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German Pages 304 [305] Year 2019
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 140
Kapitalmarkttransaktionen als Kartellrechtsverstoß? Eine vergleichende Analyse von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht als Steuerungsinstrumente für Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt
Von
Julius Goldmann
Duncker & Humblot · Berlin
JULIUS GOLDMANN
Kapitalmarkttransaktionen als Kartellrechtsverstoß?
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 140
Kapitalmarkttransaktionen als Kartellrechtsverstoß? Eine vergleichende Analyse von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht als Steuerungsinstrumente für Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt
Von
Julius Goldmann
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.
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ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15627-6 (Print) ISBN 978-3-428-55627-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85627-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand von Dezember 2017. Für die Veröffentlichung habe ich die Neuzählung des Wertpapierhandelsgesetzes durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz berücksichtigt. Im Sommer 2019 wird die EU-Prospektverordnung vollständig in Kraft treten und bei den in Kapitel § 4 II. behandelten prospektrechtlichen Aspekten Relevanz entfalten. Derzeit steht jedoch der Erlass der delegierten Rechtsakte zur Ergänzung und Präzisierung der EU-Prospektverordnung noch aus. Daher wurden diese Neuerungen von mir nicht mehr dargestellt. Ich danke meinem Doktorvater Professor Dr. Ackermann für die Betreuung und die lange zurückreichende Förderung. Er hat mich ab dem Jahr 2009 als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl beschäftigt und mich bei vielen Teilen meines akademischen Werdeganges unterstützt. Ferner bedanke ich mich bei Professor Dr. Mathias Habersack für die überaus schnelle Zweitbegutachtung meiner Arbeit. Der Stiftung Kapitalmarktforschung für den Finanzstandort Deutschland schulde ich Dank für die großzügige Bewilligung von Fördermitteln für den Druck. Alleine hätte ich dieses Projekt nie verwirklichen können. Ich bin meiner Freundin Marie-Therese Schmid dankbar dafür, dass sie mir während meiner Zeit als Doktorand unverzichtbaren Rückhalt gegeben hat. Aus meiner Familie danke ich meiner Mutter Juliane Vander Straeten, meinem Onkel Markus Biechele und meiner Tante Alicia Padrós, die mich mit Rat und Tat unterstützt haben. Zuletzt danke ich meinem Londoner Kollegen Alexander Schiff für das Korrekturlesen und meinen Wegbegleitern an der LMU Christoph Braun, Christoph Weber und Max Foerster. Sie haben mir über viele Hürden hinweggeholfen. München, im Dezember 2018
Julius Goldmann
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 § 2 Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts mit divergierendem Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 c) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 d) Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Das Kapitalmarktrecht und seine Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 aa) Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (1) Schutz der allokativen Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (2) Schutz der institutionellen Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (3) Schutz der operationalen Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (4) Informationelle Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. EU-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Effizienz im Sinne von total welfare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Consumer welfare im Gegensatz zu total welfare? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Binnenmarkt und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Eingeschränkte Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Gemeinsamer Nenner: „Effizienz“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Kapitalmarktrecht und effizienzfremde Wertungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Effizienz und Anlegerschutz als Widerspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (1) Anlegerschutz zu Zwecken des Funktionsschutzes . . . . . . . . . . . . 42 (2) Anlegerschutz zu Zwecken des Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . 43 (a) Verbraucherschutz im Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (b) Verbraucherschutz zur Effizienzförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 44
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Inhaltsverzeichnis (c) Anleger als Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Funktionsschutz und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Insiderhandelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (2) Marktmanipulationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Integrationsfunktion bzw. Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) EU-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Verbraucherschutz im Kartellrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Deadweight loss und Steuerungswirkung des Wettbewerbs auf dem Sekundärmarkt für Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Fazit zur Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Fazit zum Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen und behördliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Bereichsausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Keine normierte Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Implizite Bereichsausnahme: Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . 56 3. Generelle Bereichsausnahme zu befürworten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) USA: implied immunity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Kompetenzkonflikte und drohende jury trials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Rolle der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Ausnahmecharakter der implied immunity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Spezialitätsverhältnis zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht? . . . . 59 c) Kein grundsätzlicher Konflikt zwischen Kartellrecht und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Behördliche Aufsicht des Verhaltens auf dem Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Kapitalmarktaufsicht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Kartellrechtsaufsicht auf dem Kapitalmarkt: Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Kartellrechtliche Kompetenzen für die BaFin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Beispiel Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland . . . . 65 b) Ausstattung der BaFin mit kartellrechtlichen Mitteln? . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Argumente gegen eine Tätigkeit der BaFin im Bereich des Kartellrechts 68 aa) Sachgemäße Kartellrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Einheitlichkeit der Kartellrechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Regulatory capture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Inhaltsverzeichnis
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III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 § 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt am Beispiel von market corners/squeezes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Beschreibung des Phänomens market corner/squeeze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Verhaltensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Zwangslage Dritter als Grundvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Market corner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 cc) Short squeeze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 dd) Ökonomische Schädlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Praktische Relevanz am Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Kapitalmarktrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Marktmanipulation: Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Marktbeherrschende Stellung nach Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR . . . . . . 85 (1) Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Beherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (a) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 cc) Festsetzung von Preisen oder anderen unlauteren Handelsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Tatbestandsrestriktion – kein subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 d) „Abusive Squeeze“ nach Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 e) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Straftatbestand § 119 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. EU-kartellrechtliche Bewertung von market corners/squeezes . . . . . . . . . . . . 104 a) Spezialität der kapitalmarktrechtlichen Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Adressatenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
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Inhaltsverzeichnis c) Marktbeherrschende Stellung im Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Grundlagen zur marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Sachliche Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Bedarfsmarktkonzept am Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (a) Einzigartigkeit von Wertpapieren und price-pressure hypothesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (b) Substitution hypothesis, ECMH und Portfolio-Theorie . . . . . . 110 (c) Synthese und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (aa) Besonderheiten von Wertpapiermärkten bestätigen die Substitutionshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (bb) Verschiedene Anlegertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (cc) Behavioural finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) SSNIP Test versagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Individuelle Beschaffungszwänge, im Besonderen market corners/squeezes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Privatautonom getroffene Entscheidung der Anleger . . . . . . . 121 (b) Vergleich mit primären und sekundären Produkten? . . . . . . . . 122 (c) Keine Marktverengung durch fehlerhafte Kapitalmarktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (d) Zeitliche Marktabgrenzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (e) Flüchtigkeit der Nachfragestruktur auf Wertpapiermärkten und Beweisprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) „Marktanteile“ an Wertpapiermärkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Art. 102 AEUV erfasst keine relative Marktmacht oder Partnermacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Missbrauchshandlung Preishöhenmissbrauch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Verwirklichung durch Aufbau und Innehaben der „marktbeherrschenden“ Stellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Verwirklichung durch Ausnutzen der „marktbeherrschenden“ Stellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 e) Zwischenstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 g) Fazit zur EU-kartellrechtlichen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
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4. Deutsches Kartellrecht und corners/squeezes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Marktmachtmissbrauchsverbot, §§ 18, 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Relative Marktmacht, § 20 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Fazit zu marktbeherrschenden Stellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Unterschiedliche Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Unterschiedliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Unterschiedliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen und -platzierungen 146 1. Überblick über den Verlauf einer Aktienemission und -platzierung . . . . . . . . 147 2. Platzierung: Marktaufteilung, Preisfestsetzung, Anlegerdiskriminierung? . . 149 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Verhaltensabstimmungen mehrerer Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Horizontale Kooperation: Zurechnung von Stimmrechten als acting in concert gem. § 30 Abs. 2 WpÜG und § 34 Abs. 2 WpHG 151 (a) Normen zum acting in concert tatbestandlich nicht relevant
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(b) Acting in concert funktional nicht mit dem Kartellrecht vergleichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Kollusives Zusammenwirken bzw. Umgehung der Marktkräfte 154 (a) Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (aa) Anwendbarkeit des Tatbestandes auf die Emissionsphase 154 (bb) Zusammenwirken als Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . 157 (b) Absprachen zur Zuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (3) Kooperation der Emissionsbanken auf dem Primärmarkt und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Anlegerauswahl und Grenzen der Zuteilungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Bezugsrechte und kapitalmarktrechtsfremde Zuteilungsansprüche 163 (2) Einschlägige Tatbestände im Kapitalmarktrecht? . . . . . . . . . . . . . 164 (a) Beschränkung des Emittenten aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (Gleichbehandlungsgebot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (b) Beschränkung des Emittenten aus § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG
164
(c) Beschränkung der Konsortialbanken durch §§ 63 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (d) Prospekthaftung und sonstige Arten der Vertrauenshaftung . . 169 (3) Ergebnis zur Anlegerauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Kapitalmarktrechtliche Grenzen der Preissetzungsfreiheit auf dem Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Überhöhte Preise durch Informationsasymmetrien: Prospektpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Marktmanipulationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
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Inhaltsverzeichnis (4) Fazit zu den Grenzen der Preissetzungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 177 dd) Fazit zum Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) EU-Kartellrecht und Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Zusammenschlusskontrolle und Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Gründung des Konsortiums als Gemeinschaftsunternehmen? . . . . 179 (2) Übernahme der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (3) Fazit zur Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Art. 102 AEUV und Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (1) Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Marktbeherrschende Stellung der Konsortialbanken . . . . . . . . . . . 182 (a) Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (aa) Emittenten als Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (bb) Primärmarktanleger als Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (b) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (aa) Keine Beherrschung des Marktes für Aktienemissionsbegleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (bb) Keine Beherrschung des Primärmarktes . . . . . . . . . . . . . 190 (3) Missbrauchshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (a) Diskriminierende Anlegerauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (b) Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (4) Fazit zu Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Art. 101 AEUV und Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) Unternehmen oder Unternehmensvereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (2) Koordinierungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (3) Bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . 203 (a) Arbeitsgemeinschaftsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (b) Anlegerauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (c) Kopplungsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (d) Beziehung Emittent-Konsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (e) Transaktionsübergreifende Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (f) Fazit zur Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (4) Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (5) Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels
213
(6) Fazit zu Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Deutsches Kartellrecht und Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Zusammenschlusskontrolle, §§ 35 ff. GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Marktmachtmissbrauchsverbot, §§ 18, 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 cc) Kartellverbot, § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Inhaltsverzeichnis
13
3. Kursstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Übliche Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Kapitalmarktrechtlicher Rahmen der Kursstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Angaben im Wertpapierprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Stabilisierungskäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (a) Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR: einschlägige Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . 222 (b) Safe harbour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (bb) Stabilisierungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (cc) Bekanntgabe- und Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (dd) Ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . 230 (2) Lock-up-Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Insiderhandelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 dd) Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 ee) Sonstige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 ff) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 d) EU-kartellrechtliche Bewertung der Kursstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Stabilisierungskäufe und EU-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (1) Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (2) Verhaltenskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (3) Keine Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Lock-up-Vereinbarungen und EU-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 e) Deutsches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 f) Fazit zur Kursstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Ergebnis zu Verhaltensweisen bei Wertpapieremissionen . . . . . . . . . . . . . . . 243 III. Kartellrecht und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Fusionskontrolle und warehousing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Fazit zu § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Kartellrecht auf Wertpapiermärkten nicht sinnvoll anwendbar . . . . . . . . . . . . 250 2. Primärmarkt und Sekundärmarkt haben eigenständige Probleme . . . . . . . . . 251 3. Unterschiedliche Funktionsweisen, unterschiedliche Adressaten . . . . . . . . . . 252
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Inhaltsverzeichnis
§ 5 Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Manipulationsverbot und private Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Ergänzungsbedarf des Kapitalmarktrechts hinsichtlich sonstiger Sanktionsmechanismen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Alternativen zur Feststellung von Marktmacht auf der Grundlage einer Marktabgrenzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Lerner-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Preiselastizität der Residualnachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Auswirkungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Sollte Art. 102 AEUV auch bilaterale Macht adressieren? . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Art. 102 AEUV und der Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . 265 a) Mögliches Vorbild: Sec. 2 Sherman Act? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Kapitalmarkt und „Monopolisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Schutz des Preisbildungsmechanismus/Schutz des Wettbewerbs . . . . . . . . 266 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Bedeutung der staatlichen (hier: kartellrechtlichen) Intervention in das Marktgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Grundsätzlich Zurückhaltung nötig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Generelle Zweifel an der Eignung des EU-Kartellrechts zur Preiskontrolle 268 c) EU-Kartellrecht und kapitalmarktrechtliche Wunschvorstellungen . . . . . . 270 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 § 6 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Abkürzungsverzeichnis A. a. A. a. a. O. ABl. Abs. AcP a. E. AEUV a. F. AG AktG Alt. Am. Econ. Rev. Am. L. & Econ. Rev. Anm. AnSVG Antitrust Bull. Antitrust Law J. Art. B. BaFin BB Bd. Begr. Bell J. Econ. Manage. Sci. BGBl. BGH BGHZ BKartA BKR BMF BörsG BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfGE bzgl. bzw. CAPM CCZ CMA
Auflage anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft/Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alternative American Economic Review American Law and Economics Review Anmerkung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Antitrust Bulletin Antitrust Law Journal Artikel Beschluss Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebs-Berater Band Begründung Bell Journal of Economics and Management Science Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskartellamt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Finanzen Börsengesetz Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Capital Asset Pricing Model Corporate Compliance Zeitschrift Competition and Markets Authority
16 C.M.L.J C. M. L. Rev. Colum. Bus. L. Rev. Cornell L. Rev. CPI CRIM-MAD DB ders. d. h. dies. DStR EAGCP EBA ECFR EGV EIOPA EL E.L.R. ErwGr. ESA ESFS ESMA ESRB etc. EU EuGH EuZA EuZW EWG f./ff. FCA FiMaNoG FinDAG FKVO Fn. FS FSA gem. GG ggf. GRCh GRUR GS GWB GWR Harv. Bus. Rev. Harv. L. Rev.
Abkürzungsverzeichnis Capital Markets Law Journal Common Market Law Review Columbia Business Law Review Cornell Law Review Competition Policy International RL 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie 2014) Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe(n) Deutsches Steuerrecht Economic Advisory Group for Competition Policy European Banking Authority European Company and Financial Review Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Insurance and Occupational Pensions Authority Ergänzungslieferung European Law Review Erwägungsgrund European Supervisory Authorities European System of Financial Supervision European Securities and Markets Authority European System Risk Board et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende/r (Singular)/folgende (Plural) Financial Conduct Authority Finanzmarktnovellierungsgesetz Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Fusionskontrollverordnung, VO (EG) Nr. 139/2004 Fußnote Festschrift Financial Services Authority gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Harvard Business Review Harvard Law Review
Abkürzungsverzeichnis Harv. L. Rev. Forum Hg. HGB Hofstra L. Rev. Hs. i. d. R. i. E. i. e. S. IIC Ind. L. J. insbes. IPO i. S. d. i. V. m. i. w. S. J. Bus. J. Corp. L. J. Financ. Econ. J. Finance JECLAP JFQA JIBFL J. L. & Econ. J. Polit. Econ. KAGB KOM krit. KuMaKV Law Soc. Inq. Lfg. LG lit. m. MaKonV MAR Mich. L. Rev. MiFID I MiFID II MMRL 2003 MTF m. w. N. n. F. NJW NVwZ Nw. U. L. Rev. NZG
17
Harvard Law Review Forum Herausgeber Handelsgesetzbuch Hofstra Law Review Halbsatz in der Regel im Ergebnis im engeren Sinne International Review of Intellectual Property and Competition Law Indiana Law Journal insbesondere Initial Public Offering im Sinne des in Verbindung mit im weiteren Sinne Journal of Business Journal of Corporation Law Journal of Financial Economics The Journal of Finance Journal of European Competition Law & Practice Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of International Banking Law and Regulation Journal of Law and Economics Journal of Political Economy Kapitalanlagegesetzbuch Kommission kritisch VO zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation Law & Social Inquiry Lieferung Landgericht litera mit Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung Marktmissbrauchsverordnung Michigan Law Review Markets in Financial Instruments Directive I, RL 2004/39/EG Markets in Financial Instruments Directive II, RL 2014/65/EU Marktmissbrauchsrichtlinie 2003, RL 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) Multilateral Trading Facility mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
18 NZKart NZS o. o. g. OLG OTC OTF OWiG Oxf. J. Legal Stud. Oxf. Rev. Econ. Pol. Pkw ProdhaftG Q. J. Econ. RegE Rev. Econ. Stud. Rev. Financ. Stud. R.F. RL Rn. RS-VO
Abkürzungsverzeichnis
Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht oben oben genannt Oberlandesgericht Over the Counter Organised Trading Facility Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Oxford Journal of Legal Studies Oxford Review of Economic Policy Personenkraftwagen Produkthaftungsgesetz Quarterly Journal of Economics Regierungsentwurf Review of Economic Studies Review of Financial Studies Review of Finance Richtlinie Randnummer Delegierte VO (EU) Nr. 2016/1052 der Kommission zur Ergänzung der MAR S. Satz/Seite s. siehe SEC United States Securities and Exchange Commission sog. sogenannte/r StGB Strafgesetzbuch StVG Straßenverkehrsgesetz Theor. Inq. L Theoretical Inquiries in Law u. unten u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UCLA Law Rev. UCLA Law Review U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review Urt. Urteil U.S. United States usw. und so weiter v. vom/von v. a. vor allem VerkProspG Verkaufsprospektgesetz VermAnlG Vermögensanlagegesetz vgl. vergleiche VO Verordnung vs. versus Wash. & Lee L. Rev. Washington and Lee Law Review WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa WM Wertpapier-Mitteilungen WpHG Wertpapierhandelsgesetz WpPG Wertpapierprospektgesetz
Abkürzungsverzeichnis WpÜG WuW Yale L. J. z. B. ZBB ZEuP ZGR ZHR zust. ZWeR
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wirtschaft und Wettbewerb Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zustimmend Zeitschrift für Wettbewerbsrecht
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§ 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung Kapitalmarktrecht und Kartellrecht sind Teilgebiete des Wirtschaftsrechts. Beide Rechtsgebiete steuern Verhaltensweisen im Wirtschaftsverkehr und streben eine Vermeidung von Marktversagen an.1 Das Kartellrecht hat eine branchenunabhängige, allgemeine Geltung für unternehmerische Verhaltensweisen, weswegen Schnittbereiche mit dem sachlich fokussierteren Kapitalmarktrecht auf der Hand zu liegen scheinen. Dennoch hat es dazu bisher wenige Untersuchungen gegeben. Dies gilt besonders für das Zusammenspiel von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht im Zusammenhang mit Transaktionen auf dem Kapitalmarkt selbst, also etwa dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder entsprechenden Derivaten. Hier setzt diese Arbeit an, um einen Beitrag zur Erschließung des Zusammenspiels von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht zu leisten. Der Kapitalmarkt ist von intensivem Wettbewerb geprägt. Die Effizienz von Wertpapiermärkten wurde in der Literatur gar als nahezu vollkommener Wettbewerb bezeichnet,2 wenngleich Unvollkommenheiten hinreichend bewiesen sind3 und sich diese in der Finanzkrise ab 2007 eindrücklich manifestiert haben.4 Wohl auch aufgrund von Mängeln des Kapitalmarktes hat es in der Vergangenheit vereinzelte Versuche gegeben, Handelsvorgänge nicht nur kapitalmarktrechtlich, sondern auch kartellrechtlich zu erfassen. In einem jüngeren Fall strebten etwa enttäuschte Kapitalanleger eine Anwendung des Kartellrechts in einem Fall von behaupteter Marktmanipulation an,5 offensichtlich weil sie sich hiervon – anders als vom Ka1
Vgl. Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2050. s. etwa Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 610: „the worldwide equity markets are among the most competitive that exist“; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 936: „securities markets are close to perfectly competitive“. Besonders die Vertreter der chicago school hatten ein optimistisches Bild von der Vollkommenheit des Kapitalmarktes. Zum efficient markets model vgl. nur Fama, 25 J. Finance (1970), 383, 415 f.; vgl. in Bezug auf Fremdkapital Stigler, 75 J. Polit. Econ. (1967), 287, insbes. 290 ff.; zust. Bork, The Antitrust Paradox, 1978, 147 f. 3 So auch Mestmäcker, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hg.), Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt?, 13, 25. 4 Bueren, WM 2013, 585, 595. 5 s. die Entscheidungen zur gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche im Jahr 2008: u. a. LG Stuttgart, Urt. v. 17. 3. 2014 – 28 O 183/13 – juris; bestätigt durch OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14 – juris; Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen durch BGH, B. v. 15. 11. 2016 – KZR 73/15 – juris; vgl. auch LG Braunschweig, B. v. 19. 6. 2013 – 5 O 552/12, NZKart 2013, 380, zur Verweisung an das LG Hannover; ebenso LG Braunschweig, B. v. 4. 3. 2015 – 5 O 2077/11 und 5 O 3086/11, www.jurion.de/de/news/314725/LG-BraunschweigSchadensersatzklagen-gegen-Porsche-an-das-Landgericht-Hannover-verwiesen (abgerufen 2
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§ 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung
pitalmarktrecht – eine zivilrechtliche Kompensationsmöglichkeit versprachen.6 Dies ist jedoch nicht der einzige Aspekt, unter dem eine Analyse der Bedeutung des Kartellrechts für Transaktionen auf dem Kapitalmarkt lohnenswert erscheint. Das Kartellrecht könnte auf dem Kapitalmarkt auch weitergehend als eine zusätzliche staatliche Kontrollmöglichkeit herangezogen werden, um ökonomisch nachteilhafte Verhaltensweisen zu verhindern.7 Neben den erwähnten zivilrechtlichen Rechtsfolgen ermöglicht das Kartellrecht etwa die Verhängung drakonischer Geldstrafen. Insgesamt und speziell in diesem Punkt nähern sich die Sanktionssysteme von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht zwar durch die Marktmissbrauchsverordnung (MAR)8 aneinander an,9 wie es zuvor bereits im De-Larosière-Bericht gefordert wurde.10 Hingegen wird diese Arbeit aufzeigen, dass das Kartellrecht in vielerlei Hinsicht weiterhin über schlagkräftigere Durchsetzungsinstrumente verfügt. Das Kartellrecht als Grundlage für staatliche Interventionen im Kapitalmarktgeschehen wäre möglicherweise dann zu begrüßen, wenn die vom Kartellrecht bekämpften Formen des Marktversagens auch dort zu beobachten wären und das Kapitalmarktrecht keine ausreichende Handhabe dagegen böte. Da Kapitalmarktprodukte über die Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hinweg gehandelt werden, weist das EU-Kartellrecht eine höhere Bedeutung auf als das mitgliedstaatliche Kartellrecht.11 Dementsprechend geht diese Arbeit grundsätzlich vom Blickwinkel des EU-Kartellrechts aus. Bei der materiellen Anwendung der kartellrechtlichen Tatbestände wird jedoch ergänzend auch das deutsche Kartellrecht analysiert.12 Diese Vorgehensweise vermeidet eine künstliche Verengung der Untersuchung und verspricht zugleich praxisrelevante Ergebnisse.
am 27. 12. 2018). Zum Fall Porsche/VW vgl. Möllers, NZG 2014, 361; ders., 10 C.M.L.J. (2015), 410; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1802; Schlimbach, Leerverkäufe, 46; Weber, NJW 2010, 275, 278; Fikentscher, GRUR Int. 2009, 635, 638 Fn. 16. 6 Dazu Möllers, 10 C.M.L.J. (2015), 410, 423 ff.; Möllers, NZG 2014, 361, 365 f.; Fleischer/Bueren ZIP 2013, 1253, 1253 f.; Thomas ZWeR 2014, 119, 120; vgl. auch Ackermann, NZKart 2016, 397, 397. 7 Fleischer/Bueren ZIP 2013, 1253, 1253 f. 8 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 4. 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG, ABl. 2014, L 173, 1. 9 Poelzig, NZG 2016, 492, 497. 10 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, 25. 2. 2009, Rn. 84 und Empfehlung 6, www.esrb.europa.eu/shared/pdf/de_larosiere_ report_de.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); dazu Poelzig, NZG 2016, 492, 492. 11 s. dazu u. § 4 I. 3. e); § 4 II. 2. c) cc) (5); s. auch die nächste Fn. 12 Bei Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts läuft das deutsche Kartellrecht parallel. Im Bereich des Art. 101 AEUV gebieten dies Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VO 1/2003 sowie § 22 Abs. 1, Abs. 2 GWB. Bei einseitigen Verhaltensweisen darf das deutsche Kartellrecht strengere Regeln als Art. 102 AEUV vorsehen, vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003; § 22 Abs. 3 S. 3 GWB.
§ 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung
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Im Kapitalmarktrecht gibt es auf Unionsebene zwar umfassende Vereinheitlichungsbestrebungen. So vereinheitlicht nun die MAR weitgehend das Marktmanipulationsverbot, die Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht und das Insiderhandelsverbot. Jedoch gibt es weiterhin kein abschließendes EU-Rechtsregime für den Kapitalmarkt, und in zentralen Fragen ist noch auf uneinheitliche, wenngleich oftmals wiederum durch europäische Vorgaben beeinflusste nationale Gesetze zurückzugreifen. Speziell das Sanktionsregime der neuen Marktmissbrauchsverordnung bringt keine Vollharmonisierung mit sich, sondern etabliert lediglich Mindestvorgaben.13 Um dem Kartellrecht ein kohärentes Regelungsgebilde gegenüberzustellen, soll daher nicht nur auf die unionsweit einheitlichen Bestandteile des Kapitalmarktrechtes eingegangen werden, sondern auf das in Deutschland geltende Kapitalmarktrecht. Die Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auf den Wertpapierhandel auf dem Sekundärmarkt ist im Rahmen dieser Gegenüberstellung von zentraler Bedeutung. Neben dem Handel auf dem Sekundärmarkt wird die Einführung der Kapitalmarktpapiere auf dem Primärmarkt untersucht, da das Produkt „Wertpapier“ auf Primär- und Sekundärmärkten identisch ist und sich dementsprechend vergleichbare Fragen und Anwendungsprobleme stellen. Im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktgeschehen manifestieren sich zwar immer wieder Verhaltensweisen mit kartellrechtlich relevanten Aspekten,14 aber die wenigsten beziehen sich unmittelbar auf Kapitalmarkttransaktionen. So bleibt hier etwa die Manipulation von Referenzwerten wie dem Euribor und dem Libor außer Betracht.15 Solche Vorgänge mögen zwar kartellrechtlich von besonderer Schwere sein,16 sie betreffen Transaktionen allerdings nur mittelbar, nämlich als Bewertungsgrundlage spezieller Zinsderivate.17 Ebenso hat das Verhalten von Börsenbetreibern potenziell kartellrechtliche Relevanz.18 Jedoch ist auch dieser Themenkreis nicht direkt im Handel auf dem Kapitalmarkt angesiedelt und bleibt daher ebenfalls unberücksichtigt.
13
Näher Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 603. Zur jüngsten EU-Kartellrechtspraxis im Kontext von Finanzdienstleistungen Franchoo/ Baeten/Baker, 7 JECLAP (2016), 483. 15 Vgl. hierzu Fleischer/Bueren, DB 2012, 2561 ff. 16 Monopolkommission, Hauptgutachten XX (2012/13), BT-Drucks. 18/2150, 717: „dürften zu den bislang bedeutendsten Kartellverstößen überhaupt gehören“. 17 Fleischer/Bueren DB 2012, 2561, 2562. 18 Zu dieser Thematik eine Übersicht bei Beck, WM 2000, 597 ff.; s. auch Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hg.), Börsenreform, 361 ff. s. auch die Untersagung der Fusion von Deutsche Börse und NYSE Euronext durch KOM, 1. 2. 2012, Comp/M.6166, C(2012) 440 final (Deutsche Börse/NYSE Euronext); bestätigt durch EuG, Urt. v. 9. 3. 2015, ECLI:EU:T:2015:148 (Deutsche Börse); sowie jüngst die Untersagung der Fusion von Deutsche Börse und der London Stock Exchange, KOM, Pressemitteilung vom 29. 3. 2017, http://eu ropa.eu/rapid/press-release_IP-17-789_de.htm (abgerufen am 27. 12. 2018). 14
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§ 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung
Das Geschehen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt zeichnet sich durch zahlreiche Besonderheiten aus. Wertpapiermärkte sind den Dienstleistungsund Gütermärkten des Realmarktes nur vorgelagert.19 Ohne der Untersuchung vorgreifen zu wollen, kann davon ausgegangen werden, dass das fungible Produkt „Wertpapier“ von den auf Realmärkten gehandelten Produkten abstrahiert ist und dass sich der Nutzen eines Wertpapiers für weite Teile der Anlegerschaft auf die Erzielung von Vermögensvorteilen beschränkt. Eine zentrale Besonderheit sind dabei die Informationsasymmetrien, die im Mittelpunkt des marktordnenden Kapitalmarktrechts stehen. Zu nennen ist ferner die Eigenheit von Wertpapiermärkten, dass konkrete Wertpapiergattungen nur in einer begrenzten Menge verfügbar sind und die Papiere zwischen den Marktteilnehmern zirkulieren. Auf organisierten Märkten findet zudem eine anonymisierte Preisbildung durch Intermediäre statt.20 Die hier angestellte Untersuchung geht von der Hypothese aus, dass die genannten Eigenheiten von Wertpapiermärkten dazu führen, dass das für den Realmarkt konzipierte Kartellrecht nicht gut zu Kapitalmarkttransaktionen passt und in dieser Hinsicht allenfalls unter Schwierigkeiten zur Marktordnung beitragen kann. Die Steuerung von Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt durch Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht wird in dieser Arbeit nicht nur auf Tatbestandsebene, sondern insbesondere auch auf einer abstrakten funktionellen Ebene beleuchtet. Die Untersuchung beginnt daher mit einem Abgleich der Zielsetzungen der beiden Rechtsgebiete (§ 2). Dabei wird offensichtlich, dass Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht nicht funktionsäquivalent sind. Das Kapitalmarktrecht trägt u. a. zur reibungslosen Abwicklung von Handelsaktivitäten bei, indem es Informationsasymmetrien ausgleicht und dadurch Transaktionskosten verringert. Das Kartellrecht verhindert demgegenüber Verhaltensweisen, die den Wettbewerb schädigen. Es werden sich gleichwohl auch Gemeinsamkeiten ausmachen lassen. Im nächsten Kapitel (§ 3) wird die Frage beleuchtet, ob das EU-Kartellrecht grundsätzlich auf Kapitalmarkttransaktionen anwendbar ist. Hier wird dargelegt, dass anders als etwa in den USA keine EU-kartellrechtliche Bereichsausnahme für den Kapitalmarkt existiert und eine solche auch abstrakt nicht geboten erscheint. Neben der materiellen Anwendbarkeit des Rechtsgebietes wird dabei auch die behördliche Rechtsdurchsetzung beleuchtet und die gegenwärtige Kompetenzverteilung zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Bundeskartellamt hinterfragt. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet § 4, in dem der materielle Schnittbereich von EU-Kartellrecht und Kapitalmarktrecht anhand konkreter Fallgruppen untersucht wird. Dabei erhebt diese Arbeit keinen Anspruch auf eine vollständige Darstellung der EU-kartellrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Regelungen und Rechtsinstrumente. Es werden exemplarisch Verhaltensweisen hervorgehoben, denen potenziell in beiden Rechtsgebieten Relevanz zukommt. Dazu werden musterhaft zwei 19 20
Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2053. Vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 45.
§ 1 Einführung in die Thematik und Gang der Untersuchung
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Themenkomplexe beleuchtet, in deren Kontext ausgewählte rechtliche Aspekte dargestellt werden, die für das übergeordnet vergleichende Bild bedeutungsvoll erscheinen. Zunächst wird der Problemkreis von vermachteten Märkten bzw. marktbeherrschenden Stellungen betrachtet, der im EU-Kartellrecht von zentraler Bedeutung ist. Im Kapitalmarktgeschehen gibt es ähnlich gelagerte Problematiken, speziell market corners und abusive squeezes, bei denen ein Marktteilnehmer eine Zwangslage der Marktgegenseite schafft bzw. ausnutzt. Hier fragt sich, ob Raum für eine Anwendung des Verbotes des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen gem. Art. 102 AEUV ist. Dies wird mit der kapitalmarktrechtlichen Behandlung solcher Verhaltensweisen kontrastiert. Danach wird auf die Emission und Platzierung von Wertpapieren eingegangen. Bei solchen Vorgängen wird ein Emittent regelmäßig von einem Konsortium unterstützt, das sich aus mehreren koordiniert vorgehenden Banken zusammensetzt. Zum EU-Kartellrecht fragt sich hier u. a., ob darin eine nach Art. 101 AEUV verbotene Koordinationsform gesehen werden kann. Ferner gibt es in diesem Kontext weitere Verhaltensweisen, denen eine kartellrechtliche Relevanz zukommen könnte. Die unter EU-Kartellrecht interessanten Aspekte werden parallel in ihrer kapitalmarktrechtlichen Dimension untersucht. In § 5 werden Konsequenzen der Untersuchungsergebnisse erörtert. § 6 enthält eine Zusammenfassung in Thesen.
§ 2 Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts mit divergierendem Auftrag Das Zusammenspiel von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht kann nur verstehen, wer die beiden Rechtsgebieten zugrunde liegenden Prinzipien kennt. Auch für eine Anwendung konkreter Rechtsnormen ist das Bewusstsein um die jeweiligen Regelungsziele unumgänglich.21 Daher wird in diesem Kapitel analysiert und abgeglichen, welche Aufgaben Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht im Gefüge des Wirtschaftsrechts übernehmen bzw. welche Zielvorgaben sie haben. Zunächst werden der Kapitalmarkt und das ihn regelnde Kapitalmarktrecht betrachtet (I.). Anschließend werden die Zielvorgaben des EU-Kartellrechts untersucht (II.). In der Folge werden die beiden Rechtsgebiete und ihre Paradigmen verglichen (III.).
I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht 1. Kapitalmarkt a) Begriff Eine trennscharfe Definition des Kapitalmarktes ist nicht möglich.22 Der Kapitalmarkt unterscheidet sich von anderen Märkten jedenfalls durch die gehandelten Produkte, auf ihm werden Angebot und Nachfrage von Kapitalanlagen zusammengeführt.23 Er bildet damit einen Teil des Finanzmarktes, auf dem – in Abgrenzung zu Gütermärkten – nicht mit Sach- oder Realkapital, sondern mit Finanz- oder Geldkapital gehandelt wird.24 Innerhalb des Finanzmarktes wird der Kapitalmarkt wiederum vom Geldmarkt unterschieden. Die traditionelle Abgrenzung ordnet mittel- bis langfristige Anlageformen dem Kapitalmarkt zu, wohingegen der Geldmarkt kurzfristige Kredite umfasst.25 Diese Unterscheidung ist jedoch in zahlreichen Fällen nicht mehr sachgerecht.26 21
So zum Kartellrecht Jones/Sufrin, EU Competition Law, 34. s. nur Park, in: ders. (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, Teil 1: Einleitung Rn. 3. 23 Bröcker, in: Erne (Hg.), Bank- und Börsenrecht, § 6 Rn. 1; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 4. 24 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1794. 25 Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 55 f., 123 (länger als ein Jahr); Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 72 (länger als vier Jahre); Fabozzi/Modigliani/Jones, Founda22
I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht
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Für die Zwecke des Kapitalmarktrechts wird der Kapitalmarkt meist als Rechtsbegriff definiert.27 Nach herkömmlichem Verständnis ist der Kapitalmarkt i. e. S. der Handel mit Wertpapieren gem. § 2 Abs. 1 WpHG.28 Wertpapiere müssen „ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar“ sein, also austauschbar und zirkulationsfähig (fungibel).29 Als Beispiele nennt § 2 Abs. 1 WpHG Aktien, mit diesen vergleichbare Papiere sowie Schuldtitel. Das WpHG legt jedoch mittlerweile eine offenere Kapitalmarktdefinition nahe. Neben dem Handel mit Wertpapieren i.S.v. § 2 Abs. 1 WpHG bezieht das Gesetz auch den übergeordneten Begriff der Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 4 WpHG) mit ein.30 Aus diesem Grund erscheint es bei einer kapitalmarktrechtlichen Definition des Kapitalmarktes kaum noch angebracht, den Markt durch den Begriff des Wertpapiers i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG zu begrenzen.31 Insgesamt umfasst der Rechtsbegriff „Kapitalmarkt“ daher neben dem börslichen und außerbörslichen Handel mit Wertpapieren auch den Handel mit Anteilen an Investmentvermögen i. S. d. KAGB, Geldmarktinstrumenten und Derivaten.32 Ein Anknüpfen an den Wertpapierbegriff des WpHG erscheint auch deshalb nicht mehr als sachgerecht, weil erhebliche Teile des Kapitalmarktrechts auf unionsrechtlicher Ebene geregelt sind und deren Anwendungsbereich nicht durch das WpHG vorgegeben wird. So hat etwa die MAR gem. Art. 2 MAR einen deutlich über den Wertpapierbegriff hinausgehenden Anwendungsbereich.33
tions of Financial Markets and Institutions, 6; Dougall/Gaumnitz, Capital Markets and Institutions, 4. Vgl. dazu auch bereits Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 420. Bailey, The Economics of Financial Markets, 4, ordnet auch money markets als capital market ein. 26 Es gibt auch auf dem Geldmarkt langfristige Investments, etwa sog. floating rate notes, vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 25; vgl. außerdem Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 4; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 72. 27 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 21 f.; Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 12. 28 Vgl. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 2 f. Nach § 4 S. 2 WpHG a. F. kamen der BaFin Überwachungsaufgaben lediglich für den Wertpapiermarkt zu, woraus man diese enge Definition ableitete. Schon die ältere Literatur differenziert zwischen dem Kapitalmarkt i. e. S. als Wertpapiermarkt und dem Kapitalmarkt i. w. S., vgl. etwa Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 420. 29 Vgl. § 2 Abs. 1 WpHG; außerdem Fuchs, in: ders. (Hg.), § 2 WpHG Rn. 8 ff., 17. 30 Dazu zählen gem. § 2 Abs. 4 WpHG auch etwa Anteile an Investmentvermögen i. S. d. KAGB, Geldmarktinstrumente und Derivate. Für den Handel mit sämtlichen dieser Finanzinstrumente ordnet § 6 Abs. 1 S. 2 WpHG schließlich die Aufsichtstätigkeit der BaFin an. 31 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 2 f.; ähnlich Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 22; vgl. auch Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1796; die Gesetzesbegründung zum AnSVG gebraucht die Begriffe Finanzmarkt und Kapitalmarkt als Synonyme, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes, BT-Drucks. 15/3174, 26; s. zu diesem Umstand Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 3. 32 So auch Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 12 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 22. 33 In Art. 2 Abs. 1 lit. a) – d) MAR wird auf das „Finanzinstrument“ Bezug genommen, vgl. zur Auslegung dieses Begriffes Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR sowie u. Fn. 394.
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
Ungeachtet der Begrifflichkeit stehen in dieser Arbeit jedoch Transaktionen auf dem klassischen Wertpapiermarkt im Fokus. Im Folgenden wird daher mit dem Begriff „Kapitalmarkt“ regelmäßig auf den Kapitalmarkt i. e. S. Bezug genommen. Dieser lässt sich systematisieren in einen Primär- und einen Sekundärmarkt. Beim Primärmarkt handelt es sich um den außerbörslichen Absatzmarkt für die erstmalige Platzierung bei der Emission eines Anlageproduktes. Am Sekundärmarkt werden schließlich bereits platzierte Anlageprodukte gehandelt, wichtigster Ort hierfür ist die Börse.34 b) Funktionen Der Kapitalmarkt unterscheidet sich auch in seinen spezifischen Funktionen von sonstigen Märkten. Maßgeblich bewirkt der Kapitalmarkt eine Allokation von Ressourcen.35 Es wird verfügbares Anlagekapital, etwa private Ersparnisse, kapitalsuchenden Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das frische Kapital ermöglicht Investitionen, die andernfalls nicht möglich gewesen wären.36 Zwar könnten Unternehmen alternativ etwa Darlehen bei Banken aufnehmen, aber die hoch entwickelte Volkswirtschaft industrieller Gesellschaften hat einen Kapitalbedarf, der nicht allein durch Banken gestillt werden kann.37 Die vom Kapitalmarkt bewirkte Vermögensallokation erfüllt nebenbei gesellschafts- und wachstumspolitische Zwecke, da private Anleger am Produktionskapital der Unternehmen teilhaben können.38 Der Kapitalmarkt erbringt ferner Transformationsleistungen.39 Anleger können mit Kapitalmarktprodukten Risiken übertragen, zusammenlegen oder durch Diversifizierung verteilen.40 Gäbe es keine solche Diversifizierungsmöglichkeit, würde die Anlage in einer einzigen Unternehmung oft ein nicht hinnehmbares Risiko bedeuten.41 Darüber hinaus erlaubt es der Kapitalmarkt, Risiken etwa mit Derivaten ab-
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Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 23; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 6 f. Insbesondere Börsen dienen diesem Zweck, vgl. Tyrell, Kapitalmärkte und Banken, 20 f.; Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 24 ff. 36 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1836. Darüber hinaus ist für Unternehmen eine Erhöhung des Eigenkapitals gegenüber Fremdkapital erstrebenswert, dadurch wird die wirtschaftliche Standfestigkeit von Unternehmen begünstigt, Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. 37 Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 27. 38 Begr. RegE des Aktiengesetzes 1965, BT-Drucks. IV/171, 92, 93; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. 39 Zum Begriff Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 77 f. 40 Stiglitz hält den Handel mit Aktien sogar primär für ein Forum, in dem Marktteilnehmer Risiken austauschen können. „It is perhaps more a gambling casino than a venue in which funds are being raised to finance new ventures and expand existing activities.“ Stiglitz, The Role of the State in Financial Markets, 19, 21, s. auch 23; vgl. zudem Tyrell, Kapitalmärkte und Banken, 21; sowie Fabozzi/Modigliani/Jones, Foundations of Financial Markets and Institutions, 4. 41 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 78. 35
I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht
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zusichern.42 In der Literatur werden teils noch weitere Kapitalmarktfunktionen identifiziert.43 c) Bedeutung Der Kapitalmarkt prägt die Finanzierungspraxis. Es ist zu beobachten, dass Unternehmen zunehmend Wertpapiere emittieren, statt auf herkömmliche Finanzierungsmethoden zurückzugreifen.44 Darüber hinaus decken auch öffentliche Haushalte ihren Kapitalbedarf am Kapitalmarkt.45 Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes ist daher maßgeblich von der Effizienz des Kapitalmarktes abhängig.46 Der Kapitalmarkt dient zudem nicht lediglich der Realwirtschaft, sondern hat auch eine eigenständige Bedeutung erlangt. In hoch entwickelten Volkswirtschaften gewinnt der Kapitalmarkt zunehmend an Dominanz. Dabei geschieht es, dass sich die Realwirtschaft an den Finanzmärkten orientiert.47 In der Finanzkrise ab 2007 wurde deutlich, dass ein Versagen des Kapitalmarktes dramatische Konsequenzen nach sich zieht.48 d) Herausforderungen Die beiden zentralen Herausforderungen des Kapitalmarktes sind Informationsasymmetrien zu Lasten der Anleger sowie die divergierenden Interessen zwischen Anlegern und Emittenten bzw. Intermediären.49 Der Preis von Wertpapieren definiert sich ausschließlich darüber, dass die Anleger in eine Materialisierung ihrer Erwar42
Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 15. Merton/Bodie, in: Crane u. a. (Hg.), The Global Financial System, 3, 5, sowie 12 ff., schlagen eine Unterscheidung von sechs verschiedenen Kapitalmarktfunktionen vor. Der Kapitalmarkt kann auch effiziente Anreize für Manager setzen. Tyrell, Kapitalmärkte und Banken, 21, zeigt auf, dass dies etwa für externe Disziplinierungsinstrumente wie drohende Übernahmen gilt, aber auch für interne Anreizsysteme. Ein Beispiel für ein internes Anreizsystem wäre etwa eine Bonusregelung für Manager, die an den Aktienkurs des eigenen Unternehmens gekoppelt ist, oder eine unmittelbare Inhaberschaft von Unternehmensanteilen. Vgl. dazu auch etwa Holmström/Tirole, 101 J. Polit. Econ. (1993), 678, die genauer untersuchen, inwiefern der Aktienkurs eines Unternehmens die Leistung seines Managements reflektiert. Zur Frage, ob eine drohende Übernahme positive Anreize setzt vgl. ebenda, 494 ff.; außerdem Paul, 5 Rev. Financ. Stud. (1992), 471, 494 ff. 44 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1782 f.; Fleischer, ZIP 2006, 451, 453. 45 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1828 f. 46 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1827 f. 47 Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 74 f. 48 Jones/Sufrin, Competition Law, 5. A. 2014, 2 f. 49 Caspari, NZG 2005, 98, 98; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 79 f., 400 ff.; näher zur Prinzipal-Agenten-Problematik bei der Unternehmensfinanzierung Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 467 ff. 43
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
tungen vertrauen.50 Anleger können allerdings die Werthaltigkeit von Wertpapieren nicht direkt beurteilen, sodass es ungenügende Anreize für Wertpapieremittenten gibt, qualitativ hochwertige Geldanlagen anzubieten (lemons problem).51 Darüber hinaus kann der Preisbildungsmechanismus auf Kapitalmärkten durch externe Eingriffe manipuliert werden.52 Auf diese Probleme muss das Kapitalmarktrecht eine Antwort finden. 2. Das Kapitalmarktrecht und seine Zielvorgaben a) Definition Die Diskussion um eine taugliche Kapitalmarktdefinition ist in Deutschland im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalmarktrechts als Rechtsgebiet zu sehen.53 Auch dieser Begriff ist wenig greifbar.54 Dementsprechend gibt es verschiedenartige Definitionsversuche.55 Sachgerecht erscheint es, alle Normen einzubeziehen, die die Organisation der Kapitalmärkte, den dort stattfindenden Handel sowie das damit im Zusammenhang stehende Verhalten der Marktteilnehmer regeln.56 Dieser Begriff dürfte mit funktionsbezogenen Eingrenzungsversuchen gleichlaufen, wonach etwa alle Normen Kapitalmarktrecht sind, die „der Bewältigung der mit dem Kapitalmarkt zusammenhängenden Probleme und Fragen dienen“57. Das Kapitalmarktrecht ist damit eine klassische Querschnittsmaterie.58 50
Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 79. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 79 f. Zum lemons problem vgl. Akerlof, 84 Q. J. Econ. (1970), 488. In den USA werden Gebrauchtwagen mangelhafter Qualität als lemons bezeichnet. Akerlof zeigt auf, dass die schlechte Erkennbarkeit solcher lemons zu Preisabschlägen führt, wodurch Verkäufer keinen Anreiz haben, Fahrzeuge guter Qualität zu verkaufen, siehe ebenda, 489 ff. Zu der Einordnung des Aktienmarktes als Markt für „Lemons“ siehe Black, 48 UCLA Law Rev. (2000), 781, 786. 52 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 359. 53 Die Eigenständigkeit des deutschen Kapitalmarktrechts ist überhaupt erst seit wenigen Jahrzehnten anerkannt. Nach Hopt, WM 2009, 1873, 1875, fingen die „Geburtswehen“ im Jahr 1976 an. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 462, sehen das Kapitalmarktrecht gar als erst in den 1990er Jahren anerkannt an. Ein sehr ausführlicher Überblick über die Geschichte des deutschen Kapitalmarktrechts findet sich bei Assmann, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 8 ff. 54 Eine präzise Definition wird als unmöglich bezeichnet, vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2. 55 So auch Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 4; vgl. auch Schneider, AG 2001, 269, 271. 56 Veil, in: ders. (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 23. 57 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 24 f.; auch Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 381, möchte die begriffliche Einordnung von Normen als Kapitalmarktrecht davon abhängig machen, ob sie dessen spezifische Regelungsziele und Prinzipien anstreben. 58 Vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 1. 51
I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht
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b) Zielvorgaben Die Zielvorgaben des Kapitalmarktrechts sind der Funktionsschutz und der Anlegerschutz.59 Überwiegend wird angenommen, dass der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes primäres Ziel ist,60 was mit der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Kapitalmarktes erklärt werden kann. aa) Funktionsschutz Mit Funktionsschutz ist gemeint, dass effiziente Kapitalmärkte gewährleistet werden sollen.61 Verbreitet wird auf drei Teilaspekte der Funktionsfähigkeit verwiesen: allokative (1), institutionelle (2) und operationale (3) Funktionsfähigkeit. Da der Funktionsschutz auf die Effizienz der Kapitalmärkte gerichtet ist, werden die Teilaspekte auch allokative, institutionelle und operationale Effizienz genannt.62 Ein viertes Effizienzkritierium ist die informationelle Effizienz von Kapitalmärkten (4).63 Da die hiermit zusammenhängenden Modellvorstellungen rechtspolitische Implikationen haben,64 sind sie bereits an dieser Stelle zu nennen. (1) Schutz der allokativen Funktionsfähigkeit Effiziente Kapitalmärkte erfordern den Schutz der allokativen Funktionsfähigkeit, also der volkswirtschaftlichen Steuerungsfähigkeit des Kapitalmarkts.65 Dabei handelt es sich um das „Fundamentalziel“.66 Für eine optimale Ressourcenallokation muss das Kapital dorthin fließen, wo es am dringendsten gebraucht wird, die Anlage hinreichend sicher ist und die höchste Rendite erwarten lässt.67 Grundvoraussetzung hierfür ist das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt. Nur auf dieser Grundlage stellen sie ihr Kapital zur Verfügung.68 Für die optimale Lenkung des Kapitals ist es zudem maßgeblich, dass die Anleger bestmöglich über die Anlageprodukte infor59 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1826 f.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 60 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1826 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 19; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), BankrechtsHandbuch, vor § 104 Rn. 72. Nach a. A. sind beide Ziele gleichwertig, s. dazu Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 382. 61 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 73; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 62 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172. 63 Ebenda. 64 Vgl. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 11; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 386: ECMH als regulierungstheoretischer Hintergrund. 65 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 66 Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 106. 67 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 68 Ebenda.
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
miert sind. Diese beiden Ziele werden durch Transparenz- und Publizitätsvorschriften angestrebt.69 (2) Schutz der institutionellen Funktionsfähigkeit Für die institutionelle Funktionsfähigkeit müssen die Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktmechanismus geschützt werden.70 Dazu gehört, dass ein ungehinderter Marktzugang für Kapitalanbieter (Anleger) und -nachfrager (Emittenten) geboten wird.71 Außerdem muss es typisierte Anlageformen wie etwa Aktien geben.72 Des Weiteren muss der Markt liquide, also aufnahmefähig sein. Hier unterscheidet man zwischen der Marktbreite, also der Vielfalt des Angebots, und der Markttiefe, also der Größe von Angebot und Nachfrage.73 In einem illiquiden Markt haben Investoren keinen Anreiz, Anlageprodukte zu erwerben, da eine spätere Veräußerung erschwert wird.74 Zuletzt muss die Stabilität des Marktes gewährleistet sein.75 (3) Schutz der operationalen Funktionsfähigkeit Der Schutz der operationalen Funktionsfähigkeit bezieht sich auf eine Minimierung der am Kapitalmarkt anfallenden Transaktionskosten.76 Transaktionskosten senken die Rendite und mindern damit die Attraktivität des Marktes aus Anlegersicht.77 Je geringer die Transaktionskosten, desto höher die Effizienz des Marktes.78 Kosten entstehen sowohl für Emittenten als auch für Anleger: Einem Emittenten entstehen Kosten zunächst im Zusammenhang mit der Börseneinführung,79 außer69
Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1836; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 70 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. Es lassen sich zahlreiche Institute des WpHG benennen, die die Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes setzen und damit institutionelle Effizienz anstreben, vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1829 ff. Seiler/Geier gehen davon aus, dass wirksame Marktmechanismen wiederum primär durch die Verwirklichung der operationalen und der allokativen Effizienz erzielt werden, vgl. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 76. 71 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 72 Ebenda; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. 73 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. Zur Frage der Bestimmung der Liquidität vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1829. 74 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1829. 75 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. 76 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 75. 77 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3. 78 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 469. 79 Bei der Börseneinführung entstehen zunächst Gebühren für die Zulassung sowie die Erfüllung von Zulassungsfolgepflichten. Mittelbar sind außerdem etwa Kosten für Dienstleistungen durch Banken, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer zu berücksichtigen, vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1835.
I. Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht
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dem hat er Kosten für die Erfüllung seiner Publizitätspflichten und im Zusammenhang mit Dividenden- und Zinszahlungen zu tragen.80 Dem Anleger entstehen Kosten für die Beschaffung von Informationen, auf deren Grundlage er seine Anlageentscheidung trifft. Diese Kosten werden durch Publizitätspflichten möglichst gering gehalten.81 Darüber hinaus entstehen dem Anleger Kosten im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Kapitalmarktprodukten.82 (4) Informationelle Effizienz Kapitalmärkte sind an ihrer Informationseffizienz zu messen, also daran, wie schnell Informationen in Kursbewegungen umgesetzt werden.83 Ein perfekt informationseffizienter Aktienmarkt reagiert sofort auf bekannt werdende kursrelevante Informationen. Der Kurs einer Aktie spiegelt dann zu jeder Zeit alle relevanten Informationen wider. Einem Anleger ist es auf einem solchen Markt nicht möglich, eine Information zu Kursgewinnen auszunutzen.84 Unter Zugrundelegung der sog. halbstrengen Variante der Efficient Capital Market Hypothesis reflektieren Kapitalmarktpreise zumindest alle kursrelevanten, öffentlich bekannten Informationen.85 Ein Anleger kann daher allenfalls unter Ausnutzung von Insiderinformationen den „Markt schlagen“.86 In diesem Kontext gewinnt zudem der Begriff der Allokationseffizienz eine weitere Dimension. Er drückt aus, dass auf effizienten Kapitalmärkten die Preise eines Wertpapiers den zu erwartenden Erträgen entsprechen und somit den Fundamentalwert des Papiers zutreffend abbilden.87 Die Informationseffizienz bestimmt also, wie schnell der Markt auf neue kursrelevante Informationen reagiert. Allokationseffizienz liegt hingegen dann vor, wenn alle Marktteilnehmer aus den neuen Informationen auch die gleichen Schlüsse ziehen und die Aktien rational zutreffend bewerten.88
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Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1835. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 3; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1835. 82 Hier sind die Provisionen und ggf. Spesen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu nennen, außerdem die Courtage der Börsenmakler. Zudem entstehen sog. Fremdkosten in Form von Börsengebühren, vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1836. 83 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 9. 84 Vgl. Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 102; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 353. 85 Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 93 ff.; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 353. 86 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 10. 87 Ebenda; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 17. 88 Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 17 f. 81
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
bb) Anlegerschutz Das Kapitalmarktrecht dient dem Schutz der Anlegerschaft, in der MAR ist diese Zielvorgabe etwa ausdrücklich in Art. 1 verankert. Anleger sind zum einen schutzbedürftig, weil sie dem strukturellen Informationsgefälle zu Intermediären bzw. Emittenten ausgesetzt sind, zum anderen weil zwischen den beiden Marktseiten eine divergierende Interessenlage besteht.89 Anleger werden daher durch Regelungen zur Transparenz und Fairness des Marktes geschützt,90 also vor allem durch Publizitätsvorschriften sowie das Verbot missbräuchlicher Verhaltensweisen.91 Anlegerschutz findet im Verhältnis Anleger – Emittent, aber auch im Verhältnis Anleger – Marktintermediär statt.92 Überindividuell anlegerschützend sind Normen dann, wenn sie das Anlagepublikum als Gruppe schützen, ohne einzelnen Anlegern Ansprüche zuzubilligen.93 Ziel ist es, Vertrauen in die Integrität und Stabilität des Kapitalmarktes zu schaffen, weswegen in Bezug auf diesen Schutzzweck auch von „institutionellem“ Schutz gesprochen wird.94 Ein Gleichlauf mit dem oben dargestellten „Funktionsschutz“ liegt auf der Hand.95 Individuellen Anlegerschutz bieten Normen, wenn einzelne Anleger aus ihnen Informations- oder Schadensersatzansprüche ableiten können, wie dies etwa bei Prospektpflicht und Prospekthaftung der Fall ist.96 Normen, die Anlegerschutz als bloßen Rechtsreflex bieten, lösen jedoch keine Individualansprüche aus.97 Ob eine Norm individuellen Anlegerschutz bietet, ist relevant für ihre Qualität als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.98
II. EU-Kartellrecht Anders als das Kapitalmarktrecht bezieht sich das EU-Kartellrecht nicht auf einen spezifischen Markt, sondern soll grundsätzlich den Wettbewerb auf allen Märkten fördern bzw. schützen. Die Förderungswürdigkeit des Wettbewerbs ist in freiheit89
Caspari, NZG 2005, 98, 98; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 400 ff.; vgl. auch Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 467 ff. 90 Caspari, NZG 2005, 98, 98. 91 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1837 f.; Caspari, NZG 2005, 98, 102; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 77 ff.; zum Schutzzweck des Marktmissbrauchsverbotes s. erneut Art. 1 MAR, zum Begriff vgl. ErwGr. 7 MAR. 92 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 401 f. 93 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1837. 94 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 4. 95 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 19, der den überindividuellen Anlegerschutz als Teil des Funktionsschutzes sieht. 96 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 79 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 19. 97 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1839. 98 Ebenda, 1837, 1839; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 6.
II. EU-Kartellrecht
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lichen Wirtschaftsordnungen unstreitig.99 Welchen weiteren Zwecken das Kartellrecht dient und mit welchen Mitteln der Wettbewerb optimal zu fördern ist, wird allerdings äußerst uneinheitlich bewertet. Zahlreiche wettbewerbstheoretische Ansätze bieten Anhaltspunkte für die Frage nach dem Zweck des Kartellrechts im Allgemeinen. Zu Einzelheiten der teils historischen Konzepte zu Wettbewerb und Wettbewerbsrecht sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.100 Im Folgenden sollen lediglich die für das EU-Kartellrecht diskutierten Regelungsziele erläutert werden. 1. Wettbewerbsfreiheit Dem Kartellrecht wird der Schutz der Wettbewerbsfreiheit beigemessen, also der Freiheit, sich wirtschaftlich zu betätigen. Teils wird dies mit ordoliberalen Ansätzen in Verbindung gebracht, wonach das Recht die gesellschaftspolitische Aufgabe innehabe, die Akkumulation wirtschaftlicher Macht zu verhindern, um die individuelle Freiheit der Marktteilnehmer zu schützen.101 Ob das Kartellrecht Werkzeug zur Erreichung des freiheitlichen Zustandes ist oder die Wettbewerbsfreiheit des Einzelnen einen intrinsischen Wert hat, wird unterschiedlich gesehen.102 Ebenso wird es unterschiedlich bewertet, wie stark die Einflüsse ordoliberalen Denkens auf das europäische Kartellrecht sind.103
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Emmerich, Kartellrecht, 4. Umfassender Überblick bei Jones/Sufrin, Competition Law, 3 ff.; ebenso Mestmäcker/ Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 64 ff. 101 Vgl. zu solchen Thesen Whish/Bailey, Competition Law, 22; Jones/Sufrin, EU Competition Law, 25 f.; Kling/Thomas, Kartellrecht, 15 f. 102 Maier-Rigaud, in: Zimmer, Daniel (Hg.), The Goals of Competition Law, 132, 151, geht etwa davon aus, dass es sich bei dem Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit als solcher um einen neoliberalen (nicht ordoliberalen) Ansatz handele. Demnach betonten neuliberale Autoren häufig, dass es sich bei der Wettbewerbsfreiheit um einen alten Gedanken handele, den etwa auch die Schöpfer des europäischen Wettbewerbsrechts angestrebt hätten. Maier-Rigaud ist allerdings der Auffassung, es handele sich bei der Wettbewerbsfreiheit lediglich um eine jüngere Erscheinungsform liberalen Denkens, die bei der Entstehung des europäischen – wie auch des deutschen – Kartellrechts keine Rolle gespielt habe; anders Schweitzer, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 169, 175 ff.; auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 25 f., diese verstehen ordoliberale Quellen derart, dass die individuelle Freiheit bereits um ihretwillen geschützt werden sollen. 103 Einen starken ordoliberalen Einfluss bejaht etwa Bunte, in: Langen/Bunte, Einl. zum EU-Kartellrecht Rn. 32; ebenso Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 66 ff. Andere wiederum gehen davon aus, dass ordoliberale Einflüsse überbewertet werden, vgl. zu Art. 102 AEUV etwa Akman, 29 Oxford J. Legal Stud. (2009), 267, 294, die infolge einer Analyse der Entstehungsgeschichte des EU-Kartellrechts zu dem Schluss gelangt, dass ökonomische Effizienz das wahre Bestreben der Norm sei. 100
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
2. Effizienz im Sinne von total welfare Gestützt auf die Erkenntnisse der Chicago School104 ist im EU-Kartellrecht eine starke Zuwendung zu effizienzbasierten Argumenten zu beobachten. Dass die vom Kartellrecht untersagten Verhaltensweisen wohlfahrtsschädliche Ineffizienzen zur Folge haben (deadweight loss), steht außer Frage.105 Total (social) welfare wird daher verbreitet als eine kartellrechtliche Zielvorgabe angeführt.106 Die fehlende Quantifizierbarkeit von Wohlfahrtswirkungen macht den Ansatz jedoch für viele Betrachter bei der Anwendung im Einzelfall nutzlos.107 Gerichte haben herkömmlicherweise weder die Aufgabe noch die Fähigkeiten, ökonomische Methoden anzuwenden.108 Befürworter wohlfahrtsbasierter Ansätze gehen dennoch oftmals so weit, andere Zielvorgaben pauschal zu diskreditieren.109 Der EuGH hat allerdings eine ausschließlich auf Wohlfahrtskriterien gestützte Lesart des EU-Kartellrechts abgelehnt und festgestellt, dass bereits nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb als solchen für Kartellrechtsverstöße genügen.110 3. Consumer welfare im Gegensatz zu total welfare? Als ein vorrangiges Ziel des EU-Kartellrechts wird verbreitet nicht total welfare, sondern consumer welfare gesehen, also ökonomischer Nutzen speziell für Konsumenten.111 Dieser Auffassung ist etwa die EU-Kommission.112 Consumer welfare als 104 Für einen Überblick über die Entwicklung der Erkenntnisse der Chicago- und PostChicago School siehe Kovacic, Colum. Bus. L. Rev. (2007), 1, 21 ff.; zur Chicago School ferner Ahlborn/Evans/Padilla, Antitrust Bull. (2004), 287, 318 ff. Exemplarisch seien als Vertreter bzw. Quellen genannt Director/Levi, 51 Nw. U. L. Rev. (1956), 281, 289 ff.; Bowman, 67 Yale L. J. (1957), 19; Bork, The Antitrust Paradox; Posner, 127 U. Pa. L. Rev. (1978), 925. 105 Das deadweight loss als Konsequenz monopolistischer Markstrukturen ist hinreichend erwiesen, vgl. dazu Jones/Sufrin, EU Competition Law, 8 ff.; durch denselben Mechanismus bewirken Kartelle einen ökonomischen Schaden, vgl. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 211. 106 Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 68 f.; Jones/Sufrin, EU Competition Law, 26 f. 107 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 78; Emmerich, Kartellrecht, 10 f. 108 Oftmals wird verkannt, dass ökonomische Ziele nicht wie andere Ziele im Rahmen der üblichen Gesetzesanwendung berücksichtigt werden können. Vielmehr ist Ökonomie eine eigene Wissenschaft mit eigenständiger Methodik, s. Gerber, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 85, 93. 109 Kritisch hierzu Gerber, a. a. O., 86. Er nimmt Anstoß daran, dass manche Vertreter des more economic approach alternative Ansätze der Vergangenheit pauschal diskreditieren oder schlichtweg übergehen, und ihnen nichts Gutes abgewinnen möchten. 110 EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 106 (British Airways), vgl. bereits EuGH, Urt. v. 12. 2. 1973, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 26 (Continental Can); außerdem EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 38 (T-Mobile Netherlands u. a.); EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, ECLI:EU:C:2009:610, Rn. 63 (GlaxoSmithKline Services). 111 Whish/Bailey, Competition Law, 4 f.
II. EU-Kartellrecht
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Maßstab der Kartellrechtsanwendung wird oftmals als explizit in den Verträgen verankert bezeichnet, insbesondere wird sich auf Art. 101 Abs. 3 AEUVund Art. 102 Abs. 2 lit. b) AEUV gestützt.113 Fest steht jedenfalls, dass der freie Wettbewerb auch consumer welfare fördert.114 Eine einheitliche Anwendung des Begriffes ist jedoch nicht zu erkennen.115 Ferner ist umstritten, ob consumer welfare auch zu Lasten der total welfare förderungswürdig ist.116 4. Binnenmarkt und Integration Schließlich ist das EU-Kartellrecht im Kontext der Ziele der Europäischen Union zu sehen.117 Das Kartellrecht ist ein Mittel, um die Vertragsziele zu erreichen.118 In diesem Zusammenhang wird häufig auf die Integrationsfunktion des Wettbewerbsrechts verwiesen.119 Kartellrecht stellt ein an Unternehmen gerichtetes Ge112 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004/C 31/5, Rn. 79 ff.; Mitteilung der Kommission – Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, ABl. 2009 C 45, 7, Rn. 19, Rn. 86; vgl. auch die Rede von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, European Competition Policy – Delivering Better Markets and Better Choices, gehalten anlässlich des „European Consumer and Competition Day“, London, 15. 9. 2005, Speech 05/512, 2, http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-05512_en.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); vgl. auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 27 m. w. N. 113 Vgl. Schweitzer, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 169, 171; Geradin/ Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 22. 114 Whish/Bailey, Competition Law, 4 f. 115 Vgl. Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 78; ebenso Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 42 f. 116 Dafür könnte etwa der Wortlaut von Art. 101 Abs. 3 AEUV sprechen. Vgl. dazu Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 78. In der Folge würde das Streben nach consumer welfare nicht mit anderen effizienzbasierten Ansätzen gleichlaufen, vgl. ebenda, 68 f.; auf Konflikte zwischen den beiden Konzepten verweisen auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 11 f. 117 Vgl. dazu bereits EuGH, Urt. v. 12. 2. 1973, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 24 – 25 (Continental Can). 118 Zwar ist der unverfälschte Wettbewerb selbst nicht mehr wie vormals in Art. 3 EGV explizit als Zwischenziel aufgeführt. Allerdings normiert Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV das Binnenmarktziel. Nach dem Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, Konsolidierte Fassung in ABl. 2008 C 115, 309, umfasst der Binnenmarkt wiederum „ein System […], das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“. Gem. Art. 51 EUV sind die Protokolle Bestandteil der Verträge. Vgl. dazu Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 62. Dass damit keine inhaltliche Änderung verbunden sein soll folgt aus EuGH, Urt. v. 17. 2. 2011, ECLI:EU:C:2011:83, ab Rn. 20 (TeliaSonera Sverige); vgl. auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 31 ff. 119 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, ECLI:EU:C:2009:610, Rn. 61 (GlaxoSmithKline Services); Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 78 ff.; Geradin/LayneFarrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 24 ff.
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
genstück zu den Grundfreiheiten dar, welche die Mitgliedstaaten zur Verwirklichung des Binnenmarktes verpflichten.120 5. Fazit Dem EU-Kartellrecht lassen sich mehrere Schutzrichtungen entnehmen. Ein Aspekt ist der Schutz des freien Wettbewerbs, der jedoch keinen Selbstzweck erfüllt, sondern vielmehr ein Werkzeug ist.121 Die ökonomische Funktion des Wettbewerbs ist es, Preise effizient festzusetzen und die Produktion von Gütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen effizient zu gestalten.122 Insgesamt wird dadurch Wohlfahrtsmaximierung angestrebt,123 wobei offen ist, ob total welfare oder consumer welfare maßgeblich sein soll. Wie gesehen ist jedoch auch die Wohlfahrtsökonomie nicht das alleinige unmittelbare Ziel des EU-Kartellrechts, sondern es lassen sich noch weitere Zielvorgaben identifizieren.124 Versuche, sich dem Schutzzweck des Kartellrechts zu nähern, können kein abschließendes Ergebnis produzieren. Obwohl der EuGH das letzte Wort zur Auslegung des EU-Kartellrechts hat, erfolgt in der Praxis die Anwendung des Kartellrechts durch die zahlreichen Behörden auf europäischer und nationaler Ebene nicht ganz uniform.125 Ferner scheitert eine präzise Eingrenzung der Zielvorgaben daran, dass die EU und ihre institutionelle Praxis stetigem Wandel unterliegen.126 Eine statische oder rückwärtsgewandte Kartellrechtsauslegung ist daher nicht sachgerecht.127
III. Vergleich Ein abstrakter Vergleich von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht in ihrer Allgemeinheit läuft Gefahr, zu pauschalisieren. Gleichwohl lassen sich auf der Grundlage der bisher gewonnenen Erkenntnisse einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Rechtsgebiete identifizieren. 120
Whish/Bailey, Competition Law, 23 f.; vgl. auch Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 65 f.; Schweitzer, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 169, 179. 121 Blair/Kaserman, Antitrust Economics, 4. 122 Ebenda. 123 Ebenda. 124 Parret, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 61, 61. 125 So auch Gerber, in: Zimmer (Hg.), The Goals of Competition Law, 85, 89 ff. 126 s. ebenda, 87 ff., wonach aus diesem Grund Funktionen des EU-Kartellrechts, die in der Vergangenheit identifiziert wurden, nicht ungeprüft fortgetragen werden dürfen. 127 Vgl. auch Kling/Thomas, Kartellrecht, 21, wonach die Materialien zum EWG-Vertrag zunächst bewusst nicht veröffentlicht wurden, um eine solche rückwärtsgewandte Auslegung abzuwenden.
III. Vergleich
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1. Eingeschränkte Vergleichbarkeit Es erscheint zweifelhaft, ob Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht einer abstrakt vergleichenden Würdigung unterzogen werden können. Dies gründet darauf, dass sich das Kapitalmarktrecht mit dem Kapitalmarkt befasst, bei dem es sich um einen konkret abgrenzbaren Sektor handelt. Der Regelungsbereich des EU-Kartellrechts ist hingegen weiter: Mit Ausnahme etwaiger Bereichsausnahmen wird jeder Wirtschaftsbereich erfasst.128 Regelungstechnisch spiegelt sich dieser Umstand auch in den unterschiedlich stark ausdifferenzierten Normen der beiden Rechtsgebiete wider. Das EU-Kartellrecht findet seine Grundlage in den äußerst breit gefassten und ausfüllungsbedürftigen Art. 101 ff. AEUV. Das Kapitalmarktrecht ist demgegenüber in weiten Teilen sehr spezifisch und definiert etwa kleinteilige Verhaltensanforderungen. Oben wurde aufgezeigt, dass der Kapitalmarkt ein Markt mit vielen Besonderheiten ist, weswegen das Kapitalmarktrecht eigenständige Zielvorgaben hat. Angerissen wurde auch die Problematik der Informationsasymmetrien. Die Verbriefung129 bzw. securitisation von Rechten in Wertpapieren führt einerseits zur Austauschbarkeit (Fungibilität) und Zirkulationsfähigkeit der Kapitalmarktprodukte, wodurch ein liquider Handel mit seinen entsprechenden volkswirtschaftlichen Vorteilen erst ermöglicht wird.130 Andererseits ist es durch diese Trennung von Realkapital und Vermögenswerten dem Kapitalgeber bzw. Anleger nicht möglich, alle für seine Investitionsentscheidung relevanten Informationen zu erlangen.131 Diese Informationsasymmetrien, die im Vergleich mit anderen Märkten besonders stark ausgeprägt sind, können ein Marktversagen auslösen.132 Auf dem Primärmarkt erwächst daraus das zentrale Problem, dass Kapitalsuchende und ihre Wertpapiere unbekannt sind, und daher die Anleger einen entsprechenden Informationsbedarf haben.133 Auch auf dem Sekundärmarkt ist auf der Grundlage des sog. Informationsparadigmas der Abbau von Informationsasymmetrien wichtig, um Liquidität und eine zutreffende Preisbildung zu gewährleisten.134 Ferner entsteht durch den speziellen Preisbildungsmechanismus ein Bedarf an 128
Zu diesem Unterschied auch Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2050. Eine Verbriefung in Urkunden ist jedoch keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Wertpapiers, vgl. § 2 Abs. 1 WpHG. Zu dieser „Entmaterialisierung des Wertpapierhandels“ Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 11 f. 130 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 43 ff.; Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 33; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, 1, 22. 131 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 936. 132 Brinckmann, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 295; vgl. auch Posner, A Failure of Capitalism, 27: Riskante Anlagen mit hohe Renditen locken selbst risikoaverse Anleger an, was gesamtwirtschaftlich unerwünschte Effekte haben kann. 133 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 425. 134 Ausführlich Klöhn, ZHR 177 (2013), 349; vgl. auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 945 ff. 129
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
Rechtsinstrumenten wie dem Marktmanipulationsverbot, die es auf anderen Märkten nicht gibt.135 Das Kapitalmarktrecht ist also wegen der Besonderheiten des Kapitalmarktes auch ein besonderes Marktordnungsrecht. Es wird noch ausführlicher darauf einzugehen sein, inwiefern sich daraus eigenständige Regelungsansätze ergeben. Zudem sind nicht notwendigerweise alle Grundgedanken des sektorübergreifend anwendbaren Kartellrechts auf den sachlich eng begrenzten Kapitalmarkt übertragbar. Das Kartellrecht beruht auf der Prämisse, dass ungehinderte wettbewerbliche Aktivität der Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen der Volkswirtschaft zuträglich ist. Bereits dies gilt nicht uneingeschränkt für den Kapitalmarkt. Für den Kapitalmarkt ist vielmehr anerkannt, dass eine freie Wirkung der Wettbewerbskräfte allein keine akzeptablen Ergebnisse produziert und staatliche Intervention daher unabdingbar ist.136 Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Kapitalmarktes ist, wie oben aufgezeigt, überragend.137 Ein Versagen des Kapitalmarktes ist daher unbedingt zu vermeiden.138 Aus diesem Grund schützt das Kapitalmarktrecht die Marktmechanismen umfassend und greift mit Verhaltensanforderungen in den freien Wettbewerb ein. Gelegentlich sehen sich sogar Zentralbanken dazu veranlasst, zur Abwendung von Preisstürzen am Kapitalmarkt durch Stützungskäufe in den Wettbewerb einzugreifen.139 Ein besonderes Interventionsbedürfnis wird etwa auch an der internationalen Finanzkrise ab dem Jahr 2007 festgemacht.140 Zuletzt gibt es eigene Aufsichtsbehörden für den Kapitalmarkt, in Deutschland maßgeblich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zusammengefasst ist die Vergleichbarkeit von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht schon dadurch eingeschränkt, dass das Kapitalmarktrecht auf die Steuerung des Kapitalmarktes ausgerichtet ist und dabei dessen spezifische Besonderheiten aufgreift. Das Kartellrecht gilt sektorübergreifend. Da der Kapitalmarkt jedoch kein Markt wie jeder andere ist, kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Prämissen des Kartellrechts auch für ihn gelten.
135
Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 359. Black hebt etwa hervor, dass Kapitalmärkte ohne effektive staatliche Regulierung zum Scheitern verurteilt sind. Dabei beruft er sich auf die Beispiele Russlands und der Tschechischen Republik, siehe 48 UCLA Law Rev. (2001), 781, 782 f. 137 s. o. § 2 I. 1. c). 138 Vgl. Walla, Die Konzeption der Kapitalmarktaufsicht in Deutschland, 38; vgl. auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 5. A. 2014, 2 f. 139 Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 141, die darauf verweisen, dass etwa die EZB, aber auch die Zentralbank in Hongkong so vorgegangen sind. 140 Ebenso Jones/Sufrin, EU Competition Law, 5. A. 2014, 2 f. 136
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2. Gemeinsamer Nenner: „Effizienz“? Die „Effizienz“ als Regelungsziel ist eine normative Gemeinsamkeit von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht.141 In beiden Rechtsgebieten wird auch eine Folgenabschätzung der Rechtsanwendung anhand von ökonomischen Kriterien befürwortet.142 Insbesondere wenn von einer starken Gewichtung der wohlfahrtsökonomischen Aspekte im Rahmen des Kartellrechts ausgegangen wird, könnte man verleitet sein, in der „Effizienz“ sogar eine Kongruenz von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht zu vermuten.143 Ein derartiger Ansatz verkennt jedoch, dass dem gesamten Wirtschaftsrecht eine Effizienzorientierung innewohnt. Verschiedene Vertreter ökonomischer Ansätze nach dem Vorbild der Chicago School propagieren die Effizienz als Maßstab für die Rechtsanwendung und -gestaltung in wohl allen Rechtsgebieten.144 Dass sich Kapitalmarktrecht und Kartellrecht in dem Streben nach Effizienz ähneln, ist somit keine hinreichend spezifische Besonderheit der beiden Regimes. Gleichwohl ließe sich annehmen, dass das Abstellen auf den gemeinsamen Maßstab der Effizienz dazu führen kann, dass eine Vereinheitlichung der Mechanismen und Ergebnisse beider Rechtsgebiete zu beobachten ist. Es soll im Folgenden zunächst aufgezeigt werden, dass sich die Kapitalmarktregulierung zwar weitestgehend einem Streben nach Effizienz unterordnen lässt [a)]. Für das EU-Kartellrecht hat jedoch schon die obige Darstellung seiner Zielfunktionen ein differenzierteres Bild ergeben. Zudem ist das kartellrechtliche Verständnis von Wohlfahrtsförderung schon nicht auf Sekundärmärkte für Wertpapiere anwendbar [b)]. Im Ergebnis findet die marktsteuernde Effizienzoptimierung durch EU-Kartellrecht und Kapitalmarktrecht auf unterschiedlichen Ebenen statt und ist daher nicht direkt vergleichbar [c)]. a) Kapitalmarktrecht und effizienzfremde Wertungen? Das Kapitalmarktrecht strebt Funktionsschutz und Anlegerschutz an. In mancherlei Hinsicht lässt sich in Frage stellen, ob das Kapitalmarktrecht damit ausschließlich der Kapitalmarkteffizienz dient, oder ob sich auch effizienzfremde Facetten ausmachen lassen. Dann könnten Zielkonflikte innerhalb des Kapitalmarktrechts entstehen. Außerdem wären Friktionen zwischen Kapitalmarktrecht und EUKartellrecht denkbar. 141
26 ff.
Vgl. Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen,
142 Zur Unterscheidung zwischen normativer sowie positiver ökonomischer Analyse vgl. Posner, Economic Analysis of Law, 31 ff. 143 So weit geht etwa Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 26, der allerdings gleichzeitig auf Unterschiede verweist. 144 Zu der Entwicklung von der ökonomischen Analyse als Synonym zu antitrust economics hin zu einer breiteren Applikation Posner, Economic Analysis of Law, 29 ff.
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aa) Effizienz und Anlegerschutz als Widerspruch? Wie gesehen trägt der Anlegerschutz zur Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bei. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis von Anlegerschutz und Funktionsschutz. Sieht man den Anlegerschutz als eigenständiges Primärziel, so wäre seine Durchsetzung gegebenenfalls auf Kosten des Funktionsschutzes hinzunehmen.145 (1) Anlegerschutz zu Zwecken des Funktionsschutzes Durch anlegerschützende Normen wird informationsbedingtes Marktversagen korrigiert, was der Funktionsfähigkeit unmittelbar dienlich ist.146 Zudem ist die damit erzielte Wahrung des Anlegervertrauens in die Marktmechanismen unverzichtbar, da hierdurch die Attraktivität bzw. Liquidität des Kapitalmarktes gefördert wird.147 Angesichts dieser Funktionen erscheint es überzeugend, den Anlegerschutz primär der Funktionsfähigkeit der Märkte unterzuordnen. Eine effizienzmaximierende, maßgeblich dem Funktionsschutz dienende Ausrichtung des Anlegerschutzes lässt sich sowohl im deutschen Kapitalmarktrecht148 als auch in den entsprechenden EUNormen149 ausmachen. Die konträre Sichtweise, wonach der Anlegerschutz primär zur Verwirklichung paternalistischer, sozialpolitischer Ziele erfolgt,150 auf verfassungsrechtlichen Grundlagen beruht151 oder sonstige nicht-ökonomische Motivationen innehat, erscheint demgegenüber nicht überzeugend. Es ist vielmehr geradezu konsequent, etwa sozialpolitische Ziele mit dem Streben nach einem leistungsfä-
145
Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 398 f. Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172 f. 147 Zur Korrelation von Anlegerschutz und „starken“ Kapitalmärkten vgl. Black, 48 UCLA Law Rev. (2001), 781, 834 ff.; ebenso Möllers, AcP 208 (2008), 1, 4. In den Erwägungsgründen zur Richtline über Wertpapierdienstleistungen, RL 93/22/EWG vom 11. 6. 1993, ABl. L 141, 27, wird der Anlegerschutz im Zusammenhang mit der „Stabilität des Finanzsystems“ bzw. dem „reibungslosen Funktionieren des Finanzsystems“ genannt. Möllers, AcP 208 (2008), 1, 8, folgert hieraus eine „Verbundenheit“ dieser beiden Schutzgüter. Dieser Schluss erscheint allerdings nicht zwingend. Vgl. außerdem Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173. 148 Vgl. etwa die Regierungsbegründung des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes: „Integre, effiziente und transparente Kapitalmärkte sind entscheidende Voraussetzungen dafür, dass die Finanzdienstleistungsindustrie ihrer dienenden Funktion gegenüber der Volkswirtschaft als Ganzes nachkommen kann. Im Rahmen der Finanzmarktkrise wurde an verschiedenen Stellen jedoch deutlich, dass Defizite an den Kapitalmärkten bestehen. Diese Defizite drohen das Vertrauen der Marktteilnehmer und insbesondere der Gesamtbevölkerung in funktionsfähige Märkte und ein faires, kundenorientiertes Finanzdienstleistungsangebot zu unterhöhlen.“, RegE zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BR-Drucks. 584/10, 1; außerdem abermals Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 417 ff. 149 Vgl. dazu ausführlich Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 415 ff. 150 Siehe dazu Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 174 ff. 151 Vgl. dazu ebenda, 175 ff. Demnach folgt aus dem Verfassungsrecht lediglich ein „Mindestmaß an Anlegerindividualschutz“. 146
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higen Kapitalmarkt zu verknüpfen.152 Dabei entsteht nicht zwingend ein Zielkonflikt.153 Selbst bei einer Regelung, bei der aus sozialpolitischen Gründen über das zur Verwirklichung des Funktionsschutzes erforderliche Maß hinausgegangen wird, kann aus zahlreichen Gründen die ökonomische Gesamtbilanz dennoch positiv sein.154 Insgesamt ist der Anlegerschutz daher als Ausdruck des Strebens nach effizienten Kapitalmärkten zu formulieren und dem kapitalmarktrechtlichen Funktionsschutz unterzuordnen. (2) Anlegerschutz zu Zwecken des Verbraucherschutzes (a) Verbraucherschutz im Kapitalmarktrecht In jüngster Zeit finden im Kapitalmarktrecht zunehmend Normen Eingang, denen eine verbraucherschützende Zielrichtung innewohnt. Dies ist maßgeblich bei der Anlageberatung der Fall, also im Verhältnis zwischen Anleger und Marktintermediär.155 Exemplarisch seien die allgemeinen Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 63 WpHG und die besonderen Verhaltensregeln bei der Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung gem. § 64 WpHG genannt. Besonders hervorzuheben sind dabei das nach § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG gebotene156 Informationsblatt, das standardisierte Informationsblatt nach § 64 Abs. 2 S. 3 WHG oder das entsprechende Dokument nach § 64 Abs. 2 S. 4 WpHG („Beipackzettel“157). § 64 Abs. 2 WpHG gilt nur gegenüber „Privatkunden“ i.S.d. § 67 Abs. 3 WpHG. Zwar ist selbst ein „Privatkunde“ nicht zwingend ein Verbraucher im Rechtssinne,158 dennoch tritt hier die verbraucherschützende Tendenz klar hervor.159 Hopt will angesichts derartiger Entwicklungen gar die Gefahr sehen, „dass der überbordende Verbraucherschutz den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit bei der Kapitalanlage verdrängt“.160
152 So auch Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handelsund Wirtschaftsrecht, 100, 108. 153 Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 174. 154 Eine solche Regelung kann etwa zum Ausgleich der beschränkten Rationalität der Anleger erfolgen, vgl. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 414 ff. 155 Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66, 67. 156 Dies gilt gem. § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG nur für „Finanzinstrumente, für die kein Basisinformationsblatt nach der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 erstellt werden muss“. 157 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 163. 158 Er ist nicht zwingend eine natürliche Person, vgl. dazu Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66. 74. So erfassen auch die übrigen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften mit verbraucherschützendem Charakter nicht ausschließlich Verbraucher, vgl. Kümpel, WM 2005, 1, 1. Vgl. dazu auch Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 137. 159 So auch Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66, 77 f. 160 Hopt, WM 2009, 1873, 1879.
