopf vorhanden ist, dessen Index gemäß der X-Bar-Theorie mit Priorität auf C' und CP perkoliert. Unter dieser Reinterpretation ergeben sich für die eingebetteten CP-Strukturen in (23a-b) die folgenden indexikalischen Konfigurationen: b. . . . [ C P I X P I C ° [ I P T J . . . ]] c. ... [ c p Xj thatx [,ρί; ...]] Struktur (c) stellt die ECP-Verletzung des that-trace-PMes dar. Den blockierenden Effekt für Antezedent-Rektion hat nur ein basisgenerierter "complementizer", nicht aber das bewegte INFL, wie die Auxiliar-Inversion in den Matrix-Sätzen (23) zeigt. Anaphern sind Nominale, die keine eigene Referenz haben und daher notwendig anaphorisch gebunden sind, i.e. Reflexivä, Reziproka etc.. Pronominale (Pronomen der 3.Pers.) können selbständig referieren oder anaphorisch gebunden sein. R(eferentielle)-Ausdrücke sind Namen und lexikalische NPs, die selbständig referieren und daher nicht Α-gebunden sein können. Es ist eine entscheidende Neuerung gegenüber früheren Theorien der anaphorischen Relationen, daß Bindung nicht mehr als Relation zwischen zwei Positionen beschrieben wird, sondern als Distribution gebundener NPn in 'lokalen' Domänenß. Die Bindungsprinzipien basieren auf den anaphorischen Verhältnissen in allereinfachsten Sätzen: a. Johnj likes h i m s e l f ^ / *Himself] likes John 1/x = BP (A) b. Joto^ said [ that Bill2 likes him1/»2/x ] = BP (B) c. Tomj knew [ that John2 said [ that Bill3 likes Alf*1/*2/*3/x 11 = BP (C)
20 (27)
Bindungsprinzipien: (Α) Eine Anapher ist in ihrer Bindungsdomäne A-gebunden; (B) ein Pronominal ist in seiner Bindungsdomäne A-frei; (C) ein R-Ausdruck überall A-frei.
Gemäß den Bindungsprinzipien (A) und (B) sind Anaphern und Pronomen komplementär distribuiert. In der lokalen Domäne, 31 hier IP, in der Anaphern einen c-kommandierenden Antezedenten haben müssen, dürfen Pronominale nicht gebunden sein; vgl. (28): (28)
a. b.
Toni] knew that [j P John 2 had told Bill3 the truth about himself2/3 ] Τοπ»! knew that [ I P John 2 had told Bill3 the truth about him 1/x ]
Für Anaphern ist i.d.R. offen, welche von zwei lokal c-kommandierenden NPn als Antezedent interpretiert wird; vgl. (28a). Da es keine Struktur gibt, in der ein Pronomen notwendig Α-gebunden ist 32 , ist satzgrammatisch nur formulierbar, in welcher lokalen Domäne ein Pronomen keinen Antezedenten haben kann (so bereits Lasnik 1976, Reinhart 1976, Bresnan 1978); außerhalb dieser Domäne ist es in der Wahl des Antezedenten frei; vgl. (28b). - Gemäß Bindungsprinzip (C) müssen R-Ausdrücke in jeder Domäne A-frei sein. 33
31
In dem Begriff 'Bindungsdomäne' ist die traditionelle Auffassung der Subjektorientiertheit anaphorischer Relationen wiedergegeben: "The intuitive idea [...] is that an anaphor or pronominal searches for the closest SUBJECT to which it can be linked, where linking involves coreference for an anaphor and disjoint reference for a pronominal. [...] 'Searching for a subject' is a standard device for anaphora in many languages, [...]." (Chomsky 1981a:211) Den Begriff 'Bindungsdomäne' ("Binding category") definiert Chomsky (1981a: 188, 211): β ist die Bindungsdomäne für α genau dann, wenn β die minimale Kategorie ist, die α, einen Regenten für α und ein SUBJEKT enthält, das für α 'erreichbar' ist. Unter den verallgemeinerten Subjekt-Begriff, SUBJEKT, fallen die strukturellen SU-Stellen in IP und NP und die pronominalen Kongruenzmerkmale des finiten INFL. In Sprachen, in denen ein pronominales Subjekt unrealisiert bleiben kann (den sog. 'Pro-Drop'-Sprachen), zeigen die AGR-Merkmale dieselben Effekte für SU-sensitive Prozesse wie das strukturelle Subjekt. Ein SUBJEKT ist 'erreichbar' ("accessible") für ein regiertes Element, wenn es vom SUBJEKT ckommandiert ist. AGR selbst -wie auch die Koindizierung zwischen Subjekt-NP und AGR, i.e. Kongruenz- fallen nicht unter die Bindungstheorie: AGR hat zwar (pro-)nominale Merkmale, ist selbst aber kein NP-Argument und mithin für Α-Bindung nicht relevant (s. a.a.O. :211f.). Für Elemente in VP ist immer die minimale IP die Bindungsdomäne: IP enthält das regierte Element ( = Komplement), einen Regenten ( = V) und ein SUBJEKT, SpecIP und/oder AGR. Für ein Subjekt in SpecIP ist IP nur dann eine Bindungsdomäne, wenn 1° AGR-Merkmale aufweist: 1° ist der Regent und AGR das erreichbare SUBJEKT für die Subjekt-NP. In infiniten Sätzen hat 1° keine AGR-Merkmale, so daß IP keine Bindungskategorie für die Subjekt-NP ist. NPn sind Bindungskategorien, wenn SpecNP lexikalische (aber nicht DET) Elemente enthält. Der Begriff 'Bindungsdomäne' gibt eine unabhängige Bestimmung dafür, weshalb IP immer und NP optional die Domänen sind, in denen eine Anapher Α-gebunden und ein Pronominal A-frei sein muß.
32
In (26c) sind topikalische NP und Pronomen zwar obligatorisch koindiziert. Das ist jedoch durch die NP induziert: Diese muß mit einer θ-markierten Position in IP koindiziert sein, um dem Θ-Kriterium zu genügen. Hinzu kommt, daß ein Pronomen über Sätze hinweg einen Antezedenten haben kann, so daß tatsächliche Antezedent-Pronomen-Relationen eher ein Phänomen der Diskursgrammatik darstellen (s. Williams 1977, Stenning 1978).
33
Das ist in der Regel unproblematisch. Ein Problem sind lediglich Epitheta wie the bastard, die in bestimmten Konfigurationen, wie (a), koreferent mit einem anderen R-Ausdruck sein können:
21 Die Bindungstheorie generalisiert über Spuren von Bewegungen: 34 Die Spuren der NPBewegung sind immer lokal in einer Α-Position gebunden; sie verhalten sich wie Anaphern und unterliegen dem Bindungsprinzip (A). Die Spuren von WH-Bewegung und Adjunktion müssen lokal non-A-gebunden sein; sie sind immer Α-frei und fallen wie R-Ausdrücke unter das Bindungsprinzip (C). 3 5 Die Koindizierungsrelationen von Wh-Spuren werden in Parallelität zu Operator-Variablen-Relationen der LF-Struktur auch als 0(perator)-Bindung und die WTi-Spuren als (syntaktische) Variablen bezeichnet.
2.2 Das kasustheoretische Grammatikmodul Auf den ersten Blick gibt es wenig Parallelen zwischen der traditionellen Kasusforschung und der generativen Kasustheorie. Die Theorie des abstrakten Kasus stellt einen syntaktischstrukturellen Kasusbegriff in den Mittelpunkt, wobei morphologische Kasusphänomene bisher allenfalls als Diagnostik für abstrakte Kasusrelationen berücksichtigt worden sind und von einer semantischen Interpretation der Kasus gänzlich Abstand genommen ist. Die Theorie des abstrakten Kasus regelt die syntaktische Distribution von NPn. Sie definiert in allgemeiner Weise, in welchen syntaktischen Positionen und unter welchen strukturellen Bedingungen lexikalische NPn auftreten können. Insofern kann die Kasustheorie als das komplementäre Grammatikmodul zu der Theorie des Lexikons verstanden werden: Die lexikalische Subkategorisierung gibt an, mit wievielen (i.d.R. nominalen) Argumenten ein Lexem konstruiert ist; die Kasustheorie bestimmt zusammen mit der Θ-Theorie die syntaktischen Realisierungsbedingungen für lexikalische Argumente.
34
35
a. we arrested John1 when the bastard; came in Zu Epitheta und deren möglichen Konsequenzen für die Bindungstheorie vgl. z.B. Hornstein (1989), Huang (1984, 1991) und Lasnik (1986). Die bindungstheoretischen Merkmale 'anaphorisch' / 'pronominal' sind Grundlage der funktionalen Klassifikation von phonetischen bzw. nicht-realisierten NP-Typen (s. Chomsky 1982:78): 'lexikalisch' 'leer' a. [+anaphor, -pronominal] Anapher NP-Spur b. [-anaphor, +pronominal] Pronomen pro c. [+anaphor, + pronominal] — PRO d. [-anaphor,-pronominal] R-Ausdruck vbl(= VV7i-Spur) Das phonetisch nicht realisierte Θ-Subjekt von Infinitiven PRO tritt wie overte Pronomen A-frei oder mit einem Θ-Antezedenten auf; wie overte Anaphern hat PRO keine eigene spezifische Referenz (s. Chomsky 1982:25, 31). Um dem Widerspruch zwischen den Bindungsprinzipien (A) und (B) zu entgehen, muß es unregiert sein, und eine unregierte NP kann nicht phonetisch realisiert sein. Ein overtes Element des Typs (c) kann es aus denselben Gründen nicht geben. Das "kleine" pro ist das 'fehlende' Subjekt finiter Sätze in den sog. Pro-Drop-Sprachen; vgl. ital. [N'
[ θ[ , θ 2 , θ 3 ] 16
"
b'.
buy
< Q u , THj, G o , T H 2 >
[ θ2 ,
]
(R-Str.)
(A-Str.)
Daß die Vorfeldposition für den Konstituententest geeignet ist, haben z.B. van der Velde (1978) und Haider (1982, 1983) in Frage gestellt. Dagegen haben z.B. Wunderlich (1984), Tappe (1985) und Scherpenisse (1986) empirisch und grammatiktheoretisch gerechtfertigt, daß derart komplexe PPn wie in (18) oder (20d-e) als Konstituente analysierbar sind.
58 (20)
a. b. c. d. e. f.
The dog dashed out from under the bed The dog dashed to the door The dog dashed through the room The dog dashed from the bed to the door The dog dashed from the bed through the room to the door *The dog dashed
=
QUELLE
=
ZIEL
=
WEG
= QUELLE & ZIEL = QUELLE & WEG & ZIEL
Wenn man dem Verb nicht unterschiedliche Subkategorisierungsrahmen zuschreiben möchte, muß es über die allgemeine Kennzeichnung len
ZIEL, W E G
und
QUELLE
RICHTUNG
hinaus unspezifiziert für die Rol-
bleiben. In der Theorie der konzeptuellen Semantik von Jack-
endoff (1983) repräsentieren solche PPs ein lexikalisches Argument, das in die relevanten Subrollen analysierbar ist. Individuelle Lexeme unterscheiden sich darin, in welcher Weise die Komponenten dieses Arguments realisiert sein können. Zu erklären ist dann, weshalb ein lexikalisches A r g u m e n t unter Umständen auf verschiedene syntaktische Positionen abbildbar ist. Es ist festzustellen, daß derartige "mismatches" zwischen semantischer Struktur von Lexemen und deren syntaktischer Realisierung bei Kasusobjekten nicht vorkommen und auf die adverbialen Komplemente von Bewegungsverben beschränkt erscheinen. Das Beispiel (14e) stellt eine für deskriptive Gebrauchsgrammatiken nicht untypische Fehlanalyse dar: Die Adverbiale im Wartezimmer ist kein primäres Satzglied, sondern gehört zum Infinitiv, wie der Vorfeld-Test ausweist; vgl. (21a/b): (21)
a. b.
[ im Wartezimmer sitzen ] hat ( I P der Arzt viele Patienten t gehabt ] *Im Wartezimmer gehabt hat der Arzt viele Patienten sitzen
c.
[ viele Patienten im Wartezimmer sitzen ] hat [ I P der Arzt nur am Montag t gehabt ]
Und (21c) läßt auch den Akkusativ als Argument zum Infinitiv analysieren. Dafür spricht ebenfalls, daß die Akkusativ-NP immer in einer thematischen Beziehung zum infiniten Verb steht, aber nicht zu haben: (22)
a. b. c.
Er hat ein Rennpferd (in Vincennes) laufen Er hat das Buch auf dem Tisch liegen Er hat das Buch auf den Tisch gelegt
Insbesondere weisen diese Akkusative nicht die possessive Interpretation auf, die für das transitive haben charakteristisch ist, z.B. er hat ein Buch. Hinzu kommt, daß nicht jegliche Akk-Inf-Kombinationen als (23)
a. b. c. d.
*Er *Er *Er *Er
hat hat hat hat
tafcen-Komplement
auftreten können:
den Mann das Buch auf den Tisch legen das Rennpferd in Vincennes siegen den Vogel singen die Leute schlafen
Verben mit lexikalischem Subjekt und Objekt können nicht als /iööen-Komplement auftreten, s. (23a), sondern nur in der Partizipialstruktur, s. (22c). Intransitive Verben unterscheiden sich darin, ob sie als Komplement zu haben fungieren können, s. (14e) und (22a-b), oder nicht, s. (23b-c). Dieser Kontrast erinnert an Burzios Ergativ-Hypothese. 1 7 Es hat den
17
Nach Burzio (1981) bilden 'ergative' Verben das Perfekt mit sein (ital. es sere) im Gegegensatz zum haben-Perfekt (ital. avere) der Transitiva und echten Intransitiva. Wenngleich die Perfektbildung im Dt. nicht so systematisch ist wie im Ital., s. Beisp. (b), bilden die Verben, die in der /zoften+LNF-Konstruktion nicht auftreten können, in der Regel das iew-Perfekt, s. (a)-(c), wäh-
59 Anschein, daß haben in (14e) nur mit Infinitivverben konstruiert, die kein lexikalisches Subjekt subkategorisieren: den 'ergativen' Intransitiva. Wir lassen hier den kategorialen Status des Infinitivkomplements und die Akkusativ-Zuweisung in solchen Strukturen noch offen. Zunächst genügt es, auf die Unzulänglichkeiten einer rein oberflächensyntaktischen Identifizierung von Valenzträgern, wie sie Helbig/Buscha geben, hingewiesen zu haben. Insgesamt läßt sich sagen, daß sich die vermeintlich 4-wertigen Verben im allgemeinen im Rahmen der Drei-Argumente-Beschränkung reanalysieren lassen. Selbst wenn im Einzelfall die Argumentreduktion problematisch erscheint, berühren derartige zusätzliche Argumente nicht das allgemeine Muster der Kasusverteilung, da ein viertes Argument niemals als reiner Kasus, sondern immer nur als Präpositionalobjekt oder adverbiale PP auftritt.
2. Zur Abfolge kasusmarkierter Satzglieder Wenngleich das Deutsche eine Sprache mit (relativ) freier Wortstellung ist, dergestalt, daß es inner- oder außersprachliche Kontexte gibt, die -unbeschadet der festen Verbendstellung in Nebensätzen und Verbzweitstellung in Hauptsätzen- (fast) jede Satzgliedfolge legitimieren, so sind doch im Einzelfall in der Regel unmarkierte Abfolgen gegenüber mehr oder weniger markierten Stellungsvarianten unterscheidbar. Die relevanten 'unmarkierten Abfolgen' der kasusmarkierten Satzglieder untereinander und relativ zu den 'fallfremden' Satzgliedern sind das Thema dieses Abschnittes. Als Strukturschema für die Analyse deutscher Sätze setzen wir die CP-IP-VP-Struktur voraus (s. Kap. I § 2.1: (16)), wonach sich Deutsch und Englisch nur minimal in der Stellung der 'verbalen' Köpfe 1° und V° unterscheiden: (24)
a. b.
engl.: [ c p Spec [ c C° [ I P NP [,, 1° [ V P V ° . . . ] ] ] dt.: [ C p S / > « - [ c , C ° [ , P N P [ r [ V P ... V ° ] 1° J] | VF |K1. | MF | Kl. |
NF
|
Die Satzanfangsstelle ist in der Regel nur in Hauptsätzen lexikalisch besetzt, im Fragesatz durch eine Interrogativphrase, im Aussagesatz durch eine beliebige maximale Phrase; in der zweiten Stelle tritt in Hauptsätzen das finite Verb, V ° + I ° = V f i n , auf (der sog. Verb-ZweitEffekt), in Nebensätzen die satzeinleitende Partikel ("complementizer"). 1 8 Sowohl für die
rend die a. b. c. d. e. f. g. 18
inkompatiblen Verben in (23) ein toften-Perfekt bilden, s. (d)-(g): Das Rennpferd ist/*hat in Vincennes gelaufen Das Buch ist/hat auf dem Tisch gelegen Das Buch ist/*hat auf den Tisch gelegt worden Der Mann hat/*ist das Buch auf den Tisch gelegt Das Rennpferd hat/*ist in Vincennes gesiegt Der Vogel hat/*ist gesungen Die Leute haben/*sind geschlafen
Der Unterschied zwischen (24a) und (24b) kann vollständig auf den sog. Kopf-Parameter zurückgeführt werden (s. Kap. I § 2.1). Für Dt. sind auch andere Parametrisierungen der X-BarTheo-rie vorgeschlagen worden: Analysen der 80er Jahre, die COMP und I N F L in einer Position CONFL zusammenfallen lassen (s. z.B. Platzack 1983) und als Basisposition von CONFL
60 Betrachtung der normalen Satzgliedstellung wie für die Kasuszuweisung unter Rektion ist nur die IP-Domäne, das satztopologische Mittelfeld, relevant.
2.1 Zum Begriff der 'unmarkierten Abfolge' Eine formale Begründung des Begriffs 'unmarkierte Abfolge' hat u . W . zuerst Lenerz (1977) versucht (weiterführend insb. Höhle 1982, Abraham 1985b). Lenerz geht von einem relativen Begriff der unmarkierten bzw. markierten Abfolge aus: Von zwei Stellungsvarianten ist diejenige unmarkiert, die den größeren Anwendungsbereich hat (s. a.a.O.:27). Er stützt sich auf vier Kriterien, von denen die 'Thema-Rhema-' und die 'Definitheitsbedingung' die wichtigsten sind. 1 9 Ohne hier auf die Definitionsprobleme der aus der Theorie der funktionalen Satzperspektive stammenden Begriffe 'Thema' und 'Rhema' näher einzugehen (s. a . a . O . : 9 f f . ) , folgen wir Lenerz' Diagnostik, daß "das Rhema [...] dasjenige Element ist, das in der Ergänzungsfrage [...] erfragt und in der Antwort [...] als einziges Element gegenüber der Frage spezifiziert wird" (p. 12). In diesem Sinne ergeben sich bei Verben mit zwei Kasusobjekten für das prototypische geben, i.e. (9a), die folgenden Abfolgemöglichkeiten für das rhematische Dativ- bzw. Akkusativobjekt: (25) a. b.
Wem hast du das Geld gegeben? Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben Ich habe das Geld dem Kassierer gegeben
a. b.
Was hast du dem Kassierer gegeben? Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben *Ich habe das Geld dem Kassierer gegeben
(26)
Wenn der Dativ das Rhema ist, sind beide Abfolgen möglich, wenn der Akkusativ das Rhema ist, scheidet die Abfolge A-D-V aus. "Damit unterliegt die Abfolge D O 10 einer bebzw. INFL auch die IP-initiale Position oder die V2-Stelle annehmen (s. z.B. Scherpenisse 1986, Haider 1985), werden heute nicht mehr vertreten. Alternativ wird dagegen neuerdings vertreten, daß im Dt. V° und 1° keine separaten Basispositionen einnehmen, sondern eine (partiell) gemeinsame X-Bar-Projektion aufweisen (z.B. Bayer/Kornfilt 1989, Abraham 1992, 1995, Haider 1993). Da die ReformuHerongen nicht unmittelbar die hier anstehenden Fragen berühren, behalten wir die herkömmliche Notierung (24b) bei. S. Olsen (1982) hat gezeigt, daß die X-bar-theoretische Satzstruktur alle Fakten der Theorie der Stellungsfelder von Drach (1937) und Boost (1955), wie sie in die gängigen grammatischen Handbücher (z.B. Engel 1977 und Duden IV 1973) Eingang gefunden hat, erfaßt und darüberhinaus deskriptive und konzeptuelle Vorzüge aufweist. Hier genügt der Hinweis auf die wesentlichen Entsprechungen: Das sog. Vorfeld entspricht der SpecCP-Stelle; die verbale Satzklammer aus finitem Verb und den infiniten Verbformen analytischer Bildungen entspricht den Positionen C° bzw. V°-I° an der rechten Peripherie des Satzes; die Satzklammer umschließt das sog. Mittelfeld, das im wesentl. der IP-Domäne entspricht; im sog. Nachfeld stehen obligatorisch (z.B. finite Nebensätze) und optional (z.B. präpositionale Fügungen) herausgestellte Satzglieder. 19
Die beiden anderen Bedingungen, das 'Gesetz der wachsenden Glieder' (Behaghel 1909) und die 'Satzklammerbedingung', spielen bei Lenerz nur eine geringe Rolle. Haider (1982:2) bezeichnet sie als "stilistische Tendenzen, die nicht nur für die angegebenen Fälle in Frage kommen."
61 sonderen Bedingung, der die Abfolge 10 DO nicht unterliegt, [...] Das heißt aber, daß wir 10 DO in dem oben besprochenen Sinn als 'unmarkierte Abfolge' ansehen können." (p.43) Die Definitheitsbedingung betrifft die Verteilung von bestimmten und unbestimmten Artikeln. Nach Lenerz gibt "es keine bindende Beziehung zwischen Artikelwahl und Thematizität bzw. Rhematiziät der entsprechenden NPs" (p.50; s.a. p.52ff.). (27) a. Ich habe einem Jungen einen Lolli gegeben b. dem einen c. einem den d. dem den (28) a. b. c. d.
*Ich habe *
einen Lolli einem Jungen gegeben den einem einen dem den dem
Für die D-Α-Abfolge (27) ist jede Kombination von bestimmtem und unbestimmtem Artikel möglich, unabhängig davon, ob der Dativ oder der Akkusativ rhematisch ist. Die A-DAbfolgen (28a,c) sind ungrammatisch, obschon sie als Antworten auf die Frage Wem hast du einen Lolli gegeben? der Thema-Rhema-Bedingung genügen. Wiederum erweist sich das Muster D-A-V als die unmarkierte Abfolge. Die Ergebnisse der Bedingungen interpretiert Lenerz wie folgt: (29) a. "DO 10 ist nicht möglich, wenn DO 'rhematischer' ist als 10." (p.45) b. "Die Abfolge DO 10 ist nicht möglich, wenn DO eine nicht-definite NP ist." (p.55) Mit diesen Kriterien können die in den Schemata (8), (9), (11) und (14) gegebenen Stellungen als unmarkierte Abfolgen ausgewiesen werden, ohne daß das hier im Detail nachgewiesen werden müßte. In der Regel gilt: (30) a. Der Nominativ steht vor allen anderen Kasus b. Der Dativ steht vor dem Akkusativ c. Der Akkusativ steht vor dem Genitiv oder Präpositionalobjekt. "Andere Serialisierungen als SU-IO-DO sind in dem Sinn 'markiert', als sie das Einwirken anderer Module signalisieren." (Haider 1982:10).
2.2 Invertierte Kasusabfolgen Neben den bisher berücksichtigten Stellungsmustern gibt es drei Gruppen von Verben, bei denen Inversionen der korrespondierenden Abfolgen (8b), (8a) und (9a) als unmarkierte Abfolgen gelten: (31) a. D-N-V da dem Athleten ein Unglück widerfahren ist da dem Mann das Auto gefällt b. A-N-V da den Kritiker die Inszenierung überzeugt da den Syntaktiker das Argument beeindruckt c. N-A-D-V da ein Grüner das Fahrrad dem Auto vorzieht da er die Frau dem Spott der Leute überließ Die D-N-Verben (31a) faßt Haider (1982:11) als syntaktische 'Ergative' auf (ebenso: zustoßen, unterlaufen). Die A-N-Verben (31b) -auch: gefallen- werden als 'psychische' Verben
62 bezeichnet, bei denen das initiale Objekt thematisch als
EXPERIENT
anzusehen ist (s. §
1.2
und Lenerz 1977:106f., 114ff.). Die Verben in (31c) werden in Duden IV (§ 1197) als Sonderfalle genannt -allerdings ohne auf die Abfolge einzugehen-, da bei vorziehen "als Dativobjekt eine Sache stehen" kann und bei überlassen im Akkusativobjekt "die Person, der sich die Handlung zuwendet," genannt sein kann, wohingegen als üblich der Dativ der Person und der Akkusativ der Sache gilt. Es fällt wiederum auf, daß der Genitiv an diesen Inversionen nicht teilnimmt. In der D-N-Inversion (31a) tritt der Nominativ in der Position des Akkusativobjekts auf (s. v.a. den Besten 1981b, 1982, 1985). Hierfür spricht zum einen die parallele Abfolge im 'bewegungslosen' Passiv, das einen Akkusativ-Nominativ-Wechsel 'am Ort' zeigt: (32)
a. b.
da er dem Jungen den Lolli geschenkt hat da dem Jungen der Lolli geschenkt worden ist
Zum anderen weisen die D-N-Verben keine Passivformen auf (s. (33)), obschon Intransitiva und Verben mit obliquem Objekt grundsätzlich passivierbar sind (s. (34)): (33)
a. b.
*da dem Athleten (von dem Unglück) widerfahren worden ist *da dem Mann (von dem Auto) gefallen worden ist
(34)
a. b.
da die Leute getanzt haben => da (von den Leuten) getanzt worden ist da er dem Jungen geholfen hat => da dem Jungen (von ihm) geholfen worden ist
Die Exemtion der D-N-Verben von der Passivierung erklärt sich unter der Ergativ-Analyse (s. Kap.I § 2.3.3.2): Wenn der Nominativ ein D-strukturelles Objekt darstellt, dann sind die Passiveigenschaften, Θ-Verlust am Subjekt und (im Dt. optional) Kasusverlust am Objekt, für die Passivierung bereits 'verbraucht'. Kasustheoretisch stellt sich das Problem, daß der INFL-regierte Nominativ in der V-regierten DO-Stelle zugewiesen werden kann. Die Beispiele (31b-c) verlangen eine andere Analyse, da sie passivierbar sind: (35)
a. b.
da der Kritiker (von der Inszenierung) überzeugt worden ist da der Syntaktiker (von dem Argument) beeindruckt worden ist
(36)
a. b.
da (von einem Grünen) das Fahrrad dem Auto vorgezogen wird da (von ihm) die Frau eurem Spott überlassen worden ist
Die A-N-Verben (31b) unterliegen mithin trotz der thematischen Ähnlichkeit zu den D-NVerben (31a) nicht der Ergativ-Analyse: Die Θ-Rolle der nominativen NP und der Kasus der akkusativen N P können 'absorbiert' werden. Für die A-D-Verben ist die bezüglich (30b) ungewöhnliche Position des Dativs zu erklären. Die drei Typen von Inversionsverben weisen durchaus heterogene Eigenschaften auf. Zudem geht in den Beispielen immer eine [+belebt]-NP einer [-belebt]-NP voraus. Auf die Relevanz des "animacy bias" für die oberflächensyntaktische Abfolge ist vielfach hingewiesen worden (s. z.B. Haider 1982:11). Es ist daher zu überprüfen, ob die Inversionsmuster auch dann unmarkierte Abfolgen darstellen, wenn der Belebtheitseffekt nicht wirksam ist. Für (31a-b) nehmen wir eine eingebettete Struktur an, um Reihenfolgebeziehungen ungestört von Vorfeldeffekten beobachten zu können (s. Höhle 1982:148-9 A n m . 2 7 ) . 2 0 20
Dazu gehen wir im Sinne einer Falsifikationsstrategie von der Hypothese aus, daß die Muster (31) markierte Abfolgen darstellen. Die Prognose ist dann, daß das jeweils erste Inversionsglied
63 Beginnen wir mit dem D-N-V-Fall (31a), bei dem die Dativ-NP notwendig [+belebt] ist, so daß wir auch einen [+belebt]-Nominativ wählen: (37)
Wem meinst du, daß das Mädchen gefallen wird? a. b. c. d.
Ich denke, daß dem Hans das Mädchen gefallen wird ?Ich denke, daß einem Schürzenjäger das Mädchen gefallen wird Ich denke, daß das Mädchen dem Hans gefallen wird Ich denke, daß das Mädchen einem Schürzenjäger gefallen wird
Die Thema-Rhema-Bedingung ergibt keinen Kontrast; s. (37a/c). Ein Definitheitskontrast zeigt sich für die D-N-Abfolgen (37b/d). Es ist jedoch unklar, ob das gegen die Unmarkiertheit der D-N-Abfolge spricht, da sich bei der N-D-Folge entsprechende Effekte zeigen: (38)
a. b.
Ich denke, daß ein Mädchen einem Schürzenjäger gefallen wird 'ich denke, daß ein Mädchen dem Schürzenjäger gefallen wird
Bei gefallen erscheinen mithin unter variierenden Bedingungen beide Abfolgen D-N-V und N-D-V als natürlich. Eine markante Präferenz der D-N-Abfolge ergibt sich, wenn diese Verben mit einem Dativ der Person und einem Nominativ der Sache auftreten. Die A-N-Folge (31b) muß immer dann als die unmarkierte Stellung gelten, wenn im Nominativ ein [belebt]-Nomen auftritt; die Akkusativ-NP ist durchweg [+belebt]. Wenn man den Faktor 'Belebtheit' neutralisiert, ergeben sich die folgenden Muster: (39)
Wen glaubst du, daß der Angeklagte überzeugt hat? a. '-Ich denke, daß den Richter der Angeklagte überzeugt hat b. ?*Ich denke, daß einen Schöffen der Angeklagte überzeugt hat c. Ich denke, daß der Angeklagte den Richter überzeugt hat d. Ich denke, daß der Angeklagte einen Schöffen überzeugt hat
Die Beispiele (39a-b) sollten gemäß (29) völlig akzeptabel sein, wenn die A-N-Stellung eine unmarkierte Abfolge darstellte. Die Beispiele (31b) erscheinen somit nur aufgrund des "animacy bias" als unmarkierte Abfolgen. Die A-D-Abfolge (31c) erweist sich bei Verben wie vorziehen als die Normalstellung: (40)
Welcher Sache ziehst du das Bahnfahren vor? a. Ich ziehe das Bahnfahren dem Fliegen vor b. " i c h ziehe dem Fliegen das Bahnfahren vor
(41)
Welche Sache ziehst du dem Fliegen vor? a. Ich ziehe das Bahnfahren dem Fliegen vor b. Ich ziehe dem Fliegen das Bahnfahren vor
Der rhematische Dativ kann kaum vor dem thematischen Akkusativ auftreten (s. (40b)), während für den nachgestellten Dativ die Thema-Rhema-Verteilung unerheblich ist. Der Definitheitstest ergibt: (42)
a. b. c. d.
Ich ziehe
einen Wein einem Bier / 'einem Bier den einem / '-'einem den dem / dem einen dem / dem
einen Wein vor den den einen
nicht Thematischer als das zweite sein und nicht mit unbestimmtem Artikel auftreten darf. Sofern sich die Prognosen nicht bestätigen, ist der Falsifikationsversuch gescheitert und die Inversionen können als unmarkierte Abfolgen gelten.
64 Bei nicht-definiter Dativ-NP scheint der Akkusativ vorzugsweise voranzugehen, so daß für Verben dieses Typs die Reihenfolge N-A-D-V als unmarkierte Abfolge gelten kann. Die Unterschiede der Inversionsmuster können wie folgt zusammengefaßt werden: Nur die 2-wertigen Verben zeigen die SU-Inversion; bei 3-wertigen Verben ist ein nachgestellter Nominativ immer stilistisch, prosodisch o.a. 'markiert'. Das läßt annehmen, daß der "Nominativ im Prädikat" (Delbrück 1893:393) nur natürlich ist, wenn ein Akkusativobjekt fehlt. Damit korrespondiert, daß die A-N-Inversion nur bei einem Belebtheitskontrast als normale Abfolge gelten kann. Dagegen erscheint die A-D-Inversion unabhängig vom "animacy bias" als unmarkierte Abfolge. Es ist also festzustellen, daß es für Kasusobjekte variierende unmarkierte Abfolgen gibt.
2.3 'Natürliche' u n d ' u n m a r k i e r t e ' Abfolgen Für eine syntaktische Kasustheorie ist relevant, welche der unmarkierten Abfolgen zugleich unmarkierte syntaktische Strukturen darstellen, hinsichtlich derer die Eigenschaften der Kasusrektion und -distribution zu beschreiben sind. Die festgestellten unmarkierten Abfolgen sind nicht ohne weiteres mit syntaktischen Basisstrukturen gleichzusetzen (s. Höhle 1982: 137ff.). Die beobachteten Abfolgeregularitäten stellen zunächst nur Oberflächeneigenschaften von Sätzen fest. Diese Abfolgen sind von einer Reihe heterogener Faktoren lexikalischer, syntaktischer, semantischer und pragmatischer Art bestimmt. Lexikalisch determiniert sind z.B. die Abfolgen (31) insofern, als sie nur bei bestimmten (Gruppen von) Verben möglich sind und die Art der Inversion von deren Wertigkeit abhängt. Semantische Faktoren zeigen sich, wenn Abfolgen relativ relativ zur 'Belebtheit' der Satzglieder variieren, sofern es diesbezüglich einen lexikalisch-selektionalen Spielraum gibt. Lenerz' ThemaRhema- und Definitheitsbedingung sind schließlich als pragmatische Faktoren anzusehen. Es sind insbesondere semantische und pragmatische Faktoren, die die basisgenerierte Konstituentenfolge 'überspielen' können und abweichende unmarkierte Abfolgen ergeben. Um die beiden Redeweisen von 'unmarkierter Abfolge' auseinanderzuhalten, werden wir im folg. von 'natürlicher Abfolge' sprechen für semantisch-pragmatische Normalstellungen (z.B. die N-A-D-Abfolge (25b) im Kontext der Dativ-Frage (25)) und den Begriff 'unmarkierte Abfolge' für Entsprechungen der rein syntaktisch motivierten Basisstrukturen reservieren (z.B. die N-D-A-Folge desselben Verbtyps). Basisstrukturen sind immer theoretische Konstrukte, deren Form nicht allein mit empirischen Mitteln induziert werden kann, sondern sich immer aus dem Zusammenspiel von empirischen Fakten und unabhängig motivierten theoretischen Prinzipien ergibt. In der GB-Theorie sind syntaktische Strukturen Realisierungen des X-Bar-Schemas unter dem modularen Zusammenwirken von Eigenschaften des Lexikons, der Θ-Theorie und der Kasustheorie. S-Strukturen sind in die Eigenschaften 'D-Struktur' und 'Bewege-α' faktorisierbar (s. Chomsky 1982). Die X-Bar-Basis läßt zu, daß mehr als genau eine kanonische Abfolge als basisgeneriert aufgefaßt werden kann -nämlich solche Abfolgen, die unter Abstrahierung der kasus-, Θ- und bindungstheoretisch zulässigen Bewegungen reine Repräsen-
65 tationen der thematischen Eigenschaften des lexikalisch-funktionalen Kerns einer Satzstruktur darstellen. Das läßt einen 'Spielraum' für konfigurationale und lineare Eigenschaften von Strukturen. In diesem Sinne erscheinen die Strukturschemata (43) als basisgeneriert: (43)
a. b. c. d. e. f. g· h. i. j· k.
• [|p N P n I v p V ] ] [|P E [ V P N P A / D V U ,[IP NPN[VP N P ^ G V ) ] • B N P N [ V P N P D / A NP A V ]] • IIP N P N [ V P NP A NP G V II
•IlP NP N [ V P P O V ] ] •TA £ [ V P N P D / A PO V ]] • IIP N P N [ V P N P D / A PO V |] • [IPNPPJVPPO PO V ]]
= = = = = = = = = = =
(7a) (7b-c) (8a-c) (9a,c) (9b) (lla-b) (llc-d) (Ue-f) (Hg) (31a) (31c)
•IIP e [ V P N P D N P N V ] ] • t l p NP N [ V p NP A NP D V |] Gemäß dem Satzstrukturschema (24b) stehen die Nominative der Satzmuster (7)-(9), (11), (14) und (31c) in der kanonischen SU-Stelle SpecIP. Für die OBJ-Kombinationen erscheint es empirisch und θ-theoretisch motiviert, die kanonischen Kasusmuster (8), (9), (11) sowie die ergativen und passiven D-N-Abfolgen (31a) und (32b) als basisgenerierte Strukturen aufzufassen. Das gilt auch für die kontext-neutrale N-A-D-Abfolge (31c): Es gibt keine grammatischen Prinzipien, die diese Abfolge als transformationelle Variante der N-D-AAbfolge motivierten. Dagegen erscheint die A-N-Abfolge (31b) v.a. durch das "animacy bias" motiviert und kann als transformationelle Variante der N-A-V-Basis (43c) gelten. Hinsichtlich der Strukturschemata (43) stellen sich die folgenden Fragen: Welchen Status haben die SU-losen Sätze? Insbesondere: Haben solche Sätze überhaupt eine strukturelle SU-Stelle? - Damit hängt die Frage der Nominativzuweisung an SpecIP und in V P zusammen. - Wie der Nominativ können auch Dativ und Akkusativ in unterschiedlichen Positionen realisiert sein. Wenngleich die Ordnungsbeziehungen (30) grundsätzlich gelten, stellen die abweichenden Ordnungen (43j-k) ein Problem für eine strukturelle Theorie der Kasusrektion dar, in der idealerweise jeder Kasus durch genau eine Rektionskonfiguration charakterisierbar wäre. - Schließlich ist noch einmal auf die erwähnten kombinatorischen Beschränkungen hinzuweisen: Ein Verb tritt mit maximal zwei Kasusobjekten auf, von denen eines immer ein Akkusativ ist, so daß D-G-, D-D- oder G-G-Muster nicht vorkommen.
2.4 Zur Konfigurationalität des Mittelfeldes Die weitestgehende Folgerung, die aus der Koexistenz variierender Abfolgen derselben Kasus gezogen worden ist, stellt die Annahme dar, daß das Deutsche ein 'flaches' Mittelfeld aufweist, in der alle Argumente einheitlich als Schwesterkonstituenten zum Verb auftreten (z.B. Haider 1982, 1983; Sternefeld 1985b). Da unter dieser Prämisse alle kasustragenden Elemente in der gleichen Weise von V regiert sind, kann die Kasusverteilung nicht mehr in hierarchisch-strukturellen Begriffen beschrieben werden. Kasus erscheinen nur noch als lexikalisch determinierte Eigenschaften (s. Haider 1983, Abraham 1985a). Die lexikalische Kasuszuweisung ist als Charakteristikum der (vermeintlich) freien Wortstellung in kasus-
66 flektierenden Sprachen angesehen worden (s. § 3 . 2 . 8 zu Stowell 1981). Unter dieser Annahme wären
Satzglieder
im
Deutschen
grundsätzlich
frei serialisierbar.
Die
jeweils
vorzuziehenden A b f o l g e n zeigen dann das Einwirken der verschiedenen Module auf unterschiedlichen Ebenen der Repräsentation an (s. Haider 1983:7ff.). Hinsichtlich der Kasusproblematik ist diese A n n a h m e jedoch nicht zufriedenstellend. Für die f r e i e Serialisierung bieten weder die kanonischen Abfolgen (8), (9), (11) und (14) noch die Inversionsmuster (31) eine hinreichende Handhabe. Das zeigt sich exemplarisch an den Besonderheiten des genitiven Zweitobjekts: W e n n für die jeweils unmarkierte A b f o l g e der A r g u m e n t e eines Verbs Faktoren wie ' T h e m a - R h e m a ' , ' D e f i n i t h e i t ' , 'Belebtheit' die gleiche Rolle spielten wie die projektionsrelevanten grammatischen Module, dann ist weder der feste Stellungskontrast des Dativ- und Genitivobjekts relativ zum Akkusativobjekt, (9a/b), noch ohne weiteres die Tatsache erklärlich, daß Genitivobjekte prinzipiell von den Inversionen (31) ausgeschlossen sind. Gleichermaßen unerklärt bleibt unter der freien Satzgliedstellung, daß die SU-Inversion bei 3-wertigen Verben nicht v o r k o m m t oder daß bestimmte Abfolgen, insb. das S U - I O - D O - S c h e m a , auch dann eine 'natürliche' Wortstellung repräsentieren, w e n n Eigenschaften wie 'Belebtheit', ' T h e m a - R h e m a ' etc. eine abweichende Abfolge lizensieren. Diese und andere Einschränkungen setzen u . E . die Existenz syntaktischer Grundstrukturen als Projektionseffekte genuin syntaktischer Prinzipien voraus. Die Basisstrukturen geben einen Rahmen vor, innerhalb dessen semantische, pragmatische und prosodische Faktoren Reihenfolgevarianten legitimieren können. Es gibt eine Reihe von empirischen und theoretischen G r ü n d e n , die f ü r s Deutsche ein strukturiertes Mittelfeld (IP) mit NP-VP-Struktur und geschichteter V P annehmen lassen. Da diese Frage nach einer kontroversen Diskussion in den 80er Jahren heute positiv entschieden erscheint 2 1 , sei hier nur auf einige wenige relevante Aspekte hingewiesen. Für das Deutsche gibt es zwei grundlegende Fakten der Hauptsatzstellung: Das finite Verb erscheint in der zweiten Position, und die erste Stelle ist durch eine syntaktische Konsituente besetzt. Standardgrammatiken des Deutschen beschreiben diese Fakten in Begriffen topologischer igsfelder (s.o. (24b)); vgl. (44): linke Satzkl. C° l,p der daß der daß [der Mann] hat [ [die Frau] der hat der [geküßt] hat [die Frau geküßt] hat der *der Mann geküßt hat
Vorfeld SpecCP a. b. c. d. e. f.