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(b) Verbraucherschutz zur Effizienzförderung Zwar wird der Anlegerschutz gelegentlich als Ausfluss des Verbraucherschutzes dargestellt.161 Allerdings handelt es sich im Ausgangspunkt um Konzepte mit unterschiedlichen Schutzgütern.162 Ähnlich wie beim Anlegerschutz wird für die Rechtfertigung des Verbraucherschutzes auf verfassungsrechtliche Gebote163 oder sozialschützende Bestrebungen hingewiesen.164 Überzeugender erscheint es allerdings aus den zum Anlegerschutz hervorgehobenen Gründen, jedenfalls für die Zwecke des Kapitalmarktrechts auch den Verbraucherschutz als effizienzfördernde Institution zu behandeln.165 (c) Anleger als Verbraucher Zusätzlich wird verbreitet die Anwendung von Verbraucherschutzvorschriften etwa aus dem BGB auf „Anleger“ diskutiert.166 Wegen der Fokussierung auf die kapitalmarktrechtliche Problematik soll auf diese Debatte jedoch nicht näher eingegangen werden. (3) Fazit Extensive Verbraucherschutz- wie auch Anlegerschutzmaßnahmen können der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zuwiderlaufen und sich damit wohlfahrtsschädlich auswirken.167 Dies ist dann der Fall, wenn Maßnahmen, zu denen die Marktgegenseite zum Schutz von Verbrauchern verpflichtet wird, Kosten verursa161 So Mülbert, WM 2001, 2085, 2092, ebenso etwa Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 403 ff., der die Begriffe als Synonyme benutzt. 162 Vgl. dazu ausführlich Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66, 69 ff., zugespitzt in der Zusammenfassung, 75. 163 Vgl. Kümpel, WM 2005, 1, 2. 164 Vgl. bereits Reich, NJW 1978, 513, 519; dagegen Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 108 f., wonach sich sowohl Anlegerschutz als auch Verbraucherschutz „weitgehend im Effizienzdenken unterbringen“ lassen; siehe auch Mülbert, WM 2001, 2085, 2092, wonach EU-Verbraucherpolitik schon wegen der Kompetenzgrundlage Marktpolitik ist. 165 Ebenso Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handelsund Wirtschaftsrecht, 100, 108 f. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 405 ff., erläutert die Entwicklung des Verbraucherleitbildes der Konsumfreiheit, auf deren Grundlage die ökonomische Begründung von Verbraucherschutz beruht. Teils wird gar behauptet, EUrechtlicher Verbraucherschutz könne und dürfe ausschließlich Binnenmarktzielen gelten, vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2092; anders ließe sich deuten EuGH, Urt. v. 19. 1. 1993, ECLI:EU:C:1993:15, Rn. 18 (Shearson Lehman Hutton); so etwa Armbrüster, ZIP 2006, 406, 410, der allerdings ebenfalls von einer stetig zunehmenden Akzentuierung der Binnenmarktziele des Verbraucherschutzrechtes ausgeht. 166 Vgl. etwa Wagner, BKR 2003, 649 ff.; außerdem zur Beteiligung an geschlossenen Fonds Armbrüster, ZIP 2006, 406 ff. 167 Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 118 f.
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chen, die nicht durch ökonomische Vorteile aufgewogen werden.168 Konflikte zwischen diesen Schutzgütern und der Wohlfahrtsorientierung des Kapitalmarktrechts entstehen, wenn der anlegerschützende Charakter über das zum Funktionsschutz nötige Maß hinausgeht.169 Dieser Umstand lässt sich allerdings erneut als Effizienzproblem angehen und auf diese Weise durch die richtige Gewichtung des Schutzniveaus beseitigen.170 Das Messen und Austarieren dieser Regelungen ist dann ein Sekundärproblem. bb) Funktionsschutz und Effizienz Die Rechtsinstitute des Insiderhandelsverbotes und des Marktmanipulationsverbotes haben funktionsschützende und anlegerschützende Wirkung zugleich.171 Beiden Instituten wird vereinzelt die ökonomische Sinnhaftigkeit abgesprochen. Demnach könnten sie allenfalls auf effizienzfremde Erwägungsgründe zu stützen sein. Dies könnte wiederum eine Vermengung der Effizienzorientierung des Funktionsschutzes mit sonstigen Erwägungen bedeuten. (1) Insiderhandelsverbot In Bezug auf das kapitalmarktrechtliche Insiderhandelsverbot wird teils vorgebracht, es verbiete Insiderhandel wegen des solchen Verhaltensweisen inhärenten Unrechtsgehaltes172 oder ihrer moralischen Verwerflichkeit und ihres unfairen Charakters.173 Unter wohlfahrtsökonomischen Kriterien sei es hingegen hinfällig.174 Insiderhandel führe vielmehr zu effizienter Preisbildung. Manne betont etwa, Insiderhandel sei ein wünschenswerter Mechanismus zur Entlohnung von Führungskräften und biete diesen gute Anreize.175 Die Problematik, wie sich Insiderhandel auf
168
Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 411 f. Ebenda, 411 f., 414; Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 119. 170 Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 118 f. 171 Vgl. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 89. 172 Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 252; vgl. auch Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 119. 173 Vgl. den Überblick bei Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 701. 174 Vgl. ebenda, 702 f. 175 Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966, im Überblick wiedergegeben bei Manne, 44 (6) Harv. Bus. Rev. (1966), 113, vgl. insbes. S. 118 f.; mit überzeugenden Argumenten gegen diese Ansicht und für die ökonomische Berechtigung von Insiderhandelsverboten Sethe, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 463. 169
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Markteffizienz und Preisbildung auswirkt, ist nicht abschließend geklärt.176 Von Seiten des europäischen177 bzw. deutschen178 Gesetzgebers wird das Insiderhandelsverbot damit begründet, dass das Anlegervertrauen in den Preisbildungsmechanismus zugunsten der institutionellen Funktionsfähigkeit der Märkte geschützt werden muss. Insiderhandel beeinträchtigt demnach die Liquidität und Allokationseffizienz des Marktes.179 Assmann schlussfolgert, dass Insiderhandelsverbote ungeachtet ihrer ökonomischen Sinnhaftigkeit jedenfalls dadurch zwingend geboten sind, dass das Anlegerpublikum solche Regeln von einem Handelsort erwartet.180 Somit erlangt das Insiderhandelsverbot mittelbar in jedem Fall Relevanz für die Funktionsfähigkeit und Liquidität der Märkte und ist der Wohlfahrtsförderung dienlich. Dieser Argumentation ist zuzustimmen. Zudem ist die Vorstellung, dass überlegenes Wissen aus Gründen der Gerechtigkeit nicht ausgebeutet werden darf, anderen Märkten mit engen Ausnahmen weitgehend181 fremd. Auf Warenmärkten gibt es kein vergleichbares Instrument. Dies zeigt, dass Insiderhandel den Spezifika des Kapitalmarktes geschuldet ist und keine übergeordneten Gerechtigkeitsvorstellungen verwirklichen soll. (2) Marktmanipulationsverbot Auch die ökonomische Rechtfertigung eines Marktmanipulationsverbotes wird in der Literatur nicht einheitlich akzeptiert.182 Uneinigkeit besteht besonders hinsichtlich der praktischen Machbarkeit und Profitabilität von handelsgestützten Marktmanipulationen, bei denen durch den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren eine Preismanipulation erzielt werden soll.183 So wird teils behauptet, dass es ein176 Vgl. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 702; empirische Studien deuten jedoch darauf hin, dass strenge Insiderverbote positive Auswirkungen auf Kapitalmärkte haben, etwa die Untersuchung von Beny, 7 Am. L. & Econ. Rev. (2005), 144, 174. 177 Vgl. Erwägungsgründe 3 – 6 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, 89/592/EWG vom 18. 11. 1989, ABl. L 334, 30: Demnach sind effiziente, reibungslos funktionierende Märkte nur bei bestehendem Anlegervertrauen zu erreichen, hierfür sei das Insiderhandelsverbot erforderlich. 178 Die gleiche Begr. enthält der RegE des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes, BTDrucks. 12/6679, 33. 179 Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 701 f. 180 Assmann, AG 1994, 196, 201 f. 181 Im deutschen Recht innerhalb der bürgerlich-rechtlichen Grenzen der Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung, § 123 BGB, bzw. dem strafrechtlichen Tatbestand des Betrugs, § 263 Abs. 1 StGB. 182 Vgl. den Überblick über die ökonomische Forschung bei Putnins, 26 Journal of Economic Surveys (2012), 952. 183 Diesbezüglich wird die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Verbotes vor allem in Frage gestellt von Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503; vgl. auch Yadlin, 2 Theor. Inq. L. (2001), 839, der die These aufstellt, dass Manipulationen ökonomisch wünschenswert sind,
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zelnen Marktteilnehmern schon kaum möglich sei, durch Handelsaktivitäten die Preisbildung zu beeinflussen.184 Manipulierte Preise könnten zudem nicht profitabel ausgenutzt werden.185 Im Ergebnis seien handelsgestützte Marktmanipulationen selbstabschreckend.186 Entgegen dieser Annahmen gibt es jedoch Erkenntnisse, dass Handelsvorgänge Einfluss auf die Preisbildung haben können.187 Des Weiteren ist es faktisch auch möglich, von manipulierten Preisbewegungen zu profitieren.188 Marktmanipulationen sind schädlich für die Kapitalmarktfunktionen sowie für Anleger und Emittenten. So bewirken Marktmanipulationen, dass sich der Preis eines Wertpapiers von seinem Fundamentalwert entfernt.189 Durch diese Verfälschung des Preisbildungsmechanismus kann der Kapitalmarkt seine Aufgabe, das Kapital effizient zu allozieren, nicht mehr vollumfänglich bewirken; außerdem wird die Informationsfunktion der Preise beeinträchtigt.190 Anleger werden geschädigt, wenn sie durch die Manipulation ein Wertpapier zu überhöhten Preisen kaufen oder zu günstig verkaufen.191 Anleger müssen zudem höhere Risikoaufschläge einkalkulieren oder bleiben dem Markt ganz fern.192 Neben der Zielrichtung, die geschilderten Effizienznachteile abzuwenden, sei nicht bestritten, dass Manipulationsverboten eine allgemeine Kapitalmarktethik zugrunde liegt, nach welcher als unfair empfundene Verhaltensweisen zu untersagen sind.193 Doch auch diese Begründung lässt sich – analog zum Insiderhandelsverbot – der Wohlfahrtsökonomie unterordnen. Anleger werden durch Manipulationshandlungen abgeschreckt, weshalb ein falls sie von einem informierten Manipulanten ausgehen. Für den Fall, dass solche Manipulationen sich nicht von uninformierten Manipulationen unterscheiden lassen und „gute“ Manipulationen empirisch betrachtet häufiger vorkommen, befürwortet er den Ansatz von Fischel und Ross, s. 850 f. Für informationsgestützte und handlungsgestützte Manipulationen ist die Profitabilität hingegen grundsätzlich anerkannt, vgl. Eichelberger, Marktmanipulation, 72 m. w. N. Zur Abgrenzung von handelsgestützten, handlungsgestützten und informationsgestützten Marktmanipulationen s. u. § 4 I. 2. a). 184 Dafür spreche maßgeblich die Elastizität von Angebot und Nachfrage, s. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 512 ff. 185 Es sei nicht möglich, ein manipuliertes Papier über dem Kaufpreis zu verkaufen, da dafür der Preis nach dem Manipulationsvorgang noch weiter steigen müsste, was jedoch nicht der Fall sei. Obendrein müsse der Manipulationsgewinn die Liquiditätskosten ausgleichen, die durch einen bid-ask spread entstehen, s. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 512 ff. 186 Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 518 f. 187 Eichelberger, Marktmanipulation, 73 m. w. N.; Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 224 ff. 188 Eichelberger, Marktmanipulation, 73 f., der hervorhebt, dass der eigentliche Manipulationsgewinn oftmals mittelbar über Derivate oder Fonds entsteht; Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 247 ff.; zust. Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 9; Yadlin, 2 Theor. Inq. L. (2001), 839, 841. 189 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 374. 190 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 704 f.; Eichelberger, Marktmanipulation, 77 f. 191 Eichelberger, Marktmanipulation, 75 f. 192 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 9. 193 So Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 19.
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Marktmanipulationsverbot das Vertrauen in die Fairness und Integrität des Marktes erhöht.194 Die gesteigerte Anlagebereitschaft fördert die Marktliquidität,195 wovon nicht zuletzt Kapital suchende Emittenten profitieren.196 Insgesamt ist es daher gerechtfertigt, auch das Marktmanipulationsverbot effizienzbasiert zu begründen und anzuwenden. (3) Fazit Auch die beiden kapitalmarktrechtlichen Institute des Insiderhandelsverbotes und der Marktmanipulation sind an dem Streben nach einem effizienten Kapitalmarkt ausgerichtet. cc) Integrationsfunktion bzw. Standortwettbewerb Ein wenig thematisierter Aspekt europäischer Kapitalmarktregulierung ist deren Streben nach einem Binnenmarkt für Kapitalmarktprodukte.197 Allerdings sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Ziel eines Binnenmarktes für Kapitalmarktprodukte im Einzelfall zu ineffizienten Regelungen führen würde. Darüber hinaus lässt sich das Ziel der Erleichterung eines EU-weiten Handels mit Kapitalmarktprodukten funktional mit dem Ziel effizienter Kapitalmärkte verknüpfen, da der Markt durch vervielfachte Anlagemöglichkeiten „breiter“ wird.198 Auch lässt sich der Anlegerschutz als Mittel zur Verwirklichung des Binnenmarktes begreifen.199 Zudem ist kapitalmarktrechtliche Regulierung von dem Bestreben getragen, die Attraktivität des Handelsortes zu fördern.200 Hier lässt sich allerdings davon ausgehen, dass dieses Ziel mittels Effizienzförderung zu bewirken ist.
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Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 705; vgl. auch die Marktmissbrauchsverordnung, die es nach ihrem Art. 1 bezweckt, „die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in die Märkte zu stärken.“; vgl. auch ErwGr. (2) der Marktmissbrauchsverordnung: „[…] Das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. […].“. 195 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 704 f. 196 Eichelberger, Marktmanipulation, 78 f. 197 Mülbert, WM 2001, 2085, 2088 ff. 198 Ein direkter Schluss von internationaler Marktintegration bzw. Marktgröße auf Liquidität und Wachstum ist allerdings problematisch, vgl. dazu die empirischen Untersuchungen von Levine/Zervos, 88 Am. Econ. Rev. (1998), 537, insbes. 538, 549 f. 199 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 415. 200 Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 116 ff.
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dd) Fazit Das Kapitalmarktrecht ist stärker effizienzdominiert als andere Rechtsgebiete.201 Mittelbar lassen sich fast alle Bestrebungen des Kapitalmarktrechtes als ökonomische Ziele umformulieren.202 Hinsichtlich Anleger- bzw. Verbraucherschutzvorschriften ist ein Zielkonflikt mit der Maßgabe der Effizienz denkbar.203 Wie aufgezeigt ändert dies allerdings nichts an der grundsätzlichen Effizienzorientierung des Kapitalmarktrechts. b) EU-Kartellrecht Schon die überblicksartige Darstellung der EU-kartellrechtlichen Zielvorgaben hat offenbart, dass dem EU-Kartellrecht vielfältige Zielrichtungen zugrunde liegen. Ein echtes Pendant zum kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz bzw. Verbraucherschutz gibt es dabei zwar nicht, sodass ein entsprechendes Potenzial für Wertungswidersprüche ausscheidet [aa)]. Insgesamt greifen die wohlfahrtsökonomischen Paradigmen des Kartellrechts jedoch auf Wertpapiermärkten allenfalls eingeschränkt [bb)]. aa) Verbraucherschutz im Kartellrecht? In der Literatur wird argumentiert, dass Unterschiede zwischen dem kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz sowie dem „kartellrechtlichen Verbraucherschutz“ zu Friktionen der beiden Rechtsgebiete führen könnten.204 Hierzu ist jedoch anzumerken, dass der insbesondere im bürgerlich-rechtlichen EU-Richtlinien- und Verordnungsrecht omnipräsente, auf Art. 4 Abs. 2 lit. f) AEUV, Art. 114 AEUV sowie Art. 169 AEUV gestützte „Verbraucherschutz“205 sich im EU-Kartellrecht in dieser Form nicht wiederfindet, sondern es dort allenfalls um die (ggf. mittelbare) Abwendung von Fehlallokationen zulasten von Verbrauchern geht.206 Dies erscheint angesichts der Rolle des Kartellrechts als Instrument gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen einleuchtend.207 In den kartellrechtlichen Normen des 201 Ebenso Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handelsund Wirtschaftsrecht, 100, 139. 202 Ebenda, 118 f. 203 Ebenda, 118 f. 204 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 45. 205 Dieser Verbraucherbegriff erfasst natürliche Personen, die zu privaten Zwecken tätig werden, vgl. Krebber, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/AEUV, Art. 169 AEUV Rn. 4. 206 Vgl. etwa die Prioritätenmitteilung der Kommission zur Anwendung des Art. 82 EGV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch, ABl. 2009 C 45, 7 Rn. 7; Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 85. 207 Nur in wenigen Konstellationen, etwa bestimmten Konstellationen des Ausbeutungsmissbrauches oder Koppelungspraktiken, ist der private Endverbraucher, wie er von allgemeinen EU-Verbraucherschutzprinzipien erfasst ist, unmittelbar handelnd an den vom Kar-
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AEUV wird auf die Begünstigung von „Verbrauchern“ maßgeblich in Art. 101 Abs. 3 AEUV sowie Art. 102 Abs. 2 lit. b) AEUV Bezug genommen. In beiden Fällen ist allerdings nicht ausschließlich der Verbraucher im Sinne des allgemeinen EU-Verbraucherschutzrechts privilegiert. Mit dem Verbraucherbegriff werden vielmehr sämtliche Abnehmer ungeachtet der Handelsstufe beschrieben.208 Kern der Regelungen ist die Wohlfahrtsdienlichkeit der betroffenen Verhaltensweisen.209 „Verbraucherschutz“ ist daher keine Zielvorgabe des Kartellrechts, die zu einem Konflikt von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht führen könnte. bb) Deadweight loss und Steuerungswirkung des Wettbewerbs auf dem Sekundärmarkt für Wertpapiere Das Kartellrecht befasst sich im Ausgangspunkt mit den negativen ökonomischen Auswirkungen monopolistischer Marktstrukturen. So zeigt sich bei einem Abgleich von idealem Wettbewerb und monopolistischen Marktstrukturen, dass der freie Wettbewerb eine optimale Allokation von Ressourcen bewirkt. Durch ihn werden niedrige Preise erzielt und die Nachfrage mit einem quantitativ optimalen Angebot befriedigt.210 Für einen Monopolisten ist es demgegenüber eine naheliegende Strategie, die Menge des output zu reduzieren. Das Angebot ist dann geringer als unter Wettbewerbsbedingungen, wodurch aber höhere Preise erzielt werden und der Monopolist seinen Profit zu Lasten der Verbraucher maximiert. Volkswirtschaftlich entsteht hierdurch eine klar definierbare Fehlallokation von Ressourcen, da auf dem Markt zu wenig produziert wird und zugleich Verbraucher mehr Mittel zum Erwerb der Produkte aufwenden müssen als unter Wettbewerbsbedingungen. Es tritt somit ein Wohlfahrtsverlust ein (deadweight loss).211 Auf dieser ökonomischen Grundtellrecht überwachten Rechtsgeschäften und sonstigen Handlungen beteiligt. Auch aus diesem Grund erscheint das Vertragsrecht besser als das Kartellrecht geeignet, die Spezifika von Beziehungen zwischen „Unternehmern“ und „Verbrauchern“ im Sinne des allgemeinen Verbraucherschutzes präzise zu regulieren. 208 Zu Art. 101 Abs. 3 AEUV vgl. Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 223 ff.; zu Art. 102 AEUV vgl. Bunte, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 11; vgl. auch zur wettbewerbswidrigen Marktverschließung die Mitteilung der Kommission zu den Prioritäten bei der Anwendung von Artikel 82 EGV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch vom 24. 2. 2009, ABl. 2009 C 45, 2, Rn. 19, auch hier wird der Begriff des „Verbrauchers“ dergestalt angewendet, dass nicht lediglich Endverbraucher, sondern alle direkten und indirekten Abnehmer des marktbeherrschenden Unternehmens erfasst sind. 209 Art. 101 Abs. 3 AEUV soll wohlfahrtsökonomisch sinnvolle Koordinationen zwischen Unternehmen legalisieren und damit Effizienzgewinne bewirken, vgl. Ellger, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 7. Ebenso sind bei Art. 102 AEUV die „Verbraucher“ lediglich Maßstab für die Realisierung von Effizienznachteilen, vgl. nur EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 86 (British Airways). Darüber hinaus wird die Verankerung des „Verbrauchers“ in den genannten Normen teilweise als eine Verankerung des wohlfahrtsökonomischen Ansatzes im Primärrecht interpretiert, s. o. § 2 II. 3. 210 Blair/Kaserman, Antitrust Economics, 22 f. 211 Vgl zu den vorstehenden Aussagen nur ebenda, 36 f.
III. Vergleich
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annahme basiert das Kartellrecht. Dabei wendet es sich gegen die Ausnutzung von (monopolistischer) Marktmacht, versucht also, die Fehlanreize monopolistischer Marktstrukturen zu korrigieren. Zudem werden koordinierte Verhaltensweisen untersagt, da mehrere Unternehmen durch ein solches Vorgehen den Wettbewerb umgehen können und dieselben ökonomischen Konsequenzen hervorrufen wie durch ein Monopol.212 Das Kartellrecht ist daher nur ein Werkzeug, mittels dessen die ökonomisch als optimal bewerteten Wirkungen des freien Wettbewerbs erreicht werden sollen.213 Diese ökonomische Begründung des Kartellrechts, die üblicherweise vereinfachend anhand der Beziehung von Produzent und Verbraucher erläutert wird, lässt sich jedoch gerade auch auf komplexere Wertschöpfungsketten übertragen. Der Verkauf von Gütern erfolgt in einer industrialisierten, arbeitsteiligen Wirtschaft regelmäßig nicht direkt durch den Hersteller an den Endverbraucher. Die in der ökonomischen Literatur verwendeten Begriffe „Produzent“ und „Verbraucher“ sind jedoch nicht im Wortsinne zu verstehen. Das Modell zur Beschreibung monopolistischer Angebotsoder Nachfragestrukturen erfasst ohne Weiteres Transaktionen zwischen anderen Marktstufen. Es erfasst selbst Transaktionen zwischen zwei Marktstufen, von denen auf keiner ein Produkt physisch „aufgebraucht“ oder weiterverarbeitet wird. Man denke hier an das Verhältnis zweier Händler, etwa solcher auf der Großhandels- und Einzelhandelsstufe. Hier wird ein Produkt lediglich weitergegeben und durch die Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis ein Profit erzielt. Es wird jedoch weder etwas produziert noch etwas physisch verbraucht. Dennoch werden durch eine solche Transaktion Anreize zur Nachbestellung bei der nächsthöheren Marktstufe gesetzt und damit unmittelbar die Wertschöpfungskette in Gang gesetzt und gesteuert. Diese Systematik lässt sich auch auf Märkte für unkörperliche Produkte übertragen: Die Monopolisierung von Innovationsmärkten kann ebenfalls wohlfahrtsschädlich wirken.214 Vor dem Hintergrund des Gesagten ließe sich daher auch annehmen, dass die herkömmliche ökonomische Begründung des Kartellrechts auch auf den Kapitalmarkt zu gelten hat. Speziell auf dem Sekundärmarkt ist es jedoch fragwürdig, ob die Steuerungswirkung des Wettbewerbs in der geschilderten Weise Wirkung entfaltet. Hier handeln die Parteien stets mit einem beschränkten Kontingent. Ein durch die Stückzahl der emittierten Wertpapiere strikt begrenzter Vorrat wird unter den Marktteilnehmern weitergegeben. Dabei wird das gehandelte Produkt weder aufgebraucht noch sonst einer Verwendung auf einer nachgelagerten Marktstufe zugeführt. Die Wertpapiere können unter den Marktteilnehmern theoretisch beliebig oft und lange umhergetauscht werden, ohne durch die Nachfrage der Anleger eine weitere „Produktion“ anzuregen. Damit sei nicht gesagt, dass der Handel am Kapitalmarkt keine ökonomisch sinnvollen Anreize liefert. Die Liquidität des Sekundärmarktes bietet nämlich 212 213 214
Jedenfalls für einen kurzen Zeitraum, vgl. dazu ebenda, 175 ff. Ebenda, 4. Vgl. Tandon, 90 J. Polit. Econ. (1982), 470.
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
durchaus einen Anreiz für Unternehmen, sich durch die Emission von Wertpapieren am Primärmarkt frisches Kapital zu beschaffen.215 Dabei ist auch vorstellbar, dass es einen (mittelbaren) Zusammenhang zwischen den erzielten Preisen auf dem Sekundärmarkt und der Emission von Wertpapieren derselben Art auf dem Primärmarkt gibt. Insofern könnte man die Emission von Wertpapieren auf dem Primärmarkt mit der Produktion von Gütern vergleichen, die durch den Handel auf dem Sekundärmarkt angetrieben wird. Es gibt aber keine Produktion im Sinne einer Wertschöpfungskette, die wie auf dem Realmarkt unmittelbar durch die Nachfrage der nachgelagerten Marktebenen gesteuert würde. Der Preis eines Wertpapiers auf dem Sekundärmarkt bezieht sich auch überhaupt nicht auf „neue“ Wertpapiere, sondern auf ein Wertpapier aus dem bestehenden Vorrat. Der Preis hängt daher zwar vom Angebot auf dem Sekundärmarkt ab, aber nicht von einer jeweils (etwa tagesaktuell) produzierten Menge auf dem Primärmarkt. Der Wettbewerb auf Sekundärmärkten für Wertpapiere steuert daher keine Produktionsmenge und umgekehrt hängt der Preis eines Wertpapiers nicht direkt von einer Produktionsmenge ab. Es sind auch Realmärkte vorstellbar, auf die diese Beobachtungen übertragen werden können. So mögen Märkte für Immobilien, Antiquitäten oder Sammlerstücke in Einzelfällen ähnliche Tendenzen aufweisen. Ob auf solchen Märkten eine Kartellrechtsanwendung sachgerecht ist, könnte daher mit den gleichen Argumenten hinterfragt werden. Dass Wertpapiere am Sekundärmarkt nur zirkulieren und nicht nachproduziert werden ändert freilich nichts daran, dass ihr Verkauf volkswirtschaftliche Auswirkungen hat. Genauso wie man am Realmarkt ein deadweight loss mithilfe der Schnittmengen von Angebots- und Nachfragekurve identifizieren kann, lassen sich auch am Sekundärmarkt Angebot und Nachfrage quantifizieren und entsprechende Verzerrungen möglicherweise als deadweight loss formulieren. Die Unterschiede sind gleichwohl offensichtlich. Ein Anbieter auf dem Sekundärmarkt steuert keinen output; Verkauf oder Halten eines Papieres sind seine einzigen Optionen. Sobald er Wertpapiere einer Gattung veräußert hat, hat er keinerlei direkten Einfluss auf ihre weitere Preisentwicklung. Unterstellt man, dass es auf dem Sekundärmarkt Monopolisten geben kann, was im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch in Frage zu stellen sein wird, so hätten diese jedenfalls keine Möglichkeit, langfristig Preise zu erhöhen. Es gibt also keine Langfrist-Perspektive von Preispolitik und output einzelner Anbieter. Anders als auf dem Realmarkt gibt es auf dem Sekundärmarkt auch keinen Wohlfahrstransfer in fest identifizierbare Richtungen. Hier gibt es keine feste Rollenverteilung von Konsumenten und Anbietern, weil der Kauf eines Wertpapiers die Marktpositionen spiegelt. Die Rollen lassen sich nur in Bezug auf einzelne Geschäfte festlegen, nicht jedoch bezüglich bestimmter Marktteilnehmer. An späterer Stelle der
215
s. o. § 2 I. 1. b).
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Arbeit wird noch darzulegen sein, welche Konsequenzen diese Umstände für die Wettbewerbsbeziehungen am Sekundärmarkt haben.216 Zusammenfassend kann hier jedoch bereits folgendes gesagt werden: Die Angebots- und Nachfragestrukturen auf dem Sekundärmarkt unterscheiden sich erheblich von jenen auf dem Realmarkt. Inwiefern die Wohlfahrtswirkungen von Verzerrungen des Angebots und der Nachfrage mit dem auf Realmärkten beschriebenen deadweight loss tatsächlich übereinstimmen, sei an dieser Stelle offengelassen. Jedenfalls steht es fest, dass sich die Steuerungswirkung des Wettbewerbes auf dem Kapitalmarkt in anderer Weise entfaltet als auf herkömmlichen Absatzmärkten. c) Fazit zur Effizienz Gerade im EU-Kartellrecht lassen sich neben der Effizienzorientierung weitere Wertungen ausmachen.217 Mit Effizienzorientierung im Kapitalmarktrecht und EUKartellrecht sind zudem unterschiedliche Aspekte gemeint. Zwar tragen beide Rechtsgebiete letztlich marktsteuernd zur optimalen Ressourcenallokation bei und dienen damit der Wohlfahrtsförderung. Die Ansatzpunkte unterscheiden sich jedoch. Im EU-Kartellrecht wird direkt die Ebene der Allokation betrachtet und durch Interventionen optimiert. Das Kapitalmarktrecht hat unmittelbar nur die Effizienz der Abläufe auf dem Markt im Blick, was durch hohe Liquidität, bessere Informationsproduktion etc. dem übergeordneten Zwecke der Allokation dient. „Effizienz“ ist in den beiden Systemen also auf unterschiedlichen Analyseebenen die bestimmende Zielvorgabe. Ferner sind Zweifel daran aufgekommen, ob am Sekundärmarkt Marktstrukturen entstehen können, in denen die vom Kartellrecht erfassten Wohlfahrtsverluste (deadweight loss) eintreten. 3. Fazit zum Vergleich Das Kapitalmarktrecht hat die Besonderheit, spezifisch am Erhalt und der Effizienzsteigerung der Abläufe auf den Kapitalmärkten interessiert zu sein. In dieser Hinsicht ist es nicht vergleichbar mit dem Kartellrecht, das die pauschalere Zielsetzung hat, Wettbewerbsbeschränkungen auf sämtlichen Märkten zu verhindern. Ein gewichtiger gemeinsamer Nenner der beiden Rechtsgebiete ist zwar deren Ausrichtung an Effizienzkriterien. Für das Kapitalmarktrecht lässt sich diese Maßgabe nahezu uneingeschränkt als Zielvorgabe nennen, während für das EUKartellrecht andere Wertungen eine stärkere Rolle spielen. Allerdings haben die 216
Die Unstetigkeit der Marktstrukturen wirkt sich entscheidend auf die kartellrechtliche Marktabgrenzung aus, vgl. dazu ausführlich unten § 4 I. 3. c) bb). 217 Vgl. o. § 2 II.; so auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 25 ff.
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§ 2 Kapitalmarkt- und EU-Kartellrecht als Bestandteile des Wirtschaftsrechts
beiden Rechtsgebiete unterschiedliche Herangehensweisen an die Zielvorgabe der Effizienzförderung bzw. werden die Effizienzkriterien auf unterschiedlichen Ebenen angesetzt. Insofern kann selbst bei einer Festlegung auf das Ziel der Effizienz nicht von identischen Funktionsweisen ausgegangen werden. Vielmehr erfüllen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht offensichtlich unterschiedliche Aufgaben im Gefüge des Wirtschaftsrechts. Beide Rechtsgebiete widmen sich spezifischen Erscheinungsformen von Marktversagen. Das Kapitalmarktrecht hat Herausforderungen des Kapitalmarktes zu überwinden, namentlich Informationsasymmetrien und widerstreitende Interessen der Marktteilnehmer.218 Das Kartellrecht behandelt Marktversagen durch wettbewerbsschädliche unternehmerische Verhaltensweisen. Für den Sekundärmarkt hat sich gezeigt, dass dort die Steuerungswirkung des Wettbewerbs jedenfalls nicht mit klassischen Absatzmärkten übereinstimmt. Zu der an diesen Befund anknüpfenden Frage, ob die vom Kartellrecht adressierten Formen von Marktversagen auf dem Sekundärmarkt und dem Primärmarkt überhaupt möglich sind, verspricht die an späterer Stelle vorzunehmende Prüfung auf materiellrechtlicher Ebene219 weiteren Aufschluss.
218 s. bereits o. § 2 I. 1. d); Caspari, NZG 2005, 98, 98: „zwei Kardinalprobleme des Kapitalmarktes“. 219 s. u. § 4.
§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen und behördliche Zuständigkeiten Mit dem Kapitalmarktrecht existiert für den Kapitalmarkt ein marktspezifisches Rechtsgebiet. Auf dieser Grundlage ließe sich annehmen, dass die Anwendung eines zusätzlichen marktordnenden Regelungssystems wie dem allgemein gefassten Kartellrecht für den vom Kapitalmarktrecht geregelten Bereich grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Es wird jedoch nachfolgend aufgezeigt, dass es keine entsprechende Bereichsausnahme im EU-Kartellrecht gibt und eine solche auch nicht pauschal befürwortet werden kann (I.). Anschließend wird auf Aufsichtsebene dargelegt, welche Behörden in Deutschland für die Durchsetzung des EU-Kartellrechts zuständig sind (II.). Dabei wird hinterfragt, ob eine Tätigkeit des Bundeskartellamtes (BKartA) für den Bereich des Kapitalmarktes neben der Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wünschenswert ist.
I. Bereichsausnahme? 1. Keine normierte Bereichsausnahme Das EU-Kartellrecht ist sachlich umfassend anwendbar.220 Es existiert nur eine einzige normierte Bereichsausnahme, namentlich jene für den Agrarsektor in Art. 42 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH enthalten die Verträge ausdrückliche Ausnahmeregelungen, falls das Wettbewerbsrecht auf bestimmte Tätigkeiten nicht anzuwenden sein sollte.221 Eine normierte EU-kartellrechtliche Bereichsausnahme für den Kapitalmarkt existiert jedoch nicht. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang allenfalls, dass es im deutschen Kartellrecht mit § 102 GWB a. F. eine grundsätzliche Freistellung der Kredit- und Versicherungswirtschaft vom Kartellverbot gab,222 die jedoch Schritt für Schritt abgeschwächt und mit der siebten GWB220
Bunte, in: Langen/Bunte, Einl. zum EU-Kartellrecht Rn. 49. EuGH, Urt. v. 30. 4. 1986, ECLI:EU:C:1986:188, Rn. 40 (Asjes); für die Anwendbarkeit auf den Versicherungssektor: EuGH, Urt. v. 27. 1. 1987, ECLI:EU:C:1987:34, Rn. 12 (Verband der Sachversicherer). 222 Die Banken wurden damit lediglich einer Missbrauchsaufsicht unterworfen, s. Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 41 ff., insbes. 43 f.; vgl. auch Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien in der Rechts- und Wirtschaftsordnung, 17; Schneider, in: Wiedemann (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 1543 ff. 221
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
Novelle endgültig abgeschafft wurde.223 Im europäischen Kartellrecht hat es hingegen nie eine vergleichbare Norm gegeben.224 Zum Finanzsektor ist überdies zu beachten, dass Banken auch nicht in den Genuss des Art. 106 Abs. 2 AEUV kommen.225 2. Implizite Bereichsausnahme: Rechtsprechung und Literatur Das Fehlen einer normierten Bereichsausnahme ist kein zwingendes Argument für eine Anwendbarkeit des Kartellrechts, da dem EU-Kartellrecht implizite Bereichsausnahmen nicht fremd sind.226 Das OLG Stuttgart lehnte jüngst eine Anwendung des EU-Kartellrechts auf Wertpapiertransaktionen ab, da dies „dem Wesen des Wertpapiermarktes widerspräche“227. Mit dem Begriff „Wertpapiermarkt“ bezieht sich das Gericht mutmaßlich auf den Sekundärmarkt für Wertpapiere. Die Ansicht des OLG Stuttgart wird jedoch soweit ersichtlich in Literatur und Rechtsprechung nicht geteilt. Der EuGH hat sich mit der Frage zwar noch nicht befasst; etwa in Bezug auf den liberalisierten Markt für Telekommunikationsdienstleistungen ist er jedoch von einem Nebeneinander von Kartellrecht und branchenspezifischem Regulierungsrecht ausgegangen.228 Die Berücksichtigung sektorspezifischer Besonderheiten soll in derartigen Fällen über Art. 101 Abs. 3 AEUV erfolgen,229 der allerdings i.R.d. Missbrauchsaufsicht gem. Art. 102 AEUV kein Äquivalent hat.230 Obwohl es keine entsprechende Judikatur zu Kapitalmarktrecht und Kartellrecht gibt, muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass der EuGH eine kartellrechtliche Bereichsausnahme für den Kapitalmarkt ablehnen würde. Auch in der Literatur wird durchgehend eine parallele Anwendbarkeit der beiden Rechtsgebiete angenommen.231 Nach derzeitiger Rechtslage scheint die Anwendbarkeit des EU223 224 225
bank).
Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 47 ff., insbes. 58 ff. Ebenda, 61. EuGH, Urt. v. 14. 7. 1981, ECLI:EU:C:1981:178, Rn. 7 (Züchner/Bayerische Vereins-
226 Vgl. für arbeitsrechtliche Kollektivvereinbarungen die anerkannte Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV EuGH, Urt. v. 21. 9. 1999, ECLI:EU:C:1999:430 (Albany); EuGH, Urt. v. 21. 9. 1999, ECLI:EU:C:1999:434 (Brentjens‘); EuGH, Urt. v. 21. 9. 1999, ECLI:EU:C:1999:437 (Drijvende Bokken); EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, ECLI:EU:C:2000:428 (Pavlov); EuGH, Urt. v. 21. 9. 2000, ECLI:EU:C:2000:475 (van der Woude); EuGH, Urt. v. 3. 3. 2011, ECLI:EU:C:2011:112 (AG2R Prévoyance); EuGH, Urt. v. 4. 12. 2014, ECLI:EU:C:2014:2411, Rn. 17 – 20 (FNV Kunsten Informatie en Media); dazu näher Goldmann, EuZA 2015, 509. 227 OLG Stuttgart Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14, Rn. 158 – juris = AG 2015, 404, 404. 228 EuGH, Urt. v. 14. 10. 2010, ECLI:EU:C:2010:603, Rn. 78 ff. (Deutsche Telekom); näher dazu Brunell, 78 Antitrust Law J. (2012), 279, 279 ff. 229 EuGH, Urt. v. 27. 1. 1987, ECLI:EU:C:1987:34, Rn. 15 (Verband der Sachversicherer). 230 Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Einl. EU A Rn. 28. 231 Ausdrücklich Schwintowski, WM 2015, 834, 835; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 120 f.; wohl auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013,
I. Bereichsausnahme?
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Kartellrechts auf den Regelungsbereich des Kapitalmarktrechtes also gegeben. Gleichwohl wäre eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage wünschenswert, um verbleibende Zweifel auszuräumen. 3. Generelle Bereichsausnahme zu befürworten? Im Folgenden soll erörtert werden, ob eine kartellrechtliche Bereichsausnahme de lege ferenda geboten ist. Dabei soll zunächst ein Blick auf die Rechtslage in den USA geworfen werden und untersucht werden, ob die dortige implied immunity rule ein Vorbild für das EU-Kartellrecht sein kann [a)]. Schließlich fragt sich, ob eine Bereichsausnahme auf andere Begründungsansätze zu stützen ist [b) – c)]. a) USA: implied immunity Regulatorisch ist eine parallele Anwendung von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht nicht alternativlos. In den USA kann Regulierungsrecht ausdrücklich die Geltung des Kartellrechts ausschließen.232 Alternativ können die Gerichte auch eine implied immunity annehmen (auch partial immunity oder implied repeal). Nach dieser Doktrin schließt Regulierungsrecht für bestimmte Sachverhalte implizit die parallele Anwendung des antitrust law aus.233 Für Sachverhalte mit Kapitalmarktbezug nennt der US Supreme Court vier Voraussetzungen der implied immunity:234 (1) Eine Verhaltensweise im Kerngebiet des Kapitalmarktrechts, (2) die Kapitalmarktaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) hat eine klare und hinreichende Aufsichtsbefugnis, (3) aktive und andauernde behördliche Aufsichtstätigkeit, (4) das Risiko eines ernsthaften Konfliktes zwischen Kartellrecht und Regulierungsrecht. Die Grundsätze, von denen die implied immunity getragen wird, sind jedoch nicht auf den europäischen Kontext übertragbar. 1253, 1257 f.; Möllers, 10 C.M.L.J. (2015), 410, 424; Möllers, NZG 2014, 361, 365 f.; Anwendbarkeit unterstellt Thomas, ZWeR 2014, 119, 121 f. 232 Vgl. Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 270 (2007); Fishman/Fréget/Gabathuler, 7 CPI (2011), 33, 34. 233 Vgl. Supreme Court of the United States, Silver v. New York Stock Exchange, 373 U.S. 341 (1963); Gordon v. New York Stock Exchange, Inc., 422 U.S. 659 (1975); United States v. National Association of Securities Dealers, Inc., 422 U.S. 694 (1975); Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264 (2007); Fleischer, ZGR 2008, 185, 223; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 140 ff.; Fishman/Fréget/ Gabathuler, 7 CPI (2011), 33, 34 ff.; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1257; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 914 ff. 234 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 285 (2007): „(1) an area of conduct squarely within the heartland of securities regulations; (2) clear and adequate SEC authority to regulate; (3) active and ongoing agency regulation; and (4) a serious conflict between the antitrust and regulatory regimes.“; zur Auslegung dieser Grundsätze Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 158 ff.; Fishman/Fréget/Gabathuler, 7 CPI (2011), 33, 34 f.; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1257.
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
aa) Kompetenzkonflikte und drohende jury trials Die implied immunity ist vor dem Hintergrund des Miteinanders von Kartellgerichten und der SEC zu sehen. Zweck ist nicht lediglich, materielle Divergenzen zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht zu verhindern.235 Vielmehr besteht auch die Sorge, dass die Kartellgerichte in Fällen mit Kapitalmarktbezug nicht mit der nötigen Sachkunde agieren würden bzw. nicht zu einheitlichen Ergebnissen kämen.236 Zudem würde eine Anwendung des Kartellrechts die Zuständigkeit von Jury-Gerichten eröffnen. Bezüglich solcher Spruchkörper wird angenommen, dass sie mit der komplexen Materie überfordert wären.237 Insgesamt wird es für den Fall einer parallelen Zuständigkeit von Gerichten und Aufsichtsbehörde für wahrscheinlich gehalten, dass Marktteilnehmer zur Risikovermeidung selbst kapitalmarktrechtlich erlaubtes Verhalten unterlassen könnten (chilling effect).238 bb) Rolle der SEC Genau wie die BaFin in Deutschland wendet die SEC in den USA nicht unmittelbar Kartellrecht an.239 Demgegenüber berücksichtigt die SEC allerdings bei der Anwendung des Kapitalmarktrechts Belange des Wettbewerbs, wie es ansonsten nur dem Kartellrecht eigen ist. Eine parallele Anwendung des Kartellrechts wird in den USA auch vor diesem Hintergrund für entbehrlich gehalten.240 In Deutschland ist die BaFin nicht in vergleichbarer Weise dazu verpflichtet, kartellrechtliche Wertungen zu berücksichtigen.241
235
In Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264 (2007), wurde die implied immunity sogar bejaht, obwohl das untersuchte Verhalten nach beiden Rechtsgebieten verboten gewesen wäre. 236 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 281 f. (2007): „[…] these factors suggest that antitrust courts are likely to make unusually serious mistakes in this respect.“ 237 Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 629; darauf Bezug nimmt Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 281 f. (2007). 238 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 282 f. (2007); Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 925 ff. 239 Zur Aufsichtstätigkeit der BaFin s. u. § 3 II. 1. 240 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 283 (2007); Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 929 f. 241 Vgl. ausführlich Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 97 ff.
I. Bereichsausnahme?
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cc) Ausnahmecharakter der implied immunity Zuletzt ist hervorzuheben, dass die implied immunity Ausnahmecharakter hat.242 Die Gerichte überprüfen anhand eines konkreten Sachverhaltes, ob die Anwendung des Kartellrechts Wertungwidersprüche riskiert.243 Im Ergebnis wird das Kartellrecht nur ausgeschlossen, wenn andernfalls die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gefährdet wäre.244 Die implied immunity wurde zwar in der jüngeren Urteilspraxis ausgeweitet und das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Wertpapieren praktisch umgekehrt.245 In der Sache bleibt es jedoch dabei, dass die implied immunity nicht Ausdruck einer pauschalen Ungeeignetheit des Kartellrechts zur Regulierung des Kapitalmarktgeschehens ist. Vielmehr ist sie ein Instrument, mit dem in konkreten Anwendungsfällen auf Normkonflikte reagiert wird. dd) Fazit Die materielle Funktion als kartellrechtliche Bereichsausnahme ist nur eine Facette der implied immunity. Hinzu tritt die aufgezeigte spezifisch US-amerikanische Zuständigkeitsproblematik. Zudem greift die implied immunity nur in konkreten Ausnahmefällen. Insgesamt kann sie daher nicht als ein Vorbild für eine EU-kartellrechtliche Bereichsausnahme zugunsten des Kapitalmarktrechts herangezogen werden. Es wird jedoch im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu überprüfen sein, ob die materielle Anwendung von EU-Kartellrecht und Kapitalmarktrecht Normkonflikte oder gar einen chilling effect produziert, die im konkreten Fall die Priorisierung eines der beiden Rechtsgebiete analog zur implied immunity erfordern. b) Spezialitätsverhältnis zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht? Das Kapitalmarktrecht ist ein Rechtsgebiet, das speziell auf den Kapitalmarkt abgestimmt ist. Das Kartellrecht ist hingegen von allgemeiner Geltung. Dies könnte dafür sprechen, dass nach dem auch auf EU-Ebene anerkannten Grundsatz lex specialis derogat legi generali246 das Kapitalmarktrecht dem Kartellrecht vorgeht. 242 Supreme Court of the United States, Gordon v. New York Stock Exchange, 422 U.S. 659, 682 f. (1975); Silver v. New York Stock Exchange, 373 U.S. 341, 357 (1963); vgl. auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 165 m. w. N. 243 Fishman/Fréget/Gabathuler, 7 CPI (2011), 33, 34: „conflict factor is decisive“. 244 Vgl. Supreme Court of the United States, Silver v. New York Stock Exchange, 373 U.S. 341, 357 (1963); Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 166. 245 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 167. 246 EuGH, Urt. v. 19. 6. 2003, ECLI:EU:C:2003:356, Rn. 57 (Mayer Parry Recycling); EuG, Urt. v. 14. 7. 2005, ECLI:EU:T:2005:290, Rn. 122 (Le Voci/Rat); EuGH, Urt. v. 5. 11. 2014, ECLI:EU:T:2014:926, 198 f. (Mayaleh/Rat); EuGH, Urt. v. 30. 4. 2014, ECLI:EU:
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
Herkömmlicherweise wird der Grundsatz so verstanden, dass die speziellere Norm vollumfänglich den Regelungsgehalt der allgemeineren Norm berücksichtigt, aber über diese hinausgeht.247 Ebenso greift er, wenn eine Norm für einen speziellen Sachverhalt spezielle Vorgaben macht.248 Dies könnte etwa für das Kapitalmarktrecht angenommen werden. Aus normenhierarchischen Gründen scheint es fragwürdig, ob das Kapitalmarktrecht einen generellen Vorrang vor dem EU-Kartellrecht haben kann.249 Durch die vielen nationalen Einflüsse im Kapitalmarktrecht ließe sich der Geltungsanspruch des Kartellrechts bereits aus dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts250 schließen. Ferner ist das EU-Kartellrecht primärrechtlich, nämlich in den Art. 101 ff. AEUV verankert. Das Kapitalmarktrecht besteht demgegenüber neben den nationalen Normen aus EU-Sekundärrecht. Ein Spezialitätsverhältnis wird verbreitet nur in derselben Normebene für möglich gehalten.251 Tatsächlich ist es jedoch auch möglich, dass ein sekundärrechtlicher Akt eine sachnähere und primärrechtskonforme Ausgestaltung des Primärrechts ist, und daher vorrangig angewendet wird. Dies ist im Bereich der Grundfreiheiten anerkannt.252 Dass das Kapitalmarktrecht eine solche spezialgesetzliche Ausgestaltung des Kartellrechts ist, kann jedoch keinesfalls angenommen werden. Es handelt sich um zwei verschiedenartige und vielfältige Regelungskomplexe. Das Kartellrecht ist in Teilen sogar ähnlich ausdifferenziert wie das Kapitalmarktrecht (vgl. etwa die Gruppenfreistellungsverordnungen). Die Rechtsgebiete haben keinen kongruenten Regelungsgehalt. Daneben sind ihnen unterschiedliche Funktionen zugewiesen.253 Unter diesen Voraussetzungen kann kein allgemeines Spezialitätsverhältnis angenommen C:2014:279, Rn. 44 (Barclays Bank); EuG, Urt. v. 22. 4. 2016, ECLI:EU:T:2016:233, Rn. 78 ff. (Italien/Kommission). 247 Dies entspricht dem Inhalt des Lex-specialis-Grundsatzes, wie er allgemein begriffen wird. Er wird zwar üblicherweise nur auf einzelne Rechtsnormen bezogen. Die hier zur Frage gestellte abstrakte Spezialität eines gesamten Rechtssystems müsste jedoch konsequenterweise anhand der gleichen Kriterien zu beurteilen sein. Zu lex specialis derogat legi generali vgl. Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 407; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 266 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass es zudem darauf ankommt, ob die speziellere Norm die allgemeinere tatsächlich verdrängen soll, was durch teleologische und systematische Auslegung zu ermitteln ist. Ein Beispiel für eine derartige Parallelität ist etwa explizit in § 15 Abs. 2 ProdHaftG normiert. Ebenso explizit § 16 StVG für die in §§ 7 ff. StVG normierte Haftungspflicht. 248 So etwa in EuG, Urt. v. 14. 7. 2005, ECLI:EU:T:2005:290, Rn. 120 ff. (Le Voci/Rat): „where there are special rules governing specific matters“. 249 So Bueren, WM 2013, 585, 595. 250 Vgl. zum Anwendungsvorrang EuGH, Urt. v. 15. 7. 1964, ECLI:EU:C:1964:66, 1269 ff. (Costa/E.N.E.L.); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 16 ff. 251 Husmann, NZS 2010, 655, 656; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 30; ebenso Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 267. 252 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 2. 10. 2010, ECLI:EU:C:2010:725, Rn. 41 (Ker-Optika); Ehlers, in: ders. (Hg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 243 f.; verallgemeinernd Schiff, EuZW 2015, 899, 901 ff. 253 s. o. § 2 III.
I. Bereichsausnahme?
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werden.254 Damit ist allerdings noch keine Aussage über ein Spezialitätsverhältnis in Bezug auf einzelne Normen getroffen. c) Kein grundsätzlicher Konflikt zwischen Kartellrecht und Kapitalmarktrecht Eine implizite Bereichsausnahme des Kartellrechts käme schließlich in Betracht, wenn die Anwendung des Kartellrechts zu einem grundsätzlichen, gravierenden Konflikt mit dem Kapitalmarktrecht führen würde. So ist etwa anerkannt, dass die Anwendung des Kartellverbotes gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV auf arbeitsrechtliche Kollektivvereinbarungen der Tarifautonomie der Arbeitnehmer widersprechen würde, deren Schutz primärrechtlich in Art. 153 Abs. 5 AEUV sowie Art. 28 GRCh verankert ist.255 Ein solcher Konflikt ist jedoch auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht ersichtlich. 4. Ergebnis Eine pauschale Bereichsausnahme des Kartellrechts zugunsten des Kapitalmarktrechts kann an dieser Stelle nicht befürwortet werden. Generell erscheint es nötig, kartellrechtlichen Bereichsausnahmen bzw. Bereichsausnahmen des Wettbewerbs äußerste Skepsis entgegenzubringen. Die Unterbindung von freiem Wettbewerb ist in den wenigsten Fällen ökonomisch sinnvoll. Häufig sind nicht absehbare schädliche Nebenwirkungen die Konsequenz.256 Andererseits müssen an diesem Punkt der Untersuchung zahlreiche Fragen offengelassen werden. Sollten sich im materiellen Schnittbereich von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht wie in den USA Grenzfälle ergeben, bei denen eine ökonomisch schädliche Kartellrechtsanwendung bzw. ein chilling effect droht, könnte eine andere Bewertung gerechtfertigt sein. Es ist weiterhin denkbar, dass einzelne Rechtssätze des Kapitalmarktrechtes als spezialgesetzliche Regelungen solche des Kartellrechts verdrängen.
254 Vgl. ähnlich EuG, Urt. v. 22. 4. 2016, ECLI:EU:T:2016:233, Rn. 83 f. (Italien/Kommission): „[…] hat der Gerichtshof nämlich […] klar zwischen den jeweiligen Zuständigkeiten des Rates und der Kommission […] unterschieden. Er hat außerdem für Recht erkannt, dass das in […] vorgesehene Verfahren eine andere Zielsetzung und einen anderen Anwendungsbereich als die Regelung nach […] hat. Folglich handelt es sich […] um zwei Komplexe autonomer Vorschriften, wobei Erstere im Verhältnis zu Letzteren nicht als lex specialis betrachtet werden können.“; vgl. auch Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2050: kein offenkundiges Spezialitätsverhältnis zwischen WpHG/WpÜG und Art. 101 ff. AEUV; vgl. zur Frage nach einem Über-/ Unterordnungsverhältnis zwischen Kartellrecht und Verbraucherschutzrecht Ackermann, in: FIW (Hg.), Herausforderungen für die Wettbewerbsordnung, 73, 74 ff. 255 Vgl. zu dieser sog. „Albany-Bereichsausnahme“ o. Fn. 226. 256 Woll, Volkswirtschaftslehre, 276.
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
II. Behördliche Aufsicht des Verhaltens auf dem Kapitalmarkt Sowohl das Kapitalmarktrecht als auch das EU-Kartellrecht lösen in bestimmten Fällen zivilrechtliche Individualansprüche bzw. zivilrechtliche Rechtsfolgen aus, was in Verfahren vor Zivilgerichten relevant sein kann. Hierauf wird noch an geeigneter Stelle einzugehen sein.257 Komplementär zur privaten steht die öffentliche Rechtsdurchsetzung von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktgeschehen, die in diesem Abschnitt näher beleuchtet werden soll. Die Durchsetzung des Kapitalmarktrechts ist dabei unproblematisch und sei daher nur vorab kurz skizziert (1). Problematischere Fragen stellen sich hier im Zusammenhang mit der Anwendung des Kartellrechts auf das Kapitalmarktgeschehen. Für Deutschland ist dazu zunächst das Verhältnis von BKartA und BaFin zu klären (2.). Im Anschluss wird die derzeitige Zuständigkeitsverteilung kritisch hinterfragt (3.). 1. Kapitalmarktaufsicht in Deutschland Die Kapitalmarktaufsicht in Deutschland ist dreistufig gegliedert. Die oberste Stufe bildet die BaFin, es folgen die Börsenaufsichtsbehörden der Länder258 sowie die Börsen259 mit ihren Handelsüberwachungsstellen.260 Hier ist jedoch nur die Tätigkeit der BaFin von Bedeutung. Die BaFin stellt einen Zusammenschluss dreier ehemaliger Bundesaufsichtsämter dar, nämlich des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen sowie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel.261 Dadurch ist sie eine sogenannte Allfinanzaufsicht.262 Die BaFin übt die Aufsicht nach dem WpHG aus263 und
257 Vgl. u. § 4 I. 2. f) cc) (zur Marktmanipulation); § 4 I. 3. f. (zum EU-Kartellrecht); § 4 II. 2. b) bb) (2) (d) (zur Prospekthaftung u. a.); § 4 II. 2. b) cc) (2) (zur Ad-hoc-Publizität). 258 Die Börsenaufsichtsbehörden der Länder üben „die Aufsicht über die Börse nach [dem BörsG] aus“, s. § 3 Abs. 1 S. 1 BörsG. 259 Die Handelsüberwachungsstellen der Börsen überwachen „den Handel an der Börse und die Börsengeschäftsabwicklung“, s. § 7 Abs. 1 S. 1 BörsG, wonach dies zudem „unter Beachtung von Maßgaben der Börsenaufsichtsbehörde“ zu erfolgen hat. 260 Zum dreistufigen Aufsichtssystem Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 346; Beck, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 3 BörsG Rn. 2; Volz, Die Zukunft der europäischen Kapitalmarktaufsicht, 3 ff. Vgl. auch Walla, Die Konzeption der Kapitalmarktaufsicht in Deutschland, 24, der die Börsenaufsicht aufgrund unterschiedlicher Gesetzgebungskompetenzen nicht als Teil der Kapitalmarktaufsicht sehen möchte; begrifflich ebenso Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 1473 ff. 261 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 FinDAG. 262 s. Seyfried, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 129. Die ehemalige Aufsichtsstruktur spiegelt sich noch in den verschiedenen Geschäftsbereichen der BaFin wider, vgl. § 6 Abs. 4 FinDAG. 263 s. § 6 Abs. 1 S. 1 WpHG.
II. Behördliche Aufsicht des Verhaltens auf dem Kapitalmarkt
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überwacht die Einhaltung seiner Vorschriften.264 Dazu gehört auch die Überwachung des Handels mit Wertpapieren.265 Die BaFin ist in Deutschland ferner auch die zuständige Behörde für die Zwecke der Marktmissbrauchsverordung.266 Im Bereich des Primärmarktes ist die Behörde zudem für die Prüfung und Billigung von Wertpapierprospekten zuständig.267 Für Näheres zu Aufgaben und Befugnissen der BaFin sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.268 Im Interesse der Vollständigkeit sei zuletzt erwähnt, dass sich die nationalen Aufsichtsbehörden in das European System of Financial Supervision (ESFS) einfügen, zu dem auch die drei European Supervisory Authorities (ESA) gehören.269 Die für Transaktionen auf dem Kapitalmarkt relevante Behörde ist die European Securities and Markets Authority (ESMA), welche jedoch grundsätzlich nicht gegenüber konkreten Marktteilnehmern agiert,270 sondern u. a. nationale Aufsichtsbehörden überwacht und eine koordinierende Rolle zwischen ihnen wahrnimmt sowie technische Regulierungs- und Durchführungsstandards erarbeitet.271 An dieser Konzeption ändert sich auch durch das neue Marktmissbrauchsrecht nichts Grundsätzliches.272
264
s. § 6 Abs. 2 S. 1 WpHG. s. insbes. § 6 Abs. 1 S. 2 WpHG; näher Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 347. 266 § 6 Abs. 5 S. 1 WpHG; Art. 22 MAR; s. die Liste der zuständigen Behörden der Kommission, https://ec.europa.eu/info/system/files/mar-2014-596-art-22-list_en.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 267 § 13 f. WpPG; dies gilt grundsätzlich für Emittenten mit Sitz in Deutschland; näher dazu von Kopp-Colomb, in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hg.), WpPG VermAnlG, § 13 WpPG Rn. 8; vgl. auch Schlitt/Wilczek, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 137 ff. 268 s. etwa Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 346 ff.; vgl. auch Walla, Die Konzeption der Kapitalmarktaufsicht in Deutschland, 50 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 1478 ff.; Volz, Die Zukunft der europäischen Kapitalmarktaufsicht, 4 ff. 269 Die drei Behörden sind die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA), Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) und Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA). Vgl. die VO (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung der EIOPA, ABl. 2010 L 331, 48; VO (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung der EBA, ABl. 2010 L 331, 12; VO (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung der ESMA, ABl. 2010 L 331, 84. Zum ESFS gehört ferner das European System Risk Board (ESRB), VO (EU) Nr. 1092/2010 zur Errichtung des ESRB, ABl. 2010 L 331, 1. Näher zum ESFS Kämmerer, NVwZ 2011, 1282; Selmayr, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rn. 45 ff. 270 Eine Ausnahme bildet die Aufsicht der ESMA über Rating-Agenturen, vgl. VO (EU) Nr. 513/2011 zur Änderung der VO (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU 2011 L 145, 30; dazu Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, Einl. Rn. 118, Rn. 71. 271 Vgl. VO (EU) Nr. 1059/2010 zur Errichtung der ESMA, ABl. 2010 L 331, 84, Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, Einl. Rn. 118; zur Rolle der ESMA als Wächterin über die BaFin ausführlich Walla, Die Konzeption der Kapitalmarktaufsicht in Deutschland, 25 ff. 272 Dazu näher Poelzig, NZG 2016, 492, 493. 265
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2. Kartellrechtsaufsicht auf dem Kapitalmarkt: Status quo Die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV obliegt gem. Art. 4 – 6 VO 1/ 2003273 der Kommission (Art. 4) sowie den mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden (Art. 5) und Gerichten (Art. 6). Die Auslegung und Anwendung des EUKartellrechts ist geprägt durch die Rechtsprechung der Unionsgerichte.274 Die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte müssen im Einklang mit bereits vorliegenden Entscheidungen der Kommission handeln.275 Zudem entfällt die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden, sobald die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Art. 7 – 10 VO 1/2003 einleitet.276 Da hier die Aufsicht über das Verhalten der Kapitalmarktteilnehmer untersucht wird und dies aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive primär durch die nationalen Aufsichtsbehörden erfolgt, bietet sich zur besseren Kontrastierung ein Fokus auf die nationale Kartellrechtsaufsicht an. Die deutschen Wettbewerbsbehörden i. S. d. VO 1/2003 sind das BKartA sowie die obersten Landesbehörden. Dies gilt entsprechend ihrer Zuständigkeit nach § 48 f. GWB.277 Gem. § 48 Abs. 2 S. 1 GWB ist vorbehaltlich einer Spezialzuweisung das BKartA zuständig, wenn die Wirkung des fraglichen Verhaltens oder einer Wettbewerbsregel „über das Gebiet eines Landes hinausreicht“.278 Da dies bei Verhaltensweisen an Kapitalmärkten die Regel bilden dürfte, soll im Folgenden eine Zuständigkeit des BKartA unterstellt werden. Für einen derartigen Fall ist die Behörde sachlich umfassend und sektorunabhängig zur Anwendung des Kartellrechts bemächtigt.279 Ausnahmen gelten nur, soweit spezielle Vorschriften die Aufgaben des BKartA anderen Behörden zuweisen.280 Für die Anwendung des Kartellrechts auf den Handel auf dem Kapitalmarkt bzw. den Bereich des Kapitalmarktes insgesamt existiert keine derartige Zuweisung (etwa an die 273 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. 12. 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1, 1. 274 Gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV sichern die Unionsgerichte „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“. Näher zur Zuständigkeit der Unionsgerichte in diesem Kontext Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 56. 275 Art. 16 Abs. 2 (Behörden) bzw. Abs. 1 (Gerichte) VO 1/2003. 276 Art. 11 Abs. 6 VO 1/2003. 277 Art. 35 Abs. 1 VO 1/2003 i. V. m. § 50 Abs. 1 GWB. 278 Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte gem. Art. 6 VO 1/2003 bleibt erhalten. Dabei ist für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten auf § 87 GWB hinzuweisen, wonach eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte gegeben ist. Für Verwaltungsrechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Kartellbehörden ist nach § 63 Abs. 1, 4 GWB die Beschwerde grundsätzlich zum für den Sitz der Kartellbehörde zuständigen Oberlandesgericht statthaft. Dabei handelt es sich um eine abdrängende Sonderzuweisung, die umfassend für alle kartellrechtlichen Maßnahmen der Kartellbehörden greift, vgl. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 63 GWB Rn. 1. 279 So kommt dem GWB universale Geltung zu, demnach ist auch die Kompetenz des BKartA sektorunabhängig, vgl. Klaue, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 48 GWB Rn. 22. 280 Vgl. zu diesen Ausnahmen Klaue, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 48 GWB Rn. 22 ff.
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BaFin). Es gibt also keine ausschließliche Zuständigkeit der BaFin in Fällen im Schnittbereich zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht.281 Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die BaFin bei kartellrechtlich relevanten Sachverhalten intervenieren könnte, davon ausgehend, dass derartige Sachverhalte auch aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Handlungsbedarf begründeten. Dabei würde die BaFin allerdings kein EU-Kartellrecht anwenden. Auch die Generalbefugnisnorm des § 6 Abs. 1 WpHG ermöglicht keine gleichlaufenden Maßnahmen.282 Insgesamt ist daher das BKartA auch für den Bereich des Kapitalmarktes zur Einhaltung des Kartellrechts berufen. 3. Kartellrechtliche Kompetenzen für die BaFin? a) Beispiel Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland Eine andere Aufgabenverteilung sei am Beispiel des Vereinigten Königreiches illustriert. Hier ist die für das Verhalten auf dem Kapitalmarkt zuständige Aufsichtsbehörde, die Financial Conduct Authority (FCA), seit dem 1. 4. 2015 mit der Befugnis ausgestattet, neben dem Kapitalmarktrecht auch das britische und europäische Kartellrecht anzuwenden.283 Parallel bleibt die Competition and Markets Authority (CMA) zuständig für die Anwendung des Kartellrechts.284 Die FCA ist zwar anders als die BaFin in Deutschland285 keine Allfinanzaufsichtsbehörde,286 sie 281 Vgl. auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 100 f. 282 § 6 WpHG dient anders als die nach der VO 1/2003 und dem GWB zur Verfügung stehenden Instrumente bereits nur der Gefahrenabwehr, nicht der Sanktion, vgl. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 4 WpHG Rn. 37. 283 Sec. 234I-234O Financial Services and Markets Act 2000, eingeführt durch Schedule 8 para. 3 Financial Services (Banking Reform) Act 2013; vgl. zu dieser Neuerung das PSR Consultation Paper 15/1: PSR Competition Concurrency Guidance“, vom 26. 1. 2015, www.psr. org.uk/sites/default/files/media/PDF/psr-cp15-01.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); sowie das „Policy Statement 15/18: FCA Competition Concurrency Guidance and Handbook amendments: Feedback on CP15/01, finalised guidance and rules“, www.fca.org.uk/your-fca/documents/policy-statements/ps15-18 (abgerufen am 27. 12. 2018). Aus diesen beiden Dokumenten ergibt sich die Vorgehensweise der FCA bei der Wahrnehmung ihrer nun hinzugewonnenen Befugnisse. 284 Vgl. sec. 234I(1) Financial Services and Markets Act 2000: „concurrent functions“. 285 Seyfried, in Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 129. 286 So war die Vorgängerbehörde Financial Services Authority (FSA) von 2001 bis 2013 eine Allfinanzaufsicht, vgl. nur Zhang, 30 JIBFL (2015), 220, 223. Die zum 1. 4. 2013 tätig gewordene FCA agiert nun gemeinsam mit der ebenfalls neugegründeten Prudential Regulation Authority, was als twin peaks-Modell bezeichnet wird, vgl. Cox u. a., 95 C.O.B. (2012), 1, 2; Perry u. a., 84 C.O.B. (2011), 1, 4; siehe zur Herkunft dieses Begriffes Killick, 33 The Company Lawyer (2012), 366, 371 f. Die beiden Behörden wirken zusammen mit dem Financial Policy Committee der Bank of England. Vgl. insgesamt zu diesem System die anschauliche Reformbegründung des britischen Finanzministeriums, „A new approach to financial regulation: the blueprint for reform“, Juni 2011, www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attach
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beaufsichtigt allerdings über den Handel auf dem Kapitalmarkt hinaus das Verhalten von Marktteilnehmern auf dem gesamten Finanzmarkt.287 Es ist auch vor diesem Hintergrund zweifelhaft, ob die hier interessierenden Verhaltensweisen, die direkt mit Kapitalmarkttransaktionen zusammenhängen, überhaupt im (kartellrechtlichen) Fokus der FCA stehen. Ihre neuen kartellrechtlichen Kompetenzen sind bereits ausschließlich auf Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem „Angebot von Finanzdienstleistungen“ bezogen,288 worunter möglicherweise nicht alle der in Betracht kommenden Kartellrechtsverletzungen durch Kapitalmarkttransaktionen subsumiert werden könnten.289 Dass die Behörde derzeit eine Anwendung des Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen durchführt bzw. plant, ist jedenfalls nicht ersichtlich.290 b) Ausstattung der BaFin mit kartellrechtlichen Mitteln? Für Deutschland sei die Frage aufgeworfen, ob die ausschließliche Zuständigkeit des BKartA für eine Anwendung des Kartellrechts auf den Bereich des Kapitalmarktes wünschenswert ist. Alternativ könnte die BaFin zusätzlich oder gar exklusiv kartellrechtliche Kompetenzen erhalten. Im Vereinigten Königreich wird zur Begründung der Übertragung der Anwendung des Wettbewerbsrechts auf die FCA pauschal vorgebracht, „such powers would strengthen the FCA’s ability to ensure competitive banking markets that deliver good consumer outcomes“291. Dieses Arment_data/file/81403/consult_finreg__new_approach_blueprint.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018), insbesondere 7 ff. 287 Vgl. zu den Aufgaben der FCA section 6 Financial Services Act 2012 („The new Regulators“), dort insbesondere Chapter 1, „The Financial Conduct Authority“; außerdem Killick, 33 The Company Lawyer (2012), 366, 369 f. 288 „Relate to the provision of financial services“, s. Sec. 234I (2) (b); 234 J (2) Financial Services and Markets Act 2000, eingeführt durch Schedule 8 para 3 Financial Services (Banking Reform) Act 2013. 289 Es ist zumindest fraglich, ob auch etwa das sog. cornering im Zusammenhang mit dem „Angebot von Finanzdienstleistungen“ steht, unproblematisch dürfte dies hingegen bei Verhaltensweisen von Emissionsbanken am Primärmarkt sein, s. zu diesen Fallgruppen näher u. § 4 II. 290 Vgl. etwa den business plan der FCA für das Jahr 2016/17, www.fca.org.uk/your-fca/ documents/corporate/business-plan-2016-17 (abgerufen am 27. 12. 2018). Vgl. auch die Seite „How we use our competition law powers.“, www.fca.org.uk/about/promoting-competition/po wers (abgerufen am 27. 12. 2018), auf der knapp Beispiele für verbotene wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gegeben werden, die jedoch nicht im direkten Zusammenhang mit dem Handel auf dem Kapitalmarkt stehen. 291 So die Begründung der Ausstattung der FCA mit kartellrechtlichen Befugnissen durch das britische Finanzministerium, gerichtet an Mitglieder des House of Lords, Oktober 2013, abrufbar unter www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/245760/ HoL_Policy_Brief_-_FCA_Concurrent_Powers.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); auch Deb Hones, director of competition der FCA, beschränkt sich in einer Rede über die neuen Fähigkeiten ihrer Behörde auf eine nahezu wörtliche Wiedergabe dieser Passage, veröffentlicht
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gument lässt sich nur so interpretieren, dass eine Ausstattung der Behörde mit kartellrechtlichen Instrumenten ihre Durchsetzungskraft und Effektivität im Vorgehen gegen Marktversagen steigert. Liegt ein Verstoß sowohl gegen Kapitalmarktrecht als auch gegen Kartellrecht vor, ist die Behörde flexibel in der Wahl der Mittel. Eine Kapitalmarktbehörde verfügt zudem über umfassende Expertise hinsichtlich des tatsächlichen Kapitalmarktgeschehens, was bei einer Kartellrechtsanwendung von Nutzen sein könnte. Für Deutschland ist anzunehmen, dass das BKartA keine mit der BaFin vergleichbare bereichsspezifische Expertise hat. Bei einer kartellrechtlichen Befähigung der BaFin wäre auch ein Effizienzgewinn in der Aufsichtstätigkeit dahingehend vorstellbar, dass die Behörde die Kartellrechtsanwendung auf Tatsachen stützen kann, die sie bereits für die Kapitalmarktrechtsanwendung ermittelt hat. Eine Anwendung von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht durch eine einzige Behörde kann auch besser koordiniert werden, da kein behördlicher Abstimmungsbedarf entsteht.292 Bei einer parallel fortlaufenden Überwachung durch das BKartA sind allerdings systematische Effizienzgewinne im Sinne von Einsparungen etwa von Personal nicht unmittelbar zu erwarten, da nunmehr zwei Behörden parallel tätig wären. Solche Effizienzgewinne wurden einst zur Begründung der Einrichtung der BaFin als Allfinanzaufsicht angeführt.293 Konsequenterweise lassen sich die hierauf bezogenen Argumente dieser Debatte, die auch allgemeiner zur Konsolidierung von Verwaltungsbehörden geführt wird,294 nur dann auf eine kartellrechtliche Befähigung der BaFin übertragen, wenn man unterstellt, dass das BKartA seine Zuständigkeit für den Kapitalmarkt verlieren würde.
am 21. 11. 2014, abrufbar unter www.fca.org.uk/news/new-competition-powers-what-do-theymean-for-the-financial-services-industry (abgerufen am 27. 12. 2018). 292 So zur Konsolidierung des Verwaltungsaufbaus Richter, Die Makroorganisation der Vollzugsverwaltung, 69. 293 Vgl. hierzu die Erwägungen im RegE zur integrierten Finanzdienstleistungsaufsicht, BT-Drucks. 14/7033, 32: „Der Zusammenschluss dieser drei Behörden führt zu einer Verbesserung der Arbeitseffizienz, zu einer Nutzung von Synergieeffekten im Bereich von Zentralund Querschnittaufgaben und schafft eine einheitliche Leitungs- und Führungsstruktur. Partiell bestehende Doppelarbeiten werden vermieden, vorhandenes Know-how wird optimal genutzt und Entscheidungen und Verantwortlichkeit können eindeutig zugeordnet werden. Allfinanzaufsicht vermeidet auch Doppelspurigkeit, Abstimmungs- und Koordinationsprobleme, wie sie bei getrennten Aufsichtsbehörden häufig vorkommen. Sie führt zu einer Verringerung der indirekten Aufsichtskosten (eine einzige Anlaufstelle für die Institute und Unternehmen, einheitlicher Adressat für statistische Meldungen und zentrale behördeninterne Datenverarbeitung, Anzeigewesen, Anteilseignerkontrolle etc.) und zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Aufsichtseffektivität. Sie produziert Synergieeffekte in Bezug auf Kosten, Personalrekrutierung und Administration.“ 294 So etwa bezogen auf die Vollzugsverwaltung der Bundesländer, Richter, Die Makroorganisation der Vollzugsverwaltung, S. 86 ff., mit einer breiten Diskussion der Vor- und Nachteile von funktionaler Konsolidierung von Behörden im Gegensatz zu funktionaler Fragmentierung.
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c) Argumente gegen eine Tätigkeit der BaFin im Bereich des Kartellrechts Zahlreiche Argumente sprechen gegen eine Übertragung von kartellrechtlichen Kompetenzen auf die BaFin. aa) Sachgemäße Kartellrechtsanwendung Die BaFin hat bisher keine Kartellrechtserfahrung und müsste sich entsprechende Expertise aneignen. Eine Kartellrechtsabteilung innerhalb der BaFin wäre jedoch organisatorisch eingebettet in die Struktur der Finanzaufsicht. Dabei unterstünde die Kartellrechtsanwendung Führungspersonen, die mutmaßlich nicht kartellrechtlich spezialisiert sind. Es ist denkbar, dass solche Personen auf die Kartellrechtsanwendung einwirken würden.295 Die Verquickung der Anwendung von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht unter dem Dach einer Kapitalmarktaufsichtsbehörde birgt daneben das Potenzial, dass das Kartellrecht zur Durchsetzung von kartellrechtsfremden, kapitalmarktbezogenen regulatorischen Zielen eingesetzt wird.296 bb) Einheitlichkeit der Kartellrechtspraxis Für die ausschließliche Zuständigkeit des BKartA spricht das Argument einer einheitlichen Kartellrechtspraxis, deren Vorteile etwa auch im deutschen GWB Anerkennung finden.297 Eine kumulative Zuständigkeit zweier Behörden birgt das Potenzial divergierender Entscheidungen. Verschärft wird diese Problematik im Kartellrecht dadurch, dass hier Normen teils nicht sehr detailliert sind und die Behördenpraxis einen wichtigen Maßstab bildet. Nach dem Vorbild des Vereinigten Königreiches wäre es zwar denkbar, dass nur eine einzige Behörde das Kartellrecht auf einen konkreten Lebenssachverhalt anwenden darf298 und die Behörden sich gegenseitig konsultieren müssen.299 Eine abweichende Fallpraxis der beiden Be295 In fachlich spezialisierten Behörden ist demgegenüber fachlich qualifizierteres Leitungspersonal zu erwarten; s. Richter, Die Makroorganisation der Vollzugsverwaltung, 72 f. In einer spezialisierten Behörde wie dem BKartA ist diese Konstellation daher weniger naheliegend. 296 Zu den negativen Auswirkungen einer Zweckentfremdung des Kartellrechts s. u. § 5 II. 4. c). 297 Dies gilt maßgeblich für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung. § 87 GWB postuliert eine alleinige Zuständigkeit der Landgerichte für bürgerliche Rechtstreitigkeiten u. a. zum Zwecke der Vereinheitlichung der Kartellrechtsanwendung, vgl. Schmidt, in: Immenga/ Mestmäcker GWB, § 87 GWB Rn. 1. Auch die Regelung des § 89 GWB, wonach die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die landgerichtliche Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsprechung bündeln können, verweist schon in Abs. 1 S. 1 explizit auf die „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“. Der Normzweck ist auch darüber hinaus anerkanntermaßen eine Vereinheitlichung der Kartellrechtspraxis, Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 89 GWB Rn. 1. 298 So s. 234(1)(8) FSMA 2000. 299 So s. 234(1)(7) FSMA 2000.
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hörden bliebe jedoch möglich. Durch eine einzige Kartellrechtsbehörde werden derartige Konflikte vermieden. cc) Regulatory capture Als regulatory capture wird eine Konstellation bezeichnet, in der staatliche Intervention durch spezielle Individualinteressen der Interventionsadressaten gesteuert wird.300 In der US-amerikanischen Debatte um eine implied immunity des Kapitalmarktrechts gegenüber dem Kartellrecht wird gelegentlich in die Diskussion eingebracht, dass Kapitalmarktaufsichtsbehörden einem capture ausgesetzt sein könnten und daher wettbewerbsschädliche Praktiken nicht angemessen verfolgen würden.301 Sollte dies auch auf die BaFin zutreffen, könnte dies gegen eine Kartellrechtsanwendung durch sie sprechen. Die Literatur hat zahlreiche Mechanismen identifiziert, durch welche ein regulatory capture entsteht.302 Mitarbeiter einer Aufsichtsbehörde waren oftmals zuvor im korrespondierenden Wirtschaftssegment tätig oder erhoffen sich lukrative Anschlussbeschäftigungen in ebendieser Branche („revolving doors“).303 Außerdem tragen direkte wirtschaftliche Anreize für öffentliche Entscheider bis hin zur Korruption zu einem capture bei.304 Aufsichtsadressaten vermögen es oftmals, Informationsasymmetrien strategisch auszunutzen.305 In der Literatur wird die BaFin jedoch – eine denkbare politische Einfluss300
Vgl. Dal Bó, 22 Oxf. Rev. Econ. Pol. (2006), 203, 203, der aufzeigt, dass in einem engeren Sinne das Wort regulation und damit auch regulatory capture lediglich auf die staatliche Kontrolle von natürlichen Monopolen bezogen wird, demgegenüber im weiteren Sinne auf jegliche Form staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft. Genauso zeigt Croley auf, dass der Begriff des regulatory capture sich dahingehend entwickelt hat, dass nunmehr jegliche Form staatlichen Eingreifens daran gemessen wird, vgl. Croley, in: Levi-Faur (Hg.), Handbook on the Politics of Regulation, 50, 52. Sehr ausführlich zum regulatory capture Mitnick, in: LeviFaur (Hg.), Handbook on the Politics of Regulation, 34 ff., insbes. 35 f. Vgl. die Definition auf S. 35: „[…] it refers to cases in which a regulated industry is able to control decisions made about that industry by regulators and/or performances by regulators related to the industry“. Posner, in: Carpenter/Moss (Hg.), Preventing Regulatory Capture, 49, 54, besteht darauf, dass schlichtes Abschwächen staatlicher Intervention durch Einflussnahme von Interessengruppen kein capture darstelle, vielmehr bezeichne der Begriff i. e. S. nur vollständig durch Interessengruppen gesteuertes staatliches Handeln. 301 Dazu etwa Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 629; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 930 ff., beide gehen jedoch davon aus, dass ein etwaiges capture im Ergebnis nicht gegen eine antitrust immunity spräche. 302 Vgl. nur Mitnick, in: Levi-Faur (Hg.), Handbook on the Politics of Regulation, 34, 36 ff., der zwölf verschiedene Mechanismen aufzeigt; vgl. auch Posner, 5 Bell J. Econ. Manage. Sci. (1974), 335. 303 Vgl. dazu Dal Bó, 22 Oxf. Rev. Econ. Pol. (2006), 203, 214 f., der jedoch auch positive Aspekte dieses Phänomens aufzuzeigen weiß; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 931. 304 Vgl. etwa Dal Bó, 22 Oxf. Rev. Econ. Pol. (2006), 203, 207 ff., 212; Laffont/Tirole, 106 Q. J. Econ. (1991), 1089, 1090 f. 305 Helm, 22 Oxf. Rev. Econ. Pol. (2006), 169, 175, 178 ff.; Dal Bó, 22 Oxf. Rev. Econ. Pol. (2006), 203, 207 ff.