21
Mittelfeld Mann Mann
die Frau die Frau 1 die Frau Mann [ 1 Mann die Frau Mann [ ] die Frau
rechte Satzklammer ] i° küßt geküßt hat geküßt geküßt
[
]
Die früheren Argumente gegen eine VP und für eine 'flaches' Mittelfeld im Deutschen sind z.B. in Tappe (1985), Webelhuth (1985), Fanselow (1987) und Grewendorf (1988) eingehend diskutiert und zurückgewiesen worden. - Auf etwas andere Weise als im folg. Text ist in Czepluch (1987, 1988a,b) für ein konfigurationales Mittelfeld im Dt. argumentiert worden.
67 Aus der V-End-Stellung leiten sich in maximal einfacher Weise sowohl die V2-Stellung des Finitums durch I-zu-C-Bewegung wie auch die VF-Besetzung durch Bewegung in SpecCP ab (s. Thiersch 1978). Gemäß der Konstituentenbeschränkung ist VF-Besetzung ein vorzügliches Diagnostikum für die MF-Struktur: Was immer in SpecCP verschoben werden kann, muß im Mittelfeld einer Konstituente entsprechen. 2 2 Entscheidend ist der Kontrast zwischen (e) und (f): O B J + V i n f kann topikalisiert sein, aber SU + V i n f nicht. Die Asymmetrie zeigt an, daß O B J + V eine Konstituente unter Ausschluß der SU-Phrase bilden. 2 3 Obschon diese Fakten strictu sensu nicht die Existenz einer VP-Grenze zwischen Subjekt und V-Komplementen beweisen, zeigen sie doch, daß unterschiedliche Abhängigkeits- und Konstituentenverhältnisse für das Subjekt gegenüber allen anderen Satzgliedern im Mittelfeld gelten - w a s standardmäßig als NP-VP-Struktur des Mittelfeldes interpretiert worden ist. Die syntax-relevanten Module erfordern mehr Struktur als in einem 'flachen' Mittelfeld gegeben ist. Da die freie Argumentordnung zumeist an Sätzen begründet wird, die in vereinfachter Weise nur die Subjekts- und Objektsargumente enthalten, seien hier kurz komplexere Satzgliedfolgen betrachtet, aufgrund derer unabhängig auf ein strukturiertes Mittelfeld geschlossen werden kann. Von den deskriptiven Standardgrammatiken bietet Engel (1988) die detaillierteste Auflistung der Auftretensmöglichkeiten für Kasusergänzungen; s. (45a), der die Grundabfolge der vier Angabenklassen wie in (b) zugeordnet ist (a.a.O.:323, 326): (45)
a.
sub/Sub daß er das MädchenA nicht küßte b. daß er keinem JungenD half => daß er dem JungenD nicht half c. daß er keiner SacheG gedachte => daß er dieser SacheG nicht gedachte Das unterschiedliche Stellungsverhalten der gleichermaßen inhärenten O l - und 02-Genitive läßt annehmen, daß die beiden Objekttypen in unterschiedlichen Positionen basisgeneriert
120 sind, abhängig von der Komposition der Α-Struktur. Es liegt nahe für den Genitiv in (55c), die DO-Position anzunehmen, was zugleich seine Kompatibilität mit dem konfigurationalen freien Dativ erklärt, der außerhalb von V' links-peripher auftritt. Es spricht nichts dagegen, für den inhärenten Dativ in (55b) ebenfalls die DO-Position anzunehmen, da dessen Inkompatibilität mit dem freien Dativ morphologisch begründet ist (s. Kap.II § 3.2). Daß inhärente Kasus unter Kopf-Adjazenz realisiert sein müssen {ibidem), ist daher zu modifizieren: (56) Die syntaktische Projektion von inhärent kasusmarkierten Argumenten macht Gebrauch von der DO-Position, wenn diese nicht fiir den strukturellen Objektiv benötigt wird. Es ist nicht unplausibel, die Objekte in (55b,c) als S,L-indizierte Argumente aufzufassen. Das motiviert die A-Struktur-Schemata (49a) und (49b) für die Beispiele (47a) und (47b). Wenn es also auch im Dt. doppel-indizierte S.L-Argumente gibt, stellt sich die Frage, weshalb die D-G-Kombination als Realisierung von Α-Strukturen nicht vorkommt, d.h. nicht im Sinne des Schemas (49b) analysierbar ist. Die D-G-Kombination 18 ist nur mit dem freien Dativ möglich; d.h., es handelt sich um Schema (46e) mit nur einem internen LArgument. Die Beobachtung, daß es keine Verben mit zwei lexikalisch spezifizierten Kasus gibt, erscheint im gegebenen Rahmen nicht aus anderen Prinzipien ableitbar. Offenkundig erfüllen zwei inhärente Kasusobjekte nicht die Distinktheitsbedingung für Α-Strukturen, ungeachtet der S-Indizierung. Das läßt das Postulat (94b) aus Kap.II, daß ein Lexem maximal einen lexikalischen Kasus spezifizieren kann, als unabhängig erforderlich ansehen. Über die Annahme (94b) hinaus müssen keine besonderen Bedingungen der Argumentindizierung postuliert werden: Daß jede Α-Struktur maximal einen S-Index enthält, ist eine Konsequenz der singulären Kasusrektion; die L-Indizierung ist grundsätzlich frei; vgl.: (57) a. b. c.
*[ A S ' L , A L , A L ] *[ A S , A L , A L ]
*[ A, A L , A L ]
Deren faktische Beschränkung folgt 'kostenlos' aus dem Distinktheitspostulat. In den devianten Schemata sind immer mindestens zwei Argumente gemäß der S- und L-Indizierung nicht distinkt. Aus demselben Grund sind auch Α-Strukturen mit zwei oder mehr weder Snoch L-indizierten Argumenten ausgeschlossen, z.B. *[ A s , A, A ]. Besondere Beachtung verdient, daß aus der S- und L-Indizierung und dem Distinktheitspostulat automatisch die Drei-Argumente-Beschränkung für Lexeme folgt: Mehr als drei Argumente sind in Α-Strukturen von Verben nicht distinkt repräsentierbar. Darin, daß die implizierten Restriktionen empirisch bestätigt erscheinen, ist Evidenz für die vorgeschlagene (oder ähnlich abstrakte) Indizierung lexikalischer Α-Stellen zu sehen. Jede andere Charakterisierung des Funktionssingularitätsprinzips -etwa in Begriffen inhärenter Merkmale, ΘRollen, Kasusmorphemen oder präpositionaler Kennzeichnungen- ist nicht hinreichend abstrakt, um die kombinatorischen Beschränkungen lexikalischer Α-Stellen zu erfassen.
18
Vgl. das Strukturschema (112c) in Kap.II. Die dort als abweichend gekennzeichneten Kasusmuster (112d-f) sind insofern unproblematisch, als sie die morphologische Distinktheitsbedingung (114b) verletzen und somit unabhängig ausgeschlossen sind.
121
2.4 Die syntaktische Projektion eines Arguments als Subjekt Es sind eine Reihe von Problemen für die SU-Wahl unter der Externalitätshypothese aufgezeigt worden: Die lexikalische Designation des externen Arguments
ist nicht unabhängig
begründbar; der lexikalisch-idiosynkratische Ansatz kann grundsätzlich weder die Restriktionen der SU-Wahl, z.B. die NichtVerfügbarkeit des THEME gegenüber anderen Θ-Rollen, noch deren Präferenzen, z.B. die AGENT-Prominenz, generalisierend erfassen; in vielen Fällen kann dem SU-Argument keine spezifische Θ-Rolle zugewiesen werden; in anderen Fällen ist das Subjekt nicht auf ein lexikalisches Argument beziehbar (s. § 2.2). Wenn man plausiblerweise daran festhalten will, daß das jeweilige Subjekt eines Verbs zu diesem in einer Θ-Relation steht, erscheint ein abstrakteres Konzept von Α-Struktur, als gemeinhin angenommen, erforderlich und die SU-Projektion ist von anderen Faktoren abhängig zu machen, als von der lexikalischen Spezifizierung des externen Arguments. Eine einheitliche Lösung für die Probleme der SU-Wahl bietet die S- und L-Indizierung: Der S-Index zeichnet das semantisch "closest argument" eines Verbs aus; der L-Index kennzeichnet alle Argumente, die in obliquer Relation zum Verb stehen. Für 3-wertige Verben gibt es daher nach Maßgabe des Distinktheitspostulats immer ein Argument, das keinen Index trägt, und dieses wird als SU-Nominativ realisiert. Die Feststellung generalisieren wir für alle Verben als (58)
Subjekt-Hypothese·.
In SpecIP ist gemäß PJP das am wenigsten markierte Argument einer Α-Struktur realisiert.
Die Subjekt-Hypothese ist wie folgt begründet: Die syntaktische Realisierung lexikalischer Argumente unterliegt sowohl dem Kasusfilter wie dem Θ-Kriterium. Inhärente Kasus werden D-strukturell projiziert, strukturelle Kasus werden unter Rektion S-strukturell zugewiesen. Die Kasusmarkierung auf der S-Strukturebene macht NP-Argumente für Regeln der PF- bzw. LF-Komponente 'sichtbar' (s. Chomsky 1981a; Gueron 1981). Die lexikalisch spezifizierten Θ-Rollen eines Lexems (θ-marking) müssen gemäß dem Θ-Kriterium auf LFStrukturebene unter Rektion realisiert sein (θ-assignment; s. Chomsky 1981a:334f.). Da Kasuszuweisung in der Syntax Vorbedingung für Θ-Zuweisung in der LF ist, muß das SArgument, damit es seine Θ-Rolle direkt vom Verb erhalten kann, in der direkt vom Verb kasusregierten DO-Position realisiert sein, wo es den strukturellen Objektiv erhält. Ein Lindiziertes Argument kann nicht in die SU-Stelle projiziert werden, da es entweder als nicht-nominales oder präpositional markiertes Argument nicht deren kategoriale Eigenschaften erfüllt oder als inhärent kasusmarkiertes Argument mit der Nominativ-Zuweisung in SpecIP konfligiert. Somit kann bei 3-wertigen Verben ausschließlich das nicht-indizierte Argument in die SU-Stelle projiziert werden, wo es strukturell von AGR für den Nominativ markiert wird und gemäß der "visibility condition" das Θ-Kriterium der LF erfüllt. Auf der Basis der möglichen lexikalischen Schemata (46) und (49) ist also vorhersagbar, welches Argument als syntaktisches Subjekt in Sätzen erscheint. 1 9 Es ist das Argument ohne
19
Für Deutsch kann die Formulierung (58) restriktiver gefaßt werden: Ausschließlich ein nichtindiziertes ( = unmarkiertes) Argument kann direkt in die SU-Position projiziert werden. Die Formulierung (58) berücksichtigt die SU-Projektion in Sprachen, in denen nicht-nominative NPs
122 Index in (46a,d-e,g) und (49b), das direkt in die SU-Position einer D-Struktur projiziert ist und daselbst in der S-Struktur auftritt, wenn keine Move-α-Effekte wirksam werden; es ist das A s -Argument, wenn kein unmarkiertes Argument vorhanden ist wie in (46b,f): Das Argument wird D-strukturell in die Position des strukturellen Objektivs projiziert, der jedoch aufgrund Burzios Generalisierung nicht zugewiesen werden kann, so daß das A s -Argument entweder am Ort den a-Nominativ zugewiesen erhält oder durch Move α in die SU-Stelle bewegt wird, wo es direkt von AGR kasusmarkiert wird -die beiden Varianten der ErgativAbleitung im Deutschen. Das erschöpft die Möglichkeiten der SU-Projektion. Die lexikalischen Strukturen (46c) und (49a) werden als 'subjektlose' Sätze realisiert: Das A L - bzw. A L ' S -Argument ist, wie oben ausgeführt, aufgrund seiner lexikalischen Spezifikationen nicht mit dem a-Nominativ in SpeclΡ verträglich. Eine Bemerkung zum Verhältnis der Subjekt-Hypothese zur Spezifität der SU-0-Rolle soll diesen Abschnitt beschließen. Die SU-Hypothese ist neutral hinsichtlich der Tatsache, daß es neben Verben, die eine spezifische Θ-Rolle als Subjekt verlangen, auch solche gibt, deren Subjekt-0-Rolle relativ unspezifisch oder in bestimmten Fällen als Nicht-Argument zu interpretieren ist. Es scheint mithin so zu sein, daß die lexikalische Wertigkeit eines Prädikators offen lassen kann, daß eine Α-Stelle nicht auf eine spezifische Θ-Rolle festgelegt ist. Das formulieren wir als Unterschied zwischen θ-lndizierung und Θ-Spezifizierung: (59) Jede Α-Stelle eines Lexikoneintrags ist von dem Lexem θ-indiziert. Ein Lexem, das einer Α-Stelle inhärente Eigenschaften zuschreibt, spezifiziert eine Θ-Rolle. Unter der SU-Hypothese und dem Distinktheitspostulat kann es nur eine θ-indizierte, aber nicht θ-spezifizierte Α-Stelle geben, und es dieses Argument, das in syntaktischen Strukturen als Subjekt-NP erscheint (s. Marantz 1981). In diesem Sinne erscheint uns die abstrakte Argumentindizierung und die Subjekt-Hypothese anderen Lexikonkonzeptionen methodologisch überlegen zu sein. 2 0
als Subjekte fungieren können. Ohne daß auf dieses Problem hier eingegangen werden soll, ist zumindest anzumerken, daß für solche Sprachen nachzuweisen wäre, daß der oblique SU-Kasus weniger markiert ist als nicht 'subjektfähige' oblique Kasus und als PO- und ADV-Argumente. I.d.S. kann -mit Vorbehalt- die Skala (45) für L-Werte als Markiertheitshypothese angesehen werden: Der strukturelle ΙΟ-Dativ ist in gewissem Sinne 'subjektfähig' in der fcn'eje/i-Konstruktion, und der inhärente Dativ des Schemas (46c) ist es in beschränktem Maße, wie in § 3. argumentiert werden wird. Es steht aber außer Frage, daß eine solche Markiertheitsskala der LWerte einzelsprachlich parametrisierbar sein muß, da es neben Sprachen mit Dativ-Subjekten (z.B. Russisch) auch solche mit Akkusativ-Subjekten (z.B. in der EXPERIENCER-Konstruktion des Imbabura Quechua) oder Genitiv-Subjekten gibt (dazu ausführlich: Hermon 1985). 20
Die thematische Doppel-Interpretation von SU-Argumenten, die immer die AGENS-Interpretation betrifft, stellt kein Problem für die Subjekt-Hypothese dar, wenn man den Argumenten für den kompositioneilen Status der Θ-Rollen folgt (s. Anm.1,4,11).
123
3. Sätze mit expletivem Subjekt und ohne Subjekt Es ist begründet worden, daß das am wenigsten markierte Argument eines Lexems syntaktisch als Subjekt realisiert ist und daß bestimmte Argumente nicht 'subjektfähig' sind. Es gibt also Sätze ohne syntaktisches Subjekt im Deutschen. Für diese Satztypen stellt sich die Frage, ob im Sinne des EPJP von Chomsky (1982) eine 'leere' SpecIP-Stelle anzunehmen ist. In der Theorie von Haider (1983) ist die SU-Stelle nur existent, wenn sie phonetisch realisiert ist -entweder durch eine Θ-Rolle oder durch das Expletivum es. Das analytische Problem ist also: Gibt es ein 'leeres' Subjekt in finiten Sätzen, die den Nominativ erwarten lassen? Welche Faktoren determinieren das Auftreten expletiver es-Subjekte?
3.1 Zur Kritik des Realisationsprinzips Das Realisationsprinzip (RP; s. Kap.II § 3.1.2)) stellt eine kasustheoretische Hypothese für das Auftreten von Subjekten in Sätzen dar: Da in Sprachen mit inhärenten Kasus das Funktionalitätsprinzip (FP; s. a.a.O.) das RP unterlaufen kann, gilt die Bedingung des obligatorischen Subjekts aus dem EPJP im Deutschen nur für strukturell kasusmarkierende Elemente. Die Verben subjektloser Sätze weisen nur inhärente Kasus zu; ergative Verben haben wie intransitive und transitive Verben ein strukturell kasusindiziertes Argument, das extern als Nominativ realisiert wird. "Der Unterschied zwischen den subjektlosen und den ergativen Sätzen besteht nurmehr im Kasustyp, für den ihre Verben markiert sind." (Tappe 1985:168) Der konzeptuellen Attraktivität des RP stehen deskriptive Probleme entgegen. 21 Wenig überzeugend ist das Zusammenwirken von FP und RP für die Analyse von Sätzen mit optionalem ω-Subjekt: (60) a. b. c.
daß es mich friert daß mich friert daß ich friere
Wenn die A-N-Variation (60b-c) bedeutet, daß der Akkusativ ein struktureller Kasus ist, widerspricht (60b) der Prognose des RP: Der Kasus sollte wie in (60c) extern als Nominativ realisiert sein. Wenn der Akkusativ ein inhärenter Kasus ist, bleibt die Beziehung zwischen (60a, c) unter dem RP unerklärt. Was immer der Status des Akkusativs von frieren ist, bleibt entweder die subjektlose Ableitung von (60b) oder die von (60c) unerklärt. Ein ähnliches Problem stellt sich für die Dativ-Verben des Typs grauen: (61) a. b. c.
21
daß es mir graut daß mir graut *daß ich graue
Auf die meisten Probleme hat bereits Tappe (1985:168ff.) hingewiesen. Sie werden hier aber etwas anders interpretiert.
124 Der Dativ ist bei Haider immer ein inhärenter Kasus, so daß die Ungrammatikalität von (61c) direkt aus der Nicht-Anwendbarkeit des RP folgt. 2 2 Wiederum ist die Dativ-Version, die das F P leerlaufen läßt, mit einem « - S u b j e k t kompatibel. Nach Haiders Analyse der subjektlosen passiven Intransitiva gibt es im Dt. (im Gegensatz zum ndl. er, vgl. dat er gedanst wordt = 'daß getanzt wurde') kein syntaktisches Expletivum (s. 1983:63ff., 67). Da Adjektive nicht unter das FP fallen, müssen deren optionalen « - S u b j e k t e als 7V«//-Argumente subkategorisiert sein. Dieses scheint nun die einzige Möglichkeit in Haiders Theorie zu sein, auch die es-Subjekte bei frieren und grauen zu erklären: Da die Verben ein lexikalisches Argument haben, kann das « - S u b j e k t nicht qua F P folgen, wie z.B. bei dem Witterungsverb regnen. Also müssen die Verben 'verdeckt' 2-wertig sein: (62)
a.
regnen:
[
b.
frieren:
[(EI), EXP ]
]
c.
grauen:
[(ei), EXPl ]
=> es-V
qua FP & RP
=> e.V-OBJ-V
qua RP
e.r-Obl-V
qua RP
Die angenommene Existenz von ^ / / - A r g u m e n t e n läßt aber in Verbindung mit dem RP mehr Fragen offen, als sie löst. Zum einen bleibt unklar, weshalb das RP ausschließlich ein ei-Argument als Subjekt extern realisieren läßt - d . h . , weshalb es nicht auch hypothetische Verben gibt, die sich von tatsächlichen Verben nur darin unterscheiden, daß sie ein internes Mi//-Argument aufweisen. 2 3 Zum anderen sollte das /Vw//-Argument, wenn es ein lexikalisches Argument wäre, der passiven Θ-Absorption unterliegen. Wenn man also die « - S u b jekte in (60a) und (61a) aus lexikalischen AfaW-Argumenten mittels F P und/oder RP ableitet (s. (62b-c)), bleibt die Tatsache ungeklärt, weshalb die Verben kein Passiv bilden. Wenig erhellend ist die AW/-Argument-Hypothese, wenn man feststellt, daß auch 2-wertige Verben mit expletivem Subjekt auftreten können: (63)
a. b.
daß es mir vor der Klausur graut, (muß ich zugeben) daß es mir vor ihm ekelt, (sage ich ihm natürlich nicht)
22
Dieser Interpretation des RP hält Tappe (1985:169) entgegen, daß im ehemaligen niederdeutschen Sprachraum folgende Paare synonymer Sätze zugelassen sind: a. mir ist unwohl / ich bin unwohl b. mir ist schlecht / ich bin schlecht c. mir ist kalt / ich bin kalt In solchen Dialekten kann das RP mithin auch inhärente Kasus erfassen. Da die NominativVarianten im Standard-Deutsch entweder ungrammatisch oder nicht synonym zu den DativFormen sind, folgert Tappe, daß das RP offenkundig parametrisierbar sei und "es sich dabei nicht um ein grundlegendes Prinzip handeln kann." (1985:169) Es ist einzuschränken, daß Parametrisierbarkeit nicht gegen den universalen Status eines Prinzips spricht.
23
Da frieren neben dem 'Zustands'- auch ein 'Vorgangs'-Passiv hat; s. (a)-(b): a. daß das Wasser gefroren ist [ Σ , Akk] [ £ 3 Dat] V => | Σ , Dat] ] Σ1 Akk] V b. vorziehen: | Σ 1 Akk] [ Σ 3 Akk] V => [ £ l Akk] [ Σ 3 Dat] V c. angleichen: | Σ 1 Akk| [ Σ 3 Akk] V => [ Σ 1 Akk] [ £ 3 Dat] V => [ £ 1 Akk] ] Σ 3 an NP] V Aufgrund Kasusdistinktivität entsteht das A-D-Muster, wonach der markierte E 3 -Dativ sich entweder dem unmarkierten D-A-Abfolgemuster anpalit (s. (a)) oder durch eine Präpositionalfiigung als unmarkierter Realisierung der Z 3 -Stelle abgelöst wird (s.(c)). Beisp. (b) wäre dann eine 'unabgeschlossene' Angleichung an eines der beiden unmarkierten Stellungsmuster des Dt.
159 Beide Varianten von lehren machen Gebrauch von den unmarkierten Stellungsmustern des Dt., deren Ausbuchstabierung durch zwei Akkusative aber als morphologisch markiert anzusehen ist. D i e Schemata (141) verdeutlichen den ambivalenten Status des Kasus der Σ 3 Stelle: Ein NP 3 -Kasus ist entweder ein markierter struktureller Kasus (s. § 4 . 2 . 3 zum NP 3 Dativ der Α-D-Verben); oder der NP 3 -Kasus ist ein lexikalisch markierter Kasus (als 0 2 Genitiv). Die Struktur (141c) als Grundlage des persönlichen Passivs ist mithin 'doppelt' markiert. Es ist zu erwarten, daß gerade die X 3 -Stelle anfällig für Anpassungsprozesse ist: Eine Angleichung an unmarkierte Strukturmuster besetzt diese Stelle durch nicht-nominale Komplemente.
4.3.4 Zum lexikalischen Status der doppelten Akkusative Eine Diskussion der doppelten Akkusative wäre unvollständig, wenn wir sie nicht zu unserem
lexikalischen
A-Struktur-Konzept
in
Beziehung
setzten.
Aufgrund
Kriterien ist der Akk2 bei lehren als THEMA-Argument, der Akkl als Argument (herkömmlich) als
A G E N S ZU
ZIEL
thematischer und das SU-
klassifizieren. Für die beiden Varianten von lehren
sind etwa folg. Α-Strukturen anzusetzen: (142) a. b.
u
lehren
[ Θ, Go L , THS ] => [ Θ, Go s , TH l ] =>
m
... [ V P NP 2 ... [ V . NP, ... V ]] ... [ v , NPj ... [ v NP 3 V ]
(=(125)) (=(126))
Die unterschiedliche DO-Wahl ist ein lexikalischer Prozeß, ähnlich dem Objektwechsel bei der fce-Präfigierung von Verben (z.B. Heu auf den Wagen laden => den Wagen mit Heu beladen·, s. § 2 . 2 . 4 ) . Es liegt nahe (142b), dessen Passiv (123a) nicht allgemein akzeptabel ist, als markierte Ableitung von (142a) zu verstehen, dessen Passiv (123b) für alle Sprecher des Dt. wohlgeformt ist. Es ist ein Object
Shifl-Prozeß
anzusetzen, der den S-Index auf ein L-indiziertes Argu-
ment verlagert, das für Kasus unmarkiert ist: (uC). Inhärent kasusmarkierte Argumente fallen nicht unter diesen lexikalischen Prozeß. Der Wechsel des S-Indexes zu gemäß dem Distinktheitspostulat, daß nun das
THEME
GOAL
impliziert
L-indiziert ist. Der als s-Oblique rea-
lisierte L-Index des GOAL, der gemäß der L-Index-Spezifizierungen (45) als [uC] ( = unmarkiert für Kasus) präzisierbar ist, 6 4 hat auch als abgeleiteter
Index den [uC]-Wert,
der als m-Akkusativ ausbuchstabiert ist: (143)
lehren·.
a.
[
Θ, G O U C , T H S
| =>
b.
[
Θ, G 0 S , T H M C ]
(OBJECT-SWITCH)
Da die abgeleitete Α-Struktur (142b) lexikalisch markiert ist, tritt für S = [ u C ] am
L-THEME
die lexikalisch markierte Option L = | m C ] ein. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß das |mC]-Wert mit dem | + C ] notierten inhärenten 0 2 - K a s u s identisch ist: Während ein inhärenter L-Index auf einen bestimmten morphologischen Wert für [ + C ] festgelegt ist, bewahrt
64
Aber morphologisch markiert, da nicht der unmarkierte m-Dativ, sondern ein Akkusativ eintritt. Die kanonische D-A-Realisierung scheint für diesen Verbtyp auch im Aktiv zunehmend gebräuchlich zu werden.Zur Ausbuchstabierung des L-Indexes vgl. § 2.3.2; ähnlich Gardner (1980), wenn auch in einem anderen theoretischen Rahmen und mit anderen Notationskonventionen.
160 das lexikalisch abgeleitete [ITICI-THEME seinen m-Kasus -hier: Akkusativ. Die derivierten und inhärenten L - A r g u m e n t e gleichen sich aber darin, daß beide rechts des jeweiligen SArguments syntaktisch realisiert sind - i n der kanonischen syntaktischen Z 3 - S teile für (unterschiedlich) lexikalisch markierte Argumente. Nach allen bisherigen empirischen Beobachtungen und theoretischen Überlegungen müssen Ζ,-Argumente unter Kopf-Rektion durch das Lexem realisiert sein; Rektion allein genügt nicht. Auf der Basis dieser lexikalischen Analyse fallen die Strukturvarianten (142a/b) unter dem P J P und den a n g e f ü h r t e n Realisierungsprinzipien automatisch aus. W e n n die Datenbeurteilung (116)-(123) zutreffend ist, dann ist f ü r abfragen und
abhören,
die dassselbe Θ-Raster wie lehren a u f w e i s e n , das personale GOAL lexikalisch als S-Argument ausgewiesen: [ Θ, Go s , TH uC ]
(144) abfragen
=>
... [ v . NP, ... ( v NP 3 V 1
Wenngleich der Eintrag (144) die konventionelle Assoziation des tiviert, ist es sicherlich so, daß das
THEME
THEME
(=(126)) mit d e m D O rela-
von transitiven Verben normalerweise als D O ( =
N P j ) realisiert ist. Eine solche A n n a h m e erscheint unabhängig erforderlich, um den Serialisierungsunterschied des TH u C b z w . des G o u C relativ z u m jeweiligen ^ - A r g u m e n t zu motivieren: W e n n T H s in N P , erscheint, wird das Ζ,-Argument ( G o u C ) als struktureller Kasus links-peripher in der NP 2 -Stelle realisiert; wenn G o s in N P , auftritt, wird das /.-Argument (hier: T H u C ) rechts davon in die NP 3 -Stelle projiziert. Das drückt aus, daß ein
THEME
unbe-
schadet seiner projektionsrelevanten Indizierung immer eine besondere semantische Affinität zum θ-regierenden V e r b a u f w e i s t - e i n e A n n a h m e , die aufgrund der semantischen Definition des G r u b e r - J a c k e n d o f f s c h e n ΤΗΕΜΕ-Begriffs, nicht unmotiviert ist. 6 5 Z u m anderen zeigt die Diskrepanz zwischen 'semantischer' und 'syntaktischer Affinität' ( = S-Index), daß die syntaktische Organisation sprachlicher Sachverhalte nicht vollständig von der semantisch-kognitiven Organisation außersprachlicher Sachverhalte, w i e sie sich in lexikalischen Strukturen niederschlägt, abgeleitet w e r d e n kann - w a s zusätzliche Motivation f ü r eine unabhängige projektionsrelevante Indizierung über Α-Strukturen gibt. Unabhängige B e g r ü n d u n g f ü r den postulierten lexikalischen Unterschied zwischen abfragen und lehren, speziell f ü r die Annahme, daß lexikalisch in der Tat ein anderes Argument als das semantische
THEME
als (potentielles) direktes Objekt ausgezeichnet sein kann, liefern
die Verben bitten und fragen. Beiden Verben fehlt ein unpersönliches Passiv; das Sachobjekt ist aber semantisch als
THEME
zu klassifizieren (aus expositorischen G r ü n d e n nehmen wir
einfachheitshalber dieselben Θ-Rollen wie in (142) und (144) an): (145) bitten, fragen
[ Θ, Go s , THL )
=>
(126)
Insofern diese V e r b e n mit d e m doppelten Akkusativ nur noch 'in erstarrten W e n d u n g e n ' auftreten, kann m a n a n n e h m e n , daß der L-Index im unmarkierten Fall den Wert [-C] annimmt; d . h . mit einem sententiellen markierten 65
THEME
T H E M E -S. ( 1 3 4 )
realisiert ist: um bzw. nach/über
und -s.
(135)-
(135)
oder einem präpositional
und
(130).
Da wir die
P-
Das gilt auch, wenn man den THEME-Begriff zugunsten differenzierter Rollenbegriffe wie o.ä. aufgibt (s. Rauh 1 9 8 8 ) bzw. auf seine 'lokalistische' Funktion einschränkt. PATIENS, AFFECTUM, EFFECTUM
161 Markierung mit dem inhärenten Kasus gleichgesetzt hatten, kann mithin in diesen Fällen der Akk2 als lexikalisch spezifizierter Akkusativ aufgefaßt werden. Das erklärt zum einen, daß der Akk2 in der NP 3 -Stelle als inkorporiertes Objekt realisiert ist; zum anderen, daß dieser Kasus nicht der passiven Kasusabsorption unterliegt. Für das Verb kosten lassen sich die beiden Lesarten ' kaufen fir' (= kosten^) und 'verlustig gehen' (= kosten() nicht unter einem Lexikoneintrag zusammenfassen. Für kostenn hatten wir eine Ergativ-Analyse erwogen; s.o. (137). Insofern unter dieser Analyse der Akkl als Äquivalent des freien Dativs erscheint, kann das Verb als 2-wertige Α-Struktur beschrieben werden: (146) kosten^ [ THS, M P l ] => (126) (MP = Measure Phrase = Maßangabe) Die lexikalische Struktur wird auf eine NP,-NP 3 -Struktur projiziert, mit dem optionalen 'freien Akkusativ' in der NP 2 -Stelle. Gemäß Burzios Generalisierung erhält das NP,Argument den Nominativ entweder in situ zugewiesen, oder es wird in die SU-Stelle bewegt. Es bleibt offen, weshalb die freie NP 2 -Stelle morphologisch durch den Akkusativ realisiert ist. Kosten] unterscheidet sich dadurch, daß der Akkl ein obligatorisches Argument und daß der Akk2 ein T H E M E repräsentiert. Es ist mithin eine dreiwertige Α-Struktur anzunehmen. Aufgrund der Ausführungen in § 4.3.2.3 wäre das Verb eventuell für zwei inhärente Kasus zu analysieren: 66 (147) kosten, [ CAUSE, S O L - S , T H l ] => (126) Das Distinktheitspostulat für Projektionsindizes verlangt, daß eines der L-Argumente zusätzlich durch den S-Index ausgezeichnet ist und in der N P r S t e l l e realisiert ist. Der L-Index des T H E M E ist qua Realisierung in der NP 3 -Stelle als [mC]-Akkusativ zu klassifizieren. Die Diskussion der lexikalischen Grundlagen der doppelten Akkusative zeigt, auch wenn im Einzelfall Alternativen möglich erscheinen, daß diese Verben keine einheitliche Klasse bilden und daß die morphologischen Realisierungen der Kasuspositionen N P 1 3 mehr Variation erlauben, als bisher angenommen. Insbesondere die Tatsache, daß der Akkusativ über alle Kasuspositionen verteilt sein kann, mag in Anbetracht des Distinktheitspostulats befremdlich wirken. Wenngleich wir keine schlüssige Antwort haben, sehen wir darin keine Schwächung des Distinktheitspostulats. Der Vergleich mit den ebenfalls markierten A-DVerben wie vorziehen, gleichstellen etc.(s. § 4.2.3) ist eventuell hilfreich. Mit dem Vorbehalt, daß wir die Kasusmorphologie vornehmlich in ihrer diagnostischen Funktion zur Aufdeckung abstrakter Kasusrelationen diskutiert haben, sei hier als empirisch zu überprüfende Hypothese formuliert, daß die Α-D- und A-A-Muster für N P r N P 3 - S t r u k turen mit den unterschiedlichen Θ-Strukturen korrelieren: Bei Verben wie abfragen, abhören, lehren sind die VP-internen Argumente als G O A L VS. T H E M E thematisch distinkt, während die VP-internen Argumente der 'Vergleichsverben' vorziehen, gleichstellen etc. identische ΘRollen repräsentieren, wenn man Eroms (1978) folgt (s. § 4.2.3). Das hieße: 66
Die lexikalische Dekomposition i.S. von Jackendoff (1983, 1990) oder Bierwisch (1982, 1983) ergibt etwa die zugrunde liegende Begriffsstruktur [ Χ CAUSE [ y VERLIER Ζ ]], so daß das S U Argument thematisch als CAUSE, der Akkl als SOURCE und der Akk2 als THEME ausfielen.
162 In Α-Strukturen, die auf syntaktische Strukturen Ν Ρ 0 - Ν Ρ Γ Ν Ρ 3 projiziert sind, müssen unterschiedliche a-Kasus für identische Θ-Rollen morphologisch unterschieden sein. 6 7
Das läßt als wenn auch morphologisch höchst markierte Option zu, daß morphologische Distinktheit bei unterschiedlichen a-Kasus für unterschiedliche Θ-Rollen suspendiert sein kann. 68 Im Ideal- und Normalfall sind weiterhin gemäß dem Distinktheitspostulat distinkte Θ-Rollen auf distinkte a-Kasusbeziehungen projiziert und diese durch distinkte m-Kasus repräsentiert. Und das Dinstintheitsprinzip scheint sich im Kasussystem des Dt. zunehmend Geltung zu verschaffen, da einerseits Doppel-Akkusativ-Strukturen nicht mehr produktiv sind und durch kanonische Dat-Akk-Muster abgelöst werden, wie auch die markierten AkkDat-Muster nach Wegener (1991:98) zunehmend durch eine der beiden kanonischen Komplementmuster, Dat-Akk bzw. Akk-PP, ersetzt werden.
5. Zusammenfassung und Ausblick Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung können von drei Gesichtspunkten aus zusammengefaßt werden: bezüglich der konfigurationalen Kasuspositionen, bezüglich der wohlgeformten Kombinationen von Kasuspositionen (Kasusmuster) sowie bezüglich des Verbs als dem thematischen Bezugspunkt der Argumentrelationen kasusmarkierter NPs. 6 9
5.1 Die Kasuspositionen im Deutschen Eines der wichtigsten bisherigen Ergebnisse ist, daß kasusmarkierte NPs im Deutschen systematisch in bestimmten Konfigurationen auftreten -s. (83). Gerade die Regularitäten der Kasusdistribution und -kombination bestätigen die Existenz kanonischer Kasuspositionen und damit die Konfigurationalität des sog. Mittelfeldes: (148) a. b.
Posit. Konfip. NP0 N P a g r NP! NPV"
Modus strukt. strukt. lexik.
a-Kasus nominativ objektiv m nominativ oblique
m-Kasus Nom Akk Nom Dat, Gen,
m
Akk
67
Als Alternative wäre denkbar, diesen Unterschied unter eine Erweiterung des kasusmorphologischen Distinktheitspostulats (141) in Kap.IV zu fassen. Während das Postulat (141) nur über oblique Argumente formuliert ist, könnte man es für VP-interne Argumente generalisieren: Argumente im Rektionsbereich eines funktionalen Elements müssen morphosyntaktisch distinkt repräsentiert sein; es sei denn, Argumente unter denselben Rektionsbedingungen sind thematisch distinkt.
68
Die Ausbreitung des m-Akkusativs über alle VP-internen Kasusposition erinnert an die traditionelle Auffassung vom Akkusativ als "Mädchen für alles" (Hirt 1934), der in seiner syntaktischen und inhaltlichen Unbestimmtheit dem Nominativ vergleichbar ist (so bereits Madvig 1844).
69
Auf bisher nicht behandelte Aspekte, z.B. die Rolle des Nominativs, Kasuskongruenz und transformationeile Kasuseigenschaften, wird im Zusammenhang der Kasussyntax des Englischen bzw. in Kap. V noch näher eingegangen.
163 c.
NP 2
NPv
strukt.
oblique
d.
NP 3
NPV"
m
strukt. lexik. [-C]
oblique oblique
Dat, mAkk 'freier Dativ' Dat, m Akk Gen, m Akk P-Markierung
Jede Kasusposition ist konfigurational durch die minimal c-kommandierende V-Projektion charakterisiert (s. Emonds 1985). Nähere Kontextspezifikationen sind nicht erforderlich; sie ergeben sich aus dem Kopf-Parameter und dem Prinzip der links-peripheren Kasusrealisierung. Die NP^-Positionen werden kombinatorisch 'hierarchisch' ( N P 1 / 3 ) differenziert. Die Tatsache, daß Kasuspositionen durch verschiedene a-Kasus und a-Kasus durch verschiedene m-Kasus realisiert sein können, ist ebenfalls ein Effekt der Modularität lexikalischer, syntaktischer und thematischer Eigenschaften. Die vielfältigen Kasusrealisierungen scheinen sich gemäß einem Binaritätsprinzip organisieren zu lassen. Kasus können strukturell oder lexikalisch bestimmt sein (Spalte 'Modus' = Art der Kasusmarkierung). In N P 0 und NP, treten die Kasus auf, die unmittelbar und ohne Zusatzbedingungen links-peripher und singular durch einen Kasusregenten, AGR bzw. V, strukturell markiert sind: Der Nominativ ist der unmarkierte Kasus des externen Arguments 7 0 ; der Objektiv ist der unmarkierte strukturelle Kasus des internen Arguments eines Verbs. Diese beiden Kasus sind in Bierwisch (1967) als 'direkte Kasus' bezeichnet worden. Alle anderen Kasus können unter den Begriff Oblique subsumiert werden. Oblique Kasus können strukturell oder lexikalisch determiniert sein. Strukturelle Obliqui treten entweder in der Position NP 2 oder in NP 3 auf. Ersteres stellt die unmarkierte Option dar. Der NP 3 -Oblique unterliegt zusätzlichen Bedingungen -sei es, daß die S/L-Indizierung frei über identischen Θ-Rollen operiert, i.e. der A-D-Fall, sei es, daß eine lexikalische Regel ein 'markiertes' S-Argument selegiert, i.e. der A-A-Fall bei lehren (und evtl. und abhören).
abfragen
In beiden Fällen ist der Kasuswert des originären oder abgeleiteten L-Argu-
ments nicht lexikalisch fixiert, sondern ergibt sich qua distinktiver struktureller Realisierung. Dabei ist für NP 2 (wie auch NP 3 ) der Dativ der unmarkierte, der Akkusativ der markierte m-Kasus -eine Erscheinung, die unerklärt bleibt, wenn man eine globale Kasusindizierung im Lexikon annimmt (z.B. Haider 1983) oder alle Kasus außer Nominativ und Objektiv als inhärente Kasus auffaßt (z.B. Czepluch 1982). Die lexikalischen Obliqui machen Gebrauch von den Positionen NPj und NP 3 - j e nachdem, ob es sich um singuläre oder zweite Objekte handelt: Singulare Obliqui treten vorzugsweise in NP! auf. Es ist nicht apriori ausgeschlossen, daß singuläre Objekte -seien sie strukturell oder lexikalisch kasusmarkiert- auch V°-inkorporiert in Σ 3 auftreten, 71 für referentielle 0 1 70
Im Deutschen ist das wohl die einzige Möglichkeit für eine AGR-regierte NP. Markierte SUKasus finden sich in Sprachen mit 'obliquen Subjekten' (s. Hermon 1985).
71
Man kann annehmen, daß idiomatische oder quantifizierte DO-Argumente für interpretative Zwecke entweder Eigenschaften mit den inhärenten Genitiven teilen oder der lexikalischen Fokusregel (110a) unterliegen, bzw. daß pragmatische Faktoren wie Definitheit, Spezifität und Referentialität der NP-Objekte eine Rolle spielen (s. z.B. Lenerz 1977:46ff.; Fichtner 1982, Jacobs 1982); vgl. auch Abraham (1992a-c), der in Anlehnung an Cinque (1993) eine V°inkorporierte Fokus-Position annimmt.