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
nahme ausgenommen306 – grundsätzlich nicht mit einem solchen regulatory capture i. e. S. in Verbindung gebracht und auch im Rahmen dieser Untersuchung ist es nicht möglich, dazu nähere Analysen vorzunehmen.307 Es existieren jedoch auch weichere Formen des captures. Ein cultural capture beruht auf den Faktoren identity, status und relationships, hinsichtlich derer Aufseher in der Finanzbranche oftmals Gemeinsamkeiten mit den Regulierungsobjekten bzw. deren Mitarbeitern haben und sich daher mit ihnen identifizieren.308 Dabei können auch irrationale Faktoren eine maßgebliche Rolle spielen.309 Es ist anzunehmen, dass sich derartige Mechanismen auf die Aufsichtspraxis der BaFin auswirken.310 Ein Faktor, der daneben ein (cultural) capture zu begünstigen scheint, ist die Spezialisierung der Behörde – ist deren Aufsichtstätigkeit lediglich auf wenige Unternehmen beschränkt, so stehen sich Aufsichtsbehörde und Unternehmen nahe.311 Demgegenüber dürfte eine branchenübergreifende Aufsichtstätigkeit Aufseher grundsätzlich weniger anfällig für ein capture machen.312 Insgesamt könnte eine Behörde wie die BaFin tendenziell stärker von einem cultural capture erfasst sein als eine branchenunabhängig tätige Wettbewerbsbehörde wie das BKartA. Die weicheren Formen des captures sind jedoch praktisch kaum nachweisbar.313 Die Komplexität der Analyse wird dadurch weiter 306 Veil/Brüggemeier, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hg.), Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2015, 277, 285, mit einem Verweis auf die Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesministerium der Finanzen gem. § 2 FinDAG. 307 Eine solche regulatorische Voreingenommenheit wurde allerdings in Bezug auf die Vorgängerorganisationen der britischen FSA behauptet, Frach, Finanzaufsicht in Deutschland und Großbritannien, 132. 308 s. Kwak, in: Carpenter/Moss (Hg.), Preventing Regulatory Capture, 71, 79 ff., insbes. 80 ff. 309 Vgl. Kwak, a. a. O., 71, 79, der anmerkt, dass sich diese irrationalen Faktoren parallel zum herkömmlichen regulatory capture durch Interessengruppen manipulieren lassen. 310 Vgl. dazu Kwak, a. a. O., 71, 93, der es für naiv hielte, davon auszugehen, dass umstrittene Fragen in komplexen Zusammenhängen ausschließlich auf der Grundlage objektiver Argumente entschieden werden. 311 Vgl. dazu Ayres/Braithwaite, 16 Law Soc. Inq. (1991), 435, 437, wonach wiederkehrender Kontakt von Behörde und Unternehmen ein Kooperationsverhältnis begünstigt, dies konnte von Grabosky/Braithwaite in einer empirischen Untersuchung beobachtet werden, vgl. Grabosky/Braithwaite, Of Manners Gentle, 203 ff., insbes. 207, 214 f.; dies explizit auf capture übertragend Mitnick, in: Levi-Faur (Hg.), Handbook on the Politics of Regulation, 34, 43. 312 In diesem Sinne lässt sich die Feststellung von Ayres/Braithwaite, 16 Law Soc. Inq. (1991), 435, 437, weiterdenken, wonach eine branchenübergreifende Tätigkeit den regelmäßigen Kontakt und damit ein Kooperationsverhältnis unwahrscheinlicher macht. Bereits Posner, 5 Bell J. Econ. Manage. Sci. (1974), 335, 342, kritisierte, dass die capture theory angewandt auf eine Behörde, die mehrere Branchen mit widerstreitenden Interessen beaufsichtigt, kaum Erkenntniswert hat. Zum cultural capture sei davon ausgegangen, dass der Effekt seine Wirkung bei einer peer group, die als solche klar abgrenzbar und homogen ist, stärker zum Tragen kommt, da in einem solchen Fall die von Kwak herausgearbeiteten Merkmale identity, status und relationships mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Schnittmengen zwischen Aufsehern und Aufsichtsobjekten aufweisen bzw. entwickeln. 313 So ist es bereits schwierig, die Kausalität eines herkömmlichen regulatory capture für bestimmte Interventionen der Finanzaufsicht darzulegen, da es auch für ex post anders schwer
II. Behördliche Aufsicht des Verhaltens auf dem Kapitalmarkt
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erhöht, dass selbst bei einem angenommenen capture nicht unterstellt werden kann, es ergebe sich daraus eine mildere oder weniger neutrale (Kartell-)Rechtsanwendung durch die BaFin. Im Ergebnis kann daher hier nicht davon ausgegangen werden, dass ein wie auch immer geartetes capture gegen eine Ausweitung der Kompetenzen der BaFin spricht. d) Stellungnahme Erst im nächsten Kapitel soll geklärt werden, ob das Kartellrecht für Kapitalmarkttransaktionen materiell überhaupt von Bedeutung ist. Die Kompetenzfrage ist allerdings in jedem Fall relevant, zumal es auch jenseits von Kapitalmarkttransaktionen finanz- und auch kapitalmarktbezogene Verhaltensweisen gibt, bei denen eine Kartellrechtsanwendung in Betracht kommt.314 Vorstehend wurden Faktoren aufgezeigt, die bei der Zuständigkeitsverteilung zwischen BaFin und BKartA von Bedeutung sind. Im Ergebnis konnten keine Umstände ausgemacht werden, die zu einer starken Favorisierung des einen oder anderen Modells veranlassen. Insgesamt handelt es sich somit eher um eine rechtspolitische Frage. Es gibt weitere Facetten, die hier nicht gewürdigt wurden. So ist anzumerken, dass eine Kapitalmarktaufsichtsbehörde auch mit der Kompetenz, Kartellrecht anzuwenden, funktionell weiterhin Regulierung zugunsten eines konkreten Marktes – des Kapitalmarktes – betreibt. Eine wichtige Prämisse des Kartellrechts, wonach der Wettbewerb auch „auf Kosten“ einzelner Märkte förderungswürdig ist, käme dabei also nicht zum Tragen. Alternativ zu einer kartellrechtlichen Befähigung der BaFin wäre auch eine verstärkte Kooperation der Behörden denkbar. Diese ist etwa derzeit bereits in § 17 Abs. 2 WpHG angedeutet, woraus eine „umfassende Pflicht zur Kooperation und gegenseitigen Unterstützung“315 folgt. Allerdings hatte der Gesetzgeber bei der Normsetzung primär die Verfolgung von verbotenem Insiderhandel aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive im Blick.316 nachvollziehbare Maßnahmen ex ante plausible Erklärungen geben mag, die nicht auf einem capture beruhen, vgl. Kwak, in: Carpenter/Moss (Hg.), Preventing Regulatory Capture, 71, 73 f., der dies anhand der in den USA zu beobachtenden Deregulierung der Finanzbranche erläutert. Die Ursächlichkeit des Kwak aufgezeigten cultural capture für bestimmte regulatorische Handlungen ist hingegen, wie er selbst erläutert, noch weniger nachweisbar, vgl. Kwak, a. a. O., 71, 79 f. So bleibt die nichtrationale Motivation der Entscheider im Verborgenen. Regulatorische Entscheidungen werden explizit auf andere, objektiv plausible Erklärungen gestützt. 314 Vgl. etwa u. § 4 II. 2. c) bb) (2) (a) (aa). 315 Emittentenleitfaden der BaFin 2013, 191, abrufbar unter https://www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_2013.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 316 Hier kann die Kooperation von BaFin und BKartA einen Mehrwert bieten, da das BKartA bereits vor einem geplanten Unternehmenszusammenschluss tätig wird. Zu diesem Zeitpunkt entstehen Insiderinformationen, vgl. Begr. RegE zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, 62, 86; Beck, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 6 WpHG Rn. 11.
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§ 3 Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen
III. Fazit In materieller Hinsicht findet das EU-Kartellrecht auf dem Kapitalmarkt trotz der Existenz des Kapitalmarktrechts Anwendung. Von dieser Feststellung unberührt bleibt ein mögliches Zurücktreten einzelner kartellrechtlicher Normen aufgrund von Wertungswidersprüchen oder einem Spezialitätsverhältnis. Die für die kartellrechtliche Überwachung des Kapitalmarktes zuständige deutsche Behörde ist das BKartA und nicht die BaFin. Es wurden keine erheblichen Einwände gegen diese Aufgabenzuweisung festgestellt.
§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata Der materiell-rechtliche Schnittbereich zwischen dem Kartellrecht und dem Kapitalmarktrecht ist von besonderer Relevanz, da hier anschaulich zu beobachten ist, mit welchen Instrumenten die beiden Rechtsgebiete Verhaltensweisen steuern und wie sich dies auf den Kapitalmarkt auswirkt. Sollten die beiden Rechtsgebiete für bestimmte Verhaltensweisen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, sind Abstimmungsprobleme vorstellbar. Friktionen können jedoch auch bei identischen Ergebnissen entstehen.317 Da das Kartellrecht am Kapitalmarkt nur bedeutsam ist, wenn es Verhaltensweisen verbietet, werden solche Fallgruppen untersucht, bei denen eine Kartellrechtsanwendung möglich erscheint. Es sei allerdings kein Anspruch auf eine vollständige Abhandlung aller Anknüpfungspunkte für eine Anwendung des Kartellrechts erhoben. Vielmehr werden exemplarisch Fallgruppen dargestellt, anhand derer eine verallgemeinerungsfähige Analyse der verschiedenen Steuerungsmechanismen möglich ist. Nachfolgend werden daher Verhaltensweisen im Handel am Kapitalmarkt beschrieben, die jeweils sowohl aus kapitalmarktrechtlicher als auch aus kartellrechtlicher Perspektive untersucht werden.318 Zunächst wird auf die Behandlung von marktbeherrschenden Stellungen eingegangen (I.). Anschließend werden Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen betrachtet (II.). Zuletzt wird aufgezeigt, welche Rolle das Kartellrecht beim Erwerb von Unternehmensbeteiligungen spielen kann (III.).
317
Um diese Problematik drehte sich etwa ein Teil des Urteils Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 279 ff. (2007). Im Ergebnis ließ es das Gericht für die Bejahung eines Konfliktes selbst bei einem doppelten Verbot genügen, dass die praktische Rechtsanwendung große Unsicherheiten verursachen könnte, weil beide Rechtsgebiete sehr differenzierte und komplizierte Regeln aufstellen. So erfolge etwa die Anwendung des Kartellrechts nicht immer korrekt und könne ex ante oft nicht zutreffend abgesehen werden. 318 Zur Fokussierung der Analyse werden Normen aus anderen Rechtsgebieten bewusst ausgeklammert, weswegen insbesondere das UWG und das BGB nicht geprüft werden.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt am Beispiel von market corners/squeezes Die erste Verhaltensweise, anhand derer ein Abgleich von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht erfolgen soll, ist der Komplex um marktbeherrschende Stellungen im Zusammenhang mit abusive squeezes, short squeezes bzw. market corners. In dieser Fallgruppe erlangt ein Marktteilnehmer eine Machtstellung im Handel am Kapitalmarkt, die er zum Ausbeuten der Marktgegenseite verwenden kann, wobei die vielschichtigen Details der Tathandlung noch genauer erläutert werden. Die Thematik bietet sich für einen Abgleich von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht ganz besonders an, weil es in beiden Rechtsgebieten Normen zur Behandlung von marktbeherrschenden Stellungen gibt. Corners und squeezes am Kapitalmarkt sind jüngst im Zusammenhang mit der – letztlich gescheiterten – Übernahme der Volkswagen AG durch die Porsche SE in den Fokus von Literatur und Praxis geraten. In diesem Zusammenhang sahen sich enttäuschte Anleger veranlasst, in diversen Gerichtsverfahren Vorwürfe zu erheben, es habe ein market corner stattgefunden.319 Jenseits des Falles Porsche/Volkswagen konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf eine abstrakte Untersuchung von Sachverhalten, in denen corners/ squeezes vorliegen. Zunächst werden die tatsächlichen Grundlagen des Phänomens corner/squeeze beschrieben (1.). Daraufhin wird die Behandlung der Fallgruppe aus kapitalmarktrechtlicher (2.) analysiert. Schließlich werden das EU-Kartellrecht (3.) und das deutsche Kartellrecht (4.) geprüft. 1. Beschreibung des Phänomens market corner/squeeze Market corners und short squeezes sind keine Besonderheit des Kapitalmarktes, sondern wurden häufig an Gütermärkten beobachtet.320 Daher ist auch die entsprechende Literatur weitgehend auf Gütermärkte bezogen. Um jedoch den Gegenstand dieser Arbeit im Blick zu behalten, sollen diese Phänomene hier vor allem exemplarisch anhand von corners/squeezes mit Bezug auf Aktien analysiert werden. a) Verhaltensweise In der Literatur herrscht wenig Einigkeit über Einzelheiten von corners und short squeezes sowie deren präziser Unterscheidung. Beide Verhaltensweisen gründen auf einer Zwangslage, in die sich bestimmte Marktakteure zunächst freiwillig begeben [aa)]. Corners [bb)] und squeezes [cc)] weisen Ähnlichkeiten, jedoch auch Unterschiede auf.
319 320
Vgl. o. Fn. 5. Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 20.
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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aa) Zwangslage Dritter als Grundvoraussetzung Corners und short squeezes nutzen beide einen individuellen Beschaffungszwang aus, der am Kapitalmarkt insbesondere bei Leerverkäufen (short sales) auftritt. Herkömmlicherweise wird mit „Leerverkauf“ ein Verkaufsvorgang bezeichnet, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht wirtschaftlicher Eigentümer der veräußerten Papiere ist.321 Eine diesem Verständnis entsprechende Legaldefinition findet sich nunmehr in Art. 2 Abs. 1 lit. b) der EU-Leerverkaufsverordnung322 für den Leerverkauf von „Aktien oder Schuldinstrumenten“. Diese Definition ist auch dann erfüllt, wenn der Verkäufer sich die Papiere zum Zeitpunkt des Verkaufs geliehen hat.323 Bei Leerverkäufen entstehen Gewinne durch fallende Kurse des jeweiligen Wertpapiers.324 Sie werden daher zu Zwecken der Absicherung gegen fallende Kurse durch Hedging, zur Spekulation oder Arbitrage vorgenommen.325 Die konkrete Ausführung ist in zwei Varianten möglich.326 Bei einem naked short sale, also ungedeckten Leerverkauf werden Papiere veräußert, über die der Leerverkäufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht verfügen kann.327
321 Schäfer, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 994; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 168: „Keine Verfügungsgewalt“. Die Wertpapiere werden vom Verkäufer auch nicht in Kommission gehalten, vgl. Zieschang, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB Rn. 131. 322 VO (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 3. 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. 2012 L 86, 1. 323 s. Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO (EU) Nr. 236/2012: „,Leerverkauf‘ [bezeichnet] im Zusammenhang mit Aktien oder Schuldinstrumenten einen Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden, einschließlich eines Verkaufs, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung die Aktien oder Schuldinstrumente geliehen hat oder eine Vereinbarung getroffen hat, diese zu leihen, um sie bei der Abwicklung zu liefern; diese Begriffsbestimmung umfasst nicht: i) den Verkauf seitens einer der Parteien einer Rückkaufvereinbarung, bei der die eine Partei der anderen ein Wertpapier zu einem festgesetzten Kurs verkauft und die andere Partei sich verpflichtet, dieses Wertpapier zu einem späteren Zeitpunkt zu einem ebenfalls festgesetzten Kurs zurückzukaufen; ii) die Übertragung von Wertpapieren im Rahmen einer Wertpapierleihe-Vereinbarung oder iii) den Abschluss eines Terminkontrakts oder eines anderen Derivatekontrakts über den Verkauf von Wertpapieren zu einem bestimmten Kurs zu einem künftigen Zeitpunkt“. 324 Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Walla, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 279. 325 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 240; Schlimbach, Leerverkäufe, 16 ff., der zudem auf den möglichen Einsatz von Leerverkäufen zur Bereitstellung von Liquidität etwa durch market maker hinweist; Walla, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 279; Trüg, NJW 2009, 3202, 3204; vgl. speziell zur Arbitrage auch Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, 31 ff. 326 Vgl. Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Schlimbach, Leerverkäufe, 11 ff. 327 Trüg, NJW 2009, 3202, 3203; Schlimbach, Leerverkäufe, 12 f.; Walla, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 279.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
Innerhalb der Lieferzeiten des Kassamarktes328 muss er diese Titel beschaffen und dem Käufer übertragen.329 Aufgrund der großen Gefahren dieser Vorgehensweise330 ist sie in der EU nach Maßgabe der EU-Leerverkaufsverordnung u. a. für Aktien börsennotierter Gesellschaften im Regelfall verboten.331 Bei einem covered short sale oder gedeckten Leerverkauf hat der Leerverkäufer bereits bei Vertragsschluss die Lieferung der Wertpapiere sichergestellt.332 Üblicherweise leiht sich der Leerverkäufer die Papiere zu diesem Zwecke im Wege der Wertpapierleihe und veräußert sie anschließend. Zum Rückgabezeitpunkt erwirbt er die betroffenen Papiere am Markt und führt sie an den Entleiher zurück.333 Der Leerverkäufer profitiert in beiden Varianten, falls der Verkaufspreis den in der Zukunft zu entrichtenden Einkaufspreis überschreitet.334 Allerdings findet sich der Leerverkäufer auch in der Zwangslage, zur Lieferung der Wertpapiere, gleichgültig zu welchem Preis, verpflichtet zu sein – beim naked short sale bereits für die ursprüngliche Beschaffung, beim covered short sale erst für den späteren Deckungskauf. Eine identische Zwangslage kann sich auch bei gewissen Termingeschäften ergeben. Ausgegangen sei dabei von einem Vertrag, mittels dessen sich eine Partei zur zeitlich hinausgeschobenen Lieferung eines konkreten Wertpapiers zu einem im Voraus bestimmten Preis verpflichtet, ohne die versprochenen Papiere bei Vertragsschluss zu halten. Wie bei einem Leerverkauf entsteht hierbei wirtschaftlich betrachtet eine short Position.335 Anders als beim Leerverkauf erfolgt allerdings kein 328
Für die Frankfurter Wertpapierbörse „am zweiten Erfüllungstag nach dem Tag des Geschäftsabschlusses“, vgl. § 4 Abs. 1 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand 5. 12. 2018, www.deutsche-boerse-cash-market.com/blob/1668980/22 fb35e3750aa29b8e15f15bf834619f/data/2017-06-26_Bedingungen-fuer-Geschaefte-an-derFrankfurter-Wertpapierboerse.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 329 Trüg, NJW 2009, 3202, 3203. 330 Insbesondere kann es geschehen, dass naked short sales nicht erfüllt werden und dies die Solvenz anderer Marktakteure gefährdet, vgl. Lehmann, in: MüKo-BGB Bd. 11, Internationales Finanzmarktrecht Rn. 449; oder dass sie als abusive naked shorts zu Zwecken der Marktmanipulation eingesetzt werden, s. Walla, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 280. Zu bedenken ist auch, dass die Verpflichtungen aus den naked short sales nicht zwingend mit dem verfügbaren free float zu decken sind, s. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 168 f.; allgemein zu den Gefahren durch Leerverkäufe Schlimbach, Leerverkäufe, 43 ff. 331 Vgl. dazu Art. 12 VO (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 3. 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 170; Schäfer, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 998 ff. 332 Schlimbach, Leerverkäufe, 11; Walla, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 278 f. 333 Trüg, NJW 2009, 3202, 3203, bezeichnet dies als „Verkauf auf Kredit“; Schlimbach, Leerverkäufe, 11 f., wonach die Alternative eine sog. locate agreement ist, bei dem ein Dritter die fristgerechte Lieferung zusichert. 334 Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 129; dazu auch Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, 27; Zieschang, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGB Rn. 131. 335 Vgl. Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2343.
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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Kassaverkauf. Daher sind Termingeschäft und Leerverkäufe voneinander abzugrenzen.336 Die hinausgeschobene Lieferung eines Wertpapiers stellt vielmehr einen future dar,337 der auch gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b) iii) der EU-Leerverkaufsverordnung von der Verordnungsdefinition des Leerverkaufs explizit338 ausgenommen ist. Der Unterschied zwischen futures und Leerverkäufen manifestiert sich zudem in unterschiedlichen Handelsplätzen,339 da futures als Derivate im Gegensatz zu den Basiswerten an Terminbörsen gehandelt werden.340 Gleich wie beim Leerverkauf muss sich der future short seller jedoch zum Lieferzeitpunkt mit den Wertpapieren am Markt eindecken oder ihre Lieferung anderweitig sicherstellen. Weiterhin kann eine Zwangslage entstehen bei der Einräumung einer ungedeckten Wertpapieroption. Übt der Optionskäufer die Option aus und haben die Parteien sich auf physische Lieferung geeinigt, so hat der Optionsverkäufer die Papiere ebenfalls zu beschaffen.341 Die physische Lieferung ist bei Derivaten zwar in der Praxis ungewöhnlich, vielmehr wird in aller Regel eine Glattstellung durch gegenläufige Geschäfte vor Fälligkeit bezweckt342 und/oder ein reines cash settlement vereinbart.343 Doch auch in diesem Fall sind die Inhaber einer Short-Position der Marktentwicklung und z. B. stark steigenden Preisen ausgesetzt. bb) Market corner To corner someone bedeutet aus dem Englischen übersetzt so viel wie „jemanden in die Ecke treiben“. Damit ist das Resultat des Vorganges bereits auf den Punkt gebracht. Das Wissen um den geschilderten Beschaffungszwang bestimmter Marktteilnehmer wird hier gezielt ausgenutzt. Der Akteur erwirbt in großem Umfang einen Basiswert am Kassamarkt, über den ihm bekannt ist, dass Dritte aufgrund von Leerverkäufen oder eines Derivates zur zukünftigen Beschaffung verpflichtet sind. Zum Zeitpunkt, zu dem die Opfer der Vorgehensweise sich zur Erfüllung ihrer 336 Schlimbach, Leerverkäufe, 8 f., zudem 121; ebenso Kruse, Aktien-, Zins- und Währungsderivate, 107; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2351 f. Daher ist es irreführend, den Leerverkauf als „Verkauf mit hinausgeschobenem Liefertermin“ zu bezeichnen, so aber Lehmann, in: MüKo-BGB Bd. 11, Internationales Finanzmarktrecht Rn. 449; das Fehlen eines hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunktes explizit betonend Schäfer, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 995 f. 337 Ein future wird im Gegensatz zum funktionsäquivalenten forward an der Börse abgeschlossen und gehandelt, vgl. Kruse, Aktien-, Zins- und Währungsderivate, 102 f. 338 In der englischen Fassung der Verordnung wird der Begriff futures contract verwendet, vgl. dazu Schlimbach, Leerverkäufe, 121. 339 s. Schlimbach, Leerverkäufe, 121. 340 Ebenda, 121. 341 Vgl. dazu Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254. 342 Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft Rn. 49: „in 90 % – 99 % aller Fälle“; s. auch Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, 27. 343 Kruse, Aktien-, Zins- und Währungsderivate, 72: „die häufigste Form der Erfüllung am Derivatemarkt“.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
Verpflichtungen mit dem Papier eindecken müssen, beherrscht der Manipulant das verfügbare Angebot wie ein Monopolist und kann daher einen überhöhten Preis diktieren.344 Eine derartige Situation kann auch eintreten, wenn ein Anleger eine Mehrheitsbeteiligung anstrebt oder in großem Umfang Aktien durch einen Emittenten zurückgekauft werden.345 Das Vorgehen kann dadurch verschärft werden, dass der Manipulant nicht nur den Basiswert kauft, sondern auch selbst Long-Positionen eingeht. Er kann selbst umfangreich Wertpapiere an Leerverkäufer verleihen.346 Außerdem kann er die Papiere auf Termin kaufen (futures bzw. Optionen).347 Mit Instrumenten, die durch physische Lieferung des Basiswertes zu erfüllen sind, kann er dabei die Zwangslage der shorts gezielt verursachen.348 Begrifflich ist jedoch unabhängig von einem solchen Handel mit Derivaten von cornering zu sprechen.349 Die für cornering typische Situation, in welcher der Manipulant Anleger zum Entrichten überhöhter Wertpapierpreise zwingen kann, tritt schließlich schon als Folge eines Beteiligungsaufbaus am Kassamarkt auf. Erfolgreiches cornering besteht demnach grundsätzlich aus zwei Elementen: Zunächst baut ein Manipulant eine konkrete Beteiligung am Kassamarkt massiv aus. Daraus folgt eine künstliche Marktenge. Schließlich veräußert der Manipulant seine Beteiligungen zu überhöhten Preisen an zur Beschaffung des Wertpapieres gezwungene Marktteilnehmer. cc) Short squeeze Ein short squeeze ist eine mit dem cornering verwandte, jedoch von ihm abzugrenzende Strategie.350 Beide führen zu einem ähnlichen Resultat. Tatsächlich 344
Vgl. Eichelberger, Marktmanipulation, 32; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 129; Trüstedt, Börsenkursmanipulationen, 201; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 19; Pananis, in: MüKo-StGB, § 38 WpHG Rn. 229; vgl. auch Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 930. 345 Pananis, in: MüKo-StGB, § 38 WpHG Rn. 229; vgl. auch Pirrong, (38) J. L. & Econ. (1995), 141, 147: „natural corner“. 346 So auch Eichelberger, Marktmanipulation, 32; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 19; Trüstedt, Börsenkursmanipulationen, 201; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254. 347 United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1162; Eichelberger, Marktmanipulation, 32; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254; Cooper/Donaldson, 33 JFQA (1998), 117, 117 f.; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254. 348 Für die Zwecke dieses Argumentes sei unterstellt, dass das Eingehen von Long-Positionen durch den Manipulanten kausal für den Abschluss zusätzlicher short sales, futures oder Optionen ist. 349 Im Gegensatz dazu wird in der US-Amerikanischen Literatur und Rechtsprechung zu Gütermärkten cornering verbreitet generell als Zusammenspiel von Marktbeherrschung und long futures definiert, vgl. etwa Cooper/Donaldson, 33 JFQA (1998), 117, 117 f.; Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 930; United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1162; Cooper/Donaldson, 33 JFQA (1998), 117, 117 f. 350 Demgegenüber wird der short squeeze oftmals mit dem cornering vermengt oder bewusst gleichgesetzt. Der squeeze wird dabei etwa definiert als ein Ausquetschen von Leer-
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existiert jedoch beim short squeeze nicht zwingend eine monopolartige Stellung am Kassamarkt. Vielmehr nutzt der Manipulant eine üblicherweise zufällig auftretende Verknappung des Basiswertes.351 Diese nimmt er zum Anlass, den Basiswert in großem Umfang auf Termin zu kaufen, was dazu führt, dass die Lieferverpflichtungen352 der Terminverkäufer in Gestalt von short futures353 mit den wenigen am Kassamarkt verfügbaren Basiswerten nicht zu erfüllen sind.354 Die shorts sehen sich in der Folge dazu verpflichtet, sich mit dem long zu hohen Preisen zu einigen, um die Verletzung ihrer Lieferverpflichtung auszugleichen bzw. die futures glattzustellen.355 Dabei entsteht ein überhöhter Preis für futures.356 Beim short squeeze erzwingt der Manipulator also keinen überhöhten Preis für den Kassawert. Vielmehr monopolisiert er den Terminmarkt357 und manipuliert damit den Futures-Preis. Allerdings kann ein short squeeze auch ohne bewusste Manipulation eintreten.358 dd) Ökonomische Schädlichkeit Ein erfolgreicher corner/squeeze führt durch den relativen Preisanstieg zu ineffizienten Transaktionen.359 Doch schon das Risiko eines möglichen corner bewirkt, dass Anleger von Leerverkäufen abgeschreckt werden. Das Anlegervertrauen in eine Preisbildung ohne unlautere Beeinträchtigung wird beeinträchtigt,360 zumal die Preisbildung unter Monopolbedingungen gegebenenfalls in der Hand eines einzelnen Anlegers liegen kann und dann von dessen Willkür abhängig ist. verkäufern bei Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 172, gleichwohl wird er als dem cornering gegenüber eigenständige Fallgruppe erläutert; keine Unterscheidung bei Harris, Trading and Exchanges, 254; Hirth, Kursbeeinflussung und fällige Optionen, 9 f.; explizit eine Gleichsetzung begründend Friedman, 89 Mich. L. Rev. (1990), 30, 32 in Fn. 3. 351 United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1162; Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 929 f.; Eichelberger, Marktmanipulation, 33. 352 Auch diese Fallgruppe ist nur bei physischer Lieferung des Basiswertes und nicht bei cash-settlement denkbar, vgl. auch Hirth, Kursbeeinflussung und fällige Optionen, 9. 353 Der Terminverkauf ist vom Leerverkauf zu unterscheiden, s. o. § 4 I. 1. a) aa). Definitorische Überschneidungen ergeben sich daraus, dass ein Terminverkäufer gleich einem Leerverkäufer wirtschaftlich eine Short-Position eingeht, s. Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2343. 354 United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1162; Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 929; Eichelberger, Marktmanipulation, 33. 355 United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1161 f.; Eichelberger, Marktmanipulation, 33; Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 930; dies als market corner beschreibend Cooper/Donaldson, 33 JFQA (1998), 117, 117 f. 356 Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 930. 357 So auch Pananis, in: MüKo-StGB, § 38 WpHG Rn. 229; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 134. 358 United States Court of Appeals, Eighth Circuit, Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154 (1971), 1162. 359 Kyle/Viswanathan, 98 Am. Econ. Rev. (2008), 274, 276. 360 Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 258.
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Arbitrageure nehmen daher generell nur dann Leerverkäufe vor, wenn hohe Gewinnchancen das Risiko ausgleichen.361 Auch Leerverkäufe sind jedoch für die korrekte Preisbildung wichtig,362 weswegen dieser Effekt der Markteffizienz schadet.363 Gerade von großen Anlegern geht ein Monopolisierungsrisiko aus, was short sales am Markt dämpft.364 Da auf illiquiden Märkten das Risiko eines corners/ squeezes informierte Händler abschreckt, kann es besonders hier zu extremen Preisverzerrungen kommen.365 Insgesamt sind Monopolisierungsvorgänge der Marktliquidität abträglich und erhöhen die Kursvolatilität.366 Bei der Manipulation von Futures-Märkten soll nach einer Literaturmeinung im verfälschten Verhältnis zwischen physischer Lieferung und Glattstellung gar ein deadweight loss ausgemacht werden können.367 Doch auch wenn das wohlfahrtsökonomische Problem eines deadweight loss ausgeblendet wird, ist die ökonomische Nachteilhaftigkeit von Monopolisierungsverhalten am Kapitalmarkt hinreichend deutlich geworden. ee) Fazit Cornering stellt eine Beherrschung des Kassamarktes und die Ausnutzung überhöhter Preise des Basiswertes dar. Bei short squeezes wird hingegen eine Marktenge auf dem Basismarkt zur Monopolisierung des Terminmarktes ausgenutzt. Wie angedeutet ist diese Unterscheidung jedoch nicht allgemein anerkannt und es gibt signifikante Überschneidungen etwa beim Terminhandel im Rahmen eines corner. In der VO (EU) Nr. 2016/522 zur Ergänzung der MAR368 wird in Anhang II 361
Allen/Litov/Mei, 10 R.F. (2006), 645, 648 ff., 678 f. Es gilt grundsätzlich als anerkannt, dass Leerverkäufe die Geschwindigkeit, mit der Preise auf neue Informationen reagieren, erhöhen, vgl. Saffi/Sigurdsson, 24 Rev. Financ. Stud. (2011), 821, 828; Bris/Goetzmann/Zhu, 62 J. Finance (2007), 1029, 1029 ff., 1072, weisen durch einen empirischen Vergleich nach, dass Leerverkäufe die Preisfindung verbessern können; zu den Risiken von Leerverkäufen vgl. Lehmann, in: MüKo-BGB Bd. 11, Internationales Finanzmarktrecht Rn. 449. 363 Allen/Litov/Mei, 10 R.F. (2006), 645, 678 f. 364 Ebenda. 365 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 56, der darauf verweist, dass es in bestimmten Situationen einen Anreiz geben kann, zur Vorbereitung eines corner/squeeze ein künstliches Preistreiben durchzuführen. Dann steht die Verhaltensweise im Zusammenhang mit ohnehin unerwünschtem Marktverhalten; vgl. ferner Harris, Trading and Exchanges, 256. 366 Vgl. dazu die empirische Untersuchung zu corners von Allen/Litov/Mei, 10 R.F. (2006), 645, 662 ff., 678 f.; vgl. ferner Kyle/Viswanathan, 98 Am. Econ. Rev. (2008), 274, 276; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 56. 367 Pirrong, 66 J. Bus. (1993), 335, 339. Diese Studie bezieht sich zwar zunächst explizit nur auf Gütermärkte. Pirrong will die Erkenntnisse jedoch auch für Wertpapiermärkte gelten lassen, wobei die Besonderheit dieser Märkte seiner Auffassung nach in den vernachlässigbaren Transaktions- und Transportkosten liegt, vgl. 360 ff. 368 Delegierte VO (EU) 2016/522 der Kommission vom 17. 12. 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf 362
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Abschnitt 1 Nr. 2 b) als Indikator für manipulatives Handeln eine Umschreibung der hier untersuchten Verhaltensweisen aufgeführt. Auf die entsprechenden Tatbestände des Kapitalmarktrechts soll zwar erst nachfolgend eingegangen werden, bereits hier interessiert jedoch die terminologische Ausformung dieses Indikators: Die Rede ist dort von einer Handlung, die „gewöhnlich als ,Abusive Squeeze‘ (missbräuchlicher Druck) bezeichnet wird“. Eine Unterscheidung zwischen corners und short squeezes wird nicht vorgenommen, obwohl die dort genannte Definition beide Verhaltensweisen erfassen dürfte.369 Dies verdeutlicht, dass die eigentliche Problematik nicht in der konkreten Konstruktion der Tatbegehung liegt, sondern in allen Fällen gleich gelagert ist: Bestimmte Marktteilnehmer sind auf ein Produkt angewiesen, über dessen Angebot370 der Täter Macht ausüben kann. Wenngleich also die hier aufgezeigte Abgrenzung grundsätzlich Geltung hat, gelten die folgenden Ausführungen falls nicht anders angegeben für corners und squeezes gleichermaßen. b) Praktische Relevanz am Kapitalmarkt Es existieren nur vereinzelt Berichte über corners und squeezes am Kapitalmarkt. Das Phänomen ist vorwiegend von Warenterminmärkten bekannt.371 Empirische Bewertungen sind kaum möglich.372 Allerdings gibt es Indizien, die gegen eine breite Relevanz von derartigen Verhaltensweisen am Kapitalmarkt sprechen. So erfordert es bei Wertpapieren mit einer hohen Kapitalisierung einen enormen finanziellen Aufwand, eine monopolartige Stellung am Kassamarkt zu erlangen.373 Die Verhaltensweisen kommen daher vor allem auf illiquiden Märkten vor.374 Vorschriften zur Kapitalmarkttransparenz wirken zudem dem unerkannten Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung entgegen. Für Deutschland sind vor allem die Mitteilungspflichten der §§ 33 ff. WpHG zu nennen, nach deren Maßgabe Aktienbeteiligungen an börsennotierten Gesellschaften offengelegt werden müssen.375 Gem. § 34 WpHG eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. 2016 L 88, 1. 369 Zur kapitalmarktrechtlichen Einschätzung s. u. § 4 I. 2. 370 Zum reverse corner/squeeze vgl. Kyle/Viswanathan, 98 Am. Econ. Rev. (2008), 274, 276. 371 Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 20. 372 Zur kriminalpolitischen Bedeutung der Marktmanipulation insgesamt Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 29. 373 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 171; Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697. 374 Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697. 375 Ein Ziel dieser Vorschriften ist es, dem Anschleichen an eine Aktiengesellschaft vorzubeugen, vgl. Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401 ff., insbes. 403. Zur Bedeutung von Transparenzpflichten bezogen auf Leerverkäufe Schlimbach, Leerverkäufe, 53.
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entgehen Anleger auch durch Umgehungsstrategien nicht ihren Mitteilungspflichten.376 Des Weiteren bestehen für Netto-Leerverkaufspositionen nach Maßgabe der EU-Leerverkaufsverordnung nunmehr ebenfalls Transparenzpflichten,377 wodurch Marktteilnehmer besser absehen können, ob eine Marktenge droht.378 Wertpapiere, die wegen einer geringeren Kapitalisierung bzw. geringeren Liquidität379 einfacher zu monopolisieren sind, werden hingegen oft nicht an Terminmärkten gehandelt.380 Dann ist ein Verstärken von cornering durch Termingeschäfte ausgeschlossen, zudem setzen short squeezes begrifflich einen Terminhandel voraus. Wo jedoch ein Derivatehandel existiert, wird – wie bereits dargelegt – durch Glattstellung und cash settlement regelmäßig schon kein Beschaffungszwang erzeugt.381 Zudem lässt sich festhalten, dass ein manipulatives Eingreifen zu Zwecken eines short squeezes äußerst riskant ist.382 Hier kann eine unerwartete Preisentwicklung zu hohen Verlusten führen.383 Hinsichtlich börsenmäßig gehandelter Derivate gibt es des Weiteren regelmäßig wirksame Vorkehrungen gegen manipulative Eingriffe. Eine Monopolisierung des Terminmarktes kann etwa durch Positionslimite verhindert werden. So ist an der Eurex die Geschäftsführung befugt, eine Maximalzahl an Terminkontrakten, die ein Mitglied erwerben kann, festzulegen.384 Durch die Zwischenschaltung einer Clearingstelle (an der Eurex die Eurex Clearing AG) und deren Sicherungsvorkehrungen wird es zudem unwahrscheinlicher, dass eine zufällige Marktenge auf dem Kassamarkt von Teilnehmern zu spät bemerkt wird und der Terminverkäufer in der Folge von einer übermäßig kostspieligen Beschaffungsver-
376 Vgl. dazu Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 22 WpHG Rn. 1. In der Praxis sind allerdings dennoch Fälle des „Anschleichens“ an Aktiengesellschaften bekannt geworden, siehe dazu Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401 ff. 377 Vgl. die Art. 5 ff. der VO (EU) Nr. 236/2012, ABl. 2012 L 86, 1; ausführlich zum Begriff der Netto-Leerverkaufsposition Schlimbach, Leerverkäufe, 178 ff. 378 Vgl. Schlimbach, Leerverkäufe, 176 f., der darauf hinweist, dass die Publizität von Netto-Leerverkaufspositionen besonders im Zusammenspiel mit der Beteiligungspublizität für eine begrüßenswerte Transparenzverbesserung sorgt. 379 So Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 130. 380 So bezogen auf cornering Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 171. Nach der hier befürworteten Systematik ist der Terminhandel vor allem für short squeezes relevant, zumal Leerverkäufe generell am Kassamarkt erfolgen. 381 s. o. § 4 I. 1. a) aa). 382 So ohne Begründung Ziouvas, ZGR 2003, 113, 134. 383 Diese Verluste sind in der Praxis allerdings durch margins begrenzt, vgl. Schlimbach, Leerverkäufe, 14. 384 Vgl. § 14 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich, Stand vom 3. 12. 2018, abrufbar unter www.eurexchange.com/blob/113020/5ef30445e92eee5991 6f80d899ab383d/data/exchange_de.pdf_ab_2017_05_10.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); explizit auf die dadurch angestrebte Verhinderung einer marktbeherrschenden Stellung hinweisend Kruse, Aktien-, Zins- und Währungsderivate, 94. Des Weiteren ist es der Eurex-Geschäftsführung gem. § 15 Abs. 1 der Börsenordnung möglich, „zur Aufrechterhaltung geordneter Marktverhältnisse“ den Ausschluss der effektiven Lieferung anzuordnen.
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pflichtung überrascht wird.385 Neben börsenmäßig gehandelten Derivaten statuiert die European Market Infrastructure Regulation auch für bestimmte OTC-Derivate eine Clearingpflicht.386 Ein squeeze wird dadurch auch im außerbörslichen Handel unwahrscheinlicher. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die für corners/ squeezes charakteritischen Zwangssituationen auf Kassa- und Terminmarkt nur ausnahmsweise denkbar sind, wobei vor allem das unbemerkte Herbeiführen einer derartigen Konstellation durch zahlreiche Vorkehrungen erschwert wird. 2. Kapitalmarktrechtliche Bewertung Corners und squeezes könnten vor allem387 eine gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR verbotene Marktmanipulation darstellen. a) Marktmanipulation: Überblick Das Verbot der Marktmanipulation schützt die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Bildung von Börsen- und Marktpreisen vor unerlaubten Eingriffen.388 Manipulative Eingriffe können das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Marktintegrität gefährden und sich somit auf die Funktionsfähigkeit der Märkte auswirken.389 Anlegerschutz wird daneben nur in überindividueller Form gewährt.390 Eine Marktmanipulation kann grundsätzlich durch die Vornahme von fiktiven oder effektiven Geschäften erfolgen (handelsgestützt), durch das Verbreiten falscher oder unwahrer Informationen (informationsgestützt) oder durch das direkte Einwirken auf den inneren Wert
385 Für die Eurex sei in diesem Zusammenhang das risk-based margining genannt, in dessen Rahmen jeder Teilnehmer am Terminhandel für seine Positionen Sicherheitsleistungen hinterlegen muss (Margins). Verändern sich die Preise des underlyings in unerwarteter Weise, so ist der jeweilige Anleger bzw. das jeweilige Clearing-Mitglied, zu dessen Ungunsten sich die Entwicklung auswirkt, verpflichtet, weitere Sicherheitsleistungen nachzuschießen. Wird dieser Verpflichtung nicht entsprochen, so stellt die Clearingstelle die Position selbstständig glatt. Vgl. Kruse, Aktien-, Zins- und Währungsderivate, 94. 386 VO (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 7. 2012, ABl. 2012, L 201, 1, die Clearingpflicht ergibt sich aus Art. 4 f. Zur Clearingpflicht Zenke/ Dessau, in: Danner/Theobald (Hg.), Energierecht, 79. EL Dez. 2013, 140, Rechtsfragen des Handels mit Energie, Finanzinstrumenten und Zertifikaten Rn. 214 ff. Daneben sind auch Meldepflichten vorgesehen, vgl. Art. 9. 387 Zwar könnte auch ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot, gegen das WpÜG sowie das Leerverkaufsverbot in Betracht kommen, vgl. Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 342 f. Da es jedoch spezielle Vorschriften zu corners/squeezes gibt, soll auf andere Rechtsinstitute erst nachfolgend im Zusammenhang mit anderen Verhaltensweisen eingegangen werden. 388 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 1. 389 Ebenda; ErwGr. 2 MAR. 390 Sehr str., dazu s. u. § 4 I. 2. f) cc).
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eines Papiers (handlungsgestützt).391 Art. 12 Abs. 1 MAR definiert abstrakt Manipulationshandlungen, die nach Art. 15 MAR verboten sind, wohingegen in Art. 12 Abs. 2 MAR exemplarisch Beispiele für Marktmanipulationen aufgelistet werden, die allerdings nicht ausdrücklich in Bezug zu einer Handlung des Abs. 1 gesetzt werden. Darüber hinaus enthält die MAR ein Verbot der versuchten Marktmanipulation.392 Ferner finden sich in Anhang I zur MAR „Indikatoren für manipulatives Handeln“ für die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 lit. a) und b) MAR, bei deren Vorliegen jedoch nicht unbedingt eine Marktmanipulation vorliegt.393 Diese Indikatoren darf die EU-Kommission gem. Art. 12 Abs. 5 MAR durch delegierte Rechtsakte präzisieren. Von der Befugnis hat sie mit Artikel 4 i. V. m. Anhang II der VO (EU) Nr. 2016/522394 Gebrauch gemacht. b) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR nennt als Beispiel für eine Marktmanipulation die „Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments395, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder eines auf 391
Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 4; Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 33 ff. 392 Vgl. Art. 15 MAR sowie ErwGr. 41 MAR. 393 Vgl. Anhang I Abschnitt A S. 1 sowie Abschnitt B S. 1 MAR. 394 Vgl. o. Fn. 368. 395 Das „Finanzinstrument“ wird gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 der MAR definiert durch die MiFID II (RL 2015/65/EU vom 15. 5. 2014 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. 2014 L 173, 349). Neben übertragbaren Wertpapieren sowie Finanzderivaten sind daher auch etwa Geldmarktinstrumente und bestimmte Warenderivate erfasst, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 i. V. m. Anhang I Abschnitt C MiFID II. Bis zum Inkrafttreten der MiFID II am 3. 1. 2018 sind entsprechende Verweise der MAR auf die MiFID I (RL 2004/39/EG vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. 2004 L 145, 1) zu beziehen, vgl. Art. 39 Abs. 4 MAR sowie die Entsprechungstabelle in Anhang IV MiFID II; vgl. auch Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 17. Die Anwendung der Verordnung und mit ihr dem Manipulationsverbot ist gem. Art. 2 Abs. 1 MAR von einem näher definierten Bezug zu einem bestimmten Handelsplatz abhängig. Die MAR gilt gem. Art. 2 Abs. 1 lit. a) MAR für „Finanzinstrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein [entsprechender Zulassungsantrag] gestellt wurde“; gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b) für „Finanzinstrumente, die in einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden, [dazu] zugelassen sind oder für die ein [entsprechender Zulassungsantrag] gestellt wurde“ sowie gem. Art. 2 Abs. 1 lit. c) MAR für „Finanzinstrumente, die in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden“. Gem. Art. 2 Abs. 1 lit. d) MAR gilt die MAR ferner für „Finanzinstrumente, […] deren Kurs oder Wert […] von dem Kurs oder Wert eines unter [lit. a –c ] genannten Finanzinstruments abhängt oder sich darauf auswirkt […]“. Nach Art. 2 Abs. 3 MAR kommt es nicht darauf an, ob die jeweilige Verhaltensweisen auf den genannten Handelsplätzen getätigt werden, sondern nur darauf, ob sie die entsprechenden Finanzinstrumente betreffen. Vgl. näher zu den vorstehenden Begrifflichkeiten Diversy/Köpferl, a. a. O., § 38 WpHG Rn. 34 ff. Im Interesse der Vollständigkeit sei ferner auf Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 MAR sowie Art. 2 Abs. 2 MAR verwiesen, näher dazu Diversy/Köpferl, a. a. O., § 38 WpHG Rn. 39 ff. Über § 25 WpHG findet das Manipulationsverbot in Deutschland zudem Anwendung
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Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufs- oder Verkaufspreises oder anderen unlauteren Handelsbedingungen […] [oder der Eignung hierzu].“ In Deutschland war im Zusammenhang mit corners/ squeezes vor dem Inkrafttreten des Manipulationsverbotes der MAR § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV) einschlägig. Inhaltlich sind sich Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) der MAR sowie die deutsche Norm sehr ähnlich, da letztere eine Umsetzung der MMRL 2003396 darstellte,397 auf deren Grundlage wiederum die MAR entstanden ist.398 Allerdings bestehen auch Unterschiede zwischen den Vorschriften: § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. war als Spezialfall der sonstigen Täuschungshandlungen nach § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. normiert. Dass ein market corner bzw. short squeeze kaum als Täuschungshandlung gesehen werden kann, hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Tatbestandes ausgelöst.399 Diese haben sich nun durch die Eigenständigkeit von Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR erübrigt.400 aa) Marktbeherrschende Stellung nach Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR Zunächst ist er Begriff der „marktbeherrschenden Stellung“ nach Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR zu klären. Für die Vorgängerregelungen wurde in der Literatur vorgeschlagen, auf kartellrechtliche Kriterien zurückzugreifen.401 Überwiegend wurde auf Waren im Sinne fungibler Wirtschaftsgüter (§ 2 Abs. 5 WpHG) sowie auf ausländische Zahlungsmittel (§ 51 BörsG), „die an einer inländischen Börse oder einem vergleichbaren Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gehandelt werden.“ 396 RL 2003/6/EG vom 28. 1. 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. 2003 L 96, 16. 397 § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonVentspricht Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) 2. Spiegelstrich der MMRL 2003. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der MaKonV sowie der vorhergehenden Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV) Worms, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 561 ff. 398 So ausdrücklich ErwGr. 3 MAR. Die MMRL 2003 wird aufgehoben, siehe ErwGr. 87 sowie Artikel 37 MAR; speziell zum Verbot der Marktmanipulation vgl. Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2375. 399 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 476 ff. (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV als eine verfassungswidrige Konkretisierung); Pananis, in: MüKo-StGB, § 38 WpHG Rn. 230: „§ 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV ist daher nichtig“; vgl. auch Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 20; Eichelberger, Marktmanipulation, 194, 387. 400 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 479; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 187; gegen eine Eigenständigkeit wohl Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 167. 401 So Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 194, der die marktbeherrschende Stellung nach den kartellrechtlichen Kriterien bestimmen möchte; sich im Ergebnis wohl anschließend Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1255 f.
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dies jedoch abgelehnt;402 z. T. unter Berufung auf die unterschiedlichen Schutzzwecke.403 Die Begrifflichkeit gebietet es, für eine „marktbeherrschende Stellung“ zu untersuchen, was der relevante Markt ist (1) sowie wann Marktbeherrschung vorliegt (2). (1) Relevanter Markt Der sachliche Markt ist nicht kartellrechtlich zu bestimmen, sondern bereits durch den Wortlaut der Vorschrift vorgegeben. So muss die Stellung bestehen „in Bezug auf das Angebot eines [u. a.] Finanzinstruments […] oder die Nachfrage danach“. Der Normtext nimmt ausdrücklich Bezug auf Angebot oder Nachfrage eines konkreten Finanzinstrumentes.404 Sachlich besteht der Markt daher z. B. aus dem Angebot von Aktien einer bestimmten Gattung. Entsprechend der kartellrechtlichen Marktabgrenzung wird teils eine räumliche Eingrenzung vorgeschlagen, falls Wertpapiere an mehreren Handelsplätzen handelbar sind. Aufgrund der Transaktionskosten für grenzüberschreitende Transaktionen sollen danach nur inländische Handelsplätze einen einheitlichen Markt bilden.405 Diese Ansicht ist jedoch weder vom Wortlaut noch der Systematik gestützt. Da das Marktmanipulationsverbot nunmehr unmittelbar dem EU-Recht zu entnehmen ist, kann es zudem für den Bezugspunkt „Finanzinstrument“ keinesfalls auf nationale Grenzen ankommen. (2) Beherrschende Stellung Wann eine „beherrschende Stellung“ in Bezug auf das Angebot oder die Nachfrage eines Finanzinstrumentes besteht, ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut. (a) Literatur In der Literatur wird angeführt, das bloße Vorliegen monopolistischer Angebotsoder Nachfragestrukturen auf Märkten mit geringer Liquidität genüge nicht.406 Vielmehr müsse „der Markt an der Schwelle zu einem Preis- oder Bedingungsdiktat“ stehen.407 Dabei können auch börsenregulatorische Positionslimite überschritten
402 Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 21; ebenso Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232. 403 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2450. 404 s. auch Thomas, ZWeR 2014, 119, 124. 405 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 194. 406 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 21; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232; so auch bereits Begr. BMF KuMaKV, BR-Drucks. 693/03, 13. 407 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 21; sich anschließend Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 20a WpHG Rn. 232. Ähnlich Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 128: „wenn ein Marktteilnehmer den Markt und damit auch Angebot und Nachfrage kontrollieren kann“.
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werden,408 allerdings soll dies keine indizielle Bedeutung haben.409 Vielversprechender Ausgangspunkt auch hierfür ist für manche Literaturstimmen das Kartellrecht.410 Die kartellrechtliche Praxis habe den Begriff einer marktbeherrschenden Stellung justiziabel gemacht.411 (b) Stellungnahme Im Kartellrecht wird angenommen, dass der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung wirksamen Wettbewerb verhindern und sich von der Marktgegenseite in nennenswertem Umfang unabhängig verhalten kann.412 Die Parallele ist jedoch irreführend, da die kartellrechtliche Machtposition auf der kartellrechtlichen Marktabgrenzung fußt. Ein konkretes Produkt ist im Kartellrecht für die Marktgegenseite nicht mit anderen Produkten austauschbar oder substituierbar.413 Gerade wegen dieser eingeschränkten Ausweichmöglichkeiten der Gegenseite hat ein Marktakteur „Macht“. Im Gegensatz dazu ist im Kapitalmarktrecht der Bezugspunkt (kartellrechtlich: die Marktabgrenzung) „Finanzinstrument“ vom Manipulationsverbot vorgegeben. Ohne der späteren Prüfung vorzugreifen sei an dieser Stelle unterstellt, dass Wertpapiere für die Marktgegenseite grundsätzlich beliebig austauschbar sind.414 Selbst die vollständige Kontrolle eines bestimmten Wertpapiers verleiht daher nur beim Hinzutreten besonderer Umstände Macht. Der Unterschied zwischen Marktbeherrschung im Kapitalmarktrecht und im Kartellrecht liegt also darin, dass ein hoher „Marktanteil“ noch keine Marktmacht begründet. Der Verordnungsgeber hat dies erkannt. Die Möglichkeit eines Bedingungsdiktates ist von Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR als zusätzliches Tatbestandsmerkmal vorgegeben. Gefordert ist die „Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung […] mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufsoder Verkaufspreises oder anderen unlauteren Handelsbedingungen führt [sic] oder hierzu geeignet ist [sic]“. Wäre Marktmacht eine Voraussetzung für eine „marktbeherrschende Stellung“ i.S.v. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR, so wären jegliche Vorgaben in Bezug auf die möglichen Konsequenzen von Marktmacht in Form der Festsetzung von Handelsbedingungen überflüssig. Konsequent erscheint es daher, den Begriff der „marktbeherrschenden Stellung“ in Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR als 408
Begr. BMF KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, 12 f. Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 21; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232. 410 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1255 f.; zur Parallele zum Kartellrecht auch insbesondere Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 194. 411 Vgl. zu diesem Schluss in Bezug auf § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1255. 412 s. zu diesem Begriff der marktbeherrschenden Stellung EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 65 (United Brands); s. auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 430 ff. 413 s. zum sog. Bedarfsmarktkonzept u. § 4 I. 3. c) aa) (1). 414 Dazu s. näher u. § 4 I. 3. c) bb). 409
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schlichtes Innehaben eines erheblichen Anteils an einem bestimmten Finanzinstrument zu begreifen.415 Dadurch wird eine sachgerechtere Abgrenzung der Missbrauchshandlung vom legitimen Beteiligungsaufbau ermöglicht als durch eine Subsumtion von weiteren Teilen der Tathandlung unter den Begriff der marktbeherrschenden Stellung. Wo schließlich die „Schwelle zu einem Preis- oder Bedingungsdiktat“416 liegt, ist eine davon zu trennende Frage, die anhand der übrigen Tatbestandsmerkmale zu ermitteln ist. Eine pauschale Quantifizierung der marktbeherrschenden Stellung erscheint jedoch nicht sachgerecht. Bei einem geringen free float mag schon ein relativ kleiner Anteil ausreichen, um die charakteristische Drucksituation auszulösen. Es ist daher für die Definition der marktbeherrschenden Stellung eine Einzelfallanalyse geboten, bei der es darauf ankommt, ob die marktbeherrschende Stellung dazu befähigt, die übrigen Tatbestandsmerkmale auszufüllen. bb) Sicherung Verboten ist gem. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR die „Sicherung“ der marktbeherrschenden Stellung. Damit ist gerade auch das Verhalten erfasst, durch welches die Stellung erstmalig herbeigeführt wird.417 In Abgrenzung zur versuchten Marktmanipulation kann der Tatbestand jedoch nur dann erfüllt sein, wenn die marktbeherrschende Stellung bereits erworben ist. Der Fokus auf den Erwerbsvorgang wird besonders in anderen Sprachfassungen deutlich: In der französischen Fassung wird die Sicherung mit „s’assurer“ übersetzt, was „sich [etwas] sichern“ bedeutet. In der italienischen Sprachfassung heißt es gar „per acquisire“, was mit „zu erwerben“ übersetzt werden kann. § 3 Abs. 3 Nr. 1 KuMaKV war noch so zu verstehen, dass ausschließlich die Geschäfte aus einer bestehenden marktbeherrschenden Stellung heraus den Tatbestand erfüllen, da er das „Ausnutzen“ der Stellung erforderte.418 Mit § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV wurde dieses Erfordernis gestrichen419 und der Tatbestand explizit in das Vorbereitungsstadium des eigentlich sanktionswürdigen Ausnutzens
415 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV tendenziell auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 187; auch Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 130 f., scheint – ohne dies ausdrücklich zu benennen – den Begriff der marktbeherrschenden Stellung z. B. als das Innehaben eines großen „Anteils am umlaufenden Aktienmaterial“ (131) zu verstehen. 416 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 21. 417 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 22, § 20a Rn. 239; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 20a WpHG Rn. 68 f.; Zimmer, in: Leible (Hg.), Hedgefonds und private equity – Fluch oder Segen?, 125, 135 f.; Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697. 418 Trüstedt, Börsenkursmanipulationen, 202. 419 Vgl. Begr. BMF MaKonV, BR-Drucks. 18/05, 17; dazu Sorgenfrei, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, 3. A. 2013, § 39 WpHG Rn. 210.
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ausgedehnt.420 In der Literatur wurde teils gleichwohl ein manipulatives Ausnutzen der Stellung durch ein Preisdiktat oder Täuschungshandlungen gefordert.421 Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR knüpft jedoch ausdrücklich an die potenziellen Folgen einer marktbeherrschenden Stellung an. Insofern gilt primär die Herbeiführung der marktbeherrschenden Stellung als Tathandlung. Da das Ausnutzen allerdings zwingend mit dem Bestehen des – bereits tatbestandsmäßigen – Zustandes einer Ausnutzungsmöglichkeit zusammenfällt, gewinnt dies abgesehen von der Rechtsfolgenseite nur Relevanz, falls die Herbeiführung der Stellung ausnahmsweise nicht tatbestandsmäßig sein sollte. Dann ist das Ausnutzen erst recht tatbestandsmäßig. cc) Festsetzung von Preisen oder anderen unlauteren Handelsbedingungen Die letzte Voraussetzung ist das Führen der Handlung zur „tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufsoder Verkaufspreises oder anderen unlauteren Handelsbedingungen“ bzw. die Eignung hierzu. Der Tatbestand ist im Vergleich zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV erheblich erweitert, da schon die „wahrscheinliche“ Folge einer Preisfestsetzung oder gar die Eignung dazu ausreichen soll. Wie gesehen verleiht die bloße „marktbeherrschende Stellung“ in Bezug auf ein Finanzinstrument anders als im Kartellrecht nicht notwendigerweise Marktmacht. Die Erforderlichkeit ihres Potenzials zur Festsetzung von Preisen ist die logische Konsequenz dieser Beobachtung. Für ein Festsetzen von Preisen genügt es nicht, dass ein Anbieter profitmaximierend und ohne Rücksicht auf die Marktgegenseite vorgeht, da dies normalem Marktverhalten entspricht.422 Es muss vielmehr in der Macht des Anbieters liegen, gerade wegen seiner Stellung am Markt Preise beliebig zu diktieren.423 Dies ist insbesondere möglich, wenn sich die Marktgegenseite dazu gezwungen sieht, das jeweilige Finanzinstrument zu erwerben. Oben wurde aufgezeigt, dass dieser Fall dann gegeben ist, wenn sich dritte Anleger in einer Zwangslage befinden. So könnte ein Manipulant auf einem Markt, auf dem Wertpapiere in großem Umfang leer verkauft wurden, im Wissen um diesen Umstand alle verfügbaren Papiere erwerben, mit der Absicht sie später zu überhöhten Preisen an die Leerverkäufer zu veräu420 s. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232b; Sorgenfrei/ Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 107: „eine einer möglichen Manipulation […] vorgelagerte Handlung“; zum Begehen materiellen Unrechts durch das Ausnutzen Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697. 421 Zu § 20a WpHG a. F. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 187; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 131; vgl. auch Bisson/Kunz, BKR 2005, 186, 188; dagegen Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 698. 422 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1257 f. 423 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 232; Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697 (Preis über das übliche Maß hinaus bestimmen können).
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ßern.424 Die Preisfestsetzung kann „unmittelbar“ oder „mittelbar“ erfolgen, was Umgehungskonstruktionen ausschließt. Dass es nun schon genügt, dass die Tathandlung zur Preisfestsetzung „geeignet ist“, ist von der versuchten Tathandlung gem. Art. 15 MAR abzugrenzen, vgl. ErwGr. 41 der MAR. Hier manifestiert sich abermals das Vorgreifen des Verordnungsgebers in das Vorbereitungsstadium eines Ausnutzens der Preisfestsetzungsmacht. „Andere unlautere Handelsbedingungen“ können begriffen werden als eine „Beeinträchtigung sonstiger Bedingungen, die für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Nutzen für die Marktteilnehmer von Bedeutung sind“,425 wobei dies eng auszulegen ist.426 dd) Tatbestandsrestriktion – kein subjektiver Tatbestand Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV war nach der überwiegenden Auffassung eine Tatbestandsrestriktion geboten, da die Norm andernfalls auch legitime Verhaltensweisen erfasst hätte. Fragwürdige Ergebnisse drohten etwa im Zusammenhang mit squeeze-outs, Übernahmen oder beim market making.427 Dies gilt erst recht für den noch breiteren Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR. Das Instrument der zulässigen Marktpraxis gem. Art. 12 MAR ist hier nicht weiterführend, da es nur auf Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR bezogen ist.428 Nach einer Ansicht soll die Tatbestandsverwirklichung ausscheiden, wenn sie aufgrund von eigenen Dispositionen Dritter eintritt, wie dies etwa bei umfangreichen spekulativen Leerverkäufen am Markt der Fall ist.429 Allerdings begründen speziell solche Fälle eine Zwangslage, welche die Grundlage für die verbotene Schaffung von Preisbeeinflussungsmacht bildet. Sie sollten daher nicht 424 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 232a, mit Verweis auf Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), § 20a WpHG Rn. 69. 425 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Begr. BMF MaKonV, BR-Drucks. 18/05, 17. 426 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Stoll, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 23; kritisch zur Konturlosigkeit der Norm Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 91. 427 Stoll, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 22 f.; Eichelberger, Marktmanipulation, 34; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 130; Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232a; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256; Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697 f.; vgl. auch Lenzen, Börsenkursbildung, 20 (ohne rechtliche Bewertung). s. jedoch Pirrong, 38 J. L. & Econ. (1995), 141, 147, der aus ökonomischer Sicht argumentiert, eine „zufällige“ Marktenge sei der Effizienz ebenso abträglich wie ein beabsichtigter corner oder squeeze. 428 Vgl. zur Eigenständigkeit des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 479; anders Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 167. Art. 13 MAR ist etwa für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen gedacht, die nicht bereits nach Art. 5 MAR ausgenommen sind, vgl. ErwGr. 11 MAR; vgl. auch von der Linden, DStR 2016, 1036, 1040. 429 Zu § 20a WpHG a. F. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 232; ebenso Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 172, zu Porsche/VW: Hier habe sich lediglich das Leerverkäufen innewohnende Risiko verwirklicht.
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vom Tatbestand ausgenommen werden.430 Entgegen einer Literaturstimme431 genügt es genauso wenig, eine Tatbestandsverwirklichung erst bei Erreichen der Möglichkeit zur Festsetzung von Preisen anzunehmen, da dies beim legitimen Beteiligungsaufbau genauso eintreten kann. Ein denkbarer Ansatz für Tatbestandsrestriktionen wäre der subjektive Tatbestand. Gerade in der Vorbereitungsphase vor dem „Ausnutzen“ erschiene es ungeachtet etwaiger Beweisprobleme432 zur Abgrenzung von legitimem und manipulativem Verhalten sinnvoll, jedenfalls eine vorsätzlich herbeigeführte Ausnutzungsmöglichkeit vorauszusetzen.433 Teilweise wird gar eine manipulative Absicht gefordert.434 Die offene Formulierung des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR schließt eine subjektive Komponente jedoch aus. Der Verordnungsgeber will offensichtlich zugunsten maximalen Funktionsschutzes schon die bloße Gefahr einer Manipulationsgelegenheit verbieten, ohne dass es auf eine subjektive Komponente ankommen würde. Dass an anderer Stelle ein subjektiver Tatbestand ausdrücklich geregelt ist435 bestätigt diese Auffassung. Die zu § 20a Abs. 1 S. 1 WpHG a. F. verbreitete Ansicht, dass ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot auch jenseits straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sanktionen von einem eigenständigen Vorsatzerfordernis abhinge,436 kann demgegenüber nicht überzeugen und ist jedenfalls nicht auf Art. 12 MAR zu übertragen.437 Gegen sie spricht bereits, dass für korrespondierende straf- und aufsichtsrechtliche Sanktionen geringere Anforderungen an den subjektiven Tatbestand gestellt werden.438 Gegen ein Vorsatzerfordernis spricht auch ErwGr. 23 CRIM-MAD439, wonach „für Sanktionen bei 430 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. ebenso Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256. Schon § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV sollte gerade cornering und short squeezes erfassen, s. Pananis, in: MüKo-StGB, § 38 WpHG Rn. 228; vgl. auch die BMF-Begr. zur KuMaKV, 5. 9. 2003, BR-Drs. 639/03, 12. Gerade diese Konstellationen sind von Dispositionen Dritter abhängig. 431 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 698 f. 432 Vgl. dazu Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256. 433 Zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. Vogel in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232a, der vorsätzliches Handeln im Sinne einer „tätigen Sicherung“ fordert; so auch Worms, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 595 f.; einen subjektiven Ansatz ausdrücklich ablehnend Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256, jedoch gleichwohl das kapitalmarktrechtliche Vorsatzerfordernis auf S. 1257 anführend. 434 Eichelberger, Marktmanipulation, 34. 435 Vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR oder Art. 21 lit. b) MAR. 436 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 73 f.; Stoll, in: KK-WpHG,§ 20a WpHG Rn. 247; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 3, 126; Eichelberger, Marktmanipulation, 320 f.; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht, Rn. VI. 174. 437 Dagegen auch Poelzig, NZG 2016, 528, 536, a. A. Stoll, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 248. 438 s. u. § 4 I. 2. f). 439 RL 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 4. 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. 2014 L 173, 179.
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Verstößen gegen die [MAR] kein Nachweis eines Vorsatzes oder eines schweren Falles erforderlich“ ist.440 Ferner hätten die Aufsichtsbehörden andernfalls keine Handhabe in Bezug auf objektiv marktschädliches, aber etwa hinsichtlich seiner möglichen Folgen unvorsätzlich begangenes Verhalten. Zur Restriktion des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR ist daher eine objektiv-normative Herangehensweise gefordert. Ein wertender Einschlag kann schon aus dem Tatbestand geschlossen werden, der die Möglichkeit einer Festsetzung von Preisen „oder anderen unlauteren Handelsbedingungen“ fordert. Dies lässt sich so verstehen, dass auch der Preisfestsetzungsmöglichkeit ein „unlauteres“ Element innewohnt. Die Anwendbarkeit des Tatbestandes muss daher jedenfalls ausgeschlossen sein, wenn ein Wertpapiererwerb objektiv nicht den Anschein eines manipulativen Verhaltens erweckt, sondern klar einem legitimen Vorgehen zuzuordnen ist.441 Auch ein zunächst legitim handelnder Marktbeherrscher kann zu einem späteren Zeitpunkt durch manipulative Handlungsweisen cornering/squeezing begehen,442 indem er im Sinne eines Ausnutzens der marktbeherrschenden Stellung tätig wird. Falls Marktengen im Rahmen legitimer Vorgänge durch Dritte opportunistisch ausgenutzt werden, darf dies allerdings nicht dem Marktbeherrscher zugerechnet werden. Ein Dritter könnte jedoch Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR verletzen (dazu sogleich). c) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR Corners/squeezes könnten zudem nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR verboten sein. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR ist Marktmanipulation der „Abschluss eines Geschäfts, [die] Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments […] gibt, oder bei der dies wahrscheinlich ist […]“. Von Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR ist der „Abschluss eines Geschäfts, [die] Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung“ erfasst, die „ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente […] sichert oder bei der dies wahrscheinlich ist“. Nach § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. war es nur verboten, entsprechende „Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen“, weswegen der Tatbestand durch die Al440
s. auch Poelzig, NZG 2016, 528, 536. Trotz seines subjektiven Ansatzes im Ergebnis ähnlich Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 232a; auch die Begr. BMF MaKonV, BR-Drucks. 18/05, 17, war ohne Weiteres davon ausgegangen, dass in der Regel keine Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, „wenn der Emittent selbst oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen von ihm ausgegebene Finanzinstrumente an einem Markt durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen betreuen muss, um einen Handel zu ermöglichen“. 442 Byrd, 7 Hofstra L. Rev. (1979), 923, 930 f., wonach ein zunächst legitimer Beteiligungsaufbau später in einen missbräuchlichen corner umschlagen kann, wenn der Marktbeherrscher Long-Positionen eingeht, um seine Stellung auszunutzen. 441
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ternative „jede andere Handlung“ erheblich erweitert wird. Die bisher übliche Bezeichnung der Tatbestandsalternative als „handelsgestützte Marktmanipulation“443 erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr zutreffend,444 da dem Wortlaut entsprechend auch nicht handelsgestützte Vorgehensweisen, sondern „jede Handlung“ tatbestandsmäßig sein kann. Entsprechend geht die mit der MAR entfallene Variante der „handlungsgestützten“ Marktmanipulation nun in den übrigen Alternativen auf.445 aa) Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR „Signale“ sind grundsätzlich in jedem Handelsgeschäft oder Angebot enthalten.446 Eine Signalwirkung „hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments“ kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn die Geschäfte für verständige Marktteilnehmer auch erkennbar sind.447 Ein „falsches“ Signal entspricht nicht den wahren Verhältnissen am Markt.448 „Irreführend“ ist es, wenn es dazu geeignet ist, verständige Marktteilnehmer449 über die wirtschaftlichen Verhältnisse zu täuschen.450 Falsche Signale haben jedoch stets auch 443 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 161; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 20a WpHG Rn. 34; Hohn, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, 680. 444 Vgl. auch Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 16 („[…] Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a oder lit. b MAR betrifft handels- und handlungsgestützte Manipulationen […]“); an der alten Bezeichnung festhaltend Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 183; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 602; Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 8 f.; Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 59. 445 Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 165; Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 82 (weitestgehend erfasst, i.Ü. nun zulässig). 446 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 150 zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Es ist aufgrund des gemeinsamen Ursprungs in der MMRL 2003 davon auszugehen, dass die in der MAR ebenfalls verwendeten Begrifflichkeiten gleich auszulegen sind, siehe dazu bereits die Einleitung zu § 4 I. 2. b). 447 Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 224; vgl. auch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1044 f.; ähnlich auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 162. 448 Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 59; Eichelberger, Marktmanipulation, 290; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 47. 449 Vgl. zum Maßstab des „verständigen Investors“ ErwGr. 14 MAR. 450 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 150; Eichelberger, Marktmanipulation, 290; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 47. Gegen eine Differenzierung bei § 20a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG a. F. spricht sich etwa Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 223 aus, der beide Merkmale für sachlich gleichbedeutend hält; so. auch Knauth/ Käsler, WM 2006, 1041, 1045; Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 683 f. Gegen eine Gleichstellung spricht jedoch bereits die Tatsache, dass die beiden Begriffe sowohl in § 20a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG a. F. als auch in Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR differenziert aufgeführt werden („falsche oder irreführende“), und zudem in Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR
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eine irreführende Wirkung, da der Empfänger gerade durch falsche Informationen zu falschen Annahmen verleitet wird und in der Folge objektiv einem Irrtum unterliegt.451 Nach § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. hatte es noch ausgereicht, dass die Geschäfte zur Abgabe falscher oder irreführender Signale oder zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus „geeignet sind“. Daran war kritisiert worden, dass die bloße Eignung zur Abgabe von zur Beeinflussung geeigneten Signalen als „zweifach gestaffelte Eignung“ sinnlos sei und auf eine einzige Eignungsstufe gebracht werden müsse.452 Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR vollzieht dies teilweise, indem die Handlung nicht mehr „geeignet“ zur Abgabe von entsprechenden Signalen, sondern dies „wahrscheinlich“ sein muss. Hierin kann man eine Tatbestandsverengung sehen,453 jedoch zeigt der Blick auf andere Sprachfassungen, dass kein allzu hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gefordert sein kann.454 Auch in der Literatur wird weiterhin lediglich auf die Geeignetheit zur Signalabgabe Bezug genommen.455 In jedem Fall bleibt es dabei, dass die Signale selbst nur eine Manipulationseignung haben und eine Beeinflussung von Preis, Angebot oder Nachfrage weder tatsächlich noch wahrscheinlich eintreten müssen. Anders ausgedrückt verbietet der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR weiterhin das (wahrscheinliche bzw. mögliche) Schaffen einer Preisbeeinflussungsgefahr.456 Im Umkehrschluss zu Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR („wenn die Person […] wusste oder hätte wissen müssen, dass sie [die Informationen] falsch oder irreführend waren“) kommt es nicht darauf an, ob der Manipulant wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Handlung falsche oder irreführende Signale gibt. Ein eigenständiges kapitalmarktrechtliches Vorsatzerfordernis ist abzulehnen.457
ausschließlich die „Vorspiegelung falscher Tatsachen“ genannt ist, s. dazu Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 405; vgl. auch die Ausführungen zu unrichtigen und irreführenden Angaben i. S. d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F. bei Eichelberger, Marktmanipulation, 237 ff. 451 Vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 62; Eichelberger, Marktmanipulation, 251 f. zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F.; ähnlich auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 408; vgl. auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 161; Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 62. 452 Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 682 f. 453 Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 57. 454 Wird im Englischen likely to und im Italienischen è probabile che verwandt, so heißt es in der französischen Fassung susceptible de, was wiederum mit „geeignet sein“ übersetzt werden könnte. Zum erforderlichen Maß der Wahrscheinlichkeit einer Preiseinwirkung bei § 20a Abs. 1 S. 1 WpHG a. F. vgl. Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 670. 455 Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 81. 456 Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 79: „Markttäuschungswahrscheinlichkeit“. 457 s. o. § 4 I. 2. b) dd).
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Nach dem Gesagten können corners/abusive squeezes nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR subsumiert werden. Weder zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs458 noch beim Ausnutzen der marktbeherrschenden Stellung werden Signale ausgesendet, die die Marktteilnehmer zu einem Irrtum veranlassen. Insgesamt werden also keine falschen oder irreführenden Signale gegeben.459 bb) Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR Allerdings könnte Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR einschlägig sein, der Bezug auf ein „anormales oder künstliches Kursniveau“ nimmt. Ein Kursniveau ist anormal oder künstlich, wenn es nicht die wahren Verhältnisse am Markt widerspiegelt,460 sondern manipulativ beeinflusst ist.461 Anders als nach § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. („herbeiführen“) oder Art. 1 Nr. 2 a) MMRL 2003 („erzielen“) muss nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR das Kursniveau „gesichert“ werden. Da etwa in Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR der abweichende Begriff „herbeiführen“ verwendet wird und – anders als bei Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR462 – auch in anderen Sprachfassungen (französisch fixer, italienisch fissare) nicht auf den Vorgang der Herbeiführung eines Kursniveaus abgestellt wird, ließe sich annehmen, dass nur ein bereits bestehendes Preisniveau „gesichert“ werden kann. Dies würde jedoch große Sanktionslücken eröffnen und ist schon von daher abzulehnen. Die Besonderheit des Abs. 1 lit. a) ii) ist vielmehr, dass hier der Schwerpunkt auf der Reaktion der Marktteilnehmer auf die manipulative Handlung liegt.463 Ob das Kursniveau durch die manipulative Handlung herbeigeführt wird oder lediglich marktwidrig erhalten bleibt, kann nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht entscheidend sein.464 Die Handlungsform des „Sicherns“ ist dem Wortlaut entsprechend erfolgsbezogen und setzt damit eine tatsächliche Preiseinwirkung voraus. Es genügt jedoch, dass dieser Erfolg „wahrscheinlich“ geworden ist. Im Ergebnis genügt somit, anders als in Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR, nicht die bloße Wahrscheinlichkeit einer Preisbeeinflussungsgefahr, sondern die Preisbeeinflussung selbst muss wahrscheinlich sein. Entsprechend lässt sich allerdings annehmen, dass die „Wahrscheinlichkeit“ nicht überwiegend oder auch nur 458 A.A. zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 698, der eine Täuschungshandlung durch den Beteiligungserwerb konstruiert. 459 Speziell zum Beteiligungsaufbau unter § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. ebenso Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 476. 460 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 682; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 151. 461 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Eichelberger, Marktmanipulation, 293 ff. 462 Siehe dazu oben § 4 I. 2. b) bb). 463 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1045. 464 Ebenso Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 80; ähnlich auch Bator, BKR 2016, 1, 2 der für den Begriff „Herbeiführen“ i. S. d. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR ein synonymes Verständnis mit „Sichern“ i. S. d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR für die einzig mögliche Auslegung hält, allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Wortlaut anmeldet.
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groß sein muss, sondern eher einer bloßen „Eignung“ zur Sicherung eines Kursniveaus entspricht.465 Es fragt sich, ob corners/squeezes unter den so umrissenen Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR subsumiert werden können. Die Geschäfte zum Beteiligungsaufbau führen jedenfalls noch kein anormales oder künstliches Kursniveau herbei, sondern stellen eine reine Vorbereitungshandlung für die manipulative Tat dar.466 Die Tatbestandsmäßigkeit des Ausnutzens einer marktbeherrschenden Stellung war für § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. abgelehnt worden, da hierbei nicht, wie es der Tatbestand gebot, durch Geschäfte ein „künstliches Preisniveau“ herbeigeführt wurde, sondern nur eine bereits durch vorherige Handelsvorgänge geschaffene Machtsituation ausgenutzt wird.467 Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR kann nun auch „jede andere Handlung“, die ein entsprechendes Kursniveau „sichert“, tatbestandsmäßig sein. Als eine „Handlung“, die ein anormales oder künstliches Kursniveau sichert, kann etwa das einseitige Diktieren von Preisen beim Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung gesehen werden.468 Denn hier entstehen gerade durch die Handlungen des Manipulanten willkürliche Preise, die nicht die tatsächlichen Marktverhältnisse reflektieren, sondern aus der Zwangslange anderer Marktteilnehmer folgen. Zusammengefasst erfüllt das Ausnutzen, nicht aber der Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR. d) „Abusive Squeeze“ nach Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522 Dass, wie hier vertreten, das „Ausnutzen“ den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR erfüllt, wird auch bestätigt durch den „Indikator für manipulatives Handeln“ in Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522. Dieser bezieht sich explizit auf das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne eines „Abusive Squeeze“ und ist mittelbar eine Konkretisierung des Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR. Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522 nennt die folgende Definition als Indikator für eine Manipulationshandlung:
465 So auch Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 81. 466 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Eichelberger, Marktmanipulation, 303 f.; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 476; vgl. auch Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 260, Fn. 198 („squeezes and corners do not involve trades designed to change price“). 467 Eichelberger, Marktmanipulation, 303 f. 468 Vgl. Eichelberger, Marktmanipulation, 303 f., der diese Möglichkeit nach der MMRL 2003 in der Fassung des ursprünglichen Kommissionsentwurfes bejaht hätte, wo ein Kursniveau nicht nur durch Geschäfte oder Aufträge herbeigeführt werden konnte; vgl. auch Raabe, Blankettstrafgesetze, 177, der „das Schaffen und Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung“ bereits nach alter Rechtslage als von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. erfasst sieht.
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„Ausnutzung des erheblichen Einflusses einer marktbeherrschenden Stellung auf das Angebot an bzw. die Nachfrage nach Umsetzungsmechanismen für ein Finanzinstrument, […] mit dem Ziel einer deutlichen Verfälschung bzw. wahrscheinlichen Verfälschung der Preise, zu denen andere Parteien Lieferungen vornehmen, entgegennehmen oder herausschieben müssen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, was gewöhnlich als ,Abusive Squeeze‘ (missbräuchlicher Druck) bezeichnet wird“. (Hervorhebung nur hier).
Regelungstechnisch konkretisiert dieser Tatbestand Anhang I A lit. b) MAR, wonach „der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte von Personen, die bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen in Bezug auf ein Finanzinstrument […] innehaben, zu wesentlichen Änderungen des Kurses dieses Finanzinstruments […] führen“ als Indikator für manipulatives Handeln berücksichtigt werden kann. Dieser Indikator ist wiederum auf Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR bezogen. Die ausdrückliche Normierung des abusive squeeze als „Indikator für manipulatives Handeln“ in Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522 ist inhaltlich eine reine Klarstellung, dass die Verhaltensweise von Art. 12 Abs. 1 lit. a) [wie gesehen: ii] MAR erfasst wird, da andernfalls – entgegen der hier vertretenen Ansicht – etwa der Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR so verstanden werden könnte, dass das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung keine Marktmanipulation darstellt. e) Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR Unter Rückgriff auf die umstrittene469 Dogmatik zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. und § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a. F. könnten corners/squeezes möglicherweise auch als sonstige Täuschungshandlung unter Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR subsumiert werden.470 Allerdings sind die Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR, Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR insoweit speziellere Vorschriften, weswegen Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR nicht zu prüfen ist. f) Rechtsfolgen Ein Verstoß gegen Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR löst aufsichtsrechtliche und ordnungswidrigkeiten- bzw. strafrechtliche Folgen aus, die hier knapp skizziert seien. Die MAR knüpft zwar keine unmittelbar geltenden Konsequenzen an das Marktmanipulationsverbot. Allerdings enthält sie in Art. 30 ff. MAR als Richtlinie471 Mindestvorgaben für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen, die in das nationale Recht umzusetzen sind. In der CRIM-MAD finden sich ferner Vorgaben an 469
Vgl. bei und in Fn. 399. So Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 96. 471 Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 17. 470
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das nationale Strafrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat diese und weitere europäische Vorgaben durch das 1. FiMaNoG472 umgesetzt.473 aa) Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen Entsprechend den Mindestvorgaben474 in Art. 30 Abs. 2 MAR wurde die BaFin mit neuen Rechtsinstrumenten ausgestattet, von denen hier einige hervorgehoben seien.475 Nach § 6 Abs. 6 WpHG kann die BaFin die Einstellung der einen Rechtsverstoß begründenden Handlung verlangen. Gem. § 6 Abs. 9 WpHG kann sie eine öffentliche Warnung aussprechen. Ferner kann sie gem. § 35 Abs. 2 Nr. 7 KWG einer Wertpapierfirma die Zulassung entziehen. Zudem kann die Behörde gem. § 6 Abs. 8 WpHG Personen, die bei einem beaufsichtigten Unternehmen tätig sind, für bis zu zwei Jahre die Berufstätigkeit untersagen. Von Bedeutung ist auch das sog. naming and shaming, das in § 34 MAR vorgegeben ist und in § 125 WpHG umgesetzt wurde. Nach dessen Maßgabe muss die BaFin Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen auf ihrer Internetseite bekanntmachen, was bisher gem. § 40b WpHG a. F. nur fakultativ war.476 Wohl die wichtigste Neuerung ist jedoch die extreme Verschärfung der bußgeldrechtlichen Sanktionen, deren Mindestmaß durch Art. 30 Abs. 2 lit. h) – j) MAR vorgegeben ist. Gem. § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG ist der vorsätzliche oder leichtfertige Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 MAR) eine Ordnungswidrigkeit.477 Nach § 120 Abs. 18 S. 1 WpHG kann diese mit einer Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro bestraft werden. Juristische Personen dürfen gem. § 120 Abs. 18 S. 2 Nr. 1 WpHG WpHG sogar mit einer Geldbuße bis zu 15 Millionen Euro oder478 15 Prozent des vorangegangenen Jahresumsatzes belegt werden. Bei Mutteroder Tochterunternehmen ist gem. § 120 Abs. 23 S. 2 WpHG der Konzernumsatz maßgeblich. Noch darüber hinausgehend kann ein Bußgeld für natürliche und juristische Personen479 gem. § 120 Abs. 18 S. 3 WpHG auch die dreifache Höhe des aus 472 Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG), BGBl. 2016 I, 1514. 473 Begr. RegE 1. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/7482, 1 f.; Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 23, 28 f. 474 Vgl. Art. 30 Abs. 3 MAR. 475 Vgl. ansonsten ausführlich Poelzig, NZG 2016, 492, 496 ff. 476 Poelzig, NZG 2016, 492, 499. 477 Für den gem. § 25 WpHG um die dort genannten Gegenstände erweiterten Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbotes gilt § 120 Abs. 2 Nr. 3 WpHG (vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß gegen Art. 15 MAR). 478 In Art. 30 Abs. 2 lit. i) i), lit. j) i) MAR findet sich keine ausdrückliche Klärung des Verhältnisses zwischen den beiden Beträgen. In § 120 Abs. 18 S. 2 Nr. 1 WpHG ist allerdings – möglicherweise in zulässiger Weise über die MAR hinausgehend – geregelt, dass der höhere der beiden Beträge die Obergrenze bildet, vgl. Poelzig, NZG 2016, 492, 497 f. 479 Dies ergibt sich aus der Systematik, vgl. außerdem Poelzig, NZG 2016, 492, 499.
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der Tat gezogenen wirtschaftlichen Vorteils erreichen, wobei die Summe gem. S. 4 geschätzt werden kann und vermiedene Verluste umfasst. Durch die Verschärfung der Sanktionen entstehen deutliche Parallelen zum Kartellrecht. Stellvertretend für diese Assoziation stehen die drakonische Höhe der Geldbußen, ihre Umsatzabhängigkeit sowie das Abstellen auf einen Konzernumsatz.480 bb) Straftatbestand § 119 WpHG Vorsätzliche Marktmanipulationen durch natürliche Personen, die zu einem tatsächlichen Einwirkungserfolg481 führen, stellen schließlich nach § 119 Abs. 1 WpHG eine Straftat dar. Art. 8 f. CRIM-MAD ermöglichen zwar auch eine Unternehmensstrafbarkeit, da es in Deutschland jedoch kein Unternehmensstrafrecht gibt genügt die Sanktion durch entsprechende Bußgelder.482 cc) Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche Es war in Bezug auf § 20a Abs. 1 S. 1 WpHG a. F. Gegenstand einer intensiven Debatte, ob Geschädigte aus der Verletzung des Marktmanipulationsverbotes einen privatrechtlichen Schadensersatzanspruch herleiten konnten. Für eine Eigenschaft als zivilrechtliches Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB hätte die Norm neben dem Funktionsschutz und dem überindividuellen Anlegerschutz auch individuellen Anlegerschutz bezwecken müssen, was von der überwiegenden Ansicht in der Literatur jedoch abgelehnt wurde.483 Im IKB-Urteil hat schließlich auch der BGH eine Schutzgesetzeigenschaft verneint,484 womit die Problematik weitgehend erledigt war. Für die neue Rechtslage stellt sich die Frage nach zivilrechtlichen Ansprüchen bei einem Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot jedoch erneut, da weder die MAR noch begleitende oder umsetzende Rechtsakte eine Aussage dazu treffen.485 Teile der Literatur gehen davon aus, dass nunmehr ein private enforcement geboten sei.486 Auf der Ebene der herkömmlichen Dogmatik zu § 823 Abs. 2 BGB487 wird 480 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 192; Krause, CCZ 2014, 248, 258; Poelzig, NZG 2016, 492, 497. 481 Zum Taterfolg näher Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 91 ff. 482 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 193; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 606; Poelzig, NZG 2016, 492, 496. 483 Vgl. statt vieler Eichelberger, Marktmanipulation, 363 ff. 484 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800, 1802 f. (IKB); krit. Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 475 ff. 485 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 194; Poelzig, NZG 2016, 492, 501. 486 Hellgardt, AG 2012, 154, 164 ff.; Poelzig, NZG 2016, 492, 501; dies., ZHR 2015, 801, 808 ff.; Tountopoulos, ECFR 2014, 297, 315 ff.; tendenziell Veil, in: ders. (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 182; tendenziell Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 607. 487 Zu Divergenzen zwischen der Schutzzwecklehre und der „funktionalen Subjektivierung“ s. Poelzig, ZGR 2015, 801, 815; Harnos, ZEuP 2015, 546, 560 ff.
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vorgebracht, dass die MAR ausdrücklich individuellen Anlegerschutz bezwecke,488 was jedoch nicht überzeugen kann. Der dafür angeführte ErwGr. 47 MAR nimmt zwar Bezug auf den Schaden, den einzelne Marktteilnehmer durch manipulatives Verhalten erleiden.489 Dies erfolgt jedoch nur zu Zwecken der anschließenden Aussage, dass der Anlegerschaden das Marktvertrauen beeinträchtigt und in der Folge die bekannten Effizienzprobleme eintreten, die sich dem Funktionsschutz zuordnen lassen. Auch Art. 1 MAR, der als Zielvorgabe den „Anlegerschutz“ nennt, lässt sich nicht als Postulat individuellen Anlegerschutzes verstehen.490 Hätte der Verordnungsgeber mit der MAR generell einen solchen bezwecken wollen, hätte es nahegelegen, ein zivilrechtliches Haftungsregime ausdrücklich vorzugeben.491 Die MAR nimmt in ErwGr. 2 vielmehr explizit Bezug auf den Schutzzweck der Marktintegrität und das Vertrauen der Öffentlichkeit.492 Insgesamt stehen daher Funktionsschutz und überindividueller Anlegerschutz im Mittelpunkt.493 Gewichtiger für die Frage nach zivilrechtlichen Ansprüchen scheint jedoch das Argument, dass der Effektivitätsgrundsatz des Art. 4 Abs. 3 EUV494 in Verbindung mit dem Konzept der „funktionalen Subjektivierung“495 ein private enforcement für Art. 15 MAR gebiete, was sich manchen Literaturstimmen zufolge auf die Rechtsprechung des EuGH in Courage496 und Muñoz497 stützen lässt.498 In Courage hatte der EuGH einen Individualanspruch bei Kartellrechtsverletzungen begründet, da andernfalls die „praktische Wirksamkeit“ des Art. 85 Abs. 1 EGV beeinträchtigt wäre. So erhöhe ein Schadensersatzanspruch die Durchsetzungskraft des Kartellrechts und sei geeignet, von wettbewerbsbeschränkenden Koordinationsformen
488 Poelzig, NZG 2016, 492, 501; dies., ZGR 2015, 801, 815 f.; dies für denkbar haltend Hellgardt, AG 2012, 154, 165; zum Ad-hoc-Regime Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 607. 489 Poelzig, NZG 2016, 492, 501; dies., ZGR 2015, 801, 816; Hellgardt, AG 2012, 154, 165 (zum entsprechenden ErwGr. 23 im MAR-Entwurf). 490 So aber Poelzig, NZG 2016, 492, 501; dies., ZGR 2015, 801, 815. 491 Vgl. zu einer vergleichbaren Argumentation in Bezug auf die alte Rechtslage Wundenberg, ZGR 2015, 124, 135 Fn. 41. 492 Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 194 f. 493 Vgl. ebenda. 494 s. zu diesem aus Art. 4 Abs. 3 EUV abgeleiteten Gebot Classen, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, EL 55 Jan. 2015, Art. 197 AEUV Rn. 16 ff., insbes. 25 f.; speziell zum Erlassen von Sanktionen durch den nationalen Gesetzgeber zur Durchsetzung des EU-Rechts von Bogdandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, EL 51 Sep. 2013, Art. 4 EUV Rn. 79. 495 Dazu näher Harnos, ZEuP 2015, 546, 560 ff. 496 EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, ECLI:EU:C:2001:465 (Courage). 497 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, ECLI:EU:C:2002:497 (Muñoz). 498 Hellgardt, AG 2012, 154, 165; Tountopoulos, ECFR 2014, 297, 312 ff.; Poelzig, ZGR 2015, 801, 811 ff.; tendenziell Veil, in: ders. (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 182.
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abzuhalten.499 In Muñoz hatte es der EuGH für einen Schadensersatzanspruch bei der Verletzung von Qualitätsnormen für Obst und Gemüse durch einen Konkurrenten für einen Schadensersatzanspruch genügen lassen, dass ein solcher dazu beiträgt, Rechtsverletzungen zu unterbinden.500 Allerdings lassen diese Urteile nicht den Schluss zu, dass auch in Bezug auf Art. 15 MAR ein zivilrechtliches Haftungsregime erforderlich ist. In den Fällen Courage und Muñoz hat das öffentliche Sanktionsregime zwar nicht ausgereicht, eine effektive Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten.501 Der Effektivitätsgrundsatz gebietet jedoch deshalb nicht für jede unionsrechtliche Verhaltensnorm ein private enforcement.502 In anderem Zusammenhang erkennt der EuGH an, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung von EU-Recht nicht an bestimmte Sanktionsformen gebunden sind, sondern ihnen diesbezüglich Ermessen zusteht, sofern die Sanktionierung „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ ist.503 Die geforderte „volle Wirksamkeit“504 des Unionsrechts kann vor diesem Hintergrund gerade auch etwa durch aufsichts- und strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten erreicht werden.505 Schon vor dem Hintergrund der umfangreichen Sanktionsmöglichkeiten der MAR und CRIM-MAD fragt sich daher, ob das Effektivitätsgebot eine zusätzliche zivilrechtliche Haftung zwingend machen kann.506 Dann bliebe dem Verordnungsgeber keine Möglichkeit, bewusst zu zivilrechtlichen Folgen zu schweigen, etwa aus
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EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, ECLI:EU:C:2001:465 Rn. 26 ff. (Courage). EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, ECLI:EU:C:2002:497, Rn. 31 (Muñoz). 501 Es ging vielmehr im Kern darum, dass in den jeweiligen Fällen ohne einen zivilrechtlichen Anspruch ein Durchsetzungsdefizit drohte, vgl. Schmolke, NZG 2016, 721, 725. In beiden Fällen genügte die öffentliche Rechtsdurchsetzung offensichtlich nicht, so betonte der EuGH etwa, dass die betroffenen Praktiken oft nur schwer aufzudecken sind. EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, ECLI:EU:C:2002:497, Rn. 31 (Muñoz); EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, ECLI:EU:C:2001:465 Rn. 27 (Courage); zu dieser Schlussfolgerung Schmolke, NZG 2016, 721, 725. 502 Schmolke, NZG 2016, 721, 727; Harnos, ZEuP 2015, 546, 559; Poelzig, ZGR 2015, 801, 816, die zur Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes auf subjektiver Ebene grundsätzlich auch Unterlassungsansprüche für ausreichend hielte, dies für den Fall des Manipulationsverbotes jedoch ablehnt. 503 EuGH, Urt. v. 10. 7. 1990, ECLI:EU:C:1990:291 Rn. 17 (Hansen); vgl. ferner EuGH, Urt. v. 10. 4. 1984, ECLI:EU:C:1984:153, Rn. 18 (von Colson und Kamann/Land NordrheinWestfalen), wo der Individualschutz selbst freilich außer Frage stand; dazu Harnos, ZEuP 2015, 546, 559; auf den „weiten Spielraum bei der Wahl der Sanktionen“ hinweisend auch EuGH, Urt. v. 19. 12. 2013, ECLI:EU:C:2013:856, Rn. 41 (Hirmann); dazu Schmolke, NZG 2016, 721, 727, Fn. 93. 504 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, ECLI:EU:C:2002:497, Rn. 30, Rn. 28 (Muñoz): „volle Wirkung“; EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, ECLI:EU:C:2001:465 Rn. 26 (Courage). 505 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 195. 506 Für bereits ausreichende Sanktionierung Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 195; zur alten Rechtslage ebenso Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 724. 500
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Sorge um einen chilling effect507 oder aus Respekt vor unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Rechtstraditionen.508 Die Tragweite des Effektivitätsgebotes hängt maßgeblich davon ab, welche Spielräume es auffüllt.509 Es greift vor allem dann ein, wenn EU-Verhaltensnormen durch die Mitgliedstaaten durchzusetzen sind und diesen die konkrete Ausgestaltung der Durchsetzung überlassen wird.510 So war der Fall Muñoz gelagert, in dem die Mitgliedstaaten mit „geeigneten Maßnahmen“ einer Verordnung zur Geltung zu verhelfen hatten.511 Die Lücken in dieser Vorgabe konnten daher vom EuGH durch Auslegung und Rechtsfortbildung mit einer zivilrechtlichen Haftung ausgefüllt werden.512 In Courage entstanden diese Spielräume dadurch, dass das primärrechtlich vorgegebene Kartellrecht vom Unionsgesetzgeber umzusetzen war.513 Im Fall von Art. 15 MAR liegt es jedoch anders, da es hier nicht dem nationalen Gesetzgeber obliegt, das Sanktionsregime auszugestalten. Mit der MAR sowie der CRIM-MAD hat der Verordnungsgeber selbst einen Katalog an Durchsetzungsmechanismen aufgestellt und dabei ein zivilrechtliches Sanktionsregime bewusst ausgespart.514 Die MAR sieht durchaus eine Verstärkung der Beteiligung Privater an der Kapitalmarktrechtsdurchsetzung vor, was jedoch an anderer Stelle geschieht.515 Nach dem Gesagten ist es auch nicht durch den Effektivitätsgrundsatz geboten, das Sanktionsregime der MAR um eine zivilrechtliche Haftung zu ergänzen. Insgesamt ist mit der Neuregelung daher keine Änderung verbunden und Art. 15 MAR stellt kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar.516 Ob ein solches Haftungsregime rechtspolitisch bzw. rechtsökonomisch wünschenswert wäre, ist eine davon zu 507
Schmolke, NZG 2016, 721, 727. Zu den unterschiedlichen Systemen der Mitgliedstaaten, die teilweise eine privatrechtliche Haftung bei einem Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot vorsehen Poelzig, ZGR 2015, 801, 817 f. 509 Dies diskutiert unter dem „Topos der institutionellen Balance“ Schmolke, NZG 2016, 721, 726 ff. 510 Ebenda, 726; vgl. auch Harnos, ZEuP 2015, 546, 559 f. 511 Konkret ging es um die Verordnung (EG) Nr. 2200/96 des Rates vom 28. 10. 1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse, deren Art. 50 explizit vorsieht, dass die Mitgliedstaaten „alle geeigneten Maßnahmen“ zur Sanktionierung von Verstößen erlassen; vgl. dazu Schmolke, NZG 2016, 721, 726. 512 Schmolke, NZG 2016, 721, 726. 513 Vgl. ebenda. 514 Ebenda, 722 f., 726 f.; dies anerkennend, aber für unbeachtlich haltend Poelzig, ZGR 2015, 801, 813 f. 515 Poelzig, NZG 2016, 492, 493 ff.; Schmolke, NZG 2016, 721, 727. 516 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 195; Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 355; tendenziell ablehnend auch Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 249; offenlassend Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 37a; krit. Teigelack/Dolff, BB 2016, 387, 393; krit. H.-P. Roth, GWR 2016, 291, 292; krit. Giering, CCZ 2016, 214, 219 f. 508
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trennende Frage,517 auf die noch zurückzukommen sein wird.518 Ein zivilrechtlicher Anspruch bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB bleibt weiterhin möglich.519 g) Fazit Corners und squeezes am Kapitalmarkt sind Verhaltensweisen, bei denen ein Marktteilnehmer eine Machtposition erlangt und diese zu Lasten anderer Marktteilnehmer ausnutzt. Die Problematik wird überwiegend in der monopolbedingen Außerkraftsetzung der Marktmechanismen verortet.520 Als ein Problem der Marktfairness bzw. Marktmacht521 wird teils behauptet, eine Intervention in dieser Fallgruppe sei dem Grunde nach dem Kartellrecht zugewiesen.522 Tatsächlich werden die Verhaltensweisen vom Kapitalmarktrecht über das Marktmanipulationsverbot erfasst, weil sie eine Gefahr für die korrekte Preisbildung darstellen. Dadurch können sie das Anlegervertrauen beschädigen, weswegen ihre Unterbindung im Kerninteresse des Kapitalmarktrechts liegt.523 Die Marktmanipulation ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, da die fehlerhafte Preisbildung die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte nur gefährdet.524 Die MAR verfügt mit Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR über eine Tatbestandsalternative des Manipulationsverbotes, die speziell auf die Bildung von corners und squeezes zugeschnitten ist. Erfasst ist bereits das Schaffen der Situation eines corner bzw. squeeze, ohne dass ein Ausnutzen bzw. eine entsprechende Motivlage vonnöten wäre. Allerdings ist das Ausnutzen erst recht vom Tatbestand erfasst. Nach hier vertretener Auffassung hat der Tatbestand des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR keine subjektive Komponente. Er ist jedoch objektiv einzuschränken, sodass er keine Anwendung findet auf Fälle, in denen ein Zusammenhang mit einem anerkanntermaßen legitimen Marktverhalten besteht. In einem solchen Fall kann der Tatbestand allerdings nachträglich erfüllt sein, wenn der Marktbeherrscher seine Position manipulativ ausnutzt. Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR erfasst das „Ausnutzen“ eines corner/squeeze, wie durch Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/ 522 klargestellt wird. Mit der Marktmissbrauchsverordnung geht im Vergleich zur 517 Schmolke, NZG 2016, 721; Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 249; ebenso H.-P. Roth, GWR 2016, 291, 292. 518 s. u. § 5 I. 1. 519 Dazu Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 489 ff. 520 Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697. 521 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG § 20a WpHG Rn. 231; Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 260, Fn. 198; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 478. 522 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG § 20a WpHG Rn. 231; Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 258; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 65; vgl. auch Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 697; a. A. Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 89: „wettbewerbsrechtliches, nicht jedoch kartellrechtliches Problem“. 523 Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 258. 524 Trüg, in: Leitner/Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 34.
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MaKonV keine Verschärfung des Monopolisierungs-Tatbestandes einher. Allerdings akzentuiert die Norm (noch) stärker als ihr nationaler Vorgänger, dass primär das Herbeiführen einer Möglichkeit zur Preisfestsetzung tatbestandsmäßig ist. Das Begehen einer Marktmanipulation hat umfassende aufsichtsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen, die mit der MAR und CRIM-MAD bzw. deren Umsetzung in das mitgliedstaatliche Recht drastisch verschärft wurden. Eine zivilrechtliche Haftung ist vom neuen Haftungsregime nicht vorgesehen. Sie ergibt sich nicht aus einer Schutznormeigenschaft des Marktmanipulationsverbotes, ferner ist sie nicht durch das Effektivitätsgebot bzw. das Prinzip der funktionalen Subjektivierung vorgegeben. 3. EU-kartellrechtliche Bewertung von market corners/squeezes Das EU-Kartellrecht stellt in Art. 102 Abs. 1 AEUV das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf. Ob diese Norm Machtkonstellationen am Kapitalmarkt zu erfassen vermag wird in der jüngeren Literatur kontrovers diskutiert. Teile der Literatur nehmen an, dass durch cornering bzw. abusive squeezes die Verwirklichung eines Ausbeutungsmissbrauchs in Form eines Preishöhenmissbrauchs gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV möglich ist,525 der seinem Wortlaut nach in „der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen“ liegt. a) Spezialität der kapitalmarktrechtlichen Regelung? Es wurde bereits aufgezeigt, dass das Kartellrecht grundsätzlich de lege lata auf den Bereich des Kapitalmarktes und Kapitalmarkttransaktionen anzuwenden ist und keine generelle Spezialität des Kapitalmarktrechts besteht.526 Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Regelungen in Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR die Auswirkungen von Monopolstellungen im konkreten Zusammenhang mit corners/squeezes auf dem Kapitalmarkt spezieller regeln als Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV.527 Inhaltlich sind Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR und Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV durch ihren geteilten Bezug zu marktbeherrschenden Stellungen schon 525
Namentlich Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253; Möllers, 10 C.M.L.J. (2015), 410, 423 ff.; Möllers, NZG 2014, 361, 365 f.; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 65; Schwintowski, WuW 2015, 834; Monopolkommission, Hauptgutachten XX (2012/13), BT-Drucks. 18/2150, 726: die kartellrechtliche Relevanz von cornering sei „seit Längerem […] anerkannt“; Einschlägigkeit von Kartellrecht bejaht Stoll, in: KK-WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rn. 23a; offen gelassen von LG Braunschweig, B. v. 19. 6. 2013 – 5 O 552/12, NZKart 2013, 380; Kartellrechtsanwendung ablehnend Thomas, ZWeR 2014, 119; ebenfalls ablehnend OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14, ZIP 2015, 781. 526 s. o. § 3 I. 3. b). 527 Mock, in: KK-WpHG,§ 20a WpHG Rn. 89.
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dem Wortlaut nach mit ähnlichen Sachverhalten befasst. Das Manipulationsverbot beinhaltet jedoch eine konkret auf den Kapitalmarkt bezogene Regelung zu der Problematik528 und strebt eine vollumfängliche Berücksichtigung der kapitalmarktrechtlichen Belange an. Es ließe sich daher annehmen, dass die Herangehensweise der MAR an Sachverhalte im Zusammenhang mit corners und squeezes aus Gründen der Spezialität vorrangig ist. Wie gesehen ist dies trotz der Normenhierarchie durchaus vorstellbar, falls Sekundärrecht eine sachnähere Ausgestaltung des Primärrechts darstellt.529 Dass das kapitalmarktrechtliche Verbot der Marktmanipulation generell eine Ausgestaltung des Art. 102 AEUV ist, kann schon ohne nähere Prüfung des Kartellrechts abgelehnt werden, da das Marktmanipulationsverbot nicht grundsätzlich mit marktbeherrschenden Stellungen befasst ist. Doch auch für den Fall von corners/squeezes wird sich nachfolgend zeigen, dass das EUKartellrecht in zentralen Punkten vom Kapitalmarktrecht abweicht und die Schnittmenge der beiden Verbote keine Annahme eines Spezialitätsverhältnisses zulässt. Zudem wird sich zeigen, dass schon die Frage nach dem Verhältnis der beiden Normkomplexe an Relevanz entbehrt, da Art. 102 AEUV im Zusammenhang mit Marktmacht auf dem Kapitalmarkt keine materiell-rechtliche Anwendung finden kann. So soll im Folgenden aufgezeigt werden, dass Art. 102 AEUV in vielerlei Hinsicht ungeeignet zur Erfassung von Kapitalmarkttransaktionen ist. b) Adressatenstellung Art. 102 AEUV ist an „Unternehmen“ adressiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“530 (sog. funktionaler Unternehmensbegriff531). „Der bloße Besitz von Beteiligungen“ soll nach dem EuGH keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.532 Wenn allerdings gerade Erwerb und Veräußerung von Wertpapieren als kommerzielle Aktivität vorgenommen wird, muss sowohl hierin als auch im Halten der Papiere eine unternehmerische Aktivität zu sehen sein.533 Tätigkeiten im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung werden jedoch her528
Vgl. Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 89. Das Sekundärrecht dürfte dem Primärrecht dann jedoch nicht zuwiderlaufen, s. dazu bereits o. § 3 I. 3. b). 530 EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, ECLI:EU:C:1991:161, Rn. 21 (Höfner und Elser). 531 Vgl. dazu Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 229 ff. 532 EuGH, 10. 1. 2006, ECLI:EU:C:2006:8, Rn. 111 (Ministero dell’Economia e delle Finanze/Cassa di Risparmio di Firenze SpA u. a.), der EuGH bejaht jedenfalls für den Fall eine wirtschaftliche Tätigkeit, dass die Beteiligung ausgenutzt wird, um auf das gehaltene Unternehmen Einfluss zu nehmen; vgl. auch Grave/Nyberg, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 137. 533 Vgl. Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 48. 529
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kömmlicherweise vom Unternehmensbegriff ausgenommen,534 sodass es sich nach diesem Verständnis nur bei institutionellen Anlegern um „Unternehmen“ handelt. Es offenbaren sich noch weitere definitorische Unklarheiten. Die Nachfrage nach Produkten ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann eine wirtschaftliche Tätigkeit, wenn sie akzessorisch zu einer Angebotstätigkeit ist.535 Die hier problematisierten Verhaltensweisen werden jedenfalls regelmäßig von institutionellen Anlegern begangen. Für die Zwecke dieser Untersuchung sei auch angenommen, dass eine Nachfragetätigkeit mit einer späteren Angebotstätigkeit korrespondiert. Insgesamt wird nachfolgend davon ausgegangen, dass die jeweiligen Handelnden Unternehmen im Sinne des Kartellrechts sind. c) Marktbeherrschende Stellung im Wertpapierhandel Der Preishöhenmissbrauch gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV ist ein Spezialfall des Art. 102 Abs. 1 AEUV. Dieser wiederum verbietet „die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“. Mithin müsste für eine Tatbestandsverwirklichung zunächst eine marktbeherrschende Stellung im kartellrechtlichen Sinne vorliegen. Bei der Anwendung dieses Konzeptes auf den Kapitalmarkt treten jedoch große Schwierigkeiten auf. Zunächst sei daher darauf eingegangen, wie eine marktbeherrschende Stellung im Allgemeinen ermittelt wird [aa)], nämlich über eine Marktabgrenzung (1) und Marktbeherrschung (2). Daraufhin wird die Marktabgrenzung auf dem Kapitalmarkt erörtert [bb)] und schließlich auf die Beherrschung des so abgegrenzten Marktes eingegangen [cc)]. aa) Grundlagen zur marktbeherrschenden Stellung (1) Sachliche Marktabgrenzung Als Grundlage zur Bestimmung von Marktmacht bzw. Marktbeherrschung ist der sachlich relevante Markt abzugrenzen.536 Auf räumliche und zeitliche Aspekte der Marktabgrenzung soll an späterer Stelle eingegangen werden. Um einen sachlichen Produktmarkt abzugrenzen, wird in der Regel die Nachfragesubstituierbarkeit anhand des sog. Bedarfsmarktkonzeptes ermittelt. Demnach bilden Produkte, die zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs geeignet sind und daher von der Marktgegenseite als austauschbar bzw. substituierbar erachtet werden, einen ge534 Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 48. 535 EuGH, Urt. v. 11. 7. 2006, ECLI:EU:C:2006:453, Rn. 25 ff. (FENIN). 536 Whish/Bailey, Competition Law, 27; krit. zur „zu schematischen Prüfungsmechanistik“ in der Praxis der EU-Institutionen Wessely, in: FK-KartR, 57. Lfg. Apr. 2005, Art. 82 EGV Normadressaten Rn. 27 ff., der eine Marktabgrenzung in bestimmten Fällen für entbehrlich hält; vgl. dazu auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 426.
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meinsamen Markt.537 Wird ein Anbieter betrachtet (Angebotsmarkt), ist also die funktionale Austauschbarkeit des Produktes aus der Sichtweise der Nachfrager relevant.538 Hintergrund des Abstellens auf die Substitutionsmöglichkeiten ist der Gedanke, dass ein Nachfrager z. B. dem Preisdruck eines Anbieters einfach ausweichen könnte, wenn es ein vergleichbares Produkt eines anderen Anbieters gäbe.539 Zur Ermittlung der Substitutionsmöglichkeiten kann im Ausgangspunkt auf objektive Merkmale des betrachteten Produktes sowie seinen Verwendungszweck abgestellt werden.540 Gleichzeitig sind objektive Eigenschaften des Produktes nicht allein maßgeblich, da es auf die tatsächliche Substituierbarkeit aus Verbrauchersicht ankommt.541 Der EuGH betont dementsprechend, dass neben objektiven Merkmalen „auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden“ müssen.542 Gerade auch Verbraucherpräferenzen können dazu führen, dass ein eigener Markt entsteht,543 selbst wenn es dafür keine rationale Grundlage geben mag.544 Daher ist es sogar bei identischen Eigenschaften zweier Produkte denkbar, dass sie sich auf unterschiedlichen Märkten befinden.545 Es existieren verschiedene Konzepte, mittels derer die Nachfragesubstituierbarkeit quantifiziert werden soll. Zentral ist der sog. SSNIP-Test (small but significant non-transitory increase in price) oder hypothetischer Monopolistentest, den die Kommission zur Ermittlung der Kreuzpreiselastizität546 anwendet.547 Dabei wird die Marktabgrenzung davon abhängig gemacht, ob Verbraucher bei einer dauerhaften Preiserhöhung um fünf bis zehn Prozent durch einen hypothetischen Monopolisten auf ein anderes Produkt zurückgreifen würden und sich die Preiserhöhung in der 537 s. bereits EuGH, Urt. v. 12. 2. 1973, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 32 (Continental Can); EuGH, Urt. v. 11. 12. 1980, ECLI:EU:C:1980:289, Rn. 25 (L’Oréal); zum Bedarfsmarktkonzept auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 425 f.; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, C 372/5, 13 ff. 538 Vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 204 ff. 539 Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1040. 540 Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372, 5 Rn. 36; Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1053. 541 s. Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 38; vgl. zur Marktabgrenzung als „tatsächliche Frage“ Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1034. 542 EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, ECLI:EU:C:1983:313, Rn. 37 (Michelin). 543 KOM, 13. 7. 1990, ABl. 1990 L 209, 15 Rn. 23 (Elopak/Metal Box – Odin). 544 Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen, Rn. 390. 545 Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1058. 546 Zur KPE sowie dem SSNIP-Test als Konkretisierung Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1046 ff., 1049; vgl. auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 421 f. 547 s. die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, C 372, 5, Rn. 15 ff.; Mestmäcker/ Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 421 f.; näher außerdem Whish/Bailey, 31 f.
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Folge nicht mehr lohnt.548 In diesem Fall kann angenommen werden, dass die Abnehmer beide Produkte für miteinander substituierbar halten und sich beide auf dem gleichen kartellrechtlichen Markt befinden. Dann werden die Substitute in den Markt mit einbezogen und die Preiserhöhung wiederholt, bis sie rentabel ist.549 Im Gegensatz zum Bedarfsmarktkonzept ist bei der Anwendung des SSNIP-Tests nicht der verständige Durchschnittsverbraucher maßgeblich, sondern vielmehr der Grenznachfrager, bei dessen Abwanderung sich die Preiserhöhung nicht mehr lohnt.550 Der SSNIP-Test stößt an konzeptionelle Grenzen, wenn der Ausgangspreis, dessen Erhöhung überprüft wird, kein Wettbewerbspreis ist (cellophane fallacy551). Untersucht man den Preis eines Marktbeherrschers oder Monopolisten, so führt eine weitere Preiserhöhung zwar zu einem Nachlassen der Nachfrage. Diese ist jedoch gerade nicht auf Substitutionsreaktionen der Verbraucher zurückzuführen, sondern auf einen preisbedingten Nachfragerückgang.552 (2) Marktbeherrschung Die beherrschende Stellung auf einem abgrenzbaren Markt wird vom EuGH darüber definiert, inwiefern es einem Unternehmen möglich ist, wirksamen Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt zu verhindern sowie sich von Konkurrenz und der Marktgegenseite unabhängig zu verhalten.553 Ein wichtiges Kriterium für die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung ist ein hoher Marktanteil eines Anbieters.554 Allerdings sind noch weitere Faktoren relevant. Es ist insbesondere die Marktstellung von Konkurrenten zu berücksichtigen, außerdem der Wettbewerbsdruck durch potenzielle Wettbewerber sowie die Nachfragemacht der Marktgegenseite.555
548 Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, C 372, 5, Rn. 17; Kling/Thomas, Kartellrecht, 333. 549 Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, C 372, 5, Rn. 17; Kling/Thomas, Kartellrecht, 333. 550 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 157. 551 Der Name geht zurück auf das Urteil des Supreme Court of the United States, United States v. E. I. du Pont de Nemours & Co., 351 U.S. 377 (1956). Hierbei soll das Gericht den geschilderten Fehlschluss begangen haben, vgl. Wessely, in: FK-KartR, 57. Lfg. Apr. 2005, Art. 82 EGV Normadressaten Rn. 36 Fn. 1. 552 Kling/Thomas, Kartellrecht, 334; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 422 f. 553 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 63/66 (United Brands); EuGH, Urt. v. 11. 12. 1980, ECLI:EU:C:1980:289, Rn. 26 (L’Oréal). 554 Vgl. insbes. EuGH, Urt. v. 3. 7. 1991, ECLI:EU:C:1991:286, Rn. 60 (AKZO), wonach ein Marktanteil über 50 Prozent für eine Marktbeherrschung sicheres Indiz ist. 555 Vgl. dazu instruktiv die Mitteilung der Kommission zu den Anwendungsprioritäten von Artikel 82 EGV, Abl. 2009, C 45, 2 Rn. 12; Whish/Bailey, Competition Law, 43 ff.
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bb) Marktabgrenzung Die Anwendung der genannten Methoden zur Marktabgrenzung ist am Kapitalmarkt nur unter Schwierigkeiten möglich. Dies gilt für die die Anwendung des Bedarfsmarktkonzeptes (1). Besonders inkompatibel mit dem Handel auf dem Kapitalmarkt scheint zudem der SSNIP-Test zu sein (2). Zuletzt stellt sich die Frage, ob sich bei individuellen Beschaffungszwängen am Kapitalmarkt Besonderheiten für die Marktabgrenzung ergeben (3). (1) Bedarfsmarktkonzept am Kapitalmarkt Bei der Anwendung des Bedarfsmarktkonzeptes zur Abgrenzung eines Angebotsmarktes für Wertpapiere ist danach zu fragen, welche Papiere aus Anlegersicht miteinander austauschbar sind.556 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf den Grundfall, bei dem keine Drucksituation wie bei corners/squeezes besteht. Auf solche Sonderfälle wird erst im Anschluss eingegangen (3). (a) Einzigartigkeit von Wertpapieren und price-pressure hypothesis Zunächst könnte man annehmen, dass Wertpapiere von Anlegern unmittelbar anhand der zugrunde liegenden Vermögenswerte unterschieden werden. Für den Fall von Aktien müsste dann nach den tatsächlichen Eigenschaften eines konkreten Emittenten differenziert werden, was zu einer sehr engen Abgrenzung führen könnte.557 Nach einer Literaturstimme sollen Wertpapiere aufgrund ihrer finanziellen Merkmale als für nicht miteinander substituierbar erachtet werden.558 Wertpapiere haben ein individuelles Ertrags-Risiko-Profil.559 Außerdem unterscheiden sie sich preislich: Wertpapierkurse sind bereits in absoluter Hinsicht unterschiedlich hoch. In relativer Hinsicht unterscheiden sie sich in ihrem Kurs-Gewinn-Verhältnis.560 Die Annahme einer individuellen Einzigartigkeit bestimmter Wertpapiere entspricht aus ökonomischer Perspektive der price-pressure hypothesis. Diese besagt, dass einzelne Papiere Merkmale haben, die sie einzigartig machen.561 Die pricepressure hypothesis dient als ein Modell zur Analyse der Preisbildung an Kapitalmärkten. So hätte die fehlende Substituierbarkeit eines konkreten Papiers zur Konsequenz, dass Verkäufe oder Käufe sich unmittelbar auf den Preis auswirken. Dann würde anhand von Angebot und Nachfrage der Preis eines Wertpapiers mit seinem Kauf unmittelbar ansteigen, da es „knapper“ wird.562 Dies wird ferner bei der 556
s. auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1258. Dies prüfen ebenfalls Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259. 558 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 116 f. 559 Ebenda. 560 Ebenda. 561 Scholes, 45 J. Bus. (1971), 179, 179, 180 f.; Bingel, Kursstabilisierung, 55 f.; Fischel/ Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 516 f. 562 Bingel, Kursstabilisierung, 55 f.; Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 516 f. 557
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Analyse von handelsgestützten Manipulationstaktiken relevant. Für diese ist es wichtig, inwiefern durch Handelsvorgänge auf den Preis eingewirkt werden kann (market impact).563 (b) Substitution hypothesis, ECMH und Portfolio-Theorie Gegen eine unmittelbare Berücksichtigung der tatsächlichen Eigenschaften des jeweiligen Emittenten bzw. der einem Wertpapier zugrunde liegenden Vermögenswerte spricht schon, dass es sich bei Wertpapieren um verbriefte564 Rechte handelt, die einen nur mittelbaren Bezug zu realen Vermögenswerten besitzen. Anleger tätigen ihre Anlageentscheidung regelmäßig565 nicht mit Blick auf einen etwaigen Verwendungszweck eines Wertpapiers, sondern weil sie sich von dem Papier zukünftige Erträge versprechen.566 Die Tätigkeit des Emittenten einer Aktiengattung auf einem Gütermarkt ist davon zu entkoppeln. Marktmacht des Emittenten auf einem Gütermarkt korrespondiert jedenfalls nicht mit Marktmacht auf dem Aktienmarkt, vielmehr sind solche Umstände im Wertpapierpreis reflektiert.567 Es ist jedoch fraglich, ob die finanziellen Eigenschaften oder eine mittelbare Wirkung der tatsächlichen Eigenheiten eines Emittenten dazu führen, dass Wertpapiere in diesem Sinne einzigartig sind. Einer solchen Annahme widerspricht die Substitutionshypothese (substitution hypothesis). Nach diesem Modell sind Wertpapiere gerade nicht einzigartig, sondern die von ihnen ermöglichten Zahlungsströme können durch andere Wertpapiere oder jedenfalls durch eine Kombination anderer Wertpapiere perfekt repliziert werden.568 Für das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und deren Auswirkung auf die Preisbildung hat dies zur Konsequenz, dass die Nachfragekurve horizontal verläuft.569 Andere neoklassische Marktmodelle ergänzen diese Annahme. Ausgegangen von der Efficient Capital Market Hypothesis (ECMH) in ihrer halbstrengen Variante ist es für Anleger regelmäßig nicht möglich, die Kursentwicklung eines einzelnen Wertpapiers zu antizipieren.570 Insbesondere sind Versuche zur Ermittlung 563 Eichelberger, Marktmanipulation, 73; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 114; s. auch bereits o. § 2 III. 2. a) bb) (2). 564 s. zur Verbriefung jedoch o. Fn. 129. 565 Zu Einschränkungen dieses Grundsatzes sogleich. 566 Bingel, Kursstabilisierung, 56; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 115; Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 513 f.; Thomas, ZWeR 2014, 119, 127; unter Berufung auf den nicht ausschließlich Wertpapiere betreffenden Fall des KG, WuW DE-R 165, 167 f. 567 Auch erwartete Monopolgewinne sind bereits im Preis der Aktie berücksichtigt, vgl. Posner, 69 Ind. L. J. (1993), 1, 10; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 611. 568 Scholes, 45 J. Bus. (1971), 179, 179, 181 f.; Bingel, Kursstabilisierung, 56 f.; Fischel/ Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 513 f. 569 Scholes, 45 J. Bus. (1971), 179, 182; Bingel, Kursstabilisierung, 57; Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 224 f., insbes. Fn. 29. 570 s. o. § 2 I. 2. b) aa) (4).
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des Fundamentalwertes eines Unternehmens für die Bewertung seiner Aktie nicht weiterführend, sofern ein Anleger nicht über Insider-Informationen verfügt.571 Aufbauend hierauf besagt die von Markowitz begründete Portfolio-Theorie, dass sich eine optimale Risikostreuung durch Zusammenstellung eines Anlage-Portfolios erzielen lässt.572 Für die Selektion der einzelnen Bestandteile wird eine Differenzierung nach erwarteter Rendite und Risiko vorgenommen. Dabei ist mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) davon auszugehen, dass sich Gleichgewichtspreise bilden.573 So wird das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko durch Angebot und Nachfrage stets in ein Gleichgewicht gebracht. Ein Wertpapier, das bei besonders niedrigem Risiko eine besonders große Rendite verspricht, wird vom Markt so stark nachgefragt, dass der hohe Preis die Rendite schmälert. Umgekehrt wird ein riskantes Papier, das nur eine geringe Rendite verspricht, gar nicht nachgefragt, was wiederum den Preis drückt und dadurch die Rendite erhöht. Dieser Mechanismus führt dazu, dass die Rendite aller Papiere nach Abzug einer Risikoprämie identisch hoch ist.574 In dieser Hinsicht können sie als perfekte Substitute füreinander bezeichnet werden.575 Die Substitutionshypothese konnte in einigen empirischen Studien grundsätzlich bestätigt werden,576 wenngleich die Funktionsweise des Preisbildungsmechanismus von der Wissenschaft bisher nicht abschließend ergründet wurde.577 Sicher ist, dass Handelsvorgänge in manchen Fällen durchaus eine Auswirkung auf den Preis haben.578 Dafür werden in der Literatur unterschiedliche Erklärungen angeboten.579 Eine Ursache für Preisveränderungen durch Handelsvorgänge kann der sog. Informationseffekt sein. Demnach kann die Nachfrage dem Markt das Signal geben, dass der Erwerber eine positive Entwicklung des Papiers erwartet. Der Markt kann daraus schließen, dass der Erwerber über neue Informa-
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Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 10; s. o. § 2 I. 2. b) aa) (4). Vgl. Markowitz, 7 J. Finance (1952), 77; Überblick bei Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 31 ff. 573 Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 25 ff. 574 Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 611 f.; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259; Thomas, ZWeR 2014, 119, 126 ff. Genau genommen wird nur für das systematische, marktweite Risiko eine Prämie entrichtet. Dieses lässt sich nicht durch Diversifizierung beseitigen. Das unsystematische, titelspezifische Risiko (beeinflusst durch Faktoren, von denen andere Titel nicht ebenso betroffen sind), lässt sich hingegen durch Portfoliobildung wegdiversifizieren. Nach der Modellannahme des CAPM verfügen jedoch alle Marktteilnehmer über optimal diversifizierte Portfolios, weswegen das unsystematische Risiko unbeachtlich ist. Näher hierzu Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 28. 575 Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 29. 576 Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 514 m. w. N.; Bingel, Kursstabilisierung, 57. 577 Bingel, Kursstabilisierung, 62; Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 227 ff. 578 Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 224 ff.; vgl. auch Eichelberger, Marktmanipulation, 73; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 114 f. 579 Ausführlich Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 227 ff. 572
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tionen verfügt, was wiederum mittelbar das Preisniveau beeinflussen kann.580 Gerade in sehr engen Märkten kann es zudem sein, dass die Inhaber von Wertpapieren nicht gewillt sind, zum Marktpreis zu verkaufen, weil sie dem Papier einen höheren Wert beimessen, da sie etwa dem Emittenten nahestehen und die gesellschaftsrechtlichen Teilhaberechte ihrer Aktien ausüben wollen.581 Auf diese und weitere Einschränkungen der Substituierbarkeit in bestimmten Situationen wird noch einzugehen sein. Die Beobachtungen der Substitutionshypothese und – darauf aufbauend – die Portfolio-Theorie könnten sich jedoch ungeachtet der angedeuteten Einschränkungen in das kartellrechtliche Bedarfsmarktkonzept einordnen lassen. Dann wären Wertpapiere aus der so definierten Anlegerperspektive ganz überwiegend miteinander austauschbar, in der Folge könnte es keine kleineren Teilmärkte z. B. bestehend aus Wertpapieren einer Gattung geben.582 Vielmehr könnte der kartellrechtliche Markt für Wertpapiere etwa alle weltweit, jedenfalls alle national börsengehandelten Aktien umfassen.583 (c) Synthese und Entscheidung Eine generelle funktionale Austauschbarkeit der Wertpapiere folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass Wertpapiere alle denselben Verwendungszweck haben. Wie bereits ausgeführt kommt es auf die Perspektive der Nachfrager an, die selbst bei identischen Eigenschaften und Verwendungszwecken zur Annahme verschiedener Märkte führen kann.584 Andererseits erscheint es jedenfalls nicht sachgerecht, Wertpapiere einer Gattung schon wegen ihrer nominalen Unterschiede pauschal für einzigartig zu erklären und einem eigenen kartellrechtlichen Markt zuzuordnen.585 Der absolute Preis eines Wertpapiers selbst ist für die üblicherweise prozentual betrachtete Rendite von geringem Erkenntniswert. Der Preis ist eine Funktion der vom Markt erwarteten Zahlungsströme zuzüglich einer Risikoprämie.586 Schlüsse aus dem Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie aus anderen messbaren Merkmalen sind 580
Dazu Bingel, Kursstabilisierung, 55 ff., insbes. 57 ff.; Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 514 f. („information hypothesis“); Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 240 ff. („altered expectations“). 581 Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 228 ff. 582 Ausdrücklich Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 611 ff.; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 936; im deutschen Schrifttum maßgeblich Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259, die aber Ausnahmen von diesem Grundsatz sehen; im Ergebnis ebenso Thomas, ZWeR 2014, 119, 125 ff.; KG, WuW DE-R 165, 167 f.; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 216 f.; LG Stuttgart, Urt. v. 17. 3. 2014 – 28 O 183/13, ZIP 2014, 726; bestätigend OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14, ZIP 2015, 781. 583 Thomas, ZWeR 2014, 119, 130; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 216 f.; zur räumlichen Marktabgrenzung sogleich. 584 s. o. § 4 I. 3. c) aa) (1). 585 So Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen und der Anspruch auf Zuteilung, 116 f.; dies unterstellt wohl Möllers, 10 C.M.L.J. (2015), 410, 423; Möllers, NZG 2014, 361, 365 f. 586 Bingel, Kursstabilisierung, 57 f.
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nach der Efficient Capital Market Hypothesis wie alle anderen öffentlich bekannten Informationen zu jedem Zeitpunkt im Preis berücksichtigt.587 Doch auch jenseits der Unbeachtlichkeit zahlenmäßiger Verschiedenheiten muss von einer weitgehenden Substituierbarkeit von Wertpapieren ausgegangen werden. (aa) Besonderheiten von Wertpapiermärkten bestätigen die Substitutionshypothese Eine Literaturstimme vergleicht Wertpapiere mit differenzierten Gütern, die nicht ausschließlich über den Preis konkurrieren.588 Auch Produkte, die sich in Faktoren wie Qualität, Image und Preis unterscheiden, könnten zu übergeordneten Märkten zusammengefasst werden (z. B. Pkw oder Brote verschiedener Sorten).589 Die Substitutionshypothese scheint allerdings dafür zu sprechen, dass die Unterschiede zwischen Wertpapieren noch geringer sind als bei differenzierten Gütern des Realmarktes. Die Substitutionshypothese ist in der ökonomischen Literatur zwar wie bereits erwähnt nicht unumstritten, allerdings ist ihr Ausgangspunkt auch jenseits der empirischen Beweisbarkeit überzeugend. Dies sei anhand einiger Überlegungen zu den Besonderheiten von Wertpapiermärkten verdeutlicht. Käufer eines Realmarktproduktes haben meist einen spezifischen Bedarf, etwa in Form eines Pkw, der in diesem Beispiel mit dem Kauf eines einzigen Fahrzeuges befriedigt sein könnte (zu Ausnahmen sogleich). Der Bedarf eines Anlegers an Wertpapieren ist hingegen regelmäßig nicht mit dem Kauf eines einzigen Wertpapiers befriedigt. Anders als an einem klassischen Bedarfsmarkt ist es für den Kapitalmarkt typisch, dass Anleger ihren Bedarf mit einem Portfolio aus mehreren verschiedenartigen Wertpapieren decken. Ein Portfolio ist aus Wertpapieren verschiedener Gattungen gebildet, seine Zusammenstellung hängt insbesondere von der individuellen Anlagestrategie und dem Umfang des verfügbaren Anlagekapitals ab.590 Wenn Anleger Aktien eines bestimmten Emittenten kaufen, schließt dies also nicht aus, dass sie zusätzlich Aktien eines anderen Emittenten kaufen. In der Kapitalmarktpraxis substituieren Anleger zudem faktisch andauernd Wertpapiere durch andere Wertpapiere. Wertpapiere werden bei einer veränderten Bewertung durch den Anleger dynamisch gekauft und wieder verkauft, ganz im Sinne ihrer Fungibilität. Schon diese Überlegungen indizieren eine starke funktionelle Substituierbarkeit der Papiere. Hiergegen mag man einwenden, dass auf Realmärkten ähnliche Tendenzen bestehen können, wie etwa ein Mensch seinen Kleiderschrank mit verschiedenartigen und gleichzeitig teils funktionell redundanten Kleidungsstücken füllt. Dort lassen sich aber schon in tatsächlicher Hinsicht objektive funktionelle Unterschiede ausmachen, anhand derer sich die marktweite Nachfrage differen587
s. o. § 4 I. 3. c) bb) (1) (b); § 2 I. 2. b) aa) (4). Thomas, ZWeR 2014, 119, 128 f.; vgl. zum Konzept der Produktdifferenzierung WiedNebbeling, Preistheorie und Industrieökonomik, 173 ff. 589 Thomas, ZWeR 2014, 119, 126. 590 Ausführlich zur Portfoliotheorie Kremer, Portfoliotheorie, Risikomanagement und die Bewertung von Derivaten, 73 ff. 588
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zieren lässt und der Substituierbarkeit Grenzen gesetzt werden. Dann kann bei der kartellrechtlichen Marktabgrenzung auf dem Realmarkt die Sicht der Nachfragerseite anhand von Eigenschaften, Preisen und dem Verwendungszweck des jeweiligen Produktes unproblematisch operationalisiert werden.591 In Fällen, in denen dies nicht so ist, führt dies auch auf dem Realmarkt zu einer entsprechend größeren Marktabgrenzung. Soweit auf dem Realmarkt einzelne Marktteilnehmer Portfolios z. B. aus Immobilien, Wertpapieren und Kunstobjekten bilden, wirkt sich dies wiederum nicht auf die Markabgrenzung aus, da für die Mehrheit der Marktteilnehmer weiterhin die funktionalen Unterschiede dieser Objekte im Vordergrund stehen. Solche Güter sind daher aus der Nachfragerperspektive nicht in vergleichbarer Weise austauschbar wie Kapitalmarktprodukte. Zudem sind sie auch nicht mit vergleichbar geringen Transaktionskosten handelbar, sodass weitere Argumente, die für die Substitutionshypothese streiten, nicht auf sie übertragbar sind. Eine Marktabgrenzung anhand des Nachfrageverhaltens wird auf Wertpapiermärkten dadurch weiter erschwert, dass hier die Rollen von Anbietern und Nachfragern dynamisch wechseln. Nachfrager, die ein Wertpapier erwerben, sind unmittelbar darauf selbst potenzielle Anbieter, da sie das erworbene Wertpapier zu jedem Zeitpunkt wieder veräußern können.592 Die Entscheidung eines Marktteilnehmers, ob er als Nachfrager auftritt, oder die Entscheidung eines Wertpapierinhabers, ob er zum Anbieter wird, hängen regelmäßig qualitativ von den gleichen Erwägungen ab. Ohne Zweifel unterscheiden sich die Positionen von Käufer und Verkäufer in der Praxis, maßgeblich etwa durch den bid-ask spread.593 Anders als auf dem Realmarkt basiert ein Kaufvorgang jedoch gerade nicht darauf, dass die Parteien den unterschiedlichen Leistungen einen unterschiedlichen individuellen Nutzen zuschreiben. Produkte auf dem Realmarkt werden über eine Wertschöpfungskette weitergereicht, und das Geschäft ist im Idealfall für alle Beteiligten individuell vorteilhaft.594 Bei einem Wertpapierverkauf läuft der Entscheidungsprozess der Parteien jedoch parallel, da sie die zukünftigen Zahlungsströme im Verhältnis zum aktuellen Preis abwägen. Bekanntermaßen ist für die kartellrechtliche Marktabgrenzung von Angebotsmärkten die Sicht der Nachfrager relevant, die Sicht der Anbieter kann allenfalls unter dem Stichwort der Angebotsumstellungsflexibilität595 berücksichtigt werden. Da aber Wertpapiere allenfalls anhand von unterschiedlichen finanziellen Erwartungen der Nachfrager differenziert werden können und Abnehmer und Anbieter im Wesentlichen inhaltlich dieselben Erwägungen anstellen, läge 591 Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes vom 9. 12. 1997, ABl. 1997, C 372, 3, Rn. 7; Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 253; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 8; deutlich zum Kriterium der Verwendbarkeit etwa EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 28 (Hoffmann-La Roche). 592 s. dazu bereits o. § 2 III. 2. b) bb). 593 s. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 516. 594 Vgl. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 27 ff. 595 Vgl. dazu Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 27.
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es nahe, auch die Erwägungen der Anbieterseite zu berücksichtigen. Es muss indes schon grundsätzlich angenommen werden, dass einem Verkaufsvorgang konträre Erwartungen von Verkäufer und Käufer zugrunde liegen – würden nicht beide Parteien unterschiedliche Vorstellungen von der Kursentwicklung haben, käme es regelmäßig nicht zu einer Transaktion.596 Der Kaufentscheidung liegt also regelmäßig eine positive Prognose der Kursentwicklung zugrunde, der Verkaufsentscheidung hingegen eine negative Prognose. Dies zeigt jedenfalls, dass der Kapitalmarkt niemals eine einheitliche Vorstellung davon haben kann, wie sich bestimmte Wertpapiere entwickeln. Würden alle Marktteilnehmer davon ausgehen, dass eine Aktie unterbewertet ist, würde kein Inhaber des Papiers verkaufen.597 In der Realität wirken sich solche geteilten Erwartungen unmittelbar auf den Preis aus, sodass jede in der Tendenz einheitliche Auffassung des Marktes durch einen entsprechenden Kursanstieg oder -verlust ausgeglichen wird. Wenn jedoch das einzige Kriterium, anhand dessen Wertpapiere nach dem Bedarfsmarktkonzept aus Anlegerperspektive unterschieden werden könnten, je nach Wertpapier individualisierbare zukünftige Zahlungsströme sein könnten, erscheint es nach dem Gesagten unmöglich, eine marktweite „Anlegerperspektive“ zu bilden. Dies gilt auch dann, wenn man die hier skizzierte Austauschbarkeit der Position „Nachfrager“ und „Anbieter“ unberücksichtigt lässt. Eine Verengung der Nachfrage auf bestimmte Wertpapiere würde unverzüglich ausgeglichen. Die geschilderte Ausgangslage auf Wertpapiermärkten entspricht auch nicht etwa der Perspektive eines Zwischenhändlers auf einem Realmarkt, für den die gehandelten Güter qualitativ ebenso austauschbar sind und der nur die Preisdifferenz zwischen Einkaufs- und Verkaufsvorgang im Blick hat. Für Güter auf dem Realmarkt ist nämlich jedenfalls die Nachfrage auf einem nachgelagerten Markt von ihrer tatsächlichen Beschaffenheit bzw. ihrem Verwendungszweck abhängig. Ein Verkaufsvorgang ist dann kein bloßer Rollentausch, sondern die Akteure nehmen unterschiedliche Funktionen wahr und sind Teil der erwähnten Wertschöpfungskette. Auf Wertpapiermärkten scheitert die Marktabgrenzung nach dem kartellrechtlichen Bedarfsmarktkonzept schon an diesem besonderen Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, der ECMH, der Portfoliotheorie und dem CAPM, die wie gesehen die Substitutionshypothese argumentativ stützen. (bb) Verschiedene Anlegertypen Damit ist jedoch nicht gesagt, dass es keine intersubjektiven Kriterien gibt, die die Nachfrage nach Wertpapieren strukturell prägen. In diesem Zusammenhang ist es von Relevanz, dass es am Kapitalmarkt unterschiedliche Anlegergruppen gibt. Neben rein profit-motivierten Anlegern stehen solche, bei denen die Kaufentscheidung von anderen Gründen beeinflusst wird, sog. utilitarian traders.598 Es gibt zahlreiche Erscheinungsformen des utilitarian traders, von denen hier nur einige 596 Für dieses Argument seien mögliche nicht-profitorientierte Motivationen ausgeblendet, vgl. dazu sogleich. 597 Vgl. dazu Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 611 f. 598 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 44 f.
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genannt seien: Beim hedging wird etwa zur Versicherung von Risiken gehandelt, nicht aber unmittelbar zur Profiterzielung. Investoren nutzen den Kapitalmarkt, um gegenwärtig vorhandenes Kapital für die Zukunft zu erhalten.599 Aktionäre einer Aktiengesellschaft z. B. können auch strategisch motiviert sein und aus individuellen Gründen an einer Einflussnahme auf die Gesellschaft interessiert sein.600 Gerade für strategisch interessierte Anleger, die ausschließlich Interesse an corporate control haben, ist eine konkrete Aktie nicht durch eine andere substituierbar.601 Sollte das Nachfrageverhalten der Anleger durch derartige Erwägungen getragen sein, ist mithin eine engere Marktabgrenzung denkbar.602 Für eine Realisierung dieses Effekts müsste allerdings die Nachfrage am Markt zu einem großen Anteil von derartigen strategischen Erwägungen beeinflusst sein. Schließlich ist für das Bedarfsmarktkonzept der verständige Durchschnittsverbraucher maßgeblich.603 Somit genügt es keinesfalls, dass einzelne Anleger solche Motive verfolgen.604 Hinzu tritt der Umstand, dass die Strategien dieser Anleger auch noch weitgehend deckungsgleich sein müssten. Andernfalls würde am Markt keine geteilte Vorstellung davon herrschen, welche Wertpapiere im Wesentlichen den gleichen Bedarf decken. In der Realität der Kapitalmärkte kann allerdings eine derartige Ausgangslage niemals angenommen werden. Vielmehr ist es für die überwältigende Anzahl der Anleger ohne Weiteres möglich, kurzfristig und ohne Umstellungskosten ihre Investition von einem Wertpapier auf ein anderes zu verlagern.605 (cc) Behavioural finance In der jüngeren Literatur wird die verhaltensökonomische606 Untersuchung der Nachfrage im Bereich der Finanzmarkttheorie unter dem Oberbegriff behavioural finance diskutiert. Dabei wurden diverse kognitive Phänomene nachgewiesen, die eine Beeinflussung des Anlegerverhaltens bewirken. Anleger sind schon nicht immer in der Lage, alle verfügbaren Informationen zu berücksichtigen. Zudem ist ihr Verhalten teils von irrationalen Mustern geprägt.607 Diesen Phänomenen wird auch in der Marktpraxis Rechnung getragen, etwa durch die Notierungsaussetzung bei einem 599 Hierzu sowie zu weiteren Fallgruppen instruktiv Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 45 f. 600 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2. 601 Thel, 79 Cornell L. Rev. (1994), 219, 229 f. 602 So auch Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 615, 620 f. 603 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 157. 604 Thomas, ZWeR 2014, 119, 126. 605 Aus diesem Grund eine enge Marktabgrenzung ablehnend Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 614. 606 Zur Verhaltensökonomik (behavioural economics) s. Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 188 ff. 607 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 947 ff.; umfassend Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 80 ff.; Hirshleifer, 56 J. Finance (2001), 1533, 1533 ff.; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 169 ff.; Veil, in: ders. (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 92 ff.; Teigelack, in: Veil (Hg.), a. a. O. 251 ff.
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Kurssturz, der nur durch den Herdentrieb erklärbar ist.608 Bei der Analyse des Nachfrageverhaltens zu Zwecken der kartellrechtlichen Marktabgrenzung spielen Verbraucherpräferenzen eine große Rolle.609 Wenn sich anhand von behavioural finance irrationale Vorstellungen der Verbraucher von der Substituierbarkeit von Produkten identifizieren lassen, könnte dies also für die hier angestellte Untersuchung von entscheidender Relevanz sein.610 Tatsächlich geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass die psychologischen Effekte systematischer Natur sind, also dass sich die Fehlentscheidungen der Anleger nicht gegenseitig ausgleichen.611 Wenn ein verhaltensökonomisches Phänomen z. B. dazu führt, dass die Nachfrager einer bestimmten Wertpapiergattung überwiegend von irrationalen Annahmen getrieben sind, so würde sich dies also dahingehend manifestieren, dass die irrationale Annahme „eingepreist“ wird. Dabei wäre das verhaltensökonomische Phänomen nur ein Faktor von vielen, der gleich wie z. B. positive Informationen bezüglich des Emittenten die Bewertung des Papiers durch die Anleger verändert. Eine echte „Verengung“ der Nachfrage kann es dann aus Sicht der Anleger jedoch nicht geben, da selbst aus der beschränkt rationalen Perspektive keine Arbitragemöglichkeit besteht.612 Doch auch, wenn nur ein Teil der Anlegerschaft von irrationalen Effekten betroffen ist, schlägt sich dies nicht unmittelbar auf die kartellrechtliche Marktabgrenzung nieder. Ein solcher Effekt, der nur einen abgrenzbaren Teil der Anlegerschaft betrifft, wäre das sog. home bias. Dabei handelt es sich um die empirisch feststellbare Neigung von Anlegern, Papiere heimischer Emittenten zu präferieren.613 Hieraus wird teils geschlossen, dass eine Abgrenzung von Wertpapiermärkten nach nationalen Grenzen geboten ist.614 Dieser Schluss ist jedoch nicht automatisch 608
Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 100, 105. 609 s. die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997, C 372, 3, Rn. 29, 41 (in Bezug auf die räumliche Marktabgrenzung); KOM, 13. 7. 1990, ABl. 1990 L 209, 15 Rn. 23 (Elopak/Metal Box – Odin). 610 Diesen Punkt in die Marktabgrenzung einbringend Bueren, WM 2013, 585, 588 f.; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259 f. 611 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 81. 612 s. auch BKartA, Tätigkeitsbericht 2007/2008, BT-Drucks. 16/13500, 139 (zur Bayer AG und der Deutsche Bank AG): Das BKartA hatte einen eigenen Markt für (objektiv) vergünstigte Mitarbeiterbeteiligungen abgelehnt, „da Mitarbeiteraktien trotz des vergünstigten Preises keine konkurrenzlose Anlageform darstellen“. Dies liege u. a. daran, dass eine Mindesthaltedauer Mitarbeiteraktien sogar weniger attraktiv als hochpreisigere Papiere machen könne. 613 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 114 f.; vgl. Jessica Schwarzer, 25. 8. 2015 „Die Deutschen lieben es deutsch“, www.handelsblatt.com/finanzen/ anlagestrategie/trends/export-werte-erhoehen-crash-gefahr-die-deutschen-lieben-es-deutsch/ 12208476.html (abgerufen am 27. 12. 2018). Demnach sind beispielsweise zwei Drittel der bei Comdirect verwahrten Aktien inländisch. 614 So Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259, die nur Emittenten mit Sitz im gleichen Staat für vergleichbar halten, da sie vergleichbare rechtliche und politische Voraussetzungen bieten; im Ergebnis für einen internationalen Markt Thomas, ZWeR 2014, 119, 130 f.; wohl auch KG, WuW/E DE-R 165, 168.
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zulässig, da z. B. die deutschen Nachfrager mit ausländischen Anlegern um die deutschen Wertpapiere konkurrieren, jedoch der Anbieterseite keine Preisdiskriminierung möglich ist. Das Nachfrageverhalten verschiedener Kundengruppen findet jedoch wohl nur dann auf unterschiedlichen Märkten statt, wenn eine Preisdiskriminierung möglich ist.615 Dies erschließt sich anhand des folgenden Beispiels: Dass in einem bestimmten deutschen Bundesland ein dort beheimateter Fahrzeughersteller stark präferiert wird, kann keine räumliche Begrenzung des Marktes nur aufgrund dieser Präferenz rechtfertigen. Dafür wäre es erforderlich, dass der konkrete Fahrzeughersteller in dieser Region andere Preise durchsetzt bzw. durchsetzen kann. Aus dem Umstand, dass eine bestimmte Gruppe bestimmte Präferenzen hat, kann also nicht unmittelbar darauf geschlossen werden, dass diese Gruppe einen eigenen Markt bildet. Andere Effekte wie etwa die sog. representativeness heuristic oder die affect heuristic könnten insbesondere auf dem Primärmarkt616 bestimmte Wertpapiere aus Anlegersicht besonders begehrenswert machen.617 Vom Primärmarkt soll an späterer Stelle die Rede sein. Auf dem Sekundärmarkt lassen sich solche Alleinstellungsmerkmale jedenfalls insgesamt nicht ausmachen.618 (dd) Fazit Wertpapiere verschiedener Gattungen weisen ohne Zweifel Unterschiede auf. Sie befinden sich allerdings gleichwohl auf demselben kartellrechtlichen Markt. Dafür ist keine perfekte Substituierbarkeit nötig, sondern nur ein „hinreichender Grad von Austauschbarkeit“619. Diese ist dann gegeben, wenn zwischen verschiedenen Produkten Wettbewerbsdruck besteht.620 Wie aufgezeigt besteht dieser Wettbewerbsdruck zwischen Wertpapieren verschiedener Gattungen, da etwaige Alleinstellungsmerkmale für die Anleger stets im Preis widergespiegelt werden. Durch die mit der ECMH, dem CAPM und der Substitutionshypothese beschriebene Funktionsweise der Kapitalmärkte bleibt das Verhältnis von Preis und risikoadjustiertem Ertrag 615 Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372, 3, Rn. 43; dagegen Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl Rn. 1061, der allerdings eine Abgrenzbarkeit der Nachfragergruppen fordert – an dieser würde es hier jedoch ebenfalls scheitern. 616 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 385 (Fn. 189), wonach die von der behavioural finance beschriebenen Phänomene größere Auswirkungen auf dem Primärmarkt haben sollen. Der Grund liege darin, dass es hier kein Anschauungsmaterial für die Preisentwicklung gebe und subjektive Effekte eher als am Sekundärmarkt die objektive Bewertung überwiegen könnten; zum Unterschied zwischen Primär- und Sekundärmarkt siehe o. § 2 I. 1. a). 617 Bueren, WM 2013, 585, 588 f.; Fleischer/Bueren, ZIP 2011, 1253, 1259 f. Zur affect heuristic vgl. MacGregor/Slovic/Dreman/Berry, 1 J. Psychology and Financial Markets (2000), 104 ff.; zur representativeness heuristic vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 103 ff. 618 So auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 216 ff. 619 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 28 (Hoffmann-La Roche). 620 EuGH, Urt. v. 11. 4. 1989, ECLI:EU:C:1989:140, Rn. 40 (Ahmed Saeed Flugreisen u. a./ Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs).
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stets gleich und Wertpapiere sind aus Anlegersicht weitestgehend miteinander austauschbar. Eine andere Bewertung folgt wie dargelegt auch nicht aus der Tatsache, dass manche Anleger nicht profitmotiviert oder aus irrationalen Beweggründen handeln. Teils wird zwar eine grundsätzliche Austauschbarkeit von Wertpapieren anerkannt, jedoch eine Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapitaltiteln vorgeschlagen.621 Dafür könnte sprechen, dass es für Kapitalsuchende eine Eigenkapitalquote zu beachten gilt.622 Aus der maßgeblichen Perspektive der Anleger ist dies jedoch nicht relevant.623 In diesem Sinne fasst auch die Kommission bei der entfernt verwandten Marktabgrenzung für das Angebot von Wertpapierdienstleistungen durch Banken die Märkte für Aktien- und Anleihenhandel, Derivativgeschäfte sowie Devisen- und Valutageschäfte in dem einzigen sachlichen Markt „Geldmarkt- und Wertpapiergeschäfte“ zusammen.624 Insgesamt sind daher aus der maßgeblichen Anlegersicht im Sinne des Bedarfsmarktkonzeptes grundsätzlich alle Wertpapiere miteinander austauschbar. Ob Einschränkungen nach dem Handelsplatz (z. B. nur börsengehandelte Papiere) zu machen sind, kann für die Zwecke dieser Untersuchung offengelassen werden. Die räumliche Marktabgrenzung ist ebenfalls auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzeptes vorzunehmen.625 Es ergeben sich entsprechend zur sachlichen Abgrenzung jedoch keine erheblichen Einschränkungen,626 insbesondere führt ein etwaiges home bias nicht zur Aufteilung in nationale Märkte. (2) SSNIP Test versagt Wie bereits erwähnt, versagt der SSNIP-Test, wenn der betrachtete Ausgangspreis kein Wettbewerbspreis ist.627 Somit ist seine Anwendung im Zusammenhang mit Art. 102 AEUV zumindest großen Schwierigkeiten ausgesetzt, da es hier regelmäßig um Fälle von Marktmacht geht.628 Auf Wertpapiermärkten offenbaren sich jedoch noch gravierendere Probleme, die eine Anwendung des SSNIP-Tests grundsätzlich ausschließen. Zur Erinnerung: Der SSNIP-Test überprüft, ob die fünf- bis zehn621
Schanz, Börseneinführung, 346; wohl auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259. Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 297; zust. Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien in der Rechts- und Wirtschaftsordnung, 15. 623 Vgl. Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 610, 612, wonach Anleger Eigen- und Fremdkapitaltitel gegeneinander abwägen und bei keinem der beiden geringere risikoadjustierte Gewinne hinnehmen würden. 624 KOM, IV/M.1384 Rn. 6 (Deutsche Bank/Bankers Trust). 625 Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1068; s. auch EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 10/11 (United Brands): „[…] Bereich […], in dem [das relevante Erzeugnis] vertrieben wird und in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind, um eine Einschätzung der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens zu ermöglichen.“ 626 Thomas, ZWeR 2014, 119, 130 f.; wohl auch KG, WuW/E DE-R 165, 168. 627 s. o. § 4 I. 3. c) aa) (1). 628 Wessely, in: FK-Kartellrecht, 57. Lfg. Apr. 2005, Art. 82 EG Normadressaten Rn. 36. 622
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prozentige Preiserhöhung eines hypothetischen Monopolisten rentabel wäre oder ob die Marktgegenseite auf Substitute ausweichen würde. Auf Wertpapiermärkten ist eine Preiserhöhung regelmäßig Ausdruck einer veränderten Bewertung durch den Markt. Ein steigender Preis macht ein Wertpapier nicht per se unattraktiver, sondern kann im Gegenteil das Produkt sogar attraktiver machen, weil von Marktteilnehmern (irrationalerweise629) eine Preistendenz gesehen wird. Wird ein um fünf bis zehn Prozent höherer Preis verlangt, weil eine veränderte Bewertung diese Erhöhung rechtfertigt, so ist nicht mit Substitutionsreaktionen zu rechnen. In dieser Konstellation kann der SSNIP-Test jedenfalls keinen Mehrwert bieten, da eine solche veränderte Bewertung am Kapitalmarkt bereits unmittelbar im Preis reflektiert wäre. Richtig angewendet muss mit dem SSNIP-Test jedoch nach einer Preiserhöhung gefragt werden, bei der sich die Gegenleistung (das Produkt) nicht verändert. Eine solche Preiserhöhung kann bei einem Wertpapier nur dann vorliegen, wenn ihr keine Änderung der Bewertung gegenübersteht, sie also nicht von der Markterwartung getragen ist. Konsequent angewendet würde der SSNIP-Test am Kapitalmarkt mithin die paradoxe Frage stellen, ob Anleger wissentlich ein um fünf bis zehn Prozent überbewertetes Papier kaufen würden.630 Für diesen Fall ist jedoch davon auszugehen, dass nahezu jeder Anleger auf andere Papiere ausweichen würde, was wiederum die weitgehende Substituierbarkeit von Wertpapieren und damit eine sehr weite Marktabgrenzung indiziert.631 Der SSNIP-Test scheitert, weil beim Produkt „Wertpapier“ Geld für den zukünftigen Bezug von Geld entrichtet wird. Stehen hier Leistung und Gegenleistung nicht in korrektem Verhältnis zueinander, wird sich kaum ein Anleger für das Produkt entscheiden. Die beim SSNIP-Test untersuchte Preiserhöhung liefert bei Wertpapiermärkten insgesamt keine brauchbare Ergebnissen. Dass Anleger nicht wissentlich überteuerte Wertpapiere hinnehmen würden, stützt jedoch die Substitutionshypothese und ist ein zusätzliches Argument für eine weite Marktabgrenzung. (3) Individuelle Beschaffungszwänge, im Besonderen market corners/squeezes Wie oben dargelegt, gibt es Situationen, in denen einzelne Nachfrager einem Beschaffungszwang in Bezug auf Wertpapiere einer bestimmten Gattung unterliegen, namentlich im Fall von Leerverkäufen oder futures.632 Es gibt in der jüngeren Literatur Versuche, für diese besonderen Situationen eine Verengung des kartellrechtlichen Marktes zu konstruieren.633 Gegen die weite Marktabgrenzung wird in diesem Zusammenhang unter Verweis auf die bloße Existenz von cornering argu629
Zum sog. trend chasing als Teil der representativeness heuristic vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 105, 112. 630 Vgl. zu diesem Gedanken auch Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 619. 631 Vgl. Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 619. 632 s. o. § 4 I. 1. a) aa). 633 Bueren, WM 2013, 585; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253; Schwintowski, WuW 2015, 834.
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mentiert. Wäre die weite Marktabgrenzung zutreffend, so eine Literaturstimme, wäre cornering nie möglich bzw. nie profitabel.634 Tatsächlich erscheint es vorstellbar, dass die Nachfrage in bestimmten Situationen derart durch spezifische Beschaffungszwänge getrieben ist, dass sie sich insgesamt als unflexibel darstellt.635 Falls in diesen besonderen Situationen aus Nachfragersicht die Wertpapiere einer bestimmten Gattung nicht mit anderen Wertpapieren zu ersetzen sind, ließe sich annehmen, dass der aufgezeigte Grundsatz der Substitutionshypothese nicht gilt. Dann könnte auch nach dem Bedarfsmarktkonzept eine Begrenzung des kartellrechtlichen Marktes z. B. auf Aktien einer konkreten Gattung geboten sein. Fest steht jedenfalls, dass es für eine Verengung des kartellrechtlichen Marktes auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzeptes noch nicht genügen kann, dass einzelne Anleger auf den Erwerb bestimmter Papiere angewiesen sind. Unabhängig von der – zu einem späteren Zeitpunkt zu erörternden – Frage, ob Art. 102 AEUV etwa nach dem Konzept des unavoidable trading partners individuelle Abhängigkeiten erfasst,636 bleibt die hier thematisierte Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept unberührt von Erwerbsverpflichtungen Einzelner. Eine engere Abgrenzung von Wertpapiermärkten kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein großer Teil der Nachfrage unflexibel ist. Nur dann kann die fehlende Austauschbarkeit aus Anlegersicht auf die typisierende Betrachtungsweise des Bedarfsmarktkonzeptes durchschlagen. Das Bedarfsmarktkonzept würde jedenfalls gebieten, dass das Nachfrageverhalten des Durschnittsanlegers637 unflexibel ist. Die Marktverengung müsste dann konsequenterweise für die gesamte Nachfrage nach dem Papier gelten und nicht nur für den unflexiblen Teil davon. Im Folgenden soll allerdings dargelegt werden, dass selbst in diesem unwahrscheinlichen Fall keine Verengung des kartellrechtlichen Marktes gerechtfertigt ist. (a) Privatautonom getroffene Entscheidung der Anleger Gegen eine Verengung des kartellrechtlichen Marktes auf einzelne Wertpapiergattungen im Falle individueller Beschaffungszwänge auf Nachfragerseite wird teils angeführt, dass solche Beschaffungszwänge nicht aus der Marktstruktur, sondern aus privatautonom eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen folgten.638 Leerverkäufer seien zwar zum Zeitpunkt des Deckungskaufes auf eine Wertpapiergattung festgelegt, allerdings sei für die Marktabgrenzung der vorgelagerte Zeitpunkt des Leerverkaufs relevant, zu dem alle Wertpapiere noch untereinander austauschbar seien.639 Es sei ferner nicht die Sicht der konkreten Wertpapierkäufer relevant, sondern die der Anlegerschaft insgesamt – schließlich führe auch z. B. bei einem 634
Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259. Ebenda; vgl. ferner Schwintowski, WuW 2015, 834, 839; zu Gütermärkten Pirrong, 51 Wash. & Lee L. Rev. (1994), 945, 949. 636 Dazu s. u. § 4 I. 3. c) cc) (2). 637 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 157. 638 Thomas, ZWeR 2014, 119, 126 ff. 639 Ebenda, 127 f. 635
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Pkw-Kauf die Entscheidung eines Käufers für ein konkretes Modell nicht zu einer Verengung des Marktes auf dieses Modell.640 Ähnlich argumentierend hat das LG Stuttgart zum gescheiterten Übernahmeversuch Porsche/VW eine Marktverengung abgelehnt.641 Demnach sei im Falle von cornering die Austauschbarkeit der Aktien lediglich für einzelne Anleger aufgrund vertraglicher Regelungen aufgehoben, was auf die Marktabgrenzung keinen Einfluss haben könne.642 Diese Entscheidung wurde zwischenzeitlich durch das OLG Stuttgart bestätigt643 und die Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen.644 Die genannten Argumente gehen einerseits in die richtige Richtung: Die zufällige Besonderheit, dass durch privatautonome Verpflichtungen kurzzeitig eine unflexible Nachfrage besteht, sollte nicht die Anwendung des Kartellrechts begründen. Andererseits greift die Argumentation zu kurz: Für das Bedarfsmarktkonzept müsste es materiell unerheblich sein, woraus die fehlende Substituierbarkeit des Produktes aus Sicht der Nachfrager nach diesem konkreten Produkt beruht. Es ist zwar richtig, dass nur einzelne Marktteilnehmer unflexibel nachfragen. Wenn jedoch z. B. alle Nachfrager einer konkreten Wertpapiergattung in ihrem Verhalten unflexibel wären, müsste auf den ersten Blick von einer fehlenden Substituierbarkeit des Produktes ausgegangen werden, da die Motivation der Nachfrager für die Marktabgrenzung keine Rolle spielen dürfte. Anders gewendet muss es für das Bestehen von Marktmacht unerheblich sein, aus welchem Grund sich ein Markt bildet. Die reine Feststellung, dass die fehlende Substituierbarkeit aus Anlegersicht auf privatautonom getroffenen Vereinbarungen beruht und dass andere, rein potenzielle Käufer von diesen Vereinbarungen nicht betroffen sind, stellt noch kein hinreichendes Argument dafür dar, eine Marktverengung abzulehnen. (b) Vergleich mit primären und sekundären Produkten? Ein short seller, der eine Aktie leer verkauft, nimmt (mindestens) zwei Transaktionen vor. Den logischen Anfang bildet der Verkauf des entliehenen oder noch zu beschaffenden Papiers. Zu einem späteren Zeitpunkt muss der Leerverkäufer einen Deckungskauf vornehmen.645 Nur beim ersten Geschäft ist der Leerverkäufer in seiner Auswahl frei. Beim zweiten Geschäft gibt es wegen der bereits zuvor getroffenen Festlegung keine Substitutionsmöglichkeiten. Diese Konstellation wird in der Literatur in Verbindung mit der unionsgerichtlichen Rechtsprechung zu Primärund Sekundärprodukten gebracht.646 Werden neben einem Primärprodukt gesondert z. B. spezielle Verbrauchsgüter oder Ersatzteile angeboten, so kann die Marktge640 641 642 643 644 645 646
Ebenda, 127 f. LG Stuttgart, Urt. v. 17. 3. 2014 – 28 O 183/13 – juris. Ebenda, Rn. 174. OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14 – juris = AG 2015, 404. BGH, B. v. 15. 11. 2016 – KZR 73/15 – juris. s. o. § 4 I. 1. a) aa). So Schwintowski, WuW 2015, 834, 837 ff.
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genseite einem lock-in unterliegen. Sie hat einen nicht substituierbaren Bedarf an solchen Sekundärprodukten, die auf das Primärprodukt abgestimmt sind. Für die Sekundärprodukte ist daher ggf. ein eigener Sekundärmarkt abzugrenzen.647 Die Situation eines Leerverkaufs ist allerdings schon nicht mit einem Primär- und Sekundärprodukt vergleichbar. Der Bedarf des Anlegers wird bewusst für ein einziges Geschäft auf das spezifische Kapitalmarktprodukt beschränkt. Das mittels Deckungskauf zu erwerbende Wertpapier ist am ehesten mit einem primären Produkt zu vergleichen, da seine Eigenschaften (die Preisentwicklung) das gesamte Geschäft erst veranlassen. Dass bei einem Leerverkauf zeitlich gestreckt zwei Transaktionen erfolgen, bedeutet zudem nicht, dass sich zwei Kaufentscheidungen ausmachen ließen. Gleich zu Beginn geht der short seller die Verpflichtung ein, zu einem späteren Zeitpunkt das leer verkaufte Papier zu erwerben. Beim Deckungskauf wird lediglich in Abhängigkeit des Zeitablaufes ein bereits zuvor gefasster Beschluss realisiert.648 Die fehlende Auswahlfreiheit im Zeitpunkt eines Deckungskaufes entspricht mithin keinem lock-in im Sinne eines Primär- und Sekundärproduktes. (c) Keine Marktverengung durch fehlerhafte Kapitalmarktinformationen Ferner wird vertreten, dass es in „außergewöhnlichen Unternehmenssituationen“ an der funktionellen Austauschbarkeit einzelner Wertpapiergattungen fehlen könne. Für den verständigen Anleger sei dies dann der Fall, wenn eine besondere Entwicklung eines bestimmten Wertpapiers zu erwarten sei, da dieses Papier dann herausgehobene Eigenschaften besitze.649 Dies sei u. a. dann der Fall, wenn asymmetrische Kapitalmarktinformationen bestünden, etwa weil ein Emittent zutreffende Informationen zurückhält.650 Diese Ansicht kann jedoch nicht überzeugen. Eine Situation, in welcher der verständige Anleger eine bestimmte Kursentwicklung voraussagen kann, gibt es nach der ECMH nicht. Zudem ist nicht klar, wie ein Kriterium, das an eine besondere Entwicklung bzw. „außergewöhnliche Unternehmenssituation“ anknüpft, gehandhabt werden sollte. Die Substituierbarkeit einzelner Wertpapiergattungen bleibt auch von fehlerhaften Kapitalmarktinformationen unberührt. Diese Problematik ist funktional klar dem Kapitalmarktrecht zugewiesen. Die Anwendung des EU-Kartellrechts lässt sich somit nicht auf derartige Erwägungen stützen.
647
Vgl. EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, ECLI:EU:C:1979:138, Rn. 5 ff. (Hugin); EuG, Urt. v. 12. 12. 1991, ECLI:EU:T:1991:70, Rn. 66 ff. (Hilti); EuG, Urt. v. 6. 10. 1994, ECLI:EU:T:1994:246, Rn. 79 ff. (Tetra Pak). Die Existenz von Primär- und Sekundärprodukt führt allerdings keinesfalls schematisch zu einer Aufspaltung des Marktes, dazu näher Whish/ Bailey, Competition Law, 38 f., vgl. auch KOM, XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1995, COM(96)126 final, Rn. 86 – 87. 648 Vgl. auch Thomas, ZWeR 2014, 119, 127 f. 649 Schwintowski, WuW 2015, 834, 838 ff. 650 Ebenda, 839 f.