164 Obliqui scheint jedoch die N P r S t e l l e die unmarkierte Realisierung darzustellen. Inhärente Obliqui, die gemeinsam mit einem (strukturellen) Kasusobjekt auftreten, erscheinen unmarkiert in der Position N P 3 . Unter der binären Sichtweise können die Kasusmöglichkeiten als Flußdiagramm (149) dargestellt werden: (149)
Kasus Projektionsindex L-Index Ζ,-markiert A'-markiert
a-Kasus m-Kasus m m-Kasus U
Wenn man von stilistischen bzw. diskursfunktionalen Effekten absieht, sind strukturelle aKasus über die Positionen NP 0 _ 3 verteilt, inhärente a-Kasus über die Positionen N P 1&3· Die Links-rechts-Asymmetrie zeigt sich bei der Verteilung mehrerer Kasusobjekte: Das Prinzip der Links-Peripherie hat zur Folge, daß strukturell kasusmarkierte Argumente links von lexikalisch kasusmarkierten Argumenten syntaktisch realisiert sind. Die Dreifachrepräsentation der NP 3 -Stelle ist darin begründet, daß in ihr lexikalisch markierte Argumente mit s-Kasus, mit 1-Kasus oder 'kasusfremde' Komplemente auftreten. Daß nach der DO-Stelle N P , immer lexikalisch markierte Objekte auftreten, hat die NP 3 Kasus als inhärente Kasus ansehen lassen (s. z.B. Haider 1983, Tappe 1985). Tatsächlich handelt es sich jedoch um unterschiedliche Weisen der lexikalischen Markiertheit: einerseits um die [-C]-Kennzeichnung, die ein internes Argument als PP-, ADV- oder CP-Komplement realisiert; andererseits um die Kennzeichnung der m-Kasuswerte von
L-Argumenten,
i.e. [+C] vs. [u/mC], die sich syntaktisch als die Dichotomie inhärenter vs. struktureller Kasus manifestiert. Die unmarkierte L-Indizierung läßt ein Argument in die NP 2 -Position projizieren und im Regelfall morphologisch als Dativ erscheinen. Den markierten L-Index eines [uC]-Arguments haben wir auf besondere Eigenschaften der Θ-Struktur eines Lexems zurückführen können -insbesondere auf lexikalische Regeln der Α-Struktur-Veränderung, die wir unter dem Begriff "object-switch" zusammengefaßt haben 7 2 und als deren Folge das ur72
Wenn wir die Α-D-Verben des Typs vorziehen und die doppelten Akkusative bei lehren unter eine lexikalische Regel Objekt-Wechsel, i.e. Relokalisierung des S-Indexes, fassen, so ist klar, daß sich diese von dem klassischen Fall Foley/Van Valins (1984), i.e. be-!schmieren, in mehrerlei Hinsicht unterscheiden: Letzterer ist morphologisch als Wortbildungsprozeß gekennzeichnet, involviert eine Stellungsänderung der betroffenen Argumente und läßt das herabgestufte THEMEArgument präpositional markiert erscheinen. Es bedürfte einer eingehenderen Analyse, als hier
165 sprüngliche S-Argument eine markierte Ζ,-Kennzeichnung erhält. Da dieser an verschiedenen Klassen von Verben zu beobachtende lexikalische Prozeß bei den Doppel-Akkusativ-Verben keine morphologischen Effekte zeigt, erscheint es berechtigt, hierfür auch keinen Wechsel im Modus der Kasusmarkierung, i.e. einen Übergang von einem strukturellen zu einem inhärenten a-Kasus anzunehmen. Unter dieser Analyse ergibt sich dann eine bemerkenswerte Funktionsasymmetrie der morphologischen Ausbuchstabierung der a-Kasus im Verbalbereich: Inhärente Kasusobjekte können in allen m-Kasus erscheinen außer im Nominativ; strukturelle Kasus können alle morphologischen Werte annehmen außer Genitiv. Dabei ist zu unterscheiden zwischen singulären und sekundären Objekten: Für singuläre Objekte ist der m-Akkusativ der einzige strukturelle Kasuswert -s. (150a); strukturell kasusmarkierte Zweitobjekte können nur Dativ oder Akkusativ sein -s. (150b): (150) a. Ol-Funktion: s-Objektiv vs. 1-Oblique Akk Dat, Gen, (Akk) b. 02-Funktion: s-Oblique vs. 1-Oblique u "Dat, mAkk Gen, mAkk Das überraschende Ergebnis ist, daß es keinen inhärenten Dativ als 02-Kasus gibt. M-Kasus haben unterschiedliche Funktionen je nach dem syntaktischen Kontext, in dem sie auftreten. Allein der Nominativ als Kasus des extern realisierten Arguments und der Genitiv als der Kasus, der (fast) nur noch als inhärenter Kasus vorkommt, stellen diesbezüglich 'fixierte' Ausnahmen dar. Dieser Befund der kontext-abhängigen Funktionsüberschneidungen und -beschränkungen der m-Kasus läßt zwei Folgerungen aus unseren kasustheoretischen Überlegungen ziehen: Zum einen geben die Restriktionen der Kasusverteilung bei gleichzeitiger Funktionsvielfalt einzelner Kasus unabhängige Motivation für die wiederholt formulierte Annahme, daß Kasusbeziehungen -unabhängig von ihrer morphologischen Manifestation- primär distinktive Funktionen für die syntaktischen Kennzeichnungen von Argumentrelationen haben. Eine systematische Beschreibung der Komplexität der Kasusverteilung scheint weder unter einer semantischen Auffassung von Kasus, wie sie in einem Großteil der traditionellen Kasusforschung (s. Kap. I § 1.1), aber auch in der Kasusgrammatik (Fillmore, Cook) oder in der lokal istischen Kasustheorie (v.a. Anderson 1971, 1977) vertreten wurde, noch unter einer lexikalischen Behandlung der a- und m-Kasus (s. Haider 1983; Abraham 1985b) gegeben. Die zweite Folgerung betrifft das Verhältnis der a- und m-Kasus zueinander. Die kontextbedingten Funktionsbeschränkungen der Kasus und die Tatsache, daß jede Kasusposition genau eine unmarkierte morphologische Realisierung hat, wenn man von lexikalisch und/ oder syntaktisch markierten Prozessen absieht, unterstützt die Auffassung Emonds' (1985), daß Kasus nichts anderes sind, als konfigurationale relationale Merkmale: A-Kasus sind Rektionsmerkmale an Phrasenkategorien; m-Kasus sind die phonetischen Realisierungen der a-Kasusmerkmale am Phrasenkern.
gegeben werden kann, zu überprüfen, ob die unterschiedlichen Verbtypen tatsächlich unter eine gemeinsame lexikalische Re-Indizierungsregel fallen.
166 Während die Modularität grammatischer Prinzipien unter dem PJP determiniert, in welchen strukturellen Positionen NP-Argumente kanonisch realisiert sein können, sind die Rektionsmerkmale jeder NP-Position mit einem kanonischen m-Kasus assoziiert. Das beschränkt aus syntaktischen Gründen die morphologischen Kasusdistinktionen für Argumente über Sprachen hinweg und erklärt, weshalb bei aller einzelsprachlicher Variation dieselben Kasusbegriffe in verschiedenen Sprachen eine Rolle spielen.
5.2 Die Kasusmuster im Deutschen Wenngleich es vier kanonische Kasuspositionen für die syntaktische Argument-Projektion im Deutschen gibt, können diese Positionen nicht alle zugleich realisiert sein. Es sind maximal drei Positionen in einem Satz möglich, was als Effekt der distinkten S/L-Indizierung über lexikalischen Α-Strukturen erklärt worden ist. Die Modularität grammatischer Prinzipien unter dem PJP erklärt, welche der Positionen NP0_3 kombinieren können. In Begriffen von Positionen werden im folgenden die Kasusmuster aus Kap.II § 1 schematisch zusammengefaßt, was zugleich spezifische Strukturkonfigurationen impliziert, da jede Kasusposition durch charakteristische X-Bar- und Kasuseigenschaften gekennzeichnet ist. Insofern eine VP im Sinne der Prädikationstheorie (s. Chomsky 1975a, Williams 1980, 1981a) einen Θ-Index abgibt, realisieren (selbständige) Sätze immer die SU-Stelle. In der NP 0 -V-Struktur treten 0-wertige Verben oder 1-wertige Intransitiva auf: (151) a. b. c.
NP0-V *NPj-V
e -V nom-V obl-V
es-W N-V D-V A-V
regnen laufen grauen frieren
Die Struktur (151c) kommt strictu sensu nicht vor: 1-wertige Ergativverben weisen ein nom-Argument auf, was die Existenz der AGR-regierten NP 0 -Stelle voraussetzt; der Strukturtyp obj-V ist im Sinne der Burzio-Generalisierung ausgeschlossen. 1-wertige Verben, die einen inhärenten Kasus spezifizieren, realisieren das Argument zwar in der NP r Stelle, da ein 1-regierter Kasus unter K-Rektion durch V realisiert sein muß; sie setzen aber ebenfalls die Existenz von NP 0 voraus, wie das optionale expletive Subjekt solcher Verben und die 'subjekthaften' Eigenschaften der obliquen Objekte zeigen -s. (152a). Wenn zwei Kasuspositionen involviert sind, handelt tionen NP 0 und NPj: (152) a. NP0-NPj-V (es)-obl-\ D-V A-V b. nom-obj-W N-A-V c. nom-obl-W N-D-V N-G-V d. e.
*NP 0 -NP 2 -V *NP 2 -NP 3 -V
f.
NP0-NP1/3-V
nom-PP-V
N-PP-V
es sich in aller Regel um die Posigrauen frieren küssen helfen gedenken
wohnen
Der Strukturtyp (152b) ist der reguläre Fall transitiver Verben. Für inhärente Ol-Kasus ist NP; ebenfalls die unmarkierte Projektionsstelle -s. (152c). Es gibt zwar keinen direkten
167 empirischen Nachweis, daß andere Kasuspositionen nicht involviert sind -s. (152d-f); die kasustheoretische Analyse macht diese Möglichkeiten jedoch wenig plausibel: Die NP 2 -Stelle erfüllt nicht die Bedingungen der L- und K-Rektion für inhärente Kasus, s. (152d); von der NP 3 -Stelle wird vornehmlich in Kasuskombinationen Gebrauch gemacht (s.u.); bei 2wertigen Verben kommt die NP 3 -Stelle nur für nicht-kasusmarkierte Argumente, i.e. Präpositionalobjekte, adverbiale PP o.a., bzw. für idiomatische oder nicht-referentielle Objekte in Betracht. M . a . W . : Von anderen Positionen als N P j wird für ein singuläres internes Argument nur unter besonderen lexikalischen Bedingungen, für interne 02-Argumente nur aus kombinatorischen Gründen der Kasusrealisierung Gebrauch gemacht. Es ist die kasustheoretische Null-Hypothese, daß singulare strukturell oder inhärent kasusmarkierte Objekte in der DO-Position realisiert sind. 3-wertige Verben haben die positionellen Realisierungen (153): (153) a.
NP0-NP2-NPJ-V
b.
nom-obl-obj-W
nom-obl- E -V e -obl-nom-V
c.
NPQ-NP[-NP 3 -V
d.
NP 0 -NPj-NP 3 -V
e.
*NP 0 -NP 2 -NP 3 -V
nom-obj-obl-V
nom-obj-obl-V nom-obj-[-C]-V
N-D-A-V N-A-A-V N-D-V D-N-V N-A-A-V N-A-D-V N-A-G-V N-A-XP-V
schenken lehren gefallen abhören, kosten vorziehen anklagen stellen, legen
Das Strukturschema (153e) stellt keine wohlgeformte syntaktische Realisierung dar, da es die Distinktheitsbedingung für lexikalische Α-Strukturen verletzt: In den Positionen N P 2 & 4 werden nur L-indizierte Argumente realisiert; die Struktur kommt - w e n n überhaupt- nur mit einem freien Dativ in NP 2 vor. Die Realisierung von Argumenten in NP 2 oder NP 3 kann am besten verstanden werden als jeweils minimale Extensionen der kasustheoretischen Prinzipien, die Argumente sonst in der ΝΡ,-Stelle realisieren lassen. Ein Verb mit drei NP u C -Argumenten wird auf das Strukturschema (153a) projiziert. Die Argumente sind im Lexikon allein durch die Verteilung der S- und /.-Indizes distinkt repräsentiert: Ein Argument trägt den S-Index, ein anderes den L-Index, das dritte weist keinen Index auf, i.e. die maximal unmarkierte Α-Struktur für 3-wertige Verben. Der 5-Index wird als 'verbnächstes' Argument in NPj realisiert und für den Objektiv kasusmarkiert. Der LIndex kann nicht extern in NP 0 projiziert werden, so daß er unter den strukturellen Bedingungen der Links-Peripherie und Singularität als V'-Schwester realisiert wird. Da die SUStelle qua Θ-Index in einer Θ-Kette stehen muß, wird das indexlose Argument in NP 0 projiziert. Dasselbe Strukturschema liegt auch der ergativen Variante ditransitiver Verben (153b) zugrunde (s. Hoekstra 1984:195): (154) a. b.
[ A, A L , A s ] [ AL, A s ]
=> (153a) => (153b)
Die S- und L-Argumente werden wie bei (153a) als links-periphere V- bzw. V'-Schwestern projiziert. Gemäß Burzios Generalisierung kann das N P r A r g u m e n t nicht für den Objektiv
168 markiert werden, so daß es dem Kasusfilter nur durch Bewegung in NP 0 oder durch ΘKoindizierung mit NP 0 Genüge tut und in beiden Fällen als Nominativ realisiert ist. Die Strukturschemata (153c-d) liegen 3-wertigen Verben mit lexikalisch markiertem LIndex zugrunde: (153c) für Verben mit einem [uC]-Argument, das durch eine lexikalische A-Struktur-Veränderungsregel L-markiert ist, (153d) für Verben mit einem inhärent kasusmarkierten Argument ([+C] -> [gen]). Da m L-Argurnente unter L- und K-Rektion realisiert sein müssen, die N P r S t e l l e aber durch das 5-Argument besetzt ist, treten sie notwendig rechts von N P j in der NP 3 -Stelle auf. Für den strukturellen m L-Kasus ist die Position NP 3 die optimale Realisierung, wenn die N P r S t e l l e besetzt ist und NP 2 unter der Bedingung der L-Rektion nicht zur Verfügung steht. Für inhärente Kasusobjekte, Präpositionalobjekte und adverbiale Argumente ist die V-interne Realisierung [ V N P 3 V] offensichtlich eine Funktion der lexikalischen Spezifizierung der morphosyntaktischen Form des Arguments. Der 'Inhärenzeffekt' erklärt nicht nur die Inkompatibilität von Genitiv-, Präpositionalobjekt und subkategorisierter Adverbiale. Er ist unabhängig durch die allgemeinsprachliche Existenz von Inkorporationsphänomenen motiviert (s. Anm.35). Ein Beispiel aus dem Englischen sind die Partikelverben, die entweder als komplexes V oder mit postponierter Partikel ( = intransitive Präposition) in einer PP-Position auftreten - s . (155a-b): (155) a. b. c.
John [ v put back] the book John put the book [ pp back] John put the book *(on the table)
Die präpositionale Partikel ist in beiden Stellungen hinreichend, um die Subkategorisierung von put zu erfüllen: (155a-b vs. c). Die Daten haben Foley/Van Valin (1984:381f. n.3) veranlaßt, das Verb, das herkömmlich für zwei interne Argumente subkategorisiert ist (s. (156a)), lexikalisch als komplexes Verb zu analysieren; i.e. (156b): (156)
a. b.
put put-P L 0 C
[ θ, T H , LOC [ Θ, Th ]
]
"[...] put is really put PARTICLE which has only two core arguments. Its only idiosyncrasy is that it allows locative prepositions to occur as the particle in addition to locative adverbs, and these locative prepositions must have NP objects, yielding sentences like [155c]." (p.382) Unter der lexikalischen Analyse erscheinen subkategorisierte adverbiale Ausdrücke nicht als Θ-Stellen in lexikalischen Α-Strukturen, sondern als inhärente Bestandteile komplexer Verben. Auch wenn man der Analyse nicht folgt, ist die Parallelität zur inhärenten NP 3 -Position im Dt. offenkundig. Der Kontrast, daß die V°-interne Position im Deutschen, aber nicht im Englischen durch eine PP besetzt sein kann, ist kasustheoretisch zu erklären: Eine als P-NP ausbuchstabierte Verbpartikel blockiert im Engl, die Kasusmarkierung des THEME-Objekts, da im Engl. V und Ρ nur strukturell kasusmarkieren (s. Kap.IV). Im Deutschen ist die links-periphere Realisierung des s-Objektivs durch die V-interne Realisierung eines inhärenten Kasusobjekts oder einer inhärenten PP nicht blockiert. Generell ist festzustellen, daß die Inkorporationsanalyse für inhärent spezifizierte Elemente trotz der syntaktischen Unterschiede im Engl, und Dt. unabhängig motiviert erscheint. Es ergibt sich, daß die vielfaltigen Kasusmuster des Deutschen in lediglich vier Konfigurationen realisiert sind:
169 (157) a. b. c. d.
[IPNP0[VpV]] [ I P N P 0 [ V . N P , V]] tipNPo [ V P N P 2 [ V NP, V]]j
= = =
(ISla-b) (152a-c) (153a-b)
[IPNP0 [ V . N P , [ V N P 3 VI]]
=
(153c-d)
Jede Konfiguration gewährleistet, daß die distinkten lexikalischen Verb-Argument-Relationen syntaktisch durch distinkte abstrakte Kasusrelationen repräsentiert sind. Die distinkten a-Kasus sind in der Regel durch verschiedene m-Kasus repräsentiert. Eine A u s n a h m e bilden lediglich die doppelten Akkusative für die Strukturen (157c-d), f ü r die i m m e r ein Akkusativ als markierte Variante des strukturellen oder inhärenten Obliques motiviert w e r d e n konnte.
5.3 Kasus in der Rektion des Verbs Bisher sind Kasus primär unter positioneilen und kombinatorischen Gesichtspunkten erörtert w o r d e n . In diesem Abschnitt werden Kasus als Rektionsbeziehungen des V e r b s erörtert. In unserer Konzeption sind Kasus von Strukturrelationen abgeleitete M e r k m a l e zur distinktiven syntaktischen Repräsentation der Θ-Beziehungen eines Verbs zu seinen A r g u m e n ten. Lexikalische Elemente können eine Θ-Rolle direkt zuweisen, d e m D O - A r g u m e n t , oder indirekt, dem S U - A r g u m e n t . 7 3 Da das Θ-Kriterium eine f o r m a l e Repräsentation der Θ-Rollen eines Verbs in der LF-Struktur voraussetzt, liegt es nahe, das durch Z u w e i s u n g von ΘIndizes an syntaktische Positionen zu repräsentieren, in denen die A r g u m e n t e des Verbs auftreten (s. z . B . Stowell 1981, Borer 1983): (158) a. b.
+ V , [ A', Ai, A k ] lipNF [vpNPJ [ v . N P k V < 'j- k > ]]]
Das Θ-Kriterium ist in L F erfüllt, wenn es zu j e d e m Θ-Index des Verbs einen identischen ΘIndex an einer syntaktischen Α-Position gibt. G e m ä ß der X-Bar-Theorie sind Phrasenkategorien Projektionen der kategorialen Eigenschaften einer X°-Kategorie. In diesem Sinne werden die Θ-Indizes des Verbs schrittweise entlang der Kopfprojektionslinie an Schwesterkategorien abgegeben und dadurch gesättigt und ungesättigte Θ-Indizes jeweils an die nächsthöhere V-Kategorie weitergereicht; s. die graphische Darstellung (159) f ü r ( 1 5 8 b ) : 7 4 (159) ipo
NPJ
v'^J^ Npk
y schenk-
73
Es kann offen gelassen werden, ob ein mögliches drittes Argument, das VP-intern auftritt, als direkt (z.B. Chomsky 1981a) oder indirekt (z.B. Emonds 1985) θ-markiert aufzufassen ist.
74
Vgl. z.B. Jayaseelan (1984) und zu den Modi des "Θ discharge" insb. Higginbotham (1985), Speas (1990), Rauh (1993); ähnlich die Lamda-Abstraktion und -Binding bei Bierwisch (1988).
170 Der Θ-Index k ist durch eine V°-Schwester gebunden, so daß lediglich die freien Indizes i, j an V' erscheinen; entsprechend erhält das SU-Argument seinen Θ-Index über die nichtthematische I-Projektion durch den ungesättigten VP-Index. Auf diese Weise ist jeder ΘIndex eines Verbs durch Kategorien der V-Projektion gebunden und für die Regeln der LF wiederauffindbar. Die derart θ-indizierten Positionen stellen die Θ-Domäne des Lexems in der Position V° dar (s. z.B. Nishigauchi 1984). Insofern den a-Kasus allgemein die Funktion zugewiesen ist, NPn für Regeln der PF- und der LF-Komponente 'sichtbar' zu machen (s. Chomsky 1981a: 182, 337), ist die Zuweisung der verbalen Θ-Indizes an NP-Argumente an Kasuspositionen gebunden. Unter dieser Perspektive ist die Kasusmarkierung der Positionen NP0_3 auch vom Verb her zu betrachten -anders ausgedrückt: Der V-orientierte Algorithmus der Θ-Indizierung setzt ein analoges Verfahren der V-orientierten Kasusrealisierung voraus. Man kann annehmen, daß ein lexikalischer Verbeintrag für jede Θ-Rolle (abstrakte) Flexionsmerkmale enthält -s. (45)-, die in der syntaktischen Projektion des Verbs an NP-Argumente zugewiesen werden müssen (s. Borer 1983). Diese Kasusindizes können unspezifiziert sein, i.e. [uC], oder sie sind markiert. Markierte Kasusindizes sind einerseits die inhärent spezifizierten m-Kasus, [ + C ] , andererseits Vorkommen von [uC]-Indizes, die durch lexikalische A-Strukturregeln markiert sind -hier notiert als [mC]: (160) Kasusindizes: un-/markiert: K-Posit.: a-Kasus: str./lex.: m-Kasus:
(uC)
[uC]
NP 0 nom
NP 2 obl
Nom Dat
[uC]
[mC] [+C] / NP t NP 3 NP 3 obj obl obl / Akk Dat Gen
Lexikon Syntax
PF-Komponente
Es stellt sich die Frage, wie sich die Rechts-Links-Orientierung und die positionell-konfigurationalen Eigenschaften der -hier idealtypisch vereinfachten- syntaktischen Realisierung der Kasusindizes eines Verbs ergeben. In der generativen Kasustheorie wird allgemein angenommen, daß inhärente Kasus als idiosynkratische Eigenschaften von Lexemen gemäß dem PJP bereits D-strukturell spezifiziert sind, während strukturelle Kasus erst nach den durch den Kasusfilter motivierten NPBewegungen in die SU-Stelle auf der S-Struktur-Ebene realisiert sind. Obschon die derivationelle Begründung für die Ordnung der inhärenten und strukturellen Kasusmarkierung unter der Redefinition des Kasusfilters und der Θ-Kriteriums für syntaktische Ketten nicht mehr zwingend ist 7 5 , entspricht dieser Effekt grundsätzlich dem Befund, daß inhärente Kasus der K- und L-Rektion, strukturelle Kasus nur der K-Rektion unterliegen. Die lexikalische Kasuszuweisung findet gewissermaßen vor der strukturellen Kasusrealisierung statt, und davon kann ein Algorithmus der Kasusrealisierung heuristisch Gebrauch machen. 75
Wenn jede Α-Kette genau einen Kasus und genau eine Θ-Rolle haben muß und der Kasusfilter eine PF-Bedingung, das Θ-Kriterium eine LF-Bedingung ist, ist genau genommen nur gefordert, daß Kasus auf der S-Strukturebene repräsentiert ist, unabhängig vom Status des Kasus. Das ist im Einklang mit der Auffassung, daß die Prinzipien der grammatischen Subtheorien Wohlgeformtheitsbedingungen flir Repräsentationen sind, anstelle der früheren derivationellen Auffassung als Bedingungen über Regeln.
171 Es ist gezeigt worden, daß inhärente und strukturelle Kasus grundsätzlich denselben Bedingungen der Singularität und Kopf-Rektion unterliegen. Ein Verb, das einen inhärenten Kasus spezifiziert, weist den morphologischen [+C]-Wert singular unter K-Rektion der Schwester-NP von V° zu: (161) Lex.:
[..., A + c , ...]
=>
Syn.: ... [ X N P + C ... V ]
Syntaktisch wird [+C] von dem Lexem in V 1-regiert und von V° k-regiert. Der Status der Domäne X = V' (i > 0) hängt ab von der Komposition des Lexikoneintrags. Wenn es kein Argument A s gibt, gilt X = V: N P + C ist die kanonische DO-Position NPj. Handelt es sich um den Eintrag eines Doppel-Objekt-Verbs, dann gibt es ein A s mit dem Kasusindex [uC]. Das direkte Argument muß seine Θ-Rolle direkt von V zugewiesen erhalten, d.h. der ΘIndex der NP S muß mit dem Θ-Index von V° korrespondieren. Das ist unter der "visibility condition" nur möglich, wenn NP S Kasus direkt von V° zugewiesen erhält. Mithin muß V° eine Kategorie V° ( = X in (161)) projizieren: Die Null-Projektion erlaubt, sowohl den inhärenten Kasus wie den s-Objektiv unter K-Rektion singulär zu realisieren: (162) Lex.:
[..., A*, A + C ]
=>
Syn.: ... [ v . N P o b j ... [ V N P + C ... V ]]
Gemäß der lexikalischen Distinktheit kann ein inhärent kasusmarkiertes L-Argument nicht mit einem L-indizierten [uC]-Argument kookkurrieren. Ein struktureller Oblique neben einem inhärenten Oblique ist immer ein freier Dativ; s. (163a): (163) a. b.
... [ V P N P o b l . . . [ v , N P + c . . . V ] ] ... [ V P N P o b l ... [ v , V ]]
Ebenso war die Struktur (163b) als Argument-Projektion ausgeschlossen worden: Ein singulärer Dativ bei einem Verb ist entweder ein inhärenter Dativ im Sinne von (161) oder der konfigurationale Kasus des freien Dativs. Ein singuläres [uC]-Argument wird immer als sObjektiv realisiert. Der s-Oblique kommt nur als Kasus eines zweiten [uC]-Arguments vor: (164) Lex.: [..., A«c, A s ]
=> Syn.: ... [ V P N P o b l ... [ v NP o b j ... V ]]
V ' ist nur d a n n ein ' K a s u s r e g e n t ' f ü r ein A r g u m e n t , w e n n V d e n O b j e k t i v regiert. Die bisherigen Überlegungen ergeben die Hierarchie der Kasusrealisierung (165): (165) 1-Oblique > s-Objektiv > s-Oblique
Unter dieser Annahme ergeben sich die konfigurationalen Eigenschaften der Kasuspositionen NP 3 , NP) und NP 2 'kostenlos' und einheitlich aufgrund der strukturellen Prinzipien der singulären und links-peripheren Kasusrealisierung unter K-Rektion. Es ist ein konzeptueller Vorzug dieser Auffassung, daß nicht angenommen werden muß, daß inhärente Kasus 'auf andere Weise' als strukturelle Kasus realisiert werden. Wir wenden uns nun der Einordnung des markierten [uC]-Arguments, das in der Position NP 3 realisiert ist, in die Kasushierarchie (165) zu. Dieser Argumenttyp ist wie der 0 2 Genitiv und ein nicht-nominales 02-Komplement nicht nur Ζ,-indiziert, sondern auch l(exikalisch)-markiert. Während die L-Markiertheit beim Genitivobjekt in dem inhärenten m-Kasusmerkmal [Gen] und bei anderen 02-Phrasen in dem Kategorialmerkmal [-N] begründet ist, betrifft sie bei dem [mC]-Komplement eher thematische Eigenschaften, die die kanonischen Assoziationen zwischen Θ-Rolle und direktem bzw. obliquem Argument verändern. Es liegt auf der Hand, daß es die lexikalische Markiertheit des strukturellen [mC]-
172 Indexes ist, die ihn nicht wie den strukturellen ΙΟ-Dativ als V'-Schwester in NP 2 realisieren läßt, sondern wie den inhärenten 02-Genitiv in NP 3 ; s. (161)-(162): Die Projektion als links-periphere NP-Schwester zu V' ist dadurch aufgehoben, daß lexikalisch markierte Argumente unter L-Rektion realisiert sein müssen. Mithin fallt ein [mC]-Argument unter die Hierarchie (165), wenn die l-oblique-Stelle der Hierarchie durch den allgemeineren Terminus l-markiert ersetzt wird. 7 6 Das legitimiert die NP 3 -Stelle für den [mCJ-Index unter LRektion und trägt dem Doppelstatus als lexikalisch markiertem Kasusindex und syntaktisch strukturellem Kasus Rechnung. Es ergibt sich, daß beide syntaktische Realisierungen des sOblique minimale Extensionen der unmarkierten Bedingungen der Kasusrealisierung darstellen: Für den s-Oblique in NP 2 ist die Bedingung der K-Rektion durch X° 'gelockert', für s/1-Obliqui in NP 3 die strikte Anwendung der links-peripheren Kasusrealisierung. Abschließend ist noch auf die Diskrepanz zwischen den phrasenstrukturellen Möglichkeiten der X-Bar-Theorie und den Möglichkeiten der Kasusmarkierung einzugehen. Obschon jede X-Bar-Kategorie X°, X' und XP potentiell rekursiv ist 77 , so daß z.B. die Konfigurationen (166) strukturell wohlgeformt sind, können die rekursiven Strukturen nur beschränkt (166) a. b. c.
... [ V P . . . [ V P . . . ]] ... ... [ v . ... [y ... ]] ... ... [ v ... [ v ... ]1 ...
für die Zwecke der Kasusrealisierung ausgenutzt werden: Es kann maximal einen s-Oblique in NP 2 als Argumentkasus und maximal eine V°-Projektion für einen inhärenten Kasus geben, und beide Realisierungsmöglichkeiten können nicht zugleich ausgenutzt sein. Insbesondere bleibt offen, weshalb für die distinkte Argumentprojektion nicht generell von einer der Strukturen (166) Gebrauch gemacht wird. Die empirisch notwendigen Beschränkungen können generalisierend durch ein Erbschaftsprinzip erfaßt werden: (167) Ein Kasusregent X°, der sein Lexem unmittelbar dominiert, kann seine K-Rektion vererben. (167) läßt zu, daß ein V° über V° oder ein V' über V° k-regiert, und schließt aus, daß beide abgeleiteten K-Regenten zugleich in einer Struktur Kasuspositionen legitimieren: Sowohl das rekursive V° wie V' sind keine unmittelbaren Kasusregenten, die direkt lexikalisches Material dominierten, und können somit die Eigenschaft der K-Rektion nicht vererben. Unter der Annahme von (167) fällt der NP 2 -Kasus unter den Begriff der abgeleiteten bzw. indirekten K-Rektion, ohne daß V' (wie z.B. bei den Besten (1981b)) isoliert als 'exzeptioneller Kasuszuweiser' stipuliert werden müßte. Die Prinzipien der Kasusrealisierung können wie folgt zusammengefaßt werden:
76
77
Diese Erweiterung erscheint legitim, da wir Kausrealisierung ohnehin als Unterfall einer allgemeinen Argumentrealisierung verstehen; s. (169) zu einer entsprechenden Verallgemeinerung. Zur Rekursivität von X°-Kategorien s. Anm.35. Für X'-Kategorien ist Rekursivität z.B. im Engl, durch die Analyse der one-Substitution in NPn (s. Hornstein/Lightfoot 1981a, Radford 1988), der rfo-io-Substitution in VPn (s. Lakoff/Ross 1966, Czepluch 1981) sowie der funktionalen Unterscheidung von Komplementtypen (s. Jackendoff 1977) motiviert worden. Für XPKategorien ist Rekursivität durch die Existenz verschiedener Adjunktionsprozesse ebenfalls unabhängig motiviert (s. Chomsky 1981a, 1982, 1986b).
173 (168) a. b. c.
Kasus sind unter K-Rektion realisiert. Lexikalisch markierte Kasus sind unter L-Rektion realisiert. Strukturelle Kasus sind links-peripher realisiert.
(169) a. b. c.
Indizierte Argumente werden vor allen anderen realisiert. L-markierte Argumente werden vor allen anderen realisiert. Das (direkte) S-Arguments wird vor allen anderen realisiert.
Nach (168a) sind Argumente in der Θ-Domäne des Verbs durch die Kasusregenten AGR, V ( , ) oder Ρ realisiert. (168b) beschränkt lexikalisch markierte s- und I-Kasus auf das Auftreten als Schwester-NPs zu V°. Die Bedingungen (169) ersetzen die Kasushierarchie (165): S/L-indizierte Argumente werden gemäß (169a) vor dem SU-Argument kasusmarkiert, was die Subjekt-Hypothese ergibt, daß als Subjekt immer das am wenigsten markierte Argument projiziert wird. Die Bedingungen (169b-c) legen fest, daß der L-markierte s-/l- Kasus vor dem Objektiv des S-Arguments und dieser vor dem s-Oblique von L-Argumenten realisiert wird. Unter den Prinzipien der Singularität
und Links-Peripherie
ergeben sich dann auto-
matisch die konfigurationalen Eigenschaften der Positionen, in denen Argumente kasusmarkiert werden können. 7 8 Diese distinkten Kasusrektionen werden konventionell als Nominativ (NP 0 ), Objektiv ( N P , ) und Oblique (NP 2 . 3 ) bezeichnet. Sie stellen eher nützliche deskriptive Begriffe als Primitive der Kasustheorie dar.
5.4 Das morphologische Kasussystem des Deutschen Die dargestellten Grundzüge einer syntaktischen Kasustheorie sind zu ergänzen durch einige Überlegungen zur Funktion und Organisation der Kasusflexive im Deutschen, die wir in den drei Annahmen in (170) zusammenfassen: (170) i. Das Kasussystem besteht aus kategorienspezifischen Subsystemen. ii. Das System der verbalen Kasus ist akkusativ-zentriert. iii. Die Kasussubsysteme und das Gesamtsystem sind gemäß dem Kriterium der morphologischen Distinktheit organisiert. Die Annahme (170i) ergibt sich aus der Auffassung von Emonds (1985), daß Kasus kategorienspezifische Rektionsmerkmale sind. Wenn dem so ist, dann stellen die Kasus kein innersprachlich einheitlich organisiertes Kennzeichnungssystem dar, sondern bestehen kategorienspezifischen
Subsystemen
aus
für Verben, Präpositionen und (im Dt., aber nicht im
Engl.) für Adjektive und Nomina. Das bedeutet u.a., daß z.B. der m-Kasus 'Akkusativ' beim Verb eine andere Kasusrelation repräsentiert als beim Adjektiv oder einer Präposition. Da es in diesem Sinne mehr Funktor-Argument-Kasusrelationen gibt als morphologische Kasus, weisen die Kasusformen weder syntaktisch noch semantisch einheitliche Funktionen auf: Kasusformen
sind
multifunktional.19
78
Das Singularitätsprinzip hat keinen unabhängigen Status, sondern ist eher ein Theorem, wenn die Argumentrealisierung ohnehin einer Bedingung der schrittweisen Funktionalapplikation für die satzsemantische Komposition unterliegt; vgl. z.B. von Stechow (1991, 1992).
79
Eine zweite Konsequenz ist, dal! der Nominativ strictu sensu nicht zum verbalen Kasussubsystem gehört, da er nicht unter die V-Rektion fällt (eventuell -wie schon Aristoteles annahm-
174 Die Annahmen (170ii-iii) sind plausible Konsequenzen der Grundannahme (170i). Jedes Kasussubsystem wählt eine Kasusform zum Ausdruck der direkten Kasusrelation C,. Diesbezügliche Standardannahmen sind in (171) gegeben: (171)
V
C!
=
AKKUSATIV
P
C!
=
DATIV
=
DATIV
=
GENITIV
A
C[ NCj
( Z . B . Emonds 1985) (z.B. van Riemsdijk 1982) (z.B. Tappe 1985)
Innerhalb eines Subsystems dienen jeweils andere als der Q-Kasus zur Kennzeichnung obliquer Kasusrelationen. So ist zu erwarten, daß sowohl die unmarkierte und markierte Cj-Relation wie auch doppelte Kasusrelationen durch unterschiedliche Kasusformen gekennzeichnet sind. Für die Satzorganisation sind die V-Kasus von vorrangiger Bedeutung. Neben dem externen (Su-) Argument erlauben Verben maximal zwei interne Argumente. Nur im VSystem können diese als doppelte Kasusobjekte C, und C 2 realisiert sein. Die Möglichkeiten der Kasusmarkierung im V-System lassen sich dann vereinfacht wie in (172) schematisieren (Präpositional- und andere Komplemente sind mit XP bezeichnet): 80 (172)
V a.
C,
b.
Akk 1 Dat
c.
Gen
i
-
-a mfumu chiupanda cha mowa 1 sg-pst-send-appZ-asp chief calabash of beer 'ich schickte dem Häuptling eine Kalabasse Bier' Baker gibt eine Reihe von Gründen, daß der applied affix -ir- als Alternante der Präposition kwa zu analysieren ist, die sich von Präpositionen nur in den morphologischen Subkategori52
Oehrles 'technische' Einwände gegen die empry-P-Analyse betreffen eher die Präsentation als die Substanz der Dativ-Analyse. So erübrigt sich unter dem A-Struktur-Konzept aus Kap. III § 1 der Einwand gegen die Notierung der drei Dativverbtypen in Czepluch (1982:13) bezüglich der Interpretation der Parenthese in (a) und des Identitätselements V in (b) (s. Oehrle 1983b: 170f.): a. +[ NP (to) NP ] give etc. b. +[ NP g NP 1 allow etc. c. +[ NP to NP ] report etc. Unter der S- und L-Indizierung von Argumenten sind weder die P-Kennzeichner noch ein leeres Ρ in Lexikoneinträgen anzugeben: Wie GOAL-Argumente realisiert werden, ist eine Funktion der Werte des L-Indexes unter dem PJP (s.o.). Genau dieses Maß an lexikalisch-idiosynkratischer Spezifizierung erscheint nicht hintergehbar. Optionale oder 'leere' kategoriale Subkategorisierungsangaben spielen jedoch in der Θ-Struktur eines Lexems direkt keine Rolle mehr. Oehrles Kritik ließe erwarten, daß er eine alternative und bessere Analyse ohne dieses Konstrukt vorgelegt hätte: Eine syntaktische Analyse der Dativ-Fakten, die über die Subkategorisierungshypothese (s. § 3.1.2) hinausgeht, fehlt jedoch.
53
Kayne generalisiert die en^O^-Analyse über die UIO-Struktur (1984: §§ 7, 9) und präpositionalen "complementizers" für Satzkomplemente, i.e. eine Analyse der ECM-Phänomene (1981b; 1984: § 5). Emonds (1985) analysiert die abstrakte und morphologische Kasus von obliquen Objekten generell als Rektionsmerkmale von overten bzw. impliziten P-Regenten (pp.52ff., 220ff.) und vertritt aufgrund von Parallelitäten zwischen Präpositionen und Satzpartikeln (complementizers) die CP=PP-Hypothese, was die Existenz von leeren P-Köpfen für Satzstrukturen voraussetzt (p.281ff.). Wenngleich Emonds' Analyse der m-Kasus (v.a.. pp.226ff.) für eine Kasussyntax des Dt. nicht ganz befriedigend ist, enthält der Ansatz unabhängige metagrammatische Überlegungen, die grundsätzlich die Existenz leerer grammatischer Formative, mithin: leerer Präpositionen, theoretisch rechtfertigen.
226 sierungseigenschaften als Affix unterscheidet (p.398, 422ff.). In anderen Fällen sind Präposition und applikativer Affix auch morphologisch identisch oder ähnlich. M.a.W.: Der applikative Affix stellt die V-inkorporierte Präposition des obliquen Arguments dar. Die applikative Konstruktion hat im wesentlichen dieselben Eigenschaften wie die engl. UIO-Struktur, weshalb Baker den Prozeß "a productive, affix-associated version of English Dative Shift" nennt (1985b:397): Das applikative Objekt steht (i.d.R.) zwischen Verb und DO; es unterliegt objektsensitiven Prozessen wie OBJ-Kongruenz,
OBJ-Pro-Drop
und Pas-
sivierung (1985a:370f.), aber nicht WH-Bewegung aus verbadjazenter Position (p.444ff.). Das kann schematisch vereinfacht wie folgt dargestellt werden (s. Chomsky 1986b: 158ff.): (126) a. b. c. d.
NP 0 V-agr NPj Ρ NP 2 NP 0 \-app-agr NP 2 NPj NP 2 V-app-pass-agr NPj *NPj V-app-pass-agr (P) NP 2
agr = Kongruenzmerkmale app = applikativer Affix pass = Passmorph.
e.
*VT>A-NP2 [ . . . W-app-agr
WH-BEWEGUNG
f.
w/i-NPj [... V-app-agr NP 2 ej ]
E2 . . . ]
Wie in der engl UIO-Konstruktion ist das DO-Argument von Passivierung, aber nicht von WH-Extraktion ausgeschlossen: 54 (127) a. b.
??
the bookj was given Mary 2 what; did Johnj give Mary2?