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(d) Zeitliche Marktabgrenzung? Eine Literaturstimme trägt unter Bezugnahme auf das Konzept der zeitlichen Marktabgrenzung vor, bei corners entstehe eine temporäre Mangellage, die eine marktbeherrschende Stellung des Akteurs nahelege.651 Dagegen wird von anderer Seite eingewandt, dass die zeitliche Marktabgrenzung nur dann relevant sei, wenn die Nachfrage nach einem bestimmten Gut nur in einem bestimmten Zeitraum existiere.652 Da ein von cornering betroffenes Wertpapier nicht seine Identität ändere, sondern sich lediglich die Nachfrage verändere, könne kein zeitlich begrenzter Markt identifiziert werden.653 Im Ergebnis überzeugt die zuletzt genannte Ansicht. Tatsächlich wird die zeitliche Marktabgrenzung überwiegend als eine Ergänzung der sachlichen Marktabgrenzung aufgefasst.654 Der Zeitverlauf kann ferner von Betracht sein, um die gebotene zeitliche Kongruenz von Marktbeherrschung und Missbrauch darzulegen.655 Die marktweite Verknappung eines Produktes kann es zwar rechtfertigen, den Markt für diesen Zeitraum gesondert zu betrachten, wobei die besonderen Marktverhältnisse eine temporäre marktbeherrschende Stellung der Anbieter begründen mögen.656 Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein grundsätzlich frei substituierbares Produkt durch seine bloße Knappheit auf einem eigenständigen Markt befindet. Zum Vergleich stelle man sich einen oligopolistisch strukturierten Gütermarkt vor, auf welchem von den Herstellern H1–H10 zehn verschiedene, funktional austauschbare Produkte (P1–P10) angeboten werden. Falls eine temporäre Knappheit an P1 eintritt, verengt dieser Umstand für sich betrachtet weder den Markt auf P1, noch erlangt H1 dadurch eine marktbeherrschende Stellung, da die Marktgegenseite auf die Produkte P2–10 ausweichen kann. Die Zwangslage der Opfer eines corners ist nicht auf die temporäre Knappheit des Produktes, sondern auf einen individuellen Beschaffungszwang zurückzuführen. Beim cornering von Wertpapieren hat die Verknappung einer einzelnen Wertpapiergattung allein daher insgesamt keine Auswirkungen auf die Marktabgrenzung.657
651
Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1260. Thomas, ZWeR 2014, 119, 131 f. 653 Ebenda. 654 Vgl. Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 38; Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1081 f.: „gesonderte Kategorie eines zeitlich relevanten Marktes überflüssig“; Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 68. 655 Kling/Thomas, Kartellrecht, 210. 656 Unterstellt in EuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, ECLI:EU:C:1978:141, Rn. 16 ff. (B.P.); dazu Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1082; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 69; auf die marktweite Verknappung im Fall B.P. weisen auch hin Kling/ Thomas, Kartellrecht, 210; vgl. auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1260 Fn. 108, die das Urteil des EuGH in Sachen United Brands für relevanter halten, EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 12 ff. (United Brands). 657 Vgl. zu diesem Ergebnis Thomas, ZWeR 2014, 119, 131 f. 652
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(e) Flüchtigkeit der Nachfragestruktur auf Wertpapiermärkten und Beweisprobleme Wer eine Verengung des kartellrechtlichen Marktes durch eine temporär unflexible Nachfrage nach einzelnen Wertpapiergattungen annimmt, muss sich auch die Frage nach der praktischen Handhabbarkeit eines solchen Konzeptes gefallen lassen. Tatsächlich ist es in der Kapitalmarktpraxis schlichtweg nicht vorstellbar, das Bedarfsmarktkonzept dergestalt zur Anwendung zu bringen. Unterstellt man, dass in tatsächlicher Hinsicht der überwiegende Teil der Nachfrage unflexibel ist, so handelt es sich dabei um eine punktuelle Momentaufnahme – die Nachfragestruktur in Form der Orderlage ist jedoch nicht nur äußerst flüchtig, sondern die jeweilige Motivation der Nachfrager keineswegs beweisbar. Falls sich ein Anleger auf die aus seiner Sicht fehlende Substituierbarkeit beriefe, hätte dies grundsätzlich keine Bedeutung für die Anwendung des Bedarfsmarktkonzeptes, sofern sich nicht die fehlende Substituierbarkeit aus Sicht der übrigen Nachfrager z. B. zu exakt dem Zeitpunkt der betrachteten Order beweisen ließe. Es fragt sich dann zudem, in welchem Zeitfenster der Markt verengt sein soll – richtigerweise könnte dies nur genauso lange der Fall sein, wie die Motivation hinter der überwiegenden Anzahl der abgegebenen Kauforders für eine bestimmte Wertpapiergattung ein Beschaffungszwang ist. Diese Situation kann sich jedoch bereits in Sekundenbruchteilen aufgelöst haben. Es ist schon vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar, derartige Situationen mit kartellrechtlichen Instrumenten zu erfassen. Ferner ist fraglich, ob eine Marktverengung nur dann angenommen werden soll, wenn sich dies etwa wie bei einem corner in einem Preisanstieg manifestiert, weil – aus kartellrechtlicher Sicht gleichsam zufällig – der unflexiblen Nachfrage eine Marktenge gegenübersteht. Man bedenke, dass eine kurzzeitig überwiegend unflexible Nachfrage ebenso im alltäglichen Kapitalmarktgeschehen eintreten kann, da z. B. ein Marktteilnehmer Deckungskäufe für seine umfangreichen Leerverkäufe tätigt. Bei ausreichendem free float wird dies keinerlei Probleme verursachen. Eine unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten möglicherweise relevante Machtsituation tritt dann jedoch nicht auf. Ferner mag die Nachfrage nach Wertpapieren einer bestimmten Gattung zwar kurzzeitig unflexibel sein, allerdings stehen ihr dann unzählige potenzielle Nachfrager gegenüber, die nur zufällig in diesem Moment nicht ebenfalls nachfragen – für sie ist das Wertpapier weiterhin perfekt substituierbar.658 Es ergibt auch vor dem Hintergrund dieser Überlegung keinen Sinn, eine möglicherweise nur Sekundenbruchteile bestehende Nachfragestruktur auf das Bedarfsmarktkonzept durchschlagen zu lassen. Zuletzt sei angemerkt, dass selbst zum Zeitpunkt eines corner, wo sich ein sprunghafter Preisanstieg auf eine unflexible Nachfragestruktur zurückführen ließe, 658 Alle „aktuellen und potentiellen Investoren“ berücksichtigen will Thomas, ZWeR 2014, 119, 127.
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nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass die Nachfrage überwiegend unflexibel ist. Es kann genauso gut sein, dass überwiegend anders motivierte Marktteilnehmer das Papier nachfragen.659 (f) Fazit Im Fall eines corner kann es vorkommen, dass die Nachfrage kurzzeitig davon geprägt ist, dass zahlreiche Marktteilnehmer auf den Erwerb von Wertpapieren einer konkreten Gattung angewiesen sind. Die Struktur der Nachfrage sieht in solchen Fällen so aus, als ob es einen eigenen Markt für Wertpapiere der betroffenen Gattung gäbe. In ökonomischer Hinsicht lassen sich ähnliche Effekte wie bei einem auf dieses Produkt begrenzten Markt beobachten, speziell da die Nachfrageseite dem Preisdruck der Angebotsseite nicht ausweichen kann. Allerdings handelt es sich dabei um eine technische Zufälligkeit, die keinen Einfluss auf die Substituierbarkeit der Wertpapiere aus Nachfragersicht hat. Die in ihrem Nachfrageverhalten unflexiblen Akteure erwerben die Wertpapiere nicht wegen etwaiger Alleinstellungsmerkmale, sondern weil sie sich zuvor dazu verpflichtet haben. Es kann daneben kaum sinnvoll analysiert werden, welcher Teil der Nachfrage an Kapitalmärkten strukturell unflexibel ist. Die Nachfragestruktur ist dynamisch und die jeweilige Motivation der Nachfrager nicht beweisbar. Zu jedem Zeitpunkt kann ein überwiegender Teil der Nachfrage unflexibel sein, dies mag sich schon Sekunden später geändert haben. Es erscheint nicht sachgerecht, sich an einer nur punktuell messbaren Nachfragestruktur zu orientieren, um auf dieser Grundlage kartellrechtliche Märkte zu bilden. Ferner wäre es reine Zufälligkeit, falls in einem konkreten Moment nicht andere (flexible) Nachfrager überwiegen. Eine solche Situation kann ferner auch eintreten, wenn der Markt liquide ist. Dann besteht jedoch nicht die für ökonomisch eigenständige Märkte charakteristische Druckmöglichkeit der Angebotsseite. Hier erschiene es geradezu willkürlich, eine Verengung des Marktes anzunehmen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch in besonderen Situationen, in denen die Nachfrage nach einer bestimmten Wertpapiergattung durch individuelle Beschaffungszwänge starr ist, keine Verengung des kartellrechtlichen Marktes auf die betroffene Wertpapiergattung angezeigt ist. Insgesamt bleibt es aus der kartellrechtlichen Perspektive bei der weitgehenden Austauschbarkeit von Wertpapieren. cc) Marktbeherrschung Durch die extreme Größe der so abgegrenzten Wertpapiermärkte erscheint es für einen einzelnen Anleger unmöglich, einen kartellrechtlich relevanten Marktanteil zu erlangen. Verletzungen von Art. 102 AEUV wären dadurch im Handel am Kapitalmarkt faktisch ausgeschlossen.660 Geht man jedoch mit der hier abgelehnten 659
Vgl. zu diesem Aspekt ähnlich Thomas, ZWeR 2014, 119, 132. Ähnlich die bereits genannten Urteile zum cornering im Fall der Übernahme VW/ Porsche, LG Stuttgart, Urt. v. 17. 3. 2014 – 28 O 183/13 – juris; bestätigt durch OLG Stuttgart, 660
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Ansicht davon aus, dass sich der kartellrechtliche Markt jedenfalls in Ausnahmesituationen wie dem cornering auf einzelne Wertpapiere verengen kann, so stellt sich die Frage, ob in diesem Fall eine Marktbeherrschung denkbar ist.661 Tatsächlich lohnt es sich, einen Blick auf das Konzept des „Marktanteils“ zu werfen, weil sich dabei herausstellt, dass es bereits an der Übertragbarkeit dieses Maßstabes auf Wertpapiermärkte scheitert (1). Ferner ist auch eine bloß „relative Marktmacht“ oder „Partnermacht“ von Art. 102 AEUV nicht erfasst (2). (1) „Marktanteile“ an Wertpapiermärkten? Wie bereits erwähnt wird für die Feststellung von Marktbeherrschung üblicherweise vom Marktanteil des potenziell marktbeherrschenden Unternehmens ausgegangen, da dieser eine Aussage über Marktmacht ermöglicht. Ein großer Marktanteil ist ein entscheidendes Indiz für eine marktbeherrschende Stellung.662 Es fragt sich jedoch, worin ein Marktanteil an Wertpapiermärkten bestehen soll. Grundsätzlich ist ein Marktanteil der Anteil eines Unternehmens an den auf einem Markt abgesetzten Produkten.663 Gemessen wird der Marktanteil entweder über die vom Unternehmen abgesetzte Stückzahl eines Produktes auf dem jeweiligen Produktmarkt oder über den entsprechenden Umsatzanteil.664 Dabei werden also am Markt stattfindende Transaktionen betrachtet, was auf Gütermärkten regelmäßig Kauf- und Verkaufsvorgängen entspricht.665 Das Halten von Wertpapieren, etwa die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, kann nicht als Innehaben eines Marktanteils verstanden werden. Der Besitzanteil an einem Wertpapier drückt ausschließlich aus, welchen Anteil an existenten Papieren der Anleger in der Vergangenheit erworben hat und zum gemessenen Zeitpunkt auf Vorrat hält. Der Anteil des Anlegers an Kauf- und Verkaufsvorgängen, also am tatsächlichen Marktgeschehen, hat keinen direkten Bezug dazu. Das Halten eines Wertpapiers hat für sich alleine daher keinerlei Aussagekraft darüber, welchen Marktanteil der Anleger auf einem – unterstellten – Absatzmarkt für die betrachtete Wertpapiergattung hat. Auf dem Realmarkt entspricht die Inhaberschaft eines Wertpapiers vielmehr der physischen Lagerhaltung, wie auch der Begriff Wertpapierdepot zeigt. Man stelle sich zum Vergleich die deutsche Bundesbank vor, die mit Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14 – juris; Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen durch BGH, 15. 11. 2016 – KZR 73/15 – juris; vgl. ferner KG, 20. 6. 1998, WuW DE-R 165, 167 f.; Thomas, ZWeR 2014, 119, 133: „Die Marktanteile sind atomistisch klein.“ 661 Dafür etwa Möllers, 10 C.M.L.J. (2015), 410, 423 in Bezug auf den Fall Porsche/VW: „Porsche’s dominating market position appears obvious, taking into account a free-float of only 5 per cent.“ 662 s. o. § 4 I. 3. c) aa) (2). 663 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rn. 73. 664 Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 49 f. 665 Vgl. Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rn. 74, wonach nur die „tatsächlich verbrauchten oder gelieferten Waren“ berücksichtigt werden.
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ihren Goldreserven einen quantifizierbaren Anteil des weltweit existenten Goldes bevorratet und diesen Bestand im Wesentlichen konstant hält.666 Hier würde man nicht annehmen, dass der Anteil der Bundesbank an den weltweiten Vorräten mit einem „Marktanteil“ auf dem Goldmarkt korrespondiert. Unterstellt man vereinfachend, dass die Bundesbank überhaupt kein Gold verkauft, so hat sie einen Marktanteil am Goldmarkt von exakt null Prozent. Wenn man im bloßen Halten von Wertpapieren eine Marktbeteiligung bzw. gar eine marktbeherrschende Stellung sehen wollte, würde dies zudem systematisch zu paradoxen Ergebnissen führen. Bei einer sukzessiven Veräußerung der Wertpapiere würde ein solcher „Marktanteil“ mit jeder Transaktion schwinden. Diese Tendenz stünde im Gegensatz zur Strukturanalyse von Realmärkten, wo relativ zu Konkurrenten erhöhte Marktaktivität einen Marktanteil i. d. R. nicht sinken, sondern steigen lässt. Für den Fall eines Ausbeutungsmissbrauchs (dazu sogleich) würde dies bedeuten, dass jede Tathandlung zugleich eine Aufgabe der marktbeherrschenden Stellung bedeutet. Dann würde man das Kartellrecht anwenden, obwohl von der Marktposition des Marktbeherrschers keine weitere Gefahr für den Wettbewerb mehr ausgeht. Dass Marktanteile nur unter Schwierigkeiten zu ermitteln sind, ist grundsätzlich kein Hindernis für die Ermittlung von Marktpositionen. Die Kommission hat z. B. bei Investmentbanken bzw. Finanzdienstleistungen auf alternative Kriterien abgestellt und sog. league tables berücksichtigt.667 Ein Inhaber von Wertpapieren, der überhaupt keine Transaktionen vornimmt, kann jedoch mangels Marktbeteiligung schwerlich als marktmächtig betrachtet werden. Bis der Anleger Transaktionen vornimmt, ist seine Stellung am Markt allenfalls als potenzielle Markttätigkeit einzuordnen. Potenzieller Wettbewerb kann zwar einen marktbeherrschenden Akteur disziplinieren und daher bei der Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung Berücksichtigung finden.668 Dass ein lediglich potenzieller Wettbewerber selbst marktbeherrschend ist, ist mit dieser Dogmatik jedoch nicht zu konstruieren. Etwas anderes lässt sich auch nicht etwa aus der Kasuistik zum Zugang zu essential facilities entnehmen. In derartigen Konstellationen wurde zwar aus der monopolistischen Kontrolle einer bestimmten Einrichtung auf eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für die Nutzung dieser Einrichtung geschlossen.669 Die je666
https://www.bundesbank.de/resource/blob/663346/ab6c5320952fc5ed5b4a77b805c91 e84/mL/gold-entwicklung-data.pdf, abgerufen am 27. 12. 2018. 667 KOM, 26. 10. 1995, IV/M.642, Rn. 13 (Chase Manhattan/Chemical Banking Corporation); KOM, 9. 10. 2000, Comp/M.2158, Rn. 12 (Credit Suisse Group/Donaldson, Lufkin & Jenrette). 668 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 48, 51, 55 (Hoffmann-La Roche); s. dazu Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 132. 669 s. u. a. KOM, 11. 6. 1992, IV/34.174, Rn. 36 ff. (Sealink/B&I – Holyhead); KOM, 21. 12. 1993, IV/34.689, ABl. 1994 L 15, 8, Rn. 61 ff. (Sea Containers/Stena Sealink); KOM, 21. 12. 1993, 94/119/EG, ABl. 1994 L 55, 52, Rn. 10 ff. (Hafen von Rødby); dazu Füller, in: KKKartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 175; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbs-
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weilige Einrichtung in Essential-facility-Fällen diente allerdings stets als Flaschenhals (bottleneck) zu einem nachgelagerten Markt.670 Dieser Zugang wurde obendrein vom Inhaber der Einrichtung bereits intern genutzt oder Dritten zur Verfügung gestellt, weswegen es einen (beherrschten) Markt für eben diesen Zugang gab. Am Kapitalmarkt wäre der Zugang zu der Ressource „Wertpapier“ nur durch dessen Kauf bzw. Verkauf zu erreichen. Diese Art von Zugang wird allerdings von einem Unternehmen, das Wertpapiere lediglich hält, schon von vornherein nicht genutzt. Marktmacht könnte allerdings entstehen, wenn sich ein Inhaber von Wertpapieren durch Verkaufsangebote am Markt beteiligt. Ist etwa einem Anleger das gesamte Angebot am Markt zuzurechnen, so könnte darin eine Monopolstellung gesehen werden, die nach herkömmlichen Kriterien regelmäßig eine Marktbeherrschung darstellt.671 Doch auch hier offenbart sich das oben aufgezeigte Problem der Dynamik von Nachfrage und Angebot an Wertpapiermärkten, denn die Orderlage ändert sich laufend. Die Tatsache, dass das gesamte Angebot in Bezug auf eine Wertpapiergattung von nur einem Marktteilnehmer ausgeht, kann eine momentane Zufälligkeit sein. Eine nur punktuelle Betrachtung der Angebotslage kann daher keine marktbeherrschende Stellung identifizieren. Zusammengefasst kann auch bei einer – hier abgelehnten – engen Marktabgrenzung das bloße Innehaben eines Wertpapiers oder selbst eines Großteils der Wertpapiere einer bestimmten Gattung nicht als kartellrechtliche Marktbeherrschung betrachtet werden. Allenfalls im tatsächlichen Tätigwerden am Markt durch das Angebot von Wertpapieren könnte – ein enger Markt unterstellt – Marktmacht ausgemacht werden. Dies scheitert jedoch daran, dass Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt nicht wie auf Gütermärkten analysiert werden können, sondern immer nur punktuell beobachtbar sind. Eine echte Aussage über Marktanteile bzw. Marktmacht kann daraus kaum abgeleitet werden. (2) Art. 102 AEUV erfasst keine relative Marktmacht oder Partnermacht Teilweise wird vertreten, die bloße „wirtschaftliche Abhängigkeit“ eines Abnehmers oder Lieferanten bzw. eine „Herrschaft über den Handelspartner“ reiche für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung aus.672 Da ein cornering/squeezing recht, 496 f.; vgl. außerdem EuGH, Urt. v. 26. 11. 1998, ECLI:EU:C:1998:569 (Oscar Bronner); EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, ECLI:EU:C:1995:98 (RTE und ITP); EuGH, Urt. v. 29. 4. 2004, ECLI:EU:C:2004:257 (IMS Health); EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, ECLI:EU:T:2007:289 (Microsoft); ausführlich zu diesen Urteilen sowie der weiteren Rechtsprechung Mestmäcker/ Schweitzer, a. a. O., 497 ff.; es ist jedoch umstritten, ob die unionsgerichtliche Rechtsprechung die Essential-facilities-Doktrin überhaupt aufgegriffen hat, dagegen Füller, a. a. O., Rn. 176, m. w. N. 670 Kling/Thomas, Kartellrecht, 238. 671 Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 45. 672 Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 102 AEUV Rn. 124; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 85;
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betreibender Marktteilnehmer zwar nicht den Markt beherrscht, aber doch bilateral Macht über andere Marktteilnehmer erlangt, fragt sich, ob Art. 102 AEUVauch ohne eine marktbeherrschende Stellung Anwendung finden kann. Für die genannte Ansicht wird argumentiert, dass das Wort „Marktbeherrschung“ nicht in Art. 102 AEUV geschrieben steht.673 Auch die Praxis von Unionsgerichten und Kommission könnte auf den ersten Blick zu der Annahme veranlassen, rein bilaterale Machtsituationen seien von Art. 102 AEUV erfasst:674 In Hoffmann-La Roche etwa wurde vom EuGH eine beherrschende Stellung u. a. daraus geschlossen, dass sich das Unternehmen „in einer Position der Stärke [befand], die es zu einem nicht zu übergehenden Geschäftspartner macht“ (unavoidable trading partner).675 Dem sehr ähnlich hat das EuG eine marktbeherrschende Stellung unter Verwendung der Begriffe der „wirtschaftlichen Abhängigkeit“ (economic dependence)676 oder des „unumgänglichen Geschäftspartners“ (obligatory business partner)677 festgestellt. Auch in der Kommissionspraxis lässt sich derartiges Vokabular ausmachen.678 Dennoch kann die bloße bilaterale Abhängigkeit nicht zu einer Anwendung des Art. 102 AEUV führen.679 Richtigerweise ist die Beobachtung eines „nicht zu übergehenden Geschäftspartners“ bzw. der „wirtschaftlichen Abhängigkeit“ nur die individuelle Wirkung einer marktbeherrschenden Stellung.680 Die genannten Faktoren wurden vor diesem Hintergrund herangezogen, um die Prüfung von Marktbeherrschung auf der Grundlage des Marktanteils zu ergänzen.681 Ein Konzept der Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 42; Glais, Revue du Marché Commun 1987, 203, 205 f.: partenariat obligatoire/dépendance économique. 673 Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 102 AEUV Rn. 124. 674 Dafür Schröter/Bartl, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 102 AEUV Rn. 124; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 85; Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 42; dagegen Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 65 ff.; Këllezi, in: Mackenrodt u. a. (Hg.), Abuse of Dominant Position, 55, 71 ff., 82 f.; zweifelnd Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 74 f.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 431; dagegen wohl auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 342 f. 675 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 41 (Hoffmann-La Roche). 676 EuG, Urt. v. 21. 10. 1997, ECLI:EU:T:1997:155, Rn. 57 (Deutsche Bahn). 677 EuG, Urt. v. 17. 12. 2003, ECLI:EU:T:2003:343, Rn. 217 (British Airways). 678 Vgl. etwa KOM, 19. 4. 1977, IV/28.841, ABl. L 117, 1 (A.B.G. gegen in den Niederlanden tätige Mineralölgesellschaften), wo von der Abhängigkeit der Abnehmer von ihren Anbietern die Rede ist; dazu Këllezi, in: Mackenrodt u. a. (Hg.), Abuse of Dominant Position, 55, 77. 679 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 431: „Partnermacht“ keinesfalls erfasst; Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 67; vgl. auch Eilmansberger/ Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 74 f. 680 Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 67. 681 Këllezi, in: Mackenrodt u. a. (Hg.), Abuse of Dominant Position, 55, 82 ff.; Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 67; Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 74 f.; vgl. auch Jones/Sufrin, EU Competition Law, 342 f.
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„relativen Marktmacht“, wie etwa in § 20 GWB, ist dem Art. 102 AEUV weiterhin fremd.682 Insgesamt setzt Art. 102 AEUV also die Beherrschung des gesamten Marktes voraus und kann aus diesem Grund in den hier untersuchten Situationen keine Anwendung finden.683 Bilaterale Problematiken sind vielmehr von Art. 101 AEUV erfasst.684 Obendrein wäre selbst bei einer Zugrundelegung der aufgeführten Konzepte sehr zweifelhaft, ob eine bloß einmalige Kaufverpflichtung wie in einer Konstellation Leerverkauf/corner z. B. einen unavoidable trading partner etablieren könnte.685 d) Missbrauchshandlung Preishöhenmissbrauch? Für den Fall, dass man mit der hier abgelehnten Ansicht eine enge Marktabgrenzung vornimmt und zudem eine marktbeherrschende Stellung unterstellt, erfordert der Tatbestand des Art. 102 AEUV noch den Nachweis einer Missbrauchshandlung. In Betracht kommt maßgeblich ein Ausbeutungsmissbrauch in Form eines Preishöhenmissbrauches gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV.686 Doch auch dessen Tatbestandsmerkmale lassen sich kaum auf Kapitalmarkttransaktionen übertragen. aa) Grundsätze Beim Ausbeutungsmissbrauch in Form des Preishöhenmissbrauchs gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV wird eine marktbeherrschende Stellung dadurch missbraucht, dass von der Marktgegenseite unangemessen hohe Preise erzwungen werden. Das marktbeherrschende Unternehmen verschafft sich dabei Vorteile, die unter Wettbewerbsbedingungen nicht eingetreten wären.687 Der Nachweis unangemessener Preise stellt in der Praxis jedoch eine große Hürde für die Normanwendung dar.688 Es werden vorwiegend zwei Methoden angewendet, mittels derer überhöhte Preise dargelegt werden sollen. In der europäischen Rechtsprechung sowie der Kommissionspraxis wird meist darauf abgestellt, ob zwischen dem Preis und dem 682 Ausdrücklich Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 67; zur Gegenansicht s. Fn. 672. 683 Vgl. Thomas, ZWeR 2014, 119, 133 f. 684 Këllezi, in: Mackenrodt u. a. (Hg.), Abuse of Dominant Position, 55, 83. 685 Auch Glais, Revue du Marché Commun 1987, 203, 206, hält es für ein maßgebliches Kriterium der dépendance économique, dass die Geschäftsverbindung über eine lange Dauer besteht. 686 Vgl. Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1261; zu § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB Schwintowski, WuW 2015, 834, 841. 687 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/257 (United Brands). 688 Die praktische Relevanz der Norm mag allerdings größer sein, als es die geringe Anzahl an Kommissionsentscheidungen vermuten lässt, da Verfahren teils nach Preissenkungen eingestellt wurden, vgl. Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 160.
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wirtschaftlichen Wert des Produkts ein unangemessenes Missverhältnis besteht.689 Dies wird durch einen Abgleich des Preises mit den entstandenen Kosten quantifiziert. Durch die Ermittlung der Gewinnspanne kann belegt werden, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Preise durch unangemessene Aufschläge überhöht. Dafür ist jedoch eine aufwendige Analyse der Kostenstruktur des marktbeherrschenden Unternehmens nötig.690 Das Vergleichsmarktkonzept verzichtet auf eine solche Kostenberechnung und vergleicht den zu überprüfenden Preis mit einem fiktiven Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben hätte. Zu diesem Zwecke wird ein Vergleich mit einem anderen, jedoch vergleichbaren Markt angestellt.691 Als Vergleichsmarkt dient dabei ein entweder in geografischer692, zeitlicher693 oder sachlicher694 Hinsicht verschiedener Markt. Zeigt der angestellte Vergleich einen nicht gerechtfertigten, großen Unterschied, so stellt dies ein Indiz für einen Missbrauch dar.695 Große Schwierigkeiten bereitet es dabei jedoch, die Vergleichbarkeit verschiedener Märkte zu belegen. In der unionsrechtlichen Praxis hat das Vergleichsmarktkonzept daher bisher nur wenig Eingang gefunden.696 bb) Verwirklichung durch Aufbau und Innehaben der „marktbeherrschenden“ Stellung? Der bloße Beteiligungsaufbau und das Halten einer bestimmten Wertpapierbeteiligung können keinesfalls als Verwirklichung des Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV
689 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/257 (United Brands); KOM, 23. 7. 2004, Comp/A.36.568/D3, Rn. 99 ff. (Scandlines Sverige AB v Port of Helsingborg); KOM, 23. 7. 2004, Comp/A.36.570/D3, Rn. 82 ff. (Sundbusserne v Port of Helsingborg). 690 Vgl. dazu Brand, in: FK-Kartellrecht, 85. Lfg. Nov. 2015, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 187 ff. 691 s. dazu näher Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 168 ff. 692 Der Vergleichspreis ist dann z. B. der Preis, den der beherrschende Anbieter in einem anderen Mitgliedstaat berechnet, vgl. EuGH, Urt. v. 8. 6. 1971, ECLI:EU:C:1971:59, Rn. 19 (Deutsche Grammophon/Metro). Es können aber auch von anderen Marktbeherrschern verlangte Preise herangezogen werden, was als Konkurrenzpreiskonzept bezeichnet wird. Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 7. 1989, ECLI:EU:C:1989:326, Rn. 25 (Lucazeau/SACEM); Eilmansberger/ Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 223. 693 Als Vergleichspreis dient dann der Preis, den das beherrschende Unternehmen zu einem anderen Zeitpunkt verlangt hat, vgl. dazu EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986, ECLI:EU:C:1986:421, Rn. 25 ff. (British Leyland); Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 170 f. 694 Dabei werden die Preise für ähnliche, wenngleich sachlich verschiedene Leistungen miteinander verglichen, EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986, ECLI:EU:C:1986:421, Rn. 25 ff. (British Leyland); Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 170 f. 695 EuGH, Urt. v. 8. 6. 1971, ECLI:EU:C:1971:59, Rn. 19 (Deutsche Grammophon/Metro). 696 Brand, in: FK-Kartellrecht, 85. Lfg. Nov. 2015, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung, Rn. 194.
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gesehen werden. Art. 102 AEUV stellt kein Monopolisierungsverbot dar,697 sondern richtet sich gegen die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.698 Nach dem Wortlaut des Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV müssen unangemessene Preise „erzwungen“ werden, was zumindest eine Verkaufstätigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens erfordert. Wie der EuGH in United Brands festgestellt hat, ist es erforderlich, dass der Marktbeherrscher „geschäftliche Vorteile“ erhält.699 Bei einem Unternehmen, das im Zeitpunkt einer Marktenge keinerlei Wertpapiere veräußert, kann diese Tathandlung jedoch nicht beobachtet werden.700 Nach dem Gesagten stellen der Kauf und das bloße Halten von Wertpapieren keinen Verstoß gegen Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV dar. Erneut sei jedoch angemerkt, dass im Besitz von Wertpapieren schon keine Marktstellung zu sehen ist.701 Daher kommt es auch nicht darauf an, ob bloß mittelbare geschäftliche Vorteile für die Verwirklichung eines Ausbeutungsmissbrauchs genügen könnten.702 cc) Verwirklichung durch Ausnutzen der „marktbeherrschenden“ Stellung? Es fragt sich jedoch, ob ein Unternehmen einen Ausbeutungsmissbrauch durch das Verkaufen von Wertpapieren, die in einer temporären Marktenge stark nachgefragt werden, begehen kann. Hier werden von Käufern Kaufpreise verlangt, worin die Tathandlung zu sehen sein könnte. Nach einer Literaturstimme soll die Unangemessenheit von Preisen wie bei Produkten auf dem Realmarkt über das Verhältnis von Wert und Preis festgestellt werden. Zur Bemessung wird vorgeschlagen, das zeitliche Vergleichsmarktkonzept anzuwenden.703 Allerdings ist es am Kapitalmarkt kaum möglich, einen fiktiven Preis unter Wettbewerbsbedingungen festzustellen. Wertpapierpreise unterliegen per se einer stetigen Entwicklung. Ein stark steigender Preis ist jedenfalls kein aussagekräftiges Indiz für eine Divergenz zwischen Preis und Wert. Wer ein Wertpapier zu einem sprunghaft stark gestiegenen Preis erwirbt, erleidet nicht einmal zwingend einen Nachteil. Hat er das Produkt nicht bereits im Wege des Leerverkaufs zuvor veräußert, ist es ihm gegebenenfalls sogar möglich, das Papier zum Einkaufspreis oder gar mit Gewinn zu veräußern. Ein Vergleich zwischen 697 Art. 102 AEUV steht damit im Kontrast zu Section 2 des US-amerikanischen Sherman Act, der bereits das monopolizing unter Strafe stellt; s. näher Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 40. 698 Vgl. hierzu sowie zur hier nicht näher zu erörternden Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauches Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 403; Busche, in: KKKartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 199 ff.; vgl. ferner Kling/Thomas, Kartellrecht, 198. 699 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1972, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/257 (United Brands). 700 Thomas, ZWeR 2014, 119, 138; ebenso LG Stuttgart, Urt. v. 17. 3. 2014 – 28 O 183/13 – juris, Rn. 175. 701 s. o. § 4 I. 3. c) cc) (1). 702 Offenlassend auch LG Braunschweig, B. v. 19. 6. 2013 – 5 O 552/12, NZKart 2013, 380, 383. 703 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1261 f.
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dem niedrigen Ausgangspreis des Wertpapiers zum Zeitpunkt eines Leerverkaufes und dem höheren Preis zum Zeitpunkt des Deckungskaufes ist vor diesem Hintergrund eine rein willkürliche Gegenüberstellung. Diese Methode würde ferner implizieren, dass jegliche Preissteigerung ab dem vom späteren Marktbeherrscher nicht zu beeinflussenden ersten Verkaufsvorgang als Erhöhung des Preises über Wert aufzufassen wäre. Darüber hinaus ist eine Marktenge konzeptionell in vielen unterschiedlichen Intensitäten möglich. Die Preisentwicklung eines Wertpapiers ist nicht nur im Falle von Marktengen wie beim cornering, sondern zu jedem Zeitpunkt u. a. auch von der Liquidität des Marktes abhängig. Daher kann ein Preisanstieg, der durch einen Angebotsrückgang induziert wird, nicht als Divergenz zwischen „Wert“ und Preis interpretiert werden.704 Doch auch das Konzept der Gewinnspannenbegrenzung kann aufgrund der Besonderheiten des Kapitalmarktes kaum sinnvoll angewendet werden. So gibt es für Wertpapiere keine mit dem Realmarkt vergleichbare Kostenstruktur.705 Die einzigen Kosten, die zu veranschlagen sein könnten, sind der Kaufpreis sowie hier zu vernachlässigende Transaktionskosten. Eine „unangemessen“ große Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufspreis kann jedoch am Kapitalmarkt nicht als missbräuchliches Verhalten bewertet werden. Es ist dem Handel am Kapitalmarkt vielmehr inhärent, dass Anleger eine möglichst große Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis anstreben. Es kann einem Anleger somit kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er von einer starken Preissteigerung profitiert, die sich während seiner Inhaberschaft eines Wertpapiers ergeben hat. Gleiches gilt für mittelbare Vorteile, die dem Akteur in Abhängigkeit des Wertpapierpreises zufließen.706 Die Besonderheiten des Kapitalmarktes führen zudem zu einem weiteren normativen Argument gegen die Anwendung von Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV. Wertpapiere sind einerseits rivalrous goods707, die der Verkäufer durch ihren Verkauf physisch aufgibt und in der Folge nicht mehr nutzen kann. Andererseits kann der Verkäufer sie aber auch nicht mehr herstellen oder auf einem vorgelagerten Beschaffungsmarkt z. B. von einem Hersteller beziehen. Der Verkäufer kann sie lediglich erneut auf dem Sekundärmarkt erwerben. Mit dem Verkauf muss der Verkäufer dem Käufer mithin vollumfänglich seine eigene Marktposition einräumen und nicht nur ein Erzeugnis übertragen. In einer derartigen Ausgangslage stellt es jedoch einen besonders schweren staatlichen Eingriff in die Rechtsposition des Wertpapierinhabers dar, diesem mithilfe der Fallgruppe des Preishöhenmissbrauchs Vertragskonditionen aufzuzwingen.
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Vgl. auch Thomas, ZWeR 2014, 119, 137 f., der die Vergleichbarkeit der beiden Preise bezweifelt und darauf hinweist, dass jedenfalls Sicherheitszu- und -abschläge angebracht werden müssten, um die Vergleichbarkeit der beiden Referenzpunkte sicherzustellen. 705 So auch Thomas, ZWeR 2014, 119, 141 f. 706 Dazu LG Braunschweig, B. v. 19. 6. 2013 – 5 O 552/12, NZKart 2013, 380, 383. 707 Zu Begriff vgl. Leach, A Course in Public Economics, 155 f.
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dd) Fazit Die für einen Ausbeutungsmissbrauch in Form des Preishöhenmissbrauchs gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV erforderliche Missbrauchshandlung kann weder beim bloßen Halten von Wertpapieren noch bei deren Verkauf festgestellt werden. e) Zwischenstaatlichkeit Art. 102 AEUV ist nur anwendbar, „soweit dies [die missbräuchliche Ausnutzung] dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“. Durch diese Zwischenstaatlichkeitsklausel wird die Norm vom nationalen Kartellrecht abgegrenzt.708 Das Vorliegen der erforderlichen grenzüberschreitenden Auswirkungen709 sei angesichts der internationalen Prägung des Kapitalmarktes unterstellt.710 Problematisch könnte die Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung sein, die nach umstrittener Ansicht auch im Rahmen von Art. 102 AEUV ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist.711 Daran ändert auch das Urteil des EuGH in Post Danmark II712 nichts, wonach keine Spürbarkeits- oder De-minimis-Schwelle im Rahmen des Art. 102 AEUV besteht.713 Da nach hier vertretener Auffassung der Tatbestand des Art. 102 AEUV insgesamt nicht erfüllt sein kann und zudem auf das deutsche Kartellrecht nachfolgend noch eingegangen wird, kann die Abgrenzung offen bleiben.
708 EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, ECLI:EU:C:1979:138, Rn. 17 (Hugin); Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 641 ff. 709 Vgl. EuGH, Urt. v. 31. 5. 1979, ECLI:EU:C:1979:138, Rn. 17 (Hugin): „Dagegen fallen Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränken, unter den Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnung.“; vgl. auch Kommission, Leitlinien zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl. 2004 C 101, 81, Rn. 13; Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 641. 710 So auch Fleischer/Bueren, in: ZIP 2013, 1253, 1262. 711 Vgl. EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, ECLI:EU:C:1983:313 Rn. 104 (Michelin); vgl. ferner Kommission, Leitlinien zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl. 2004 C 101, 81, Rn. 13, 44 ff.; Jones/Sufrin, EU Competition Law, 270 ff.; Kling/Thomas, Kartellrecht, 268; Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 641 ff.; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 22; de Bronett, in: Wiedemann (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 1328; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, 60. EL 2016, Art. 102 AEUV Rn. 368 ff., der eine gesonderte Prüfung der Spürbarkeit nur dann für nötig hält, wenn sich das Verhalten auf einem anderen als dem beherrschten Markt auswirkt; gegen eine Relevanz der Spürbarkeit die Schlussanträge des GA Reischl, 19. 9. 1978, ECLI:EU:C:1978:162 Abschnitt III.5. (Hoffmann-La Roche). 712 EuGH, Urt. v. 6. 10. 2015, ECLI:EU:C:2015:651, Rn. 73 (Post Danmark). 713 Ibáñez Colomo, 7 JECLAP (2016), 651.
136
§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
f) Rechtsfolgen Obwohl nach hier vertretener Auffassung Art. 102 AEUV nicht auf corners/ squeezes an Wertpapiermärkten anwendbar ist, soll zur besseren Kontrastierung mit dem Kapitalmarktrecht kurz auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Norm eingegangen werden. Zunächst werden die wichtigsten kartellverwaltungs- und -bußgeldrechtlichen Befugnisse der Kommission erläutert, die sich der VO 1/2003 entnehmen lassen.714 Die teils übereinstimmenden Befugnisse des BKartA sind im GWB geregelt.715 Gem. Art. 7 VO 1/2003 kann die Kommission nach Feststellung einer Zuwiderhandlung eine Abstellungsverfügung erlassen und die beteiligten Unternehmen zu verhaltensorientierten oder strukturellen Maßnahmen verpflichten. Auf grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit kartellrechtlicher Preisvorgaben wird noch einzugehen sein.716 Gem. Art. 8 VO 1/2003 können in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen angeordnet werden. Auf der Grundlage von Art. 9 VO 1/ 2003 kann die Kommission ferner Verpflichtungszusagen der Unternehmen für verbindlich erklären. Nach Art. 23 Abs. 2 lit. a) VO 1/2003 kann die Kommission bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen Art. 102 AEUV erhebliche Geldbußen verhängen. Diese können bis zu zehn Prozent des „im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes“ betragen.717 Da der Bußgeldadressat „Unternehmen“ eine von der Rechtsform unabhängige „wirtschaftliche Einheit“718 ist, kann für den Fall von Unternehmensgruppen (z. B. Konzernen) der Umsatz aller zur Einheit gehörenden Gesellschaften zugrunde gelegt werden.719 Bei der ZehnProzent-Grenze handelt es sich nicht um einen Bußgeldrahmen, sondern um eine Kappungsgrenze, d. h. die Bußgeldbemessung kann zunächst darüber hinausgehen, nur der Endbetrag wird gekappt.720 Art. 24 VO 1/2003 ermöglicht zudem die Verhängung von Zwangsgeldern, mit denen die Durchsetzung u. a. der Art. 7, 8 und 9 VO 1/2003 erzwungen werden kann. Eine Verletzung des Art. 102 AEUV begründet ferner zivilrechtliche Ansprüche. Die Eckpfeiler der zivilrechtlichen Haftung für 714
Für eine umfassendere Darstellung der Rechtsfolgen vgl. etwa Kling/Thomas, Kartellrecht, 423 ff. 715 s. dazu näher Kling/Thomas, Kartellrecht, 827 ff.; zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Kommission und BKartA s. bereits o. § 3 II. 2. 716 s. u. § 5 II. 4. b). 717 Näher zur Bußgeldbemessung Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, ABl. 2006 C 210, 2; Nowak, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 23 VerfVO Rn. 25 ff. m. w. N. 718 Zur Zurechnung von Mutter- und nicht autonom handelnden, sondern weisungsabhängigen Tochtergesellschaften EuGH, Urt. v. 14. 7. 1972, ECLI:EU:C:1972:70, Rn. 132/135 (ICI); es gilt eine widerlegliche Vermutung der Weisungsabhängigkeit bei 100-prozentigen Tochtergesellschaften, vgl. EuGH, Urt. v. 25. 1. 1983, ECLI:EU:C:1983:293, Rn. 50 (AEG); Schneider/Engelsing, in: MüKo-EuWettbR, Art. 23 VO 1/2003 Rn. 59 ff. 719 EuG, Urt. v. 12. 12. 2007, ECLI:EU:C:2007:381, Rn. 90 (Akzo Nobel u. a.); Nowak, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 23 VerfVO Rn. 15 Fn. 80. 720 EuG, Urt. v. 20. 3. 2002, ECLI:EU:T:2002:75, Rn. 287 f. (LR AF 1998); vgl. ferner Schneider/Engelsing, in: MüKo-EuWettbR, Art. 23 VO 1/2003 Rn. 193.
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
137
Kartellrechtsverstöße wurden in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt und jüngst in der Kartellschadensersatzrichtlinie721 rezipiert, die mit der 9. GWB-Novelle722 in deutsches Recht umgesetzt wurde. Nach dem Urteil des EuGH in Courage kann „jedermann“ Ersatz seines durch die Kartellrechtsverletzung eingetretenen Schadens verlangen.723 Dies wurde in Deutschland vor der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie in § 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB a. F. ermöglicht und folgt nun aus § 33a GWB. Nach Maßgabe dieses Rechtsinstituts kann im Fall des Preishöhenmissbrauchs der Betrag abgeschöpft werden, den das marktbeherrschende Unternehmen mit überhöhten Preisen erzielt hat.724 Eine Besonderheit ist die Haftung für sog. Preisschirmeffekte (umbrella effects oder umbrella pricing725). Der EuGH hat im Urteil Kone festgestellt, dass Kartellanten auch dann auf Schadensersatz haften, wenn Verbraucher durch Kartellaußenseiter geschädigt werden, die im „Windschatten“ des Kartells erhöhte Preise verlangt haben.726 Diese Rechtsprechung ist auch auf Art. 102 AEUV zu übertragen.727 Daran ändert es nichts, dass die neue Kausalitätsvermutung des § 33a Abs. 2 GWB (vgl. Art. 17 Abs. 2 Kartellschadensersatzrichtlinie), ausdrücklich nur auf den durch „Kartelle“ verursachten Schaden anwendbar ist. An organisierten Wertpapiermärkten wäre die Ersatzfähigkeit von Preisschirmschäden von besonders großer Bedeutung, da sich dort regelmäßig nicht beweisen lässt, von wem ein Nachfrager seine Wertpapiere erworben hat.728 § 33 Abs. 1 GWB bietet einen verschuldensunabhängigen729 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. 721 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom vom 26. 11. 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. 2014 L 349, 1. 722 Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 1. 6. 2017, BGBl. I 2017, 1416. 723 EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26 ff. (Courage). 724 Für die Bemessung des Schadens gilt gem. § 33a Abs. 3 GWB § 287 ZPO. Im Grundsatz bleiben jedoch für den Inhalt und Umfang des Schadensersatzes §§ 249 ff. BGB maßgeblich, vgl. zu § 33 GWB a. F. Bornkamm, in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 117. Daher kann ggf. die Differenz zwischen einem missbräuchlich überhöhten Preis sowie dem Wettbewerbspreis verlangt werden, vgl. BGH, Urt. v. 8. 5. 1990 – KZR 23/88, NJW-RR 1990, 1190, 1191 (NoraKunden-Rückvergütung); BGH, Urt. v. 23. 3. 1982 – KZR 28/80, GRUR 1982, 576, 578 (Meierei-Zentrale). 725 Fritzsche, NZKart 2014, 428, 428. 726 EuGH, Urt. v. 5. 6. 2014, ECLI:EU:C:2014:1317 (Kone u. a./ÖBB-Infrastruktur AG); dazu Fritzsche, NZKart 2014, 428; Repas/Kerestesˇ, WiRO 2015, 74; Stöber, EuZW 2014, 257; vgl. ferner Jaeger, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rn. 48; umfassend zum Meinungsstand vor dem Kone-Urteil Fuchs, in: FS Bornkamm, 159. 727 Repas/Kerestesˇ, WiRO 2015, 74, 76. 728 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1262 f. 729 Zu § 33 Abs. 1 GWB a. F. Rehbinder, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, § 33 GWB Rn. 59.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
g) Fazit zur EU-kartellrechtlichen Bewertung Insgesamt ist ein Verstoß gegen Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV durch corners/ squeezes nicht vorstellbar. Die Kartellrechtsanwendung scheitert bereits an der kartellrechtlichen Marktabgrenzung. Der Markt besteht aus einer Vielzahl an verschiedenen Wertpapieren und ist auch nicht in Ausnahmesituationen auf einzelne Papiere zu verengen. Selbst wenn man jedoch eine enge Marktabgrenzung vornehmen möchte und Märkte in einzelnen Wertpapiergattungen sieht, können corners/squeezes nicht kartellrechtlich erfasst werden. Dies liegt daran, dass das reine Halten von Wertpapieren nicht als marktbeherrschende Stellung gesehen werden kann. Bei einer Marktbeteiligung z. B. durch Veräußern von Wertpapieren kann kein „Marktanteil“ bestimmt werden, und auch nach anderen Kriterien erscheint es überaus problematisch, in einer nur punktuell messbaren Angebotslage eine marktbeherrschende Stellung zu sehen. Selbst bei unterstellter marktbeherrschender Stellung erscheint kein Verstoß gegen Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV möglich. Wenn ein Marktteilnehmer Papiere mit hohen Gewinnen veräußert, kann schwerlich ein unangemessenes Verhältnis zwischen Wert und Preis eines Wertpapiers festgestellt werden. Auch erscheint es als ein besonders schwerer Eingriff in die Position eines Marktteilnehmers, ihm mittels Kartellrecht Konditionen für die Veräußerung seiner – nicht reproduzierbaren – Wertpapiere zu diktieren. 4. Deutsches Kartellrecht und corners/squeezes Auch das deutsche Kartellrecht ist nicht dazu geeignet, corners/squeezes zu steuern. Zwar dürfte das mitgliedstaatliche Recht gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003, § 22 Abs. 3 S. 3 GWB auch bei einer Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV strengere Vorgaben machen als das Unionsrecht. Für Verhaltensweisen auf dem Sekundärmarkt wirkt sich dies jedoch nicht aus. Weder vom nationalen Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen in §§ 18, 19 GWB [a)] noch von dem im deutschen Recht speziellen Konzept der relativen Marktmacht gem. § 20 GWB [b)] werden die untersuchten Verhaltensweisen erfasst. Auf eine ausführliche Darstellung der andernfalls von diesen Normen untersagten Verhaltensweisen und ihren Rechtsfolgen wird im Sinne der Fokussierung der Untersuchung auf den Abgleich zwischen EU-Kartellrecht und Kapitalmarktrecht verzichtet. a) Marktmachtmissbrauchsverbot, §§ 18, 19 GWB Die Anwendung des deutschen Marktmachtmissbrauchverbotes scheitert ebenso wie bei seinem unionsrechtlichen Äquivalent an der fehlenden marktbeherrschenden Stellung. Diese wird auf der Grundlage einer Marktabgrenzung nach den selben Kriterien wie im europäischen Kartellrecht ermittelt.730 Daher kann umfassend auf 730
Kling/Thomas, Kartellrecht, 643.
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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oben verwiesen werden.731 Schon wegen der Marktgröße ist eine marktbeherrschende Stellung einzelner Marktteilnehmer nicht vorstellbar. b) Relative Marktmacht, § 20 GWB Ein eigenständiger Regelungsansatz des deutschen Kartellrechts ist das Konzept der relativen Marktmacht gemäß § 20 GWB. § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GWB verbietet es marktbeherrschenden Unternehmen, ihre Stellung missbräuchlich zur unbilligen Behinderung oder Diskriminierung anderer Unternehmen auszunutzen. § 20 Abs. 1 GWB erweitert den Anwendungsbereich dieses Verbotes auf Unternehmen, die „relative Marktmacht“ haben, weil „von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen […]“. Über § 20 Abs. 2 GWB können sich abhängige Unternehmen ferner auf § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 5 GWB berufen. „Relativ“ ist die Marktmacht, weil sie sich nicht auf den gesamten Markt, sondern nur auf einzelne Unternehmen bezieht, aber auch weil es sich um „graduell geringere generelle Marktmacht“ handelt.732 Da „relativ marktmächtigen“ Unternehmen nicht jede Missbrauchshandlung, sondern nur die Tathandlungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 und 5 GWB verboten sind, wäre etwa beim market corner der potenziell relevante Preishöhenmissbrauch gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB auch über eine etwaige relative Marktmacht des Manipulanten tatbestandlich nicht anwendbar.733 Losgelöst von der Reichweite des § 20 Abs. 1 GWB ist jedoch hier allgemeiner zu fragen, ob das dort verankerte Konzept relativer Marktmacht bilaterale Machtkonstellationen auf dem Kapitalmarkt erfassen könnte. Unberücksichtigt bleibt dabei auch die für § 20 Abs. 1 GWB ansonsten entscheidende Frage, ob es sich bei geschädigten Anlegern um „kleine oder mittlere Unternehmen“ handeln würde.734 Voraussetzung relativer Marktmacht ist ein Abhängigkeitsverhältnis, das sich konkret-individuell anhand der jeweiligen Marktbeziehung zwischen zwei Unternehmen bemisst.735 Damit erfasst § 20 Abs. 1 GWB zwar bilaterale Macht unterhalb von eigentlicher Marktmacht. Gleichwohl entsteht das Abhängigkeitsverhältnis meist deswegen, weil das mächtige Unternehmen auch objektiv betrachtet eine
731
§ 4 I. 3. c). Markert, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 20 GWB Rn. 6; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 428; a. A. Kling/Thomas, Kartellrecht, 724: relativer Bezug zu bestimmten Waren oder Leistungen. 733 Thomas, ZWeR 2014, 119, 134 f. 734 Für die Hedgefonds im Falle Porsche/VW diese Eigenschaft verneinend Thomas, a. a. O. 735 Busche, in: KK-Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 9. 732
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
besondere Stellung am gesamten Markt hat.736 Dies zeigen die Fallgruppen relativer Marktmacht, die sich in der Praxis herausgebildet haben.737 Unterschieden werden die „sortimentsbedingte Abhängigkeit“, die „mangelbedingte Abhängigkeit“ sowie die „unternehmensbedingte Abhängigkeit“.738 Sortimentsbedingt abhängig ist ein Nachfrager, wenn er bestimmte (Marken-)Produkte eines Anbieters in seinem Sortiment haben muss, um im Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt bestehen zu können.739 Mangel- oder knappheitsbedingte Abhängigkeit kann im Falle einer kurzfristigen Produktknappheit eintreten, in deren Konsequenz Nachfrager von einem bestimmten Anbieter abhängig sind, weil dritte Anbieter entfallen oder ihre Konditionen prohibitiv ungünstig geworden sind.740 Unternehmensbedingte Abhängigkeit entsteht, wenn sich ein bestimmter Nachfrager/Anbieter durch eine bestimmte Struktur seiner Bezugs- oder Vertriebsbeziehungen langfristig auf einen Partner spezialisiert hat.741 Eine unternehmens- oder sortimentsbedingte Abhängigkeit scheidet aus, da an Kapitalmärkten keine Konstellationen ersichtlich sind, in denen konkrete Anleger einen über den Einzelfall hinausgehenden Bedarf an Wertpapieren bestimmter Gattungen haben könnten. Allerdings könnte speziell in Fällen von corners/squeezes eine knappheitsbedingte Abhängigkeit bestehen, da die Anzahl der Anbieter der betroffenen Wertpapiergattung durch eine künstliche Marktverengung reduziert ist und Leerverkäufer auf den Erwerb des knappen Gutes angewiesen sind. Dafür könnte auch sprechen, dass die „relative Marktmacht“ grundsätzlich keine schon bestehende Beziehung erfordert, sondern (mit Ausnahme der unternehmensbedingten Abhängigkeit742) auch bei Newcomern möglich ist.743 Gegen eine Annahme relativer Marktmacht spricht jedoch deren funktionale Konzeption. § 20 Abs. 1 GWB bezweckt es, Märkte offen zu halten744 und die Wettbewerbsfähigkeit der abhängigen Unternehmen zu wahren.745 Anleger sind allerdings nicht auf den Bezug eines bestimmten Wertpapiers angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie sind al736
236.
Markert, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 20 GWB Rn. 6; Glöckner, Kartellrecht,
737 Dies gilt insbesondere für die sortimentsbedingte Abhängigkeit, s. Markert, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 20 GWB Rn. 6. 738 Hingewiesen sei ferner auf die hier gänzlich fernliegende nachfragebedingte Abhängigkeit, dazu Westermann, in: MüKo-GWB, § 20 GWB Rn. 41 ff. 739 Busche, in: KK-Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 14. 740 Markert, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 20 GWB Rn. 42; Busche, in: KK-Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 23. 741 Markert, in: Immenga/Mestmäcker GWB, § 20 GWB Rn. 38. 742 Busche, in: KK-Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 20. 743 Loewenheim, in: ders. u. a. (Hg.), Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 13; Busche, in: KKKartellrecht, § 20 GWB Rn. 9. 744 Loewenheim, in: ders. u. a. (Hg.), Kartellrecht, Rn. 13. 745 Busche, in: KK-Kartellrecht, § 20 GWB Rn. 2; vgl. dazu die Begr. RegE zur Fünften GWB-Novelle, BT-Drucks. 11/4610, 10, 21: „vornehmlich auf den Wettbewerb als Institution gerichtete[r] Schutzzwec[k]“.
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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lenfalls darauf angewiesen, weil sie sich z. B. bei einem Leerverkauf privatautonom zur Lieferung verpflichtet haben. Das Ausnutzen einer „relativ marktmächtigen“ Position am Kapitalmarkt hat auch keine marktverschließenden Effekte i. e. S., da alle Anleger weiterhin nach Belieben am Wettbewerb teilhaben können und nur bezüglich eines mikroskopisch kleinen Anteils des Gesamtmarktes Einschränkungen erfahren. Die im Falle von Leerverkäufern unmittelbar eigengesetzte Kausalitätslage müsste zudem selbst dann berücksichtigt werden, wenn im Übrigen die Voraussetzungen einer „relativen Marktbeherrschung“ gegeben wären. Hat ein Unternehmen seine Abhängigkeit selbst verschuldet, kann dies die Normanwendung ausschließen.746 Insgesamt ist daher nicht davon auszugehen, dass in Bezug auf Wertpapiere Konstellationen „relativer Marktmacht“ i. S. d. § 20 GWB möglich sind. 5. Fazit zu marktbeherrschenden Stellungen Im Zusammenhang mit Monopolisierungs-Sachverhalten verfügen sowohl Kapitalmarktrecht als auch EU-Kartellrecht über ein Instrument, mit dem unerwünschte Folgen solcher Verhaltensweisen für die jeweiligen Märkte abgewendet werden sollen. Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR sowie Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV verwenden ähnliche Formulierungen und scheinen auf den ersten Blick gleich gelagerte Sachverhalte zu regeln. Bei der Rechtsanwendung sind jedoch große Unterschiede deutlich geworden. Im Besonderen hat sich gezeigt, dass die EU-kartellrechtliche Regelung des Art. 102 AEUV und speziell des Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV nicht kompatibel mit den strukturellen Besonderheiten von Wertpapiermärkten sind. Die wichtigsten der vorstehend ausgemachten Beobachtungen seien hier noch einmal reflektiert. Diese erfolgt unterteilt in Unterschiede zwischen Tatbestandsmerkmalen [a)], Rechtsfolgen [b)] und Funktionen [c)]. a) Unterschiedliche Tatbestandsmerkmale Die beiden Normen weisen schon auf Tatbestandsebene erhebliche Unterschiede auf. Es ist deutlich geworden, dass die größte Hürde für eine Anwendung des Art. 102 AEUV auf Verhaltensweisen im Wertpapierhandel die kartellrechtliche Marktabgrenzung ist. Die Substitutionshypothese in Verbindung mit der ECMH sowie der Portfoliotheorie führen dazu bzw. beschreiben, dass Wertpapiere aus Anlegerperspektive weitgehend miteinander austauschbar sind. Die daraus resultierende Marktbreite schließt eine marktbeherrschende Stellung eines Marktteilnehmers aus. Es ist auch in besonderen Ausnahmesituationen keine Verengung des Marktes anzunehmen. Zwar sind bei corners/squeezes Drucksituationen denkbar, die an eine 746 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 19. 1. 1993 – KZR 1/92, WuW/E BGH, 2855, 2856 f. (Flaschenkästen); Westermann, in: MüKo-GWB, § 20 GWB Rn. 25; Kling/Thomas, Kartellrecht, 729; gegen eine Schutzwürdigkeit auch Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 444 ff.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
Machtsituation entsprechend einer marktbeherrschenden Stellung erinnern. Dabei handelt es sich jedoch um bilaterale Problematiken bzw. einseitige Beschaffungszwänge, die sich nicht unter das Konzept der marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV subsumieren lassen. Demgegenüber ist das kapitalmarktrechtliche Marktmanipulationsverbot des Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR dazu geeignet, corners/squeezes zu erfassen, da die „markt“beherrschende Stellung hier „in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments […] oder die Nachfrage danach“ definiert wird. Für diesen Begriff der Marktbeherrschung genügt z. B. der Erwerb eines Großteils der verfügbaren Wertpapiere einer bestimmten Gattung. Die Eignung einer solchen Stellung zur Festsetzung von Preisen muss für die Tatbestandsverwirklichung zusätzlich gegeben sein, was z. B. im Fall von corners/squeezes der Fall ist. Handelsvorgänge, die objektiv betrachtet nicht im Zusammenhang mit einem manipulativen Verhalten stehen, sind vom Tatbestand auszunehmen. Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung aus kartellrechtlicher Perspektive ergibt hingegen auf Wertpapiermärkte angewandt schlichtweg keinen Sinn. „Marktanteile“ nach herkömmlichem Verständnis können nicht festgestellt werden. Das reine Innehaben von Wertpapieren stellt schon keine Marktaktivität dar. Will man Marktpositionen anhand von Markttätigkeit in Form von Angebot und Nachfragetätigkeit ermitteln, so können diese Umstände nur punktuell gemessen werden und sind einer extremen Fluktuation und Zufälligkeit unterworfen. Es wurde gezeigt, dass aufgrund dieser Besonderheiten selbst eine Konstellation, in der 100 Prozent des momentanen Angebots einer bestimmten Wertpapiergattung von einem einzelnen Marktteilnehmer ausgeht, keine Machtsituation darstellen muss und somit keine marktbeherrschende Stellung besteht. Eine „relative Marktmacht“ oder „Partnermacht“ ist von Art. 102 AEUV nicht erfasst. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV ist nur gegen das missbräuchliche Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung gerichtet. Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR greift jedoch weit ins Vorbereitungsstadium eines „Ausnutzens“ hinein und verbietet bereits den Aufbau der Machtstellung. Es genügt, dass die Tathandlung dazu geeignet ist, zur tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer Festsetzung von Preisen zu führen. Dies ergibt Sinn: Die Marktenge, die z. B. bei corners Leerverkäufer unter Druck setzt, kann in tatsächlicher Hinsicht vollkommen unabhängig davon entstehen, ob das „marktbeherrschende“ Unternehmen seine Stellung später ausnutzt. Dabei können die Preise explosionsartig steigen, gerade weil das marktbeherrschende Unternehmen selbst keine Papiere veräußert. In derartigen Situationen wird das Vertrauen der Anleger unabhängig davon geschädigt, ob es zu einem „Ausnutzen“ kommt. Ferner manifestiert sich hier die Schutzrichtung des Manipulationsverbotes, worauf noch gesondert eingegangen wird. Die Tatbestandsmerkmale des Ausbeutungsmissbrauches in Form des Preishöhenmissbrauches gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV können an Wertpapiermärkten nicht überzeugend zur Geltung gebracht werden. Es kann etwa bei corners/squeezes nicht sinnvoll ermittelt werden, inwiefern der Preis nur durch die Machtsituation überhöht war. Ein „unangemessener“ Preis von Wertpapieren ist mit den kartell-
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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rechtlichen Methoden der Gewinnspannenbegrenzung oder dem Vergleichsmarktkonzept nicht identifizierbar, da bei Wertpapieren auch eine extreme Kursbewegung auf eine veränderte Einschätzung des Marktes zurückzuführen sein kann. b) Unterschiedliche Rechtsfolgen Das kapitalmarktrechtliche Sanktionsregime wurde durch die MAR in vielerlei Hinsicht dem Kartellrecht angenähert. Insgesamt entsprechen sich das Marktmanipulationsverbot sowie Art. 102 AEUV dahingehend, dass die Rechtsfolgen eines Normverstoßes zunächst auf die administrative Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet sind.747 In der Folge können Sanktionen in Form von Bußgeldern verhängt werden.748 Dies ist an unterschiedliche subjektive Voraussetzungen geknüpft. Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR wohnt zwar kein subjektives Element inne, jedoch setzt die Sanktionierung eines Verstoßes Vorsatz oder Leichtfertigkeit voraus, Fahrlässigkeit genügt hingegen nicht.749 Auch der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV ist grundsätzlich ein objektiver Begriff.750 Kartellrechtliche Bußgelder können gem. Art. 23 Abs. 2 lit. a) VO 1/2003 nur bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen Art. 102 AEUV verhängt werden, was jedoch eine schärfere Haftung als im Kapitalmarktrecht darstellt. Bei der Bußgeldhöhe sind mit dem neuen Kapitalmarktrecht Bußgelder für juristische Personen bis zu einer Höhe von 15 Prozent des konzernweiten Jahresumsatzes denkbar, was sogar über das Kartellrecht hinausgeht.751 Im Gegensatz zum Kartellrecht verfügt das Kapitalmarktrecht ferner über strafrechtliche Sanktionsmechanismen.752 Dies mag darauf zurückgeführt werden, dass bei Kartellrechtsverstößen individuelles Fehlverhalten oftmals schwer nachzuweisen ist, zudem ist auch der Begünstigte eines Kartellrechtsverstoßes regelmäßig ein Unternehmen.753 Das Marktmissbrauchsrecht ermöglicht gem. § 120 Abs. 18 S. 3 WpHG eine dreifache Abschöpfung „des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils“. Im deutschen Kartellrecht ist im Gegensatz dazu nur eine einfache Vorteilsabschöpfung vorgesehen,754 die VO 1/2003 sieht keine entsprechende Regelung vor, wobei die gegen Unternehmen gerichteten kartellrechtlichen Bußgelder 747
Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2050. Ebenda. 749 Poelzig, NZG 2016, 492, 497. 750 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 91 (Hoffmann-La Roche); hierzu sowie zur ausnahmsweisen Berücksichtigung subjektiver Elemente Jung, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, 60. EL 2016, Art. 102 AEUV Rn. 125 ff., m. w. N. 751 Poelzig, NZG 2016, 492, 498, die auf S. 498 f. auch auf die wohl parallel zum Kartellrecht zu lösende Problematik Obergrenze/Kappungsgrenze verweist, dazu bereits o. § 4 I. 3. f); Poelzig, ZGR 2015, 801, 809. 752 Schönwälder, Marktmanipulation, 183. 753 Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2055. 754 § 81 Abs. 5 GWB i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG; dazu Poelzig, NZG 2016, 492, 499. 748
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ohnehin eine Abschöpfung bewirken.755 Auch die neue kapitalmarktrechtliche Whistleblower-Regelung756 knüpft an das Kartellrecht an, wo die Kronzeugenregelung großen Erfolg verzeichnet.757 Hinzuweisen ist erneut auf das kapitalmarktrechtliche naming and shaming. Freilich werden auch Kartellrechtsverstöße z. B. von der Kommission bekannt gemacht. Es ist jedoch gut möglich, dass die Funktionsweise des naming and shaming im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktgeschehen effektiver ist, da hier das Anlegervertrauen von besonders großer Bedeutung ist.758 Ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV löst im Gegensatz zum kapitalmarktrechtlichen Manipulationsverbot zivilrechtliche Ansprüche aus, was noch an anderer Stelle ausführlich bewertet wird.759 c) Unterschiedliche Funktionen Die Herangehensweisen der beiden Rechtsgebiete an Sachverhalte mit Monopolisierungs-Charakter haben gerade auch funktionale Unterschiede offenbart. Das kapitalmarktrechtliche „Monopolisierungsverbot“ nach Art. 12 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR ist ein Spezialfall des Verbotes der Marktmanipulation. Das Verbot der Marktmanipulation dient der Idealvorstellung effizienter Kapitalmärkte und dabei maßgeblich dem Schutz des Anlegervertrauens. Eingriffe in die Preisbildung hemmen die Bereitschaft von potenziellen Kapitalgebern, den Kapitalmarkt überhaupt zu betreten. Des Weiteren wird durch verfälschte Preise die Allokationsfunktion des Kapitalmarktes beeinträchtigt.760 Vor dem Hintergrund dieser Gefahren adressiert Art. 12 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR Risiken für die korrekte Preisbildung, die ganz spezifisch von Monopolisierungs-Verhaltensweisen ausgehen. Verboten ist bereits die Herbeiführung einer Situation, die bloß zur wahrscheinlichen Preisbeeinflussung geeignet ist. Insgesamt ist die Regelung des Art. 12 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR als spezielle Regelung zum institutionellen Schutz des Kapitalmarktes vor einem ganz spezifischen Problem zu sehen. Das Kapitalmarktrecht nimmt bei Monopolisierungs-Sachverhalten vorwiegend an dem Risiko für die ordnungsgemäße Preisbildung Anstoß. Der eigentliche Akt des Verlangens von überhöhten Preisen ist demgegenüber nicht im kapitalmarktrechtlichen Fokus. Art. 12 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR bildet also einen Tatbestand, der MonopolisierungsVerhaltensweisen zu Gunsten der Markteffizienz im Keim ersticken soll. Teilweise wird behauptet, dass die kapitalmarktrechtliche Regelung dabei eigentlich ein kartellrechtliches Problem erfasse.761 Dagegen wurde bereits angeführt, dass die 755
Vgl. Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2056. Vgl. Art. 16 MAR, § 25 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 KWG; dazu Poelzig, NZG 2016, 492, 494 f. 757 Poelzig, ZGR 2015, 801, 810. 758 Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2057. 759 s. u. § 5 I. 1. 760 Siehe zu dieser funktionalen Begründung des Manipulationsverbotes bereits oben § 2 III. 2. a) bb) (2); I. 2. a). 761 s. o. Fn. 522. 756
I. Marktbeherrschende Stellungen am Kapitalmarkt
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Marktmanipulation anders als das Kartellrecht die Integrität der Preisbildung anstrebt.762 Wie gezeigt ist dies zudem nicht der Fall, da die Machtsituation bei corners/ squeezes nicht der kartellrechtlichen marktbeherrschenden Stellung entspricht. Auch wenn man angesichts der Dynamik von Wertpapiermärkten bei der Wertpapierallokation nicht von „Marktstrukturen“ sprechen mag, lässt sich das Kapitalmarktrecht in seinem Bestreben, bestimmte Machtsituationen zu vermeiden, am ehesten mit der Ausrichtung der kartellrechtlichen Fusionskontrolle vergleichen. Mit dieser wird die Umbildung von Marktstrukturen ganz ähnlich präventiv überwacht,763 wenngleich dort die Missbräuchlichkeit des Verhaltens regelmäßig keine Rolle spielt.764 Art. 102 AEUV hat anders als das Marktmanipulationsverbot nicht die Feinheiten der Preisbildung im Blick. Die Norm zielt übergeordnet auf den Schutz der Markteffizienz und Wohlfahrt765 und schützt zu diesem Zweck die Institution „Wettbewerb“766 sowie Handelspartner und Verbraucher vor missbräuchlichen Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Unternehmens.767 Es wird insbesondere nicht das Erreichen der marktbeherrschenden Stellung selbst untersagt. Die Norm knüpft erst an bereits vorliegende Marktbeherrschung an und verbietet einen Missbrauch dieser Markstellung. Im Kontext eines Preishöhenmissbrauches setzt das EU-Kartellrecht den Nachweis drohender Fehlallokationen voraus, die durch missbräuchlich überhöhte Preise entstehen. Dazu wird mit Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV positiv in die Preissetzungsfreiheit eines Marktteilnehmers eingegriffen, weswegen die Subsidiarität dieses Mittels anerkannt ist.768 Nach hier vertretener Auffassung wäre ein solches Vorgehen an Wertpapiermärkten ein besonders schwerer Eingriff in die Position des Normadressaten, da ein Inhaber von Wertpapieren nicht wie ein Hersteller seine Güter nachproduzieren kann, sondern mit deren Veräußerung im We762
Bei Fn. 522. Auf europäischer Ebene folgt die Fusionskontrollverordnung (FKVO) dem Prinzip der präventiven Fusionskontrolle, vgl. Simon, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Einführung FKVO, Rn. 32; vgl. zur Fusionskontrolle als Gefährdungstatbestand auch Mestmäcker/ Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 623 f. 764 Die Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen nach der FKVO erfolgt anhand der in Art. 2 FKVO genannten Kriterien, dabei kommt es zunächst nicht auf eine etwaige Missbräuchlichkeit des Zusammenschlusses an, es können insbesondere auch subjektiv vollkommen redliche Zusammenschlüsse nach Art. 8 Abs. 3 FKVO von der Kommission „für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt“ erklärt werden. 765 Näher O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 5 ff.; zu den Zielvorgaben des EU-Kartellrechts vgl. bereits ausführlich o. § 2 II. 766 Vgl. die Mitteilung der Kommission – Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, ABl. 2009 C 45, 2 Rn. 6: „Dabei geht es der Kommission vor allem darum, den Wettbewerbsprozess und nicht einfach die Wettbewerber zu schützen. Dies kann durchaus bedeuten, dass Wettbewerber, die den Verbrauchern in Bezug auf Preise, Auswahl, Qualität und Innovation weniger zu bieten haben, aus dem Markt ausscheiden.“; Kling/Thomas, Kartellrecht, 198. 767 Kling/Thomas, Kartellrecht, 198. 768 Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 200. 763
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sentlichen seine Position aufgeben muss. Die Unanwendbarkeit des Art. 102 AEUV in dem hier untersuchten Zusammenhang mit corners/squeezes lässt sich mit der zentralen wohlfahrtsökonomischen Begründung des EU-Kartellrechts verbinden, nämlich der Abwendung eines deadweight loss. Bereits zu Beginn der Arbeit wurde in Frage gestellt, ob sich diese Funktion an Wertpapiermärkten realisiert.769 Wie sich nun gezeigt hat, ist der Aufbau monopolistischer Marktmacht im Sinne des Kartellrechts auf Wertpapiermärkten nicht möglich. Daher mag es zwar zutreffen, dass bei Funktionsstörungen auf dem Kapitalmarkt ein deadweight loss eintritt. Allerdings kann ein solches nicht auf einer marktbezogenen Machtproblematik wie in kartellrechtlich erfassten Konstellationen beruhen. Daher kann auch das ökonomische Standardmodell monopolistischer Märkte, anhand dessen die Wohlfahrtswirkung des Kartellrechts beschrieben wird, nicht greifen. Es gehen also nicht nur die Tatbestandsmerkmale des Art. 102 AEUVauf Wertpapiermärkten in die Leere. Auch die ökonomischen Prinzipien, auf deren Grundlage die Norm ihre Funktion erfüllen soll, können hier nicht richtig zur Geltung kommen.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen und -platzierungen Der zweite Themenkomplex, anhand dessen die Steuerung von Transaktionen am Kapitalmarkt durch Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht untersucht werden soll, beinhaltet Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Emission und Platzierung von Wertpapieren am Kapitalmarkt. Der Primärmarkt für Wertpapiere ist dem Sekundärmarkt vorgelagert und hat dieselben Produkte zum Gegenstand. Schon deshalb gilt es zu erörtern, ob die Beobachtungen des vorigen Kapitels auch hier zutreffen. Am Primärmarkt lassen sich verschiedene Zusammenhänge ausmachen, in denen das Kartellrecht Anwendung finden könnte. Besonders interessant für diese Untersuchung ist der Umstand, dass zu dem Spektrum an relevanten Verhaltensweisen auch Formen von horizontaler und vertikaler Verhaltenskoordination gehören, anhand derer auch die Anwendbarkeit des Art. 101 AEUV beleuchtet werden kann. Eine vergleichende Betrachtung mit dem Kapitalmarktrecht verspricht daher noch umfassenderen Aufschluss über die Funktionsweisen der beiden Rechtsgebiete. Zunächst soll einführend ein Überblick darüber geboten werden, wie eine Wertpapieremission und -platzierung verläuft (1.). Danach werden verschiedene Aspekte der Platzierung unter Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht untersucht (2.). Von Interesse sind ferner Kursstabilisierungsmaßnahmen, die regelmäßig im Nachgang einer Emission stattfinden (3.).
769
s. o. § 2 III. 2. b) bb).
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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1. Überblick über den Verlauf einer Aktienemission und -platzierung Das Emissionsgeschäft erfolgt in der Praxis in zahllosen Varianten, deren vollständige Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.770 Exemplarisch soll daher eine für Aktienemissionen übliche Vorgehensweise speziell bei Börsengängen dargestellt werden. Mit dem Begriff des Börsenganges wird in der Praxis nicht nur die Börseneinführung selbst, sondern zugleich auch das öffentliche Angebot und der Verkauf (Platzierung) von Aktien bezeichnet.771 Weitgehend synonym wird der Begriff des Initial Public Offering (IPO bzw. erstmaliges öffentliches Angebot) verwandt.772 Auf Aktienemissionen im weiteren Sinne, bei denen ein bereits börsennotiertes Unternehmen im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien ausgibt oder bereits bestehende Aktien umplatziert werden,773 soll hier nur am Rande eingegangen werden. Ein Unternehmen, das Aktien emittiert, bringt diese bei Anlegern am Primärmarkt unter, was als Platzierung bezeichnet wird. Am Primärmarkt werden diese Aktien erstmalig veräußert, wohingegen am Sekundärmarkt bereits im Umlauf befindliche Papiere gehandelt werden. Der Sekundärmarkt kann börsenmäßig organisiert oder außerbörslich sein, der Primärmarkt ist jedoch außerbörslich.774 Die eigentliche Ausgabe der Wertpapiere erfolgt durch einen Begebungsvertrag zwischen dem Emittenten und dem Anleger.775 Meist platzieren Unternehmen die Wertpapiere jedoch nicht durch eine sog. Selbstemission direkt am Kapitalmarkt. Sie möchten das Absatzrisiko vermeiden und sind zu einem bestimmten Zeitpunkt auf das Kapital angewiesen. Außerdem verfügen sie nicht über das nötige Knowhow sowie effiziente Absatzwege.776 Daher wird eine Aktienemission und -platzierung 770
s. die ausführlichen Darstellungen bei Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1897 ff.; Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 50 ff. 771 Genau genommen ist der Börsengang die bloße Erstnotierung an einer Wertpapierbörse, s. Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2073 f.; s. auch Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 240. 772 Zu den oftmals unscharfen Begrifflichkeiten s. ausführlich Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 48; Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 240. 773 Zur Unterscheidung zwischen der IPO als Aktienemission i. e. S. und sonstigen Varianten als Aktienemission i. w. S. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 49 ff., 58 f. Möglich sind auch Mischformen, also die Ausgabe von bestehenden und neuen Aktien. So wird bei einer IPO i. d. R. zugleich eine Kapitalerhöhung durchgeführt, vgl. Schäcker/Kunze/ Wohlgefahrt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 123. 774 Zu diesen Unterschieden Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 23; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1809; zur seltenen Platzierung von Inhaberschuldverschreibungen über die Börse vgl. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 77 f. 775 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1809. 776 Zu diesen Gründen Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 49; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1810; insbesondere bei einer Kapitalerhöhung ist es zur Ausgabe der neuen Aktien zwingend erforderlich, dass das Kapital zu einem festen Zeitpunkt vorliegt,
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am Kapitalmarkt in der Regel im Wege einer Fremdemission von mehreren Investmentbanken begleitet, die gemeinsam ein Konsortium bilden.777 Eine konsortialführende Bank betreut die logistische Abwicklung und Beratung des gesamten Börsenganges.778 Das Emissionskonsortium übernimmt zunächst die gesamte Emission und veräußert die Papiere an die Anleger am Primärmarkt.779 Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Arten der Übernahmeverpflichtung: Beim best-effortsunderwriting, auch Platzierungs- oder Begebungskonsortium genannt780, verpflichten sich die Konsortialmitglieder dazu, die Aktien nach bestem Bemühen zu platzieren.781 Bei der am weitesten verbreiteten sog. Festübernahme (hard underwriting oder Übernahmekonsortium782) übernehmen die Konsortialbanken die Emission zu einem Festpreis und tragen das Platzierungsrisiko allein.783 Es sind auch Mischformen möglich,784 wobei in Deutschland das sog. Einheitskonsortium, das sich durch eine Kombination aus Festübernahme und Platzierungsverpflichtung auszeichnet, vorherrscht.785 Innerhalb von Emissionskonsortien koordinieren regelmäßig mehrere Unternehmen ihr Verhalten, was speziell aus kartellrechtlicher Perspektive Interesse erweckt. Entsprechend dem Gegenstand dieser Arbeit sollen auch in diesem Zusammenhang ausschließlich Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Kapitalmarkttransaktionen untersucht werden. Beiläufige Würdigung erfahren jedoch auch andere Marktstufen, zu denen es Querverbindungen gibt, wie etwa der Markt für Bankdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft. s. näher Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 160; s. u. Fn. 783. 777 In Deutschland ist es ohnehin gem. § 32 Abs. 2 BörsG vorgeschrieben, dass eine Börsenzulassung für den regulierten Markt zusammen mit einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Unternehmen mit Sitz im Ausland gem. §§ 53 Abs. 1 S. 1 oder § 53b Abs. 1 S. 1 KWG beantragt wird, vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 159. Zwar wäre es dem Emittenten möglich, nur für die Zulassung z. B. ein Kreditinstitut zu beauftragen. Der Emittent hat jedoch regelmäßig keinen Zugang zu Investoren und kann diese auch nicht von der späteren Liquidität des zu emittierenden Papiers überzeugen, s. Schanz, Börseneinführung, 306 f. 778 Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 161. 779 Vgl. hierzu Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 49. 780 Groß, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2574. 781 Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2051 f.; Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 160. 782 Groß, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2574. 783 Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 75; Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2052. Bei der Begebung neuer Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung muss das Konsortium die Aktien zeichnen und jedenfalls den geringsten Ausgabebetrag leisten (vgl. § 9 Abs. 1 AktG). Zwar ist hier auch ein best-efforts-underwriting möglich, in Bezug auf die geleistete Einlage muss allerdings eine Festübernahme erfolgen, s. Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2051 f. 784 Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2052 f. 785 Groß, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2574.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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2. Platzierung: Marktaufteilung, Preisfestsetzung, Anlegerdiskriminierung? a) Einführung Die Konsortialmitglieder regeln ihre Zusammenarbeit bei der Emissionsbegleitung in einem Konsortialvertrag. In der Praxis ergeben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Konsortialbanken meist zudem aus weiteren Vereinbarungen.786 Aus dem Konsortialvertrag folgt etwa das Recht der teilnehmenden Banken, an der Emission teilzunehmen, aber auch ihre Verpflichtung zur Übernahme der Wertpapiere.787 Ganz maßgeblich vereinbaren die Konsortialbanken auch, welche Bank welchen Anteil der Emission übernimmt. Dafür werden Quoten festgesetzt, nach denen sich die Konsortialbanken die Emission aufteilen.788 Der Konsortialführer arbeitet gemeinsam mit dem Emittenten den Prospekt für ein öffentliches Angebot der Papiere aus und unterstützt den Emittenten bei weiteren Schritten im Zusammenhang mit der Emissionsabwicklung.789 Dazu gehört auch das jeweilige Preisermittlungsverfahren. Der Preis der Aktien wird üblicherweise mit dem sog. Bookbuilding-Verfahren ermittelt.790 Dabei werden zunächst eine ungefähre Preisspanne und das Emissionsvolumen ermittelt.791 Auf der Grundlage der Preisspanne werden Kaufangebote von Interessenten eingeholt, die der Konsortialführer in einem 786 Bei internationalen Emissionen übersendet der Konsortialführer in der Regel ein Einladungsschreiben an die Konsortialbanken, dem ein endgültiger Entwurf des Übernahmevertrages beiliegt, aus dem sich die Übernahmequote ergibt, vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 817; Schanz, Börseneinführung, 277; der eigentliche Konsortialvertrag wird in Form des agreement among underwriters geschlossen, vgl. Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1055 f. Bei kleineren Emissionen in Deutschland wurde vor allem in der Vergangenheit oftmals auf einen Konsortialvertrag verzichtet, es wurden dann lediglich im Einladungsschreiben die wesentlichen Details zusammengefasst, Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 55. Regelmäßig bittet der Konsortialführer die Konsorten um Zustimmung zum Inhalt des Schreibens, s. Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), a. a. O., 1055. 787 Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1059 f. 788 Singhof, in: MüKo-HGB, Emissionsgeschäft Rn. 246. Es wird dazu üblicherweise auf den Entwurf eines Übernahmevertrages bzw. ein underwriting commitment verwiesen, vgl. Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1056. 789 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 828; Harrer, in: Müller/Rödder (Hg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 22 Rn. 98. 790 Schäcker/Kunze/Wohlgefahrt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 130 f., die weniger üblichen Alternativen sind das Festpreisverfahren oder das Auktionsverfahren, vgl. dazu Schäcker/Kunze/Wohlgefahrt, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 131. Eine weitere Alternative ist etwa das accelerated bookbuilding bei der Platzierung von Aktien aus einer bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhung, vgl. dazu Schäcker/Kunze/Wohlgefahrt, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 140 f. 791 Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 81.