(nur marginal möglich)
Baker kombiniert die empty-P-Analyse des UIO mit einer Inkorporationsanalyse des applied affix, die als syntaktische Bewegung eine Spur in der Stelle der IO-Präposition hinterläßt. 55 Unter dieser Extension der empty-P-Am\ysc ist die Struktur (121d) als (128) zu präzisieren: (128)
... [ V .[V°V-PI] [ P P E I N P 2 ] N P T ]
54
Die einzigen syntaktisch relevanten Unterschiede zwischen der applikativen Struktur und der engl. UIO-Konstruktion sind, daß die Regel Applicative nicht nur über GOAL- und BENEFACTIVEArgumenten, sondern auch einzelsprachlich variierend über INSTRUMENT- oder LocATivE-Rollen operiert (s. Baker 1985a:354) und daß im Engl, ein applikativer Affix fehlt (p.440ff.). Das ist nicht ungewöhnlich, da auch in Sprachen, die applikative Prozesse normalerweise morphologisch markieren, der applikative Affix bei den einzelsprachlichen Entsprechungen der engl. UIO-Struktur (s. pp.433ff.) unausgedrückt bleiben kann. Darin, daß Bakers Analyse der applikativen Struktur unter eine allgemeine Theorie der Inkorporation fällt und keine grammatischen od-Zwc-Prinzipien postuliert werden müssen, kann unabhängige theoretische und empirische Evidenz für die Analyse dieses Typs von Doppel-NP-Struktur gesehen werden.
55
Hinsichtlich des unterschiedlichen Verhaltens des applikativen Objekts unter Passiv- und Fragewortbewegung kommt Baker nach einer kritischen Sichtung von Beschreibungsansätzen für Doppel-NP-Strukturen (1985a:452ff.) zu dem Ergebnis: "This leaves us with a Czepluch (1982) type analysis, where extraction is blocked from inside a phrase headed by a prepositional empty category. [...] the predicates implied by the empty Ρ stranding analysis are the only ones that have any cross-linguistic validity; the only true generalization about the class of seeming direct objects which cannot be extracted is that they are the NPs which [...] are governed by traces of Ps." (p.459) Die Auffassung der applikativen P-Inkorporation als syntaktische Bewegung wird u.a. dadurch gestützt, daß die Ordnung der morphologischen Affigierungen in (126) die Reihenfolge syntaktischer Prozesse widerspiegelt. Das hat Baker (1985b) das Mirror Principle für morphosyntaktische Erklärungen genannt (s.a. Chomsky 1986b:158ff.).
227 Die engl. UIO-DO-Struktur unterscheidet sich von der applikativen Konstruktion nur darin, daß die P-Inkorporation in abstracto stattfindet, da Englisch keine präpositionalen Affixe für to und for besitzt. Die Stellungsänderung für das applikative NP 2 -Objekt ergibt sich daraus, daß P-Inkorporation eine lokale Bewegung ist, die als solche der üblichen Adjazenzbedingung unterliegt, und NP 2 Kasus von dem komplexen V erhalten muß. Insofern die Eigenschaften applikativer Prozesse an einer Vielzahl von Sprachen empirisch begründet und mit denselben grammatischen Prinzipien beschreibbar sind, die für andere Phänomene benötigt werden, gibt Bakers Analyse die unabhängige empirische Motivation und die formale Präzisierung, die Oehrle an der empty-P-Knalyse vermißt.
3.2.3 Probleme der P-Inkorporation und der empty-P-Analyse Wenngleich die P-Inkorporations- und empty-P-Analyse sich optimal zu ergänzen scheinen, bleiben Zweifel, ob Bakers Analyse direkt auf das Englische übertragbar ist. Die Zweifel betreffen zum einen die Kasusmarkierung der Doppel-Objekte. Die Θ-Markierung ist unproblematisch, wenn man etwa annimmt, daß die Θ-Rollen des Verbs durch V direkt an NPj und indirekt durch das inkorporierte Ρ über seine Spur an NP 2 zugewiesen werden: (129) ... [ v V'J-Pj] [ppgi NPi] NP'] Die Θ-Markierung in LF setzt voraus, daß NPs in der Syntax durch Kasus sichtbar gemacht sind. Wenn nun, wie Baker annimmt, NP 2 vom komplexen V Kasus erhält, kann NP] keinen strukturellen Kasus mehr erhalten, da die Kasusmarkierung durch V verbraucht ist und ein zweiter Kasusregent nicht vorhanden ist: 56 (130) ... MvV-Pil [PPei NP Cv ] NP,] Bakers Lösung ist, daß "the second object does not receive Case at all" (p.405, 418), da es für Regeln der LF auf andere Weise morphologisch identifiziert und sichtbar gemacht ist. 57 Das Konzept der morphologischen Identifikation (s. p.l48ff.) ist intuitiv plausibel für flektierende Sprachen; für flexionslose/-arme Sprachen liegt es dagegen näher, daß nur von solchen Identifikationsprozessen der UG Gebrauch gemacht werden kann, die unabhängig von Flexionsmorphologie sind: Das sind im Engl. Identifikation durch phonetisch realisierte
56
57
Baker verwirft für Chichewa (und Englisch), daß NP2 inhärenten oder semantischen Kasus aufweist (s. 1985a:403ff.) oder daß V zwei Kasus zuweist -eine Möglichkeit in Sprachen, in denen beide Objekte der applikativen Struktur passivierbar sind (s. p.399ff.). Baker (1985a:406ff.) begründet einen abstrakten Prozeß der V-N-Reanalyse, bei dem das Nomen nicht syntaktisch inkorporiert wird, sondern qua (thematischer?) Indizierung nur virtuell mit dem Verb einen Komplex bildet. Ein solcher Prozeß mag in flektierenden Sprachen aufgrund morphologischer Eigenschaften begründbar sein, es ist jedoch nicht zu sehen, welchen Beschränkungen die V-N-Reanalyse in Sprachen ohne Flexionsmorphologie unterliegt. Bakers Feststellung, daß reanalysierte Nominale "appear as unmarked stems (in Chichewa and Bahasa Indonesian) or in a default case form (in Chamorro and Eskimo)" (p.418), ist wiederum nur an Sprachen mit hinreichender Flexionsmorphologie überprüfbar. Im Engl, treten alle Nomen in ihrer stem form oder als default case auf, so daß die Annahme einer abstrakten V-N-Reanalyse alles und nichts legitimiert.
228 Identifikatoren wie overte Präpositionen oder durch a-Kasus als Kennzeichnungen von Rektionsbeziehungen. Unter dieser Einschränkung bleibt die Kasusmarkierung in der DoppelNP-Struktur ungeklärt. Die Lösung des Kasusproblems in Czepluch (1982) (s.o. zu (130)) scheint somit auch unter der Inkorporationsanalyse vorzuziehen zu sein, was anstelle von (130) (131) ergibt: (131) ...
MvV-PIL
[ppSi
NP C P]
NPcv]
Das vermeidet zum einen die Schwächung der Kasustheorie durch die Annahme einer kasusfreien NP. Zum anderen entgeht sie der Widersprüchlichkeit von Bakers Annahmen, daß die innere N P durch die P-Spur für WH-Bewegung blockiert ist und Kasus durch den V-PKomplex erhält: Wenn V-P die UIO-Phrase kasusmarkiert, regiert es die NP, und WHExtraktion sollte gemäß dem ECP möglich sein. In der Struktur (131) ist dagegen [pe] Regent und Kasuszuweiser für NP 2 , und die Blockierung des WH-Bewegung fällt unter die ECP-Erklärung für das Extraktionsverbot aus PP: Da Ρ kein proper governor ist, kann Ρ eine Spur nicht für das ECP legitimieren (s. Chomsky 1981a:252); Extraktion aus PP "would be permitted only in case a marked rule were to allow proper government by V." (p.298) P-Strandung ist im Engl, für overte Präpositionen möglich; es ist aber eine plausible Annahme, daß ein leeres Ρ von dieser markierten Möglichkeit ausgenommen ist. Die ECP-Erklärung steht Baker nicht zur Verfügung, da das komplexe V als Kasusregent auf jeden Fall auch ein proper governor ist. Ein weiteres Problem ergibt sich für die Analyse der Passivbewegung. Unter Bakers Analyse (132a) sind sowohl die P-Spur e, wie die NP-Spur e2 als Reflexe syntaktischer Prozesse erforderlich. Auch abgesehen von dem problematischen Status der NP-Bewegung für das ECP erscheint die Struktur problematisch: Syntaktische Phrasen sind kategoriale Projektionen von Θ-Rollen und, es ist nicht klar, daß eine unter dem PJP realisierte Kategorie durch zwei Leerstellen repräsentiert sein kann. (132) a. b.
NP 2 [vV-aft-... [ PP e, e 2 ] NP2] NP 2 [ν,ν- b. ... [ V . V N P ^ : [ pp to NPLobj]] c. ... [y[ v V* NpLobj] NpSobj] Struktur (133b) ist die kanonische NP-PP-Komplementation des Englischen. Struktur (133c) entspricht -abgesehen von der Kopfstellung- der Inkorporationsanalyse des 02-Genitivs und der PO-Komplemente im Deutschen: Wenn das oblique Argument nicht durch eine präpositionale Θ- und Kasusmarkierung gekennzeichnet ist, muß es Kasus von V erhalten; da auch das direkte Argument von V kasusmarkiert sein muß, ergibt sich die V-über-V-Projektion. 59
Wenn man annimmt, daß die UIO-Phrase ihren Kasus von einer leeren Ρ erhält, kann die Struktur nicht ohne Schwächung der Kasustheorie gerechtfertigt werden. Weder trifft successive adjacency -die ad-hoc-Atmahme Chomskys (1981a:94), daß ein Kasusregent zwei unmittelbar folgende NPn kasusmarkieren kann- für die Struktur zu; noch ist mit unserer Analyse vereinbar, daß ein Kasusregent überhaupt mehr als einen Kasus zuweisen kann.
230 Wie die V-inkorporierten Komplemente im Deutschen kann auch das englische IO-Argument als lexikalisch markiert angesehen werden (s. § 3.1.3). Das schließt die Struktur (133c) mit der umgekehrten Argumentfolge aus: *John gave the book Mary. Die Dativstrukturen (133b-c) erfüllen in optimaler Weise die Bedingungen der Θ- und Kasusmarkierung. In beiden Strukturen sind jeweils genau zwei Θ-Positionen repräsentiert, so daß im Gegensatz zur Transformationsstruktur (116b) das Θ-Kriterium ohne Zusatzannahmen erfüllt ist. Die NP-Argumente sind jeweils singulär und links-peripher kasusmarkiert: in (133b) durch V bzw. P, in (133c) durch die beiden strukturellen Regenten V°: V* kasusmarkiert das inkorporierte NP L , V weist Kasus an NP S zu. Damit sind beide Probleme der empty-P-hrakysz eliminiert. Unter der Annahme, daß ein lexikalisches oder syntaktisches Wort eine 'Insel' für Extraktion ist (s. Culicover/Wexler 1977:22; Hornstein/Weinberg 1981:71f.), ergibt sich der Grammatikalitätskontrast der Fragewortbewegung aus der PIO- und der UIO-Position: 60 (134) a. b. c.
to whom did John [ v .write a letter e ]? who did John [ v .write a letter [to e ]]? *who did John [v.[i/>write e ] a letter]?
Datiwerben haben in der Regel zwei Passivformen: (135) a. b.
the book was given to Mary Mary was given the book
Das DO-Passiv (135a) ist von der D-Struktur (133b) abgeleitet -mit der Analyse (136): (136) the book nom AGR be [ygiven e_ c [ PP to MaryobJ]] Keine der beiden Strukturen (133b&c) kann direkt die Eingabe für das ΙΟ-Passiv (135b) sein. Die Inkorporationsstruktur (133c) kann dem ΙΟ-Passiv nicht zugrundeliegen. Das Extraktionsverbot der inkorporierten NP gilt gleichermaßen für WH- und NP-Bewegungen, so daß parallel zu (134c) auch (137) deviant ist: (137) *Mary nom AGR be [y[v°given t ] the book ?c ]] Als Basis des ΙΟ-Passivs kommen dann prinzipiell drei Varianten der Struktur (133b) in Frage, mit der angegebenen Kasusverteilung: (138) a. b. c.
... [ v . V-en N P ^ [ PP e NPL_C ]] ... [ v . V-en NP L _ C NP s obj ] ... [ v , V-en NPSobj NPL_C ]]
Wir argumentieren, daß aus unabhängigen Gründen nur die Struktur (138c) dem IO-Passiv zugrundeliegen kann (s.a. Stowell 1981:325ff.), i.e. die Struktur (124a) im Rahmen der empty-P-Analyst. Zu diesem Zweck kann die vage Bestimmung, daß der Kasusverlust am Objekt "some choice of NP in VP" betrifft (s. Chomsky 1981a: 124), deskriptiv als (139) präzisiert werden:
60
Für die Ungrammatikalität der UIO-Interrogation (134c) (und (118)) muß nicht mehr der ECPEffekt der empty-P-Analyse bemüht werden. Das kann als Vorteil gesehen werden, da es strittig ist, ob basisgenerierte Leerstellen überhaupt unter das ECP fallen und nicht nur (wie ursprünglich intendiert) Spuren von Bewegungen.
231 (139) Der Kasusverlust am Objekt für ein Verb ohne SU-Θ-Rolle betrifft (i) immer eine minimal V-regierte NP, wenn vorhanden, oder (ii) von zwei minimal V-regierten NPs immer die zweite NP. Gemäß (139i) kann in der NP-PP-Struktur (138a) die NP S nicht ihren Kasus behalten: Die Passivbewegung des NP L ist ausgeschlossen, unabhängig von dem Status des leeren Kopfes der verbdistanten PP hinsichtlich des ECP. Die Strukturen (138b,c) unterscheiden sich nur in der Abfolge der NP-Komplemente. Obzwar (138b) am ehesten der traditionellen IO-Passiv-Analyse entspricht, die Passivierung auf die verbnächste NP beschränkt, kann gemäß (139ii) das DO-THEME nicht über eine kasuslose NP hinweg Kasus von dem Passivpartizip erhalten. Allein die Struktur (138c) ist mit den Bedingungen des Kasusverlustes verträglich: Die lexikalische Charakterisierung des GOAL als [+N,-V,uC] ist die einer N-Kategorie; die designierte Präposition to ist als Kasuszuweiser nur erforderlich, wenn NP L in der SStruktur verbdistant auftritt; wenn das GOAL in die SU-Stelle bewegt wird, kann und muß es als reine NP realisiert sein. 6 1 Mit anderen Worten: Das ΙΟ-Argument passivierbar,
wenn es in der PIO-Position
als reine NP projiziert
ist dann und nur dann
ist. Das ist die optimale
Lösung unter dem PJP: Argumente können syntaktisch frei mit ihrer kanonischen kategorialen Realisierung projiziert werden; unabhängige, insbesondere kasustheoretische Faktoren schließen nicht wohlgeformte lineare und/oder kategoriale Realisierungen aus. 6 2
61
Stowell (1981:328) vergleicht diesen Fall mit der NP-internen Bewegung in Nominalisierungen: a. [ N P the [ N .destruction of the city ]] b. [Npthe city;'s [ N ,destruction [ NP ej]]] d. Maryj was given the book [ NP ej] c. *| NP the cityj's [ N .destruction of [ Ν ρε,]]] e. *Mary, was given the book to [ NP ej] (s.a. Fiengo 1977) Der Kontrast zwischen (b) und (c) ist parallel zu dem zwischen (d) und (e): Die P-Inserierung bei nominalen Objekten ist in deklarativen und interrogativen Aktivstrukturen kasussyntaktisch erforderlich und muß in Passivstrukturen unterbleiben, um die NP-Bewegung eines Arguments in die SU-Position durch eine kasuslose Spur zu legitimieren.
62
Verben, die nur in der DO-PIO-Struktur auftreten, verhalten sich wie die normalen ZweiKomplemente-Verben: a. John reported the management's decision to the staff *John reported the staff the management's decision b. who did John report the management's decision to e ? *who did John [report e J the management's decision? *what did John [report the staff] e ? what did John report e to the staff? c. the management's decision was reported e to the staff •the management's decision was [reported the staff] e *the staff was reported the management's decision (to) e *the staff was [reported e ] the management's decision Obligatorische UIO-DO-Verben erlauben weder Passivierung noch Interrogation der inkorporierten IO-NP; die DO-NP ist frei für Interrogation, aber blockiert für Passivierung: d. John [owed Mary] money *John owed money to Mary e. what did John [owe Mary] e ? *what did John owe e to Mary *who did John [owe e ] money? f. *money was [owed Mary] e *money was owed e to Mary *Mary was [owed e ] money Mary was owed money e Bemerkenswert ist, daß obligatorische UIO-Verben nur das ΙΟ-Passiv aufweisen, da Verlust der
232 Die Bestimmung (139) generalisiert die Bedingungen der Kopf-Rektion und Links-Peripherie über Kasusrealisierung und -absorption. Da insbesondere das Prinzip der Links-Peripherie für Aktivstrukturen die Inkorporations- gegenüber der empty-P-Kxalyst vorziehen läßt (s.o.), ist nicht anzunehmen, daß es für die Passivierung über Doppel-NP-Strukturen außer Kraft gesetzt ist. Beide Teile der Bestimmung sind mit den empirischen Fakten und anderen Prinzipien im Einklang; vgl. die Beispiele (140): (140) a. *Three hoursi nom were [VP[v.spoken (about syntax)] e j of Maryi]
256 Mithin ist das grammatische Subjekt der Kopula in (198c-e) als Θ-Subjekt des ^ K o m p l e ments anzusehen (s.a. Burzio 1981:243f.). Have und be unterscheiden sich auch in ihren Kasuseigenschaften: Die postverbale N P in (197a) muß Kasus von have erhalten. In (197b) weist der bare infinitive
cheat keine AGR-
Merkmale auf, die dem /^-Subjekt Nominativ zuweisen könnten. Also ist have ein ECMVerb. Dagegen ist be kein Kasuszuweiser: Wenn be die N P in (198b) am Ort kasusmarkierte, würde die Α-Bewegung in (198c) den Kasusfilter (180) verletzen. Die prädikative NP in (198d) ist kein referentieller Ausdruck und unterliegt daher nicht der Kasusrektion für NPArgumente; das Prädikatsnomen erhält Kasus vermöge der Kasuskongruenz mit der nominativen SU-Stelle. Da die strukturellen Subjekte in (198c-e) nicht in β Kasus erhalten, müssen sie in die Nominativ-Position des ie-Satzes Α-bewegt sein. Es ist die Null-Hypothese, daß die verschiedenen Verwendungen von be und have jeweils einheitliche thematische und syntaktische Eigenschaften haben (wenn auch unterschiedliche 'kompositionelle' Interpretationen), wobei be in als Anhebungsverb erscheint (s.a. Koopman/Sportiche 1991), während die Verwendungen von have ein 'transitives' Verb annehmen lassen, s. (197). In diesem Sinn erhält der Passivsatz (199a) die D-Struktur (199b): (199) a. b. c.
John was cheated NP AGR be [ v p[ v cheat( n ' m )-e/i n ] John m ) Johnj AGR be [ vp [ v cheat( n - m )-e« n ] e , m ]
In der D-Struktur (199b) repräsentieren -en und John die Θ-Positionen von cheat. Als Anhebungsverb weist be seiner SU-Stelle keine Θ-Rolle zu. Die Stelle kann gemäß der SU-6-Bedingung (190) nicht frei bleiben, so daß es durch das Objekt des Partizips gefüllt wird, i.e. (199c). Gemäß dem Kasusfilter (180) kann die Spur der Α-Bewegung dann keinen Kasus haben. Das heißt, daß alle Verbelemente sowohl potententielle Kasuszuweiser sind (s.o. zu (189)) wie auch die Kasuszuweisung optional unterlassen können. Das stellt die radikale Abkehr von der Auffassung dar, daß Bewegung durch den Kasusfilter ausgelöst sei. 8 6 Für have- sind das Perfekt und zwei kausative Varianten zu unterscheiden, die unter den gegebenen Voraussetzungen die Strukturen (200a) bzw. (200b-c) erhalten: (200) a. b. c.
Bill' AGR haveJ) [ vp [ v cheat< n ' m )-e/! n ] John m ρ Bill1 AGR have('J) [ v p M a r y n [ v cheat( n ' m >] John m J) Bill' AGR have('d) (vpJohn, | v cheat ( n m ' e/in] e , m ρ
= Perfekt = Kausativ = Kausativ
= (195a) = (197b)
Die beiden Kausatiwarianten stehen in einer Aktiv-Passiv-Relation zueinander. Da der bare infinitive
in (200b) kein θ-absorbierendes Suffix aufweist, muß die externe Θ-Rolle von
cheat direkt im SpecVP des Partizipialkomplements realisiert sein; in (200c) absorbiert das 86
Baker (1985a) und Jaeggli (1986) nehmen an, daß das partizipiale -en notwendig einen verbalen Kasus absorbiert. Genau dieser Zusammenhang zwischen Θ- und Kasusmarkierung ist jedoch unter der SU-9-Bedingung (190) aufgegeben: Wenn alle Verbformen potentielle Kasuszuweiser sind und Kasuszuweisung optional ist, dann ist ein partzipipiales Verb grundsätzlich frei, Kasus zuzuweisen oder nicht. Unabhängige Prinzipien, hier die SU-0-Bedingung, der Kasusfilter und die Theorie der Grenzkategorien, determinieren modular, ob eine NP Kasus haben muß oder nicht. Wenn das partizipiale -en als 'nominales' Element tatsächlich unter die Kasustheorie fiele, dann kann es Kasus unter der ECM-Analyse von have erhalten, was völlig parallel zu der Kasusmarkierung des Objekts des possessiven have ist, da -en der Kopf des VP-Komplements ist.
257 Partzipialsuffix die externe Rolle des Verbs, so daß es gemäß der BG (186) das Objekt nicht kasusmarkiert und das kasuslose Objekt in dieSpecVP Α-bewegt. SpecVP erhält Kasus vom ECM-Verb have. Das Perfekt (200a) unterscheidet sich von den Kausatiwarianten darin, daß es zum einen nicht von der VP-internen SU-Stelle Gebrauch zu machen scheint und zum anderen die Identifikation der externen Rollen von have und cheat erfordert. 8 7 Die SU-Θ-Absorption hat in gewisser Weise denselben Effekt wie im Passiv (199) und dem Passivkausativ (200c): Es bindet den externen Θ-Index, läßt ihn aber uninterpretiert. Aber im Perfekt muß er offensichtlich tatsächlich interpretiert werden. Das läßt have als Kontrollverb erscheinen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Verben sowohl ECM- wie Kontrolleigenschaften haben; vgl. z.B.: (201) a. b.
John expected [ IP Bill ob j to win] John expected [ c p PRO to win]
Der ECM-/Kontroll-Kontrast ist aber bei have nicht über die SU-Stelle der partizipialen VP rekonstruierbar: SpecVP ist nicht vor der Rektion durch have 'geschützt' und kann also nur dem ECM-Fall des kausativen have Rechnung tragen. Es bieten sich zwei Lösungen an: Wenn ein Kontrollverb lexikalisch dafür spezifiziert ist, daß es seine SU- oder Objekt-Rolle mit der 'höchsten' Rolle eines Komplementverbs identifiziert, könnte unabhängig von rein strukturellen Eigenschaften die SU-Rolle von have thematisch mit der externen Rolle am Partzipialsuffix korreliert sein. Eine elegantere Lösung ergibt sich aufgrund der Annahme, daß eine uninterpretierte Rolle automatisch nach einer Interpretation sucht - d . h . : Die absorbierte SU-0-Rolle eines Partizips muß sich nach Möglichkeit mit der Θ-Rolle eines höheren Prädikats verbinden. Da in (200b) die partizipiale SU-Rolle qua lexikalischer N P ohnehin interpretiert ist, bleibt der Fall (200c): Es ist die Passivkette (NP,, e{) mit NP] in SpecVP als höchster, aber bereits interpretierter Rolle, die die SU-0-Rolle des Partizips gegen das höhere Prädikat 'abschirmt'. In (200a) dagegen ist die VP-interne SU-Stelle nicht realisiert, so daß der Θ-Index am Partizipsuffix -en frei ist, sich einen Θ-Antezedenten zu suchen; und das kann nur der SU-9-Index von have sein. Die Analyse setzt voraus, daß das perfektive (200a) und das kausative (200c) mit denselben D-Strukturen projiziert werden, und impliziert, daß sich die beiden Lesarten von den jeweils selben Elementen have sowie einer einheitlichen Partizipialstruktur 'kompositionell' ergeben: In (200b-c) hat have eine thematisch gesättigte und interpretierte 'Proposition' als Komplement und drückt -sagen wir- 'Verfügung' über die Proposition aus; in (200a) erwirkt Θ-Linking eine monoklausale Interpretation, was die aspektuale Interpretation ergibt. 8 8 Die Vorzüge der Analyse sind: 87
Die Annahme ist notwendig, da der Satz John has cheated nicht die Interpretation John verursacht, daß er (= John) betrogen wird hat, sondern nur die aktive perfektive Lesart. Das Fehlen der SpecVP-Stelle ist eine X-bar-theoretische Option: Positionen wie hier die SpecStelle werden nur projiziert, wenn es aus unabhängigen Gründen erforderlich ist.
88
Die Grundidee ist, daß das possessive, kausative und perfektive have ein- und dasselbe Element darstellen: 'Verfügung' soll den Kompromiß zwischen possessiver und kausativer Lesart hilfsweise andeuten. Der notwendig abstrakten Semantik von have kann hier nicht nachgegangen werden.
258 L. Perfekt- und Passivpartizipien sind mit demselben grammatischen Formativ -en gebildet. Es gibt nur noch ein -en-Partizip neben dem Present Participle auf -ing. 2+ Auch die verschiedenen Verwendungsweisen von have bzw. be fallen zusammen: Das perfektive, das kausative, das (hier nicht diskutierte) modale have (z.B. John has to go) und das possessive Vollverb repräsentieren ein lexikalisches Element mit denselben Kasus- und Θ-Eigenschaften; eine entsprechende Vereinheitlichung ergibt sich für das passive, progressive, modale (z.B. John is (about) to go) und kopulative be. Die konstruktioneilen Unterschiede ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Θ- und Kasuseigenschaften von have und be und deren Interaktion mit unabhängigen Prinzipien der Grammatik. 89 Die unterschiedlichen Kasuseffekte des -en-Partizips im Perfect Aspect und der Passive Mood ergeben sich kostenlos aufgrund der Modularität von have bzw. be und partizipialem Komplement unter Geltung der GB-Prinzipien. Die Kombination von have mit partizipialem Komplement hat den scheinbaren Effekt, als könnte das Perfektpartizip über have hinweg seine externe Θ-Rolle direkt an die Matrix-SU-Stelle zuweisen. Tatsächlich ergibt sich der Effekt aufgrund der Tatsache, daß have eine SU-0-Rolle zuweist, die eine Ko-Interpretation mit der vom Partizip absorbierten Θ-Rolle des eingebetteten Verbs erhält. Dagegen erzwingt be als ergatives Anhebungsverb die Α-Bewegung einer internen Θ-Rolle des eingebetteten Verbs. Die Kombination der Kopula be mit dem partizipialen Komplement hat notwendig den Effekt der SU-0-Absorption und der Subjektivierung eines internen Arguments. Gemäß der SU-B-Bedingung (190) können Α-Bewegungen generell als Folge dessen angesehen werden, daß ein Prädikat der SU-Stelle keine Θ-Rolle zuweist: Kasusverlust im Verbalbereich ist eine optionale Eigenschaft. Das erklärt, daß nicht nur Perfekt-, sondern auch Passivpartizipien Kasus zuweisen können, wie die Diskussion der Doppel-NP-Verben gezeigt hat (s. § 3). In diesem Sinne kann Kasuszuweisung, wie alle Regeln der Syntax (s. Chomsky/Lasnik 1977), als optional angesehen werden. Der Kasusfilter (180) für Ketten ist hinreichend, um zu gewährleisten, daß phonetisch realisierte NPs tatsächlich Kasus haben. Die Θ-Absorption durch -en verhindert nicht und fordert nicht die Kasusmarkierung der Objekt-NP durch V. Es ist das Anhebungsverb be, das den Kasusverlust am Objekt zur Folge hat, da dessen [-Θ]Subjekt in eine Kette eintreten muß. Da have selbst eine SU-0-Rolle zuweist, ist sein Kom89
In die Passivanalyse fügt sich das sog. gef-Passiv (a) und (b) ein (s. z.B. Bowers 1973, 1981). (a) gleicht dem fce-Passiv (199), (b)-(d) den Äave-Strukturen (197) und (180a): a. John got [ V P t [ v .arrested t ]] b. Bill got [ v p John [ v .arrested t ]] c. Bill got [jpthe police (to) [arrest John ]] d. Bill got [ NP the book ] Get unterscheidet sich von have darin, daß das Partizip-II-Komplement immer eine passive Lesart hat; s. (a) und (b). Darin gleicht das gef-Passiv dem Partizip-II-Komplement bei be. Im Unterschied zum Anhebungsverb be kann das passive Subjekt am Ort kasusmarkiert sein, s. (b): get weist eine SU-6-Rolle zu und kann (exzeptionell) kasusmarkieren; s. (c)-(d). Get scheint mithin die für expect konstatierten Eigenschaften zu haben, entweder als Kontrollverb, vgl. (a) mit (201b), oder als ECM-Verb fungieren zu können, vgl. (b-c) mit (201a). Get steht gewissermaßen zwischen have und be.
259 plement opak für Α-Extraktionen: Wird das partizipiale Komplement mit einer SU-Stelle konstruiert, ergibt sich die Kausatiwariante; ohne SU-Stelle verbleibt das Objekt am Ort und erhält Kasus, und die Re-Indizierung des Ziave-Subjekts und des nominalen -en in LF (s. Aoun/Hornstein/Sportiche 1980) läßt das feve-Subjekt als externes Argument des Partizips erscheinen. Generell ergibt sich unter der Modularität grammatischer Prinzipien, wann ein Kasusregent einer regierten NP Kasus zuweist und wann nicht.
4.2.2.3 Unterschiede der Passivierung im Englischen und Deutschen Bekanntermaßen unterscheiden sich die Passivmöglichkeiten im Deutschen und Englischen. Zwar ist im Englischen bei Verben, die ein Satzkomplement subkategorisieren, ein Passiv ohne Bewegung und mithin Θ-Absorption ohne Kasusverlust möglich: (202) a. b.
John believed [ C P that Mary had lied ] it1 was believed [ cp .that Mary had lied ]'
Doch sind die strukturellen Entsprechungen zu den deutschen Passiven (187b-d) durchweg ungrammatisch. Die Θ-Ketten in (187b-c) erklären sich durch die Annahme eines expletiven iV«//-Elements. Dieses kann durch Θ-Koindizierung mit einem Argument -(187b-c)- oder dem AGR-Element -(187d)- legitimiert sein. Das bedeutet, daß das phonetische AWZ-Expletivum frei den SU-Kasus transferieren -(187b)- oder absorbieren kann -(187c-d), i.e. der Nom-Drop-Effekt (s. Kap.III § 3.2.1). Da Englisch (in der Regel 90 ) keine Strukturen mit phonetisch leerer SU-Stelle erlaubt, i.e. Parallelen zu (187b-d), ist anzunehmen, daß es kein AW/-Expletivum besitzt. Es ist daher zu fragen, weshalb solche Strukturen nicht wie in (202b) durch ein expletives Subjekt legitimiert werden können. Die beiden Expletiva des Engl, it und there, treten wie alle Expletiva in SpecIP ohne ΘRolle als Kopf einer Θ-Kette auf und müssen mit einer Α-Stelle koindiziert sein: (203) a. b.
it'/*there' was believed [that John was a liar]' there'/*it' is a man1 in the garden
It ist immer mit einem Satzkomplement θ-koindiziert, das keines Kasus bedarf, there mit einer kasuslosen NP. Die komplementäre Distribution der beiden Expletiva kann kasustheoretisch erklärt werden: Das expletive it ist ein Pronomen und muß Kasus haben; das expletive there ist ein Pronominaladverb, das keinen Kasus annehmen kann (s. Davis 1984). Eine ΘKette (if', NP') läßt die darin enthaltenen Α-Kette (NP') ohne Kasus, da das Pronomen den Kasus der Kette verbraucht. Eine Θ-Kette (there', NP') gibt dagegen den Kasus in der Position von there an die Α-Kette (NP') ab. Auf dieser Basis erklärt sich die Ungrammatikalität der englischen Entsprechungen zu (187c-d) mit overtem Expletivum, wobei die deutschen Beispiele (187b-c) in (204a/b) zusammenfallen, da das Englische keinen obliquen Kasus mehr besitzt: (204) a. b. 90
*it' was helped the boy' *there' was helped the boy'
Subjekt-lose Sätze im Englischen kommen nur in beschränktem Maß nach den Präpositionen as, than etc. vor (vgl. z.B. Jespersen MEG III: 168ff., Webelhuth 1985:222): a. as many men were saved as e were drowned b. as e was suggested to me by John, it is too late to go out
260 c. d.
*it" was danced "there1 was danced
(204c-d) sind ungrammatisch, wenn wir annehmen, daß phonetisch realisierte Expletiva im Gegensatz zum deutschen /VW/-Expletivum notwendig in einer Θ-Kette mit Argument stehen müssen. 91 (204a) ist ungrammatisch, unabhängig davon, ob das Partizip Kasus zuweist oder nicht: Wenn the boy Kasus von V erhält, ergibt sich eine doppelt kasusmarkierte Θ-Kette, was eine Verletzung der singulären Kasuszuweisung an Ketten darstellt, s. (180); wenn the boy keinen Kasus erhält, verletzt das Objekt als eingliedrige Α-Kette in der Θ-Kette (it\ the boy') den Kasusfilter, da it seinen Kasus (Nominativ) nicht abgeben kann. Diese Interaktion der Kasusbedingungen für Θ- und Α-Ketten ergibt als Effekt, was Baker (1985a:609) als einzelsprachlichen Parameter ansieht: "In certain languages, nominative Case may only be realized in the [ΝΡ,ΙΡ] position." Es bleibt der Fall (204b): there sollte den SU-Kasus wie in der aktiven expletiven Konstruktion (198b) an die Objekt-NP abgeben können. In der Tat werden solche Sätze als marginal akzeptabel angesehen (s. a.a.O.:613f.): (205) a. b.
? ?
there was killed a man here there were drowned more people in the wreckage than was expected on first notice
Wie die Passiv-Analyse (199) prognostiziert, sind solche Strukturen nicht ungrammatisch, aber ihre Akzeptabilität offenkundig abhängig von pragmatischen Faktoren. 92 Das Fazit des Sprachvergleichs ist, daß die unterschiedlichen Passiverscheinungen im Deutschen und Englischen auf unterschiedliche expletive Elemente und deren Eigenschaften in Interaktion mit den herkömmlichen Prinzipien der GB-Theorie zurückführbar sind. Unter der θ-theoretischen Analyse der Α-Bewegungen und der Optionalität der Kasuszuweisung stellen die unterschiedlichen Passiverscheinungen keine grundsätzlichen Probleme dar. Die Analyse generalisiert für Passivbewegungen, die sich im Deutschen nicht finden: (206) a. b.
they have eaten at the table the table has been eaten at t
(207) a. b.
John believed [ I P Mary to have lied ] Mary was believed [ I P t to have lied ]
(208) a. b.
they thought [ßJohn [ N P a fool ]] John was thought [p t [ N P a fool ]]
Hinsichtlich der Pseudo-Passivierung (206b) wird Englisch allgemein als der markierte Fall angesehen (s. z.B. van Riemsdijk 1978a), so daß die Ungrammatikalität solcher Passivierungen z.B. im Deutschen und Französischen den Normalfall darstellt: (209) a.
b.
weil der Junge [ v p [ p p a u f das Mädchen] wartete ] *weil das Mädchenj [ V P [ P P auf gj ] gewartet wurde ] weil [ P P auf das Mädchen] gewartet wurde Jean a [ VP telephone [ p p avec la fille ]]
91
Vgl. Safir (1984, 1985), Hoekstra (1984) und Kap.III § 3.2.
92
Das hat Safir (1984) als "Definitheitseffekt" diskutiert: Generell sind definite NPn in der expletiven fAere-Konstruktion ausgeschlossen; s.a. Milsark (1974).
261 *la fille, a ete [ vp telephone [ pp avec ej ] *il a 6t6 [vpt616phoni [ pp avec la fille ]] Die herkömmliche Analyse der Pseudo-Passive ist, daß ein Prozeß der Reanalyse die PPKonstituente auflöst und Partizip und Präposition als Konstituente restrukturiert; s. (210a). NP-Bewegung aus der PP ist nicht zulässig, da Ρ die Spur kasusregiert und eine kasusmarkierte Spur Operator-gebunden sein muß; s. (210b): (210) a. b.
...[v°V-enP][NPe_c] * ..V-en[PpP[Npe+c]]
Der Kasusverlust an einer postverbalen NP ist eine notwendige Voraussetzung für die Pseudo-Passivierung. In diesem Sinne kann V-P-Reanalyse als durch die SU-0-Rollen-Absorption ausgelöst angesehen werden: Um die leere SU-Stelle zu füllen, muß eine postverbale NP für Α-Bewegung zugänglich werden, was das Objekt einer Präposition nur wird, wenn es in die Rektion des Verbs gelangt; mithin müssen V und Ρ reanalysieren. Wiederum erscheint nicht die Passivmorphologie für den Kasusverlust verantwortlich, da Partizipien auch unter P-Inkorporation grundsätzlich Kasuszuweiser sein können sollten. In (207) betrifft der passive Kasusverlust das Subjekt eines Infinitivkomplements, das im Aktiv der exzeptionellen Kasusmarkierung (ECM) unterliegt. Zwischen Verb und Komplementsubjekt besteht keine Θ-Relation. Da diese Struktur traditionell und in früheren generativen Arbeiten als Objekt mit Infinitiv analysiert worden ist, ist eine Rechtfertigung der IPAnalyse angebracht. Verben, die mit einer NP-ro-VP-Struktur auftreten, variieren hinsichtlich der Analyse der postverbalen NP als OBJ von V bzw. SU des Infinitivs: 93 (211) a. b.
NP [ v p V NP [ c p PRO to VP ]] NP [ v p V [ I P NP to VP ]]
e.g. force, order, persuade e.g. believe, expect
Die Strukturunterschiede lassen sich thematisch, syntaktisch und interpretativ begründen. Soweit die Verben in (211a) mit einem finiten Satzkomplement auftreten, muß ein ΘObjekt des Matrixverbs außerhalb des rAar-Komplements erscheinen: (212) a. John ordered Mary [that she should leave] b. John believed [that Mary had lied] *John believed Mary [that she had lied] Der Kontrast (212b/c) zeigt, daß Mary eine Θ-Rolle ausschließlich von dem infiniten Verb erhält und gemäß dem PJP auch in (207a) als SU des Komplementsatzes basisgeneriert sein muß. Das PJP verhindert zugleich die früher angenommene SU-zu-OBJ-Anhebung, die ein zugrundeliegendes (211b) in eine S-Struktur wie (213a) überführt, da diese Struktur eine Verletzung des Θ-Kriteriums für das 2-wertige believe auf der S-Struktur darstellte: (213) a. *John [VPbelieved Mary [ I P t to have lied]] b. he believed [Mary to have lied], but we didn't believe [it] Die pronominale Koreferenz in (213b) zeigt positiv, daß Mary auch in der S-Struktur in der SpecIP-Stelle des Infinitivs steht. Es kann mithin als gesichert gelten, daß believe mit einem 93
Die Verben unter (211a) werden als Kontrollverben bezeichnet, in denen das 'mitverstandene' Infinitivsubjekt PRO durch das Objekt des Matrix-Verbs (oder das Matrix-Subjekt, e.g. promise) kontrolliert ist. Die Verben in (211b) selegieren eine Proposition ohne CP-Schale, da das eingebettete SpecIP für Kasusrektion durch das Matrixverb erreichbar sein muß (Kap.I § 2.2.3.3).