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Orderbuch notiert. Mithilfe der eingegangenen Angebote wird schließlich ein einheitlicher Platzierungspreis bestimmt.792 Es wird nicht zwangsläufig der höchstmögliche Ausgabepreis angestrebt. Investoren werden etwa auch anhand ihrer Anlagestrategie ausgewählt.793 Die Konsortialbanken nehmen dem Emittenten schließlich die Aktien entsprechend ihrer Quote ab und geben sie an die Anleger weiter.794 Nachfolgend sollen bestimmte Aspekte solcher Vorgehensweisen zunächst kapitalmarktrechtlich [b)] und schließlich EU-kartellrechtlich [c)] und nach deutschem Kartellrecht [d)] überprüft werden. b) Kapitalmarktrecht Um das Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht adäquat abzugleichen, werden nachfolgend verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben, mit denen sich üblicherweise das Kartellrecht befasst. Es wird jeweils aufgezeigt, welchen Rahmen das Kapitalmarktrecht setzt. Zunächst wird dargelegt, wie das Kapitalmarktrecht mit Verhaltensabstimmungen verschiedener Marktteilnehmer umgeht und ob die entsprechenden Normen im Zusammenhang mit Aktienemissionen relevant sind [aa)]. Anschließend wird konkret in Bezug auf die Auswahl der Anleger durch das Emissionskonsortium beleuchtet, welche Grenzen das Kapitalmarktrecht der Vertrags- bzw. Abschlussfreiheit setzt [bb)]. Zuletzt wird überprüft, ob ein Emittent bzw. Emissionskonsortium Wertpapierpreise frei gestalten kann, oder ob es etwa ein Äquivalent zum kartellrechtlichen Ausbeutungsmissbrauch gibt [cc)]. aa) Verhaltensabstimmungen mehrerer Marktteilnehmer Bei Fremdemissionen koordinieren die Konsortialbanken ihr Verhalten am Markt einerseits untereinander, andererseits stimmen sie sich auch mit dem Emittenten ab. Die Absprachen haben insbesondere die Festlegung eines einheitlichen Emissionspreises sowie die Aufteilung des Wertpapierbestandes anhand von Quoten zwischen den Banken zum Gegenstand (s. o.). Verhaltenskoordinierungen zwischen Marktteilnehmern sind der klassische Gegenstand des EU-Kartellrechts, das „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ an Art. 101 Abs. 1 AEUV misst. Der zentrale Begriff des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist der der (bezweckten oder bewirkten) Wettbewerbsbeschränkung.795 Das Kapitalmarktrecht kennt hingegen keinen Tatbestand, der an die wettbewerbsbeschränkende Eigenschaft einer Verhal792
Ebenda, 81 f. Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, § 2 III. 3 b). 794 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 877; dies wird oft dergestalt erfolgen, dass der Konsortialführer alle Papiere erwirbt und diese schließlich an die Konsortialbanken verkauft, vgl. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 82 f., 81 Fn. 408. 795 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 107; näher zur Wettbewerbsbeschränkung u. § 4 II. 2. c) cc) (3). 793
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tensabstimmung anknüpft, was einen direkten Vergleich erschwert. Im Gegensatz zum EU-Kartellrecht befasst sich das Kapitalmarktrecht nicht systematisch, sondern nur in isolierten Fallgruppen mit Verhaltensabstimmungen. Einer vergleichenden Gegenüberstellung von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht soll sich daher angenähert werden, indem solche kapitalmarktrechtlichen Institute aufgezeigt werden, die eine horizontale Kooperation der Marktteilnehmer in Bezug auf Transaktionen regeln (1). Zudem wird die Behandlung kollusiver796 Abreden bzw. anderweitig koordinierter Umgehungen der Marktkräfte dargestellt (2). (1) Horizontale Kooperation: Zurechnung von Stimmrechten als acting in concert gem. § 30 Abs. 2 WpÜG und § 34 Abs. 2 WpHG Verhaltensabstimmungen mehrerer Inhaber von Aktien eines Emittenten können im Kapitalmarktrecht als acting in concert zu einer Zusammenrechnung der zu den Papieren zugehörigen Stimmrechte führen. Dies bewirken die beiden Parallelnormen § 30 Abs. 2 WpÜG sowie § 34 Abs. 2 WpHG. Da Konsortialbanken ihre Vorgehensweise bei der Emission von Aktien umfassend miteinander abstimmen, sind diese Tatbestände potenziell von Bedeutung. Weil beim acting in concert Minderheitsaktionäre zusammenwirken können, um ihre Konkurrenten zu neutralisieren, wird die Fallgruppe teils als aktienrechtliches Äquivalent zur Bildung eines Kartells bzw. als „Aktionärskartell“ bezeichnet.797 Tatsächlich sind die beiden Fallgruppen des acting in concert für die Emissionspraxis nicht von Relevanz. Die Normen sind in aller Regel schon tatbestandlich nicht einschlägig (a). Dies wird nachfolgend jedoch nur knapp dargestellt, weil in funktionaler Hinsicht die vermeintliche Parallele zum Kartellverbot nicht besteht (b).
796 Auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 221 ff. zieht Parallelen zwischen dem Kartellrecht und „Kollusion“ auf dem Kapitalmarkt. Zur kartellrechtlichen Wettbewerbsbeschränkung als „Kollusion“ in subjektiver Hinsicht s. EuGH, Urt. v. 8. 7. 1999, ECLI:EU:C:1999:356, Rn. 131 (Anic Partecipazioni); EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 23 (T-Mobile Netherlands). Der Begriff der Kollusion impliziert üblicherweise, dass zwei Parteien bewusst zu Lasten einer dritten Partei zusammenwirken, bei einer Stellvertretungskonstellation etwa Vertreter und Geschäftspartner zu Lasten des Vertretenen, vgl. Ellenberger, in: Palandt, § 164 Rn. 13. Bei kartellrechtlich relevanten Koordinationsformen wirken zwei Parteien zusammen, wodurch gewissermaßen als Dritter der Wettbewerb geschädigt wird oder werden kann. Allerdings gibt es Fallgruppen, in denen auch ein Beteiligter der Koordination selbst als „Opfer“ der Verhaltensweise ausgemacht werden kann, dies ist gerade bei vertikalen Vereinbarungen wie Preisbindungen der zweiten Hand augenscheinlich, vgl. hierzu Wollmann/Herzog, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 254 ff. Es befremdet, auch derartige Fälle als Kollusion zu bezeichnen. Andersherum sind Fälle kollusiven Zusammenwirkens nicht notwendigerweise von kartellrechtlicher Relevanz, so etwa die angesprochenen Stellvertreterfälle, die üblicherweise keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. Gleichwohl erscheint es als Ausgangspunkt der Untersuchung sachgerecht, wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen am Kapitalmarkt und damit den Überschneidungsbereich von Kartellrecht und dem Handel am Kapitalmarkt (auch) in kollusiven Verhaltensweisen zu vermuten. 797 Hamann, ZIP 2007, 1088, 1088.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
(a) Normen zum acting in concert tatbestandlich nicht relevant § 30 Abs. 2 WpÜG ist bei Emissionen meist schon deshalb nicht anwendbar, da das WpÜG nur für Wertpapiere gilt, die bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, vgl. § 1 Abs. 1 WpÜG.798 Es wäre ferner fraglich, ob die Tätigkeit der Emissionsbanken überhaupt ein im Übernahmerecht relevantes „Halten“ von Stimmrechten i. S. d. § 29 Abs. 2 WpÜG mit sich bringt.799 Selbst wenn man dies bejahen würde, stellt das Zusammenwirken der Banken beim Absatz der Papiere auch qualitativ kein acting in concert dar.800 Nötig ist ein Zusammenwirken „in Bezug auf die Zielgesellschaft“. Es genügt keine beliebige Abstimmung, da von der Norm nur eine Beherrschung der Gesellschaft mit kontrollierender Stimmrechtsmehrheit identifiziert werden soll.801 Die Abstimmung des Emissionskonsortiums hinsichtlich der Emissionsbegleitung hat jedoch keinen echten Bezug zum Emittenten, sondern nur zur Emission.802 Auch das melderechtliche acting in concert gem. § 34 Abs. 2 WpHG ist für die Emissionsbanken in aller Regel irrelevant, da es an der Voraussetzung des Bestehens einer Mitteilungspflicht nach den §§ 33 ff. WpHG fehlt.803 Hierzu ist der Einschätzung der BaFin zu folgen, wonach der vorübergehende Erwerb durch Emissionsbanken nur „für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung“ stattfindet und daher nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG unberücksichtigt bleibt, wenn er u. a. vor dem Ablauf 798
Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 115; aus diesem Grund ist bei der Emissionsbegleitung auf die Einhaltung der zeitlichen Reihenfolge von Zulassung und Aktienerwerb zu achten, Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2120. 799 Meyer, in: GS Bosch, 133, 146 ff.; Schnorbus, AG 2004, 113, 126; ähnlich wohl Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768, 773. 800 So auch ausdrücklich Meyer, in: GS Bosch, 133, 145; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 577 ff.; s. Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hg.), WpÜG, § 20 WpÜG Rn. 18 Fn. 5; vgl. auch Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2120. Allgemein gegen die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 WpÜG auf den abgestimmten Parallelerwerb Wentrup, Die Kontrolle von Hedgefonds, 268 f.; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 206; a. A. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 30 Rn. 193 ff.; Fleischer, ZGR 2008, 185, 198, der unter Bezugnahme auf den nicht realisierten § 30 Abs. 2 S. 1 WpÜG-E zum Schluss kommt, die Anwendung von § 30 Abs. 2 WpÜG auf den Parallelkauf von Aktien sei „im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung schon bisher geboten“ gewesen; dafür auch Berger/Filgut, AG 2004, 592, 592 ff. 801 Meyer, in: GS Bosch, 133, 145. 802 s. Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hg.), WpÜG, § 20 WpÜG Rn. 18 Fn. 5. 803 Im Zusammenhang mit der Einräumung einer Greenshoe-Option sowie dem Abschluss eines Übernahmevertrages erscheint zwar grundsätzlich auch eine Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 WpHG denkbar. Die Greenshoe-Option unterliegt jedoch wegen §§ 36 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 WpHG regelmäßig nicht der Mitteilungspflicht. Bezieht sich ein Übernahmevertrag auf neu auszugebende Aktien, so ist § 38 Abs. 1 WpHG schon nicht anwendbar. Bei bereits bestehenden Aktien löst der Übernahmevertrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG ebenfalls keine Meldepflicht aus, s. zu dieser Bewertung von Greenshoe-Option und Übernahmevertrag Meyer, BB 2016, 771, 774 f.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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von drei Handelstagen beendet ist.804 Überdies würde auch hier das bloße koordinierte Absetzen von Aktien qualitativ den Tatbestand nicht erfüllen.805 (b) Acting in concert funktional nicht mit dem Kartellrecht vergleichbar Die beiden Normen zum acting in concert sind kein funktionales Äquivalent zum Kartellverbot. Im Gegensatz zum Kartellrecht untersagen die Normen ein koordiniertes Vorgehen nicht. Sie bewirken lediglich eine Zusammenrechnung der Stimmrechte der an der Koordination beteiligten Marktteilnehmer, wodurch tatsächlich bestehende, zusammengehörige Stimmrechtsblöcke identifiziert werden und einheitlich berücksichtigt werden können. Das acting in concert ist in seinem Tatbestand und seiner Funktion nach daher nicht mit kartellrechtlichen Normen vergleichbar.
804 Diese überzeugende Ansicht hat die BaFin mit dem Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz angenommen, vgl. dazu BaFin, FAQ zum TRL-ÄndRLUmsG, 28. 10. 2015, zuletzt geändert am 13. 11. 2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/FAQ/dl_faq_transparenzpflichten_WpHG_Abschnitte_6_7.pdf?__blob=publication File&v=16 (abgerufen am 27. 12. 2018), 16, FAQ Nr. 8; so bereits Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227, 230; vgl. auch Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 23 WpHG Rn. 12 (analoge Anwendung von § 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG). Dies gilt unabhängig davon, ob neue Aktien gezeichnet oder alte Aktien umplatziert werden, s. BaFin, a. a. O. Zuvor hatte die BaFin lediglich taggleiche Schwellenüber- und -Unterschreitungen, bei denen Aktien bereits vor dem Ende des Handelstages im Wege der Platzierung weiterveräußert werden, bei der Anwendung des § 33 Abs. 1 WpHG nicht berücksichtigt, zu § 21 Abs. 1 WpHG a. F. vgl. Emittentenleitfaden der BaFin 2013, 108 f., https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_2013.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). Dies soll auch weiterhin gelten, s. Meyer, BB 2016, 771, 774. Für längere Erwerbstatbestände war zwar schon bisher die Ausnahme des § 26 Abs. 1 WpHG grundsätzlich einschlägig, gem. § 36 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist allerdings eine Nichtberücksichtigung nicht für Stimmrechte über fünf Prozent möglich. Vgl. ausführlich hierzu sowie zur alten und neuen Verwaltungspraxis Meyer, BB 2016, 771, 772 ff. 805 von Bülow, in: KK-WpHG, § 22 WpHG Rn. 268 ff.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348; vgl. auch Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, 7; a. A. Schneider, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 22 WpHG Rn. 185 ff.; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 256 ff., die zwischen dem abgestimmten Erwerb und der abgestimmten Veräußerung differenziert, jedoch i. E. beide als tatbestandsmäßig erachtet; vgl. auch zum nicht realisierten Acting-in-concert-Tatbestand des koordinierten Parallelerwerbs RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, 5, 11. Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 22 WpHG Rn. 29, möchte die Anwendbarkeit von § 34 Abs. 2 WpHG nicht kategorisch ausschließen, stellt aber zutreffend dar, dass hinsichtlich des koordinierten Parallelerwerbes allenfalls § 34 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 WpHG in Betracht käme, da der Erwerbsvorgang außerhalb der Hauptversammlung (Alt. 1) erfolgt. Für diese Alternative wäre jedoch das Bezwecken einer „dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten“ vonnöten, die mit dem vorübergehenden Erwerb durch die Emissionsbanken nicht gegeben ist.
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(2) Kollusives Zusammenwirken bzw. Umgehung der Marktkräfte (a) Marktmanipulation Bei kollusiven Verhaltensweisen am Kapitalmarkt liegt eine Anwendung des Marktmanipulationsverbotes nahe. Zunächst ist daher zu überprüfen, ob das Marktmanipulationsverbot überhaupt auf Aktienemissionen Anwendung finden kann (aa). In einem zweiten Schritt wird untersucht, welche Formen der Verhaltenskoordinierung dem Tatbestand der Marktmanipulation unterliegen und ob in der Verhaltensabstimmung der Emissionsbanken eine solche Marktmanipulation gesehen werden kann (bb). (aa) Anwendbarkeit des Tatbestandes auf die Emissionsphase In der ursprünglichen Fassung des § 20a WpHG a. F.806 war das Marktmanipulationsverbot ausschließlich für den Schutz des Sekundärmarktes konzipiert, da seine Anwendbarkeit gem. § 20a Abs. 1 S. 2 WpHG a. F. die Börsenzulassung bzw. Einbeziehung des betroffenen Papiers voraussetzte.807 In Umsetzung der MMRL 2003808 wurde mit dem AnSVG809 schließlich § 20a Abs. 1 S. 3 WpHG a. F. eingeführt, der es der „Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr“ gleichstellte, wenn „der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist.“ Es handelte sich insofern um eine überschießende Umsetzung der Richtlinie, als dass die bloße öffentliche Ankündigung des Zulassungsantrages nach Art. 1 Nr. 3 letzter Spiegelstrich MMRL 2003 nicht genügen sollte.810 Mit dieser Regelung wurde der Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbotes erweitert, der Tatbestand erfasste nun auch den Zeitraum im Vorfeld der Börsennotierung und damit Manipulationen des Ausgabepreises.811 Gerade auch Manipulationen in der Bookbuilding-Phase einer
806 Vgl. Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BGBl. 2002 I 2010, 2032; s. auch die praktisch wenig bedeutsame Vorgängernorm § 88 BörsG a. F., zur Gesetzesgeschichte Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 21 ff. 807 Nach § 20a Abs. 1 S. 2 WpHG a. F. vom 1. 7. 2002 bezog sich das Manipulationsverbot nur auf „Wertpapiere […], die 1. an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, oder 2. in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.“, BGBl. 2002 I 2010, 2032. 808 Konkret entstammt die Vorgabe Art. 1 Nr. 3 letzter Spiegelstrich MMRL 2003. 809 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28. 10. 2004, BGBl. 2004 I, 2630. 810 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 75 f. 811 Ebenda, 78 f.; unter zutreffendem Verweis auf die Begr. zu § 12 WpHG a. F. (§ 25 WpHG n. F.) des RegE zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 26, 33; Mock, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 137; s. auch Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 29 f.
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IPO waren nun erfasst.812 In der MAR hat der Unionsgesetzgeber jedoch nicht an die überschießende Umsetzung des § 20a Abs. 1 S. 3 WpHG a. F. angeknüpft, sondern an die weniger weitreichende MMRL 2003.813 Daher erstreckt sich der Anwendungsbereich der MAR gem. Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. a) MAR insbesondere auf „Finanzinstrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt wurde“814 ; auch über die Buchstaben b – d oder Abs. 2 ist dem Zulassungsantrag die „öffentliche Ankündigung“ des Antrages nicht gleichgestellt.815 Es bleibt jedoch wie gesehen dabei, dass die Emissionsphase vom Marktmanipulationsverbot ab dem Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrages erfasst wird. Die Antragstellung geschieht üblicherweise bereits vor dem bookbuilding, sodass die Preisbildung unter dem Schutz des Manipulationsverbotes stehen kann.816 Bei Emissionen bereits börsenzugelassener Papiere ist die Anwendbarkeit des Marktmanipulationsverbotes ohnehin unproblematisch.817 Die Tatbestandsalternativen der Marktmanipulation nach § 20a WpHG a. F. nahmen allerdings maßgeblich Bezug auf die Eignung einer Manipulationshandlung zur Beeinflussung des „Börsen- oder Marktpreises“ eines Finanzinstrumentes. Ob ein solcher in der Emissionsphase bereits existiert, wurde in der Literatur teilweise in 812 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 40; Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 140. 813 Siehe dazu bereits oben § 4 I. 2. b). 814 Der Begriff „geregelter Markt“ ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 MAR anhand von Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) zu definieren. Diesen Anforderungen genügt in Deutschland nur der regulierte Markt, s. näher von der Linden, DStR 2016, 1036, 1036; vgl. dazu auch bereits Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der MiFID I (Richtlinie 2004/39/EG); sowie Kumpan, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 33 BörsG Rn. 1; zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten der MiFID II s. Fn. 395. Zudem erstreckt sich die Anwendbarkeit der MAR gem. Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. b) MAR auch auf multilaterale Handelssysteme und gem. Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. c) MAR auf organisierte Handelssysteme. Ein multilaterales Handelssystem ist etwa der Freiverkehr der Börsen, vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 36; vgl. auch Teigelack, BB 2012, 1361, 1362. Teilweise wird zwar angeführt, die MAR sei nur auf den Freiverkehr anwendbar, wenn der Emittent die Einbeziehung selbst veranlasst habe, s. etwa Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595; wohl auch Graßl, DB 2015, 2066. Richtigerweise gilt diese Einschränkung jedoch nur gem. Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR für die Veröffentlichung von Insiderinformationen, gem. Art. 18 Abs. 7 MAR für Insiderlisten, sowie gem. Art. 19 Abs. 4 lit. b) MAR für Eigengeschäfte von Führungskräften, vgl. dazu Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2375, Fn. 94; Krause, CCZ 2014, 248, 249; von der Linden, DStR 2016, 1036, 1037. Auf den deutschen Freiverkehr fand das Marktmanipulationsverbot bisher bereits durch die überschießende Umsetzung der MMRL 2003 gem. § 20a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG a. F. Anwendung, vgl. Teigelack, a. a. O., Fn. 5. 815 Vgl. auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 32. 816 Vgl. den Zeitplan bei Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 99; ebenso Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 208; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 814; Zeitpunkt des Zulassungsantrages wohl fehlerhaft eingezeichnet bei Schanz, Börseneinführung, 436. 817 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 40.
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Zweifel gezogen, was im Ergebnis die Anwendbarkeit des Marktmanipulationstatbestandes auf die Emissionsphase eingeschränkt haben könnte.818 In der MAR findet sich die Bezugnahme auf einen „Börsen- oder Marktpreis“ nicht mehr, sodass die Auslegung des Begriffes für den Marktmanipulationstatbestand zunächst irrelevant geworden zu sein scheint. Allerdings bleibt der Begriff in der neuen Fassung des Straftatbestandes § 119 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erhalten, wonach eine Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis Voraussetzung für die Erfüllung dieser Tatbestandsalternative ist.819 Die Tatbestandsalternativen Nr. 2 bis 4 sind für die Manipulation eines Ausgabepreises nicht einschlägig.820 Daher verbleibt dem Begriff „Börsen- oder Marktpreis“ zumindest für die Strafbarkeit der Marktmanipulation wesentliche Bedeutung, weswegen hier seiner Auslegung knapp nachgegangen sei. Emissionspreise entstehen in der Primärmarktphase und sind daher jedenfalls keine Börsenpreise, sondern allenfalls Marktpreise.821 Entscheidend ist also, ob ein Emissions- bzw. Ausgabepreis einen „Marktpreis“ darstellt.822 Ein „Markt“ kann nur durch ein Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern entstehen.823 Ein Marktpreis wird in diesem Sinne als Gleichgewichtspreis definiert, der sich bei „freiem Wirksamwerden von Angebot und Nachfrage bildet“824. In der Literatur wird 818
Besonders deutlich von Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 160; vgl. auch Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 138. 819 Es ist zu beachten, dass § 119 WpHG eine Umsetzung der CRIM-MAD ist, die das spezielle Merkmal des „Börsen- oder Marktpreises“ ebenfalls nicht kennt. ErwGr. 12 CRIMMAD ist vielmehr zu entnehmen, dass neben den Auswirkungen der Marktmanipulationshandlung auch andere Faktoren eine Strafbarkeit begründen können sollen, etwa die Höhe des Betrages der ursprünglich genutzten Mittel. Ob § 119 WpHG konform mit den Vorgaben der Richtlinie ist oder einen zu restriktiven Straftatbestand bildet, muss hier jedoch offengelassen werden. Eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne einer Erweiterung über den Wortlaut hinaus kommt aufgrund des strafrechtlichen Grundsatzes nulla poena sine lege jedenfalls nicht in Betracht, sodass die Frage eines Richtlinienverstoßes für die Gesetzesanwendung nicht von Interesse ist, vgl. dazu Hassemer/Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hg.), Strafgesetzbuch, § 1 StGB Rn. 111b. Für einen Richtlinienverstoß in Bezug auf den in § 119 WpHG n.F. weitgehend umgesetzten § 108 WpHG in der Fassung des Referentenentwurfes zum FiMaNoG Bator, BKR 2016, 2 f.; a. A. Szesny, ComplianceBusiness März 2016, 18, 20, der den Ermessensspielraum des deutschen Gesetzgebers betont; dagegen auch Gehrmann, WM 2016, 542, 548. 820 Nr. 2 bezieht sich nur auf organisierte Märkte oder multilaterale Handelssysteme, Nr. 3 nur auf mit einer inländischen Börse vergleichbare Märkte und Nr. 4 nur auf Referenzwerte. 821 Der Begriff des inländischen Börsenpreises wird in § 24 Abs. 1 S. 1 BörsG legaldefiniert: „Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt werden, sind Börsenpreise.“ Nach S. 2 gilt dies auch für „Preise, die während der Börsenzeit im Freiverkehr an einer Wertpapierbörse festgestellt werden.“ Diese Definition ist auch im Rahmen des § 119 Abs. 1 WpHG von Gültigkeit, zu § 38 Abs. 2 WpHG a. F. s. BGH, Urt. v. 27. 11. 2013 – 3 StR 5/13, ZIP 2014, 513, 515. Bei einer IPO können daher auf dem außerbörslichen Primärmarkt keine Börsenpreise entstehen, s. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 490 f., 494. 822 So auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 493. 823 Mock, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 162. 824 Eichelberger, Marktmanipulation, 275 f.; so auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 491 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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teilweise pauschal behauptet, dass der Emissionspreis kein solcher Marktpreis sei, da er nicht frei gebildet werde.825 Dies zeige sich etwa daran, dass bei der Notierungsaufnahme am ersten Handelstag erhebliche Kursausschläge eintreten.826 Richtigerweise muss das jeweilige Preisbestimmungsverfahren analysiert werden und darauf abgestellt werden, ob dieses einen „Marktpreis“ produziert.827 Beim Bookbuilding-Verfahren wird zwar eine Preisspanne einseitig vorgegeben, allerdings entsteht der Emissionspreis gleichwohl durch einen marktförmigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage.828 Wird bei einem Auktionsverfahren ein einheitlicher Emissionspreis für alle Zeichner gebildet, so handelt es sich bei diesem ebenfalls um einen Marktpreis.829 In einem Festpreisverfahren ermittelte Emissionspreise werden jedoch einseitig festgelegt und sind damit keine Marktpreise.830 (bb) Zusammenwirken als Marktmanipulation Es soll nun darauf eingegangen werden, in welcher Form das Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR das Zusammenwirken mehrerer Marktteilnehmer erfasst. Im Kontext von Wertpapieremissionen wird regelmäßig auf bestimmte Manipulationsformen verwiesen. Eine klassische Vorgehensweise ist etwa das Verbreiten unrichtiger Informationen im Vorfeld einer Emission.831 Dabei handelt es sich potenziell um eine informationsgestützte Marktmanipulati-
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Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 160, auch 128, wonach mit „Marktpreis“ „außerbörsliche Handelsplattformen“ gemeint seien, Schröder stellt allerdings auf S. 128 auch fest, § 20a Abs. 1 S. 3 WpHG a. F. führe dazu, dass das Marktmanipulationsverbot grundsätzlich auf die Emissionsphase Anwendung finde; zu dieser Unklarheit Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 493 Fn. 66; vgl. auch Mock, in: KK-WpHG, § 20a Rn. 162, wonach ein einseitig festgesetzter Preis kein „Marktpreis“ sein kann; ebenso Hohn, in: Momsen/Grützner (Hg.), Wirtschaftsstrafrecht, 632. 826 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 160. 827 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 494 f. 828 Ebenda, 498 f. 829 Sog. holländisches Verfahren, uniform-price-auction oder dutch auction, s. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 500 f.; vgl. zum Begriff Schanz, Börseneinführung, 341, Fn. 164; Grundsätze der Börsensachverständigenkommission für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, ZBB 2000, 287, 287 (m. Anm. Köndgen); s. auch Schäcker/Kunze/Wohlgefahrt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 131 (Auktionsverfahren ermittelt einen Gleichgewichtspreis). Anders ist jedoch das sog amerikanische Verfahren (discriminatory auction oder American auction) zu bewerten, bei dem die Zeichner zu unterschiedlichen Preisen nacheinander berücksichtigt werden, bis die Emission vollständig zugeteilt ist. Hier liegt kein Marktpreis vor, s. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 500; vgl. zum Begriff Schanz, Börseneinführung, 341, Fn. 164; Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 84 f. (insbes. Fn. 432). 830 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 495 f. 831 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 40; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 233.
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on832 und auch eine gemeinschaftliche Begehensweise erscheint durchaus möglich. Gleiches gilt für eine Manipulation des bookbuilding dadurch, dass Orders nur zum Schein abgegeben werden.833 Hier käme die Begehung einer handelsgestützten Marktmanipulation834 in Betracht. Zudem können auch corners in der Emissionsphase erfolgen,835 zu deren Behandlung auf oben verwiesen sei.836 Die genannten Handlungsweisen mögen zwar typische Manipulationsformen im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen sein. Jedoch ist ein Zusammenwirken weder charakteristisch für die Tatbegehung, noch für das Unrecht der jeweiligen Manipulationshandlung. Daher sollen sie hier nicht näher dargestellt werden. Mehrere Marktteilnehmer wirken vor allem bei sog. (improper)837 matched orders838 zusammen, die auch als pre-arranged trades839 bezeichnet werden. Dabei 832 Informationsgestützte Marktmanipulationen sind nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 1 lit. c) i. V. m. Art. 15 MAR verboten, vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 15; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 165 ff.; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 233 („der Hauptanwendungsfall des § 20a WpHG [a. F.] im Rahmen der Vorbereitungs- und Durchführungsphase eines IPOs“). Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR knüpft an den Begriff der „Verbreitung von Informationen“ an. Der Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG a. F. bezog sich auf „Angaben über Umstände“. Allerdings sind diese beiden Begriffe synonym zu verstehen und bezeichnen Äußerungen über Tatsachen oder mit einem Tatsachenkern, s. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 234 ff., zur „Information“ s. 243 ff.; a. A. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 52 („jedes mitteilbare Wissen“, Tatsachenkern nicht mehr nötig). 833 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041; Worms, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 574. 834 Diese Form der Marktmanipulation wird von Art. 12 Abs. 1 lit. a) und b) i. V. m. Art. 15 MAR erfasst, vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 16; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 167 ff. Die Norm ist jedoch nicht mehr auf handelsgestützte Manipulationen beschränkt, s. o. § 4 I. 2. c). 835 s. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 187 (cornering gegenüber denen, die im Handel per Erscheinen gekauft haben); Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 475 f.; dies für unwahrscheinlich haltend Bueren, WM 2013, 585, 588. 836 Erwähnt sei allerdings, dass mit cornering in der Emissionsphase nicht der Ausgabepreis selbst, sondern mithilfe der auf dem Primärmarkt erworbenen marktbeherrschenden Stellung die Preise auf dem Sekundärmarkt manipuliert würden. Bei einem Zuteilungsverfahren wie dem bookbuilding ist der Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Primärmarkt allerdings kaum denkbar. 837 So die Bezeichnung der Verhaltensweise durch die Kommission in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. c) der VO (EU) Nr. 2016/522; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 49. 838 BGH, Urt. v. 27. 11. 2013 – 3 StR 5/13, ZIP 2014, 513; m. Besprechung Trüg, NJW 2014, 1346; Begr. RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, 62, 89 (zu § 20a WpHG a. F.); Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 166, 179; Eichelberger, Marktmanipulation, 27; Lenzen, Börsenkursbildung, 11. 839 Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 49; Eichelberger, Marktmanipulation, 27; vgl. auch § 3 Abs. 1, Abs. 2 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand 5. 12. 2018, http://www.deutsche-boerse-cash-market.com/blob/1668980/22fb35e3750aa 29b8e15f15bf834619f/data/2017-06-26_Bedingungen-fuer-Geschaefte-an-der-Frankfurter-
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sprechen sich Verkäufer und Käufer eines Finanzinstrumentes miteinander ab und vereinbaren die Abgabe gegenläufiger, zueinander korrespondierender Orders, die inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen.840 Dadurch soll anderen Marktteilnehmern der Eindruck erhöhter Umsätze mit dem betreffenden Papier vermittelt werden, die auf einen aktiven Markt und Liquidität schließen lassen.841 Ziel der Vorgehensweise ist es, Dritte zum Handel zu verleiten und dadurch den Preis des Papiers künstlich zu beeinflussen.842 Bei der verwandten Technik des circular trading sind mehrere Teilnehmer beteiligt, die den Markt durch zirkulär aneinandergereihte Handelsvorgänge manipulieren.843 Bei improper matched orders bzw. circular trading handelt es sich um einen Unterfall der handelsgestützten Marktmanipulation durch fiktive Geschäfte, da den Handelsvorgängen keine wirtschaftliche Relevanz innewohnt, sondern sie nur zu Zwecken der geschilderten manipulativen Effekte vorgenommen werden.844 Vor der Geltung des Marktmanipulationsverbotes der MAR waren improper matched orders von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F., § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV a. F. erfasst.845 Nunmehr ist Art. 12 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 15 MAR einschlägig. Die improper matched orders geben falsche Signale i. S. d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR ab, weil sie entgegen den tatsächlichen Wertpapierboerse.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018); vgl. zu nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 a. E. MaKonV a. F. zulässigen pre-arranged trades unter Wahrung der gesetzlichen Vorschriften in Abgrenzung zu improper matched orders Worms, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 546; vgl. dazu auch Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 53. 840 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 35. Oftmals werden die Papiere dabei sofort oder mit Zeitverzug hin- und hergeschoben, alternativ ist auch eine Ausgleichszahlung durch eine Partei möglich. Um eine Aufdeckung zu erschweren, werden die matched orders mitunter in vielen Teilorders abgewickelt, vgl. Eichelberger, Marktmanipulation, 27 f.; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 11. 841 Begr. RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, 62, 89 (zu § 20a WpHG a. F.); Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 35; Lenzen, Börsenkursbildung, 11; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 383; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 49. 842 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 35; Lenzen Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 11. 843 Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 49, Fn. 144; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 166; Eichelberger, Marktmanipulation, 28; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 11 f. 844 Begr. RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, 62, 89 (zu § 20a WpHG a. F.); Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 383; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 5; Eichelberger, Marktmanipulation, 25; Trüg, in: Leitner/ Rosenau (Hg.), NK-WSS, § 38 WpHG Rn. 67 ff. 845 BGH, Urt. v. 27. 11. 2013 – 3 StR 5/13, ZIP 2014, 513, m. Besprechung Trüg, NJW 2014, 1346; vgl. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 175, 179. Sowohl matched orders als auch das circular trading lassen sich zudem unter § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV a. F. subsumieren, dem gegenüber allerdings der speziellere § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV a. F. vorrangig ist, s. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 179; zu den inhaltlichen Überschneidungen von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV mit den weiteren Beispielen des § 3 Abs. 2 MaKonV, s. auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 415 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 166 f.
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Verhältnissen den Eindruck erwecken, dass die Umsätze eine wirtschaftliche Bedeutung haben.846 Die Signale erfolgen auch in Bezug auf das Angebot, die Nachfrage und ggf. den Preis. Gerade im Fall von circular trading ist das Lenken eines Kurses in eine bestimmte Richtung847 und damit das Sichern eines „anormalen oder künstlichen Kursniveaus“ denkbar, sodass auch die Verwirklichung von Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR möglich ist. Vorbehaltlich des Nachweises „legitimer Gründe“ und der Übereinstimmung mit der Ausnahme einer „zulässigen Marktpraxis“ nach Art. 13 MAR sind matched orders und circular trading daher gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) bzw. ii), Art. 15 MAR verboten. Dies wird bestätigt durch Anhang I A lit. c) MAR in Verbindung mit Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 c) VO (EU) Nr. 2016/522 der Kommission (sowie den Verweis in Anhang II Abschnitt 2 Nr. 4 lit. b) VO (EU) Nr. 2016/522), worin explizit auf die Praxis der „Improper Matched Orders“ Bezug genommen und diese als eine Fallgruppe des Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR eingeordnet wird. Das Vorgehen der Emissionsbanken bei der Emission und Platzierung von Wertpapieren ist zwar abgestimmt, allerdings entspricht es nicht den soeben untersuchten, verbotenen matched orders als Fallgruppe der Marktmanipulation. Anders als bei den matched orders stehen sich die am Konsortium beteiligten Emissionsbanken nicht als Verkäufer und Käufer gegenüber, sondern agieren gemeinsam auf Verkäuferseite. Der Verkauf von Wertpapieren im Rahmen der Platzierung ist kein fiktives, sondern ein effektives Geschäft. Die Transaktionen haben eine wirtschaftliche Bedeutung, da der jeweilige Zeichner der Wertpapiere neuer wirtschaftlicher Eigentümer sein soll. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Veräußerung der Papiere im Rahmen der Emission nur zu Zwecken der Preismanipulation erfolgt. Die Analyse der Fallgruppe offenbart allerdings, unter welchen Umständen das Zusammenwirken von Marktteilnehmern auf dem Kapitalmarkt vom Kapitalmarktrecht untersagt wird. In der Fallgruppe der matched orders ist das Verhalten verboten, weil es „falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments […] gibt […]“ (Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR), oder verkürzt ausgedrückt, weil manipulativ auf die Preisbildung eingewirkt wird. Der Tatbestand knüpft dabei jedoch nicht an das Zusammenwirken an, sondern an die Preismanipulation. Anders als das Kartellverbot wendet sich das Marktmanipulationsverbot also nicht gegen das Zusammenwirken von Marktteilnehmern. Es wendet sich vielmehr gegen eine bestimmte 846 So zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 406, 415; anders scheinbar zu § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. BGH, Urt. v. 27. 11. 2013 – 3 StR 5/13, ZIP 2014, 513, 514 f. (matched orders geben „irreführende Signale“ ab). Mit der hier vertretenen Auffassung, wonach falsche Signale zugleich auch irreführend sind, lässt sich dieser scheinbare Widerspruch jedoch auflösen. Ebenso ist es dieser Auffassung folgend unproblematisch, dass § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV a. F. seinem Wortlaut nach lediglich „irreführende Signale“ nennt, jedoch auch matched orders beinhalten soll, vgl. dazu Stage, a. a. O., 414 ff., die matched orders aus diesem Grund „jedenfalls“ unter § 3 Abs. 1 MaKonV a. F. subsumieren will, s. ebenda, 416. 847 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 166.
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Art von Zusammenwirken, bei der es instrumental genutzt wird, um Marktpreise zu beeinflussen. Eine weitere Gruppe von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen, bei der die Anwendbarkeit des Verbotes der Marktmanipulation in Betracht kommt, ist die Stabilisierung von Börsenkursen bzw. Kurspflege. Dies sei hier erwähnt, weil zu Zwecken der Kurspflege teils mehrere Marktteilnehmer zusammenwirken, etwa im Rahmen sogenannter lock-up agreements. Inwieweit solche Maßnahmen, die den Sekundärmarktpreis, also den Preis nach der Emission betreffen, eine Marktmanipulation darstellen können, wird in einem nachfolgenden Abschnitt dargestellt.848 Vorerst ist nur festzuhalten, dass der Aspekt des Zusammenwirkens bei der Platzierung am Primärmarkt nicht vom kapitalmarktrechtlichen Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR erfasst ist. (b) Absprachen zur Zuteilung Vorstellbar ist eine Kooperation zwischen Emissionsbanken und einflussreichen Investoren über eine Bevorteilung bei der Zuteilung besonders attraktiver Aktienemissionen.849 In den USA sollen Hedgefonds – gegen Gegenleistung an die Banken – entsprechende Vereinbarungen erwirkt haben.850 Denkbar ist auch, dass die Emissionsbank oder ihr Führungspersonal selbst an einem Hedgefonds beteiligt sind.851 Derartige vertikale Abreden zwischen Emissionsbanken und Zeichnern können eingesetzt werden, um ein Zuteilungsverfahren zu umgehen. Damit wird evident gegen die Interessen der übrigen Zeichner verstoßen.852 Des Weiteren kann eine kollusive Dimension zu Lasten des Emittenten hinzutreten, wenn die Wertpapiere infolge der Absprache zu nicht marktgerechten Bedingungen abgegeben werden. Wenn auf Preise eingewirkt wird, kommt grundsätzlich eine Marktmanipulation in Betracht, wobei im Rahmen der Marktmanipulation bei einer derartigen Handlung allenfalls die Manipulation der Preise, und nicht die Zusammenarbeit problematisch wäre.853 Problematisch an Absprachen über die bevorzugte Zuteilung ist vor allem die mittelnde Natur der Stellung von Emissionsbanken als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, aufgrund derer ihnen das Kapitalmarktrecht um848
s. u. § 4 II. 3. Fleischer, ZGR 2008, 185, 222. 850 Wentrup, Die Kontrolle von Hedgefonds, 120; King, DAJV Newsletter 1/2006, 36, 36; s. auch die – nicht überprüfbaren – eindrucksvollen Schilderungen der Anleihenemissionspraxis von LeFevre, Ab in die Hölle, 67 f., wonach Nebenabreden und gegenseitige Gefallen fester Bestandteil des Zuteilungsprozesses sind. Als Investmentbanker habe er in den Tagen vor der Preisfestsetzung einer attraktiven Emission oftmals Einladungen zum Mittagessen von Hedgefonds bekommen; zur Unzulässigkeit solcher Absprachen Faust, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 109 Rn. 68a. 851 Vgl. LeFevre, Ab in die Hölle, 59 ff. 852 King, DAJV Newsletter 1/2006, 36, 36; s. auch Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 109 Rn. 68a. 853 s. o. § 4 II. 2. b) aa) (2) (a) (bb). 849
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fassende Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten auferlegt.854 Speziell bei der Zuteilung sind die Emissionsbanken einem doppelten Interessenkonflikt ausgesetzt. So müssen sie sowohl die widerstreitenden Interessen der einzelnen Zeichner als auch die Interessen von Emittenten und Zeichnern in Einklang bringen.855 Daraus ergeben sich konkrete Anforderungen an die Vorgehensweise bei der Wertpapierzuteilung, deren Details in einem anderen Abschnitt erörtert werden.856 (3) Kooperation der Emissionsbanken auf dem Primärmarkt und Zwischenergebnis Es gibt keine kapitalmarktrechtlichen Vorschriften, die koordinierte Verhaltensweisen behandeln und auf die Tätigkeit des Emissionskonsortiums Anwendung finden.857 Koordiniertes Marktverhalten wird vom Kapitalmarktrecht grundsätzlich nicht untersagt. Durch § 30 Abs. 2 WpÜG sowie § 34 Abs. 2 WpHG werden Anteile mehrerer Anleger zusammengerechnet, wenn es um die Ermittlung bestimmter Beteiligungsschwellen geht (acting in concert). Zudem kann abgestimmtes Marktverhalten eine verbotene Marktmanipulation gem. Art. 12 i. V. m. Art. 15 MAR darstellen, wobei jedoch nicht die bloße Zusammenarbeit der Akteure, sondern vielmehr der manipulative Charakter des Geschäftes die Normanwendung auslöst. bb) Anlegerauswahl und Grenzen der Zuteilungsfreiheit Wenn bei einer Emission die Nachfrage das Angebot übersteigt (Überzeichnung), entsteht eine Verteilungsproblematik und es müssen bei der Zuteilung individuelle Erwerbswünsche ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.858 Dies kann zwar nicht geschehen, wenn die Aktien in einem Auktionsverfahren platziert werden,859 ist aber beim gängigen Bookbuilding-Verfahren möglich. Den Konsortialbanken stehen verschiedene Zuteilungsverfahren zur Verfügung. Möglich ist es einerseits, bestimmte Anleger bevorzugt zu behandeln, etwa auf der Grundlage der zeitlichen Reihenfolge ihrer Anträge (Windhundverfahren)860 oder sachlicher Kriterien qualitativer oder quantitativer Natur861. Andererseits können die Papiere auch unter allen Zeichnern aufgeteilt werden, etwa nach einem Quotensystem.862 In der Vergan854
s. dazu näher § 4 II. 2. b) bb) (2). Zu diesem Interessenkonflikt näher § 4 II. 2. b) bb) (2) (c). 856 s. u. § 4 II. 2. b) bb). 857 Zur Kursstabilisierung sei erneut auf u. § 4 II. 3. verwiesen. 858 Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft Rn. 522; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 62. 859 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 62. 860 Franke, Zuteilungsansprüche, 62 ff.; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 73 ff. 861 Franke, Zuteilungsansprüche, 78 f., Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 84 ff.; Singhof, in: MüKo-HGB, Emissionsgeschäft Rn. 77. 862 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 80 ff.; Franke, Zuteilungsansprüche, 69 ff. 855
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genheit wurden oftmals Vorwürfe erhoben, dass Privatanleger gegenüber institutionellen Anlegern benachteiligt werden.863 Eine Aufteilung in feste Tranchen ist bei Aktienemissionen zwar nicht üblich.864 Allerdings können schon im Übernahmevertrag vom Emittenten Kriterien zur Differenzierung der Anleger vorgegeben sein.865 Im Rahmen von Friends-and-family-Programmen werden z. B. Mitarbeiter und Organmitglieder des Emittenten bevorzugt.866 Es soll nachfolgend untersucht werden, ob das Kapitalmarktrecht eine beliebige, auch willkürliche Zuteilung der emittierten Aktien zulässt oder ob die Freiheit der Emittenten bzw. Konsortialbanken, ihre Anleger selbst auszuwählen, eingeschränkt ist. In der Literatur werden Einschränkungen der Zuteilungsfreiheit in verschiedenen Ausgestaltungen diskutiert. So könnten bestimmte Anleger einen Anspruch auf Zuteilung von Wertpapieren haben.867 Ansonsten könnte es geboten sein, dass Anleger bei der Zuteilung gleichmäßig bzw. „fair“ behandelt werden.868 Zudem könnte es Informationspflichten hinsichtlich der gewählten Zuteilungsmethode geben,869 aus deren Verletzung wiederum Ansprüche resultieren könnten.870 (1) Bezugsrechte und kapitalmarktrechtsfremde Zuteilungsansprüche Bei einer Kapitalerhöhung entstehen hier nicht weiter interessierende gesellschaftsrechtliche Bezugsrechte von Altaktionären, vgl. § 186 Abs. 1 AktG, was den Bedarf an einer Verteilung entfallen lässt.871 Nicht weiterführend ist ferner das gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG als Grundlage für eine Einschränkung der Zuteilungsfreiheit. Die Norm ist ausschließlich auf bereits beteiligte Aktionäre anzuwenden und daher für die Zuteilungsentscheidung weder unmittelbar872 noch analog873 von Relevanz. Ferner scheidet es aus, aus dem Ver863
Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 17. s. Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1171. 865 Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft Rn. 523; Schanz, Börseneinführung, 283 ff.; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 100 ff., der auf S. 101 auf die Möglichkeit hinweist, solche Vorgaben bereits im Emissionsvertrag zu machen (gemeint ist die Mandatsvereinbarung [letter of engagement] vgl. dazu Weitnauer, Handbuch Venture Capital, Teil I. Exit Rn. 143; Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2054). 866 Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1171. 867 Dieser Frage haben sich insbesondere die Dissertationen von Franke und Gravenhorst angenommen: Franke, Zuteilungsansprüche bei Aktien-Neuemissionen; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen und der Anspruch auf Zuteilung. 868 Vgl. etwa Singhof, in: MüKo-HGB, Emissionsgeschäft, Rn. 79. 869 Dazu Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft, Rn. 523 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 873; Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 24 f. 870 Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 24 f. 871 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 62. 872 Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 220 ff., insbes. 226 f.; Franke, Zuteilungsansprüche, 87 f.; Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 19. 864
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tragsverhältnis zwischen Emittent und Konsortialbanken Zuteilungsansprüche abzuleiten.874 Eine Ausnahme soll nur gelten, falls sich der Emittent bzw. die Konsortialbanken im Einzelfall vertraglich selbst gebunden haben.875 (2) Einschlägige Tatbestände im Kapitalmarktrecht? (a) Beschränkung des Emittenten aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (Gleichbehandlungsgebot) § 48 Abs. 1 Nr. 1 WpHG normiert für „Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist“, das Gebot, alle Inhaber zugelassener Wertpapiere gleich zu behandeln. Eine materielle Ungleichbehandlung von Anlegern ist ohne sachliche Rechtfertigung unzulässig.876 Die Vorschrift ist das kapitalmarktrechtliche Äquivalent zu § 53a AktG, weswegen sich die beiden Normen in Bezug auf deutsche Aktiengesellschaften weitgehend überschneiden.877 Entsprechend ist auch die Relevanz des § 48 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf die Zuteilungsfreiheit von Wertpapieremittenten analog zu § 53a AktG abzulehnen. Das Gleichbehandlungsgebot bezieht sich ausschließlich auf solche Anleger, die bereits Inhaber des jeweiligen Wertpapiers sind. Es erstreckt sich nicht auf das Stadium vor dem Wertpapiererwerb und hat daher keine Regelungswirkung für den Vorgang des Erlangens der Inhaberstellung.878 (b) Beschränkung des Emittenten aus § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG ist eine Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt möglich, wenn „keine Umstände bekannt sind, die bei Einbeziehung der Wertpapiere zu einer Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen führen.“ Zu der Norm ist zunächst anzumerken, dass die „Einbeziehung“ schon nur solche Wertpapiere betrifft, die bereits anderweitig zugelassen sind, vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 BörsG. Anders als nach der früheren Rechtslage sind die Kriterien des § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG nicht mehr auf das gesetzliche Zulassungsverfahren gem. § 32 BörsG anzuwenden.879 Daneben ist 873
Franke, Zuteilungsansprüche, 88 ff. Zum Übernahmevertrag Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 20; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 106 f., 110; Franke, Zuteilungsansprüche, 107 ff.; ebenso zum Emissionsvertrag/letter of intent Gravenhorst, a. a. O., 101 ff., 108 ff.; Franke, a. a. O., 103 ff. 875 Franke, Zuteilungsansprüche, 118 ff. 876 Allerdings ist eine Zustimmung des betroffenen Wertpapierinhabers möglich, vgl. Stoll, in: KK-WpHG, § 30a Rn. 20. 877 Stoll, in: KK-WpHG, § 30a Rn. 14, 22. 878 Franke, Zuteilungsansprüche, 96; Zimmermann, in: Fuchs, (Hg.), WpHG, § 30a WpHG Rn. 7; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 273 f. 879 Das Vorbild für die Regelung war § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a. F., der für die Erstzulassung galt. Diese Vorschrift wurde jedoch abgeschafft, vgl. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 33 BörsG Rn. 12. 874
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es zu bezweifeln, dass gerade durch das Zuteilungskonzept eine „Übervorteilung des Publikums“ bzw. eine „Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen“ eintreten können. Auch die Tatsache, dass im Falle einer Überzeichnung nicht alle Interessenten berücksichtigt werden können, kann noch nicht zur Erfüllung dieser Voraussetzungen führen.880 Abgesehen von der Frage der Tatbestandserfüllung ist die Norm auf der Rechtsfolgenseite kaum für die Begründung von Vorgaben hinsichtlich der Zuteilung geeignet. Die Vorschrift betrifft zunächst einmal nur das Verhältnis zwischen Emittent und Börse. Aus ihr können daher jedenfalls keine Ansprüche des Anlegers auf Zuteilung von Wertpapieren abgeleitet werden.881 Auf aufsichtsrechtlicher Ebene stellt § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG eine Möglichkeit dar, die Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt zu unterbinden, also in das „ob“ der Einbeziehung einzugreifen.882 Die Norm ist hier also nicht weiter relevant. (c) Beschränkung der Konsortialbanken durch §§ 63 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Die freie Auswahl der Anleger könnte schließlich durch die Verhaltensregeln des § 63 WpHG beschränkt werden, an die Wertpapierdienstleistungsunternehmen gebunden sind.883 Das WpHG findet zwar maßgeblich auf den Sekundärmarkt Anwendung. Doch schon beim ersten Absatz an den Anleger sind die Konsortialbanken an die Wohlverhaltensregeln gebunden. Die Verpflichtung entsteht allerdings erst mit der jeweiligen schuldrechtlichen Beziehung zum einzelnen Anleger und nicht bereits bei der Zulassung bzw. dem öffentlichen Angebot.884 Der Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten ist beim Emissionsgeschäft grundsätzlich eröffnet.885 Insbesondere lässt sich festhalten, dass die Konsortialbanken auch im Verhältnis zu bloßen Anlageinteressenten gebunden sind, also gerade auch im rein vorvertraglichen Bereich.886 Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, „sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und vor Durchführung von Geschäften für Kunden diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen […].“ Die Pflicht zur 880
Ablehnend zu § 36 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a. F. ebenso Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 20 f.; sich dem anschließend Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 100; zu § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG n.F. ablehnend Franke, Zuteilungsansprüche, 94 f. 881 Die Relevanz von § 36 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a. F. in diesem Zusammenhang daher ablehnend Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 20. 882 Franke, Zuteilungsansprüche, 95. 883 Die Eigenschaft der Konsortialbanken als Wertpapierdienstleistungsunternehmen richtet sich nach § 2 Abs. 10 WpHG und kann hier ohne nähere Prüfung angenommen werden. 884 Vgl. dazu Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht, Rn. VI. 7 f. 885 Ausführlich zu Aktienemissionen Franke, Zuteilungsansprüche, 170 ff. 886 Dies ergibt sich aus der Kundendefinition des § 67 Abs. 1 WpHG, wonach ein tatsächlicher Vertragsabschluss nicht nötig ist und die bloße Geschäftsanbahnung genügt, vgl. dazu Möllers, in: KK-WpHG, § 31 Rn. 84, § 31a Rn. 30 f.; vgl. auch Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 22.
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„Vermeidung“ von Interessenkonflikten ist im neuen § 63 Abs. 2 WpHG nicht mehr ausdrücklich genannt. Allerdings wird dort auf Schritte Bezug genommen, die „zur Begrenzung der Risiken der Beeinträchtigung der Kundeninteressen“ unternommen wurden. Ferner besteht gemäß § 63 Abs. 1 WpHG für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen u. a. die Pflicht, „im bestmöglichen Interesse seiner Kunden“ zu handeln. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. ist dadurch in § 63 Abs. 2 und Abs. 1 WpHG n. F. aufgegangen,887 wobei auch die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten unverändert fortbesteht.888 Bei der Zuteilung überzeichneter Emissionen sind zwei Interessenkonflikte möglich.889 In vertikaler Hinsicht widersprechen die Interessen des Bankenkonsortiums denen bestimmter Kunden. Das Bankenkonsortium strebt regelmäßig eine bestimmte Anlegerstruktur an. Dieses Interesse läuft dem Interesse des einzelnen Zeichners an einer möglichst vollständigen Berücksichtigung zuwider. In horizontaler Hinsicht konfligieren schließlich die Interessen der verschiedenen Anleger, da jeder Anleger ein Interesse an einer maximalen Berücksichtigung hat. Aus der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten ist allerdings keine allgemeine Pflicht zur Gleichbehandlung der Anleger abzuleiten.890 Eine solche Pflicht würde eine freie Entscheidungsmöglichkeit des Emittenten über die Anlegerstruktur und damit die Privatautonomie über Gebühr beschränken, welche bei einer Fremdemission mittelbar vom Bankenkonsortium verwirklicht wird.891 Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Anlegern muss dem Emittenten und damit den Konsortialbanken grundsätzlich möglich sein. Da § 63 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG jedoch eine Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten beinhalten, muss die Privatautonomie des Emittenten nicht vorbehaltlos und ohne Rücksicht auf die Interessen der Marktgegenseite zum Tragen kommen. Anleger sind jedenfalls vor willkürlichen Ungleichbehandlungen zu schützen. Konsortialbanken sind daher verpflichtet, Differenzierungen zwischen verschiedenen Anlegern nach sachgerechten Kriterien vor-
887 Die Begr. des RegE zum 2. FiMaNoG, BT-Drs.18/10936, 233, geht auf diesen Umstand nicht ein und verweist lediglich darauf, dass in Umsetzung des Art. 23 Abs. 2 MiFiD II (RL 2014/65/EU) der vormalige § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu § 63 Abs. 2 WpHG werde. Die nach hier vertretener Ansicht auszumachende inhaltliche Aufspaltung in § 63 Abs. 2 und Abs. 1 WpHG war also jedenfalls nicht beabsichtigt. 888 Keine Änderung sehen auch Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487. Unverändert ist auch die Organisationspflicht des § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG a. F.). Demnach müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen „[…] auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen […] zu vermeiden […].“ 889 Vgl. ausführlich dazu Franke, Zuteilungsansprüche, 173 ff.; vgl. auch Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lfg. 3/01, Kennziffer 240, 28. Sowohl vertikale als auch horizontale Interessenkonflikte sind von § 63 Abs. 1, Abs. 2 WpHG erfasst, zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. vgl. Möllers, in: KK-WpHG, § 31 Rn. 131 f. 890 Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 21 ff. 891 Ebenda, 24.
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zunehmen.892 Die Bevorzugung institutioneller Anleger kann auf die Erwartung gestützt werden, dass diese an einem langfristigen Engagement interessiert sind und Wertpapiere in einem größeren Umfang abnehmen.893 Zudem wird den institutionellen Anlegern ein Anreiz geboten, an der Bookbuilding-Phase teilzunehmen.894 Auch Friends-and-family-Programme sind auf der Grundlage dieser Norm zulässig.895 Ebenso sind bestimmte Kaufanreize wie Preisnachlässe für Privatkunden zulässig, da sie von einem legitimen Interesse an einer breiten Streuung der Emission motiviert sind.896 Innerhalb differenzierter Gruppen müssen die Anleger dann jedoch gleich behandelt werden.897 Diese von der älteren Literatur wie dargelegt aus § 63 Abs. 1, Abs. 2 WpHG hergeleiteten Grundsätze lassen sich nunmehr ergänzend mit dem noch jungen § 69 WpHG begründen.898 Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen „[…] Vorkehrungen treffen, um Kundenaufträge unverzüglich und redlich im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen und den Handelsinteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens auszuführen […]“. § 69 Abs. 1 WpHG dürfte für die Zuteilungsproblematik Priorität haben.899 Inhaltlich ergeben sich daraus jedoch keine Neuerungen. Neben der Gleichbehandlung gleichartiger Aufträge ist von den Konsortialbanken zu verlangen, dass sie den Interessenten, die ein Zeichnungsangebot abgeben, Informationen über das gewählte Zuteilungsverfahren geben. Aus diesen Informationen muss sich für die
892 Vgl. dazu Franke, Zuteilungsansprüche, 186 ff.; ebenso Rothenhöfer, in: Schwark/ Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 31 WpHG Rn. 62; Kümpel, in: Kümpel/ Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lfg. 3/01, Kennziffer 240, 28; Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 91; auf § 242 BGB gestützt zum gleichen Ergebnis kommt Schanz, Börseneinführung, 346; ebenso auf § 242 BGB gestützt Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 88; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 873: „nur bei grob willkürlichen Ungleichbehandlungen eine Pflichtverletzung“; unter Verweis auf die Vertragsfreiheit auch willkürliche Ungleichbehandlungen dulden will Escher-Weingart, AG 2000, 164, 166. 893 Am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 lit. d) AEUVeine Diskriminierung für zulässig haltend Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 225 – 227. 894 Ebenda. 895 Bueren, WM 2013, 585, 586. 896 Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 175. 897 Vgl. ausführlich Franke, Zuteilungsansprüche, 186 ff., der diesen Grundsatz u. a. mit einer Ausstrahlungswirkung von Art. 3 Abs. 1 GG begründet; s. auch Kümpel, in: Kümpel/ Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lfg. 3/01, 28. 898 Zu § 31c WpHG a. F. vgl. Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft Rn. 522 ff.; Koch, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 31c WpHG Rn. 7 f. 899 Zu § 31c WpHG a. F. Koller, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 39; nach a. A. konkretisiert § 69 Abs. 1 WpHG lediglich die Vorgaben des § 63 WpHG, zu § 31c WpHG a. F. vgl. Koch, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 31c WpHG Rn. 4.
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Anleger ergeben, welche Einstufung er im Rahmen der Zuteilung erhält.900 Dies muss bereits vor Vertragsschluss erfolgen.901 Verbreitet werden die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission zur Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger als Konkretisierung dieser Informationspflichten betrachtet, durch welche auch dem Emittenten Pflichten auferlegt werden.902 Allerdings ist diese Ausgestaltung der Informationspflicht zum Zuteilungsverfahren mittlerweile großteils obsolet geworden, da für Aktien bereits gem. § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziffer 5.2.3 Prospekt-DVO903 umfangreiche Informationen zum Zuteilungsverfahren als Mindestangaben im Wertpapierprospekt aufzuführen sind.904 Die Einhaltung der Pflichten aus § 63 Abs. 1, 2 bzw. § 69 WpHG wird von der BaFin überwacht905 und durchgesetzt.906 Es ist zwar davon auszugehen, dass die
900 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 873; Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 24 f.; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 125 f.; gestützt auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG a. F. Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lfg. 3/01, Kennziffer 240, 32 f. 901 Ekkenga, in: MüKo-HGB, Effektengeschäft, Rn. 523 f., Koch, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 31c WpHG Rn. 8. In der Praxis wollen sich die Emissionsbanken oftmals noch nicht auf ein Zuteilungsverfahren festlegen, bevor die Nachfragestruktur bekannt ist, vgl. dazu Schuster/Rudolf, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lfg. 3/01, Kennziffer 240, 19 f., die es entgegen der hier vertretenen Auffassung daher für ausreichend halten, dass die Information der Zeichner erst nach Abschluss der Zuteilung erfolgt. 902 Der Zuteilungskodex ist abgedruckt m. Anm. Köndgen in ZBB 2000, 287. Der Kodex findet Anwendung „für die Zuteilung bei Aktienemissionen, in deren Rahmen Aktien in Deutschland Privatanlegern öffentlich zum Kauf angeboten werden. Die Grundsätze gelten für die Emission von Aktien, deren Zulassung zum Handel an einem inländischen organisierten Markt oder deren Einbeziehung in den Freiverkehr beantragt ist.“, ZBB 2000, 287, 287. Die Grundsätze enthalten Verhaltensempfehlungen und finden in der Praxis breite Beachtung, vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), 193 f. Zu ihrer rechtlichen Bedeutung als Konkretisierung der Informationspflichten vgl. Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 24 f.; Gravenhorst, 125 f.; die BaFin geht davon aus, dass die Grundsätze die Verhaltensregeln des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 WpHG a. F. konkretisieren, vgl Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel an emissionsbegleitende Banken vom 22. 1. 2001, abgedruckt bei Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Kennziffer 632/3, Lfg. 3/01; vgl. auch Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2094. 903 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. 4. 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, komplett berichtigte Fassung ABl. 2005 L 186, 3, 34 f. 904 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 874; siehe dazu ferner sogleich. 905 Vgl. insbesondere § 88 f. WpHG. 906 Ein Verstoß gegen § 63 Abs. 2 S. 1 WpHG kann gem. § 120 Abs. 8 Nr. 27 WpHG eine Ordnungswidrigkeit darstellen, im Übrigen kann die BaFin auch gestützt auf § 6 Abs. 2 S. 1 WpHG tätig werden.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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§§ 63 ff. WpHG keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen.907 Allerdings kann ihre Nichtbeachtung vertragsrechtliche Konsequenzen haben (dazu sogleich). Aus § 63 Abs. 1 WpHG folgt ferner, dass eine Kopplung der Wertpapiere mit weiteren Leistungen unzulässig ist.908 In der Vergangenheit haben Banken eine Berücksichtigung des Zeichnungsantrages etwa davon abhängig gemacht, dass die Interessenten am Sekundärmarkt weitere Papiere des Emittenten erwerben (laddering agreements) oder andere, weniger attraktive Papiere abnehmen.909 Eine solche Vorgabe läuft jedoch in unzulässiger Weise den Kundeninteressen zuwider.910 (d) Prospekthaftung und sonstige Arten der Vertrauenshaftung911 Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) findet Anwendung, wenn es um „die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere“ geht, die „öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen“ (§ 1 WpPG). Es besteht dann regelmäßig eine Prospektpflicht für Wertpapiere, die öffentlich angeboten werden (§ 3 Abs. 1 WpPG) oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen (§ 3 Abs. 4 WpPG). Inhaltlich soll ein Wertpapierprospekt das Publikum zu einer möglichst genauen Einschätzung der tatsächlichen Grundlagen des angebotenen Papiers befähigen.912 Ist der Prospekt inhaltlich fehlerhaft bzw. fehlt er, so haben Anleger Ansprüche nach Maßgabe der §§ 21 ff. WpPG. Die Haftung aus § 21 Abs. 1 WpPG für inhaltliche Fehler eines Börsenzulassungsprospektes trifft in der Regel gem. § 21 Abs. 1 S. 1
907 So wohl BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/7, BKR 2008, 294; vgl. dazu Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, vor §§ 31 – 37a WpHG Rn. 15, Rn. 21; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 965 f., ausführlich zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Schäfer, WM 2007, 1872, 1875 f.; zur Neuregelung des § 31 Abs. 1 Nr. 2 a. F. durch § 63 Abs. 1, Abs. 2 WpHG n. F. s. o. bei Fn. 888. A.A. und ausführlich zur Rechtsnatur der §§ 63 ff. WpHG Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 237 ff. (zur Rechtsnatur), 266 f. (zur Schutzgesetzeigenschaft); differenzierend Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, vor §§ 31 ff. WpHG Rn. 99; die Schutzgesetzeigenschaft von § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. bejahen Lang/Kühne, WM 2009, 1301, 1306 f.; bzgl. § 31 WpHG Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hg.), Kapitalmarktrecht, Lfg. 3/01, Kennziffer 240, 29 ff.; zu § 31c WpHG a. F. (§ 69 WpHG n. F.) Fuchs, in: a. a. O., § 31c WpHG Rn. 3. 908 Eine Ausnahme sind die bereits erwähnten Friends-and-family-Programme, zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Bueren, WM 2013, 585, 586; zur Neuregelung des § 31 Abs. 1 Nr. 2 a. F. durch § 63 Abs. 1, Abs. 2 WpHG n. F. s. o. bei Fn. 888. 909 Bueren, WM 2013, 585, 586; Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), BankrechtsHandbuch, § 109 Rn. 68a; Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 270 (2007). 910 Bueren, WM 2013, 585, 586; ebenso Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 109 Rn. 68a. 911 Nach h. M. ist die Prospekthaftung zwar eine Vertrauenshaftung, vgl. jedoch a. A. Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 734. 912 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Kapitalmarktrecht, 1970.
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Nr. 1 WpPG den Emittenten.913 Die Konsortialbanken können ebenfalls gem. Nr. 1 als Gesamtschuldner hinzutreten, sofern sie im Prospekt als Verantwortlicher aufgeführt sind.914 Bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel am regulierten Markt unterschreibt neben dem Emittenten wegen § 5 Abs. 3 S. 2 WpPG i. V. m. § 32 Abs. 2 S. 1 BörsG üblicherweise jedenfalls die konsortialführende Bank den Prospekt und ist somit der Prospekthaftung ausgesetzt.915 Die Prospekthaftung kommt im Zusammenhang mit dem Zuteilungsverfahren in Betracht, weil für Aktien durch § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziffer 5.2.3 ProspektDVO vorgeschrieben ist, dass im Wertpapierprospekt Details zum Zuteilungsverfahren angegeben werden.916 Praktisch denkbar ist der Fall, dass ein Anleger nach der im Prospekt angekündigten Zuteilungsart Aktien erhalten hätte, durch ein anderweitiges Verfahren jedoch nicht.917 Exemplarisch sei dazu ein Zuteilungsverfahren genannt, bei dem einem interessierten Anleger bei der Erfüllung näher bestimmter Kriterien eine sichere Mindestanzahl an Aktien versprochen wurde.918 Wird in der Folge nach einem anderen Verfahren zugeteilt und der Zeichner geht leer aus, so könnte man davon ausgehen, dass die Angaben im Prospekt in dieser Hinsicht gem. § 21 Abs. 1 S. 1 WpPG „unrichtig“ waren, und dass die Angaben zur Zuteilung zudem solche sind, die „für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlich“ sind.919 Schon in tatbestandlicher Hinsicht scheitert allerdings ein Anspruch aus § 21 Abs. 1 S. 1 WpPG daran, dass der Anspruchsteller ein „Erwerber“ von Wertpapieren sein muss. Kommt es nicht zum Erwerb, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Die Haftung für Prospektfehler ist von Schutzrichtung und Rechtsfolge darauf ausgelegt, Anleger zu schützen, die infolge bestimmter Informationen im Prospekt Wertpapiere erworben 913
Dies folgt bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel am regulierten Markt aus § 5 Abs. 3 S. 2 WpPG i. V. m. § 32 Abs. 2 S. 1 BörsG, vgl. i.Ü. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 1978; beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren nach § 3 Abs. 1 WpPG haftet der Emittent hingegen nur dann gem. § 22 WpPG, wenn er die Prospektverantwortung privatautonom durch Unterzeichnen des Prospektes übernommen hat, s. Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1356; Assmann, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 320. 914 Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpPG, vgl. ausführlich zu § 44 BörsG a. F. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 218 ff., 225. Die Anwendbarkeit von § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 auf Emissionsbegleiter ist hingegen abzulehnen, s. Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bankund Kapitalmarktrecht, 1978 f. Auch das Konsortium selbst kann die Verantwortung für den Prospekt gem. § 5 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 WpPG fakultativ übernehmen, s. Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1357. 915 Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 218; nicht näher eingegangen sei hier darauf, dass Emittenten die Konsortialbanken meist vertraglich von der Prospekthaftung freistellen, Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 90; vgl. dazu auch Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 738. 916 s. bereits o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (c). 917 Vgl. zu diesem Ansatz Franke, Zuteilungsansprüche, 126 ff. 918 Ebenda, 127. 919 Ebenda, 126 f.
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haben. Diesen Anlegern soll der Schaden, der durch das Vertrauen auf die falschen Informationen entstanden ist, ausgeglichen werden.920 Anleger, die ein Wertpapier überhaupt nicht erwerben, können schon keinen vergleichbaren Vertrauensschaden erleiden. Diesen Anlegern entgeht allenfalls eine Gewinnchance, weswegen sie von der Prospekthaftung der §§ 21 ff. WpPG nicht geschützt sind.921 Neben der gesetzlichen Prospekthaftung existiert die von der Rechtsprechung entwickelte allgemein zivilrechtliche Prospekthaftung, die allerdings im sachlichen Anwendungsbereich der Prospekthaftung nach dem WpPG ausgeschlossen ist.922 Andere Anspruchsgrundlagen bleiben jedoch gem. § 25 Abs. 2 WpPG unberührt, sodass insbesondere eine Haftung der Emissionsbanken aus der Figur der culpa in contrahendo möglich ist.923 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass zur Konkretisierung der vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten der Emissionsbanken die §§ 63 ff. WpHG herangezogen werden können.924 Bei der Aufforderung zur Zeichnung entsteht zu den Anlegern ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis.925 Die Ankündigung eines bestimmten Zuteilungsverfahrens begründet dabei einen allgemein-zivilrechtlichen Vertrauenstatbestand zugunsten der Anleger.926 Weicht das Konsortium vom angekündigten927 Verfahren ab, so kann dies eine Haftung aus culpa in contrahendo begründen mit der Rechtsfolge des Ersatzes des Vertrauens-
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Ebenda, 127. Zu dieser Argumentation s. ebenda, 127. 922 Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 762; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1384; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 45 BörsG Rn. 79; Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 89; die kumulative Anwendung beider Systeme erwägt Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 51 – 53. Auch wenn ein Prospekt freiwillig veröffentlicht wird, kann die analoge Anwendung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vorgehen, s. BGH, B. v. 21. 10. 2014 – XI ZB 12/12, NJW 2015, 236, 240 f. zu einem Fall von § 13 VerkProspG a. F. i. V. m. § 45 ff. BörsG a. F. 923 Sog. bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im weiteren Sinne, vgl. Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 757; Emmerich, in: MüKo-BGB Bd. 2, § 311 BGB Rn. 158; vgl. auch Assmann, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 340. 924 Lang/Kühne, WM 2009, 1301, 1306; ausführlich zu dieser Ausstrahlungswirkung der §§ 63 ff. WpHG Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 966 ff.; Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, vor § 31 ff. WpHG Rn. 81 ff., 98; vgl. auch Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 246 f. 925 Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 88. 926 Vgl. dazu Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 24 f.; Gravenhorst, 128 ff., 131. 927 Zwar geht die Information im Prospekt nicht notwendigerweise von den handelnden Konsortialbanken aus (s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (d)), allerdings handeln die Banken in Kenntnis des Prospektinhaltes, weswegen es billig erscheint, sie i. R. d. culpa in contrahendo auch für Abweichungen des von ihnen durchgeführten Zuteilungsverfahrens vom Prospektinhalt haften zu lassen, für Anlageberater oder Anlagevermittler ähnlich Siol, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 45 Rn. 42. 921
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schadens,928 die für den Sachverhalt der Zuteilung jedoch nicht ergiebig ist.929 Das Erfüllungsinteresse könnte hingegen von Anlegern nur im bereits erwähnten, praktisch wohl irrelevanten Fall gefordert werden, dass von dem angekündigten Zuteilungsverfahren abgewichen wird, obwohl der Interessent unter Zugrundelegung des angekündigten Verfahrens gesichert Aktien erhalten hätte.930 (3) Ergebnis zur Anlegerauswahl Das Kapitalmarktrecht schränkt Emittenten bzw. das Emissionskonsortium grundsätzlich nicht in der Auswahl der Anleger ein. Es existiert insbesondere kein kapitalmarktrechtliches Gebot, bei der Zuteilung alle Zeichner zu berücksichtigen oder sie gleich zu behandeln. Im Falle einer Überzeichnung darf ein Emissionskonsortium zwischen verschiedenen Anlegern differenzieren. Die Differenzierung darf jedoch nur anhand von sachgerechten Kriterien erfolgen. Eine willkürliche Zuteilung ist nicht statthaft. Nach hier vertretener Auffassung ist dieses Gebot aus § 63 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG abzuleiten und trifft damit grundsätzlich nur Emissionskonsortien, nicht jedoch einen Emittenten selbst. Diese Normen verlangen es zudem, dass Zeichner von den Emissionsbanken umfassend über die angestrebte Zuteilungsmethode informiert werden. Diese Pflichten werden durch die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission zur Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger konkretisiert. Zudem müssen bei Aktienemissionen Informationen zur Zuteilungsmethode in den Wertpapierprospekt aufgenommen werden. Neben der aufsichtsrechtlichen Dimension entsteht zwischen Zeichnern und Emissionsbanken ein vorvertragliches Schuldverhältnis. Wird von einer angekündigten Zuteilungsmethode abgewichen, so kommen grundsätzlich Ansprüche der Zeichner aus culpa in contrahendo in Betracht. cc) Kapitalmarktrechtliche Grenzen der Preissetzungsfreiheit auf dem Primärmarkt Die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit beinhaltet auch die Preissetzungsfreiheit,931 die von der Rechtsordnung nur ausnahmsweise, etwa vom EUKartellrecht unter strengen Voraussetzungen durch Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV eingeschränkt wird. Es ist also grundsätzlich auch dem Parteiwillen vorbehalten, welche Wertpapierpreise vereinbart werden. Dazu sei zwar bemerkt, dass das allgemeine Zivilrecht auf Wertpapiergeschäfte Anwendung findet und damit zumindest 928 s. Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 25; ebenso Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 131 f. 929 Vgl. dazu die Ausführungen zur Prospekthaftung aus dem WpPG. 930 Vgl. Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 17, 25, die zudem verlangen, dass nach nicht sachgerechten Kriterien zugeteilt wurde; s. auch Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 128 ff., 131 f., der für diesen Fall einen Anspruch der Zeichner auf Zuteilung bejaht. 931 BVerfGE 8, 274, 327 ff.
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in der Theorie auch die §§ 138 Abs. 2, Abs. 1, 242 BGB.932 Ein Sachverhalt, in dem nach diesen Vorschriften eine Preiskontrolle durchzuführen wäre, ist jedoch aufgrund der erheblichen subjektiven Anforderungen dieser Rechtsinstitute schwer vorstellbar. Das Kapitalmarktrecht selbst stellt daneben keine speziellen Anforderungen an die Preishöhe bzw. die Preisbildung. Emittenten und Emissionsbanken können die Wertpapierpreise abgesehen von gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen933 grundsätzlich frei festlegen.934 Zum Bedarf an einer Preiskontrolle bzgl. Wertpapieren hat bereits die kartellrechtliche Analyse von marktbeherrschenden Stellungen gezeigt, dass das Risiko missbräuchlich überhöhter Preise am Kapitalmarkt unwahrscheinlicher erscheint als auf anderen Märkten.935 Der Sekundärmarkt für Wertpapiere zeichnet sich wie dargestellt durch eine hohe Preistransparenz, besonders geringe Transaktionskosten und seine multilaterale Struktur aus. Zudem besteht eine höhere Austauschbarkeit zwischen Wertpapieren als zwischen anderen Gütern. Die Preisbildung am Primärmarkt unterscheidet sich allerdings vom Sekundärmarkt. Der Primärmarkt ist nicht multilateral.936 Zudem sind monopolistische bzw. oligopolistische Angebotsstrukturen in Bezug auf eine konkrete Wertpapiergattung die Regel. Die Preisbildung erfolgt wie bereits dargestellt meist durch das bookbuilding,937 wobei der Preis in Zusammenspiel mit den Nachfragern festgelegt wird. Das Zustandekommen eines Preises im Wege einer privatautonomen Vereinbarung schließt das korrigierende Eingreifen der Rechtsordnung jedoch grundsätzlich nicht aus.938 Zudem ist die Informationseffizienz am Primärmarkt nicht mit dem Sekundärmarkt vergleichbar, insbesondere ist der Primärmarkt wegen fehlenden Anschauungsmaterials für die Preisentwicklung anfälliger für irrationale Verhaltensweisen der Anleger.939 932
Vgl. jedoch die §§ 793 ff. BGB und insbes. § 796 BGB, welcher die Verteidigungsmöglichkeiten des Ausstellers beschränkt, s. Habersack, in: MüKo-BGB Bd. 6, § 796 BGB Rn. 1. 933 Dazu Schanz, Börseneinführung, 343 f. Zu beachten sind demnach § 9 Abs. 1 AktG, § 186 Abs. 3 S. 4 AktG und § 255 AktG. Ferner darf bei einer Bezugsemissionen kein überteuerter Preis verlangt werden, der Altaktionäre von der Ausübung ihres Bezugsrechts abhält. 934 Bei der Preisfindung im Rahmen des bookbuilding wird eine Platzierung der Gesamtemission angestrebt, weswegen der Preis von der Nachfrage bestimmt ist. Meist wird sogar ein Preis unterhalb des maximal erzielbaren gewählt, um eine Überzeichnung zu bewirken und die Anleger bewusst auswählen zu können, vgl. Schanz, Börseneinführung, 339, der auf S. 344 auch darauf hinweist, dass Investoren nur bei illiquiden Werten bereit sein werden, Preise über dem Börsenkurs hinzunehmen. 935 s. o. § 4 I. 3. d). 936 Spremann, Wirtschaft und Finanzen, 59: Primärmarkt als Markt für bilateral zustandekommende Verträge. 937 s. o. § 4 II. 2. a). 938 Bei regulatorischen Eingriffen in die Preisfindungsfreiheit ist es allerdings regelmäßig unerheblich, dass die Marktgegenseite die jeweiligen Preise akzeptiert, vgl. etwa § 138 Abs. 2 BGB, wo es nur darauf ankommt, unter welchen (subjektiven) Umständen das Einverständnis der als schutzwürdig bewerteten Partei entstanden ist. 939 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 385 (Fn. 189).
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(1) Überhöhte Preise durch Informationsasymmetrien: Prospektpflicht „Überhöhte“ Preise sind am Primärmarkt maßgeblich dann denkbar, wenn Anleger die wertbildenden Faktoren eines Papiers nicht korrekt einschätzen können, was regelmäßig auf eine fehlerhafte Informationsgrundlage zurückzuführen ist.940 Ein überhöhter Preis kann dann aus den falschen Erwartungen resultieren, die der Anleger an das Wertpapier gestellt hat. Überhöht ist ein Preis etwa relativ dazu, was bei vollständiger Information gezahlt worden wäre. Emittenten ist es also insbesondere durch Fehlinformation des Publikums möglich, „überhöhte“ Preise am Primärmarkt zu erzielen.941 Eine verzerrte Preisbildung entsteht aber nicht nur durch Informationsasymmetrien, sondern gerade auch durch manipulative Einwirkungen auf den Preisbildungsmechanismus. Das Kapitalmarktrecht befasst sich mit diesen beiden Faktoren und schränkt dabei die Preissetzungsfreiheit der Emittenten lediglich im weiteren Sinne bzw. mittelbar ein. Dem Abbau von Informationsasymmetrien zwischen Anleger und Emittent widmet sich das Kapitalmarktrecht mit zahlreichen Rechtsinstituten. Durch einen höheren Grad an Information der Anleger spiegeln Wertpapierpreise den Fundamentalwert des Papiers besser wider, die Preisbildung ist also effizienter.942 Die nötige Information des Publikums wird am Primärmarkt vor allem durch den Wertpapierprospekt erzielt. Der Prospekt soll die Anleger über alle wesentlichen Aspekte der Wertpapiere in Kenntnis setzen, um möglichst umfassend informiert eine Anlageentscheidung treffen zu können.943 Gleichwohl verbleibt auch bei vollständiger Erfüllung der Prospektpflicht eine Informationsasymmetrie, die ein Begründungsansatz für das Phänomen des underpricing ist.944 Die Informationsasymmetrie und der Bedarf der Anleger an einem Prospekt sind besonders evident, wenn der Emittent am Markt unbekannt ist. Hat ein Emittent bisher keine Wertpapiere platziert, kommt dem Prospekt daher meist auch die Eigenschaft eines Vertriebsdokumentes und damit eine Marketingfunktion zu.945
940
So auch Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 613. Unter Zugrundelegung der strengen Form der Markteffizienzhypothese ist der Kurs eines Wertpapiers zwar stets identisch mit seinem Fundamentalwert, Überrenditen können also nicht erzielt werden, vgl. Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 88. Im Falle von Informationsasymmetrien sind jedoch die Voraussetzungen der Markteffizienz gerade nicht gegeben. Informationsvorsprünge können also zur Erzielung unangemessener Preise ausgenutzt werden, so ausdrücklich zur Ad-hoc-Publizität am Sekundärmarkt Emittentenleitfaden der BaFin 2013, 45, www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleit faden_2013.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 942 Vgl. Fama, 25 J. Finance (1970), 383, 387. 943 s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (d). 944 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 57 ff.; ausführlich zu den verschiedenen Begründungsansätzen Bingel, Kursstabilisierung, 48 ff. 945 Gleiches gilt, wenn seit der letzten Emission lange Zeit vergangen ist. In Fällen der „reinen Börsenzulassung“ wird der Prospekt hingegen lediglich aus rechtlichen Gründen erstellt und beinhaltet oftmals nur die Mindestangaben, s. Schlitt/Wilczek, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 89. 941
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Zur Durchsetzung der Prospektpflicht sei an dieser Stelle erneut auf die Prospekthaftung verwiesen.946 (2) Ad-hoc-Publizität Neben der Prospektpflicht könnte zudem die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR auch bei Wertpapieremissionen von Relevanz sein. Emittenten sind nach Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet, sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen unverzüglich der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Neben der Veröffentlichungspflicht des Art. 17 MAR enthält § 26 Abs. 1 WpHG für Inlandsemittenten und MTF-Emittenten947 Übermittlungspflichten.948 Mit dem Rechtsinstitut der Ad-hocPublizität sollen Insidergeschäfte und die Irreführung von Anlegern abgewendet werden.949 Ohne die Veröffentlichung der Informationen wäre es einzelnen Marktteilnehmern möglich, ihr überlegenes Wissen missbräuchlich auszunutzen.950 Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen ist zwar grundsätzlich Bestandteil der laufenden Emittentenpublizität am Sekundärmarkt und ergänzt dabei die Regelpublizität.951 Ausnahmsweise kann sie jedoch auch auf dem Primärmarkt eine Rolle spielen. So ist die MAR und damit die in ihr geregelte Pflicht zur Ad-hocPublizität nach Art. 2 lit. a) MAR grundsätzlich bereits mit der Stellung eines Antrages auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt anwendbar. Die Adhoc-Pflicht richtet sich an einen „Emittenten“, ein solcher ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 MAR „eine juristische Person […], die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt“. Es wird nicht näher erläutert, wem eine Emission „vorgeschlagen“ wird. Sprachlich betrachtet könnte dies etwa bereits bei MarketingMaßnahmen gegenüber potenziellen Anlegern geschehen, bei der Stellung eines Zulassungsantrages gegenüber dem jeweiligen Adressaten, oder bei der Aufforderung zur Zeichnung dem Publikum gegenüber. Schon durch die MMRL 2003 wurde der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizität auf solche Emittenten ausgedehnt, die bereits einen Zulassungsantrag gestellt hatten, was durch das AnSVG umgesetzt
946 Die Prospekthaftung hat insoweit die gleiche Funktion und den gleichen Zweck wie die Prospektpflicht, vgl. Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 733 f.; s. zur Prospekthaftung auch bereits oben § 4 II. 2. b) bb) (2) (d); erwähnt sei außerdem der strafrechtliche Tatbestand des Kapitalanlagebetruges, § 264a StGB, zu dessen umstrittenem Schutzzweck Wohlers/Mühlbauer, in: MüKo-StGB, § 264a StGB Rn. 1 ff., m. w. N. 947 s. zur Begriffsbestimmung § 2 Abs. 14 und 15 WpHG. 948 Vgl. dazu näher Poelzig, NZG 2016, 761, 767. 949 s. ErwGr. 49 der MAR; Poelzig, NZG 2016, 761, 764. 950 Vgl. die – funktionell weiterhin gültige – Begr. zum RegE des AnSVG, BT-Drucks. 15/ 3174, 34 f.; Emittentenleitfaden der BaFin 2013, 45, www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_2013.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 951 So zu § 15 WpHG a. F. Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 230.
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wurde und zuletzt in § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG a. F. geregelt war.952 Es ist nicht anzunehmen, dass die MAR und speziell der Begriff der „vorgeschlagenen“ Emission eine Einschränkung des Anwendungsbereiches mit sich bringen sollen. Daher ist die Ad-hoc-Publizität weiterhin ab dem nun in Art. 2 lit. a) MAR bezeichneten Zeitpunkt der Stellung eines Zulassungsantrages anwendbar. Eine Information kann allerdings nur dann ad-hoc-pflichtig sein, wenn ein beeinflussbarer Börsen- oder Marktpreis existiert, was vor dem bookbuilding regelmäßig nicht der Fall ist.953 Obendrein ist trotz der grundsätzlich frühen Anwendbarkeit der Pflicht zur Ad-hocPublizität davon auszugehen, dass die Anleger am Primärmarkt durch den Wertpapierprospekt informiert werden, und die Primärmarktpublizität insoweit spezieller ist.954 Der praktische Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizität am Primärmarkt neben der Information durch den Wertpapierprospekt ist aus den genannten Gründen begrenzt.955 Ist die Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht jedoch einschlägig, so drohen dem Emittenten bei Verstößen neben verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen956 Schadensersatzansprüche von Anlegern957. (3) Marktmanipulationsverbot Zuletzt sei erneut auf das Verbot der Marktmanipulation eingegangen, das ebenfalls als mittelbare Beschränkung der Preissetzungsfreiheit gewertet werden kann. Durch manipulative Verhaltensweisen können Marktteilnehmer die Preisbildung unlauter beeinflussen und in der Folge etwa überhöhte Preise erzielen. Das Kapitalmarktrecht verbietet solche Verhaltensweisen und setzt damit der Preissetzungsfreiheit am Kapitalmarkt dahingehend Grenzen, dass die Preissetzung nicht durch manipulatives Verhalten im Sinne einer Marktmanipulation ermöglicht werden darf. Das Verbot der Marktmanipulation ist nicht an bestimmte Marktteilnehmer gerichtet, sondern ist für jedermann gültig, also für jede natürliche oder juristische 952 Vgl. Art. 9 MMRL 2003, vgl. dazu auch Schäfer/Ernst, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 158. 953 s. zu § 15 WpHG a. F. Schäfer/Ernst, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 158; auch hier ist nicht von einer Änderung auszugehen. 954 So zu § 15 WpHG a. F. Wieneke, NZG 2005, 109, 114. 955 Dazu ausführlich Parmentier, NZG 2007, 407, 408 ff., insbes. 413 ff., demnach sind nur solche Informationen ad-hoc-pflichtig, die einen Nachtrag zum Prospekt erfordern, wobei die Ad-hoc-Veröffentlichung neben den Nachtrag tritt. Daher muss beim bookbuilding ggf. die Preisspanne und der Emissionspreis als Ad-hoc-Veröffentlichung bekanntgegeben werden; zu diesem Ergebnis ebenso Schäfer/Ernst, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 158. Näher zum Verhältnis von Nachtragspflicht und Ad-hoc-Mitteilungspflicht Müller, Wertpapierprospektgesetz, § 16 WpPG Rn. 5. 956 s. zur Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht speziell die Bußgeldvorschriften § 120 Abs. 1 Nr. 2 – 4 WpHG, § 120 Abs. 15 Nr. 6 – 11 WpHG; s. weiter Poelzig, NZG 2016, 761, 772 f. 957 §§ 97, 98 WpHG begründen Ansprüche für geschädigte Anleger im Falle unterlassener (§ 97 WpHG) oder unwahrer (§ 98 WpHG) Insiderinformationen. Der Emittent haftet dabei für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wobei das Vertretenmüssen vermutet wird (§§ 97 Abs. 2, 98 Abs. 2 WpHG).
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Person oder andere Personenvereinigung.958 Daher ist es bei einer Emission sowohl auf den Emittenten, als auch auf Konsortialbanken und Dritte anwendbar.959 Zur zeitlichen Anwendbarkeit des Verbotes der Marktmanipulation auf die Primärmarktphase sei auf oben960 verwiesen. Die wichtigste Manipulationsform im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen ist die informationsgestützte Marktmanipulation, die – die zeitliche Anwendbarkeit des Manipulationsverbotes vorausgesetzt – auch durch Kommunikationsmittel der freiwilligen Publizität oder Pflichtpublizität verwirklicht werden kann.961 Es sei an dieser Stelle jedoch nicht näher auf die einzelnen, vom Manipulationsverbot erfassten Verhaltensweisen eingegangen. Wichtig für die hier gestellte Frage nach Beschränkungen der Preissetzungsfreiheit am Primärmarkt ist allein die Feststellung, dass sich das Verbot der Marktmanipulation nicht unmittelbar gegen eine konkrete Preishöhe als solche richtet, sondern gegen ein missbräuchliches Einwirken auf den Preisbildungsprozess, das die Gefahr einer Preisveränderung in sich birgt. (4) Fazit zu den Grenzen der Preissetzungsfreiheit Der Befund zur Marktmanipulation lässt sich zusammenfassend für die aufgezeigten kapitalmarktrechtlichen Beschränkungen der Preissetzungsfreiheit am Primärmarkt verallgemeinern. Das Kapitalmarktrecht nimmt keinen unmittelbaren Anstoß an hohen oder überhöhten Preisen. Es liegt vielmehr in der Natur des Kapitalmarktes, dass starke Kursgewinne und -verluste entstehen, die zudem aufgrund von Marktunvollkommenheiten nicht zwingend durch den Fundamentalwert eines Wertpapiers gedeckt sind. Auch der Schutz der Marktgegenseite vor einem inäquivalenten Austauschgeschäft gerät vor dieser Konzeption in den Hintergrund. Das Kapitalmarktrecht geht jedoch von der Prämisse aus, dass die umfassende Information der Anleger eine effiziente Preisbildung bewirkt, deren Integrität zusätzlich mit dem Manipulationsverbot sichergestellt wird. Am Primärmarkt korrigiert das Kapitalmarktrecht potenziell unangemessene Preise mithin durch die Gewährleistung von Informationseffizienz und die Sicherstellung der Integrität der Preisbildung. Davon abgesehen besteht aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive kein Bedarf, in die Preissetzungsfreiheit auf dem Primärmarkt einzugreifen. dd) Fazit zum Kapitalmarktrecht Anhand des Sachverhalts einer Aktienemission und -platzierung wurden Verhaltensabstimmungen am Kapitalmarkt, der Vorgang der Anlegerauswahl sowie die 958 Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 18; zu § 20a WpHG a. F. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 54; auch Emittenten und Emissionsbegleiter können Marktmanipulation begehen, vgl. zu § 20a WpHG a. F. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 56. 959 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 173. 960 s. o. § 4 II. 2. b) aa) (2) (a) (aa). 961 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 233.
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Grenzen der Preissetzungsfreiheit untersucht. Eine Verhaltensabstimmung kann als ein acting in concert zu einer Zusammenrechnung der Stimmrechte der beteiligten Marktteilnehmer führen. Zudem kann sie den Tatbestand der Marktmanipulation erfüllen. Der Zusammenschluss und die Tätigkeit des Emissionskonsortiums sind hinsichtlich der überprüften Aspekte aus kapitalmarktrechtlicher Sicht allerdings grundsätzlich unproblematisch. Der Emittent bzw. das Konsortium können bei der Zuteilung eine Selektion der Anleger vornehmen, sofern dies nach sachlichen Kriterien und nicht willkürlich erfolgt. Preise für Wertpapiere können grundsätzlich frei festgelegt werden, ihre Angemessenheit soll durch den Abbau von Informationsasymmetrien und einen Manipulationsschutz sichergestellt werden. c) EU-Kartellrecht und Aktienemissionen Die in der kapitalmarktrechtlichen Prüfung hervorgehobenen Aspekte sollen nun aus der Perspektive des EU-Kartellrechts betrachtet werden. Zunächst wird darauf eingegangen, inwiefern das europäische Fusionskontrollrecht für den Zusammenschluss und die Tätigkeit des Emissionskonsortiums relevant ist [aa)]. Es soll schließlich überprüft werden, ob die Preisbildung am Primärmarkt als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gegen Art. 102 AEUV verstoßen kann [bb)]. Zuletzt werden verschiedene Gesichtspunkte der Emissionspraxis an Art. 101 AEUV gemessen [cc)]. aa) Zusammenschlusskontrolle und Aktienemissionen Die Zusammenschlusskontrolle erfolgt auf Unionsebene anhand der Fusionskontrollverordnung (FKVO)962. Anders als die Art. 101 und Art. 102 AEUV befasst sich die Fusionskontrolle nicht mit wettbewerbswidrigem Verhalten von Unternehmen, sondern mit dem Erhalt ausgewogener Marktstrukturen.963 In Unternehmenszusammenschlüssen (externem Wachstum) wird eine potenzielle Gefahr für den Wettbewerb gesehen.964 Eine Vermachtung der Märkte soll durch eine präventive Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen verhindert werden.965 Das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung durch internes Wachstum ist demgegenüber nicht gesetzlich beschränkt.966 Aus fusionskontrollrechtlicher Perspektive könnte die Tätigkeit eines Emissionskonsortiums in zweifacher Hinsicht relevant sein.967 So ist zunächst der Zusammenschluss der Emissionsbanken zu einem 962 VO (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. 1. 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. 2004, L 24, 1. 963 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rn. 3; Montag/von Bonin, in: MüKo-EuWettbR, Art. 2 FKVO Rn. 4. 964 Kling/Thomas, Kartellrecht, 299, unter Verweis auf ErwGr. 5 FKVO. 965 Riesenkampff/Steinbarth, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rn. 3. 966 Kling/Thomas, Kartellrecht, 299. 967 Siehe dazu Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 63 ff.
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Konsortium zu überprüfen (1). Schließlich könnte auch die vorübergehende Übernahme von Wertpapieren durch die Emissionsbanken der Zusammenschlusskontrolle unterliegen (2). (1) Gründung des Konsortiums als Gemeinschaftsunternehmen? Sachlich ist die FKVO anwendbar, wenn ein Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung i. S. d. Art. 1 FKVO hat.968 Die Gründung des Emissionskonsortiums müsste ein Zusammenschluss i. S. d. Art. 3 FKVO sein. Dieser würde nach Art. 2 FKVO beurteilt werden. Ein Zusammenschluss kann durch eine Fusion (Art. 3 Abs. 1 lit. a) FKVO) oder durch einen Kontrollerwerb (Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO) entstehen. Art. 3 Abs. 4 FKVO stellt zudem klar, dass auch „die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt“ einen Zusammenschluss i. S. d. Abs. 1 lit. b) darstellt. Dazu muss es ein sog. Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen sein, das gemeinsam von seinen Müttern kontrolliert wird.969 Beim Emissionskonsortium ist bereits fraglich, ob es ein „Unternehmen“ ist.970 Es wird allgemein angenommen, dass das Emissionskonsortium eine GbR darstellt,971 allerdings werden gesellschaftsrechtliche Normen regelmäßig von den Konsorten vertraglich abbedungen.972 Mangels Gesamthandsvermögen ist das Konsortium i. d. R. nicht rechtsfähig, was selbst dann gilt, wenn beim üblichen973 Außenkonsortium der Konsortialführer für das Konsortium auftritt.974 Auf die national-rechtliche Qualifikation kommt es im EU-Kartellrecht jedoch nicht an. Nach dem funktionalen Unternehmensbegriff ist nur relevant, ob es sich um eine Einheit
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Bei fehlender gemeinschaftsweiter Bedeutung des Zusammenschlusses i. S. v. Art. 1 Abs. 2 FKVO kommt es auf die Vereinbarkeit mit nationalen Vorschriften zur Zusammenschlusskontrolle an, in Deutschland den §§ 35 ff. GWB, dazu u. § 4 II. 2. d) aa). 969 Wessely/Wegner, MüKo-EuWettbR, Art. 3 FKVO Rn. 112; vgl. zum Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens Kling/Thomas, Kartellrecht, 312 ff. 970 Zum Unternehmensbegriff im Kontext des Zusammenschlusses Wessely/Wegner, in: MüKo-EuWettbR, Art. 3 FKVO Rn. 7. 971 Groß, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2567; Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1051 ff.; Schanz, Börseneinführung, 275 ff. 972 R. Müller, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2017. 973 Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1050. 974 Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1050 f.; ders., in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 41, Rn. 75 (näher zum fehlenden Gesamthandsvermögen); Groß, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2567; a. A. zur Rechtsfähigkeit Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 67 f. Beim Innenkonsortium handeln die Banken im eigenen Namen, zur Unterscheidung Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), a. a. O., § 32 Rn. 41 ff.
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handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.975 Dies wird für das Emissionskonsortium teils bejaht.976 Für die Unternehmenseigenschaft ist zwar kein dauerhafter Marktauftritt vorausgesetzt.977 Allerdings handelt es sich beim Emissionskonsortium lediglich um eine projektbezogene Verbindung der Unternehmen.978 Die bloße Koordination mehrerer Unternehmen in Bezug auf Absatz und Preise eines Produktes macht die Gesamtheit der Unternehmen noch nicht zum eigenen Unternehmen, andernfalls würde das Kartellverbot keinen Sinn ergeben. Ein Emissionskonsortium ist somit kein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts.979 Würde man dies anders beurteilen, scheiterte die Anwendung der FKVO an Art. 3 Abs. 4 FKVO. Dieser setzt voraus, dass ein Unternehmen seine Tätigkeit „auf Dauer“ ausübt. Emissionskonsortien sind in aller Regel nur vorübergehend tätig, sodass dieses Kriterium nicht erfüllt ist.980 Ferner kann in funktionaler Hinsicht nicht davon die Rede sein, dass das Emissionskonsortium „alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt“. Vielmehr erfüllt es in unmittelbarer Abhängigkeit von seinen Konsortialmitgliedern lediglich unterstützende Funktionen.981 Die Bildung des Emissionskonsortiums ist mithin kein „Zusammenschluss“ i. S. d. Art. 3 FKVO. Daher ist das europäische Fusionskontrollrecht auf diesen Aspekt nicht anwendbar.
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s. o. § 4 I. 3. b). Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 67 f.; zum deutschen Kartellrecht Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 116: „zweifellos“; auch Müller, a. a. O., 75 f., dafür auch bereits Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 287; Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 20. 977 Auch kurzzeitige Marktaktivitäten können ein „Unternehmen“ begründen, s. Roth/ Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 39; zust. Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 15. 978 In Bezug auf die deutsche Zusammenschlusskontrolle gem. §§ 35 ff. GWB Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1064; ebenso Grützner, WuW 1978, 193 ff. 979 Dies könnte man bei den seltenen Dauerkonsortien anders beurteilen. Dagegen spricht jedoch, dass Banken in derartigen Fällen meist nur unverbindlich vereinbaren, in derselben Zusammensetzung weitere Emissionen zu begleiten, vgl. Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 121. Jedenfalls unterliegen auch diese nicht der Fusionskontrolle, vgl. Fn. 980. 980 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 69 f.; zustimmend Groß, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht Rn. VII 7; in der Fallpraxis der Kommission wurde u. a. eine Tätigkeitsdauer von drei Jahren als für zu wenig befunden, vgl. KOM, 15. 4. 1996, Case No IV/M.722 (Teneo/Merill Lynch/Bankers Trust), zusammengefasst bei Löffler, WuW 1996, 994. Auch die seltenen Dauerkonsortien, die mehr als eine Emission in identischer Zusammensetzung betreuen, sind im Ergebnis weder nach den Vorschriften zur EU-Fusionskontrolle noch zur deutschen Zusammenschlusskontrolle relevant, vgl. Müller, a. a. O., 70 f. und 78; vgl. dazu auch Schücking, in: in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 124. 981 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 68 f. 976
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(2) Übernahme der Emission In vertikaler Hinsicht könnte die Übernahme der Emission durch die Mitglieder des Konsortiums fusionskontrollrechtlich relevant sein. Da die Emissionsbanken bei einer Fremdemission vorübergehend das Eigentum an den zu platzierenden Wertpapieren erwerben, könnten sie durch den Anteilserwerb „die Kontrolle“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 b), Abs. 2 FKVO an dem Zielunternehmen erlangen. Der EU-Gesetzgeber hat jedoch in Art. 3 Abs. 5 lit. a) FKVO explizit entschieden, dass der vorübergehende Erwerb von Unternehmensanteilen durch Kreditinstitute, sonstige Finanzinstitute oder Versicherungsgesellschaften unter näher bestimmten Voraussetzungen nicht unter den Begriff des „Zusammenschlusses“ i.S.v. Art. 2 Abs. 1 FKVO gefasst werden soll.982 Zu den Voraussetzungen dieser restriktiv auszulegenden Bankenklausel983 zählt maßgeblich, dass die Veräußerung der Anteile innerhalb eines Jahres nach Erwerb erfolgt984, sowie dass die Stimmrechte nicht ausgeübt werden, um das „Wettbewerbsverhalten des Unternehmens zu bestimmen“, oder nur „um die Veräußerung […] seiner Vermögenswerte oder […] der Anteile vorzubereiten“. Derartige Vorgänge werden als wettbewerbsneutral erachtet und daher von der Fusionskontrolle ausgenommen.985 Bei der Übernahme von Wertpapieren durch die Konsortialbanken im Emissionsgeschäft sind die Voraussetzungen der Bankenklausel in aller Regel erfüllt.986 (3) Fazit zur Zusammenschlusskontrolle Insgesamt ist daher sowohl die Gründung des Konsortiums selbst als auch die Übernahme der Wertpapiere im Rahmen der Emissionstätigkeit unter EU-Fusionskontrollrecht unproblematisch. bb) Art. 102 AEUV und Aktienemissionen Es fragt sich, ob Art. 102 AEUV im Rahmen von Aktienemissionen relevant ist. In der Beziehung Anleger-Emissionsbank ist entsprechend der für den Sekundärmarkt geführten Diskussion zu überprüfen, ob es eine marktbeherrschende Stellung geben kann. Missbräuchliche Verhaltensweisen könnten dann in der Preisgestaltung, aber gerade auch im Zusammenhang mit der Selektion der Anleger bei der Zuteilung überzeichneter Emissionen gesehen werden. Akzessorisch zur Beziehung Emissionsbank-Anleger könnten die Emissionsbanken auch gegenüber dem Emittenten 982
Diese Privilegierung ist regelmäßig einschlägig, dazu ebenda, 71 f. Wessely/Wegner, in: MüKo-EuWettbR, Art. 3 FKVO Rn. 170. 984 Vgl. jedoch Art. 3 Abs. 5 lit. a) a. E.: „diese Frist kann von der Kommission auf Antrag verlängert werden, wenn die genannten Institute oder Gesellschaften nachweisen, dass die Veräußerung innerhalb der vorgeschriebenen Frist unzumutbar war“. 985 Wessely/Wegner, in: MüKo-EuWettbR, Art. 3 FKVO Rn. 168. 986 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 71 f.; Groß, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler (Hg.), Bankrechts-Kommentar, 2565. 983
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eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Missbräuchliche Verhaltensweisen könnten insbesondere in überhöhten Entgelten und der Behinderung außenstehender Kreditinstitute liegen. (1) Unternehmen Die Unternehmenseigenschaft des Emissionskonsortiums wurde zwar verneint.987 Die Anleger beziehen die Wertpapiere jedoch ohnehin nicht vom Emissionskonsortium als solchem, sondern treten nur mit einer einzelnen Emissionsbank in Vertragsbeziehungen.988 Im Gegensatz zum Emissionskonsortium ist davon auszugehen, dass die einzelnen Konsorten den funktionalen Unternehmensbegriff erfüllen.989 Die einzelnen Emissionsbanken können daher Adressaten des Art. 102 AEUV sein. (2) Marktbeherrschende Stellung der Konsortialbanken Ob die Konsorten eine marktbeherrschende Stellung innehaben können, wurde in der Literatur bereits verschiedentlich analysiert. Dabei wurde meist die Marktstellung der Emissionskonsortien gegenüber den Emittenten überprüft und gefragt, ob wiederkehrend miteinander tätige Emissionskonsortien kartellrechtlich gezwungen werden können, eine außenstehende Bank aufzunehmen.990 Daneben wurde die Frage aufgeworfen, ob überhöhte Gebühren bzw. Provisionen, die Emittenten für die Emissionsbegleitung zu entrichten hatten, als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung begriffen werden können.991 In Betracht kommt jedoch auch eine marktbeherrschende Stellung der Konsortialbanken gegenüber den Anlegern auf dem Primärmarkt.992
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s. o. § 4 II. 2. c) aa) (1). Mögliche Alternative ist ein Vertrag mit einer Drittbank, wobei dieser Fall hier außer Betracht bleiben soll. s. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 206. 989 s. zur Qualifizierung von Erwerb, Veräußerung und Halten von Wertpapieren als unternehmerische Tätigkeit o. § 4 II. 2. c) aa) (1). 990 Vgl. zur Nichtaufnahme von Außenseitern bereits Möschel, ZHR 136 (1972), 273, vgl. S. 278: „Konsortien erlangen leicht aufgrund ihrer Größe und aufgrund ihrer völlig verfestigten Dauerbeziehung zum Kunden einen monopolistischen Handlungsspielraum, der die Erzielung von Sondergewinnen ermöglicht.“; Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 124. 991 Zu beiden Verhaltensweisen Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 14 ff., insbes. 20 ff.; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 110 ff.; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 196. 992 Dazu bereits Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 195 ff., 199 f., 215; Franke, Zuteilungsansprüche, 122 f.; Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 115 ff. 988
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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(a) Relevanter Markt Der relevante Markt ist anhand der Substituierbarkeit der Nachfrage entsprechend dem Bedarfsmarktkonzept abzugrenzen.993 Den Emissionsbanken gegenüber lassen sich wie bereits angedeutet mehrere Nachfrager feststellen: Einerseits fragen Emittenten emissionsbegleitende Dienstleistungen und die Abnahme ihrer Emission nach (aa). Andererseits sind die Anleger am Primärmarkt Nachfrager von Wertpapieren (bb). (aa) Emittenten als Nachfrager Aktienemittenten begeben sich auf den Kapitalmarkt, um Aktien auszugeben und im Gegenzug Eigenkapital zu erlangen. Zu diesem Zweck kontrahieren die Emittenten jedoch regelmäßig nur mit den Konsortialbanken und nicht mit den Anlegern.994 Die Nachfrage der Emittenten ist in diesem Zusammenhang auf Aktienemissionsbegleitungen bzw. emissionsbegleitende Dienstleistungen durch die Emissionsbanken gerichtet.995 Die Konsorten erbringen neben der beratenden Tätigkeit insbesondere beim Vertrieb und der Platzierung der Wertpapiere wesentliche Leistungen, weswegen die Beauftragung eines Emissionskonsortiums für Emittenten meist alternativlos ist.996 Anders als aus Anlegersicht ist jedoch für Emittenten eine Emission von Eigenkapitaltiteln nicht durch eine Emission von Fremdkapitaltiteln substituierbar.997 Aus diesem Grund werden die jeweiligen Konsortialdienstleistungen den Emittenten gegenüber auf unterschiedlichen kartellrechtlichen Märkten angeboten.998 Von dem Aktienemissionsgeschäft abzugrenzen sind zudem 993
Siehe dazu o. § 4 I. 3. c) aa) (1). Vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 199 ff., 206; siehe auch bereits o. unter § 4 II. 2. a). 995 Möschel, ZHR 136 (1972), 273; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 89 f.; grds. auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 198 f., 201 ff., der freilich einen besonderen Markt für Emissionsbegleitungen von Technologieunternehmen definieren möchte; ebenso Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 614, 618 f. 996 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 90. 997 s. o. § 4 I. 3. c) bb) (1) (c). 998 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 89 f.; Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 297; zust. Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 20 f. Demgegenüber mögen Anleiheemissionen mit anderen langfristigen Fremdfinanzierungsmitteln austauschbar sein, vgl. dazu Müller, a. a. O., 88 f.; Immenga, a. a. O., 21; a. A. zu diesem Punkt wohl Möschel, a. a. O. 295 f. Zur Marktabgrenzung existiert eine Kommissionspraxis, die jedoch recht uneinheitlich ist und keine abschließende Definition ermöglicht. In der Entscheidung KOM, 28. 6. 1995, IV/M.597, Rn. 13 f. (Swiss Bank Corporation/S.G. Warburg) analysiert die Kommission die Marktstellung der Parteien in Bezug auf international debt underwriting und international equity underwriting getrennt, was insoweit der hier vertretenen Auffassung entspricht. Ähnlich nahe kommt die Kommission der hier vertretenen Ansicht in KOM, 29. 3. 2000, M.1856, Rn. 11 f. (Citigroup/Schroders), wo sie das Emissionsgeschäft ausdrücklich in die zwei Segmente debt und equity gliedert, jedoch offenlässt, ob es sich dabei um kartellrechtliche Märkte handelt. Weitere Entscheidungen gehen lediglich von einem Markt für „Investmentbanking“ 994
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sonstige typische Investmentbanking-Dienstleistungen, zu denen insbesondere die M&A- und Privatisierungsberatung gehört. Im Verhältnis hierzu ist das Aktienemissionsgeschäft inhaltlich eigenständig und eine Substituierbarkeit scheidet aus Emittentensicht aus.999 Zusammenfassend lässt sich der kartellrechtliche Markt sachlich eingrenzen auf die Begleitung von Aktienemissionen durch Emissionsbanken.1000 Auf diesem Markt erfolgen zwar genau genommen keine Kapitalmarkttransaktionen, die im Fokus dieser Arbeit stehen. Allerdings ist die Marktstellung der Konsortialbanken gegenüber den Emittenten potenziell bedeutsam für ihre Marktstellung beim Absatz der Wertpapiere auf dem Primärmarkt. Da die Emissionsbegleitung neben der gewichtigen Dienstleistungskomponente zudem den (Zwischen-)Erwerb von Wertpapieren umfasst, soll die Beherrschbarkeit des Marktes für emissionsbegleitende Tätigkeiten im Folgenden weiter untersucht werden. Es ließe sich formalistisch argumentieren, dass zudem ein weiterer Markt auszumachen ist, nämlich ein Markt für Eigenkapitalbeschaffung, auf dem die Übernahme der Papiere durch das Konsortium erfolgt. Ein solcher „Eigenkapitalmarkt“ erschiene allerdings als eine gekünstelte Konstruktion. Der Prozess der Eigenkapitalaufnahme im Wege einer Fremdemission ist aus Emittentensicht untrennbar mit dem Engagement eines beratenden Emissionskonsortiums verbunden. Ist die emissionsbegleitende Beratung erfolgreich und kommt es zu einer Emission, so ist der Zwischenerwerb durch das Konsortium eine technische Notwendigkeit des Emissionsprozesses. Funktional sind Emissionskonsortien in diesem Prozess Inaus, lassen jedoch offen, ob dieser in kleinere Segmente zu gliedern ist, so etwa KOM, 11. 3. 1997, IV/M.873 Rn. 18, 21 (Bank Austria/Creditanstalt); KOM, 22. 4. 1999, IV/M.1384, Rn. 6 f. (Deutsche Bank/Bankers Trust); ähnlich KOM, 29. 1. 2010, Comp/M.5726 Rn. 24 (Deutsche Bank/Sal. Oppenheim), wobei in diesem Fall die Parteien nach dem in Rn. 24 wiedergebenen Vortrag entgegen der hier vertretenen Auffassung davon auszugehen scheinen, dass das „Kapitalmarktgeschäft (Börseneinführungen, Emission von Aktien und Anleihen)“ einen einzigen Markt bildet; vgl. ferner Comp/M.2158 Rn. 7 f. (Credit Suisse Group/Donaldson, Lufkin & Jenrette). In der bereits erwähnten Entscheidung Citigroup/Schroders unterteilt die Kommission den Markt für Investmentbanking in „M & A advisory services and securities underwriting“, lässt aber eine nähere Abgrenzung offen; ähnlich KOM, 18. 10. 2005, M.3894, Rn. 33 f. (Unicredito/HVB). Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1116, schließt aus solchen Entscheidungen auf einen eigenen Markt für „Anleihen und Aktienplatzierung (underwriting)“; wiederum einen übergreifenden Markt für „Investmentbanking“ annehmend und eine weitere Unterteilung offenlassend Lettl, in: BuB, 301 f. 999 Dies offenlassend KOM, 29. 1. 2010, Comp/M.5726 Rn. 24 (Deutsche Bank/Sal. Oppenheim); ebenso 9. 10. 2000, Comp/M.2158 Rn. 7 f. (Credit Suisse Group/Donaldson, Lufkin & Jenrette); 6. 8. 2007, Comp/M.4692 Rn. 13 f. (Barclays/ABN Amro); 18. 10. 2005, Comp/ M.3894 Rn. 33 f. (Unicredito/HVB), mit Wiedergabe des Parteivortrags, wonach eine Investmentbank all diese Dienstleistungen anbietet und eine hohe Angebotssubstituierbarkeit besteht. Wie hier auch Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1116; offenlassend Lettl, in: BuB, 301 f. 1000 Ebenso Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 89 f.; Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 20 f.; Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 296 f.; vgl. auch Bueren, WM 2013, 585, 591 („Durchführung von Emissionen).
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termediäre1001 und bieten die einheitliche Dienstleistung der Emissionsbegleitung an. Sachgerechter erscheint es daher, den Markt für Aktienemissionsbegleitung so zu definieren, dass er sowohl die Emissionsbegleitung als auch die darin enthaltene Abnahme der Beteiligungen durch das Konsortium als einheitlich nachgefragte Leistung umfasst. Zumindest nach einer Ansicht kann es auf dem Markt für Aktienemissionsbegleitungen kleinere Teilmärkte geben, da für Emittenten bestimmter Branchen Spezialkenntnisse vonnöten seien, über die nur einzelne Investmentbanken verfügten.1002 Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob solches Sonderwissen die Dienstleistung zu einem nicht substituierbaren Produkt macht und somit kleinere Teilmärkte innerhalb des Marktes für Aktienemissionsbegleitungen denkbar sind. Diese Frage soll hier offengelassen werden. Zur räumlichen Marktabgrenzung lässt sich zwar festhalten, dass das Investmentbanking grundsätzlich nationale Elemente aufweisen kann.1003 Gleichwohl ist speziell im Bereich des Emissionsgeschäftes zu beobachten, dass Emissionsbanken auf einer europäischen oder sogar globalen Ebene miteinander um Emissionen konkurrieren.1004 Es erscheint daher geboten, in räumlicher Hinsicht jedenfalls von einem den Binnenmarkt umfassenden Markt für Aktienemissionsbegleitungen auszugehen.1005 (bb) Primärmarktanleger als Nachfrager Nach der Übernahme der Emission durch das Konsortium werden die emittierten Papiere in einem zweiten Schritt von den Emissionsbanken an die Primärmarktan1001
Vgl. Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 306. Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 614, 617, 619; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 198 f. 1003 s. KOM, 18. 10. 2005, Comp/M.3894 Rn. 42 Fn. 10 (Unicredito/HVB) mit Verweis auf weitere, ältere Entscheidungen, darunter 21. 5. 1992, IV/M.213 insbes. Rn. 14 (Hong Kong & Shanghai Bank/Midland), wo die zwei betrachteten Banken als weitgehend „geographisch komplementär“ eingeschätzt wurden. 1004 KOM, 9. 10. 2000, Comp/M.2158 Rn. 9 (Credit Suisse Group/Donaldson, Lufkin & Jenrette); KOM, 28. 6. 1995, IV/M.597 Rn. 12 (Swiss Bank Corporation/S.G. Warburg). 1005 So auch Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 91; die Kommission geht davon aus, dass manche Investmentbankdienstleistungen eine internationale, andere eine nationale Dimension haben, s. KOM, 28. 3. 2006, IV/M.4155, Rn. 25 (BNP Paribas/BNL). Speziell zur Emissionsbegleitung KOM, 28. 6. 1995, IV/M.597 Rn. 12 (Swiss Bank Corporation/S.G. Warburg); KOM, 9. 10. 2000, Comp/M.2158 Rn. 9 (Credit Suisse Group/Donaldson, Lufkin & Jenrette). Anders jedoch noch KOM, 11. 3. 1997, IV/M.873, Rn. 25 (Bank Austria/ Creditanstalt). In jüngeren Entscheidungen lässt die Kommission eine Präzisierung zum Emissionsgeschäft regelmäßig offen, vgl. etwa KOM, 29. 1. 2010, Comp/M.5726 Rn. 24 (Deutsche Bank/Sal. Oppenheim); vgl. auch bereits KOM, 29. 3. 2000, Comp/M.1856, Rn. 14 (Citigroup/Schroders): „For securities underwriting the parties claim that the geographic scope is considered to be at least European wide if not global, except for transactions on regulated exchanges.“, jedoch im Ergebnis offenlassend; offengelassen auch von Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 198 f.; von nationalen Märkten für Investmentbanking ausgehend Lettl, in: BuB, 302; mit Ausnahme der M&A-Beratung wohl ebenso Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. 1116. 1002
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leger weitergegeben. Auf dem Primärmarkt sind die Anleger Nachfrager und die Emissionsbanken (teils mittels hier außer Betracht gelassener Drittbanken1006) Anbieter des Produktes „Wertpapier“. Kartellrechtlich ist bei derartig mehrstufigen Angebotsmärkten auf den jeweiligen Nachfrager abzustellen.1007 Da die Primärmarktanleger keine emissionsbegleitenden Dienstleistungen nachfragen ist der Markt jedenfalls vom oben geschilderten Markt für Emissionsbegleitungen abzugrenzen. Teilweise wird ohne nähere Begründung angenommen, dass der Primärmarkt kartellrechtlich zudem auch vom Sekundärmarkt zu unterscheiden sei.1008 Andere Literaturstimmen stellen einer solchen Annahme zutreffend die Frage voraus, ob Primärmarktprodukte aus Anlegersicht mit Sekundärmarktprodukten austauschbar sind.1009 Für eine umfassende Austauschbarkeit und somit gegen eine getrennte Betrachtung von Primär- und Sekundärmarkt wird vorgetragen, dass es aus Anlegersicht keinen Unterschied mache, ob Wertpapiere aus einer Neuemission oder dem Sekundärmarkt bezogen werden.1010 Ein Unterschied könne nur bestehen, falls Anleger auf dem Primärmarkt bereit wären, geringere Renditeerwartungen, also einen höheren Preis hinzunehmen. Zudem dürfte ein solches Differenzial nicht unmittelbar durch Angebots- oder Nachfragesubstitution zunichte gemacht werden.1011 Eine andere Literaturstimme betont in diesem Kontext die Relevanz von verhaltenspsychologischen Effekten, die Anleger zu einer beschränkt rationalen Wahrnehmung und Bewertung von Primärmarkttiteln veranlassen. Die Aussicht auf vermeintlich „sichere“ Zeichnungsgewinne in Boomphasen bestimmter Branchen könne dazu führen, dass Anleger beschränkt rational fixiert auf Primärmarkttitel sind.1012 Dafür spreche auch jenseits solcher Phasen das Phänomen des underpricing, auf dessen (nicht abschließend geklärter1013) Grundlage jedenfalls für kurzfristig orientierte Anleger neu emittierte Titel möglicherweise nicht mit Sekundärmarkttiteln austauschbar seien.1014 Richtig ist, dass sich das Produkt „Aktie“ auf dem Primär- und dem Sekundärmarkt objektiv nicht unterscheidet. Gleichwohl sprechen gewichtige Gründe gegen 1006 Vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 206; Groß, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht, Rn. VII. 57; ders., in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hg.), BankrechtsKommentar, 2582. 1007 BGH, Urt. v. 30. 3. 2011 – KZR 6/09, NJW 2011, 2730, 2730 (MAN-Vertragswerkstatt); Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1055. 1008 So Franke, Zuteilungsansprüche, 97; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 199 f.; Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 234 f. 1009 Bueren, WM 2013, 585, 589; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 618 f. 1010 Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 618 f.; so auch Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 937. 1011 Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 618 f. 1012 Bueren, WM 2013, 585, 589, unter Bezugnahme auf S. 588 f. 1013 Vgl. dazu Bingel, Kursstabilisierung, 48 ff. 1014 Bueren, WM 2013, 585, 589.
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eine einheitliche Betrachtung der beiden Märkte. Der Primärmarkt ist außerbörslich, insbesondere das Preisbildungsverfahren ist daher regelmäßig nicht mit dem Sekundärmarkt vergleichbar.1015 Die erwähnten Kursausschläge bei Notierungsaufnahme demonstrieren ungeachtet ihres Ursprunges, dass die Anleger die beiden Märkte unterschiedlich einschätzen. Zudem stehen Papiere auf dem Primärmarkt nicht gesichert zur Verfügung. Das Zeichnen von Wertpapieren steht für Anleger aufgrund der Ungewissheit über den Ausgang der Zuteilung nicht einer Order gleich. Primär- und Sekundärmarkt sind obendrein grundlegend verschieden strukturiert, da der Sekundärmarkt multilateral ist, während am Primärmarkt die Emission von einem einzigen Konsortium zugeteilt wird. Aus den genannten Gründen ist von einer fehlenden Substituierbarkeit von Primär- und Sekundärmarktprodukten auszugehen. Zur weiteren Eingrenzung des Primärmarktes kann hingegen an die oben angestellten Überlegungen zur kartellrechtlichen Marktabgrenzung auf dem Sekundärmarkt angeknüpft werden.1016 Demnach ist nicht zwischen Eigen- und Fremdkapitaltiteln zu unterscheiden. Auf dem kartellrechtlichen Markt befinden sich somit nicht nur Aktien-Neuemissionen, sondern auch Fremdkapitaltitel.1017 Für eine – auch nur ausnahmsweise vorzunehmende – engere Marktabgrenzung haben sich bei der Analyse des Sekundärmarktes keine Gründe gefunden. Es fragt sich jedoch, ob auf dem Primärmarkt eine abweichende Beurteilung gefordert ist. In der Literatur wird vorgebracht, dass auf dem Primärmarkt eine Verengung des Marktes auf bestimmte Papiere mit nicht substituierbaren Merkmalen gerechtfertigt sei. So hätten sich die Anleger speziell von Neuemissionen von Aktien mit Technologiebezug in den 1990er Jahren einzigartige Zeichnungsgewinne versprochen, weswegen sie aus Anlegersicht mit Aktien von Emittenten anderer Branchen nicht austauschbar gewesen seien.1018 In diesem Sinne wurde bereits angemerkt, dass eine Beeinflussung der Nachfrage durch verhaltenspsychologische Effekte auf dem Primärmarkt wahrscheinlicher ist, als auf dem Sekundärmarkt.1019 Entsprechend der oben angestellten Überlegungen können diese Effekte jedoch auch auf dem Primärmarkt nicht zu einer engen Marktabgrenzung führen.1020 Irrational zum Kauf eines Wertpapiers motivierte Anleger mögen zwar besonders geneigt sein, das jeweilige Wertpapier zu kaufen. 1015
s. zur Preisbildung auf dem Primärmarkt o. § 4 II. 2. a). s. o. § 4 I. 3. c) bb). 1017 Wohl ebenso Franke, Zuteilungsansprüche, 122 f.: „der gesamte Kapitalmarkt“; ebenso Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167; im Grundsatz auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 199 f., der allerdings auch eine Verengung des Marktes für möglich hält; anders Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 234 f. 1018 So Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 199 ff.; Bueren, WM 2013, 585, 588; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259; a. A. Hovenkamp, 28 J. Corp. L (2003), 607, 618 f. 1019 s. o. bei und in Fn. 616. 1020 Für den Primärmarkt ebenso Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 618 f. 1016
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Dementsprechend mögen sie auch bereit sein, objektiv nicht gerechtfertigte Wertpapierpreise zu entrichten. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich die konkrete Aktie von der Aktie eines anderen Emittenten so weit unterscheidet, dass sie einem anderen Markt zugerechnet werden könnte, da aus der beschränkt rationalen Perspektive wiederum eine Austauschbarkeit besteht.1021 Insgesamt besteht der Markt daher in sachlicher Hinsicht aus allen Wertpapieremissionen. Regional ist jedenfalls von einem den Binnenmarkt umspannenden Primärmarkt auszugehen.1022 Auch ein mögliches home bias wirkt sich nicht auf diese regionale Dimension aus.1023 Der Markt ist ferner nicht zeitlich durch die Dauer einer konkreten Emission begrenzt, da die einzelne Emission nicht den Markt bildet.1024 (b) Marktbeherrschung Sowohl für den Markt für Aktienemissionsbegleitungen als auch für den Primärmarkt für Wertpapiere ist fraglich, ob eine marktbeherrschende Stellung der Emissionsbanken möglich ist. Da das Konsortium selbst kein Unternehmen ist, könnte allenfalls eine marktbeherrschende Stellung einzelner Emissionsbanken oder eine kollektive marktbeherrschende Stellung1025 mehrerer Emissionsbanken bestehen. Letzteres wäre dann der Fall, wenn die Banken gemeinsam marktbeherrschend sind.1026 (aa) Keine Beherrschung des Marktes für Aktienemissionsbegleitungen Auf dem Markt für Konsortialdienstleistungen sind einige international tätige Investmentbanken sehr stark vertreten.1027 Daher wird teilweise auch von oligopolistischen Tendenzen gesprochen.1028 Sowohl eine Beherrschung dieses Marktes durch einzelne Banken als auch eine kollektive Marktbeherrschung durch mehrere 1021
s. o. § 4 I. 3. c) bb) (1) (c) (cc). Vgl. zu regionalen Tranchen Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 117, der jedoch auch darauf hinweist, dass Aktienemissionen tendenziell global stattfinden; s. auch Schanz, Börseneinführung, 274 f. 1023 s. o. § 4 I. 3. c) bb) (1) (c) (cc). 1024 A.A. Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 117; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen; 199; anders auch Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 235 Fn. 919. 1025 s. dazu EuGH, Urt. v. 16. 3. 2000, ECLI:EU:C:2000:132, Rn. 36 (Compagnie Maritime Belge). 1026 Genauer liegt eine kollektive marktbeherrschende Stellung mehrerer Unternehmen vor, „wenn diese insbesondere wegen der zwischen ihnen bestehenden verbindenden Faktoren die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen“, s. EuG, Urt. v. 7. 10. 1999, ECLI:EU:T:1999:246, Rn. 45 (Irish Sugar), zur gemeinschaftlichen Marktstellung s. auch, Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 79, zum einheitlichen Vorgehen s. ebenda, Rn. 80 ff. 1027 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 204 f. 1028 Vgl. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 532 f. 1022
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Banken kommen jedoch nicht in Betracht. Die Zusammensetzung eines Emissionskonsortiums liegt in der Hand des jeweiligen Emittenten.1029 Die Banken konkurrieren in sogenannten beauty contests um die lukrative Rolle als Konsortialführer und sehen sich dabei einem starken Wettbewerb ausgesetzt.1030 Die Zusammensetzung der Emissionskonsortien unterliegt daher einem kontinuierlichen Wandel.1031 Dieser Umstand hat dazu geführt, dass bei 14 Neuemissionen am deutschen regulierten Markt im Jahr 2015 kein einziges Konsortium in gleicher Zusammensetzung mehr als eine Emission begleitet hat.1032 Zudem sind besonders auf dem europäischen Markt für Konsortialdienstleistungen sehr niedrige Marktzutrittsschranken festzustellen, die eine Marktbeherrschung erschweren.1033 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass einzelne Konsortien allenfalls eine geringe relative Marktstärke aufweisen.1034 Eine marktbeherrschende Stellung einzelner Banken oder eine kollektive Marktbeherrschung durch mehrere Banken erscheinen auf dem Markt für Konsortialdienstleistungen somit praktisch kaum vorstellbar.1035
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Dies gilt, obwohl es im Einzelfall Faktoren geben mag, die einen Emittenten faktisch an bestimmte Banken binden. Dazu gehören etwa seit langem bestehende Geschäftsbeziehungen zwischen Emittent und Emissionsbank, der Austausch von Angestellten sowie die Beziehungen zwischen den einzelnen Banken, s. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 532 ff.; s. auch Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 124. 1030 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 206; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167; zur Auswahl der Konsortialbanken s. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 159 ff.; Schanz, Börseneinführung, 263, 267 ff., s. dort insbes. S. 273, wonach bei der Bemessung der Quote einzelner Konsortialmitglieder verbreitet solche Banken bevorzugt werden, die am beauty contest teilgenommen haben und sich dabei positiv hervorgetan haben. 1031 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 205; vgl. dazu jedoch Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 533 („keine hohe Fluktuation“). Eine stets wechselnde Zusammensetzung der Emissionskonsortien lässt sich exemplarisch anhand der im Jahr 2015 am deutschen regulierten Markt erfolgten Neuemissionen feststellen. Demnach waren bei den 14 Neumissionen im Jahr 2015 insgesamt 27 Emissionsbanken beteiligt. Dabei waren nur elf Banken an drei oder mehr Emissionen und zwei Banken an sechs Emissionen beteiligt (Daten von ipo.onvista.de [abgerufen ab 26. 9. 2016]). Daraus lässt sich auch nicht etwa auf eine marktbeherrschende Stellung einzelner Emissionsbanken schließen. An jeder Emission sind mehrere Konsortialbanken beteiligt, was die Marktmacht einzelner Banken begrenzt. 1032 Abgleich der Konsortialbanken auf www.deutsche-boerse-cash-market.com/dbcm-de/in strumente-statistiken/statistiken/primaermarktstatistiken (abgerufen am 27. 12. 2018). 1033 Näher Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 212 ff. 1034 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 119. 1035 Zum selben Ergebnis kommt Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 214 f.; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 119; ausgenommen sei wieder die im Einzelfall nicht auszuschließende Konstellation, dass eine Gruppe von Investmentbanken über branchenspezifisches Knowhow verfügt, das zu einer fehlenden Substituierbarkeit ihrer Dienstleistungen führt, s. o. § 4 II. 2. c) bb) (2) (a) (aa).
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(bb) Keine Beherrschung des Primärmarktes Es fragt sich, ob eine marktbeherrschende Stellung auf dem Primärmarkt möglich ist. Wie oben dargelegt, ist das Konzept der Marktbeherrschung jedenfalls nicht auf sekundäre Wertpapiermärkte übertragbar.1036 Auf dem Primärmarkt gibt es jedoch eine andere Ausgangssituation: Anders als auf dem Sekundärmarkt gehen Handelsvorgänge hier stets nur in „eine Richtung“, da die Emissionsbanken immer1037 in der Rolle des Anbieters sind. Die Struktur des Primärmarktes ist daher nicht in einer mit dem Sekundärmarkt vergleichbaren Weise multilateral.1038 Der Vorgang der Emissionsbegleitung lässt sich zudem – anders als Transaktionen an Sekundärmärkten1039 – als Teilhabe an einer Wertschöpfungskette begreifen. Eine unterstellte Emissionsbank, die auf Dauer alle neu emittierten Aktien auf dem Primärmarkt veräußern würde, hätte wohl unzweifelhaft ein Monopol inne. Primärmärkte sind in dieser Hinsicht strukturell nicht mit Sekundärmärkten vergleichbar. Eine Marktstellung kann vor diesem Hintergrund – anders als auf Sekundärmärkten – etwa auf der Grundlage einer in Prozent messbaren Beteiligung eines Konsortiums oder eines Konsorten an den (Primär-)marktweit platzierten Aktien ausgemacht werden. Die Marktstellung des Emittenten selbst ist auf dem Primärmarkt für Wertpapiere hingegen irrelevant.1040 Im Ergebnis ist jedoch auch nach dem Gesagten eine gemeinschaftliche marktbeherrschende Stellung durch mehrere Banken fernliegend. Zur Ermittlung der Marktstellung auf dem Primärmarkt geht eine Literaturstimme davon aus, dass es eine direkte Beziehung zur Marktstellung der Banken auf dem Markt für Konsortialdienstleistungen gebe. Auf diesen Schluss gestützt verneint sie die Möglichkeit einer marktbeherrschenden Stellung.1041 Dagegen ist einzuwenden, dass die beiden Märkte schon regional nicht zwangsläufig übereinstimmen. So mag es etwa Investmentbanken geben, die am Sitz eines konkreten Emittenten keine Emissionsdienstleistungen anbieten. Für Anleger an diesem Ort mag hingegen der grenzüberschreitende Erwerb einer im Tätigkeitsgebiet solcher Investmentbanken neu emittierten Aktie in Betracht kommen. In sachlicher Hinsicht kann es ähnliche Divergenzen geben.1042 Das Angebot von Emissionsdienstleistungen stimmt folglich nicht immer mit der Nachfrage auf dem Primärmarkt überein. Die Argumente, die gegen eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Konsortialdienstleis1036
s. dazu o. § 4 I. 3. c) cc). Anders liegt dies etwa bei Stabilisierungskäufen, die aber nicht auf dem Primärmarkt stattfinden, dazu umfassend u. § 4 II. 3. 1038 Zu Primärmärkten als bilateralen Märkten Spremann, Wirtschaft und Finanzen, 59. 1039 s. o. § 2 III. 2. b) bb); § 4 I. 3. c) bb) (c) (aa). 1040 Zu § 19 GWB vgl. Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 100. 1041 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 200 Fn. 951, 215. 1042 Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 614, 619, weist darauf hin, dass für bestimmte Transaktionen besondere Spezialkenntnisse einer Emissionsbank nötig sein mögen, wohingegen auf dem Primärmarkt alle Aktien miteinander konkurrieren. 1037
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tungen vorgebracht wurden, sind jedoch auch in diesem Zusammenhang gültig. Zur Marktabgrenzung wurde bereits Stellung genommen. Eine starke kollektive Marktstellung mehrerer Banken ist auf dem Primärmarkt angesichts der Größe dieses Marktes ausgeschlossen.1043 Eine Einzelmarktbeherrschung durch einzelne Banken erscheint noch weniger wahrscheinlich, da die Konsorten bereits nur einen Teil der Emission übernehmen und somit bei den einzelnen Transaktionen nur vernachlässigbare Anteile am Primärmarkt erlangen.1044 (3) Missbrauchshandlung Es ist für beide untersuchte Märkte fernliegend, dass Emissionsbanken eine marktbeherrschende Stellung i. S. d. Art. 102 AEUV erlangen. Nur in hier nicht auszuschließenden Einzelfällen auf speziellen Teilmärkten für branchenspezifische Emissionsbegleitungen mag etwas anderes gelten. Daher soll nur knapp auf die denkbaren Missbrauchshandlungen eingegangen werden. In der Literatur wurde verschiedentlich über einen Behinderungsmissbrauch durch eine Abschottung von Emissionskonsortien gegenüber außenstehenden Banken nachgedacht.1045 Diese Verhaltensweise hat jedoch keinen engen Bezug zu Kapitalmarkttransaktionen und soll daher hier außer Betracht bleiben.1046 Eine weitere denkbare Missbrauchshandlung der Konsortien ist das Verlangen überhöhter Provisionen von Emittenten für die Durchführung der Emissionstätigkeit.1047 Zum Preishöhenmissbrauch und dessen in der Praxis nur unter großen Schwierigkeiten nachweisbaren Tatbestandsmerkmalen sei auf oben verwiesen.1048 Des Weiteren könnte im Verhältnis Konsortialbank-Anleger ein Ausbeutungsmissbrauch in Form eines Preishöhen1043 Vgl. Franke, Zuteilungsansprüche, 98, 122 f.; Hovenkamp, 28 J. Corp. L (2003), 607, 614; auch Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 215, hält eine marktbeherrschende Stellung für ausgeschlossen; a. A. Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 116 f.; a. A. wohl auch für den Primärmarkt Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259. 1044 Eine marktbeherrschende Stellung durch eine einzelne Bank ablehnend auch Franke, Zuteilungsansprüche, 122 f. 1045 Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 20 ff., Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 285 ff.; Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 124; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 110 ff. 1046 Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 124, weist darauf hin, dass Ansprüche auf Aufnahme außenstehender Banken in der Praxis bisher nicht relevant geworden sind. Die Ursachen verortet er zunächst in der Anpassungsfähigkeit der Emissionskonsortien. Außerdem setze sich ein Konsortium stets nach dem Wunsch des jeweiligen Emittenten zusammen, gegen den kartellrechtlich nicht vorgegangen werden könne. 1047 Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 20 ff., Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 110 ff., Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 218 f.; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 611 ff. 1048 s. o. § 4 I. 3. d) aa); den Preishöhenmissbrauch verneint aufgrund dieser Schwierigkeiten Immenga, Die Stellung der Emissionskonsortien, 22 f.
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missbrauches durch das Verlangen überhöhter Wertpapierpreise vorliegen.1049 Es wurde allerdings schon ausgeführt, dass der Nachweis überhöhter Preise am Kapitalmarkt nicht zu führen ist und überhöhte Preise hier allenfalls auf Informationsasymmetrien oder Manipulationshandlungen zurückzuführen sind.1050 Dies ist umfassend auf den Primärmarkt anzuwenden.1051 Statt Monopolpreisen wird am Primärmarkt zudem regelmäßig ein underpricing beobachtet.1052 (a) Diskriminierende Anlegerauswahl Von Interesse ist hier jedoch eine mögliche Missbrauchshandlung im Zusammenhang mit der Selektion der Anleger bei der Zuteilung einer überzeichneten Emission, da diese Verhaltensweise auch vom Kapitalmarktrecht gesteuert wird.1053 Werden bestimmte Anleger nicht oder nur teilweise berücksichtigt, so kommt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV sowie eine missbräuchliche Geschäftsverweigerung gem. Art. 102 Abs. 1 AEUV in Betracht. Daran ließe sich sowohl bei einer Bevorzugung institutioneller Anleger gegenüber Privatanlegern, als auch einzelner institutioneller oder privater Anleger gegenüber anderen denken.1054 Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV verbietet dem Marktbeherrscher die „Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden“. Die Norm bezweckt einen Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen durch diskriminierendes Geschäftsgebaren des Marktbeherrschers auf vor- oder nachgelagerten Märkten.1055 Sie beinhaltet daher im Wesentlichen ein Gebot für den Marktbeherrscher, vergleichbaren Abnehmern und Lieferanten gleiche Preise und Konditionen einzuräumen.1056 Es ist umstritten, ob auch eine diskriminierende 1049
Vgl. Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 219; ablehnend Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 118. 1050 s. o. § 4 I. 3. d); vgl. ferner o. § 4 II. 2. b) cc). 1051 Einen Ausbeutungsmissbrauch auf dem Primärmarkt halten wohl für denkbar Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259, die aber für die von ihnen befürwortete Marktverengung auf dem Primärmarkt thematisch bedingt neben dem cornering bzw. short squeezes keine weiteren Missbrauchshandlungen besprechen, sodass ein vom Emissionskonsortium begangener Ausbeutungsmissbrauch nicht problematisiert wird. 1052 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 118, schließt aus der Existenz von underpricing, dass kein Monopolpreis gefordert wird. 1053 s. o. § 4 II. 2. b) bb). 1054 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 219. 1055 EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 143 (British Airways); Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 273; Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 132. 1056 Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 207; in der Literatur ist umstritten, ob die „gleichwertigen Leistungen“ solche des Marktbeherrschers oder des Handelspartners sind, vgl. dazu Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 379 m. w. N. Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 219 f. verweist für eine unzulässige Diskriminierung auf den Fall, dass einzelne Primärmarktanleger erhöhte Gebühren zu entrichten haben. Zivilrechtliche Streitigkeiten um sog. „Zeichnungsgebühren“ sind bekannt
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Auswahl von Geschäftspartnern tatbestandsmäßig sein kann. Dagegen wird maßgeblich vorgebracht, dass es sich dogmatisch betrachtet um eine missbräuchliche Geschäftsverweigerung handele.1057 Für die Einschlägigkeit des Tatbestandes spricht jedoch, dass bei der Anwendung unterschiedlicher Konditionen sowie der diskriminierenden Geschäftsverweigerung das gleiche diskriminierende Verhalten zu beobachten ist.1058 Hat das marktbeherrschende Unternehmen bereits einen Markt für das betroffene Produkt eröffnet, so muss daher neben der Anwendung diskriminierender Konditionen die selektive, sachlich ungerechtfertigte Verweigerung der Geschäftsaufnahme erst recht tatbestandsmäßig sein.1059
in Bezug auf Provisionen im Verhältnis zwischen Anleger und als Kommissionär vermittelnden Banken ohne Einfluss auf das Zuteilungsverfahren, vgl. nur BGH, Urt. v. 28. 1. 2003 – XI ZR 156/02, BKR 2003, 340. Nach OLG Köln, Urt. v. 26. 6. 2002, 13 U 165/01, BKR 2002, 914, ist eine formularmäßig vereinbarte Zeichnungsgebühr, die auch bei Nichtzuteilung fällig wird, jedenfalls dann als den Kunden unangemessen benachteiligend unzulässig, wenn die Bank Konsortialbank ist bzw. die Formulierung der Klausel auch für den Fall gelten würde, dass die Bank Konsortialbank ist. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine durch die Konsortialbanken verlangte Zeichnungsgebühr für den Fall der Berücksichtigung bei der Zuteilung grundsätzlich zulässig ist. 1057 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 377 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 321); ähnlich Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 158; Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 483 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 377); gegen eine Anwendbarkeit des Tatbestandes auf die de novo-Lieferverweigerung auch Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 279 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 209); den Anwendungsbereich von Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUVausschließlich im Bereich der Preisdiskriminierung sehend auch Geradin/Layne-Farrar/ Petit, EU Competition Law and Economics, 293 ff. 1058 Weiß, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 58. 1059 Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV anwendend auch die KOM, 29. 10. 1981, IV/29.839, ABl. 1981 L 370, 49, Rn. 48 ff. (GVL); anders jedoch wiederum in ihrer Stellungnahme in EuGH, Urt. v. 26. 11. 1998, ECLI:EU:C:1998:569, Rn. 30 (Bronner); vgl. zudem EuGH, Urt. v. 30. 4. 1974, ECLI:EU:C:1974:40, Rn. 17 (Sacchi); EuGH, Urt. v. 2. 3. 1983, ECLI:EU:C:1983:52 (GVL), wo jedoch die Generalklausel des Art. 102 Abs. 1 AEUV angewendet wurde, s. Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 248; s. auch Brand, in: FKKartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 469, auch Rn. 377; wie hier auch Weiß, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 59; Kling/Thomas, Kartellrecht, 247; Huttenlauch/Lübbig, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 210; Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung, Rn. 377 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 483); Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 209 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 279); Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 321 (s. jedoch im Widerspruch dazu Rn. 377); vgl. auch Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 274, die eine Tatbestandsmäßigkeit der Geschäftsverweigerung als Diskriminierung wohl nur dann anerkennen wollen, wenn zusätzlich ein Kontrahierungszwang besteht, dagegen jedoch überzeugend Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 209, der hervorhebt, dass nach den allgemeinen Grundsätzen über das Verhältnis der verschiedenen Missbrauchsformen nicht stets die strengstmögliche Missbrauchsform verwirklicht sein muss; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, 59. EL 2016, Art. 102 AEUV Rn. 193 (Anwendung der Generalklausel).
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Gleichwohl ist fraglich, ob der Tatbestand auf die Zuteilungssituation am Primärmarkt angewendet werden kann. „Handelspartner“ sind andere Unternehmen, die (potenziell) Zulieferer oder Abnehmer des Marktbeherrschers darstellen.1060 Damit sind Privatanleger zwar vom Tatbestand der Norm ausgenommen,1061 diese sind allerdings über die Generalklausel des Art. 102 Abs. 1 AEUV geschützt.1062 Das Diskriminierungsverbot verbietet jedoch keine sachlich begründeten Ungleichbehandlungen,1063 und deckt sich insoweit mit dem oben dargestellten Gleichbehandlungsgebot im Rahmen des Kapitalmarktrechts.1064 Die Kriterien, nach denen üblicherweise zwischen Anlegern differenziert wird, haben, wie aufgezeigt, eine objektive Rechtfertigung und sind regelmäßig nicht unsachlich diskriminierend.1065 Neben dieser Gemeinsamkeit unterscheidet sich das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot dahingehend vom Kapitalmarktrecht, dass gem. Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV die diskriminierten Handelspartner durch die Diskriminierung „im Wettbe1060 Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 274; vgl. auch EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 143 (British Airways); a. A. Akman, 32 E.L.R. (2007), 492, 497 f. (auch Verbraucher können Handelspartner sein), zur Anwendbarkeit des Tatbestandes auf potenzielle Handelspartner s. die Literatur zur Anwendbarkeit des Tatbestandes auf die Geschäftsverweigerung, o. Fn. 1059. 1061 Die Diskriminierung von Verbrauchern ist nicht erfasst, s. Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 276; Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 482; a. A. Akman, 32 E.L.R (2007), 492 ff., Privatanleger erfüllen wegen der privaten Natur ihrer Tätigkeit regelmäßig nicht den funktionalen Unternehmensbegriff, sondern stellen Verbraucher dar, vgl. Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 16; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 241, dies deckt sich mit dem Verbraucherbegriff im deutschen Recht, s. dazu BGH, Urt. v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368; BGH, Urt. v. 25. 1. 2011 – XI ZR 350/08, WM 2011, 548, 550; vgl. zum deutschen Kartellrecht auch Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 119 f., der die Unternehmenseigenschaft von Privatanlegern jedenfalls für nicht fernliegend hält. 1062 So die Auffassung der KOM, 20. 7. 1999, IV/36.888, ABl. 2000, L 5, 55, Rn. 89 ff., insbes. Rn. 99 f. (Fußball-WM 1998), gestützt auf EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 26 (Continental Can); zust. Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 482; wohl ebenso De Bronett, in: Wiedemann (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 1301; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 375 (Diskriminierung von Verbrauchern als Ausbeutungstatbestand, wohl aber gestützt auf die Generalklausel); ebenso Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 210; a. A. Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 276 (Diskriminierung von Endverbrauchern ausschließlich als Ausbeutungsmissbrauch in Form des Preishöhenmissbrauchs denkbar); zust. Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 134; a. A. auch Huttenlauch/Lübbig, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 209 (keine Anwendung des Diskriminierungstatbestandes). 1063 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 204 ff., insbes. Rn. 208/214, 223 – 234 (United Brands); Huttenlauch/Lübbig, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 205 f.; Fuchs/Möschel, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 380. 1064 s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (c). 1065 s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (c); eine Diskriminierung ohne sachlichen Grund liegt daher nicht vor, wenn die o.g. Zuteilungsverfahren eingehalten werden, ebenso Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 120 f.
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werb benachteiligt werden“ müssen. Gemeint ist, dass sie im Verhältnis zu ihren eigenen Konkurrenten Wettbewerbsnachteile erleiden,1066 was jedoch regelmäßig bereits aus der Diskriminierung geschlossen wird.1067 Unter Zugrundlegung der hier befürworteten weiten Marktabgrenzung ist ein Wettbewerbsnachteil gleichwohl fernliegend.1068 So erleidet ein nicht berücksichtigter Zeichner bereits keinen Wettbewerbsnachteil, da er auf dem Kapitalmarkt sein Anlageinteresse mit zahllosen anderen Produkten befriedigen kann.1069 Daneben ist es jedem Anleger möglich, das jeweilige Wertpapier am Sekundärmarkt zu beziehen.1070 Selbst wenn man den Markt auf eine konkrete Emission beschränken wollte, ist ein Wettbewerbsnachteil kaum auszumachen. Die Anleger eines konkreten Emittenten stehen jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne im Wettbewerb miteinander, da eine positive Gesamtentwicklung allen Beteiligten zugutekommt.1071 Das Nicht-Erlangen eines konkreten Wertpapiers führt daher nicht dazu, dass ein Anleger in einem nach der Zuteilung andauernden Wettbewerbsprozess mit anderen Anlegern schlechter stünde. Erneut sei auf die Möglichkeit verwiesen, das Wertpapier am Sekundärmarkt zu erlangen. Der erlittene Nachteil beschränkt sich daher ausschließlich auf die verpasste Chance auf den (möglichen) Zeichnungsgewinn.1072 Ein bloßer Nachteil reicht jedoch für die Tatbestandsverwirklichung nicht aus, es muss sich um einen Wettbewerbsnachteil handeln, was sich aus der Zielsetzung des Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV ergibt, den 1066 EuGH, Urt. v. 16. 12. 1975, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 524 f. (Suiker Unie); EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 144 (British Airways); s. auch KOM, 20. 10. 2004, Comp/38.745, Rn. 93 (BdKEP), wonach der Wettbewerbsnachteil auch „gegenüber dem marktbeherrschenden Unternehmen selbst“ oder durch eine wirtschaftliche Beschädigung eintreten kann, die den Abnehmer generell in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt; vgl. dazu Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 214. 1067 EuGH, Urt. v. 16. 12. 1975, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 524 f. (Suiker Unie); EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 227/233 f. (United Brands); EuG, Urt. v. 9. 9. 2009, ECLI:EU:T:2009:317, T-301/04, Rn. 194 (Clearstream); EuGH, Urt. v. 15. 3. 2007, ECLI:EU:C:2007:166, Rn. 145 (British Airways), wo ausdrücklich auf den Nachweis einer tatsächlichen Schlechterstellung im Wettbewerb verzichtet wird; vgl. dazu Eilmansberger/ Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 290; Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 215; kritisch de la Mano/Nazzini/Zenger, in: Faull/Nikpay (Hg.), The EU Law of Competition, 531 ff. 1068 Auch wenn der Nachweis eines tatsächlichen Wettbewerbsnachteils grundsätzlich nicht erforderlich ist, kann eine Tatbestandsverwirklichung bei erwiesenem Fehlen eines solchen nicht angenommen werden, vgl. Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 486 f. Die geringen Anforderungen der Unionsgerichte an den Nachweis einer Benachteiligung lassen sich vielmehr dadurch erklären, dass eine Ungleichbehandlung von Handelspartnern regelmäßig zu einer Benachteiligung des Schlechtergestellten im Wettbewerb führt, s. Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 215; ähnlich Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 299 die die geringen Beweisanforderungen im Falle einer secondary line discrimination (zum Begriff ebenda, 293) für unproblematisch halten. 1069 Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 118 f. 1070 Ebenda, 118 f. 1071 Ebenda, 118. 1072 Ebenda, 118 f.
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Wettbewerb zwischen den Handelspartnern des Marktbeherrschers zu schützen.1073 Insgesamt ist das Diskriminierungsverbot daher auf die Zuteilungssituation nicht sinnvoll anzuwenden. Ungeachtet der Diskriminierung kommt eine Verwirklichung des Tatbestandes einer missbräuchlichen Geschäftsverweigerung gem. Art. 102 Abs. 1 AEUV1074 in Betracht.1075 Es wurde bereits im Rahmen des Preishöhenmissbrauchs ausgeführt, dass ein Eingriff in die Vertragsfreiheit in Form der Abschlussfreiheit im Zusammenhang mit Wertpapieren besonders schwer wiegt, da es sich bei Wertpapieren um ein endliches Produkt handelt, das der Veräußerer nicht etwa nachproduzieren kann – ein Kontrahierungszwang würde dazu führen, dass der Veräußerer seine Position zu Gunsten des Erwerbers vollständig aufgeben muss.1076 Auf diese teleologischen Bedenken kommt es jedoch nicht an, wenn bereits die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Geschäftsverweigerung nicht erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte ist für eine missbräuchliche Lieferverweigerung1077 zunächst erforderlich, dass das nachgefragte Produkt auf einem abgeleiteten Markt unentbehrlich ist. Zudem müsste die Lieferverweigerung geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt durch den Nachfrager auszuschalten. Zuletzt darf die Verweigerung nicht objektiv gerechtfertigt sein.1078 Diese Vorausset1073 So de la Mano/Nazzini/Zenger, in: Faull/Nikpay (Hg.), The EU Law of Competition, 531 f.; vgl. dazu auch Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 298 f. 1074 Normativ folgt das Verbot der missbräuchlichen Geschäftsverweigerung aus Art. 102 Abs. 1 AEUV sowie aus Abs. 2 lit. b) und c), vgl. Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 352; Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 247 f.; vgl. auch Sasinowska, EuZW 2013, 539, 543, die darauf hinweist, dass sich die Geschäftsverweigerung sowohl unter die Generalklausel als auch unter die Regelbeispiele des Art. 102 Abs. 2 a), b) und c) AEUV subsumieren lässt. 1075 Diese beiden Tatbestände können gleichzeitig verwirklicht werden, vgl. dazu EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 182/183 (United Brands); Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 630; Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 8. 1076 s. o. § 4 I. 3. d) cc). 1077 Aus der unionsgerichtlichen Rechtsprechung lassen sich drei Fallgruppen herausbilden, deren rechtliche Behandlung ineinander übergeht. Zu unterscheiden ist die hier einschlägige Geschäftsverweigerung im eigentlichen Sinne (Verweigerung der Geschäftsaufnahme sowie Geschäftsabbruch), der Zugang zu einer essential facility, sowie die Erlangung von Lizenzen an Immaterialgüterrechten und Knowhow, s. Brand, in: FK-Kartellrecht, 75. Lfg. Okt. 2011, Art. 102 AEUV Missbräuchliche Ausnutzung Rn. 355. Vgl. auch die beispielhaft von der Kommission genannten Fallgruppen in der Prioritätenmitteilung zum Behinderungsmissbrauch, ABl. 2009 C 45, 18, Rn. 78, allerdings werden die verschiedenen Fallgruppen nach der Prioritätenmitteilung anhand eines grundsätzlich einheitlichen Konzepts beurteilt, Rn. 81 ff., s. Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 153. 1078 EuG, Urt. v. 9. 9. 2009, ECLI:EU:T:2009:317, Rn. 147 (Clearstream); EuGH, Urt. v. 3. 10. 1985, ECLI:EU:C:1985:394, 25 f. (CBEM/CLT und IPB); EuGH, Urt. v. 26. 11. 1998, ECLI:EU:C:1998:569, Rn. 41 (Oscar Bronner); Kling/Thomas, Kartellrecht, 233; Bulst, in: Langen/Bunte, Art. 102 AEUV Rn. 281; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 322; vgl. auch die Prioritätenmitteilung der Kommission, ABl. 2009 C 45, 18, Rn. 75 ff.
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zungen sind im Falle der Zuteilung einer Wertpapieremission jedoch nicht gegeben. Betrachtet man den Sekundärmarkt für Wertpapiere als den relevanten abgeleiteten Markt, so sind die auf dem Primärmarkt zugeteilten Wertpapiere schon nicht für die Tätigkeit auf diesem Markt unentbehrlich, da der Handel auf dem Sekundärmarkt nach der weiten Marktabgrenzung mit zahllosen weiteren Wertpapieren betrieben werden kann. Zudem kann das gewünschte Wertpapier auch auf dem Sekundärmarkt bezogen werden. Ferner befinden sich die Anleger eines bestimmten Papieres, wie dargestellt, genau genommen nicht im Wettbewerb miteinander, sodass die wettbewerblichen Folgen einer Lieferverweigerung selbst bei einer unterstellten engen Marktabgrenzung diffus bleiben.1079 Insgesamt ist daher auch die Fallgruppe der missbräuchlichen Geschäftsverweigerung nach Art. 102 Abs. 1 AEUV für den Fall der Nichtberücksichtigung bei der Zuteilung einer Neuemission nicht einschlägig. (b) Kopplung Bei der bereits erwähnten „Kopplung“ von Primärmarktprodukten mit weiteren, unattraktiveren Leistungen1080 ist an die Missbrauchshandlung des Art. 102 Abs. 2 lit. d) AEUV zu denken.1081 Ein Missbrauch kann nach dieser Tatbestandsalternative bestehen in „der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“ Problematisch an dieser Verhaltensweise ist, dass sie die Entschließungsfreiheit der Marktgegenseite beschneidet, da einem Nachfrager des marktbeherrschend angebotenen Produktes die Möglichkeit genommen wird, das gekoppelte Produkt nicht oder von einem anderen Anbieter zu erwerben.1082 Der zentrale ökonomische Einwand gegen solche Praktiken ist jedoch die Sorge, dass der Marktbeherrscher seine Monopolmacht auf einen anderen, zunächst nicht beherrschten Markt ausweiten könnte (monopoly leveraging).1083 Insbesondere von den Vertretern der Chicago School wurde zwar vorgebracht, dass dies nicht plausibel ist, sondern stets nur die Monopolrenten für eine einzige marktbeherrschende Stellung eingefahren werden können und Produzenten daher aus anderen Gründen Kopplungen vorneh-
1079
Vgl. dazu die Argumentation zur Missbrauchshandlung Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV m. w. N. 1080 s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (c) sowie u. § 4 II. 2. c) cc) (3) (c). 1081 Eine Tatbestandsmäßigkeit bejahend und die Verhaltensweise bei diskriminierendem Vorgehen zudem unter Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV subsumierend Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 219 f.; zur Kopplung umfassend Bueren, WM 2013, 585, der zwar auf S. 587 kurz auf einseitige Kopplungspraktiken eingeht, die Verhaltensweise jedoch im Übrigen an Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV misst. 1082 Busche, in: KK-Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 120; KOM, 22. 12. 1987, IV/30.787 und 31.488, Rn. 75 (Eurofix-Bauco/Hilti); Eilmansberger/Bien, in: MüKo-EuWettbR, Art. 102 AEUV Rn. 452. 1083 Jones/Sufrin, EU Competition Law, 475.
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men (single monopoly profit theorem).1084 Von der jüngeren Literatur wird dies hingegen differenzierter gesehen.1085 Demnach trifft die Aussage der Chicago School jedenfalls nur dann zu, wenn auf dem Markt für das gekoppelte Produkt vollkommener Wettbewerb herrscht.1086 Da der Wettbewerb um Sekundärmarktprodukte besonders intensiv ist, könnte speziell die Kopplung eines Primärmarktproduktes mit einem Sekundärmarktprodukt bereits auf der Grundlage des single monopoly profit theorem ökonomisch unproblematisch sein. Nach den oben angestellten Überlegungen ist eine Marktmachtübertragung auf den Sekundärmarkt in jedem Fall deshalb ausgeschlossen, weil auf dem Sekundärmarkt konzeptionell keine Marktmacht erlangt werden kann.1087 Im Ergebnis kommt es hier aber weder darauf noch auf eine genaue Subsumtion unter die unionsgerichtliche Fallpraxis1088 an, da schon eine marktbeherrschende Stellung auf dem Primärmarkt (und dem Markt für Emissionsbegleitungen) fernliegt. Auf weitere Details des „Kopplungstatbestandes“ wird noch im Zusammenhang mit dem wortlautidentischen Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV einzugehen sein.1089 (c) Fazit Die untersuchten Verhaltensweisen stellen keine missbräuchlichen Handlungen i. S. d. Art. 102 AEUV dar. (4) Fazit zu Art. 102 AEUV Die untersuchten Verhaltensweisen von Aktienemissionskonsortien verstoßen nicht gegen Art. 102 AEUV. Auf dem Markt für Emissionsbegleitungen ist eine marktbeherrschende Stellung der Emissionsbanken fernliegend. Für den Primärmarkt konnte zwar festgehalten werden, dass hier anders als auf dem Sekundärmarkt eine echte Marktstellung der Emissionsbanken beobachtet und gemessen werden kann, sodass das Konzept einer marktbeherrschenden Stellung prinzipiell anwendbar scheint. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass die Konsortialbanken einzeln oder 1084
Zur Chicago School umfassend O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 602 f., zu möglichen effizienzbasierten Motivationen ebenda, 599 ff.; s. auch o. Fn. 104. 1085 Zu Post Chicago vgl. O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 602 ff.; ein zentraler Vertreter ist Whinston, 80 Am. Econ. Rev. (1990), 837; vgl. ferner Elhauge, 123 Harv. L. Rev. (2009), 399; Kerber/Schwalbe, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 483 ff.; Jones/Sufrin, EU Competition Law, 476. 1086 O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 603. 1087 s. o. § 4 I. 3. c) cc). 1088 s. insbesondere EuG, Urt. v. 12. 12. 1991, ECLI:EU:T:1991:70 (Hilti); im Anschluss daran EuGH, Urt. v. 2. 3. 1994, ECLI:EU:C:1994:77 (Hilti); EuGH, Urt. v. 14. 11. 1996, ECLI:EU:C:1996:436 (Tetra Pak); EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, ECLI:EU:T:2007:289 (Microsoft); hierzu sowie zu weiteren Urteilen und Verfahren ausführlich Jones/Sufrin, EU Competition Law, 477 ff.; s. ferner auch die Prioritätenmitteilung der Kommission zu Art. 82 EGV, ABl. 2009 C 45, 2, Rn. 47 – 62; dazu Jones/Sufrin, a. a. O., 493 ff. 1089 s. u. § 4 II. 2. c) cc) (3) (c).
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kollektiv zu Marktbeherrschern werden. Ferner kann in keiner der untersuchten Verhaltensweisen eine Missbrauchshandlung i. S. d. Art. 102 AEUV ausgemacht werden. cc) Art. 101 AEUV und Aktienemissionen Der Zusammenschluss und die Tätigkeit des Emissionskonsortiums sollen schließlich anhand des Kartellverbots des Art. 101 AEUV geprüft werden. Zur Verwirklichung des Binnenmarktes wird ein System unverfälschten Wettbewerbes angestrebt.1090 Art. 101 AEUV ist dabei neben Art. 102 AEUV sowie der FKVO die dritte Säule des EU-Kartellrechts.1091 Anders als Art. 102 AEUV erfasst diese Norm keine einseitigen Verhaltensweisen marktmächtiger Unternehmen, sondern wendet sich gegen wettbewerbsbeschränkende „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“. Die Norm verbietet unternehmerische Kooperationsformen, die dem Grundsatz einer selbständigen Teilnahme am Wettbewerb widersprechen.1092 Art. 101 AEUV schützt auch den Wettbewerb als solchen.1093 Neben horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen können auch vertikale Koordinationsformen von der Vorschrift erfasst sein, was etwa bei Vertriebsabsprachen relevant ist.1094 Art. 101 Abs. 3 AEUV enthält einen Freistellungstatbestand für solche Verhaltensweisen, die zwar von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst sind, jedoch in näher bestimmter Weise effizienzfördernd sind.1095 Nach dem System der Legalausnahme (vgl. Art. 1 VO (EG) Nr. 1/2003) gelten sowohl das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV als auch die Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ipso iure und es bedarf dazu keiner ent-
1090 s. zu der Verankerung dieses Zieles in Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb bereits o. Fn. 118. 1091 Roth/Ackermann, FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 1. 1092 s. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 210; der EuGH verweist hierzu regelmäßig auf das sog. Selbständigkeitspostulat, wonach „den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages […] der Gedanke zugrunde [liegt], dass jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt.“, s. EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 52 (Asnef-Equifax und Administración del Estado); EuGH, Urt. v. 28. 5. 1998, ECLI:EU:C:1998:256, Rn. 86 f. (Deere). 1093 EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 38 (T-Mobile Netherlands); EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, ECLI:EU:C:2009:610, Rn. 63 (GlaxoSmithKline Services); str., vgl. Füller, in: KK-Kartellrecht Art. 101 AEUV Rn. 203, 168 ff.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 284 f. m. w. N. 1094 s. dazu bereits EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, ECLI:EU:C:1966:41, S. 388 (Consten und Grundig). 1095 Vgl. dazu etwa Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101, 97 Rn. 33: „Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken, können durch ihre Effizienzgewinne gleichwohl wettbewerbsfördernde Wirkungen haben.“
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sprechenden Entscheidung.1096 Für verbotene Vereinbarungen oder Beschlüsse statuiert Art. 101 Abs. 2 AEUV eine Nichtigkeitssanktion. Art. 101 AEUV kommt im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Emissionskonsortiums schon deshalb in Betracht, weil sich das Konsortium aus direkten Wettbewerbern zusammensetzt.1097 Die Konsortialbanken arbeiten bei der Emission nicht selbständig am Markt, sondern gemeinsam mit den übrigen Konsorten. Dabei koordinieren die Banken ihr Verhalten sowohl untereinander als auch mit dem Emittenten in Bezug auf zahlreiche Wettbewerbsparameter. Der Emissionspreis der Wertpapiere wird von den Banken untereinander (horizontal) sowie mit Emittenten (vertikal) abgesprochen. Zudem einigen sich die Konsorten auf Quoten, anhand derer sie die Emission untereinander aufteilen. Des Weiteren werden zwischen Konsortialbanken und dem Emittenten Absprachen über die Auswahl der Anleger getroffen. Auf den ersten Blick scheinen diese Verhaltensabstimmungen dem Kartellverbot Art. 101 AEUV zuwiderzulaufen. Die nachfolgende Prüfung wird jedoch darlegen, dass das Kartellverbot tatsächlich nicht einschlägig ist.1098 (1) Unternehmen oder Unternehmensvereinigung Adressaten des Art. 101 AEUV sind Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Es wurde bereits festgestellt, dass es sich zwar nicht bei dem Emissionskonsortium selbst, aber bei den Konsortialbanken um „Unternehmen“ im Sinne des EU-Kartellrechts handelt.1099 Es fragt sich, ob das Konsortium eine „Unternehmensvereinigung“ darstellt. Dazu werden Zusammenschlüsse von Unternehmen gezählt, deren Zweck u. a. darin liegt, die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder zu vertreten.1100 Der Begriff bezieht sich auf „institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit, d. h. Fälle, in denen die Wirtschaftsteilnehmer durch eine kollektive Struktur oder ein gemeinsames Organ handeln“1101. Es ist auch möglich, dass Un-
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Rn. 4. 1097
Roth/Ackermann, FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen
s. zur Bildung und Vorgehensweise des Emissionskonsortiums bereits o. § 4 II. 1.; § 4 II. 2. a). Zu einer Anwendbarkeit des Kartellverbotes auf Emissionskonsortien bzw. eine Wettbewerbsbeschränkung durch deren Bildung vgl. Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 37 f., 121 f.; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 80 ff., Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 221 ff., Renken, Die Zusammenarbeit der Kreditinstitute nach deutschem und europäischem Kartellrecht, 84 f.; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 22; Bunte, in: dies., § 140 Rn. 36, § 141 Rn. 15; Groß, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht, Rn. VII 7; Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 121 ff. 1098 Zu Maßnahmen zur Kursstabilisierung s. u. § 4 II. 3. 1099 s. o. § 4 II. 2. c) aa) (1); § 4 II. 2. c) bb) (1). 1100 EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, ECLI:EU:C:2000:428, Rn. 88 f. (Pavlov); Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 38. 1101 EuG, Urt. v. 24. 5. 2012, ECLI:EU:T:2012:260, Rn. 243 (MasterCard u. a.).