262 Satzkomplement konstruiert ist. Da das Subjekt eines Infinitivs nicht IP-intern kasusmarkiert sein kann, muß es Kasus vom Matrixverb erhalten: Strukturelle Kasusmarkierung ist unabhängig von der 9-/S-Selektion. Ist das Matrixverb ein Passivpartizip, verliert das Verb aufgrund der SU-9-Absorption und der Partizipialanalyse die Fähigkeit, dem Infinitivsubjekt Kasus zuzuweisen: Das [-6,+C]-Subjekt des Passivpartizips löst die Α-Bewegung des [+6,-C]-Subjekts des eingebetteten Satzes aus; s. (207b). Beispiele wie (208) werden traditionell als Objekt mit objektsbezogenem Prädikativum analysiert. In der neueren generativen Linguistik werden sie als small clauses (SC) angesehen. Da sowohl deren Konstituentenstatus wie auch deren kategoriale Analyse strittig ist, verdienen sie eine gesonderte Betrachtung. 4.2.2.4 Zur Small-Clause-Anzlyse der Prädikativa Der Konstituentenstatus von β in (208) läßt sich weitgehend analog zu den Eigenschaften von believe begründen: (214) a. they thought [ IP John to be a fool ] b. they thought [ c p that John might be a fool ] c. *they thought John [ c p that he might be a fool ] Die io-fte-Paraphrase (214a) weist aus, daß das Komplement eine Satzstruktur haben kann. Der Kontrast (214b/c) zeigt, daß John ausschließlich in einer Θ-Relation zum Prädikativum steht und kein Θ-Objekt von think ist. Unter der thematischen Uniformitätshypothese (s.§ 4.2.4.1) haben alle Varianten von think dieselbe Θ-Struktur und unter dem PJP muß das Verb einheitlich mit einem externen und einem internen Argument konstruiert sein. Das weist das scheinbare Objekt und das darauf bezogene Prädikativum als syntaktische Konstituente β aus. Derart thematisch vollständige Konstituenten mit propositionalen Eigenschaften, i.e. Subjekt-Prädikat-Relation, aber ohne Satzstruktur, i.e. ohne I°- und V°-Köpfe, werden allgemein als small clauses (SC) bezeichnet (s. Chomsky 1981a: 107). Es stellt sich die Frage nach dem kategorialen Status der SC-Komplemente β und deren interner Struktur. In jeder Version der X-Bar-Theorie stellt die Annahme, daß Phrasenkategorien Realisierungen der kategorialen Eigenschaften ihrer X°-Köpfe sind, die Null-Hypothese dar: 94 94
Es gibt zwei frühe Vorschläge für die kategoriale SC-Analyse, die wenig tragfähig erscheinen. Der eine analysiert SC-Phrasen als 'defektive' X-Bar-Projektionen über der X°-Kategorie des prädikativen Kerns, etwa als eingestrichene Kategorie; der andere setzt für SC-Phrasen die Kategorie IP oder CP an, je nachdem, ob das SC-Subjekt regiert und kasusmarkiert ist oder nicht. Im Gegensatz zu (208), in dem ECM bzw. Passivbewegung des SC-Subjekts CP-Tilgung verlangen, wenn die SC-Phrase als Satzkategorie analysiert wird, würde die Unmöglichkeit eines lexikalisierten SC-Subjekts in Beispielen wie (a) und (b) ein CP-Komplement annehmen lassen: a. he1 ate the meat) [ C P PRO) raw] b. he1 painted the picture) [ C P PRO1 nude] Die Annahme, daß SC-Phrasen 'Satz'-Kategorien seien, ist X-bar-theoretisch problematisch. CPbzw. IP-Projektionen kann es nur geben, wenn es C°-/I°-Elemente gibt: Diese fehlen aber typischerweise in SC-Phrasen. Gegen die erste Annahme spricht, daß für jede SC-Phrase deren Prädikat selbst eine volle XBar-Projektion über einem X°-Kopf ist: In (208) ist a fool eine NP, so daß β nicht eine nichtmaximale Kategorie sein kann; foolish in (c) und empty in (d) können mit den kategorienspezifi-
263 Wenn es keinen Kopf gibt, dann gibt es auch keine Phrase. Die einzig in Frage kommenden Köpfe sind die der SC-Prädikate. Da SC-Prädikate selbst bereits maximale Phrasen darstellen, kann die SC-Konstituente nur die Struktur einer Chomsky-Adjunktion aufweisen: (215) ... (V)[ X pNP*[ X P ...X° ...]]... In diesem Sinne ist β in (208) eine NP. Damit die Struktur (215) eine adäquate SCRepräsentation ist, muß zweierlei gegeben sein: X° regiert nicht NP* aus dem inneren XP heraus und V kann in das äußere XP hinein die NP*-Stelle regieren. Daß eine adjungierte Phrase nicht unter die Rektion des X°-Kopfes der Phrase fallt, zeigt sich z.B. unter der 'stilistischen' Adjunktion an eine maximale Phrase (s. § 4.1): (216) a. who2 did John [VPgive the book to e 2 yesterday]? b. *who2 did John [ vp [ vp give the book gj yesterday] [ to e 2 ]j] ? (217) a. b.
who] did John [vpexpect [ IP ej to win] before the race was started]? *whoj did John | vp [ vp expect e, before the race was started] [ ]p to win];]?
In beiden (b)-Strukturen sind die VP-adjungierten Phrasen für syntaktische Prozesse unzugänglich. 95 Die WH-Extraktion aus IP in (217) setzt voraus, daß das "bare S"-Komplement und mithin die SpecIP-Spur regiert ist. Das ist der Fall in (217a), wo das CP-Tilgungsverb expect die SU-Spur für das ECP lizensiert. Dagegen ist das VP-adjungierte IP in (217b) opak für Extraktion. Mit anderen Worten: Wenn unter dem allgemeinen Rektionsbegriff von Aoun/Sportiche (1983) X° alle Elemente in seiner maximalen Projektion XP regiert, muß die Rektionsdomäne eines Kopfes auf die erste maximale X-Bar-Projektion, i.e. das innere XP, beschränkt sein. In diesem Sinne ist in Struktur (215) die NP*-Stelle nicht durch den SC-Kopf regiert. Da das innere XP die Rektion von X° begrenzt, stellt das äußere XP keine kanonische X-BarProjektion über einem Kopf dar und ist transparent für Rektion von außen. In geeigneten strukturellen Kontexten kann das SC-Subjekt mithin exzeptionell Kasus durch ein Matrixverb erhalten: Die Lexikalisierung des SC-Subjekts unterliegt den üblichen Kasusbedingungen Singularität und Links-Peripherie, so daß verbdistante SC-Phrasen ihr Subjekt nicht phonetisch realisieren können und mit Kontroll-PRO auftreten (s. Anm.95: (c) vs. (d)). Die Adjunktionsstruktur (215) für SC-Komplemente erfüllt mithin die wesentlichen thematischen und interpretativen Bedingungen einer Proposition: Die XP-adjungierte NP* ist eine externe Position für X° und somit geeignet für die Realisierung des externen Arguments des prädikativen Kerns; und die Konfiguration NP* XP kann parallel zur IP-Satzstruktur als Subjekt-Prädikat-Relation interpretiert werden. Stowell (1981, 1983) hat gezeigt, daß grundsätzlich alle lexikalischen Kategorien eine potentielle SU-Stelle haben:
95
sehen Spezifikatoren auftreten, so daß sie ebenfalls als vollständige APn zu analysieren sind: c. they considered [ρ John Upvery foolish] d. they left the room [p PRO (completely empty]] Die Tatsache, daß das SC-Subjekt in (208) und (c) durch das Matrixverb regiert und kasusmarkiert, in (d) jedoch unregiert sein muß, ist also auf andere Weise auszudrücken. Zur WH-Extraktion aus PP in (216a/b) vgl. ausführlicher § 4.4.
264 (218) a. b.
they considered [ NP Bill [ N p the best candidate ]] Bill was considered [ N P e [ NP the best candidate ]]
(219) a. b.
John proved [Apthe theory [^pfalse ]] the theory was proved e [ ^ f a l s e ]]
(220) a. b.
they expected [ PP the captain [ PP off the boat ]] the captain was expected [ P P e [ PP off the boat ]]
(221) a. b. c.
she saw [ VP him [ VP come ]] *he was seen [ V P e [ VP come ]] he was seen [ I P e [ r t o [ VP come ]]]
Allein der "bare infinitive" (221a) stellt insofern eine Ausnahme dar, als er nicht die Passivbewegung (221b) zuläßt. Im Passiv muß das infinite Verb durch den Infinitivkennzeichner to in 1° markiert sein; s. (221c). 9 6
4.2.2.5 Zum Kategorienstatus partizipialer Komplemente Die vorgängige SC-Analyse gibt Anlaß, den Status der partizipialen Komplemente der haveund ^-Strukturen in § 4 . 2 . 2 . 2 zu überdenken. Wir hatten angenommen, daß SpecVP die Basisposition für das VP-interne Subjekte des aktiven Kausativs (222a) sowie die Zielposition für den VP-internen Passiv-Effekt in (222b) ist: (222) a. b. c.
John had [ V P Mary [ v , cheat Bill ]] John had [ V P Bill [ v . cheated e ]] John had [ V P [ v . cheated Bill ]]
Wenn SpecVP die für ECM relevante Stelle ist, hat das den unschönen Effekt, daß diese Stelle 'doppelt' regiert ist: durch das Matrixverb have und das reine bzw. partizipiale Verb in VP, da V ' in keinem offensichtlichen Sinne eine 'Rektionsbarriere' darstellt. 9 7 Es gibt zwei Optionen, diesem Einwand entgegenzutreten. Zum könnte man annehmen, daß der links-periphere V°-Kopf nur und ausschließlich nach rechts regieren kann, so daß die SpecVP-Stelle unregiert ist und Elemente in ihr nur 'von außen' lizensiert sein können. Da nicht klar ist, ob diese Interpretation mit der strikten Auslegung des (allgemeinen) Rektionsbegriffs von Aoun/Sportiche (1983), daß alle Positionen in der maximalen Projektion eines Kopfes durch diesen regiert sind, vereinbar ist, bietet sich an, daß aktive und passive faive-Kausativ analog zur SC-Analyse als Adjunktionsstruktur aufzufassen. Wenn wir weiterhin annehmen, daß das Θ-Raster eines Kopfes in dessen (erster) maximaler Domäne saturiert sein muß, ergeben sich etwa die Strukturen (223) für (222); s.a. (221a): 9 8
96
Diesen Kontrast analysieren Scherpenisse/Janßen (1985) im Rahmen ihrer Theorie der VerbDetermination; vgl. auch Haider (1984) und Jaeggli (1986) zu Analysen der Infinitivmarkierung. Für die Kopula-Strukturen (198b-e) hat β im Sinne der Adjunktionsanalyse dieselbe Kategorie wie die Prädikate der SC-Komplemente.
97
Es entsteht jedoch kein Kasuskonflikt, da V° im Engl, nur nach rechts kasusregieren kann.
98
Für die Perfektstruktur (222c) haben diese Überlegungen keine Auswirkungen -es sei denn, es wäre anzunehmen, daß der unterinterpretierte Θ-Index des Partizipmorphems -en von SpecVP und/oder der Adjunktionsstelle Gebrauch macht. Dagegen spricht jedoch vielleicht, daß die Belegung der SU-Stelle im aktiven wie passiven die interpretative Konsequenz hat, daß das MatrixSU John nicht als der 'Betrüger' interpretiert sein kann. Genau das ist jedoch die Interpretation
265 (223) a. b. c.
John had [ V pMary [ v p e [ v . cheat Bill ]]] John had [ V P Bill [ V P (e) [ v . cheated e ]]] John had [ v p [ v . cheated Bill ]]
Die Adjunktionsstrukturen (223a-b) vermeiden mögliche Rektionsüberschneidungen: Die Adjunktionsstelle ist zugänglich für Rektion 'von außen' und SpecVP für Θ-Markierung 'von innen'. Das Ergebnis ist eine Dissoziation der Positionen für Θ- und Kasuslizensierung -eine notwendige Konsequenz der VP-internen Subjekthypothese (s.a. Koopman/Sportiche 1991 u.a.). Es ergibt sich zudem eine etwas andere Charakteristik des Begriffs 'externes Argument': Das SU-Argument ist nicht thematisch extern, sondern lediglich hinsichtlich seiner morphosyntaktischen Lizensensierung durch Kasus. Insgesamt ergibt sich ein ähnliches Bild wie für die Eigenschaften der Kern-VP im Deutschen (s. Kap.II § 2.4) -modulo der Modularitätseffekte der unterschiedlichen Parametrisierungen in den beiden Sprachen.
4.2.3 Zur Anhebungsbewegung Unter der Passiv-Analyse (199c), die be als Anhebungsverb mit einem partizipialen VPKomplement klassifiziert, fällt der zweite Teil der Passiv-Bewegung mit der herkömmlichen Anhebungsbewegung zusammen. Im folgenden beschränken wir uns auf die klassische Anhebungsstruktur. Anhebungsprädikate wie seem, likely, certain etc. sind lexikalisch stets dadurch gekennzeichnet, daß sie kein Θ-Subjekt selektieren und ein propositionales Argument (neben einem optionalen Präpositionalobjekt) subkategorisieren. Im gegebenen Rahmen ist die A-Bewegung in der Anhebungsstruktur thematisch induziert. Das will sagen, daß der für A-Bewegungen charakteristische Zusammenhang zwischen Fehlen einer Subjekt-0-Rolle und Fehlen der Kasuszuweisung nicht primär in der Tatsache begründet ist, daß Anhebungsprädikate keinen Kasus zuweisen, weil sie kein NP-Objekt subkategorisieren, i.e. die Intransitivitätshypothese. Vielmehr können Anhebungsprädikate als eine Variante 'SU-loser' Lexeme angesehen werden, i.e. Lexeme ohne externe Θ-Rolle wie die Ergativ- und Witterungsverben. Insofern unterscheiden sich Anhebungs- und Ergativprädikate minimal darin, daß letztere ein NP-Objekt subkategorisieren, i.e. lexikalisch transitiv sind, während erstere ein propositionales Objekt zu sich nehmen. Die Bezeichnung Anhebungsprädikat ist insofern kein relevanter lexikalischer, sondern ein syntaktisch-deskriptiver Begriff: Die Anhebungsbewegung ergibt sich aufgrund der lexikalischen Spezifik, wenn das propositionale Komplement infinit ist. Dann ist das intern kasuslose Komplement-Subjekt dafür zugänglich, die SU-ΘBedingung (190) zu erfüllen. Es besteht aber immer die Möglichkeit, ein Anhebungsprädikat mit einem finiten Satzkomplement zu konstruieren, so daß sich eine Konfiguration ergibt, in der die SU-0-Bedingung (190) nur durch eine expletive Θ-Kette erfüllbar ist.
des Perfekts (222c), dessen Komplement keine strukturelle SU-Stelle aufweist. Es ist unklar, ob dieser interpretative Effekt eher als Beziehung zwischen den Θ-Positionen John und -en oder als Beziehung zwischen den verbalen Positionen have und cheat-ed zu rekonstruieren ist. Zur Passiv-Analyse (199) ist nichts hinzuzufügen: Die Struktur ist parallel zu (222c); die Bewegung in SpecIP ergibt sich aufgrund der Eigenschaften von be im Kontrast zu have.
266 Im lexikalisch unmarkierten Fall kann das propositionale Argument als infiniter oder finiter Satz realisiert sein: (224) a. b.
[ N P e ] 1° seem [ I P John to have won ] tape] 1° seem [ C P that John 1° have won ]j
Die Struktur (224a) erfüllt die SU-9-Bedingung durch Α-Bewegung von John\ (224b) erreicht das durch die Einsetzung des Expletivums it, s. (225a) bzw. (225b): (225) a. b.
Johnj 1° seem [ gj to have won ] it1 1° seem [that John 1° have won]1
Seem kontrastiert minimal mit dem aktiven believe darin, daß letzteres eine SU-0-Rolle zuweist und somit das Komplementsubjekt unter Kasusrektion realisiert: (226) a. b.
Mary11 1° [ believe [plfej] [ V P [ v °refuse-INFL'.|the offer]]] [ N P John's [ N .[^refusal ] of the offer]] [ NP these [ N .delicate [ N .problems of execution]]]
Wie die Numerus-Kongruenz in (10c) zeigt, fällt die SU-AGR-Koindizierung in (10a/a') unter die allgemeinen Eigenschaften der Kongruenz: Gemäß dem allgemeinen Rektionsbegriff (s. Aoun/Sportiche 1983) regiert X° alle Elemente in seiner maximalen Projektion XP, so daß die Rektionsbedingung für die Kongruenzrelation (6i) erfüllt ist. Da zwischen Spec und Kopf eine Rektionsbeziehung gegeben ist, kann man natürlich annehmen, daß ein kasuszuweisender Kopf einer NP in SpecXP Kasus zuweist, um so der Afo/w-Zuweisung (6ii) Rechnung zu tragen. Dennoch hat die Atom-Zuweisung unter (9) einen besonderen Status im Vergleich zur strukturellen Kasusmarkierung: Im unmarkierten Fall
307 unterliegen strukturelle Kasus einer Minimalitätsbedingung in dem Sinn, daß der Kasuszuweiser den Kasusrezipienten kopf-regiert. Kasuszuweisung aus der minimalen X'-Domäne heraus verlangt eine besondere Spezifikation.3 Chomsky (1986b: 187f.) hat den Spec-Genitiv unter die Rektionskasus subsumiert, indem er zum einen davon ausgeht, daß alle lexikalischen Kategorien Kasusregenten sind, also auch Ν und Α im Englischen, und zum anderen annimmt, daß der zugewiesene Kasus einer XP-Kategorie auf den Kopf und -wenn vorhanden- deren Spec-Position perkoliert. Beide Annahmen sind von zweifelhaftem Wert: Die Annahme, daß der Genitiv in SpecNP von Ν zugewiesen wird, läßt ungeklärt, weshalb (im Engl.) N, wenn es denn ein Kasuszuweiser ist, nicht auch eine Komplement-NP kasusmarkieren kann, sondern Of-Insertion verlangt; s. (lOb-c). Die Annahme, daß ein Kasusregent sowohl den Kasus des N-Kopfes wie der SpecNP-Stelle bestimmt, läßt den Unterschied zwischen der DET-N- und der NP's-N-Beziehung unberücksichtigt: Eine 5/>ec-NP tritt eben nicht im selben Kasus wie der N-Kopf auf. 4 Es erscheint also durchaus angebracht, dem spezifizierenden Genitiv in NP einen anderen Status zuzuschreiben als den Kasus unter Rektion, i.e. den V- und P-regierten Objektiv und Oblique. Das gilt dann aber auch für das Satzsubjekt in SpecIP. Damit steht die Nominativ-Zuweisung durch AGR, i.e. (6ii), zur Debatte.
1.3 Nominativ-Zuweisung durch das flektierte Verb Eine dritte Variante hat Koopman (1984) in die Diskussion gebracht, wonach der SU-Nominativ von dem in INFL bewegten Verb, i.e. dem flektierten Verb, zugewiesen wird. Die Kongruenz-Relation (6i) bleibt von dieser Modifikation unberührt. Koopmans Vorschlag setzt die S-Struktur (11) der neueren X-Bar-Theorie voraus: (11)
[ C P . . . [ I P N P n o m [i [|°Vj-INFL][ v p gj ... ]]]]]
Für ihren Vorschlag bringt Koopman einige empirische Begründungen, die die mittels der flektierten Infinitive des Portugiesischen motivierten AGR-Hypothese relativieren. Die Beispiele (2) reichen nicht aus, die Kasuszuweisung durch AGR übereinzelsprachlich zu motivieren: Nicht nur ist Portugiesisch eventuell die einzige Sprache, in der der SUNominativ im Kontext [[AGR] auftritt (s. op.cit.: 191). In anderen Sprachen, in denen TNSund AGR-Eigenschaften unabhängig voneinander auftreten, kann AGR nicht ein NominativSU legitimieren. So enthalten Gerundien im Türkischen AGR-, aber keine TNS-Merkmale (s. George/Kornfilt 1981); deren Subjekt-NP erscheint jedoch nicht im Nominativ, sondern im Genitiv: (12)
herkes yazar-lar-in viski-yi ic-tik-lerin-i bil-iyor jeder Autor-PL-GEN Whisky-ACC trink-GER-AGR-ACC wiss- PRÄS 'jeder weiß, daß die Autoren Whisky trinken/getrunken haben'
3
So im Falle des V'-Dativs im Dt., daß entweder V' als exzeptioneller Kasuszuweiser (z.B. den Besten 1981b) oder der s-Oblique analog zum Spec-Genitiv in NP als konfigurationaler Kasus bestimmt ist.
4
Zum Unterschied zwischen Spec-Kasus und phraseninterner Spec-X-Kongruenz vgl. unten § 3.1.
308 (13)
... [NpNPgen [ v p ... V[.TNS
AGR)
]]Cv ... V ...
Schließlich gibt es im Ital. eine markierte Infinitivstruktur, in der ein Nominativ-SU auftritt, ohne daß das infinite Verb TNS- und AGR-Merkmale aufwiese (s. Koopman 1984:192; vgl. auch Rizzi 1981): (14) ritengo esser loronom in grado di pagare il riscatto glaub-1Ρ sein sie fähig zu zahlen das Lösegeld 'ich glaube, sie können das Lösegeld zahlen' (15)
... [CP[,esser] [ IP NP nom [,e] VP ]]
Da dieser Infinitivtyp nur unter der I-zu-C-Bewegung vorkommt -einem speziellen Fall der allgemeinen V-Bewegung-, wird man in diesem Fall annehmen müssen, daß die NominativNP durch das [-TNS,-AGR]-Auxiliar in C° legitimiert ist. Es zeigt sich, daß weder [,+TNS] noch [[AGR] allein eine übereinzelsprachliche Generalisierung für das Auftreten des SU-Nominativs erlauben. Neben den genannten Varianten gibt es Sprachen wie die von Koopman im Detail untersuchten afrikanischen Kru-Sprachen Vata und Gbadi, in denen der SU-Nominativ im Kontext eines [,+TNS] ohne AGR-Merkmale erscheint (p.72ff.). Koopman folgert daraus, daß es weder TNS- noch AGR-Merkmale sein können, die ein INFL als Kasuszuweiser ausweisen, und schlägt als UG-Hypothese vor, daß INFL-Merkmale nur dann nominativen Kasus zuweisen, wenn INFL durch ein Auxiliar realisiert oder V in INFL bewegt worden ist (p.140): (16) NP is nominative if governed and adjacent to [ INFL V], Wenn wir von der Rektions- und Adjazenz-Bedingung absehen, ist diese Auffassung nicht nur mit der neueren X-Bar-Theorie und der Existenz von V-Bewegungen als Instanz von Move α verträglich, sie generalisiert auch über die ansonsten heterogenen Nominativ-Bedingungen im Port., Türk, und Ital.: Wenn immer kein verbales INFL vorliegt, kann die SUNP nicht im Nominativ erscheinen. Das gilt für Gerundien, NPn, IP-Kategorien mit dem infinitiven to bzw. zu, die auf unterschiedliche Weise V-Bewegung in 1° blockieren, oder IP-Kategorien ohne 1°, i.e. reine Infinitive oder die modalen VP-Komplemente. Aber auch unter Koopmans Modifikation bleiben die Einwände aus § 1.2 bestehen: Ein verbales 1° k-regiert (i.e. minimal c-kommandiert) die SpecIP-Stelle nicht, so daß der SUNominativ nach wie vor eine Sonderrolle im System der strukturellen Kasusmarkierung spielt. Insbesondere können Koopmans Argumente unabhängig von der Art des zugewiesenen Kasus als Nachweis interpretiert werden, daß nicht bereits der D-strukturelle Merkmalskomplex INFL, sondern erst ein verbales INFL die SU-Stelle für das ECP lexikalisch regiert und somit Extraktionen aus der SU-Stelle erlaubt: (17) a. b. c.
[cpwhoj [ IP e; [,,cheatj-ed [ VP e, Mary ]]]]? *tcpwhOj [ IP e, [,,-ed [VPcheat Mary ]]]]? *[CPwhOj didj [ IP £i [|. ej [vpcheat Mary ]]]]?
(18) a. b. c.
[cpwhoj didj [IPMary [,. e, [ VP cheat e, ]]]]? *[CPwhOi [lpMary [ r did [ v p cheat ej ]]]]? *[CPwhOj [jpMary [,,cheatj-ed [ VP ej e, ]]]]?
Wenn wir annehmen, daß direkte SU- und OBJ-Fragen die Strukturen (17a) bzw. (18a) haben, dann kann die V-Bewegung in 1° in Interaktion mit anderen Prinzipien zur Erklärung
309 der unterschiedlichen Distribution der SU-AUX-Inversion (SAI) herangezogen werden. (17b) unterscheidet sich von (17a) nur darin, daß V-Bewegung nicht stattgefunden hat: Die I°Merkmale i-ed) allein können die leere SU-Stelle nicht lexikalisch regieren; rfo-Einsetzung ist nur wohlgeformt für die emphatische Lesart; (17b) ist aber wohlgeformt, wenn 1° durch ein Auxiliar ausbuchstabiert ist: who will cheat Mary?. SAI in (17c) führt insofern zu einer ECP-Verletzung der SU-Spur, als diese weder durch die I°-Spur lexikalisch regiert ist, noch kann sie aus SpecCP Antezedent-regiert sein, da der Index des in C° bewegten 1° auf CP perkoliert und die Relation blockiert. (18a) entgeht dem zu (17c) parallelen ECP-Effekt, weil die OBJ-Spur unabhängig durch V lexikalisch regiert ist, so daß Antezedent-Rektion nicht benötigt wird. Die Ungrammatikalität von (18b-c) zeigt, daß SAI zur Anwendung kommen muß. Da genau dieser Effekt in indirekten Fragen fehlt, ist es eine plausible Annahme, daß die wA-Phrase in SpecCP regiert sein muß: In abhängigen Fragesätzen ist sie es von außen durch V°, in direkten Fragesätzen muß sie es durch lexikalisches Material in C° sein, wenn sie nicht in einer direkten Antezedent-Relation zu ihrer regierten Spur steht -wie in (17a), aber nicht in (18). Diese Überlegungen motivieren die beiden Formen der V°-Bewegung, V°-zu-I° und I°zu-C°, wobei unabhängig im Engl, ein V nicht in C° bewegt werden kann, im Gegensatz zu den Verb-Zweit-Sprachen. Insofern Rektion eine Voraussetzung für die Kasusmarkierung einer lexikalischen NP ist, kann V-Bewegung auch dafür in Anspruch genommen werden, daß es eine lexikalisierte SU-Stelle gibt. Da die Überlegungen jedoch unabhängig von speziellen kasustheoretischen Erwägungen geblieben sind, ist fraglich, ob man den speziellen Fall der Nominativ-Markierung daraus erklären sollte. Es gibt Positionen, in denen der Nominativ auftreten kann, für die eine Erklärung in Begriffen eines verbalen INFL nicht angewendet werden kann. Das Deutsche bietet dafür u.a. die folgenden Beispiele: (19) a.
d.
Sie riet ihm ab, ein TennisspielerN zu werden (Sie sah ihnA einen TennisspielerA werden Laßt euren Sohn doch ruhig ein FußballerN werden (Laßt den lieben GottA einen guten MannA sein) Mich friert wie ein SchneiderN (Sie behandelt ihnA wie einen FreundA) Die ElternN aus dem Haus, konnten sie tun, was sie wollten
e.
Dein Freund N , mit dem muß ich mal ein ernstes Wort reden
b. c.
In (19a-c) tritt der Nominativ in einer Position auf, die üblicherweise der Kongruenz unterliegt. Nur gibt es in diesen Fällen keine nominative NP, die den Gleichsetzungsnominativ bedingen kann. Ebensowenig gibt es für den absoluten Nominativ in (19d) und den topikalischen Nominativ in (19e) eine rektionale Grundlage. Bevor wir zu einem abschließenden Urteil über den Nominativ kommen, werden daher einige Eigenschaften von Kasus unter Kongruenz zu berücksichtigen sein.
310
2. Zum Kasus des nominalen Prädikativs Als zweite Hauptfunktion des Nominativs neben der Kennzeichnung des Satzsubjekts wird allgemein der Gleichsetzungsnominativ für SU-bezogene Prädikativa angesehen (z.B. Heidolph et al. 1981:581): (20)
a. b. c.
er N ist ein guter Arzt N er N wurde ein guter Ärzt N er N kehrte heim ein Held N
Der prädikative Nominativ kann nicht ein unter Rektion zugewiesener Kasus sein. Zum einen sind sein und werden, wie ihre Verwendung im Passiv zeigt, in dem Sinn ergativisch, daß sie keinen Kasus zuweisen. Zudem wechselt der prädikative Kasus mit dem Kasus der Bezugs-NP; vgl. (20) mit (21): (21)
a. b.
wir haben ihn A einen guten Arzt A werden sehen den Sohn A einen Arzt A werden haben die Eltern sehen wollen
Das läßt annehmen, daß die Kasusmarkierung der prädikativen NP (PNP) eine Kongruenzerscheinung ist. Eine PNP ist nicht referentiell. Das zeigt zum einen, daß eine PNP nicht durch ein Personalpronomen, einem deiktischen und typisch referentiellen Element, belegt sein kann: (22)
a.
Hans ist ein guter Arzt und Paul ist {*er l*ihnl es } auch
b.
Sie sahen Hans {einen guten Arzt l*ihn / es} werden
Zum anderen können PNPs nicht durch das genus- und kasusspezifische Interrogativpronomen wer!wen erfragt werden: (23)
a. b. c.
{*wer / was } wurde er? Ein guter Arzt N {*wen / was } sahen sie ihn werden? Einen guten Arzt A was macht er? Er macht einen Tisch / Er singt
Benutzt wird das Neutrum des Interrogativpronomens, mit dem nach Sachen und Sachverhalten gefragt wird, s. (23c). Beispiel (20c) schließlich erfordert eine Interrogativphrase, die die verdeckte adverbiale Funktion des PNP deutlich macht: (24)
{*Wer /*Was / Wie / Als was } kehrte er heim? (Als) ein Held N
Das Interrogativum der Art und Weise wie bzw. die präpositionale Fügung als was lassen Beispiel (20c) als (elliptische) Alternante zu er kehrte heim als ein Held erscheinen. Insofern die PNP kein Argument eines Θ-Regenten ist, der ihr direkt oder indirekt Kasus zuweisen könnte, kann sie ihren Kasus nur von ihrer Bezugs-NP erhalten. Die PNP ist selbst der Θ-Kern einer propositionalen Struktur: Eine PNP gibt eine Θ-Rolle an die BezugsNP ab und erhält von dieser Kasus qua Kongruenz: (25)
a.
* [,p NP'c [ v p NPC(>) sei-/werd-] 1° ] •
b.
:" ... [ V P [ I P NP'c [ V p N P C « sei-/werd-] V° ] 1° ] A
Man muß den Kongruenzkasus nicht unbedingt als einen abstrakten Kasus auffassen. Da aber den abhängigen morphologischen Formveränderungen im Rahmen einer Kasustheorie
311 auf jeden Fall Rechnung zu tragen ist, nehmen wir an, daß PNPn dem Kasusfilter unterliegen und daß mithin ein allgemeiner Mechanismus der Kasuskongruenz notwendig ist. Grundsätzlich kann Kasuskongruenz alle Kasus erfassen. Das zeigt die Kasusvariation nach den präpositionalen Elementen alslwie: (26)
a. b. c. d.
er N half ihr als ein guter Freund N er half ihr D als seiner Freundin D sie gedachten seiner G als eines Helden c sie feierten ihn A als einen Helden A
Da ausgeschlossen ist, daß die variierenden Kasus durch als (bzw. wie) zugewiesen sind, müssen die jeweiligen P-Objekte Kasus von der jeweiligen Bezugs-NP erhalten: (27) • ... NP C ... [p p als NP C ] ... V°/I° A
So weit besteht kein Grund zu der Annahme, daß sich die Verhältnisse im Dt. und Engl, voneinander unterschieden, obschon Phänomene der Kasuskongruenz im Engl, nicht direkt morphologisch beobachtbar sind. Die pronominale Nominativ-Objektiv-Distinktion wird heuristisch nicht relevant, da deiktische Personalpronomina nicht in der PNP-Stelle auftreten (s.o.). Die NP-PNP-Kongruenz zeigt sich im Engl, nur im Numerusmerkmal und der genusspezifischen Nominalform: (28)
a. b. c.
He is an actor / *actors / *actress They are actors / *an actor She is an actress / an actor / *actors / *actresses
(29)
a. b.
She believed him a fool / *fools He was believed (to be) a fool / *fools
Abgesehen von der Wortstellung kann derselbe Kasuskongruenzmechanismus (25)/(27) wie für Dt. auch für Engl, angenommen werden: (30)
a.
• [ I P NP' C I0' be [ e' [ NPC ]]
A
-A C.
A
τ
*[ IP there' I0' be [ NP' C [ NP C © ]]] a :
A
(30a) repräsentiert die aufgrund der Ergativität von be angenommene bi-sententielle Struktur für (28): Das Argument des PNP wird in die SU-Position bewegt, wo es von 1° den Nominativ erhält; diesen Kasus kann es qua Kongruenz auf die PNP kopieren. In der (vereinfachten) ECM-Struktur (30b) für (29a) erhält das SU des PNP objektiven Kasus vom höheren Verb und kopiert diesen auf das PNP. Die Struktur (30c) ist der überraschende Fall: Analog zu der rftere-Einsetzungsoption bei be und anderen ergativen Verben (s. (31a)) sollte auch das SC-Prädikativ mit NP-Prädikat die Einsetzung von there erlauben, s. (31b): (31)
a. b. c.
there is a man at the door *there is a man an actor (*XA man is an actor
312 Wenn die Ungrammatikalität von (31b) nicht einfach ein Effekt der semantisch-pragmatischen Restriktionen über der expletiven r/iere-Konstruktion in dem Sinne ist, daß die NPfee-NP-Struktur (31c) über andere Kopula-Strukturen hinausgehend entweder eine definite oder generische Interpretation verlangt, genau das aber für die auf there bezogene NP ausgeschlossen ist (s. Safir 1984), dann muß die Devianz von (30c)/(31b) auf die involvierten Mechanismen der Kasusvererbung bezogen werden: Für die Θ-Kette (there, NP) ist es die SU-Stelle von there, die Kasus erhält und diesen an die postverbale NP transferiert. Kasustransfer ist zwar ein anderer Prozeß als Kasuskongruenz, aber offensichtlich sind diese beiden Arten der Kasuszuweisung miteinander unverträglich: Es hat den Anschein, daß Kasuskongruenz nur von einer direkt kasusmarkierten Position ausgehen kann. Dann ist (30c)/ (31b) ausgeschlossen, da der Kasus der Θ-Kette, die die Bezugs-NP der PNP enthält, in einer anderen als der kasusregierten Position realisiert ist. Das erklärte den Kontrast (30a/c) bzw. (31a/b).
2.1 Prädikative ohne Kasuskongruenz Wenngleich das Phänomen der Kasuskongruenz observationell und deskriptiv gut begründet erscheint, gibt es zumindest zwei Klassen von Daten, die für die Annahme, daß der prädikative Nominativ ein Gleichsetzungskasus ist, problematisch sind. Das sind zum einen PNPn in Kontrollstrukturen (32), zum anderen der scheinbare (wenn auch nicht durchgängige) Zusammenbruch der Kongruenzrelation in den to«en-Strukturen (33): (32) a. Er N versprach ihr ein guter ArztN zu werden b. SieN überzeugte ihn die beste KandidatinN zu sein c. Sie überzeugte ihn A ein guter ArztN zu sein d. Man riet ihmD ein gerechter LehrerN zu sein (33) a. b. c.
Laß michA dein Freund N sein vi. *Laß michA deinen FreundA sein Laß ihnA dein teurer HeroldN sein vs. *Laß ihnA deinen teuren HeroldA sein ? Laß den lieben GottA ein guter MannN sein / einen guten MannA sein
In (32a-b) bezieht sich die PNP auf das nominative Subjekt. Daß der prädikative Nominativ nicht durch Kongruenz bestimmt sein kann, zeigen die Beispiele (32c-d), in denen die lexikalische Bezugs-NP im Akkusativ bzw. Dativ erscheint. Die Akkusativkongruenz (33c) in ioMen-Sätzen hält der Duden (§ 1473) für veraltet bzw. für nur in "festen Redewendungen" vorkommend. Gegen die implizierte Annahme, daß der prädikative Nominativ der fixierte Normalkasus bei lassen ist, sprechen jedoch die Beispiele mit dem ergativen Vorgangsverb werden anstelle des Zustandsverbs sein: (34) a. b. c.
Laß michA { dein FreundN /?deinen FreundA } werden Laß ihn A | ?? unser KandidatN / unseren KandidatenA } werden Laßt ihnA doch erst einmal {"ein HandwerkerN / einen HandwerkerA } werden
Die Akkusativ-Kongruenz erscheint beim Vorgangsverb nicht nur durchweg akzeptabler als bei sein4, sie ist zumeist dem prädikativen Nominativ vorzuziehen. Das heißt, daß für die Kasusalternation der PNP grammatische Gründe verantwortlich gemacht werden müssen. Wir diskutieren zunächst die Kontroll-Strukturen.
313
2.2 Prädikativa in Kontrollstrukturen Die Verben in (32) sind Kontroll-Verben, so daß die Sätze unter die Struktur (35) fallen: (35)
... NP Cx ... [ C P PRO'_ c ... NPnom(>) sei-] V°]
Da der Kasus der PNP zu einem PRO-Subjekt unbeschadet des Kasus der Kontroll-NP für PRO einheitlich Nominativ ist, kann er nicht durch Kongruenz oder einen anderen Kopierungsmechanismus bestimmt sein. Herkömmlich wird angenommen, daß PRO unregiert ist, so daß der PNP-Nominativ in Kongruenz-Beziehung (Numerus, Genus) zu einer kasuslosen NP steht. Selbst wenn man annimmt, daß PRO regiert sein und einen abstrakten Kasusindex haben kann (z.B. Bouchard 1983, Haider 1983), kann der PNP-Nominativ nicht über PRO hinweg von einer höheren NP kommen. Haider hat diesbezüglich eine modifizierte Kongruenz-Hypothese vorgeschlagen: "an NP gets NOM if it is predicated of the external argument." (1985a:99 n.9). Die Hypothese erfaßt zwar sowohl den auf ein lexikalisches wie das PRO-Subjekt bezogenen Nominativ, ist aber in Konflikt mit dem Gleichsetzungsakkusativ bei ECM-Verben: In Beispielen wie (21) ist die Akkusativ-NP als SU eines eingebetteten Satzes zu analysieren: (36) a. b. c.
Wir haben gesehen [ c p daß er ein guter Arzt wurde] *Wir haben ihn gesehen [ c p daß er ein guter Arzt wurde] ... [,p Np'I [ V P [ I P NP c v PNP c v werd-] seh-] 1° ] / ?··· ECM
Da die Akkusativ-NP in keiner thematischen Beziehung zum Matrixverb steht, kann sie gemäß dem PJP nicht Objekt des Verbs sein. Mithin ist sie das externe Argument der PNP und diese sollte gemäß Haiders Hypothese im Nominativ erscheinen, was jedoch nicht der Fall ist. Die korrekte deskriptive Generalisierung scheint also eher wie (37) zu formulieren zu sein: (37) (i) Eine PNP erhält den Kasus derjenigen NP, zu der sie das Prädikat ist. (ii) Eine PNP erscheint im Nominativ, wenn ihre SU-NP (i.e. PRO) keinen Kasus hat. Das heißt, daß eine PNP immer in Kasuskongruenz zum lexikalisierten SU steht und daß der prädikative Nominativ in eingebetteten Satz- oder SC-Komplementen gleichsam eine last-resort-Strategie ist, die der PNP Kasus verschafft, wenn Kasuskongruenz nicht möglich ist. Demnach fallen die Beispiele (20), (21) und (26) unter den ersten Teil von (37), i.e. Kasuskongruenz, und die Beispiele (32) und (33a-b) unter den Ersatznominativ von (37ii). Wenn die Annahme (37) stimmt, bedeutet das zweierlei: - daß in Kontroll-Strukturen keine Kasuskongruenz vorliegt und - daß keine Kontrollstruktur vorliegen kann, wenn Kasuskongruenz gegeben ist. Der ώι/S-Satz-Test, der die Infinitive nach Perzeptionsverben in (21) als ECM-Strukturen ausweist, läßt die Sätze in (32) als Kontroll-Strukturen (35) analysieren: (38) a. er versprach ihr [ CP daß er ein guter Arzt würde] *es versprach ihr [ c p daß er ein guter Arzt sei] b. sie überzeugte ihn [ CP daß er ein guter Arzt sei] *sie überzeugte [ c p daß er ein guter Arzt sei]
314 Die Grammatikalitätskontraste zeigen, daß die scheinbaren Bezugs-NPs der PNP-Komplemente Argumente des Matrixverbs sind: Die Infinitive müssen ein PRO-Subjekt haben. Gemäß (37) trten die PNPn im Nominativ auf. Die scheinbare Kasuskongruenz in (32a,b) fällt unter den Ersatznominativ von (37) und generalisiert darin mit den Beispielen (32c-d). 2.2.1 Prädikativa ohne SU-Stelle Eine interessante Konsequenz hat die Hypothese (37) für die Analyse der als/wie-Prädikativa (26). Da das Objekt der Präposition in prädikativer Relation zu einer NP des Satzes steht, mit dieser aber keine clause bilden kann, ist verschiedentlich angenommen worden, daß die PP als small clause mit einem PRO-Subjekt zu analysieren sei, i.e. (39) anstelle von (27): (39)
... NP C * ... [ P R O . c [pp als N P n o m ]] ...
Aufgrund der Kontroll-Analyse sollte die a/j-NP in (39) gemäß (37) nicht in Kasuskongruenz mit der externen NP stehen können und generell im Nominativ erscheinen, was nicht der Fall ist. Die Kasuskongruenz in (26) läßt annehmen, daß die SC-Analyse für die alsPrädikativa nicht angemessen ist. Die präpositionalen PNPn sind für die SU-lose Struktur (27) zu analysieren. Wenngleich die Kasusvariation der PNP im Engl, wegen des Fehlens der Kasusmorphologie nicht beobachtbar ist, besteht wiederum kein Grund zu der Annahme, daß sich die Verhältnisse von denen des Deutschen unterscheiden. Insofern wird die SC-Analyse aus Kap.IV § 4.2.2.4 zu reevaluieren sein: Offenkundig kann thematische Prädikation auch ohne NP-XP-Konstituente entstehen -im Gegensatz zu der full-S- bzw. small-clause-Hypothese (s. Chomsky 1981a, Koster/May 1982, Stowell 1981, 1983, Kayne 1984): Das Θ-Subjekt einer Prädikativs ist nicht immer auf eine strukturelle SU-Position SpecXP abbildbar. Das bedeutet jedoch nicht, daß die sog. VP-Hypothese, i.e. das Fehlen einer strukturellen SU-Stelle, für alle infiniten Komplemente vorzuziehen ist. Nach Williams (1980, 1981a) entsteht die Prädikationsbeziehung durch Θ-Koindizierung einer maximalen Phrase mit einer externen Konstituente, so daß sich für den Satz (40a) anstelle der SC-Analyse (40b) die Strukturanalyse (40c) ergibt: (40)
a. b. c.
they considered John a fool N P n 1° [ V P V( n ' m > IscNP 1 NP® ] m ] N P n 1° [ V P V< n ' m ) NP 1 NPW' m ]
Wenn man davon ausgeht, daß anaphorische Relationen den Konstituentenstatus des anaphorisch gebundenen Elements voraussetzen, dann favorisieren die Beispiele (41) nach wie vor die Analyse (40b): (41)
a. b. c. d.
Mary considered [Bill a fool]j, and John thought [so];, too *Mary considered [Bill] [a fool];, and John thought [Tom] [so],,too Mary believed [Bill a fool]j, and John believed [it],, too *Mary believed [Bill] [a fool],, and John believed [Tom] [it]i
Die Ungrammatikalität von (41b,d) ist unter Verzicht auf eine SC-Konstituente nicht ohne weiteres erklärbar. Andererseits ist der Strukturtyp (40c) ein plausibler Kandidat für die Phänomene in (42):
315 (42)
a. b. c. d.
John1 returned home | N P a hero®] Mary ate the meat1 raw®] John1 gave Mary the book [ A P drunkW] John gave Mary the book 1 [ A P unread®]
Die Prädikativa in (42) hat Rothstein (1983:147ff.) als secondary predicates klassifiziert (s.a. Nichols 1978), während die in (41) als primary predicates angesehen werden: (43)
"X is a secondary predicate of Y if and only if Y is an NP theta-marked by a lexical head other than X." (p. 161)
(44)
"X is a primary predicate of Y if and only if X and Y form a constituent which is either theta-marked or [+INFL]." (p. 162)
Der entscheidende Unterschied ist, daß die Verben in (41) zweiwertig sind, so daß die postverbale NP nur und ausschließlich eine Θ-Rolle vom Prädikativum erhalten und die NP gemäß dem PJP keine Α-Stelle des Verbs sein kann: Das Matrixverb S-selegiert ein prädikatives Komplement mit SU-Stelle, i.e. die SC-Analyse (40b). Dagegen sind die Prädikativa in (42) systematisch nicht subkategorisierend: Die Sätze sind ohne das prädikative Komplement thematisch vollständig. Das heißt, diese Prädikativa sind im Sinne von (44) weder θ-markiert, noch haben sie ein I°-Element. Sie fallen als sekundäre Prädikate aus. Genau auf diesen Fall kann die Möglichkeit der nicht konstituentengebundenen Prädikation i.S. von Williams beschränkt werden. 2.2.2 Θ-Perkolation Die Analyse für (42) hat zur Folge, daß jeweils eine NP sowohl vom Matrixverb wie vom Prädikativum eine Θ-Rolle erhält, was wegen der doppelten Θ-Markierung scheinbar eine Verletzung des Θ-Kriteriums darstellt. Andererseits steht die Annahme einer SC-Konstituente mit PRO-Subjekt für diese Beispiele im Konflikt mit den Beobachtungen zum PNP-Kasus in Kontrollstrukturen im Dt. Man verliert also entweder die generelle Erklärung des PNPNominativs oder das Θ-Kriterium ist derart zu modifizieren, daß die doppelte Θ-Markierung des Subjekts eines sekundären Prädikats keinen Θ-Konflikt darstellt. Diese Möglichkeit eröffnet die formale Präzisierung (46) der informellen Formulierung (45) des Θ-Kriteriums: (45)
Θ-Kriterium i. Jeder Α-Kette ist genau eine Θ-Rolle zugewiesen ii. Jede Θ-Rolle ist genau einer Α-Kette zugewiesen
(46)
"Given the structure S, there is a set Κ of chains, Κ = {Cj}, where Cj = (a,•,...,a n '), such that: (i) if α is an argument of S, then there is a chain Cj e Κ such that α = Oj1 and a θ-role is assigned to Cj by exactly one position Ρ (ii) if Ρ is a position of S marked with a θ-role R, then there is a C; e Κ to which Ρ assigns R, and exactly one Oj1 in Cj is an argument." (Chomsky 1981a:335)
Bedingung (i) verlangt, daß jedes syntaktische Argument in einer Α-Kette steht, die in genau einer Position θ-regiert ist. Bedingung (ii) verlangt, daß es zu der θ-regierten Position einer Α-Kette nur genau ein syntaktisches Argument gibt. Nicht mehr impliziert ist die
316 strikte Iii-Interpretation von (45), daß jede Θ-Rolle jedes Θ-Zuweisers eine eigene A-Kette bilden muß -anders ausgedrückt: Die Formulierung (46) des Θ-Kriteriums erlaubt die doppelte Θ-Markierung einer Α-Stelle, wenn unterschiedliche Θ-Zuweiser ihre Θ-Eigenschaften verschmelzen und als komplexe Θ-Rolle aus einer Position zuweisen können. Die Verschmelzung lexikalischer Eigenschaften in Wortbildung (z.B. Lieber 1980, Toman 1986a,b) und Syntax (z.B. Zubizaretta 1985) haben Haegeman/van Riemsdijk (1986) für die Analyse der Verb-Anhebungen in germanischen Sprachen nutzbar gemacht. V-Anhebung wird als V-V-Reanalyse aufgefaßt, die die kanonische klausale Struktur (1.Zeile) um eine zusätzliche Strukturdimension (2. Zeile) erweitert, in der bestimmte Satzdomänen keine Repräsentation mehr haben, so daß sich eine monoklausale Repräsentation ergibt (clause union); vgl. z.B.: (47) a. b. c.
weil weil weil weil weil weil
[ [p er []P er [|P er [ IP er [ IP er [ IP er
[yplip die Frau das Lied singenj ] hörte2]] [ v p die Frau das Lied [ v singenj hörte2]]] [ VP [ CP PRO das Problem zu lösenj ] versuchte2]] [ v p das Problem [ v zu lösen! versuchte2]]] [yplcp P^O die Frau küssenj ] wollte2]] [ VP die Frau [ v küssen! wollte2]]]
Beide Strukturdimensionen unterliegen dem Θ-Kriterium. Das kann in unserer Notierung für zuzuweisende und zugewiesene Θ-Rollen für (47c) vereinfacht als (48) dargestellt werden:5 (48) CP
Npn Λ
weil
er
PRO
die Frau
Yj(m.n) I küssen
wollte
I
I
Während das Θ-Kriterium in der oberen Dimension i.S. der 1 ^-Interpretation erfüllt ist, schlagen die Autoren vor, für die untere Dimension "[to] adopt a percolation convention to 5
Zur Reanalyse-Struktur von Beispielen wie (47a), in denen keine phonetisch unrealisierte AStelle 'verschwindet', vgl. unten Struktur (70). - Wir folgen der Notationskonvention, die Zwischenkategorie X' auszulassen, wenn XP nicht verzweigt (s. z.B. Seils 1985:29).
317 the effect that features of V j and V 2 percolate to V x and that features of the head take precedence over features of the complement." (p.424) Da V-V-Reanalyse im Gegensatz zur früheren V-Anhebung (s. Reis 1973, Evers 1975, Thiersch 1978, Haider 1982, 1983) keine Spur hinterläßt, hat das eingebettete IP in der Reanalyse-Struktur keine Repräsentation: Das Objekt zu küssen wird zum Objekt des komplexen V x , das PRO-Subjekt von küssen bleibt unrepräsentiert. Als Head des Verbkomplexes V x gibt V 2 seine interne Θ-Rolle an das reanalysierte Vl ab; die anderen Θ-Indizes perkolieren auf V x , wobei die Kontrolleigenschaft von V 2 die externe Θ-Rolle von Vl mit einer Θ-Rolle des Head identifiziert: Das Modalverb wollen verschmilzt die externen Argumente zu einer komplexen Θ-Rolle r=m. V x weist die interne Θ-Rolle η von V, an die Schwester-NP die Frau zu. Die nicht gesättigte komplexe ΘRolle perkoliert aufwärts an VP, durch das sie an die SpecIP-Stelle abgegeben wird. Durch Merkmalsperkolation und Index-Verschmelzung ist das Θ-Kriterium (46) in der ReanalyseStruktur und damit in jeder Dimension erfüllt. Reanalyse und Θ-Perkolation stellen somit ein Verfahren zur Verfügung, das die scheinbar doppelte Θ-Markierung als Zuweisung einer komplexen Θ-Rolle im Einklang mit dem Θ-Kriterium zu rekonstruieren erlaubt. 6 Wenn Kontrollstrukturen Repräsentationen mit und ohne PRO-Subjekt haben, könnten ebensolche Doppelrepräsentationen für sekundäre Prädikativa angenommen werden: 7 (49) a. weil [ er der Frau [[ PRO als Freund ] half ]] b.
weil [ er der Frau [[ als Freund ] half ]] weil [ er der Frau [[ PRO als seiner Freundin ] half ]] weil [ er der Frau [[ als seiner Freundin ] half ]1
( = er ist der/ein Freund ) ( = die Frau ist seine Freundin)
Um die Kasuskongruenzhypothese (37) aufrechtzuerhalten, muß Kasuszuweisung in den Kontrollstrukturen (47b) und (49b) auf der oberen Dimension mit PRO-Subjekt, in den als-
6
Die Plazierung der Satznegation in den Strukturpaaren (a)-(d) ist früher als Evidenz für VAnhebung und Bildung eines Verbalkomplexes angesehen worden: a. *weil [er [ PRO die Frage verstehen ] nicht wollte weil [ er die Frage nicht [ verstehen wollte ]] ? b. weil [ er [ PRO das Problem zu verstehen ] nicht versuchte ] weil [ er das Problem nicht [ zu verstehen versuchte ]] c. weil [ er 1 den Mann das Lied singen ] nicht hörte ] weil [ er den Mann das Lied nicht [ singen hörte ]] d. *weil [ er [ e die Frage zu verstehen ] nicht schien ] weil [ er die Frage nicht [ zu verstehen schien ]] Diese Annahme ist jedoch nicht mehr zwingend unter der GB-theoretischen Interpretation der Struktur des dt. Mittelfeldes (s. Kap.II § 2.4): Wenn nicht die Kern-VP begrenzt, stellen die Strukturen einfach Mittelfeld -Scrambling definiter NPn dar, so daß (a) die Analyse (e) erhält: e. weil [ I P er 0 die Frage x nicht [ V P go e, verstehen wollte ]] Aber auch unter dieser Analyse scheint V-Anhebung bzw. V-V-Reanalyse unverzichtbar: f. weil [ I P er 0 die Fragej nicht [ V P eo β] [γ° hatte [verstehen wollen ]]] , abweicht, als sie nicht der strukturellen Bedingung der Kopf-Rektion unterliegt: (85) a. Nominativ: c , = b.
(86) a. b. c.
Genitiv : Objektiv : Oblique :
CN
=
< P ° , [NP,P']>
Bezüglich der Rektionsbedingung für strukturelle Kasus zeigt der Nominativ mehr Parallelitäten zum spezifizierenden Genitiv in NP, (85b), als zu den Kasusrelationen Objektiv bzw. Oblique von [-N]-Kategorien. Wenngleich auch der verbale Oblique (Dativ) des Deutschen, (86b), nicht von V° k-regiert ist, unterliegt er doch wie der verbale Objektiv und der präpositionale Oblique der Rektion -sei es, daß V' als markierter Kasuszuweiser den verbalen 22
Der PNP-Nominativ im infinitiven Komplement bei lassen, der in einer virtuellen KongruenzBeziehung zu dem akkusativen Infinitiv-SU auftritt, bleibt hier unberücksichtigt. Es sind Gründe beigebracht worden, den PNP-Nominativ bei lassen als den markierten Fall aufzufassen.
330 Oblique m-regiert, sei es, daß V° den Kasus indirekt regiert. Die verbalen und präpositionalen Kasus betreffen regierte Komplementpositionen zu einem X°, während der Nominativ wie der adnominale Genitiv in der Spec-Stelle einer X°-Projektion auftritt. Ein weiterer Unterschied zeigt sich, wenn man Kasus als die Übertragung eines Rektionsmerkmals versteht (s. z.B. Borer 1983, Emonds 1985): Das Kasusmerkmal des Satzsubjekts tritt im Gegensatz zu den Kasusmerkmalen verbaler und präpositionaler Objekte nicht für sich, sondern immer in Verbindung mit den Kongruenz-Merkmalen [Person, Numerus, (Genus)] auf. Auch hierin gleicht die NP-I°-Relation eher der Spec-Head-Relation des adnominalen Genitivs als den Kasus unter Rektion. Es liegt nahe, daß der Nominativ kein Rektionskasus ist. Der spezifizierende Genitiv in NP wird herkömmlich als konfigurational bestimmter Kasus aufgefaßt, für den keine Rektionsbeziehung angenommen wird. Weder kann der SpecGenitiv als durch N° noch als durch N' determiniert aufgefaßt werden, da er auch in der gerundialen NP mit verbalem Kern auftritt: (87) a. b.
she didn't like [ NP Bill's [ vp shooting the birds ]] she didn't like [ NP PRO [VPshooting the birds ]]
Beispiel (87b) zeigt, daß die SpecNP-Stelle weder vom gerundialen noch vom Matrix-Verb regiert ist. Mithin ist auch die NP g e n in (87a) nicht regiert und ihre Kasusmarkierung unabhängig von struktureller Zuweisung. Als konfigurationaler Kasus ist der Spec-Genitiv daher abweichend von (85b) für eine strukturelle Position gekennzeichnet worden; s. (88b): (88) a. b.
Nominativ: C,
= [ IP NP ... ]
Genitiv :
=
CN
[ N P N P ... ]
Aufgrund der X-bar-strukturellen Parallelität liegt es nahe, auch den Nominativ in SpecIP als konfigurationalen Kasus anzusehen und entsprechend zu charakterisieren; s. (88a). Dennoch erscheint es zweifelhaft, Nominativ und Genitiv aufgrund der parallelen SpecX°-Relationen gleichermaßen als positionell determinierte Kasus aufzufassen. Die beiden Kasusrelationen unterscheiden sich wesentlich in ihren morphologischen Markierungen: (89) a. b.
c. (90) a. b · c·
[ NP Pauls gen [ N ,Projekt s? neutr
Cx ]]
[NpdaS S g,neutr,Cx [N , P r 0 J e k t sg,neutr,Cx]] [ NP Pauls gen [ N ,Projekte pl cxll cxll
[ Ip paul n0m [ r h a t p r s s g 3 p [ v p . . . erfunden]]] [ipsienom.pl [r h aben prs p , 3 P [ v p . . . erfunden ]]] [ipwirnom p | [ r haben prs pl 1P [ v p . . . erfunden ]]]
Der S/>ec-Genitiv in NP tritt alternativ zu der Numerus-, Genus- und Kasuskongruenz der DET-N°-Relation auf, während die NP-I°-Relation zugleich für Kasus (nom) und Kongruenzmerkmale (Numerus, Person) gekennzeichnet ist. M.a.W.: Obschon hinsichtlich des ΘKriteriums das Satzsubjekt mit SpecNP gen zusammenfällt, wäre der SU-Nominativ hinsichtlich der Kasusmarkierung eher mit der Kasuskongruenz des nominalen Determinators zu vergleichen. 23 Ein weiterer Unterschied zeigt sich darin, daß in NP der Spec-Genitiv unab23
Die Kongruenzbeziehung in NP geht offenkundig von Eigenschaften des N-Kopfes aus. Für die SU-V-Kongruenz ist weniger klar, welcher Term der Relation die Kongruenz auslöst. Formal kann man vertreten, daß es die AGR-Merkmale von 1° sind, die den Numerus und die Person
331 hängig davon auftreten kann, ob die S/?ec-Stelle regiert ist oder nicht; s. (89) vs. (87). Die Spec-Stelle eines finiten 1° ist dagegen immer regiert und muß phonetisch immer als Kette mit dem Nominativ realisiert sein; s. (91a/b): (91) a. she believed [cplip he had been at the backdoor ]] b. *she believed [ CP [ IP PRO had been at the backdoor ]) c. she believed [cplip there was a man at the backdoor ]] Während der Spec-Genitiv auch unter N-Rektion unrealisiert bleiben kann, s. (89b,d), ist die SU-Stelle auch dann mit dem Nominativ assoziiert, wenn die Position durch das adverbiale Expletivum besetzt ist, das selbst nicht Kasus aufnehmen kann; s. (91c): Der SUKasus wird qua Θ-Kette an einer postverbalen NP realisiert. Die Unterschiede zwischen dem S/>ec-Genitiv in NP und dem ipec-Nominativ im Satz lassen dem Nominativ einen von den herkömmlichen Beispielen konfigurationaler Kasus, den 5/>ec-Kasus Genitiv in NP, Akkusativ (des Maßes) in AP etc., abweichenden Status zuerkennen.
3.2 Nominativ und Kongruenz So wie der Nominativ weder ein Rektions- noch ein positioneller Kasus ist, so wenig scheint er einen Kongruenzkasus darzustellen, obschon diese Auffassung in der AGR-Hypothese (6) enthalten und von Borer (1986) als "I(nflection)-Subjects" bekräftigt worden ist: "[...] agreement with the verb is a manifestation of nominative Case. In fact, [...] an NP that does not agree with the verb cannot be nominative ..." (p.378) Beide Sätze sind bestreitbar. Als Kongruenz-Phänomen weicht der Nominativ insofern von der üblichen Spec-Head-Kongruenz ab, als der Kongruenz-auslösende I°-Kopf selbst nicht für das Kasusmerkmal gekennzeichnet ist -wie es etwa bei der DET-N-Kasuskongruenz der Fall ist; s. (89b,d). 24 Gegen die zweite Behauptung Borers sprechen die Beispiele (19), von denen der prädikative Ersatznominativ in Kontrollstrukturen und die absoluten und topikalischen Nominative unter keinen Umständen durch Kongruenz mit INFL erklärbar sind. Eine generalisierende Erklärung der verschiedenen strukturellen Vorkommen des Nominativs wird davon ausgehen müssen, daß entgegen der allgemeinen Ansicht der SU-Nominativ nicht ein Effekt der NP-I°-Kongruenz ist, sondern daß Kasus und Kongruenz zwei separate Phänomene sind, die sich beide an der SU-PRÄD-Relation manifestieren. Im Sinne der Dissoziation von SU-Nominativ und Kongruenz können die in Koopman (1984) diskutierten Beispiele gegen die Nominativ-Zuweisung durch [+TNS] bzw. AGR interpretiert
24
der SU-NP determinieren. Traditionell und intuitiv wird jedoch allgemein angenommen, daß die Flexionsmerkmale des Subjekts die flektierte Verbform bestimmen. Dem steht nicht entgegen, daß der Nominativ als Kongruenzkasus vorkommt (z.B. der Junge ist ein Lügner), da es hier um den Status des Kasus der Bezugs-NP, nicht des PNP-Kasus geht. Wir verfolgen hier nicht weiter die Überlegung, daß die pronominalen AGR-Merkmale selbst gleichsam für den Null-Kasus markiert sind (vgl. Fabb 1984, Baker 1985a zur Kasusabsorption durch INFL). Selbst wenn man diese Möglichkeit einräumen wollte, blieben damit die absoluten und topikalischen Nominative unerklärt; vgl. neben (19) im folgenden zu (93).
332 werden (s. § 1.3). Aufgrund der Beschränkung der Kasuszuweisung durch Kopf-Rektion kommt unter der IP-Satzanalyse auch die Nominativ-Zuweisung durch ein verbales INFL nicht in Frage. Einen empirischen Beleg für die Dissoziierung von Kasus und Kongruenz liefert das Bretonische (s. Anderson 1982, Lapointe 1983). Die Situation für SU-V-Kongruenz ist (vereinfacht) wie folgt: Wenn das Verb in voll flektierter Form für [Person, Numerus, Genus] auftritt, kann die SU-Stelle nicht lexikalisch realisiert sein; wenn ein lexikalisches Subjekt erscheint, hat das Verb die einheitliche Flexion 3P.sg, unabhängig von den pronominalen Merkmalen der NP. Die 3.Pers.sg des Verbs ist offenkundig keine Kongruenzform, sondern die unmarkierte Einheitsform. Eine mögliche Interpretation dieser Fakten ist, daß die AGR-Merkmale entweder am Verb oder an der Subjekt-NP realisiert sind: Wenn die AGR-Merkmale (lexikalisch oder mittels I-zu-V-Bewegung) am Verb erscheinen, s. (92a), dann ist die SU-Stelle unregiert, mithin PRO. Wenn SpecIP die AGRMerkmale erhält, ist die SU-Stelle regiert und wird lexikalisch realisiert; s. (92b): (92)
a.
[CP...[C+TNS] [IPPRO
b.
[CP...[C+TNS] [
I P
NP
[[l6] [ V P V A G R ... ]]]]
a g r
[ [ , e ] [ V P V . . . ]]]]
In letzterem Fall tritt das Verb in der neutralen Flexionsform auf, und das regierte Subjekt muß durch Kasus für den Kasusfilter legitimiert sein. Dieser Kasus ist der Nominativ, der sprachübergreifend auch unabhängig von jeder spezifischen INFL-Konfiguration auftreten kann. 25 Jede Analyse wird der Tatsache Rechnung tragen müssen, daß die Realisierung der Flexionsmerkmale am Verb und die Kasusrealisierung am Subjekt komplementär distribuiert sind. Das heißt, es gibt Sprachen, in denen Kasusmarkierung des Subjekts und Verbflexion empirisch separat realisiert sind.
3.3 Der Nominativ als Null-Kasus Die Überlegungen legen nahe, für die SU-Phrase Rektion durch 1°, Kongruenz mit den AGR-Merkmalen von 1° und die Nominativ-Markierung als separate Eigenschaften anzusehen: Rektion durch 1° und/oder Koindizierung mit AGR (s. (6i)) determinieren, daß die SUStelle lexikalisch realisiert sein muß, wenn nicht besondere Bedingungen vorliegen. 26 Was 25
Etwas andere Analysen als in (92) geben Anderson (1982) und Lapointe (1983): Andersons Analyse nimmt eine PRO-Bewegung aus [ΝΡ,ΙΡ] an V an, um der Flexion des Verbs in (92a) Rechnung zu tragen. Diese Bewegung ist unter der Afove-a-Theorie ausgeschlossen, da strukturerhaltend Phrasen nur in Phrasen- und Köpfe nur in Kopf-Positionen bewegbar sind (s. Travis 1984, Chomsky 1986a:4ff.). - Lapointe nimmt eine basisgenerierte VSO-Ordnung an, mit dem 'Subjekt' als erstem V-Komplement: [ VP V NP SU (NP) ...], was mit allgemeinen Annahmen über die SU-Präd-Struktur von Sätzen nicht verträglich ist. - Die Strukturanalyse (92) erscheint sowohl X-bar- wie transformationstheoretisch angemessener, ohne daß hier behauptet wird, daß es die einzig mögliche Analyse für das Bretonische ist. Die Annahme des [ C +TNS] trägt der Tatsache Rechnung, daß das Bretonische oberflächensyntaktisch als VSO-Sprache angesehen wird. Der Wortstellungstyp ergibt sich durch V-Bewegung über 1° in C° (s.a. Emonds 1980).
26
Die besonderen Bedingungen sind einmal die syntaktische Version der Affix-Regel, deren Anwendung vor der S-Struktur für das Null-Subjekt-Phmomtn der Pro-Drop-Sprachen verantwortlich gemacht wird (s. Chomsky 1981a, Rizzi 1982 und die Modifikation in Safir 1984); zum an-
333 als Nominativ bezeichnet wird, ist eine kasuswertige unmarkierte Form, die in verschiedenen strukturellen Positionen eintritt, wenn eine lexikalisierbare NP nicht aufgrund der üblichen Kasusmechanismen -Kasusrektion, konfigurationaler Kasus oder Kasuskongruenz- eine (abstrakte) Kasusmarkierung erhalten kann und den Kasusfilter verletzen würde. M.a.W.: Der Nominativ ist ein neutraler oder Null-Kasus für das System abstrakter Kasus. Unter dieser Auffassung teilt der Nominativ mit konfigurationalen Kasus die Eigenschaft, keine relationale Markierung zu repräsentieren: Der Nominativ wird nicht zugewiesen, sondern ist die unmarkierte Realisierung einer NP in der Θ-Domäne des funktionalen Kerns des Satzes, wie der Spec-Genitiv die unmarkierte konfigurationale Realisierung einer thematischen NP in der Domäne von Ν ist. Der Nominativ unterscheidet sich vom SpecGenitiv als dem typischen konfigurationalen Kasus darin, daß seine Realisierung nicht an eine bestimmte strukturelle Position gebunden ist. Die relevanten Nominativ-Strukturen der Beispiele (19) sind in (93) gegeben: (93) a. [ IP NP C [,,... [,+TNS.AGR]]] = SU-Nominativ b. [ IP PRO ... [ V NP C [vKopula]]] = PNP-Nominativ c. [xpNP c [χρ-··]] CP = absoluter Nominativ d· [cp N P j,c tcptppP NPjl, ... [ 1P ... [ppej ] ...]]] = topikal. Nominativ Das finite INFL ist zwar ein Regent und schließt insofern aus, daß die SU-Stelle durch das unregierte PRO realisiert sein kann; s. (91c). INFL ist aber unbeschadet seiner jeweiligen inhärenten Merkmale kein Kasuszuweiser. Auch nach der V-in-I-Bewegung kann das verbale INFL die SU-Stelle nicht kasusmarkieren, da es sie nicht k-regiert. Darin weichen wir von allen Varianten der Nominativ-Markierung in § 1. ab. Die Konsequenz ist, daß die 'doppelte' NP-I°-Beziehung gemäß (6), Koindizierung ( = Kongruenz) und Kasusrelation, aufgelöst ist: Die SU-PRÄD-Relation ist unmittelbar allein durch Koindizierung mittels der Kongruenz-Merkmale charakterisiert.27
deren, daß ein schwaches INFL ohne Flexionsmerkmale die SU-Stelle nicht regiert, so daß das θ -Subjekt als das abstrakte Pronominal PRO erscheint. Die Dissoziation von NP-I°-Koindizierung (6i) und Nominativ-Realisierung (6ii) berührt nicht das PRO-Theorem für Infinitive: Da []TNS] kein Regent ist, kann SpecIP nicht phonetisch realisiert sein, wenn die Stelle nicht exzeptionell regiert und kasusmarkiert ist. Es besteht kein Grund, Rektion im allgemeinen Sinn mit dem restriktiveren Begriff der Kasusrektion zu assoziieren, wie Chomsky (1981a) es in der Diskussion der ECM- und PRO-Infinitive tut. Unter der CP-IP-Analyse von Satzstrukturen und der damit verfugbaren V-in-I-Bewegung wäre der Pro-Drop-Effekt der Affix-Regel so zu reformulieren, daß in Sprachen mit obligatorischem Subjekt V-Bewegung in der Syntax operiert (der unmarkierte Fall), während V-in-I-Bewegung in M/M-SCZ-Sprachen (Ital. etc.) erst in der PF-Komponente operiert. Das ergibt auf der Grundlage von Koopmans Analyse der Nominativ-Zuweisung durch ein verbales INFL, daß es V/INFL ist, das Regent für die SpecIP-Stelle ist. SpecIP ist dann im Engl. etc. syntaktisch regiert und unterliegt dem Kasusfilter, während sie im Ital. etc. syntaktisch unregiert bleiben kann. 27
Falk (1991) interpretiert das Prinzip der morphologischen Identifizierung (syntaktischer Elemente) in Baker (1985a) dahingehend, daß eine NP durch Kasus oder Kongruenz lizensiert sein kann und letzteres für die SU-Stelle gilt: "so-called nominative Case is in fact the absence of abstract Case." (p. 199) Unterstützende Argumente sind: Nomen in Zitierform (d.h. außerhalb syntaktische Bezüge) sind Nominative in den meisten MwK4A£-Sprachen; die meisten Sprachen haben
334 Das erlaubt über den SU-Nominativ (93a) und den PNP-Nominativ in der KontrollStruktur (93b) zu generalisieren: In beiden Fällen sind die NP-Stellen regiert, i.e. durch 1° bzw. Kopula-Verb; die Regenten sind aber keine Kasuszuweiser. Als AW/-Kasus hat der Nominativ die Funktion, die 'Lücke' für den Kasusfilter zu schließen, die dadurch entsteht, daß Rektion durch X° regierte und phonetisch realisierte NP-Stellen in XP zuläßt, die gemäß dem für strukturelle und inhärente Kasuszuweisung relevanten Begriff der Kasusrektion (Rektion durch [-N] 0 in der minimalen X'-Domäne) ohne Kasusmarkierung blieben. Es sind typologisch drei Rektionskonfigurationen (94) für NPn zu unterscheiden; da ein Kasuszuweiser (KZw) ein Regent (Rgt) sein muß, ist die logische Möglichkeit, daß eine NP von einem Kasuszuweiser (+AZw) m-regiert ist, aber nicht regiert ist, unmöglich: (94)
a. b. c.
+Rgt +Rgt -Rgt
+KZw -KZw -KZw
= V-/P-regierte Objektiv/Oblique = N-regierter Spec-Genitiv = gerund. Spec-Genitiv; inf. PRO-Subjekt
Eine nicht-regierte NP kann konfigurationalen Kasus haben oder unrealisiert (PRO) bleiben; i.e. (94c). Ein Regent kann ein Kasuszuweiser sein oder nicht: Im ersten Fall ergeben sich die k-regierten V- und P-Kasus; s. (94a). Den zweiten Fall repräsentiert der N-regierte .Spec-Genitiv. Hierzu gehören auch der I-regierte SU-Nominativ und der PRO-bezogene PNP-Nominativ. Für den Spec-Genitiv und den SU-Nominativ sind die Regenten aus strukturellen Gründen keine Kasuszuweiser, da SpecXP von X° nicht kopf-regiert ist. Ein Kopf kann auch aus lexikalischen Gründen kein Kasuszuweiser sein, z.B. Ergatiwerben, wozu auch die kopulativen Verben (93b) gerechnet werden. Derart regierte, aber nicht am Ort kasusmarkierte NPs können nur Kasus erhalten, wenn die NP als Argument in eine Θ-Kette mit einer leeren Kasusposition, i.e. Kasustransfer, oder als PNP in Prädikationsbeziehung zu einer kasustragenden NP eintritt, i.e. Kasuskongruenz. Kasustransfer erklärt den VP-internen SU-Nominativ in (95a), Kasuskongruenz den prädikativen Kasus in(95b): (95)
a. b.
da NP1 [ dem Lehrer [ deine Antwort' nom gefällt ]] da er' n o m [ ein guter Freund(l>nom ist ]
Kasustransfer, i.e. der Kasusfilter für Ketten, und Kasuskongruenz sind zwei unterschiedliche Prozesse, aufgrund derer eine nicht kasusregierte NP Kasus erhalten kann. Das zeigt sich, wenn die Strukturen (95) als Infinitivkomplemente auftreten: (96)
a. b.
*er versprach [ PRO1 [ dem Lehrer [ deine Antwort1 zu gefallen ]]] er versprach [ PRO1 [ ein guter FreundW nom zu sein ]]
Ein lexikalisiertes NP-Argument muß in einer kasusregierten Kette stehen, daher die Ungrammatikalität der infinitiven Ergativ-Struktur (96a). Die PNP in (96b) unterliegt als NonArgument nicht den Kettenbedingungen und kann unter den gegebenen Strukturbedingungen durch den Ersatznominativ für den Kasusfilter legitimiert werden. Diese legitimierende Funktion des Nominativs generalisiert für die Strukturen (93c-d). Der absolute Nominativ (93c) ist X-bar-theoretisch als SC-Konstituente zu analysieren, die
den Nominativ als unflektierte Form; es gibt keinen "quirky nominative Case" im Isländ. (s. Yip et al. 1987), was sich erklärt, wenn Nominativ kein syntaktisch zuweisbarer Kasus ist.
335 an CP adjungiert ist; der topikalische Nominativ (93d) kann direkt als Adjunktion an CP aufgefaßt werden. Dabei ist der Nominativ nur möglich und zugleich notwendig, wenn die Topik-NP nicht mit derSpecCP-S teile selbst, sondern mit einem NP-Komplement in der Stelle koindiziert ist; vgl. die Kontraste in (97): (97) a. Dieser Kerl N , mit demD will ich nichts zu tun haben *Diesem KerlD, mit demD will ich nichts zu tun haben b. *Dieser Kerl N , den A will ich mir vorknöpfen Diesen KerlA, den A will ich mir vorknöpfen c. *Dieser Kerl N , demD will ich nicht helfen Diesem KerlD, demD will ich nicht helfen Mit einer pronominalen NP als SpecCP kongruiert die topikalische NP im Kasus; s. (97bc). Diese Beziehung hat Lenerz (1984) Kasuserbschaft genannt. Sie unterscheidet sich von den typischen Kongruenzrelationen Spec-Head und Prädikation darin, daß das kasusvererbende Pronomen den Kasusempfänger weder regiert noch c-kommandiert und seinen Kasus gleichsam nach oben kopiert. Die SU-wertigen Adjunktionspositionen sind weder regiert, mithin auch nicht k-regiert, noch kann ihr Nominativ als konfigurationaler Kasus einer bestimmten Strukturstelle aufgefaßt werden, da die Nominativ-Stellen in (93a-d) keine gemeinsamen strukturellen Eigenschaften haben, wie etwa der nominale und gerundiale Spec-Gtnitiv. Zudem sind Chomskyadjungierte NPn in anderen strukturellen Dependenzen entweder unregiert (PRO) oder exzeptionell kasusmarkiert (NP o b j ). Die einzige plausible Generalisierung über die verschiedenen Nominativ-Vorkommen ist, daß der Nominativ eine freie kasuswertige Nominal mark ierung ist, die eintritt, wenn eine lexikalische NP Kasus weder inhärent noch strukturell, d.h. qua Rektion durch einen Kasuszuweiser, qua Kongruenz mit einer kasusmarkierten NP oder konfigurational, erhalten kann. In eben diesem Sinn ist der Nominativ der Null-Kasus bzw. das neutrale Element des Kasussystems.
3.4 Der Nominativ: Primärer Kasus oder neutrales Element? Der Status des Nominativs als maximal unmarkierter Kasus (s. Jakobson 1936) oder neutraler Kasus (s. Hjelmslev 1935, de Groot 1956) läßt zwei Interpretationen hinsichtlich seines Status im Kasussystem zu: Entweder ist er der primäre Kasus des Systems, in Bezug auf den die weiteren Kasus definiert sind, oder er ist im wortwörtlichen Sinn ein neutraler Kasus, der, ohne selbst im engeren Sinn ein Kasus zu sein, als peripheres AW/-Element das System vervollständigt und durchweg suppletive Funktion hat, d.h. in all seinen Verwendungen ein Ersatzkasus ist. Die erste Position entspricht weitgehend der traditionellen Sicht und ist in neuerer Zeit z.B. von Schmid (1972) und O'Grady (1980) vertreten worden.
3.4.1 SU- und DO-Kasus als "primaries" Für O'Grady (1980:234) ist der Nominativ "the unmarked case not because it has no specific value, but rather because of its specific value." Der spezifische Wert des Nominativs
336 ist, daß er unter der "characterization of inter-word relations" (p.229) die SU-Relation bezeichnet, die "involves a special relationship between a noun and the development or 'actualization' of the event denoted by the verb." (p.233) Es steht nicht in Frage, daß die SURelation einen ausgezeichneten Status hat und daß der Nominativ hauptsächlich in der SUFunktion auftritt. O'Gradys negative Begründung für die Annahme eines spezifischen Nominativs ist jedoch wenig überzeugend: "the claim that it [ = Nominativ -H.C.] has no specific value is somewhat problematic in that it leads to the counter-intuitive conclusion that a neutral or 'meaningless' form would be chosen to express the all-important subject relation." (p.234) Zum einen muß man es gerade nicht als counter-intuitive empfinden, daß die SU-V-Relation kasusneutral realisiert ist, da die Relation auf andere Weise bereits ausgezeichnet ist: strukturell als externes Argument des Verbs, morphologisch durch Kongruenzmerkmale. Zum anderen impliziert die Annahme, daß die primäre syntaktische Relation durch eine spezifische, bedeutungshaltige Kasusform ausgedrückt sein müsse, eine Gleichsetzung zwischen grammatischen Relationen und Kasusrelationen, in der Kasus nur noch als kennzeichnende Etiketten von grammatischen Relationen fungieren. Da das System der syntaktischen Kasus primär distinktive Kennzeichnungsfunktion hat, besteht kein Grund für die implizierte direkte Form-Bedeutungs-Beziehung. 28 Die Sicht des Nominativs als primärem Kasus gründet auf dem Konzept von Kasus als "predicational relations between word types", wonach SU-Nominativ und DO-Akkusativ gleichrangige Prädikationen des Verbs sind. O'Grady unterscheidet: (98) 1. primaries which are directly predicated by a verb (Nom, Acc) 2. primaries which are indirectly predicated by a verb (Dai) 3. secondaries: nouns which predicate on other nouns (Gen) 4. tertiaries (adverbial cases: Zoe, abl, instr) Es liegt auf der Hand, wenn die SU- und DO-Relationen nur durch Kasus morphosyntaktisch unterschieden sind, daß der Nominativ als Kasusrelation und als solche als der 'besondere' Kasus anzusehen ist. Hier werden jedoch die lexikalischen Prädikator-Argument-Relationen und die syntaktische Prädikationsbeziehung unterschiedslos gebraucht. In Syntaxtheorien, die die beiden Arten von interpretativ relevanten Beziehungen unterscheiden, ist das Subjekt aus unabhängigen lexikalischen, syntaktischen und semantischen Gründen eine ausgezeichnete Relation. Von daher ist es nicht zwingend, den Nominativ als (spezifische) Kasusrelation oder als den Nukleus des Kasussystems anzusehen.
28
O'Gradys an Jespersen (1924) orientierter Ansatz bezeichnet z.B. die SU-Relation als doRelation (1980:233). Diese begriffliche Bestimmung (i.S. der notional grammar) erscheint für expletive Subjekte in (a)-(b) und für non-activity-Verben in (c)-(d) wenig angemessen: a. it is raining b. it seems clear that John wouldn't have done that c. John resembles his father d. John got/received a letter from the dean
337 3.4.2 Ein relationales Modell der Kategorienelemente Obschon auch Schmid (1972) den Nominativ als den Angelpunkt des Kasussystems versteht, sieht sein Modell der internen Struktur grammatischer Kategorien (wie deiktisches Pronomen, Tempus, Modus oder Kasus) die Existenz sowohl eines definierenden Bezugspunkts wie einer systemnotwendigen Null-Stelle vor (s. Kap.I § 1.3). Schmids Kategorienmodell eröffnet die Möglichkeit, den Nominativ der einen oder anderen Systemstelle zuzuordnen. Indem hier Schmids Modell im Sinne der Theorie der abstrakten Kasus (die in etwa bei Schmid den einzelsprachunabhängigen Kasuskategorien gegenüber den sprachspezifischen Kasusmorphemen entsprechen) reinterpretiert wird, sollen einige systembezogene Gründe gegeben werden, die den Nominativ als neutralen Kasus erscheinen lassen. Wir gehen dabei von der Modifikation des Schmidschen Kategorienmodells in Beifuß et al. (1985) aus. 29 Das System der Elemente einer grammatischen Kategorie basiert auf drei zweistelligen Relationen: (99)
Ri(x 1 ; x 2 )
mx.Rjix^Xj)) [ kurz: ±L(x,B) ] ±D(x,Ri(x1,x2)) [ kurz: ±D(x,B) ] Als Grundrelation des Systems ist R^x^.xj) ausgezeichnet, wobei Rt je nach betreffender Kategorie eine spezifische metasprachliche Interpretation erhält. 30 Aus der jeweiligen metasprachlichen Interpretation R, ergeben sich automatisch die Interpretationen für die in Schmid (1972) separat eingeführten Axiome: Thema als das jeweils erste Argument von Äj; direkte Relation aufgrund der Zweistelligkeit von R{\ Gültigkeitsbereich (von (χ^χχ)) als der Geltungsbereich Β der Grundrelation. Die beiden weiteren Relationen sind: L(x,Rj), mit L = 'liegt-in', und D(x,R,}, mit D = 'determiniert-von'. Die L-Relation spezifiziert die Lage eines Elements χ relativ zum Gültigkeitsbereich Β der Grundrelation. Die D-Relation gibt an, ob ein Element χ bezüglich Β determiniert ist oder nicht. Als System konstituieren sich die drei Relationen dadurch, daß die Grundrelation Rx als Argument in den L- und D-Relationen auftritt, was in der Gleichsetzung Β = Rfo^x^ begründet ist. Das Kategoriensystem stellt sieben Positionen bereit, die notwendig auf rie definierende Grundrelation bezogen sind, da sie entweder direkt oder Bezug auf Ä, bestimmt sind: ρλ_2 sind direkt als Interpretationen der beiden Ri gegeben. Alle Elemente einer Kategorie, die nicht direkt als Argumente 29
30
die die Kategomittelbar durch Argumente von von R{ definiert
In Beifuß et al. (1985) werden ausführlich das ursprüngliche Modell (Schmid 1972), dessen interne Inkonsistenzen und ein modifiziertes Relationsmodell am Beispiel der Pronominaldeixis diskutiert. Interpretationen des Originalmodells gibt auch Rauh (1983a-b). Vgl. Beifuß et al. (1985:91): "Die metasprachliche Interpretation von /?, ist als zweistufig vorzustellen: Auf der höheren Ebene werden pragmatische gegenüber anderen grammatischen Kategorien durch den konstitutiven Begriff der Sprechsituation charakterisiert; auf der niederen Ebene gehen in die metasprachliche Interpretation von R Bestimmungsmomente ein, die die pragmatischen Kategorien unterscheiden. Es sind dies z.B.: die personale Dimension der Sprechsituation (i.e. die referentielle Funktion der Kategorie (deiktisches) Pronomen), die temporale Dimension (i.e. der Bezug auf die Sprechzeit für Tempus), die modale Dimension (i.e. der Bezug auf die Sprecherwirklichkeit für Modus)."
338 sind, sind immer zugleich durch L und D charakterisiert. Dabei ist es für die mittelbar bezüglich R{ definierten Subkategorien offen, ob ihnen die durch L und D zugeschriebenen Eigenschaften zukommen oder nicht, was durch die ±-Spezifikationen ausgedrückt ist. Die Kreuzklassifizierung von ±L und ±D ergibt die vier Systemstellen p 3 . 6 : 3 1 (100)
Pl: Xl : x
P2 p3: p4: p5: p6: p7:
2 x3 x4 x5 x6 x7
= = = = = = =
R^xj.xz) κ χ ι( 1· χ 2) +L(x,B) + L(x,B) -L(x,B) -L(x,B) 0L(x,B)
λ +D(x,B) Λ -D(x,B) λ +D(x,B) Λ -D(x,B) λ 0D(x,B)
Die Stelle ρΊ identifiziert das neutrale Element des Systems, das zwar zum System gehört, aber hinsichtlich der Merkmale ««//-spezifiziert ist, da alle möglichen Werte bereits belegt sind. Die Notwendigkeit des neutralen Elements, obschon durch die Systemmerkmale "nicht näher bestimmt" (Schmid 1972:10), ergibt sich sowohl aufgrund empirischer Gegebenheiten wie aus theoretischen Gründen (s. Kap.I § 1.3). Es liegt nahe, daß diese Gesichtspunkte auch für die syntaktischen Kategorien der propositionalen Satzstruktur gelten. 3.4.2.1 Kasusinterpretationen im relationalen Kategorienmodell Dem Kategoriensystem (100) gibt Schmid (1972:16; 1977) die Kasusinterpretation (101): 3 2 (101) C 1 • Thema — Bezugspunkt von V C2: in direkter Relation zu Cj; durch V näher bestimmt C3: gibt nähere Bestimmung im Gültigkeitsbereich Β an C4: bestimmt nicht B, sondern nur Elemente in Β C5: wird außerhalb von Β durch Β näher bestimmt C6: bestimmt Β von ~iß aus C7: unbestimmt relativ zu Β
Nominativ Akkusativ Lokativ Genitiv Dativ Ablativ Instrumental
Die ifojttj-lnterpretation des Kategorienschemas zeigt einige Eigentümlichkeiten, auf die im folgenden aus dem Blickwinkel der (abstrakten) Kasussyntax hingewiesen werden soll. Da hier vornehmlich der Status des Nominativs interessiert, gilt das Augenmerk vornehmlich den Kasuspositionen C ^ und C 7 . 3 3 Schmid geht davon aus, daß "C immer syntaktische Beziehungen innerhalb des Satzes symbolisiert" (1972:17) und daß das finite Verbum der zentrale Bezugspunkt der Kasusrelationen im Satz ist: "Die Kasuskategorie umfaßt dann zunächst alle Beziehungen, die ein Substantiv zu diesem Bezugspunkt V einnehmen kann." (1977:4). Dennoch spielt der relationale Charakter der Kasus unmittelbar nur für die Definition von C, eine Rolle. Alle anderen Kasus werden in strukturalistisch-paradigmatischer Weise in Opposition zu Cl definiert:
31
Da die Determination durch Β für Elemente in und außerhalb von Β gelten kann, ist ein ±Dspezifiziertes Element immer auch ±L-spezifiziert.
32
Vgl. Tabelle ( ) in Kap.I § 1.3. Die begrifflichen Sonderheiten gegenüber dem Modell (100) berühren nicht die grundsätzliche Klassifikation; rechts die entsprechenden idg. Kasusformen. Die Interpretation der Positionen C3_6 bleiben weitgehend unberücksichtigt, da deren Konsequenzen hier nicht abgeschätzt werden können.
33
339 C2 in Relation zu Cx\ C 3 . 6 bezüglich des durch CrV-C2 gebildeten Bereichs. 34 Darüberhinaus hat der angenommene Verbbezug keinen definitorischen Status im System: Das Verb bleibt als das die Kasusrelationen konstituierende Element gleichsam außerhalb des Systems -m.a.W.: Die kasusdefinierende Relation stellt ein vorsystematisches Axiom dar. Im Gegensatz zu anderen Kategorien fallen hier Thema (Cj) und Bezugspunkt (V) auseinander, so daß sich für das Kategoriensystem die Unklarheit ergibt, ob C2 bezüglich Cx, wie es das System verlangt, oder qua Unterordnung bezüglich V definiert ist. In jedem Fall ist es der Nominativ, der als der primäre durch den Bezug zu V bestimmte Kasus angesehen wird. Die implizierte Kasusbeziehung zwischen C, und V über und neben der Kongruenzrelation erscheint unter dem GB-theoretischen Rektionsbegriff aus syntaktisch-strukturellen Gründen fraglich (s.o. zu O'Grady 1980). Zudem weicht der Instrumental als der Repräsentant der Position C7 insofern von der Interpretation neutraler Elemente in anderen Kategorien ab, als der Instrumental zweifellos ein merkmalhaltiger Kasus ist (z.B. Hjelmslev 1935, Jakobson 1936), während das neutrale Element ansonsten als merkmallos, d.h. durch die Systemmerkmale nicht spezifiziert, verstanden wird. In dem relationalen Kategorienmodell (100) muß sowohl der relationale Charakter der Kasus wie auch der für das Kernsystem der Kasuskategorie obligate Bezug auf V in die die Kategorie definierende Grundrelation eingehen: RC(V,N). Es ergibt sich die Grundrelation Rc mit dem verbalen Kasuszuweiser als erstem Term (Bezugspunkt) und dem nominalen Kasusträger als zweitem Term. Das heißt: Rc ist metasprachlich in einem spezifischen Sinn als Kasusrektion interpretiert. Qua Grundrelation ist V der ausgezeichnete Regent des Kasussystems. Das bedeutet zunächst, daß Kasusrelationen zu anderen Kasusregenten nicht zum primären Kasussystem gehören. Das gilt insbesondere für die adnominalen Genitive (im Kontrast zu (101)), aber auch für die P- und (im Dt.) die Α-Kasus (s. Schmid 1977:4f.). 35 Die traditionelle Kategorie Kasus zerfallt also in eine Reihe von Subkategorien, das V-, N-, P-System etc. (s. Kap.III § 5.4). Damit ist gegenüber den herkömmlichen 'homogenen' Kasustheorien kein deskriptiver Verlust verbunden, da auch in diesen Ansätzen nie alle Kasusrelationen aus einem einheitlichen Prinzip heraus erklärt worden sind. Die Festlegung von Rc ergibt die partielle Ausbuchstabierung des Kategorienschemas (100) als (102): (102) Ci. C2: C3: C7: 34
= xj in R c ( x 1 , x 2 ) : = x 2 in R c ( x , , x 2 ) : = +L(x,B) Λ +D(x,B):
V Objektiv (Akkusativ) Oblique (Dativ)
=
Nominativ
eL(x,B) A 0D(x,B):
Dem relationalen Charakter der Kasus wird in Schmid (1977) besser Rechnung getragen: Cj ist
der Zuordnungskasus (Thema) des finiten Verbums, C2 der Unterordnungskasus (direkte Relation) des Verbs (oder C r V ? ) und die Kasus C3_7 fallen als Beiordnung Bereichs Β aus. 35
in oder außerhalb des
Man kann auch den absoluten Nominativ als marginale, am lateinischen Modell nachgebildete Verwendung aus den allgemeinen Kasusüberlegungen ausschließen. Daß der Nominativ als neutrales Kasuselement auch in anderen Kasussubsystemen Verwendung findet, erinnert an die Doppelfunktion des Injunktivs als p 7 -Element des Modus- und Tempussystems.
340 Im Kontrast zu (101) kann der SU-Nominativ nicht länger als C r K a s u s interpretiert werden. Die Systemposition Ct ist selbst kein Element der syntaktischen Kategorie Kasus, sondern der Bezugspunkt V des Kasussystems. 36 Der Nominativ kommt auch nicht in dem Sinne als primärer Kasus in Betracht, daß er als erstes Kasuselement in C 2 auftritt. Da V die SU-Stelle nicht regiert, steht der SU-Nominativ eben nicht in direkter Relation zu V. Rc definiert die exemplarische Kasusrelation der direkten Kasusmarkierung einer Nominale durch das Verb, i.e. die V-OBJ-Beziehung: Der C 2 -Kasus ist der Akkusativ (Objektiv). Insofern C2 der zentrale Kasus ist, kann man von einem Akkusativ-Systtm sprechen. Als maximal merkmalloser Kasus kann der Nominativ plausiblerweise auch nicht für die merkmalhaltigen Positionen C3_6 interpretiert werden. Für das verbale Kasussystem (102) liegt es nahe, der Position C3 den Dativ (struktureller Oblique) zuzuordnen: Als der typische Kasus eines zweiten Objekts des Verbs liegt er im Bereich der Grundrelation (+L) und ist gemäß dem Distinktheitsprinzip relativ zu Rc bestimmt (+Z)). 37 Da die Position Cx selbst keine Kasuskategorie repräsentiert, können die sieben idg. Kasus, insbesondere der Lokativ, Ablativ und Instrumental, nicht mehr separaten primären Kasuspositionen zugeordnet werden. In traditioneller Sicht stellt der Instrumental nicht notwendig einen einheitlichen Kasus dar; zudem wird zuweilen noch ein eigenständiger Direktiv angenommen (z.B. Hirt 1934). Es liegt nahe, diese lokalistisch interpretierten Adverbialkasus als Subklassifizierungen der Positionen C5 und C6 anzusehen, wie Schmid (1972:17) für Sprachen mit einem grösseren Inventar lokaler Kasus (z.B. Finnisch, Ungarisch) als im Idg. annimmt. Es bleibt, den Nominativ als den neutralen Kasus C7 zu verstehen, der weder bezüglich Rc, noch hinsichtlich der Lage in bzw. der Determination durch Β spezifiziert ist. Als einzig unspezifizierter Kasus im System ist der Nominativ, wenn auch in einem anderen Sinn, als Schmid (1977:6) meint, weiterhin "der Kasus, dem alle anderen Kasus gegenüberste-
36
37
Diese Möglichkeit hat unabhängig Schmid (p.M.) für die Analyse der pragmatischen Kategorie Modus eingeräumt, indem er den Indikativ (M2) als den Ausdruck der direkten Relation zur Sprecherwirklichkeit (Mj) angesehen hat. Während die Annahme eines C3-Dativs in kasussyntaktischer Sicht u.E. die plausible Konsequenz ist, sind die Interpretationen für C4_6 unklarer. Es seien einige Alternativen angedeutet. Die C4-Stelle mit den relationalen Merkmalen [+L,-D] könnte für den adverbalen Genitiv des Teilungsobjekts interpretiert werden (z.B. er trank des Weines) bzw. den Negationsgenitiv des Objekts im Russ.: Als Alternante des DO-Kasus liegt er im Bereich von Rc, ist aber nicht von Rektion des Verbs determiniert, sondern von zusätzlichen satzsemantischen Eigenschaften. - Eine andere Möglichkeit wäre es, der C4-Stelle den freien Dativ des Dt. und den for-Dativ des Engl, zuzuordnen: Als Objekt-Kasus liegt er im Bereich von Rc (+£); als Nicht-Argument des Verbs ist der Kasus der NP nicht durch V oder bezüglich Rc determiniert, sondern die freie strukturelle Option, eben ein konfigurational festgelegter Kasus. - Eine wiederum andere Möglichkeit wäre es, den freien Dativ als C5-Kasus aufzufassen, der mit dem C3-Objektsdativ die Eigenschaft teilt, determiniert zu sein, d.h. als Non-DO-Nominale gemäß dem Distinktheitsprinzip nicht als struktureller Objektiv aufzutreten. Es kann hier nicht eine vollständige Interpretation aller Kasuspositionen versucht werden. Es liegt auf der Hand, daß unterschiedlichen Optionen je spezifische metasprachliche Interpretationen der Prädikate liegt in Β bzw. ist determiniert durch Β implizieren und je unterschiedliche Konsequenzen für die Interpretationen der weiteren Positionen im Bereich C3_6 zur Folge haben.
341 hen." Dem entspricht die Sonderstellung des SU-Nominativs in der SU-PRÄD-Organisation von Sätzen als Kasus des externen Arguments des Verbs: Von den verbalen Kasusrelationen ist allein der Nominativ von der Infinitivisierung, i.e. dem Rektionsverlust, betroffen; alle anderen Kasusrelationen treten unverändert auch beim infiniten Verb auf. Als SU-Kasus tritt der Nominativ nicht nur außerhalb der Rektionsdomäne des Verbs auf. Es macht unter der CP-IP-Analyse von Sätzen keinen Sinn, den SU-Kasus hinsichtlich der Systemmerkmale positiv oder negativ zu spezifizieren. Gerade seine Unspezifiziertheit läßt den Nominativ geeignet erscheinen, als Kasus für phonetisch realisierte NPs einzutreten, die nicht auf eine der herkömmlichen Weisen Kasus zugewiesen erhalten können. Das heißt, der Nominativ fungiert nicht nur beim infinitiven Prädikativ, sondern generell als Ersatzkasus. 3.4.2.2 Kasuselemente und Kasussyntax Es zeigt sich, daß die Überlegungen zum relationalen Kategorienmodell und zur generativen Kasussyntax hinsichtlich des Status des Nominativs zu denselben Resultaten gelangen, obschon beide Ansätze von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen und unterschiedliche Beschreibungsziele verfolgen. Das Kategorienmodell gibt ein universales Schema der möglichen Elemente einer Kategorie, macht als solches aber direkt keine Aussagen über die syntaktische Distribution und Kombinatorik der Elemente. Die GB-Kasustheorie ist eine Theorie der syntaktischen Distribution und (mittelbar) der Kombinatorik kasusmarkierter NPn, gibt ihrerseits aber keine prinzipiellen Bedingungen für die Klasse möglicher Kasusrelationen an (ausgenommen Emonds 1985). Insofern ergänzen sich die beiden Ansätze. Das gilt insbesondere für die relationale Version des Kategorienmodells. Es erzwingt, die relationale Auffassung von Kasus auch tatsächlich als Defmiens Rc der Kasuskategorie anzusetzen, so daß sowohl in der Theorie der Kasuselemente wie in der Theorie der Kasussyntax die Grundbeziehung der Kasusrektion als definitorisches Axiom erscheint. Es ist daher nicht unmotiviert, daß beide Teiltheorien der Kasus zu konvergenten Ergebnissen gelangen. Wie wir uns aufgrund der strikt relationalen Reinterpretation des Kategorienmodells veranlaßt gesehen haben, Schmids Modell der Kasuselemente zu revidieren, so scheint unter der Auffassung des Nominativs als neutralem Kasus auch eine Revision der Standardtheorie der abstrakten Kasus geboten. Es seien hier exemplarisch drei Konsequenzen genannt, deren Konsequenzen für die Grammatiktheorie jedoch nicht im Detail diskutiert werden können. Das betrifft zum einen das Standardmodell der abstrakten Kasuszuweisung. Als neutraler C7-Kasus ist das strukturelle Auftreten des Nominativs weder als rektionsbedingte Zuweisung noch als konfigurational bedingte Möglichkeit beschreibbar. Die Nominativ-Markierung ist eine freie syntaktische Option: (103) Eine phonetische NP, die keinen Kasus qua Rektion, Konfiguration oder Kongruenz erhält, erscheint im Nominativ. Hinsichtlich des Standardmodells der Kasuszuweisungsregeln hat die Nominativ-Regel (103) den Status einer elsewhere-Regel: Sie tritt in Kraft, wenn die anderen Möglichkeiten der Kasusmarkierung erschöpft sind. Zum anderen ergeben sich Konsequenzen für die Beschreibung der VP-internen Nominative im Dt. (und anderen Sprachen). Wenn der Nominativ ein elsewhere-Kzsus ist, dann
342 erscheint für die VP-internen Nominative der Bezug zu einer leeren, kasusregierten SUStelle im Sinne des Kasustransfers in syntaktischen Ketten nicht länger unabhängig erforderlich, wie es die herkömmlichen Ergativ-Analysen voraussetzen. Die D-N-Abfolge (104a) kann anstelle der früheren Analyse (104b) direkt als (104c), d.h. ohne strukturelle SUStelle, analysiert werden: (104) a. b. c.
weil dem Onkel die Musik gefällt ... [ IP e1 [ V P N P Q J [ V , N P n ' gefall-ÖJ)]] AGR'] ... [
I P
[
V P
NPJJ) [V,
N P n ' gefall-0J)]]
AGR']
Die Möglichkeit SU-loser Satzstrukturen hat unabhängig Borer (1986) durch eine Modifikation der SU-INFL-Koindizierung (6i) motiviert: (105) Coindex NP with INFL in the accessible domain of INFL. (p.375) Der Unterschied zur Chomskyschen AGR-Koindizierung ist, daß gemäß (105) auch eine VP-interne NP mit INFL unter C-Kommandierung koindizierbar ist 38 , während die Rektionsbedingung zwischen INFL/AGR und NP in (6i) nicht in VP hineinwirken kann, da die Rektionsdomäne von V für andere Regenten opak ist. Wir akzeptieren die freiere INFL-Koindizierung Borers, trennen diese aber von Borers Annahme, daß "agreement with the verb is a manifestation of nominative Case." (p.378) Eine regierte NP, die nicht auf kanonische Weise kasusmarkiert ist, kann für den Nominativ markiert sein. Für (104c) ergibt sich die folgende Erklärung: Da keine θ-markierte SU-Stelle vorliegt, kann die Objekt-Stelle gemäß Burzios Generalisierung vom regierenden Verb keinen Kasus erhalten. Es tritt der elsewhere-Kzsus Nominativ ein. Die Analyse stellt die/«W-S-Hypothese nicht nur für finite Sätze in Pro- bzw. Nom-Drop-Sprachen (z.B. Ital. bzw. Dt.) in Frage, sondern auch für Infinitivstrukturen, soweit der SU-Position nicht unabhängig eine Θ-Rolle zugewiesen sein muß. Die Möglichkeit, anstelle der PRO-Infinitiv-Analyse ein VP-Komplement anzunehmen, ist gegeben, wenn der Prozeß der Θ-Perkolation die SU-0-Rolle eines eingebetteten Verbs mit einem höheren Argument verschmelzen kann. Deutsch und Englisch unterscheiden sich offensichtlich hinsichtlich dieses Prozesses. 39 Eine dritte Konsequenz der Nominativ-Analyse ergibt sich für die Beschreibung von Sprachen mit nicht-nominativen Subjekten. Wenn INFL/AGR an SpecIP Kasus zuweist, stel38
Den Begriff accessible domain definiert Borer (1986:403): "a is in the accessible domain of INFLj iff INFL, c-commands α and there is n o ß y β: I-subject of INFLj, such that I N F L J c-commands I N F L J and INFL: c-commands a." Die Definition gewährleistet, daß 1° gemäß der Koindizierungsregel (105) nur eine NP, die nicht von einem anderen 1° minimal c-kommandiert ist, I-identifizieren kann. Das ist entweder die SU-Stelle SpecIP oder der VP-interne Nominativ in [NP,V'], daher der allgemeinere Begriff /Subjekt. Da jedes 1° gemäß (105) koindiziert sein muß, ergibt sich die SU-Bedingung des EPJP (s. Chomsky 1982:10), ohne daß es notwendig eine strukturelle SU-Stelle geben muß.
39
Vgl. Kap.III § 2 zu den Pro- und Nom-Drop-Parametern. Unter Borers INFL-NP-Koindizierung (105) hat das Engl, immer eine strukturelle SU-Stelle in finiten und infiniten Satzkomplementen, weil "INFL is strong enough to assign Case, but not strong enough to I-identify." (1986:402 n.28) Der Kasusbedingung kann unter der hier vertretenen Nominativ-Auffassung nicht gefolgt werden, so daß diese kontrastive Eigenschaft von INFL eher wie früher zu dem Vorhandensein einer genügend reichen Flexionsmorphologie in Beziehung zu setzen ist.
343 len z.B. akkusative ExPERiENCER-Subjekte in Imbabura Quechua (s. Hermon 1985) und Dativ- und Genitiv-Subjekte im Isländischen (z.B. Zaenen/Maling/Thrainsson 1985) als solche genau genommen immer einen Kasuskonflikt dar, i.e. eine Verletzung der Kasussingularität für Ketten: SpecIP muß durch Bewegung einer andernorts kasusmarkierten NP gefüllt sein und diese NP ist zugleich durch ein kasuszuweisendes INFL/AGR regiert. Die Standardtheorie muß annehmen, daß der INFL/AGR-Kasus in genau diesem Fall suspendiert sein kann. Unter der hier vertretenen Nominativ-Auffassung ergibt sich dieser mögliche Konflikt erst gar nicht: Wenn eine Sprache erlaubt, eine kasusmarkierte NP in die SU-Stelle zu bewegen (was einzelsprachlich parametrisiert, aber unter der Θ-Bedingtheit syntaktischer Bewegungen nicht α priori ausgeschlossen ist), dann tritt die eisewÄere-Bedingung des Nominativs nicht in Kraft. Hierin kann man einen empirisch-deskriptiven Vorteil der Null-KasusHypothese für den Nominativ gegenüber der generativen Standardauffassung sehen.
3.5 Das Kasuskategorienmodell und der Sprachvergleich Das Kategorienmodell von Schmid (1972, 1977) sieht sieben allgemeine Kasusbeziehungen vor, das relationale Modell noch deren sechs. Das generative Kasusmodell (s. Chomsky 1981a: 170ff.) geht dagegen von einem beschränkteren Bestand abstrakter Kasus aus: Wenn man von dem adnominalen Genitiv und dem präpositionalen Oblique absieht, die in unserer Interpretation zu anderen Kasussubsystemen gehören, verbleibt ein Zwei-Kasus-System, bestehend aus Objektiv und Nominativ. Es steht außer Frage, daß ein derart reduziertes System als UG-Hypothese unterdeterminiert erscheint. Die Kasusanalyse des Dt. erfordert zumindest die Annahme eines weiteren V-Kasus: des strukturellen Obliques als 02-Kasus. Es ergibt sich ein Drei- bzw. Vier-Kasus-System, wobei die vierte Kasusfunktion sich aufgrund der Modellsymmetrie von (100) ergibt: Wenn die ±L-Dimension keine Funktion hat, gibt es zu dem +£>-Kasus C 3/5 einen -D-Kasus C 4/6 ; wenn die ±£>-Dimension neutralisiert ist, steht dem +L-Kasus C 3/4 ein -L-Kasus C5/6 gegenüber (s.a. Anm. 37 zu möglichen Varianten; die inhärenten Kasus bleiben hier wie bereits oben außer Betracht, da sie nicht zu den syntaktischen Kasusbeziehungen im engeren Sinne zu rechnen sind). Es stellt sich die Frage, ob und wie diese Diskrepanz aufzulösen ist. Nach Schmid betrifft der diachrone Ab- bzw. Ausbau einzelsprachlicher Kasussysteme nicht die allgemeinen Kasusfunktionen, sondern primär (und ausschließlich?) die Verteilung von Kasusmorphemen über die Positionen des Kategorienschemas: "Die Sprachgeschichte spielt sich nicht in den Kasuskategorien ab, sondern in den Kasusmorphemen." (1977:10) "Die aufgestellten Kasuskategorien können auf der morphologischen Ebene reduziert oder durch lokale und temporale Interpretationen vervielfältigt werden." (1972:18) Unter der angenommenen Konstanz der Kasusrelationen ist das generative Kasusmodell offenkundig ergänzungsbedürftig. Im Engl, wären dann die morphologisch nicht (mehr) belegten Kasusfunktionen durch P-Kasus 'aufgefüllt': "Präpositionale Wendungen sind [...] grundsätzlich nichts anderes als semantisch explizierte Kasusbeziehungen." (1977:11) Wenngleich die Kompensation fehlender Kasusmorphologie durch P-Kasus unstrittig erscheint, ist zu be-
344
denken, ob die derart 'ersetzten' Kasusrelationen tatsächlich als Instanzen des verbalen Kasussystems aufgefaßt werden sollten. Es steht zur Debatte, daß einzelsprachliche Kasussysteme sich auch in ihrem Bestand an allgemeinen Kasusrelationen unterscheiden können. Zunächst einmal ist strittig, ob präpositional vermittelte V-NP-Relationen als Kasusrelationen des Verbsystems aufzufassen sind: (106) a. sie hat dem MannD einen BriefA geschickt b. sie hat einen BriefA an den MannAp geschickt Wenn Präpositionen lediglich eine semantisch verdeutlichende Funktion hätten, wäre der Wechsel vom verbalen Dativ zum präpositionalen Akkusativ unmotiviert. Wir folgen daher der Unterscheidung Rauhs (1988), daß Präpositionen semantische Relationen und Kasus syntaktische Beziehungen ausdrücken. Da jede syntaktische Relation auch eine semantische Interpretation hat und jede semantische Relation einen syntaktischen Ausdruck, ergibt sich zwar, daß präpositionale Fügungen dort eintreten, wo Kasusrelationen die relevante Relation nicht hinreichend verdeutlichen oder nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Es ist aber nicht notwendig, die durch Präposition plus Kasus ausgedrückten Beziehungen zum Verb als Kasusrelationen aufzufassen. Zudem ist fraglich, ob sieben allgemeine Kasusrelationen auf der Grundlage des Sanskrit zweifelsfrei motiviert sind (s. Kap.I § 1.1). Unter der Reinterpretation des Bezugspunkts C, und der neutralen Position C7 des Kasusschemas ist eine l:l-Korrelation zu den sieben Kasus des Sanskrit ohnehin nicht mehr gegeben. Unklar erscheint auch, weshalb gerade Lokativ, Ablativ und Instrumental allgemeine Kasusfunktionen darstellen, nicht aber andere adverbiale Funktionen. Einerseits lassen Hirts (1934) Gründe für die Annahme eines vorhistorischen Direktivs das Kasussystem des Sanskrit selbst schon als Ergebnis kasussynkretischer Erscheinungen ansehen. Andererseits weist die Unterscheidung grammatischer und semantischer Kasus bei Kurylowicz (1964) die Möglichkeit auf, auch für das Kasussystem des Idg. von einem beschränkteren Bestand genuin syntaktischer Kasus auszugehen (s. Kap.II § 3.2.1). Das könnte bedeuten, daß das Kasussystem nicht von allen Positionen des Kategorienmodells (100) Gebrauch macht -d.h., daß für die rein syntaktischen Kasusrelationen entweder die ±L- oder die ±D-Spezifizierung zusammenfällt. Demgemäß gäbe es vorderhand nicht sieben bzw. sechs allgemeinsprachliche Kasusfunktionen, sondern vier: C2 als den direkten Kasus des Verbs (Objektiv!Akkusativ), C7 als den neutralen Kasus (Nominativ) und zwei distinkte Kasus aus C^, wobei C3 als der indirekte Kasus {Oblique!Dativ) des Verbs unstrittig erscheint und der zweite oblique Kasus eine der in Anm.37 angedeuteten Möglichkeiten repräsentiert. Wenngleich damit das Kategorienmodell und die generative Kasustheorie hinsichtlich ihrer Kasusbestände noch nicht vollständig zur Deckung gebracht sind, erscheint eine Konvergenz auch in dieser Hinsicht prinzipiell möglich. Es ist einzuräumen, daß es zumindest noch eine andere Reinterpretation des Kategorienmodells gibt, die ebenfalls mit der generativen Kasussyntax verträglich erscheint. Auf der Basis des Dt. lassen sich unschwer gute Gründe für ein zugrundeliegendes 6-Kasus-System beibringen. So läßt sich argumentieren, daß neben den genannten Kasus der freie Dativ im Kontrast zum 02-Kasus C3, der adverbale Teilungsgenitiv als Alternante zum DO-Akkusativ C2 und die Adverbialkasus plausible Kandidaten für die Positionen C4_6 sind. Eine plausible
345 Annahme ist, daß diejenigen Positionen, die vermutlich nicht unter die strikt syntaktischen Kasusrelationen fallen, C5_6, als lokale Kasusrelationen zu interpretieren sind. Das läßt die traditionelle Unterscheidung von grammatischen vs. lokalen Kasus, die Schmid (1972:13f.) ablehnt, nicht unberechtigt erscheinen, unbeschadet der Frage, in genau welcher Weise sie auf das Kategorienmodell abzutragen sind. Die Frage, ob das allgemeine Kategorienmodell für Kasus sechs oder vier Positionen zur Verfügung stellt, ist zu unterscheiden von der Frage, in welcher Weise einzelsprachliche Kasussysteme variieren können. Wir folgen Schmids Einschätzung des Phänomens des Kasussynkretismus insofern, daß von dem Zusammenfall morphologischer Kasusformen die Existenz der abstrakten Kasusbeziehungen nicht notwendig betroffen ist. Das zeigt z.B. der dt.-ndl. Vergleich. Die offenkundigen kasussyntaktischen Parallelitäten der beiden Sprachen lassen dasselbe (oder ein sehr ähnliches) System abstrakter Kasusbeziehungen annehmen. Dafür steht exemplarisch die weitgehend parallele Syntax des C3-Kasus, des strukturellen Oblique, in beiden Sprachen, obschon das Ndl. morphologisch Dativ und Akkusativ (und Nominativ) nicht mehr unterscheidet. Vereinfacht ausgedrückt: Beide Sprachen unterscheiden sich nicht auf der Ebene der abstrakten Kasus, sondern lediglich auf der Ebene der morphologischen Realisierung der allgemeinen Kasusrelationen. Im Gegensatz zu Schmid ist aber nicht grundsätzlich auszuschließen, daß Sprachen sich auch in ihren Kasussystemen, den allgemeinen Kasusfunktionen, unterscheiden. Als Beispiel dafür kann die Beziehung zwischen Dt./Ndl./Franz. einerseits und Engl, andererseits interpretiert werden. Die Ausführungen zur Doppel-NP-Konstruktion und zur P-Strandung lassen annehmen, daß Englisch die Objektiv-Oblique-Distinktion für strukturelle Kasus verloren hat und daß es sich dabei nicht allein um eine Neutralisierung auf der Ebene der Kasusmorphologie handelt. Die Annahme eines syntaktischen 4-Kasus-Systems für expositorische Zwecke als korrekt unterstellt -sei es als UG-Hypothese, sei es als Konsequenz der parametrischen Reduktion (s. Kap.IV § 1.2)- ist ein relationales Merkmal von (99) neutralisiert, so daß (sagen wir) jeweils die Positionen C3/5 und C 4/6 zusammenfallen. Wenn das Engl, nun keinen distinkten C3-Kasus mehr aufweist, hat das für das Kategorienmodell zur Folge, daß relativ zu C2 auch das zweite relationale Merkmal keine distinktive Rolle mehr spielt. Das hat aus systemimmanenten Gründen notwendig zur Folge, daß es auch keine distinkte e x position mehr geben kann. Englisch erschiene dann als ein 2-Kasus-System, daß relativ zum Bezugspunkt V (C,) nur noch die Positionen C2 und C7 unterscheidet. Alle anderen Kasusrelationen müssen dann -wie es tatsächlich der Fall ist- durch präpositionale Relationen ausgedrückt sein. Die vorhergehenden Bemerkungen sind v.a. dadurch motiviert, die möglichen Übereinstimmungen zwischen dem Kategorienmodell und der generativen Kasussyntax anzudeuten. Unsere Interpretation des Kategorienmodells weicht von der ursprünglichen Analyse (101) ab. Schmid (1972:17f.; 1977:9) begründet seine Kasusinterpretationen Ογ.η mit flexionsmorphologischen Erscheinungen aus idg. Sprachen. Da unsere Reinterpretation nicht nur die Positionen C{ und C7, sondern eben auch die interne Verteilung über C3_5 betrifft, wäre es grundsätzlich interessant, zu überprüfen, ob diese Fakten sich auch unter einer der beiden Modifikationen erklären lassen.
346 Da eine solche Überprüfung in den Bereich der Indogermanistik fallt und hier nicht geleistet werden kann, begnügen wir uns damit, die wesentlichen Punkte noch einmal hervorzuheben: Schmids Modell der Kategorienstruktur und die generativ-syntaktische Kasustheorie zeigen bestimmte Berührungspunkte, die eine Integration ihrer komplementären Sicht des Kasusphänomens, den paradigmatischen und den syntagmatischen Aspekt, wünschenswert erscheinen lassen. In beiden Theorieansätzen für sich erscheint es plausibel, den Nominativ als neutralen oder Null-Kasus anzusehen. Da diese systemimmanenten Überlegungen jeweils von durchaus unterschiedlichen Kriterien Gebrauch machen, kann man sie hinsichtlich der Nominativ-Analyse als unabhängige Motivation füreinander ansehen.
Kapitel VI Ergebnisse und Ausblicke
Im folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zu den Kasussystemen des Englischen und des Deutschen zusammengefaßt und auf einige Problembereiche hingewiesen, die in der Arbeit nicht behandelt worden sind bzw. keiner deskriptiven Lösung zugeführt werden konnten. Dabei wird zugleich eine Zusammenschau der Subtheorie des Kasus gegeben. Wenngleich jede linguistische Analyse unabdingbar theorieabhängig ist, sind die Ergebnisse nicht notwendig theoriespezifisch.
1. Einzelsprach- und universalgrammatisches Kasussystem Es ist gezeigt worden, daß die syntaktischen Erscheinungen im Englischen und Deutschen mit explanatorischem Gewinn im Rahmen einer syntaktischen Kasustheorie analysierbar sind. Für Englisch ist dieser Befund nicht selbstverständlich. Es gibt traditionelle und mehr noch strukturalistische Analysen der englischen Syntax, die aufgrund des weitgehenden Verlustes der Kasusmorphologie angenommen haben, daß die Kategorie Kasus keine oder nur noch eine marginale Rolle im Pronominalsystem spielt. In der kasustheoretischen Analysierbarkeit morphosyntaktisch unterschiedlicher Sprachen findet sich die Grundannahme der GB-Theorie von der Existenz des Grammatikmoduls abstrakter Kasus und aufgrund dessen Interaktionen mit anderen Subtheorien der Grammatik die modulare Organisation der Grammatiktheorie bestätigt. Die sprachvergleichende Analyse im Rahmen der GB-Theorie hat eine universalgrammatische Kasustheorie und begründete Annahmen über deren zulässigen Parametrisierungen in einzelsprachlichen Grammatiken zur Voraussetzung. Zu diesem Zweck sind vergleichend das weitgehend flexionslose Englisch und das kasusflektierende Deutsch betrachtet worden. Für den Sprachvergleich stellt sich die Frage, welche der beiden Sprachen eher das UGModell einer Kasustheorie repräsentiert. Obschon dieser Frage hier nicht im Detail nachgegangen worden ist, da ihre Beantwortung die Berücksichtigung eines größeren Bereichs von Sprachen wie der Sprachtypologie und -geschichte bedurft hätte, ist im Gang der Darstellung die 'Modellfunktion' dem Deutschen zugeschrieben worden. Mit dem Vorbehalt, daß eine breitere Sprachenbasis eine 'Gleichsetzung' des deutschen Kasussystems mit der UGKasustheorie in Frage stellen mag, spricht für diese expositorische Entscheidung zum einen, daß nach dem Kategorienmodell von Schmid (1972) bzw. Beifuß et al. (1985) von mehr Kasusfunktionen auszugehen ist, als im heutigen Englisch ausgedrückt sind; zum anderen, daß das heutige Englisch sich aus einer kasusflektierenden Sprache ähnlich dem heutigen Deutsch entwickelt hat; schließlich, daß die Vielfalt und Differenziertheit einzelsprachlicher Kasusmarkierungssysteme nur schwer auf der Grundlage eines derart einfachen Systems zu
348 erfassen ist, wie es die generativen Modellsprachen Englisch, Französisch, Italienisch etc. darbieten. Es erscheint methodologisch grundsätzlich einfacher, Bedingungen für den Zusammenfall distinkter Kasusbeziehungen anzugeben, als von einer engen Modellbasis aus hinreichend restriktive Bedingungen für die einzelsprachlichen Extensionen anzugeben. In diesem Sinne konnte auf der empirisch-deskriptiven Grundlage des Deutschen (Kap.II) und dessen analytischer Vertiefung zu den relevanten Kasusprinzipien (Kap.III) gezeigt werden, daß sich die kasusrelevanten Aspekte der englischen Syntax als parametrische Reduktionen des am Deutschen orientierten Modells beschreiben und analysieren lassen (Kap.IV). Als besonderes Ergebnis dieses Ansatzes lassen sich eine Reihe oberflächensyntaktischer deutsch-englischer Kontraste auf sehr wenige kasusrelevante Parameter zurückführen, deren Festlegungen wiederum mehr oder weniger direkt durch das Vorhandensein bzw. Fehlen der Kasusmorphologie bestimmt ist (s. Kap.IV § 1). Wenngleich die spezielle Untersuchung der Beziehungen zwischen morphologischen Kasus und abstrakten Kasusfunktionen nicht das Thema der Arbeit gewesen ist, ist unter Bezug auf diesbezügliche Überlegungen von Emonds (1985) und Tappe (1985) in der zentralen Stellung des Parameters des morphologischen Kasus (MK-Parameter) und seiner Relevanz für die anderen Kasusparameter eine theoretische Grundlage für die traditionelle Ansicht zu sehen, daß der einzelsprachliche Verlust der Kasusflexion Auswirkungen auf die Syntax der betreffenden Sprache hat, unbeschadet der Tatsache, daß diese in einzelnen Sprachen, z.B. Englisch, Französisch und Niederländisch, unterschiedlich ausfallen.
2. Zum Modell einer Kasustheorie Wie der Gang der Darstellung gezeigt hat, bedeutet die Übernahme des GB-theoretischen Ansatzes nicht, daß deren speziellen Annahmen über die Form und die Funktion der Kasustheorie, wie sie im Anschluß an Rouveret/Vergnaud (1980) und Chomsky (1981a) in der generativen Syntax diskutiert worden sind, im Einzelnen zu folgen wäre. Vielmehr haben sich in einer Reihe von Punkten vom Standardmodell abweichende Ergebnisse gezeigt. Bereits in der historisch-vergleichenden wie der deskriptiven Tradition sind Kasus als wesentlich relationale Begriffe verstanden worden, was jedoch durch eine primär paradigmatische Sichtweise wieder verdunkelt worden ist. Entgegen älterer und neuerer Ansichten können Kasus nicht direkt zu semantischen Begriffen in Beziehung gesetzt werden: (1) a. weil der MannNAG der Frau D PAT das SparbuchA™ stahl/raubte b. weil der MannNAG die Frau A PAT des Sparbuches0TH beraubte (2)
a. b. c.
weil ihmn EXP das GedichtN™ einfiel weil er N E X P an das GedichtTHpA dachte weil er N E X P sichA des GedichtesGTH erinnerte
Für die Abbildung semantischer auf Kasusrelationen spielen weitere Faktoren der Perspektivierung (z.B. Fillmore 1977a, Talmy 1975, 1988)) eine Rolle. Es ist daher nützlich, Kasusbeziehungen als rein syntaktisch-strukturelle Relationen anzusehen, denen in der Satzorganisation eine distinktive Funktion zukommt.
349 Es ist der Vorzug der GB-Theorie, die Kasusrelationen einheitlich als formal-strukturelle Rektionsbeziehungen zwischen lexikalischen Kategorien und den von ihnen abhängigen Satzgliedern rekonstruiert zu haben. Die abstrakten Kasus können als kategoriale Merkmale der Kasusregenten verstanden werden, für die eine regierte NP indiziert ist: [pNP x , X]; die Kasusmorpheme sind dann deren Realisierungen am Kopf der kasusregierten Phrase (s. Emonds 1985). 1 Das gibt eine strukturelle Grundlage für die Beschränktheit der Kasusrelationen und ihrer morphologischen Repräsentanten in Sprachen und für deren Vergleichbarkeit über Sprachen hinweg. Im Zentrum der Kasustheorie stehen die grammatischen Kasus (s. Kurylowicz 1964), die die Beziehungen zwischen lexikalischen Regenten und ihren thematischen Komplementen syntaktisch kennzeichnen. Die Adverbialkasus, i.e. die semantischen oder lokalen Kasus, fallen nicht unter den Begriff der Kasusrektion (s. Kap.II § 3.2.6). Die Theorie des abstrakten Kasus betrifft in erster Linie die syntaktische Realisierung lexikalischer Argumente. Für diese ergibt sich als primäre deskriptive Aufgabenstellung, die Markierung unterschiedlicher Argumentrelationen beim selben Kasusregenten zu analysieren. Hierin geht der hier vertretene Ansatz über das Chomsky-Modell hinaus, das die Kasus in Begriffen von Kasusregenten (in Sprachen wie Englisch und Französisch) unterscheidet: (3)
a. b. c. d.
Nominativ Objektiv Oblique Genitiv
als als als als
AGR-regierter Kasus: V-regierter Kasus: P-regierter Kasus: spezifizierender Kasus in NP:
[ 1P NP AGR , AGR] [ ν · Ν Ρ ν , V] [ p N P p , P] [ NP NP8 en , X']
Die drei Kasus in (3b-d) stellen jeweils nur den typischen Kasus kategorienspezifischer Subsysteme dar, so daß wir von einem V-, N-, P- und A-Kasussystem sprechen können: (4) Jeder Kasusregent hat einen typischen m-Kasus zum Ausdruck der direkten Kasusrelation. Andere Kasusrelationen des Regenten werden durch andere m-Kasus distinkt repräsentiert. Gemäß der kategorienspezifischen Differenzierung ergibt sich eine erste Erklärung für die Funktionsvielfalt morphologischer Kasus. Eine tentative Skizze der V- und N-Kasussysteme könnte für die vier m-Kasus des Deutschen wie folgt aussehen: (5)
a.
V-Kasus dir. K.: obl. K.: Spec-K.: ext. K.:
Akk Dat Gen Akk Gen Nom
... ... ... ... ... ...
den Jungen küssen dem Jungen einen Kuß geben den Jungen eines Kusses berauben den Jungen eine Woche unterrichten des Nachts nicht schlafen daß der Junge singt
Die kasuellen Postpositionen des Japan, sind als Phrasenmarkierungen anzusehen. Es muß offen bleiben, ob diese attraktive Hypothese von Emonds (1985), die für dependentmarking languages plausibel ist, auch auf head-marking languages (Nichols 1986) anwendbar ist: Die kategorialen Rektionsmerkmale am Regenten würden nur anzeigen, daß und in welche Kasusrelationen ein lexikalischer Kern steht; die unmarkierten nominalen Satelliten (Van Valin 1984) wären auf andere Weise den verbalen Rektionsmerkmalen interpretativ zuzuordnen.
350 b.
N-Kasus dir. Κ.: obl. K.: Spec-K.: ext. K.:
Gen
... die Zerstörung der Stadt
Gen Dat
... Hansens Erfindung / die Erfindung Hansens ... dem Mann sein neues Auto
Die Probleme der variierenden Zuordnung von Kasusformen zu -funktionen hintangestellt 2 , bleibt zweierlei festzuhalten: Derselbe m-Kasus repräsentiert unterschiedliche a-Kasus bei unterschiedlichen Kasusregenten, und den Kernbereich jeder Kasustheorie stellt das Subsystem der adverbalen Kasus dar. Unter dieser Voraussetzung sind es die Kasusmuster von Doppel-Objekt-Strukturen, die in besonderem Maße Auskunft über die Struktur des Kasussystems geben. Die Untersuchungen zu den Kasusmustern des Deutschen haben eine Reihe von Modifikationen der ursprünglichen GB-Kasustheorie annehmen lassen. Das betrifft neben den zu unterscheidenden Kasusrelationen insbesondere die Annahmen, daß strukturell determinierte Kasus in adjazenter Position zum Kasusregenten zugewiesen werden und daß jeder Kasusregent nur genau einen Kasus regieren kann. Die Adjazenzbedingung erscheint im Lichte der Kasusverteilung im Deutschen empirisch nicht vertretbar, während die Singularitätsbedingung als Effekt der Distinktivität der Kasusbeziehungen beim selben Kasusregenten ausfallt. Die Bedingungen der syntaktischen Realisierung lexikalischer Argumente beim Verb können wie folgt zusammengefaßt werden: (6)
Die lexikalischen Argumente eines Verbs müssen in der Syntax in distinkten Rektionsbeziehungen zum Verb repräsentiert sein.
(7)
NPn als kanonische Repräsentanten von Argumenten müssen durch Kasus (i) für den Kasusfilter legitimiert und (ii) für die Regeln der LF sichtbar gemacht sein.
(8)
Die Kasusrealisierung unterliegt den strukturellen Bedingungen (i) der Kopf-Rektion: [ χ ,ΝΡ, X0]; und (ii) der Links-Peripherie: [ χ .ΝΡ ... X°] oder [ x ,X° NP ...]
(9)
a. b.
Kasus können strukturell oder lexikalisch regiert sein, Strukturelle Kasus können indirekt regiert sein.
Die Adjektiv- und Präpositionssysteme könnten etwa wie folgt aussehen: Α-Kasus P-Kasus (lok.Präp.) dir. K.: Akk die Belastung gewöhnt Dat widern Tisch obl. K.: Dat dem Mann etwas schuldig Akk auf den Tisch Gen aller Mühen überdrüssig Gen jenseits des Tisches Spec-K.: Akk dreißig Meter lang Akk drei Meter hinter dem Tisch ext. K.: Nom der Mann ist ihr treu Nom der Redner ist auf der Bühne Es ist unklar, ob die A- und P-Systeme tatsächlich in der angegebenen Weise parallel zu dem VSystem modelliert werden können. Insbesondere können Präpositionen überhaupt nicht, und Adjektive nur in wenigen Fällen zwei kookkurrierende Kasus regieren, so daß die Parallelität zur direkten und obliquen Kasusmarkierung im V-Kasussystem irreführend sein mag. Aus diesem Grund ist auch unklar, welcher von verschiedenen Komplementkasus bei A- und P-Kategorien als der typische Kasus anzusehen ist.
351
2.1 Distinkte und links-periphere Kasusrealisierung Es ist ein übereinzelsprachlich signifikantes Faktum, daß lexikalische Elemente maximal drei Argumente zu sich nehmen können. Da diese Beschränkung unabhängig von den morphosyntaktischen Ausdrucksmitteln der jeweiligen Sprache ist, muß sie eine unabhängige lexikalische Motivation haben. Diese ist in Begriffen von Projektionsindizes über lexikalischen Argumentstrukturen beschrieben worden: Verben müssen ihr semantically dosest argument auszeichnen und können Argumente morphologisch!kategorial markieren. Das ergibt unter der lexikalischen Distinktheitsbedingung automatisch, daß neben dem direkten Argument (A s ) maximal ein markiertes Argument (A L ) und ein unmarkiertes Argument (A) unterscheidbar sind (s. Kap.III § 2.3). Entsprechend kann ein Verb gemäß der syntaktischen Distinktheitsbedingung (6) maximal drei Argumente in distinkten Rektionsbeziehungen realisieren: als direktes, obliques Argument und externes Argument: (10) Lexik Syntax a. [ A s 1 [ V .NP, V° ] = 'direktes Objekt' b. [ A L ] => [ V .NP, V'] = 'indirektes Objekt' => [ v ° NP, V° ] = 'inhärentes' / 'obliques Objekt' => [γ0 PP, V° ] = 'Präpositionalobjekt' c. [ A 1 => [ IP NP, 1° 1 = 'Subjekt' In dieser Korrelation für die Normaltypen 3-wertiger Verben (im Dt.) kommt der wesentliche Gedanke des Projektionsprinzips zum Ausdruck: daß syntaktische Strukturen informationsbewahrende Repräsentationen lexikalischer Strukturen im X-Bar-Schema sind. Der unabhängige Status der syntaktischen gegenüber der lexikalischen Distinktheitsbedingung ergibt sich daraus, daß letztere unmittelbar keine Angaben darüber enthält, wie, in welchen Positionen und in welchen Kombinationen die lexikalischen Argumente syntaktisch zu realisieren sind. Das ist Aufgabe der Theorie der Kasusrektion. Der prototypische Fall der Kasusrektion ist die direkte strukturelle Kasusrealisierung eines Arguments: Das NP-Objekt erscheint unter Kopf-Rektion als Schwester des Kasusregenten und gemäß der Bedingung der Links-Peripherie am linken Rand der V'-Domäne. Die strukturellen Bedingungen (8) können nicht von zwei NPn in derselben minimalen Domäne zugleich erfüllt sein: *[ V .NP V NP V V° ]. Im unmarkierten Fall verlangt jede kasusmarkierte NP in der Rektion des Verbs eine eigene Domäne der V-Projektion, in der sie singulär und minimal regiert ist: Die single-Case condition (Jaeggli 1982, Chomsky 1981a) folgt aus der allgemeineren Distinktheitsbedingung, die nicht nur für die Kasusmarkierung von Argumenten, sondern generell für die syntaktische Realisierung von Argumenten gilt. Für die Kasusrealisierung zweiter Objekte durch V im Deutschen waren die beiden als indirektes bzw. inhärentes Objekt bezeichneten Möglichkeiten in (10b) identifiziert worden. Die strukturelle Kasusmarkierung eines zweiten Objekts gemäß (9b) erlaubt, die Bedingung der Kopf-Rektion minimal zu extendieren, s. (IIa); der lexikalisch spezifizierte Kasus eines Arguments unterliegt als inhärente Eigenschaft des Verbs der Realisierung unter K-Rektion, so daß die Projektion des direkten Arguments, die ebenfalls der K-Rektion unterliegt, von der X-bar-theoretischen Möglichkeit der rekursiven V-über-V-Projektion Gebrauch macht, s. (IIb):
352 (11)
a. b.
... [γ·ΝΡ ν [ y N P v V ]] : ... [y.NP v [ v NP lex V ]] :
... dem Kind obl einen Lolli obj schenken ... den Mann obj des Diebstahls gen bezichtigen
Doppelte Objekte können mithin auf zweierlei Weise distinkt realisiert sein: indem sie als direkt und indirekt durch V° k-regiert strukturell unterschieden sind: C
= objektiv vs.
= oblique·, oder indem sie bezüglich derselben C^-Relation als strukturell
und
C
lexikalisch
kasusregierte NPs (C^ = obj vs. C? = lex) unterschieden sind. Von den beiden minimalen Extensionen der Kasusrealisierung unter Kopf-Rektion wird im Regelfall nur für zweite Objekte Gebrauch gemacht. Ein inhärent kasusmarkiertes Objekt, das zugleich das direkte Argument repräsentiert, wird in der kanonischen DO-Position (10a) realisiert. Die indirekte strukturelle Kasusmarkierung kommt grundsätzlich nur für ein Zweitobjekt vor. Dieses gewährleistet ein unabhängig motiviertes Prinzip, das die Rektionsvererbung prinzipiell beschränkt (s. Kap.III: (167)): (12) Nur ein echter Kasusregent kann seine Rektion vererben. Ein echter Kasusregent ist ein X°, das unmittelbar lexikalisch belegt ist. Das bedeutet, daß es maximal einen abgeleiteten
Kasusregenten geben kann. Es ist unmög-
lich, über die Strukturen (14a,b) hinausgehend zusätzliche Kasusdomänen für die Realisierung von NP-Argumenten zu legitimieren: Die lexikalische Drei-Argumente-Beschränkung hat eine kasussyntaktische Entsprechung. 3 Es ist offen, ob es wünschenswert ist, die lexikalisch-syntaktische Redundanz der Drei-Argumente-Beschränkung zu eliminieren. Das Prinzip der links-peripheren
Kasusrealisierung
ersetzt die frühere
Adjazenz-Redin-
gung der Kasuszuweisung. Der Adjazenzeffekt im Englischen und die Distanzstellung im Deutschen ergeben sich vollständig aufgrund der Interaktion von Links-Peripherie Kopf-Parameter.
und
In der V-Erst-Sprache Englisch tritt die kasusmarkierte NP in der ersten
Stelle nach V° auf; s. (13a). In der V-End-Sprache Deutsch erscheinen kasusmarkierte NP und V an der linken bzw. rechten Grenze der V'-Domäne; s. (13b): (13)
a.
b.
... [ V ' P u t the b o o k o b : o n the table ]
*... [yput [on the table] the hook ubj ] ... [ v .das Buch ob j [auf den Tisch] leg- ] *... [ y auf den Tisch das Buchobj leg- ] m ... auf den Tisch [ v .das Buchobj (...) leg- ]
Das Prinzip der Links-Peripherie extendiert für die Realisierung zweiter Objekte (s. § 3.1). Als Generalisierung über die V-DO-Stellung im Deutschen und Englischen ist die Bedingung offen für Parametrisierung in V-Erst-Sprachen, in denen lexikalisches Material zwischen V und DO auftreten kann. 4 3
Die Grundlage für diese Restriktion ist in der allgemeinen theoretisch- und psycholinguistisch motivierten Annahme zu sehen, daß Regeln der Grammatiken nicht 'zählen' können (s. z.B. Berwick/Weinberg 1984:158, 276n.l3): Eine Regel kann eine Bedingung erfüllen oder nicht; sie kann aber nicht numerisch spezifiziert werden, wie oft sie die Bedingung erfüllen darf oder muß. In diesem Sinne ist es plausibel, den Kasusrektionstransfer als Eigenschaft von X°Kategorien zu beschränken, die lexikalisches Material unmittelbar dominieren. Syntaktisch komplexe X°- und phrasale Kategorien haben diese Eigenschaft nicht.
4
Die Tatsache, daß im Franz. und Ital. einfache Adverbien -aber nicht referentielle Argumentezwischen Verb und direktem Objekt auftreten, stellt für das Prinzip der Links-Peripherie kein
353 2.2 Objektkombinationen und Subjektprojektion Doppelte Objekte werden im Deutschen hauptsächlich in den Kasusstrukturen (14) realisiert: (14) a. ... [ v .NP o b l ... [ v .NP o b j ... V» ]] b. ... [ v . N P o b j . . . [v°NP l e x V°]] c. ... [ y N P o b j . . . NP o b l ... V ] In Begriffen des Kasussystems des Deutschen stellen nur (14a,b) unmarkierte Strukturmöglichkeiten dar. Unter den Bedingungen der strukturellen Kasusmarkierung ist (14a) als die Normalstruktur, mit dem morphologischen Normalmuster D-A-V und der morphologisch markierten Variante A-A-V. Da der adverbale inhärente Genitiv im Deutschen nicht mehr produktiv ist, ist das A-G-V-Muster für (14b) als 'erstarrte' Kasusstruktur anzusehen. Die Struktur (14b) ist jedoch die unmarkierte syntaktische Realisierung für Verben mit direktem und präpositionalem Objekt (z.B. bitten (um), sich verlassen (auf)) bzw. subkategorisierender Adverbiale (z.B. legen, stellen). Zudem muß die V-inkorporierte Objektstelle als die kanonische Strukturstelle für idiomatische und nicht-referentielle Objekte angesehen werden (z.B. (jdm) den Garaus machen).5 Es ergibt sich, daß das Deutsche hauptsächlich von zwei Strukturen Gebrauch macht: (14a) für IO-DO-Kombinationen; (14b) für DO-PO/PP-Kombinationen. Singulare Objekte treten in der DO-Position [ ν ·ΝΡ ... V°] auf. Obschon für die Kasusmuster des Deutschen drei VP-interne Positionen der Kasusrealisierung identifiziert worden sind, können jeweils nur zwei Α-Positionen syntaktisch distinkt realisiert sein. Das ergibt zumindest für 3-wertige Verben notwendig, daß ein drittes Argument extern realisiert sein muß, d.h. außerhalb der Rektion des Verbs in der strukturellen SU-Position SpecIP. Für 2- und 1-wertige Verben kann die externe Realisierung eines Arguments nicht allein aus der Bedingung der rektionalen Distinktheit abgeleitet werden. Hierfür ist unabhängig der Bezug auf eine SU-O-Bedingung, i.e. daß die SU-Stelle in einer Θ-Kette stehen muß, bzw. die Prädikationsbedingung der LF-Interpretation erforderlich, die unter der strukturerhaltenden Wirkung des PJP die allgemeine Subjekt-Prädikat-Struktur für Sätze im Deutschen und Englischen bedingt. Gemäß diesem Modell einer Kasustheorie weist das Deutsche notwendig eine konfigurationale Syntax auf. Stellungsvarianten, die eine freie Wortfolge und eine 'flache' SatzstrukProblem dar, das nicht auch für die Chomskysche Adjazenz-Bedingung gelten würde: a. (frz.) Jean a [y.aime beaucoup la fille Cv ] 'Hans hat das Mädchen sehr geliebt' b. (it.) Gianni ha [ v .amato molto la ragazzaCv] Unter neueren V-Bewegungsanalysen (s. Pollock 1989, Belletti 1990, Chomsky 1989, 1992) behält Links-Peripherie auch für die romanischen Sprache volle Gültigkeit. Eine Parametrisierung von V-Bewegung ist auf jeden Fall einfacher und explanatorisch angemessener als die sprachspezifischen V-DO-Linearisierungen durch eine Adjazenz-Bedingung für Englisch, deren Parametrisierung für die beiden romanischen Sprachen und durch eine gänzlich andere Strukturbedingung für Deutsch zu erfassen. 5
Unter die Struktur (14b) können die Vergleichs- bzw. Gleichsetzungsverben (z.B. vorziehen, gleichstellen) mit dem Muster N-A-D subsumiert werden (Wegener 1990), für die noch in Czepluch (1988a,b, 1990) eine 'flache' V'-Domäne l v N p 0 b j ··· NPobi ··· V°]angenommen worden ist.
354 tur haben annehmen lassen, sind u.E. nicht mit den Regularitäten der Kasusmuster und der alternierenden Argument- und Nicht-Argument-Distribution verträglich. Sie sind durch andere grammatische Mechanismen (Scrambling etc.) zu beschreiben.
2.3 Die Parameter des englischen Kasussystems Inwieweit eine Sprache die Möglichkeiten des Modells (6)-(9) ausnutzen kann, hängt von Annahmen über die parametrische Variation der Kasusrealisierungsbedingungen ab. Zur Erfassung der deutsch-englischen Kontraste der Kasusmarkierung und der Kasusmuster sind vier Parameter postuliert worden: (15) a. b. c. d.
m-Kasus-Parameter Sprachen weisen ein Inventar von (distinkten) m-Kasus auf. Parameter des inhärenten Kasus In Sprachen mit m-Kasus können Lexeme Kasus lexikalisch zuweisen. Parameter des obliquen Kasus In einer Sprache mit m-Kasus kann ein Regent Kasusrektion vererben. V/P-Parameter Jeder Kasusregent weist einen kategorienspezifischen a-Kasus zu.
Dt. +
Engl
+ + +
Die Bestimmungen (15b-c) präzisieren den Inhalt von (9). Bestimmung (15d) ist für den markierten Fall der P-Strandungsstrukturen im Englischen verantwortlich. Die einzelsprachliche Fixierung der drei Parameter scheint wesentlich das Vorhandensein/Fehlen distinkter Kasusmorpheme, (15a), bestimmt zu sein. Diese Hypothese wäre unter sprachgeschichtlichen und -vergleichenden Gesichtspunkten zu überprüfen. Eine solche weitergehende Untersuchung sollte Hinweise darauf liefern, welche Eigenschaften der Parameter (15b-d) tatsächlich unabhängig zu postulieren sind bzw. welche Parameter aus allgemeineren Prinzipien abgeleitet werden können. Es erscheint plausibel, daß die Interaktion zwischen der Distinktheitsbedingung und dem MK-Parameter zu einer theoretischen Vereinfachung des Kasusmodells ausgedeutet werden kann. Für die deskriptiven Zwecke des deutsch-englischen Sprachvergleichs identifizieren die Parameter in (15) die relevanten Unterschiede. Wie die syntaktischen Strukturen für lexikalische Argumentstrukturen im Deutschen weitgehend aus der gegebenen Kasustheorie folgen, so ergeben sich die reduzierten syntaktischen Muster des Engl, aufgrund der negativ spezifizierten Parameter in (15). Kasustheoretisch sind nur die Strukturen (16a-b) zugelassen: (16) a. ... [ v .V0 NP obj ρ NP o l J b. ... [ V '[v°V 0 NP obj ] NP obj ] Die weitgehende Beschränkung der englischen Satzmuster auf den Strukturtyp (16a) ist eine direkte Konsequenz des Verlustes der inhärenten Kasusmarkierung (15b) und des strukturellen Oblique (15c): Da das Verb nur in eine Kasusbeziehung eintreten kann, muß ein zweites Objekt in der Regel mit eigenem Kasusregenten als PP realisiert sein, um der Distinktheitsbedingung zu genügen. Einen besonderen Status in der englischen Syntax hat die UIO-DO-Konstruktion (16b) (s. Kap.IV § 3). Unter dem reduzierten Kasussystem des Englischen sollte dieser Struktur-
355 typ eigentlich nicht vorkommen. Die Diskussion verschiedener Analysen der Dativ-Alternierung läßt das präpositionslose ΙΟ-Argument am ehesten als V-inkorporierte NP mit dem englischen Kasussystem verträglich erscheinen. Die Strukturanalyse (16b) erscheint sowohl mit der lexikalischen Determiniertheit der sog. Dativ-Verben wie mit deren syntaktischen Besonderheiten verträglich. Die optionalen und obligatorischen UIO-Verben (i.e. der givebzw. der owe-Typ) stellen eine morphologisch und semantisch ausgezeichnete Klasse dar. Die IO-Inkorporationsanalyse erfordert keine Annahmen, die nicht unabhängig für die englische Syntax anzunehmen sind. Unter dieser Analyse war es möglich, eine Erklärung für das unterschiedliche Verhalten der UlO-Phrase hinsichtlich der WH- und NP-Bewegungen zu geben und den dialektalen Variationen Rechnung zu tragen. Die Interaktion der Argumentrealisierungsbedingungen ergibt überraschenderweise, daß das Englische im VP-Bereich viel weniger 'konfigurational' zu sein scheint, als gemeinhin angenommen wird (s. Kap.IV § 3.2.4): Eine 'flache' V'-Domäne ist nicht nur aufgrund der Interaktion von Kopf-Parameter und links-peripherer Argumentrealisierung theoretisch motiviert; die Beobachtung, daß die Abfolge von Argumenten und Adjunkten im Englischen weniger strikt geregelt ist, als es unter der Konfigurationalitätsannahme zu erwarten wäre, gibt dafür unabhängige empirische Unterstützung (s.a. Czepluch 1992, 1994b). Da wir gleichzeitig zeigen konnten, daß das Deutsche eine strikt konfigurationale Sprache ist, erscheint die Assoziation von (relativ) fester Wortstellung mit hierarchischer Strukturiertheit und (relativ) freier Wortstellung mit dem Fehlen von hierarchischer Strukturierung (s. z.B. Haider 1988a) zumindest überprüfungsbedürftig. Davon unberührt bleibt die traditionelle Assoziation zwischen reicher Flexionsmorphologie und freier Wortstellung bzw. Flexionsverlust und fester Wortstellung. Auf dieser Assoziation gründet der MK-Parameter, der im wesentlichen dasselbe ausdrückt wie das Prinzip der morphologischen Indentifizierung von Baker (1985a). Im Rahmen des kasussyntaktischen Modells konnte auch die zweite transformationssyntaktische Besonderheit des Englischen, die Extraktion einer NP aus PP, analysiert werden (s. Kap.IV § 4.4). P-Strandung unterliegt der kasustheoretischen Bedingung, daß Verben und Präpositionen in gleicher Weise regieren und kasusmarkieren, was wiederum den Verlust morphologischer Kasusflexion zur Voraussetzung hat. Darüberhinaus ist in Abweichung von gängigen Analysen gezeigt worden, daß P-Strandungen unter WH- und NP-Bewegung nicht denselben Prozeß darstellen. Da Präpositionen eine Spur nicht für das ECP legitimieren können, muß eine PP entweder transparent für einen externen Regenten oder mittels struktureller Reanalyse der Präposition in ein komplexes V, [ v V-P], auflösbar sein. Beide Varianten sind kasustheoretisch motiviert worden: Die durch einen Wft-Operator gebundene Spur (Variable) in PP muß Kasus haben; die Α-gebundene Spur des Pseudo-Passivs muß ohne Kasus bleiben können, was die syntaktische Inkorporation in das verbale Partizip erfordert. Partizipialstrukturen erlauben, eine Objekt-NP ohne Kasus zu belassen (Kasusabsorption). Die traditionelle Einteilung in Sprachen mit freier und fester Satzgliedstellung ist eine Folge der jeweiligen kasustheoretischen Parametrisierungen; sie hat aber keinen unabhängigen Status. Das gilt zum einen für das relativ freie Deutsche, in dem insb. die inhärent
356 kasusmarkierten NPn hinsichtlich der Scrambling-Eigenschaften weniger frei erscheinen als die strukturell kasusmarkierten NPn. Das gilt aber auch für das Englische, das Stellungsvariationen immer dann zeigt, wenn die Kasusmarkierung keine Rolle spielt (z.B. in PO-POStrukturen und für adverbiale Adjunkte). Generell gilt wohl, daß Scrambling-Prozesse eher in kasusflektierenden als in flexionsarmen Sprachen möglich sind, da die overte Kasuskennzeichnung die zugrunde liegenden Rektionsbeziehungen 'wiederauffindbar' macht.
2.4 Transformationssyntaktische Konsequenzen Eine neue Sicht der Rolle der Kasustheorie für die Move-α-Theorie haben die transformationssyntaktischen Überlegungen begründet. Transformationelle Bewegungen unterliegen zugleich dem Θ-Kriterium und dem Kasusfilter über Ketten von Vindizierten Positionen: Jede Kette muß genau eine Θ-Rolle und genau einen Kasus haben. Herkömmlich ist Passivpartizipien die Eigenschaft aberkannt worden, Kasus zuweisen zu können, so daß der Kasusfilter die Passiv-Bewegung einer kasuslosen NP in die kasusmarkierte SU-Stelle 'erzwingt'. Demgegenüber ist hier vertreten worden, daß NP-Bewegungen primär thematisch als Füllung einer SU-Stelle ohne Θ-Rolle bedingt sind. Gemäß dem PJP gilt, daß alle Bewegungen eine D-strukturelle Θ-Position zu einer Non-0-Position in Beziehung setzen. Dem Kasusfilter kommt nur die Funktion einer Wohlgeformtheitsbedingung für Instanzen von Move α zu. Die Subjekt-Θ-Bedingung (i.e.: [ΝΡ,ΙΡ] muß in einer Θ-Kette stehen) erscheint als die umfassende Hypothese, die sowohl über die verschiedenen Vorkommen der NP-Bewegung in Passiv-, Ergativ- und Anhebungsstrukturen wie deren unterschiedlichen Ausprägungen in verschiedenen Sprachen generalisierungsfahig ist. So ist im Deutschen aufgrund der intransitiven und obliquen Passive eine einheitliche Beschreibung des Passivs in Begriffen der Kasusabsorption nicht möglich. Ebenfalls problematisch erscheint die Annahme, daß Partizipien keinen Kasus zuweisen, für die Passivierung über Doppel-Objekt-Strukturen im Englischen: Das läßt unerklärt, daß ein Objekt nach wie vor durch das Partizip kasusmarkiert ist. Das gilt auch -wenngleich in der Literatur nie als kasustheoretisches Problem angesehenfür Passivpartizipien im Deutschen, die den ΙΟ-Dativ als strukturellen Oblique bewahren.
2.5 Passiv- und Perfektpartizipien Wenn der Kasusverlust am Objekt nicht als Eigenschaft des Partizips verstanden wird, sondern als Folge der thematisch bedingten Α-Bewegung in die nominative SU-Stelle eines finiten Satzes oder in die exzeptionell kasusmarkierte bzw. unregierte SU-Stelle eines Infinitivs, dann sind alle Partizipien grundsätzlich kasuszuweisende Kategorien. Das erlaubt, Passiv- und Perfektpartizipien als dasselbe Element aufzufassen, wofür unabhängig deren Formengleichheit in Sprachen spricht (s. mit Unterschieden im Detail z.B. Haider 1985, Jaeggli 1986, Toman 1986a). Es gibt nur eine Partizip-II-Form mit grundsätzlich denselben Eigenschaften der Θ- und Kasusmarkierung in Passiv- und Perfektstrukturen. Die konstruktioneilen Unterschiede ergeben sich aus unabhängigen Gründen: daß das Perfekt mit have
357 und das Passiv mit be gebildet ist. In beiden Fällen absorbiert das Partizipmorphem die externe Θ-Rolle des zugrundeliegenden Verbs. Die SU-9-Rolle der aktiven Perfektstruktur wird von have zugewiesen und erhält eine Ko-Interpretation mit der absorbierten Θ-Rolle des Partizips. Das ergative be in der passiven Partizipialstruktur weist kein externes Argument auf: Die SU-Stelle bei be muß durch Α-Bewegung eines Objekts gefüllt sein, und das Partizip unterdrückt optional die Kasuszuweisung, um den Kasusfilter für Ketten zu erfüllen. Die Auffassung, daß das Partizip II ein optionaler Kasuszuweiser ist, korrespondiert mit der Eigenschaft von intransitiven Verben, die normalerweise keinen Kasus zuweisen, nichtsubkategorisierende expletive Objekte zu sich nehmen und kasusmarkieren zu können (s. Burzio 1981 und Kap.IV § 4.2.4.2). Die herkömmliche Unterscheidung von Verben in kasuszuweisende und nicht kasusregierende Elemente ist fragwürdig: Alle Verben sind potentielle Kasuszuweiser. Damit fügt sich die Kasustheorie in die seit Chomsky/Lasnik (1977) gültige Annahme ein, daß die Regeln der Syntax optional sind: Die Regeln der Kasusmarkierung operieren optional. Der Kasusfilter und unabhängige Prinzipien bestimmen modular, ob die optionalen Regeln der Kasusmarkierung zur Anwendung kommen oder nicht.
2.6 Nominativ als neutraler Kasus Zu diesem modifizierten Bild einer generativen Kasustheorie paßt die Auffassung des Nominativs als freier Form des Kasussystems. Alle Versuche, in allgemeiner Weise den Nominativ als Kasus unter Rektion zu definieren, scheitern daran, daß es in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Elemente (AGR, TNS oder V INFL ) sind, die als Nominativ-Zuweiser bestimmt werden müßten (s. Kap.V § 1). Auch wenn man diese Variation als zulässige einzelsprachliche Parametrisierung auffassen wollte, zeigen insbesondere Kongruenzbeziehungen, daß der Nominativ immer dann eintritt, wenn eine prädikative NP mit einer kasuslosen Position θ-koindiziert ist, von der sie keinen Kasus qua Kongruenz 'erben' kann (s. Kap.V § 2). Das läßt den Nominativ sowohl als Subjektskasus finiter Sätze wie als prädikativen, topikalischen oder absoluten Kasus einheitlich als Ersatzkasus ansehen, der innerhalb der Satzstruktur eine regierte, aber nicht kasusmarkierte NP-Stelle und an der satzexternen Peripherie eine unregierte NP von der Wirkung des Kasusfilters ausnimmt. Eine ähnliche Funktion scheint im Deutschen der Dativ als possessiver und appositiver Kasus einer Adjunktion in der NP-Domäne zu haben. Die Reanalyse des Nominativs favorisiert von den beiden traditionellen Nominativ-Auffassungen zweifellos diejenige, die den Nominativ als Null-Kasus ansieht, gegenüber der Ansicht, daß der Nominativ der erste und zentrale Kasus im Satzgefüge sei (s. Kap.V § 3.4). Das bedeutet jedoch nicht, daß der Nominativ keinen Kasus darstellte. Auf der Grundlage des Modells von Schmid (1972) für die interne Struktur einer grammatischen Kategorie ist geltend gemacht worden, daß der Nominativ die Kategorienstelle des notwendigen neutralen Elements jeder grammatischen Kategorie einnimmt. Darin zeigt sich eine bedeutsame Konvergenz zwischen syntaktischen Überlegungen zur Markierung und Distribution der Ka-
358 susrelationen und eher traditionell paradigmatischen Modellvorstellungen über die interne Struktur der Kasuskategorie.
3. Offene Fragestellungen Es steht außer Frage, daß nicht alle Aspekte einer syntaktischen Kasustheorie behandelt und nicht alle behandelten Aspekte einer Lösung zugeführt werden konnten. Über die erwähnten offenen Fragen hinaus seien einige Problemfelder genannt, die einer weiterführenden Beschäftigung bedürftig erscheinen.
3.1 Periphere Kopf- und Argumentrealisierung Für die Analyse des Deutschen und Englischen hat sich das Prinzip der links-peripheren Argumentrealisierung als fruchtbar erwiesen. Eine offene Frage ist, ob dieses Prinzip überhaupt parametrisierbar ist. Der Bezug auf den 'linken Rand' einer Strukturdomäne ist ähnlich dem 'V-Erst'-Wert des Kopf-Parameters, so daß es naheliegt, beiden Prinzipien die möglichen Parameterwerte 'links' und 'rechts' zuzuschreiben. Deutsch ist dann eine 'Kopfrechts'/'Kasus-links'-Sprache, Englisch eine 'Kopf-links'/'Kasus-links'-Sprache. Das impliziert, daß es grundsätzlich auch die Sprachtypen 'Kopf-rechts'/'Kasus-rechts' und 'Kopflinks'/'Kasus-rechts' geben sollte. Im Sinne des 'Kopf-rechts'/'Kasus-rechts'-Typs ist vereinzelt das Türkische diskutiert worden, d.h., daß das Objekt unmittelbar vor dem Verb in Endstellung steht. Es ist aber nicht klar, daß das eine angemessene Beschreibung ist, da Nachfragen bei Sprechern des Türk, ergeben haben, daß es möglich ist, zwischen Objekt und V-End adverbiale Elemente zu interpolieren. Der letzte Sprachtyp, 'Kopf-links'/'Kasusrechts', wäre ein Spiegelbild des Deutschen, also eine Sprache, in der zwischen der V-ErstStelle und der DO-Stelle Adjunkte jeglicher Art auftreten könnten. In Unkenntnis einer Sprache, die diese Bedingungen erfüllen würde, ist es uns nicht möglich, die Strukturhypothese zu überprüfen. Wenn dieser Sprachtyp grundsätzlich keine mögliche parametrische Option darstellen sollte, dann steht entweder die Parametrisierung des Prinzips der Links-Peripherie zur Debatte, oder es müßten unabhängige Gründe gegeben werden, weshalb Sprachen von dieser Option keinen Gebrauch machen. Es erscheint aber wenig plausibel, daß in einer V-ErstSprache das direkte und das oblique bzw. indirekte Objekt durch freie Angaben vom Verb getrennt sein können. Wahrscheinlicher ist, daß in V-Erst-Sprachen unabhängig von den speziellen syntaktischen Realisierungseigenschaften die Argumente tendenziell näher beim Verb stehen als Nicht-Argumente. Wenn diese Annahme richtig ist, dann muß eine ObjektNP in der Konfiguration [ v [ v V ...] ... NP ] im Konflikt mit der Peripherie-Bedingung stehen. Mit anderen Worten: Die indirekte Kopf-Rektion eines obliquen Objekts durch V ist mit dem Prinzip der (Links-) Peripherie nur verträglich, wenn V als Funktion des Kopf-Parameters nach links regiert.
359 Das würde bedeuten, daß in V-Erst-Sprachen V seine Rektionseigenschaften nicht an V' transferieren und V' somit nicht als exzeptioneller Kasusregent fungieren kann Die restriktive Interpretation der Peripherie-Prinzips hat spezifische empirische Konsequenzen, die grundsätzlich überprüfbar sind. Als kasustheoretische Konsequenz ergibt sich, daß V-Erst-Sprachen tendenziell keinen strukturellen Oblique CT haben sollten, auch wenn sie den P-Oblique gegenüber dem V-Objektiv unterscheiden. Eine V-Erst-Sprache müßte nicht gesondert für den Verlust des obliquen Kasus (OK-Parameter, s. Kap.IV § 1.2.4) spezifiziert werden. Ferner sollten sich V-End- und V-Erst-Sprachen grundsätzlich in der syntaktischen Verteilung von Argumenten und Nicht-Argumenten relativ zum verbalen Kern unterscheiden: In V-Erst-Sprachen stehen Argumente näher beim Verb als Nicht-Argumente. In V-End-Sprachen sind Adjunkte auf Bereiche zwischen links-peripheren Argumenten verteilt. Auch diese sprachtypologische Hypothese ist empirisch überprüfbar. Für die Syntax der englischen Doppel-NP-Struktur ergibt sich als spezielle Konsequenz, daß die z.B. von Chomsky (1981a: 171) vorgeschlagene Strukturanalyse (17a), in der das direkte Objekt als V'-Schwester realisiert ist, ausgeschlossen wäre. Das läßt die in Kap.IV § 3.3 begründete ΙΟ-Inkorporation (19b) als einzige plausible Analyse erscheinen: (17) a. ... [ VP [ygive the girlobj ] the bookobl] b. ... [ v .[ v give the girlobj ] the bookobj] Doppel-Objekte in der hypothetischen V-Erst-Sprache sollten mithin unbeschadet der zusätzlichen Kasusmarkierungsmöglichkeiten gegenüber dem Englischen von denselben Strukturen wie das Englische Gebrauch machen, wenn auch mit unterschiedlichen Kasusmustern. Eine V-inkorporierte NP steht offenkundig der links-peripheren Kasusmarkierung einer NP durch das komplexe V nicht entgegen.
3.2 Nominative Objekte Einer grammatiktheoretischen Abklärung bedarf die Frage, inwieweit die Annahme der optionalen Kasusmarkierung mit der Funktion des Nominativs als Ersatzkasus kompatibel ist. Die Optionalität der Kasuszuweisung kann selbstverständlich nicht bedeuten, daß die Kasusmarkierung durch einen Regenten (z.B. transitives Verb in aktiver Struktur) immer unterdrückbar und die kasuslose NP immer durch den Nominativ für den Kasusfilter legitimiert wäre. Die Kasuszuweisung als solche kann als optional angesehen werden, da eine kasuslose Α-Kette dem Kasusfilter anheim fallt. Die Verwendung des Nominativs als Ersatzkasus unterliegt Beschränkungen. Wie diese Bedingungen zu formulieren sind, ist eine offene Frage. Dabei handelt es sich wohl um einzelsprachliche Parametrisierungen: Während nominative Objekte im Englischen und Deutschen nicht möglich sind, treten solche Objekte z.B. im Finnischen (s. Taraldsen 1986) oder im Isländischen (s. Levin/Simpson 1981, Zaenen et al. 1985) neben Θ- und kasusmarkierten Subjekten auf, so daß es sich bei diesen nicht um passiv- oder ergativähnliche VP-interne Nominative handeln kann. In der hier vorgeschlagenen Kasustheorie sind derartige Objektsnominative grammatiktheoretisch
360 zugelassen. Unklar ist, welche Bedingungen Nominativobjekte in Sprachen erlauben bzw. ausschließen (vgl. aber Yip et al. 1987, Falk 1991).
3.3 Nicht-nominative Subjekte Im Englischen und Deutschen gilt ohne Ausnahme, daß für Α-Bewegungen in die SU-Stelle die resultierende Α-Kette ihren Kasus nur in der SU-Stelle erhalten kann, worunter im Deutschen auch die VP-internen Nominative in Passiv- und Ergativstrukturen fallen. Unter den beiden kasustheoretischen Hypothesen, daß die Kasusmarkierung optional ist und daß der Kasusfilter lediglich verlangt, daß eine Kette Kasus hat, ist es eine grammatiktheoretische Option, daß einer Α-Kette Kasus in der Position der transformationeilen Spur zugewiesen ist. Diese Möglichkeit entspricht der Analyse für nicht-nominative Subjekte im Imbabura Quechua und anderen Sprachen in Hermon (1985):6 Solche obliquen Subjekte entstehen durch Bewegung aus einer kasusmarkierten Objektstelle. Das heißt, daß auch der Nominativ der SU-Stelle optional unterdrückt werden kann. Wenngleich diese Analyse ein Problem für Burzios Generalisierung darstellt, wenn der in die SU-Stelle mitgenommene Objektskasus strukturell zugewiesen ist, gibt die Existenz von Sprachen mit obliquen Subjekten (wozu wiederum das Isländische gehört) unabhängige Evidenz, daß für die UG-Theorie der Kasusrektion die Optionalität der Zuweisung von Kasusrektionsmerkmalen eine plausible Hypothese darstellt. Es erscheint nicht nur für ein besseres Verständnis der Kasussyntax, sondern auch grammatiktheoretisch lohnend, der Frage nachzugehen, ob diese einzelsprachlichen Kontraste der Kasusmarkierung und der Kasusabsorption auf allgemeinere Prinzipien zurückgeführt werden können oder ob sie nichthintergehbare einzelsprachliche Festlegungen darstellen.
4. Schlußwort Neben den genannten relativ spezifischen Problemen bleibt nach wie vor eine umfassende Kasustheorie das wesentliche Forschungsdesiderat. Hierzu sind vor allem drei Aspekte zu nennen. Zum einen sind die adnominalen, adjektivischen und präpositionalen Kasus sowie die Adverbialkasus zu dem verbalen Kasussystem in Beziehung zu setzen. Zum anderen bedarf das Verhältnis zwischen kasueller und präpositionaler Kennzeichnung der relevanten Satzgliedbeziehungen einer weitergehenden Klärung. Schließlich wird eine integrierte Kasustheorie sehr viel genauer, als es hier getan worden ist, das Wechselverhältnis zwischen abstrakten Kasusrelationen und den Eigenschaften morphologischer Kasuskennzeichnungen thematisieren müssen. Es ist zu erwarten, daß derartige Erweiterungen zu Revisionen der am Deutschen orientierten Kasustheorie führen werden. So mag es sein, daß insbesondere die Annahmen über 6
S. auch Cole/Jake (1978), Sridhar (1976, 1979).
361 die Rolle der Kasusflexion unter einer eingehenderen morphologischen Untersuchung neu zu bewerten sein werden. Es ist aber festzuhalten, daß neue Einsichten nicht notwendig die Ergebnisse der Arbeit bezüglich der Form und der Funktion einer Theorie des abstrakten Kasus als Teil einer allgemeinen Grammatiktheorie in Frage stellen. Es erscheint hinreichend gut motiviert, daß abstrakte Kasus unabhängig von der Existenz einer Kasusmorphologie in allen natürlichsprachlichen Syntaxen eine wesentliche Rolle spielen und daß sie vor allem der distinktiven Kennzeichnung der lexikalisch-semantischen Relationen zwischen funktionalen Elementen und ihren Argumenten in der syntaktischen Organisation von Propositionen dienen. Die Erklärungskraft dieser Hypothese liefert die Rechtfertigung für die Existenz einer genuin syntaktischen Kasustheorie.
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