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ternehmen zugleich Unternehmensvereinigungen darstellen.1102 Dafür wird vorausgesetzt, dass die Vereinigung auch Einfluss auf das Verhalten der Mitgliedsunternehmen nimmt.1103 Für eine Qualifizierung des Emissionskonsortiums als Unternehmensvereinigung spricht, dass der Begriff weit auszulegen ist.1104 In diesem Sinne werden die Grenzen zwischen Unternehmensvereinigungen und „gut organisierten Kartellen“ als fließend bezeichnet.1105 Die Konsortialbanken einigen sich zudem auf eine institutionalisierte Hierarchie unter Leitung des Konsortialführers. Dieser führt in der Folge zahlreiche Aufgaben eigenständig durch.1106 Durch das so institutionalisierte Konsortium wird das Verhalten der Konsortialbanken beeinflusst, wenn Details zur Durchführung der Emission nachträglich aus dieser Einheit heraus vorgegeben werden.1107 All dies geschieht im Interesse der Konsorten, die die Emission eigenwirtschaftlich am Markt zu veräußern haben.1108 Gegen eine Qualifizierung des Emissionskonsortiums als Unternehmensvereinigung scheint jedoch zu sprechen, dass eine Unternehmensvereinigung „verbandsmäßig“ ist.1109 Das Emissionskonsortium hat mit den in der Praxis als Unternehmensvereinigung anerkannten Arbeitgeberverbänden1110, Genossenschaften1111 oder Kammern freier Berufe1112 wenig gemein, da es eine auf Zeit angelegte, reine Projektgesellschaft darstellt und nur zur Umsetzung des im Konsortialvertrag vereinbarten1113 Emissionsablaufes tätig wird. 1102 EuG, Urt. v. 26. 1. 2005, ECLI:EU:T:2005:22, Rn. 72 (Piau); Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 103. 1103 EuGH, Urt. v. 10. 1. 2006, ECLI:EU:C:2006:8, Rn. 109 – 112 (Cassa di Risparmio di Firenze u. a.); Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 132; Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 103. 1104 Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 130. 1105 De Bronett, in: Schulte/Just (Hg.), Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 50. 1106 Vgl. Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 36 f., 38. 1107 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, ECLI:EU:C:2000:428, Rn. 83 ff. (Pavlov). 1108 Vgl. Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 40. 1109 Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 130; zust. Kling/Thomas, Kartellrecht, 61; vgl. auch Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 68: „Vereine, Verbände, Genossenschaften, die Kammern der freien Berufe, aber auch weniger eng organisierte Interessengemeinschaften […] könnten Unternehmensvereinigungen sein.“ 1110 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 103; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 67. Lfg. Jan. 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 62. 1111 EuG, Urt. v. 2. 7. 1992, ECLI:EU:T:1992:79, Rn. 50 (Dansk Pelsdyravlerforening), bei der DPF handelte es sich um eine genossenschaftliche Vereinigung von Pelztierzüchtern; vgl. zu Genossenschaften im Wettbewerbsrecht Jacobi/Vesterdorf, 18 E.L.R. (1993), 271. 1112 EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, ECLI:EU:C:2000:428, Rn. 83 ff. (Pavlov); Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 39. 1113 Das Konsortium wird speziell für den Abschluss und die Abwicklung des Übernahmevertrages mit dem Emittenten gebildet, s. Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.),
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Der English High Court hat in diesem Sinne überzeugend festgehalten, dass eine Unternehmensvereinigung nicht bereits dann vorliegt, wenn mehrere Unternehmen z. B. in Meetings oder für ein bestimmtes Projekt oder Vorhaben miteinander Umgang haben.1114 Dass das Emissionskonsortium auf der Grundlage eines Vertrages entsteht, kann hier keinen Unterschied machen. Gegen eine Eigenschaft des Konsortiums als Unternehmensvereinigung spricht zudem, dass dieses Rechtsinstitut Umgehungsversuche verhindern soll, bei denen Unternehmen ihre verbotene Kooperation als einseitige Maßnahme einer anderen Einheit ausgestalten.1115 Alle Verhaltensweisen des Emissionskonsortiums beruhen jedoch auf gemeinsamen Vereinbarungen und lassen sich so unproblematisch den Konsorten zurechnen (dazu sogleich), sodass eine Erfassung des Konsortiums als Unternehmensvereinigung nach Sinn und Zweck der Norm entbehrlich ist. Aus den genannten Gründen ist das Emissionskonsortium nicht als Unternehmensvereinigung anzusehen. (2) Koordinierungstatbestand Die drei tauglichen Kooperationsformen sind „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“. In Betracht kommen hier „Vereinbarungen“. Solche liegen dann vor, wenn „die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.“1116 Die Form der Vereinbarung ist dafür unerheblich, ausreichend ist auch eine konkludente Willensübereinstimmung.1117 Der Konsortialvertrag stellt eine ausdrückliche Koordination des Marktverhaltens der beteiligten Banken da und lässt sich somit mühelos unter den Tatbestand einer „Vereinbarung“ subsumieren.1118 Zudem könnten die Absprachen zwischen Konsortium und Emittenten als eine Vereinbarung zu sehen sein, die sich insbesondere auch auf den Emissionspreis bezieht. Im Übernahmevertrag einigen sich die Konsortialbanken mit dem Emittenten typischerweise nur auf das Preisbestimmungsverfahren,1119 wobei der endgültige Preis beim bookbuilding erst nach Auswertung des Orderbuches durch den Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1056 ff., s. auch ebenda zum genauen Inhalt des Konsortialvertrages. 1114 „It is not to be confused with association in the sense of several independent undertakings associating together, for example in meetings or on a particular project or venture.“ English High Court SEL-Imperial v British Standards Institution [2010] EWHC 854 (Ch), 2010 WL 1608453, Rn. 36; zust. Rose/Bailey (Hg.), Bellamy&Child, European Union Law of Competition, 132. 1115 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 100; BGH, B. v. 11. 12. 1997 – KVR 7/96, WuW DE-R 17, 18 (Europapokalheimspiele). 1116 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, ECLI:EU:C:2004:2, Rn. 97 (BAI und Kommission/Bayer); s. bereits EuGH, Urt. v. 15. 7. 1970, ECLI:EU:C:1970:71, Rn. 110/114 (ACF Chemiefarma). 1117 EuGH, Urt. v. 6. 1. 2004, ECLI:EU:C:2004:2, Rn. 102 (BAI und Kommission/Bayer). 1118 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 85. 1119 Haag, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 977 ff.
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Konsortialführer mit dem Emittenten abgestimmt wird.1120 Üblicherweise räumen die Konsorten dem Konsortialführer ausdrücklich Vertretungsmacht ein, die dem Konsortialführer insbesondere auch den Abschluss des Übernahmevertrages mit dem Emittenten ermöglicht.1121 Eine derartige von einem Stellvertreter geschlossene Vereinbarung ist i.R.d. Art. 101 Abs. 1 AEUV den Vertretenen zuzurechnen.1122 Daher sind sämtliche Vereinbarungen, die vom Konsortialführer mit dem Emittenten getroffen werden, als „Vereinbarungen“ i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV zwischen dem Emittenten und den Konsortialbanken zu sehen. Zusammengefasst beruht das gemeinsame Vorgehen der Konsortialbanken auf einer „Vereinbarung“ unter den Konsorten. Außerdem geht das Konsortium mit dem Emittenten „Vereinbarungen“ ein. (3) Bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkung Die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Koordinationsformen haben eine „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs“ zum Gegenstand. Eine inhaltliche Differenzierung der drei Alternativen wird in Literatur und Praxis kaum vorgenommen, vielmehr ist ihre gemeinsame Behandlung als „Wettbewerbsbeschränkung“ angezeigt.1123 Eine Wettbewerbsbeschränkung kann in einer horizontalen oder vertikalen1124 Koordination von Unternehmen zum Nachteil aktuellen oder potenziellen1125 Wettbewerbs liegen. Es existiert jedoch kein einheitliches Verständnis von „Wettbewerb“ i. S. d. AEUV, so dass auch dessen Beschränkung nur unter Schwierigkeiten identifiziert werden kann.1126 Verbreitet wird im Ausgangspunkt darauf abgestellt, ob die an einer Verhaltenskoordination beteiligten Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt werden.1127 Der frühen Rechtsprechung des EuGH konnte entnommen werden, dass eine Wettbewerbsbeschränkung eine Beschränkung der individuellen Handlungsfreiheit darstellt.1128 In ständiger Rechtsprechung nimmt der EuGH zudem Bezug auf das 1120
Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 82. Singhof, in: MüKo-HGB, Emissionsgeschäft Rn. 253; Schücking, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1056. 1122 Vgl. EuGH, Urt. v. 7. 6. 1983, ECLI:EU:C:1983:158, Rn. 79 (Musique Diffusion Française). 1123 Vgl. Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 198 f. m. w. N.; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 234 f. 1124 EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, ECLI:EU:C:1966:41, S. 388 (Consten und Grundig). 1125 EuG, Urt. v. 29. 6. 2012, ECLI:EU:T:2012:332, Rn. 85 (E.ON Ruhrgas und E.ON). 1126 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 168 f.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 282. 1127 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28. 4. 1998, ECLI:EU:C:1998:173, Rn. 13 (Javico); EuG, Urt. v. 21. 10. 2003, ECLI:EU:T:2003:275, Rn. 100 (General Motors Nederland und Opel Nederland); Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 288 ff.; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 AEUV Rn. 107. 1128 s. Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 200, unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, ECLI:EU:C:1966:41, S. 390 f. (Consten und Grundig), wo im Wortlaut zwar 1121
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„Selbständigkeitspostulat“, wonach Marktteilnehmer ihr Wettbewerbsverhalten eigenständig zu bestimmen haben.1129 Aus diesen beiden Umständen hat sich ein Verständnis entwickelt, wonach eine Einschränkung dieser wirtschaftlichen Selbständigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung gleichkommt.1130 Allerdings wird die wirtschaftliche Handlungsfreiheit eines Marktteilnehmers bereits durch jeden gewöhnlichen Austauschvertrag eingeschränkt, sodass es jedenfalls nicht allein auf die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Beteiligten ankommen kann.1131 Es besteht in der Folge Uneinigkeit darüber, ob alternativ oder kumulativ zu einer Freiheitsbeschränkung der Beteiligten oder gar ausschließlich auf eine Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Dritter, also insbesondere der Marktgegenseite, abgestellt werden sollte.1132 Die Kommission geht im Rahmen ihres more economic approach dazu über, unmittelbar die ökonomischen Folgen der jeweiligen Handlungsweise als Anwendungskriterium für Art. 101 Abs. 1 AEUV heranzuziehen.1133 Der EuGH hat es jedoch abgelehnt, das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung von einem Nachteil für Verbraucher abhängig zu machen.1134 Er nimmt allerdings an, dass stets eine Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs zu erfolgen hat.1135 Mithin kommt es nach der Rechtsprechung entscheidend auf die Außenwirkung einer Verhaltenskoordinierung an.1136 Insgesamt erscheint es daher geboten, sowohl die Freiheitseinschränkungen der Beteiligten als auch jene von dritten Marktteilnehmern in die Bewertung einfließen zu lassen. auf die „Wettbewerbsfreiheit“ rekurriert wird, dies meinte jedoch nichts anderes als die individuelle Handlungsfreiheit, vgl. dazu etwa S. 355 des Urteils. 1129 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 19. 3. 2015, ECLI:EU:C:2015:184, Rn. 119 f. (Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe); EuGH, Urt. v. 16. 12. 1975, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 173/174 (Suiker Unie). 1130 s. Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 200. 1131 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 200; s. auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 289: „Es wird jedoch schwerfallen, einen Autor zu finden, dem entgangen ist, dass Austauschverträge und Gesellschaftsverträge ein konstitutiver Bestandteil des Wettbewerbs sind […]“; s. auch EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, ECLI:EU:T:2006:265, Rn. 171 (GlaxoSmithKline Services). 1132 Zum Streitstand Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker Art. 101 AEUV Rn. 107 f. m. w. N. 1133 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101, 8, Rn. 24 Fn. 31: „Es genügt nicht, dass die Vereinbarung die Handlungsfreiheit der Parteien beschränkt“, außerdem Rn. 13 ff.; s. dazu näher Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009 Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 237 ff. 1134 EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, ECLI:EU:C:2009:610, Rn. 63 f. (GlaxoSmithKline Services); EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 38 f. (T-Mobile Netherlands); vgl. dazu Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 203. 1135 EuGH, Urt. v. 12. 12. 1967, ECLI:EU:C:1967:54, S. 555 f. (Brasserie de Haecht); EuGH, Urt. v. 28. 3. 1984, ECLI:EU:C:1984:130, Rn. 26 (Cram und Rheinzink); vgl. auch EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 27 (T-Mobile Netherlands). 1136 Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 298.
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Die Verhaltenskoordination müsste eine so verstandene Wettbewerbsbeschränkung alternativ1137 „bezwecken oder bewirken“. Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ist bereits ihrer Natur nach schädlich für den Wettbewerb,1138 sodass ihre Auswirkungen auf den Markt nicht näher überprüft werden müssen.1139 Bei einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung kommt es hingegen entscheidend auf die tatsächlichen oder potenziellen1140 Auswirkungen der jeweiligen Koordination an.1141 Die Vereinbarungen zwischen den Konsortialbanken zum gemeinsamen Vertrieb der Emission beschränken die Handlungsfreiheit der beteiligten Banken, da sich diese zu einheitlichen Preisen und Konditionen verpflichten.1142 Als eigenständige Anbieter des konkreten Emissionsgeschäftes scheiden sie durch die Konsortialbildung aus.1143 Die Koordination hinsichtlich des Wertpapierpreises sowie die quotenmäßige Aufteilung der Emission könnte als Preisabsprache gem. Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV1144 oder Marktaufteilung gem. Art. 101 Abs. 1 lit. c) AEUV1145 schon ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend sein. Aus diesen Überlegungen könnte auch im Verhältnis zwischen Emittent und Konsortialbanken eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung folgen. (a) Arbeitsgemeinschaftsgedanke Auf das Emissionskonsortium ist jedoch nach dem überzeugenden Konsens in der Literatur der sog. Arbeitsgemeinschafts- oder Markterschließungsgedanke anzuwenden.1146 Eine Kooperation von Unternehmen kann nach diesem Gedanken keine 1137 EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, ECLI:EU:C:1966:38, S. 303 (Société Technique Minière/ Maschinenbau Ulm); Kling/Thomas, Kartellrecht, 83. 1138 EuGH, Urt. v. 20. 11. 2008, ECLI:EU:C:2008:643, Rn. 17 (Irish Beef). 1139 EuGH, Urt. v. 11. 9. 2014, ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 49 (CB); Kommission, Leitlinien zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101, 8, Rn. 24, Rn. 21; Kuhn, ZWeR 2014, 143, 162 f. 1140 EuGH, Urt. v. 28. 5. 1998, ECLI:EU:C:1998:256, Rn. 77 (Deere). 1141 EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, ECLI:EU:C:1966:38, S. 303 f. (Société Technique Minière/ Maschinenbau Ulm); EuGH, Urt. v. 28. 5. 1998, ECLI:EU:C:1998:256, Rn. 75 ff. (Deere); Kommission, Leitlinien zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101, 8, Rn. 24, Rn. 24. 1142 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 93. 1143 Ebenda. 1144 Zu Preisabsprachen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung EuGH, Urt. v. 11. 9. 2014, ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 51 (CB). 1145 Klassischerweise erfasst Art. 101 Abs. 1 lit. c) AEUV z. B. regionale Marktaufteilungen, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 15. 7. 1970, ECLI:EU:C:1970:71, Rn. 126/130 (ACF Chemiefarma), denkbar sind allerdings auch etwa sachliche Marktaufteilungen, s. Füller, in: KKKartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 301. Dass jedoch bei der Wertpapieremission schon keine echte Marktaufteilung vorliegt, sei sogleich näher erläutert. 1146 Bueren, WM 2013, 585, 591; Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 140 Rn. 29, 36 (zu § 1 GWB); Grundmann, in: dies. (Hg.), § 112 Rn. 22; Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 36 f., 121 f. (zu § 1 GWB); Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 281 f. (zu § 1 GWB); Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht,
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Wettbewerbsbeschränkung darstellen, wenn durch sie neuer Wettbewerb entsteht.1147 In diesem Sinne ist eine horizontale Vereinbarung zwischen Wettbewerbern zulässig, wenn mehrere Unternehmen zur Realisierung eines Projektes kooperieren, weil sie dazu alleine nicht in der Lage wären und daher nicht einmal in potenziellem Wettbewerb miteinander stehen.1148 Tatsächlich erfolgt der Zusammenschluss des Emissionskonsortiums in der Regel nur, weil eine einzelne Bank nicht mit einem Emissionsgeschäft beauftragt werden würde.1149 Die Emissionsbegleitung wäre einer einzelnen Bank auch regelmäßig nicht möglich: Übernehmen Emissionsbanken das Platzierungsrisiko, so ist die Konsortialbildung meist schon zu Zwecken der Risikobegrenzung geboten.1150 Zudem haben Banken eine begrenzte Platzierungskraft, sodass sie die Emission oft nicht alleine absetzen könnten.1151 Da die Banken somit regelmäßig alleine keine Emission durchführen könnten, besteht für sie schon keine Handlungsfreiheit, die beschränkt werden könnte.1152 Das Konsortium ermöglicht vielmehr die Entstehung eines neuen Produktes1153 und erhöht durch seine Bildung die Anzahl der Anbieter, statt sie zu verringern.1154 Eine Beschränkung der Hand93 ff. (zu Art. 101 AEUV), 107 ff. (zu § 1 GWB); Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 196 f.; im Ergebnis zustimmend Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 114 (zu § 1 GWB); Renken, Die Zusammenarbeit der Kreditinstitute nach deutschem und europäischem Kartellrecht, 84 f. (zu § 1 GWB). 1147 s. Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 326; dieser Gedanke lässt sich im europäischen Recht auf die Rechtsprechung des EuGH zur wettbewerbseröffnenden Wirkung von vertikalen Vereinbarungen zurückführen, s. EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, ECLI:EU:C:1966:38, 303 f. (Société Technique Minière/Maschinenbau Ulm), die durch das EuG im Bereich der horizontalen Vereinbarungen fortgesetzt wurde, vgl. EuG, Urt. v. 15. 9. 1998, ECLI:EU:T:1998:198, Rn. 137 (European Night Services); EuG, Urt. v. 2. 5. 2006, ECLI:EU:T:2006:116, Rn. 68 (O2 [Germany]); zu dieser Herleitung abermals Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen Rn. 327; s. auch Säcker/Molle, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 95 ff. 1148 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011/C 11/01, Rn. 30; s. auch Säcker/Molle, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 95 ff. 1149 Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 121. 1150 Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 37 f.; zur Risikoverringerung auch Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 140 Rn. 29; vgl. auch Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), a. a. O., § 112 Rn. 22; Bueren, WM 2013, 585, 591; zweifelnd, aber im Ergebnis offenlassend Renken, Die Zusammenarbeit der Kreditinstitute nach deutschem und europäischem Kartellrecht, 84 f.; Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 282; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 93; Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1064. 1151 Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 37 f.; Bunte, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 140 Rn. 36; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), a. a. O., § 112 Rn. 22; Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 282; Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 93. 1152 Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 95. 1153 Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 196 f. 1154 Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 38, 121; Bunte, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 140 Rn. 36.
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lungsfreiheit ist zudem abzulehnen, wenn die Konsortialbildung auf Vorgabe des Emittenten hin erfolgt.1155 Es ist für den Wettbewerb ferner gänzlich unproblematisch, dass der Preiswettbewerb zwischen den Konsorten unterbunden wird. Beim bookbuilding wird ein einheitlicher initial offering price ermittelt,1156 und auch ohne das Konsortium würde der Emittent einen solchen festsetzen.1157 Preiswettbewerb unter den Konsorten hätte zudem nicht die gleichen wettbewerblichen Konsequenzen wie auf dem Realmarkt. Da den Banken eine im Voraus festgelegte Anzahl an Wertpapieren zugewiesen ist, wäre der Marktanteil einer einzelnen Bank nur bei einem Nachfragemangel flexibel. Preiswettbewerb hätte aus diesem Grund regelmäßig keine Auswirkungen auf die Marktstellung einer Konsortialbank.1158 Konsortien bilden sich im Übrigen immer wieder neu und nicht in der gleichen Besetzung, sodass auch nicht etwa langfristig ein Zugewinn an Marktanteil durch eine bessere Zuteilungsquote bei zukünftigen Emissionen möglich scheint.1159 Ebenso passt das Konzept einer Marktaufteilung nicht auf die Bildung der Konsortialquoten. Es wird hier nicht wie etwa bei einer regionalen Marktaufteilung der Wettbewerb auf einem bestimmten Teilmarkt ausgeschlossen. Die Veräußerung der Emission am Primärmarkt ist vielmehr ein einmaliger Vorgang. Da jedes Wertpapier nur ein einziges Mal verkauft werden kann, gebieten bei einem Einheitspreis bereits die Gesetze der Logik eine vorherige Aufteilung unter den Beteiligten. Ein Wettbewerbsprozess wird damit nicht unterbunden. Insgesamt stellen die Festlegung eines einheitlichen Emissionspreises sowie die Aufteilung der Emission daher keine Wettbewerbsbeschränkungen dar. Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke ist sowohl in Bezug auf das gemeinschaftliche Auftreten gegenüber dem Emittenten als auch gegenüber den Anlegern auf dem Primärmarkt anzuwen1155
Es wird nicht einheitlich bewertet, ob der Emittent für einen Wegfall der Handlungsfreiheit die einzelnen Konsorten selbst auswählen muss. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass es hierauf ankommen könnte, da schon der Wunsch nach einer konsortialen Abwicklung die Koordination mehrerer Banken vorgibt. Insofern sei angenommen, dass auch dann keine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, wenn der Emittent die Zusammensetzung des Konsortiums dem Konsortialführer überlässt. Wie hier wohl auch Grundmann, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 22 („wenn die Zusammenarbeit auf dem Kundenwillen beruht“); Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 282 („wenn der Kunde die konsortiale Abwicklung […] wünscht“); a. A. wohl Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), a. a. O., § 140 Rn. 36, Rn. 29, § 141 Rn. 15; zust. Lettl, in: BuB, 306; näher zu den Einflussmöglichkeiten des Emittenten auf die Zusammensetzung des Konsortiums Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 95 f., der wie Bunte voraussetzt, dass auch die Zusammensetzung des Konsortiums auf Weisung des Emittenten hin erfolgt. 1156 Anders das amerikanische Auktionsverfahren (discriminatory auction), s. o. Fn. 829; allerdings haben Auktionsverfahren bei Börseneinführungen von Aktien in Deutschland insgesamt keine praktische Relevanz, vgl. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 84 f. (Fn. 435); Schanz, Börseneinführung, 341. 1157 Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167. 1158 s. Gravenhorst, Plazierungsverfahren, 114. 1159 Ebenda, 114 f.
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den.1160 Etwas anderes könnte nur in Fällen gelten, in denen die Emissionsbegleitung auch einer einzelnen Bank möglich wäre1161 und wenn auch der Emittent kein Konsortium fordert. (b) Anlegerauswahl Auch die Kriterien, anhand derer ein Emissionskonsortium die Auswahl von Anlegern vornimmt, lassen sich als Bestandteil der Koordination unter den Konsortialbanken begreifen. Daher könnte es sich bei einer Koordination, die einer bevorzugten Behandlung von bestimmten Anlegern (etwa institutionellen Anlegern) zugrunde liegt, um eine wettbewerbsbeschränkende Diskriminierung von Handelspartnern i. S. d. Art. 101 Abs. 1 lit. d) AEUV handeln.1162 Die Norm hat den gleichen Wortlaut wie Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV, bezieht sich jedoch nicht auf einseitige Diskriminierungen, sondern auf ein koordiniert diskriminierendes Vorgehen.1163 Es sei hier entsprechend den zu Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV angestellten Erörterungen davon ausgegangen, dass auch Art. 101 Abs. 1 lit. d) AEUV die diskriminierende Auswahl von Geschäftspartnern erfasst.1164 In materieller Hinsicht wurde jedoch bereits ausgeführt, dass die Anlegerauswahl durch das Konsortium regelmäßig legitimen Interessen folgt und nicht unsachlich diskriminierend ist. Ferner hätte auch eine unsachliche Diskriminierung bei der Zuteilung keine relevanten wettbewerblichen Konsequenzen.1165 Daher verstoßen auch entsprechende Koordinationen unter den Konsorten nicht gegen Art. 101 Abs. 1 lit. d) AEUV.1166 (c) Kopplungsbindungen Wie bereits erwähnt, haben Emissionskonsortien in Einzelfällen eine Zuteilung davon abhängig gemacht, dass Zeichner am Sekundärmarkt Aktien derselben Gat1160 Nach a. A. ist das gemeinschaftliche Auftreten auf dem Primärmarkt nicht vom Arbeitsgemeinschaftsgedanken erfasst, sondern als wettbewerbsbeschränkende Nebenabrede zulässig, s. Bueren, WM 2013, 585, 592. 1161 Massari, Das Wettbewerbsrecht der Banken, 38, 121; Grundmann, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 22; Möschel, ZHR 136 (1972), 273, 282; Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1064; Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 121; vgl. auch Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 178. 1162 In Bezug auf zusätzliche Verpflichtungen für Privatanleger ebenso Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 225 ff. 1163 Vgl. nur Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 304. 1164 So auch Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 285; a. A. etwa Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 Abs. 1 Rn. 250, der stattdessen Art. 101 Abs. 1 AEUV anwenden will; dagegen auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 334. 1165 s. o. § 4 II. 2. c) bb) (3) (a). 1166 Vgl. Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 225 ff.
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tung erwerben (laddering agreements).1167 Auch ist die zusätzliche Abnahme unattraktiverer Papiere vorausgesetzt worden,1168 wobei als gekoppelte Produkte sowohl Sekundärmarktprodukte als auch andere Primärmarktprodukte denkbar sind. Bei solchen Kopplungsbindungen könnte prinzipiell Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV einschlägig sein.1169 Diese Norm entspricht im Wortlaut dem oben wiedergegebenen Art. 102 Abs. 2 lit. d) AEUV, aber setzt der Systematik und dem Normkontext entsprechend nicht voraus, dass der Adressat ein marktbeherrschendes Unternehmen ist. Teilweise wurde in Abgrenzung zu Art. 102 Abs. 2 lit. d) AEUV angenommen, dass Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV nur Vereinbarungen usw. zwischen Unternehmen über Kopplungsgeschäfte mit Dritten erfasse.1170 Es ist jedoch mit der herrschenden Gegenauffassung davon auszugehen, dass der Tatbestand zudem auch durch bilaterale Kopplungspraktiken einzelner Unternehmen erfüllt werden kann.1171 Dementsprechend könnte hier nicht nur eine Abstimmung des Konsortiums zur Vornahme von Kopplungen gegenüber den Anlegern tatbestandsmäßig sein, sondern auch die Kopplungsbindungen den Anlegern gegenüber selbst. Obwohl im Rahmen des Art. 101 AEUV nicht grundsätzlich das leveraging von Monopolmacht zu befürchten ist, wird auch hier als primäre Gefahr solcher Praktiken ausgemacht, dass sie Absatzkanäle von Wettbewerbern um das gekoppelte Produkt verstopfen.1172 In dieser Wirkungsweise werden Kopplungen auch mit langfristigen Bezugsbindungen verglichen.1173 Kopplungspraktiken können eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, wenn sie eine Marktaufteilung darstellen1174 oder „angesichts des
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Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 270 (2007); Bueren, WM 2013, 585, 586; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 625 ff.; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 155. 1168 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 270 (2007); Bueren, WM 2013, 585, 586; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 625 ff. 1169 Bueren, WM 2013, 585, 586; Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 231 ff. 1170 Vgl. noch Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG Teil 1, 4. A. 2007, Art. 81 Abs. 1 EGV Rn. 322; wohl auch Lübbig, in: Wiedemann (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 325. 1171 Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 286; Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Hg.), Das Recht der EU, 60. EL 2016, Art. 101 AEUV Rn. 202; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, 68. Lfg. Mai 2009, Art. 81 EG Grundfragen Rn. 419. 1172 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 308; vgl. auch Kommission, VertikalLeitlinien, ABl. 2010, C 130, 1, Rn. 216, die neben der Gefahr einer Marktabschottung in Rn. 217 darauf hinweist, dass Kopplungsbindungen auch zu überhöhten Preisen führen können. 1173 Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 308; Hengst, in: Langen/Bunte, Art. 101 AEUV Rn. 286. 1174 EuGH, Urt. v. 14. 3. 2013, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 45 (Allianz Hungária); Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 310.
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wirtschaftlichen Zusammenhangs der Wettbewerb auf dem genannten Markt1175 infolge des Abschlusses dieser Vereinbarungen wahrscheinlich beseitigt oder erheblich geschwächt werden wird“1176. Dabei ist insbesondere von Betracht, welche Konsequenz die Vereinbarung für alternative Vertriebswege hat.1177 Ferner ist die Marktmacht der beteiligten Parteien zu berücksichtigen.1178 Nach dem Gesagten ist jedoch ein Einsatz von Sekundärmarktpapieren als gekoppeltes Produkt gänzlich unproblematisch. Erstens existiert diesbezüglich keinerlei Marktmacht und solche kann auch nicht entstehen.1179 Zweitens ist keine Beeinträchtigung von Absatzwegen Dritter zu befürchten, da der Sekundärmarkt für Wertpapiere offen bleibt.1180 Doch auch eine Kopplung mit anderen Primärmarktprodukten lässt keine Gefahr für den Wettbewerb erkennen, da auch hier Marktmacht sehr unwahrscheinlich ist. In ihrer Wirkung wäre eine Kopplung von zwei Primärmarktprodukten auch nicht mit langfristigen Bezugsbindungen zu vergleichen, da ihr keinerlei Langfristigkeit innewohnt. Die Unschädlichkeit von Kopplungspraktiken bei geringer Marktmacht der Beteiligten wird zudem dadurch bestätigt, dass Kopplungsbindungen nach der Vertikal-GVO vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt sind, sofern der Marktanteil des Anbieters auf den Märkten für Kopplungsprodukt oder gekoppeltem Produkt nicht über 30 Prozent beträgt und auch der Abnehmer keinen entsprechenden Marktanteil innehat.1181 Insgesamt ist nicht davon auszugehen, dass die genannten Kopplungspraktiken gegen Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV verstoßen.
1175 Aus dem Leitsatz des Urteils ergibt sich, dass eine entsprechende Beeinträchtigung des Wettbewerbes „auf einem der beiden betroffenen Märkte“ den Ausschlag geben kann; so auch Kommission, Vertikal-Leitlinien, ABl. 2010, C 130, 1, Rn. 216. 1176 EuGH, Urt. v. 14. 3. 2013, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 48 (Allianz Hungária). 1177 Ebenda; Füller, in: KK-Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 310. 1178 EuGH, Urt. v. 14. 3. 2013, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 48 (Allianz Hungária). 1179 s. o. § 4 I. 3. c) cc); mit ähnlicher Argumentation Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 627 f.; Kling, 120 Yale L.J. (2011), 910, 937. 1180 Ähnlich Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 627 f.; Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 937; a. A. Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 234 f., wonach etwa andere Banken in ihrem Bestreben behindert werden könnten, Papiere derselben Gattung am Markt zu veräußern. Gaitzsch macht deshalb eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung aus, die er jedoch für nicht spürbar hält. Damit diese Argumentation zutrifft, bedürfte es aber jedenfalls des Nachweises einer Gefahr, dass andere Anbieter des gekoppelten Papiers nicht oder nur zu ungünstigeren Konditionen verkaufen können. Dies kann hier nicht näher geprüft werden, erscheint jedoch allenfalls auf sehr illiquiden Märkten denkbar. 1181 Vgl. Kommission, Vertikal-Leitlinien, ABl. 2010, C 130, 1, Rn. 214 ff., Rn. 218; Whish/Bailey, Competition Law, 686. s. dazu auch BKartA, Tätigkeitsbericht 2007/2008, BTDrucks. 16/13500, 139 (zur Bayer AG und der Deutsche Bank AG): Der Emittent hatte für den Erwerb von Mitarbeiterbeteiligungen die Eröffnung eines Depots mit Girokonto bei einer bestimmten Bank vorgegeben. Das BKartA kam zum Schluss, dass der Wettbewerb auf dem Markt für Depots und Girokonten lebhaft genug sei und dementsprechend schon kein spürbarer Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB vorliege. Im Übrigen stelle die Vertikal-GVO diese vertikale Bindung frei.
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(d) Beziehung Emittent-Konsortium Nach dem Gesagten ist auch in der Beziehung Emittent-Konsortium keine Wettbewerbsbeschränkung auszumachen. Selbst wenn man diese Beziehung als eine vertikale (Vertriebs-)Konstellation qualifizieren wollte,1182 so wäre auf eine solche gleichwohl der Arbeitsgemeinschafts- oder Markterschließungsgedanke anwendbar.1183 Die Emission wäre einem Emittenten ohne Emissionskonsortium regelmäßig nicht möglich,1184 der Emissionsprozess setzt zudem die intensive Kooperation von Konsortium und Emittent voraus. (e) Transaktionsübergreifende Koordination Eine denkbare, jedoch hier nicht weiter interessierende Wettbewerbsbeschränkung könnte hingegen vorliegen, wenn Banken sich unabhängig von einer konkreten Emission auf dem Markt für Emissionsbegleitungen über Marktpreise für ihre Dienstleistungen, selektive Teilnahme an beauty contests oder Marktaufteilungen absprechen würden.1185 Dafür genügt es jedoch nicht, dass sich die Emissionsbanken im Sinne eines Dauerkonsortiums unverbindlich dazu verabreden, in gleicher Zusammensetzung erneut eine Emissionsbegleitung durchzuführen, da hierdurch noch keine Marktparameter koordiniert werden.1186 (f) Fazit zur Wettbewerbsbeschränkung Die Koordination des Emissionskonsortiums scheint zunächst eine Wettbewerbsbeschränkung darzustellen. Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke führt jedoch dazu, dass die Verhaltensweise ausnahmsweise von Art. 101 Abs. 1 AEUV befreit ist. Die Anlegerauswahl stellt keine diskriminierende Verhaltensweise i. S. d. Art. 101 Abs. 1 lit. d) AEUV dar. Kopplungsbindungen im Rahmen von Wertpapieremissionen sind nicht von Art. 101 Abs. 1 lit. e) AEUV erfasst. Auch in der
1182 Es wäre nicht gänzlich fernliegend, aufgrund der vertikal anmutenden Beziehung Emittent-Konsortium davon auszugehen, dass etwaige Vorgaben des Emittenten zur Auswahl der Anleger z. B. einem selektiven Vertriebssystem entsprechen, oder dass die Koordination des endgültigen Emissionspreises mit dem bookrunner einer Preisbindung der zweiten Hand gleichkommt. Dagegen spricht jedoch, dass es sich gerade nicht um eine echte Beziehung von Hersteller und Händler handelt, bei dem die Emissionsbanken schlicht ein Produkt des Emittenten weiterveräußern. Vielmehr kann die Emission als gemeinsam durchgeführter Herstellungsprozess begriffen werden, in dem die Emissionsbanken primär eine vermittelnde Dienstleisterrolle einnehmen. 1183 Vgl. dazu erneut das Urteil EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, ECLI:EU:C:1966:38, 303 f. (Société Technique Minière/Maschinenbau Ulm). 1184 Vgl. näher Schanz, Börseneinführung, 306 f.; s. dazu auch bereits o. § 4 II. 1; § 4 III. 2. c) cc) (3) (a). 1185 Bueren, WM 2013, 585, 591; Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 614, 617; s. auch Grave/Nyberg, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 322. 1186 Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 121.
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Koordination zwischen Konsortium und Emittent liegt kein Verstoß gegen das Kartellverbot. (4) Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung? Die Rechtsprechung hat Art. 101 Abs. 1 AEUV durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung eingeschränkt. Demnach darf die Wettbewerbsbeschränkung den Markt nicht nur geringfügig beeinträchtigen.1187 Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen sind stets spürbar.1188 Insbesondere bei der oben angeprüften Preisabsprache hätte es sich um eine solche handeln können,1189 dann wäre die Spürbarkeit zu unterstellen gewesen.1190 Für bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen muss die Spürbarkeit hingegen anhand des konkreten Falls überprüft werden. Tatsächlich ist der Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals jedoch gering, weil die jeweiligen Verhaltensweisen oft bereits von Gruppenfreistellungsverordnungen erfasst sind.1191 Für etwaige wettbewerbsbeschränkende Verhaltenskoordinationen von Konsortialbanken im Rahmen einer Emission sprechen einige Faktoren dagegen, dass die Spürbarkeit gegeben ist. Als maßgebliche Kriterien nennt der EuGH den Inhalt der Koordination, die mit ihr verfolgten Ziele, den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, die Natur des betroffenen Produktes, die tatsächlichen Marktbedingungen sowie die Marktstruktur.1192 In der Vergangenheit hatte der EuGH bloß auf eine „schwache Stellung der Beteiligten auf dem Markt“ verwiesen.1193 Die Kommission hat zur Konkretisierung ihrer Anwendung von Art. 101 AEUV die De-minimis-Bekanntmachung erlassen, in der sie sich ausschließlich an Marktanteilsschwellen orientiert.1194 Vereinbarungen zwischen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern beschränken demnach 1187
EuGH, Urt. v. 13. 12. 2012, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 16 f. (Expedia); EuGH, Urt. v. 10. 7. 1980, ECLI:EU:C:1980:186, Rn. 28 (Distillers Company); EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 50 (Asnef-Equifax und Administración del Estado). 1188 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2012, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 37 (Expedia). 1189 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 9. 2014, ECLI:EU:C:2014:2204, Rn. 51 (CB). 1190 Es kann durchaus hinterfragt werden, ob bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen bei vernachlässigbarem Marktanteil der Beteiligten sanktionswürdig sind, vgl. Ackermann, in: FS W.-H. Roth, 1, 13 f. Allerdings sind derartige Überlegungen nach EuGH, Urt. v. 13. 12. 2012, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 38 (Expedia), nicht mehr relevant, s. dazu ausführlich Ackermann, a. a. O., 8 f., 12 ff.: Diese Position lässt sich damit begründen, dass eine korrekt identifizierte „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ regelmäßig keine positiven Wirkungen auf den Wettbewerb hat, sodass kein Schaden durch false positives zu befürchten ist. Demgegenüber wäre eine Einzelfallbewertung sehr aufwendig und würde zudem das Risiko von false negatives entstehen lassen. 1191 Ackermann, in: FS W.-H. Roth, 1, 1 f. 1192 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2012, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 21 (Expedia). 1193 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1969, ECLI:EU:C:1969:35, Rn. 7 (Völk/Vervaecke). 1194 s. Rn. 3 der Mitteilung der Kommission – Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Abs. 1 des AEUV den Wettbewerb nicht spürbar beschränken (De-minimis-Bekanntmachung), ABl. 2014 C 291, 1; s. zur rechtlichen Bedeutung auch EuGH, Urt. v. 13. 12. 2012, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 28 ff. (Expedia).
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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nicht spürbar den Wettbewerb, wenn der von den Beteiligten insgesamt gehaltene Marktanteil auf keinem betroffenen Markt zehn Prozent überschreitet.1195 Stehen die beteiligten Unternehmen nicht in einem tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbsverhältnis, so beträgt der Schwellenwert 15 Prozent.1196 Bei Schwierigkeiten der Einstufung in eine der beiden Kategorien soll die Zehn-Prozent-Schwelle gelten.1197 Die von der Konsortialbildung betroffenen Märkte sind der Markt für Aktienemissionsbegleitungen sowie der Primärmarkt für Wertpapiere.1198 Beide Märkte umfassen in räumlicher Hinsicht jedenfalls den Binnenmarkt.1199 Die Konsorten haben kollektiv weder auf dem Markt für Konsortialdienstleistungen, noch auf dem Primärmarkt eine nennenswerte Marktposition, da sie regelmäßig nur für die jeweilige Aktienemission zusammenkommen.1200 Die einzelnen Konsortialbanken sind zwar oftmals jährlich an zahlreichen Emissionen beteiligt, allerdings stets nur zu ihrer jeweiligen Quote. Zudem beziehen sich die Absprachen regelmäßig nicht auf ihren Marktanteil, sondern nur auf das einzelne Projekt. Dies spricht dafür, dass schon die Marktanteilsschwellen der De-minimis-Bekanntmachung nicht erreicht werden können. Selbst wenn man also eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung im Verhalten des Emissionskonsortiums ausmachen wollte, wäre sie wohl nicht spürbar.1201 Für Auswirkungen auf den Sekundärmarkt wie beim laddering gilt dies erst recht. Durch die enorme Größe des Sekundärmarktes ist eine Spürbarkeit in jedem Fall ausgeschlossen.1202 (5) Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels Wie Art. 102 AEUV beinhaltet auch Art. 101 AEUV eine Zwischenstaatlichkeitsklausel.1203 Ihre Prüfung kann kurz gehalten werden, da beim Fehlen hinrei-
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Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, ABl. 2014 C 291, 1, Rn. 8 a). Dieser Schwellenwert darf also von keinem der beteiligten Unternehmen überschritten werden, vgl. Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, ABl. 2014 C 291, 1, Rn. 8 b). 1197 Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, ABl. 2014 C 291, 1, Rn. 9. 1198 Zu Sekundärmarktaktivitäten zur Kursstabilisierung s. u. § 4 II. 3. 1199 s. o. § 4 I. 3. c) bb) (1) (c) (dd); § 4 II. 2. c) bb) (2) (a) (bb). 1200 Etwas anderes könnte nur für sog. Dauerkonsortien gelten, die hier jedoch unberücksichtigt bleiben sollen. 1201 Vgl. auch die Begr. zum RegE der siebten GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, 49: Demnach seien Preisbindungen in Konsortialgeschäften nach Auffassung der Kommission keine „spürbare Wettbewerbsbeschränkung“. Allerdings sind damit wohl nicht unmittelbar Emissionskonsortien gemeint, sondern, wie die Nennung des Rückversicherungsgeschäfts zeigt, etwa Konsortialkredite; dies jedoch auf Emissionskonsortien beziehend Groß, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Bd. 2, Bank- und Börsenrecht Rn. VII. Rn. 7. 1202 Zur Kopplung Gaitzsch, Kapitalmarktrecht und Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 228. 1203 s. dazu o. § 4 I. 3. e). 1196
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
chender Zwischenstaatlichkeit das deutsche Kartellverbot greift, welches im Anschluss geprüft wird. Durch die internationale Prägung des Kapitalmarktes ist auch hier anzunehmen, dass sich etwaige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen von Emissionskonsortien regelmäßig auf den zwischenstaatlichen Handel auswirken würden.1204 Allerdings müsste die Verhaltensweise auch dazu geeignet1205 sein, den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen, was von der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung zu unterscheiden ist.1206 Die Rechtsprechung des EuGH macht die Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung an Marktanteilen der Beteiligten und dem betroffenen Umsatz fest,1207 greift jedoch bisweilen auch auf qualitative Kriterien zurück.1208 Während die Kommission ihre Position zur Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung in der De-minimis-Bekanntmachung dargelegt hat, gelten für die Spürbarkeit der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung die Leitlinien zur Zwischenstaatlichkeit.1209 Demnach ist im Sinne einer widerlegbaren Negativvermutung nicht mit der Spürbarkeit einer zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung zu rechnen, wenn die Beteiligten kumuliert einen Marktanteil von fünf Prozent nicht überschreiten und der von der Vereinbarung betroffene Produktumsatz 40 Mio. EUR nicht überschreitet (No Appreciable Effect on Trade, NAAT-Regel).1210 Auch bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen sind nicht automatisch von dieser Negativvermutung ausgenommen.1211 Bei einer Vereinbarung, die „ihrem Wesen nach geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“1212, wird die Spürbarkeit jedoch vermutet, sobald einer der genannten
1204 Vgl. auch die Begr. zum RegE der siebten GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, 48 f.; s. auch Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 22, der davon ausgeht, dass bei der Platzierung internationaler Anleihen oftmals keine Gefahr für den zwischenstaatlichen Verkehr droht, weil die beteiligten Banken nicht in der Lage wären, die Papiere auf fremden Märkten zu platzieren. 1205 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 1. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:19, Rn. 15 (Miller). 1206 EuGH, Urt. v. 28. 4. 1998, ECLI:EU:C:1998:173, Rn. 25 (Javico); dazu Kirchhoff, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 528; Kling/Thomas, Kartellrecht, 140. 1207 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983, ECLI:EU:C:1983:293, Rn. 58 (AEG); EuGH, Urt. v. 1. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:19, Rn. 9 f. (Miller). 1208 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 25. 11. 1971, ECLI:EU:C:1971:113, Rn. 16/18 (Béguelin Import/G.L. Import Export); dazu Kirchhoff, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 528. 1209 Kommission, Leitlinien zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl. 2004 C 101, 81, Rn. 44 ff.; zur Klarstellung vgl. Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, ABl. 2014 C 291, 1 Rn. 4. 1210 Kommission, Leitlinien zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl. 2004 C 101, 81, Rn. 52, wo in Rn. 52 ff. zudem genauer vorgegeben ist, wie sich die Marktanteils- und Umsatzschwellen berechnen; zur NAAT-Regel ausführlich Kirchhoff, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 535 ff. 1211 Grave/Nyberg, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 331. 1212 Zu diesem Begriff Kirchhoff, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 510.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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Werte überschritten ist.1213 Ob diese quantitativen Richtwerte bei etwaigen Wettbewerbsbeschränkungen durch Emissionskonsortien erreicht sind, wäre im Einzelfall zu entscheiden. Auf dem Primärmarkt und dem Markt für Emissionsbegleitungen kann die Spürbarkeit einer zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung auf dieser Grundlage jedenfalls nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Für den Sekundärmarkt kann nur festgehalten werden, dass ein „Marktanteil“ über fünf Prozent nach hier vertretener Auffassung nicht möglich ist,1214 ein Überschreiten der Umsatzgrenze hingegen schon. Freilich sind die Kommissionsleitlinien rein verfahrensrechtlicher Natur und stehen einer abweichenden Sicht der Unionsgerichte nicht im Wege.1215 Speziell auf dem Sekundärmarkt ist es allerdings schon aufgrund der Marktstruktur und -dynamik1216 sehr zweifelhaft, ob spürbare Auswirkungen einer im Übrigen unter Art. 101 AEUV subsumierbaren Verhaltensweise zu befürchten wären.1217 (6) Fazit zu Art. 101 AEUV Die untersuchten Aspekte der Bildung und Tätigkeit eines Emissionskonsortiums verstoßen nicht gegen Art. 101 AEUV. Zwar stellen Emissionsbanken Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts dar, die bei der Emissionstätigkeit ihr Wettbewerbsverhalten koordinieren. Dies ist jedoch durch den Arbeitsgemeinschaftsgedanken vom Kartellverbot ausgenommen, da Aktienemissionen regelmäßig nicht anders durchgeführt werden könnten und die Verhaltenskoordination somit den Wettbewerb um das entstehende Produkt „Aktie“ erst ermöglicht. Ferner ist auch in Kopplungsbindungen oder der Anlegerauswahl keine Wettbewerbsbeschränkung zu sehen. Eine solche könnte allenfalls in einer transaktionsübergreifenden Verhaltensabstimmung von Emissionsbanken liegen. Etwaige bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen wären wohl regelmäßig nicht spürbar. Ebenso könnte eine Anwendung des Art. 101 AEUV bereits an der spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels scheitern.
1213 Kommission, Leitlinien zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl. 2004 C 101, 81, Rn. 53; dies gilt allerdings gem. Rn. 53 S. 3 nicht, wenn sich „wenn sich die Vereinbarung nur auf einen Teil des Mitgliedstaats erstreckt“. 1214 Zur fehlenden Übertragbarkeit des Konzeptes „Marktanteil“ auf Wertpapiermärkte o. § 4 I. 3. c) cc) (1). 1215 Kling/Thomas, Kartellrecht, 140. 1216 s. dazu insbes. o. § 4 I. 3. c) bb) (3) (e); § 4 I. 3. c) cc) (1). 1217 Vgl. EuG, Urt. v. 15. 9. 1998, ECLI:EU:T:1998:198, Rn. 103 (European Night Services u. a.): Hiernach kann es für die Spürbarkeit der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung relevant sein, wenn es ersichtlich ist, dass Marktanteile der Beteiligten zukünftig abnehmen. Auf dem Sekundärmarkt sind Marktpositionen stets punktuell und flüchtig (s. o. § 4 I. 3. c) bb) (3) (e)). Etwaige Wettbewerbsbeschränkungen könnten sich daher allenfalls sehr kurzzeitig auswirken und hätten somit keine bleibenden Konsequenzen für den Wettbewerb.
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d) Deutsches Kartellrecht und Aktienemissionen Es fragt sich, ob das deutsche Kartellrecht im Zusammenhang mit Aktienemissionen zu anderen Ergebnissen kommt als das EU-Kartellrecht. aa) Zusammenschlusskontrolle, §§ 35 ff. GWB Die deutsche Zusammenschlusskontrolle ist in den §§ 35 ff. GWB geregelt. Genau wie im europäischen Recht könnte zunächst die Bildung des Emissionskonsortiums als Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens beurteilt werden, was im GWB an § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB zu messen wäre.1218 Anders als nach der FKVO käme es hier nicht darauf an, ob ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen entsteht.1219 Allerdings erfüllt das Emissionskonsortium wie dargelegt noch nicht einmal den Unternehmensbegriff.1220 Die zweite Problematik im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle ist der Erwerb der Papiere durch die Emissionsbanken zu Platzierungszwecken. Auch im Kontext der deutschen Zusammenschlusskontrolle gibt es mit § 37 Abs. 3 GWB eine Bankenklausel, die den Wertpapiererwerb der Emissionsbanken freistellt.1221 bb) Marktmachtmissbrauchsverbot, §§ 18, 19 GWB Auch das deutsche Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen gem. §§ 18, 19 GWB steht der Emissionspraxis nicht im Wege. Auf dem Sekundärmarkt ist jedenfalls keine marktbeherrschende Stellung möglich.1222 Auf dem Primärmarkt ist eine marktbeherrschende Stellung einzelner Emissionsbanken zwar konzeptionell denkbar, jedoch in der Praxis ausgeschlossen.1223 Hinsichtlich der auf dem Primärmarkt vorstellbaren Missbrauchshandlungen der diskriminierenden Anlegerauswahl und Kopplungsmaßnahmen kann auf die Ausführungen zu Art. 102 AEUV verwiesen werden.1224 Die Gründe, aus denen es sich bei diesen Handlungen selbst bei unterstellter Marktbeherrschung nicht um missbräuchliche Verhaltensweisen im
1218
Kling/Thomas, Kartellrecht, 771. Ebenda. 1220 s. o. § 4 II. 2. c) aa) (1); jedenfalls führt die lediglich vorübergehende Existenz des Konsortiums dazu, dass kein von der Zusammenschlusskontrolle erfasstes Gemeinschaftsunternehmen entsteht, vgl. Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 72 ff.; zu Dauerkonsortien o. Fn. 980. 1221 Ihre Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, vgl. Müller, Das Emissionskonsortium im Wettbewerbsrecht, 78 f.; Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1064. 1222 s. o. § 4 I. 3. c). 1223 s. o. § 4 II. 2. c) bb) (2) (b) (bb). 1224 s. o. § 4 II. 2. c) bb) (3). 1219
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Sinne des Art. 102 AEUV handeln würde, lassen sich umfassend auf das deutsche Kartellrecht übertragen. cc) Kartellverbot, § 1 GWB Das deutsche Kartellverbot in § 1 GWB gelangt in aller Regel zu denselben Ergebnissen wie sein unionsrechtliches Äquivalent. Sofern die Voraussetzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel des Art. 101 AEUV erfüllt sind, ist die Anwendung des Art. 101 AEUV zwingend und das deutsche Kartellrecht muss parallel laufen, vgl. Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VO 1/2003, § 22 Abs. 1, Abs. 2 GWB.1225 Doch auch wenn die Voraussetzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel nicht gegeben sind, kommt das deutsche Kartellverbot regelmäßig zu identischen Ergebnissen wie Art. 101 AEUV. Die Gründe dafür sind die tatbestandliche Angleichung der §§ 1, 2 GWB an Art. 101 AEUV und eine entsprechende vom nationalen Gesetzgeber beabsichtigte Kohärenz bei der Auslegung.1226 Daher kann auch in diesem Kontext umfassend auf das zu Art. 101 AEUV Gesagte verwiesen werden.1227 3. Kursstabilisierung Im Rahmen von Wertpapieremissionen werden oftmals Maßnahmen zur Kursstabilisierung1228 durchgeführt, bei denen durch das Emissionskonsortium in die Preisbildung eingegriffen wird. Stabilisierungsmaßnahmen sind abzugrenzen von Rückkaufprogrammen, die nicht im Zusammenhang mit einer Emission stehen.1229 Sie stehen insbesondere in einem Spannungsverhältnis zum Marktmanipulationsverbot, weswegen sie im Kapitalmarktrecht durch umfangreiche Anforderungen 1225 Allerdings ist eine zusätzliche Anwendung des deutschen Kartellrechts in diesen Fällen nicht obligatorisch, sondern fakultativ, vgl. Begr. RegE der Siebten GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, 46. 1226 s. Begr. RegE der Siebten GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, 21; vgl. dazu Nordemann, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 10 f. 1227 s. o. § 4 II. 2. c) cc). 1228 Der Begriff „Kursstabilisierung“ soll im Folgenden ausschließlich auf Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Wertpapieremission bezogen werden, von diesem Verständnis geht auch die MAR in Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR aus; zu den unterschiedlichen Bezeichnungen vgl. Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 122 f.; vgl. auch Schäfer, WM 1999, 1345, 1345. 1229 s. Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 389; zu Rückkaufprogrammen vgl. Art. 5 Abs. 1 – 3 MAR; Art. 2 ff. der Delegierten VO (EU) Nr. 2016/1052 der Kommission vom 8. 3. 2016 zur Ergänzung der VO (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. 2016, L 173, 34; sowie Lenzen, Börsenkursbildung, 20 f.; zur Publizität bei Aktienrückkaufprogrammen s. Singhof, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 483 ff.
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reguliert sind. Zu Zwecken der Stabilisierung gehen die Banken oftmals gemeinsam und koordiniert auf dem Sekundärmarkt vor, weshalb zudem eine Relevanz des Kartellrechts möglich scheint.1230 Das Kartellrecht erscheint außerdem als einschlägig, weil bei einer Emission oftmals mit vertraglichen Abreden versucht wird, die Veräußerung von Aktien durch Altaktionäre zu erschweren oder verbieten (lockup), wodurch die Wettbewerbsmöglichkeiten der betroffenen Wertpapierinhaber beschränkt sein könnten.1231 Insgesamt verspricht im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen die vergleichende Anwendung von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht daher näheren Aufschluss über die Wirkungsweise der beiden Rechtsgebiete. a) Grundlagen Nach einer Wertpapieremission kommt es häufig zu starken Kursschwankungen, die eine Gefahr für den Emissionserfolg darstellen.1232 Dies ist besonders dann zu beobachten, wenn ein Wertpapier erstmalig emittiert wird oder die Emission sehr groß ist und der Markt Schwierigkeiten hat, sie aufzunehmen.1233 Die Schwankungen resultieren regelmäßig aus einem starken Angebotsüberhang, der kurz nach der Notierungsaufnahme auftritt.1234 Die Emission befriedigt einen Großteil der Nachfrage, sodass anschließende Verkäufe zu Verzerrungen in der Preisbildung führen können.1235 Es besteht insbesondere die Gefahr, dass ein Sinken des Preises weitere Aktionäre dazu veranlasst, ihre Beteiligung zur Verlustbegrenzung zu veräußern, was ein weiteres Fallen des Kurses auslösen kann.1236 Zu den genauen Ursachen der Kursschwankungen gibt es in der ökonomischen Literatur jedoch verschiedene Erklärungsansätze.1237 Die starken Kursausschläge im Kontext einer Emission werden vor diesem Hintergrund allgemein als marktfremd erachtet. Es entspricht daher dem allgemeinen Verständnis, dass kursstabilisierende Maßnahmen der Emissionsbanken unter bestimmten Voraussetzungen ökonomisch vorteilhaft sind 1230
Rn. 89. 1231
s. bereits Bueren, WM 2013, 585; vgl. auch Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG
Bueren, WM 2013, 585, 593 f. Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 504; Ekkenga, WM 2002, 317, 317. 1233 Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 504; vgl. auch Meyer, in: Marsch/Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 348, der darauf hinweist, dass dieser Effekt auch bei der Platzierung solcher Aktien auftreten kann, die bereits notiert sind. 1234 Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 504. 1235 Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2094 f.; Meyer, in: Marsch/Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 348. 1236 Meyer, in: Marsch/Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 348. 1237 Neben möglichen Liquiditätsengpässen wird auf die Phänomene underpricing, flipping und overpricing verwiesen, s. dazu ausführlich Bingel, Kursstabilisierung, 48 ff., m. w. N. 1232
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und dazu beitragen, dass der Primärmarkt für Anleger und Emittenten attraktiv bleibt.1238 Stabilisierungsmaßnahmen finden in verschiedenen Ausgestaltungen statt, primär durch eine künstliche Begrenzung des Angebotes oder eine Erhöhung der Nachfrage.1239 In der Praxis werden solche Maßnahmen regelmäßig durch den Konsortialführer alleine durchgeführt, der allerdings oft auf Grundlage einer entsprechenden Regelung im Konsortialvertrag für Rechnung des gesamten Konsortiums handelt.1240 Es soll hier nicht näher vertieft werden, inwiefern durch das Einwirken auf Angebot oder Nachfrage tatsächlich die Preisbildung beeinflusst werden kann. Am wahrscheinlichsten erscheint es, dass dies durch positive Informationen an den Markt realisiert wird (Informationseffekt).1241 b) Übliche Vorgehensweisen Bei der praktisch kaum relevanten pure stabilisation führen die Konsortialbanken Aktienkäufe am Markt durch, um fallende Kurse zu stützen.1242 Regelmäßig bereiten die Banken ihre Stabilisierungskäufe jedoch mit der sog. Mehrzuteilung (over-allotment facility) vor. Dazu platzieren die Banken im Rahmen der Emission mehr 1238
Vgl. ErwGr. 12 der MAR; vgl. auch ErwGr. 6 der Delegierten Ergänzungs-VO „Die Kursstabilisierung von Wertpapieren soll eine vorübergehende Stützung des Kurses im Rahmen einer Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren bewirken, wenn die Wertpapiere unter Verkaufsdruck geraten, und so den durch kurzfristige Anleger verursachten Verkaufsdruck mindern und für diese Wertpapiere geordnete Marktverhältnisse aufrechterhalten. Auf diese Weise kann sie das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in die Finanzmärkte stärken. […]“; s. zudem ErwGr. 6 der Delegierten Ergänzungs-VO (EU) Nr. 596/2014: „Auf diese Weise kann sie [die Kursstabilisierung] das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in die Finanzmärkte stärken.“; vgl. ferner Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 267; Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 339 ff.; hierzu sowie zu weiteren Begründungsansätzen Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 112 ff.; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046 f.; vgl. auch Bingel, Kursstabilisierung, 64 ff., 90, der darstellt, dass die starken Kursschwankungen für sich gesehen nicht ordnungswidrig sind, jedoch die Kurspflege zur Attraktivität des Emissionsmarktes beiträgt; offenlassend Vogel, WM 2003, 2437, 2438; vgl. außerdem Aggarwal, 55 J. Finance (2000), 1075, 1077 f.; Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 431; Meyer, in: Marsch/Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 348. 1239 Bingel, Kursstabilisierung, 43; Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 29; nur in Ausnahmefällen wird demgegenüber eine Verhinderung marktfremder Kursausschläge nach oben angestrebt, vgl. Ekkenga, WM 2002, 317, 317, zu dieser sog. „Kurs- oder Preisdämpfung“ Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG, Rn. 350; vgl. auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 273. 1240 Schücking, in: Gummert/Weipert (Hg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 1, § 32 Rn. 32; Bingel, Kursstabilisierung, 36, 43 f.; Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 82 ff.; Bueren, WM 2013, 585, 585 f.; grundsätzlich ist auch eine Durchführung durch den Emittenten möglich, jedoch praktisch nicht relevant, s. Bingel, a. a. O., 43. 1241 s. o. bei Fn. 580. 1242 Eine empirische Studie des IPO-Marktes in den USA kam im Jahr 2000 zum Ergebnis, dass pure stabilisation nicht stattfindet, s. Aggarwal, 55 J. Finance (2000), 1075, 1082; dazu auch Bingel, Kursstabilisierung, 36.
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Aktien als vom Emittenten ausgegeben werden.1243 In der Folge können die Banken Papiere zur Kursstabilisierung zurückkaufen, ohne einen eigenen Bestand aufbauen zu müssen.1244 Die Mehrzuteilungs-Aktien werden dem Emissionskonsortium meist von Altaktionären im Rahmen eines Wertpapierdarlehens zur Verfügung gestellt.1245 Die Rückführung der geliehenen Wertpapiere kann schließlich durch Käufe am Markt erfolgen.1246 Sind die Emissionsbanken gegenüber dem Verleiher der Aktien ungesichert, so wird dies als ungedeckte Mehrzuteilung (naked short) bezeichnet.1247 Für den Fall, dass der Wertpapierpreis nach der Platzierung über den Emissionspreis steigt, sind die Deckungskäufe dann jedoch für die Banken verlustbringend.1248 Daher lassen sich die Emissionsbanken üblicherweise von Altaktionären oder dem Emittenten1249 eine Option auf Erwerb von weiteren Aktien zum ursprünglichen Platzierungspreis gewähren (Greenshoe-Option).1250 Diese Option wird grundsätzlich von den Emissionsbanken ausgeübt, wenn der Aktienkurs steigt. Sinkt der Preis hingegen nach der Emission, so befriedigt das Konsortium die Mehrzuteilung durch Käufe am Markt, durch diese Nachfrage wird ein Steigen des Kurses angestrebt.1251 Das Angebot am Sekundärmarkt wird ferner durch Absprachen eingeschränkt, die eine Veräußerung von Wertpapieren nach der Emission verhindern sollen.1252 Wie bereits angedeutet vereinbaren Altaktionäre häufig mit den Emissionsbanken und/ oder mit dem Emittenten eine zeitlich befristete Halteverpflichtung (lock-up).1253 Oftmals werden diese Verpflichtungen durch eine Freigabeklausel ergänzt, wonach 1243
Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2097. Bingel, Kursstabilisierung, 37. 1245 Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2097; Bingel, Kursstabilisierung, 37; die Alternative des deferred settlements, wobei die Banken mit einigen Zeichnern eine spätere Belieferung vereinbaren, ist nicht üblich, s. ebenda. 1246 Bingel, Kursstabilisierung, 37; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 130. 1247 Dies ist missverständlich, weil dabei regelmäßig nicht die Mehrzuteilung ungedeckt ist, sondern lediglich die Position dem Verleiher gegenüber, s. Feuring/Berrar, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1288 f.; vgl. außerdem Meyer, in: Marsch/Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 352; Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2099; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 130. 1248 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 130. 1249 Wird die Greenshoe-Option mit dem Emittenten vereinbart, so führt dieser bei ihrer Ausübung eine Kapitalerhöhung durch, vgl. Brandt, in: Kümpel/Wittig (Hg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 2098 f. 1250 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 130. 1251 Bingel, Kursstabilisierung, 39 f. 1252 Zu lock-up und penalty bids als Form der Stabilisierung Bingel, Kursstabilisierung, 40. 1253 Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 167; Fleischer, WM 2002, 2305, 2305 f.; Grüger, WM 2010, 247, 247 f.; Haouache/Mülbert, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 684 f.; Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 111 f. 1244
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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eine Veräußerung mit Zustimmung der Emissionsbanken möglich ist.1254 Daneben soll auch verhindert werden, dass Neuaktionäre zum Erzielen von Zeichnungsgewinnen ihre Papiere unmittelbar nach der Emission abstoßen (sog. flipping)1255. Hierzu kommen die sog. penalty bids zum Einsatz. Dabei handelt es sich jedoch nicht um vertragliche Absprachen mit den Neuaktionären selbst.1256 Vielmehr vereinbaren Konsortialführer und Konsortialmitglieder untereinander, dass Provisionen von einer Emissionsbank zurückverlangt werden können, deren Kunden flipping praktizieren, oder dass gar Strafen fällig werden. Dies hat die Wirkung, dass die Emissionsbanken auf ihre Kunden einwirken (z. B. durch die Drohung, bei zukünftigen Emissionen nicht mehr berücksichtigt zu werden), sowie dass schon bei der Zuteilung langfristig interessierte Kunden priorisiert werden.1257 c) Kapitalmarktrechtlicher Rahmen der Kursstabilisierung aa) Angaben im Wertpapierprospekt Bereits gem. § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziff. 5.2.5, Ziff. 6.5 EU-ProspektDVO1258 sind als Mindestangaben im Wertpapierprospekt für Aktien1259 Informationen zu möglichen Stabilisierungsmaßnahmen anzugeben. Dazu gehört ein Hinweis auf die Möglichkeit der Vornahme von Stabilisierungsmaßnahmen, den Zeitraum, die verantwortliche Person sowie die Tatsache, dass sich durch die Stabilisierung ein erhöhter Marktpreis einstellen kann. Gesondert sind auch Angaben zu geschlossenen Lock-up-Vereinbarungen vorgeschrieben. Gem. § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziff. 7.3. EU-Prospekt-VO sind „die beteiligten Parteien; Inhalt und Ausnahmen der Vereinbarung; der Zeitraum des ,lock-up‘“ anzugeben. Es sind daher
1254 Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 367; Schäcker/ Kunze/Wohlgefahrt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 125; zu den unterschiedlichen Formen einer Lock-up-Vereinbarung auch Bingel, Kursstabilisierung, 41; Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 166 f.; Grüger, WM 2010, 247, 248. 1255 Zum flipping vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 267; Aggarwal, 68 J. Financ. Econ. (2003), 111, 114 ff. 1256 So wohl aber Bueren, WM 2013, 585, zutreffend wiederum auf S. 593. 1257 Bingel, Kursstabilisierung, 42; Oechsler, in: MüKo-AktG, § 71 AktG Rn. 353; Aggarwal, 55 J. Finance (2000), 1075, 1080; Aggarwal, 68 J. Financ. Econ. (2003), 111, 115. 1258 VO (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der RL 2003/71/EG, ABl. 2004 L 149, 1. 1259 Zudem gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 EU-ProspVO für Wandel- und Optionsanleihen, die von der AG begeben werden; vgl. dazu auch Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 516. Es ist anzunehmen, dass die Informationen zur Stabilisierung unabhängig von der speziellen Normierung als Mindestangaben schon nach allgemeinen Erwägungen im Prospekt zu publizieren sind, daher sollte dies auch bei der Emission von Anleihen erfolgen, s. Singhof, a. a. O., 515, 516 f.
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Lock-up-Vereinbarungen zwischen Altaktionären und Emittent zu publizieren, aber auch solche zwischen Emissionsbanken und Emittent oder Altaktionären.1260 bb) Verbot der Marktmanipulation Sowohl Stabilisierungskäufe (1) als auch Lock-up-Vereinbarungen (2) könnten gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen. (1) Stabilisierungskäufe Kursstabilisierungsmaßnahmen haben gerade den Zweck, den Kurs eines Papiers zu beeinflussen. Daher erfüllen sie potenziell den Tatbestand der Marktmanipulation.1261 Zunächst sei erläutert, welche Varianten der Tatbegehung dabei in Betracht kommen (a). Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Bedarf an einer Freistellung durch den safe harbour, welcher anschließend dargestellt wird (b). (a) Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR: einschlägige Tatbestandsalternativen Stabilisierungskäufe könnten gegen mehrere Begehungsvarianten des Marktmanipulationsverbotes verstoßen. Zunächst ist an eine Verwirklichung Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR zu denken.1262 Demnach ist Marktmanipulation der „Abschluss eines Geschäfts, [die] Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments […] gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist“. Stabilisierungskäufe stellen „den Abschluss eines Geschäfts“ dar. Sie suggerieren dem Markt, dass die Transaktionen auf einem wirtschaftlichen Interesse der jeweiligen Erwerber beruhen. Tatsächlich erfolgen sie ausschließlich zur Stabilisierung bzw. Beeinflussung des Kurses. In dieser Hinsicht sind die Signale, die von Stabilisierungskäufen ausgehen, „irreführend“.1263 Selbst bei umfassender Publizität ist diese irreführende Wirkung nicht vollständig zu beseitigen, da für Marktakteure im Zeitpunkt der Stabilisierungsmaßnahme nicht unmittelbar ersichtlich ist, dass diese kein Investment darstellt, sondern aus1260 Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 517, der darauf hinweist, dass Informationen zu Lock-up-Agreements auch nach allgemeinen Grundsätzen anzugeben wären. 1261 s. zur alten Rechtslage Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 352 f.; sowie ausführlich Bingel, Kursstabilisierung, 138 ff.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 274. 1262 Zur Auslegung des Tatbestandes s. näher o. § 4 I. 2. c) aa). 1263 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Bingel, Kursstabilisierung, 155; Grüger, BKR 2007, 437, 439 f.; vgl. auch Grüger, Kurspflege, 194, 221; Kramer, Kurspflegemaßnahmen, 108 ff., 117 f., 156 f. will die Tatbestandsmäßigkeit von Kurspflegemaßnahmen von einer Manipulationsabsicht abhängig machen, die bei Vorliegen legitimer Gründe zu verneinen sein soll, vgl. S. 162 ff.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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schließlich zur Kursbeeinflussung erfolgt.1264 Auch Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR könnte erfüllt sein, wenn die Stabilisierung „ein anormales oder künstliches Kursniveau […] sichert oder […] dies wahrscheinlich ist“. Mit Stabilisierungskäufen wird angestrebt, auf den Kurs eines Wertpapiers einzuwirken. Der mögliche Preiseffekt ist unabhängig von der tatsächlichen Einschätzung des Papiers durch den Markt. Das für diesen Fall eintretende Kursniveau ist „anormal“ oder „künstlich“, da es nicht die wahren Verhältnisse am Markt wiedergibt.1265 Wenn die Maßnahme Erfolg hat kann auch das tatbestandliche „Sichern“ des Kursniveaus ausgemacht werden.1266 Es könnten also sowohl Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) als auch ii) MAR erfüllt sein. Ferner kommt Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR in Betracht, der u. a. „jegliche sonstige Tätigkeit oder Handlung, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung“1267 erfasst, die Kurse beeinflusst oder dazu geeignet ist. Vor allem zum Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. in seiner ursprünglichen Fassung wurde diskutiert, ob Stabilisierungsmaßnahmen eine „sonstige Täuschungshandlung“ darstellen.1268 Die Diskussion wurde mit der Verschiebung dieser Begehungsvariante in § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. fortgeführt,1269 verlor aber durch die Einführung des Tatbestandes der handelsgestützten Manipulation gem. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. an Relevanz.1270 Es erscheint durchaus sachgerecht, Stabilisierungskäufen auch eine „Täuschung“ über die wirtschaftliche Motivation des Kaufvorganges beizumessen,1271 sofern sie nicht
1264
Bingel, Kursstabilisierung, 155; a. A. Meyer, AG 2004, 289, 298. Zur Auslegung des Tatbestandes s. o. § 4 I. 2. c) bb); speziell zur Kursstabilisierung (nach § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F.) Bingel, Kursstabilisierung, 151 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 299; Eichelberger, Marktmanipulation, 36 f.; Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 392; s. jedoch Kramer (o. Fn. 1263), der auch hier auf eine Manipulationsabsicht abstellt und darüber „legitim begründete“ Maßnahmen ausgrenzt. 1266 Zur wohl gleich auszulegenden „Sicherung“ einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR wurde festgestellt, dass schon die Herbeiführung des Zustandes erfasst ist, s. o. § 4 I. 2. b) bb). 1267 Vgl. zu diesem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 lit. b) MAR die Berichtigung der MAR v. 21. 12. 2016, ABl. L 348, 83. 1268 Ausführlich Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, 66 ff.; Vogel, WM 2003, 2437, 2440, 2442 f.; rekapitulierend Bingel, Kursstabilisierung, 139 ff. 1269 Bingel, Kursstabilisierung, 144 ff. 1270 Bingel hält daher die Einordnung als „sonstige Täuschungshandlung“ für irrelevant. 1271 So Bingel, Kursstabilisierung, 141 ff.; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, 86 ff. (Täuschung, wenn Kursbeeinflussung bezweckt); die Einschlägigkeit von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a. F. befürwortet auch Grüger, BKR 2007, 437, 449 f.; Grüger, Kurspflege, 194, 221; differenzierend Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 304; eine Täuschung durch effektive Geschäfte ablehnend Weber, NZG 2000, 113, 115 f.; Lenzen, Börsenkursbildung, 192 ff.; Schäfer, WM 1999, 1345, 1352 (Ausnahme: Kurspflege auf dem Graumarkt). 1265
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publiziert werden.1272 Legt man dieses Verständnis zugrunde, dann könnte bei fehlender Publizität auch Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR einschlägig sein.1273 Wenn Stabilisierungsmaßnahmen nicht vollständig publiziert werden, könnte ferner eine Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR vorliegen. Dies ist der Fall bei der „Verbreitung von Informationen […] die falsche oder irreführende Signale […] geben oder bei denen dies wahrscheinlich ist oder ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente […] herbeiführen oder bei denen dies wahrscheinlich ist […], wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren“. Auch Informationen, die wichtige Aspekte auslassen und somit unvollständig sind,1274 sind für die Anlegerschaft „irreführend“1275 und geben entsprechende Signale.1276 Wenn der Emittent oder das Konsortium z. B. in Pflichtangaben1277 relevante Aspekte der Kursstabilisierung unterschlagen, kommt auch auf dieser Grundlage eine Tatbestandsverwirklichung in Betracht.1278
1272
Zum Entfall der Täuschung bei ausreichender Publizität Vogel, WM 2003, 2437, 2442; Worms, in: Assmann/Schütze (Hg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 593. 1273 Vgl. auch Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 92, 119, die die vormals von § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a. F. normierte und nun entfallene Fallgruppe des Verschweigens von Umständen entgegen bestehender Rechtsvorschriften nun unter Art. 12 Abs. 2 lit. b) MAR subsumieren wollen. 1274 Näher dazu, wann diese Schwelle erreicht ist Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 317 ff. (zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG a. F.). 1275 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 312 ff.; nach a. A. sind unvollständige Informationen „falsch“, senden jedoch „irreführende“ Signale aus s. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 53, 63 (vgl. auch die nächste Fn.); nach a. A. zur alten Rechtslage „unrichtige Angaben“, s. Emittentenleitfaden der BaFin 2013, 89, www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_2013.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018): „Unrichtig sind Angaben auch, wenn sie unvollständig sind, d. h. wichtige Teilaspekte auslassen und so ein falsches Gesamtbild entsteht.“; Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 21. 1276 Zur im Ergebnis wohl unerheblichen Problematik, ob für eine Verwirklichung der ersten Variante des Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR nur die gegebenen Signale falsch oder irreführend sein müssen, oder bereits die verbreiteten Informationen falsch oder irreführend zu sein haben s. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 49 f. 1277 Die Form und der Kontext des Verbreitens sind unerheblich, vgl. Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 55; zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F. Fleischer, in: Fuchs (Hg.) WpHG, § 20a WpHG Rn. 16. 1278 Ebenso zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 457.
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Zusammengefasst ist bei Stabilisierungsmaßnahmen an eine Verwirklichung von Art. 12 Abs. 1 lit. a) i), ii), lit. b) und lit. c) MAR zu denken. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, sofern sich Stabilisierungsmaßnahmen in den Grenzen des nachfolgend zu erörternden safe harbour bewegen.1279 (b) Safe harbour Der Unionsgesetzgeber hat den ökonomischen Nutzen von Kursstabilisierungsmaßnahmen ausdrücklich anerkannt. Gestützt auf Art. 8 MMRL 2003 wurde mit der VO (EG) Nr. 2273/20031280 eine explizite Freistellung von Kursstabilisierungsmaßnahmen1281 vom Verbot der Marktmanipulation sowie dem Insiderhandelsverbot statuiert (safe harbour), auf die vom deutschen Gesetzgeber in § 20a Abs. 3 WpHG a. F. sowie § 5 MaKonV a. F. verwiesen wurde.1282 Daran anknüpfend ist der safe harbour nunmehr in Art. 5 MAR verankert und in der VO (EU) Nr. 2016/1052 „zur Ergänzung der [MAR] durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen“1283 (nachfolgend: RS-VO) konkretisiert. Der safe harbour für Kursstabilisierungsmaßnahmen stellt detaillierte Vorgaben auf, die überblicksartig dargestellt werden sollen. Zwischen den früheren Vorschriften und der RS-VO gibt es eine weitgehende terminologische und inhaltliche Kontinuität, die für die Auslegung der noch unerprobten Normen fruchtbar gemacht werden kann.1284
1279 Vgl. jedoch Kramer, Kurspflegemaßnahmen, 155 f., der davon ausgeht, dass Verstöße gegen § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 WpHG a. F. (informationsgestützte Marktmanipulation, sonstige Täuschungshandlung) niemals legitim sein können, und sich der safe harbour dementsprechend nur auf § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. (jetzt Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR) bezieht. Diese Ansicht ist jedenfalls zur neuen Rechtslage angesichts des klaren Wortlauts des Art. 5 Abs. 4 MAR zurückzuweisen. 1280 VO (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. 12. 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. 2003, L 336, 33. 1281 Die VO (EG) Nr. 2273/3003 stellt auch Rückkaufprogramme frei, die jedoch hier thematisch keine Relevanz haben. 1282 Zur deklaratorischen Natur dieser Verweisungen Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 426, m. w. N. 1283 Delegierte VO (EU) Nr. 2016/1052 der Kommission vom 8. 3. 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. 2016, L 173, 34; diese wiederum ist gestützt auf Art. 5 Abs. 6 MAR. 1284 So nimmt die RS-VO etwa durchgehend Bezug auf den nicht (mehr) definierten Terminus „Wertpapierhaus“ (z. B. in Art. 1 lit. e), lit. g), RS-VO), dies scheint ein überkommenes Relikt aus Art. 2 Nr. 1 VO (EG) Nr. 2273/2003, zu sein; in Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR ist nunmehr die Rede von der „Wertpapierfirma“.
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(aa) Anwendungsbereich Schon die Definition des Begriffes der Kursstabilisierung in Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR bringt Aufschluss über die Reichweite des safe harbour: Erfasst ist danach „[…] jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf von Wertpapieren oder eine Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht.“1285. Daraus ergibt sich der persönliche Anwendungsbereich des safe harbour, der demzufolge auf „Kreditinstitute“1286 und „Wertpapierfirmen“1287 beschränkt ist.1288 Die Stabilisierungsmaßnahmen müssen entsprechend Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR das alleinige Ziel haben, den Preis zu „stützen“. Es darf lediglich einem emissionsbedingten Angebotsüberhang entgegengewirkt werden, jedoch nicht z. B. auf eine Erhöhung des Preises hingewirkt werden oder eine Preissenkung aufgefangen werden, die nicht im Zusammenhang mit der Emission steht.1289 Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR lässt sich des Weiteren entnehmen, dass zulässige Stabilisierungsmaßnahmen der Kauf von Wertpapieren1290 oder das Angebot dazu sind, ebenso „eine Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten1291“. Der Begriff „Transaktion“ umfasst auch den Verkauf verbundener Instrumente, also z. B. den Verkauf einer Kaufoption zu Zwecken der Stabilisierung.1292 Sachlich ist der safe harbour anwendbar auf „signifikante Zeichnungsangebote“ (Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR), also „eine Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren, die sich sowohl 1285 Diese Definition entstammt im Wortlaut nahezu übereinstimmend Art. 2 Nr. 7 VO (EG) Nr. 2273/2003. 1286 s. dazu Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 MAR, wo auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 VO (EU) Nr. 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung/CRR, ABl. 2013 L 176, 1) verwiesen wird, demnach ist ein Kreditinstitut „ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“. 1287 s. dazu Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MAR, wo auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU (MiFID II) verwiesen wird, demnach ist eine Wertpapierfirma „jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt.“ (vorbehaltlich einer nationalen Begriffserweiterung für natürliche Personen gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, S. 3 MiFID II); zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten der MiFID II s. Fn. 395. Zur Verwendung des Begriffes „Wertpapierhaus“ in der RS-VO s. bereits o. Fn. 1284. 1288 Vgl. die entsprechenden Erörterungen zur alten Rechtslage bei Vogel, in; Assmann/ Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 272. 1289 Vogel, in; Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 274; Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 265. 1290 Der Begriff des „Wertpapiers“ ist legaldefiniert in Art. 3 Abs. 2 lit. a) MAR. 1291 Der Begriff der „verbundenen Instrumente“ ist legaldefiniert in Art. 3 Abs. 2 lit. b) MAR. 1292 Vogel, in; Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a Rn. 276.
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hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet“ (Art. 3. Abs. 2 lit. c) MAR). Art. 2 Nr. 9 der VO (EG) Nr. 2273/2003 hatte noch eine „öffentlich angekündigte“ Platzierung verlangt. Allerdings stellt ErwGr. 6 a. E. der RS-VO klar, dass weiterhin1293 der „Handel mit Wertpapierblöcken, bei dem es sich ausschließlich um Privattransaktionen handelt, nicht als signifikantes Zeichnungsangebot von Wertpapieren angesehen [wird]“.1294 Ferner bleibt es dabei, dass nur öffentlich angekündigte Erstplatzierungen erfasst sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a) RS-VO). Insgesamt sind also jedenfalls initial und secondary public offerings vom Anwendungsbereich des safe harbour erfasst.1295 (bb) Stabilisierungszeitraum Art. 5 Abs. 4 lit. a) MAR gibt vor, dass die „Dauer der Stabilisierungsmaßnahme begrenzt“ sein muss. Damit entspricht der safe harbour Befunden der Literatur, wonach nur mit beschränkter Dauer durchgeführte Stabilisierungsmaßnahmen legitim sein können.1296 Die begrenzte Dauer der Stabilisierungsmaßnahmen ist in Art. 5 der RS-VO konkretisiert (Stabilisierungszeitraum). Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a) RS-VO beginnt der Zeitraum bei einer öffentlich angekündigten Erstplatzierung von Aktien und Aktien entsprechenden Wertpapieren an dem Tag der Notierungsaufnahme1297, er endet spätestens nach 30 Kalendertagen. Bei einer Zweitplatzierung von Aktien und ihnen entsprechenden Wertpapieren beginnt dieser Zeitraum nach Art. 5 Abs. 1 lit. b) RS-VO mit dem Tag der Bekanntmachung des Sekundäremissionspreises1298, er endet spätestens 30 Tage nach der Zuteilung1299. Art. 5 Abs. 2 RSVO ermöglicht die Kursstabilisierung bei Erstplatzierungen von Aktien bereits im Zeitraum vor der Notierungsaufnahme, falls im jeweiligen Mitgliedstaat auf einem
1293
Zuvor ErwGr. 14 der VO (EG) Nr. 2273/2003. Vgl. auch die Erläuterungen der ESMA zum finalen Entwurf der technischen Regulierungsstandards, ESMA/2015/1455, S. 20, www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2 015/11/2015-esma-1455_-_final_report_mar_ts.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018): „Stabilisation as a price support measure is not designed to assist an investment bank in placing a line of stock among clients.“; vgl. zu dieser Frage nach der alten Rechtslage Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 273, der öffentlich angekündigte block trades in den safe harbour einbeziehen wollte, dies kann wohl auch nach der neuen Rechtslage im Einzelfall möglich sein. 1295 Sorgenfrei/Saliger, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i. V. m. Art. 15, 12 MAR Rn. 273; zur alten Rechtslage Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 273. 1296 Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 339 ff.; ebenso Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 114. 1297 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 278. 1298 Ebenda, § 20a WpHG Rn. 279; Bingel, Kursstabilisierung, 174 Fn. 358. 1299 Der Begriff der Zuteilung ist legaldefiniert in Art. 1 lit. d) RS-VO. 1294
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„Handelsplatz“1300 schon mit dem Papier gehandelt werden darf. Dies erweitert den Anwendungsbereich des safe harbour (zuvor nach Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2273/ 2003: „geregelter Markt“) um organisierte und multilaterale Handelssysteme1301, was eine Konsequenz des entsprechend erweiterten Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Marktmissbrauchsbegriffes ist.1302 Maßnahmen vor oder während des bookbuilding, also etwa zur Stabilisierung von Graumarktkursen,1303 sind allerdings weiterhin nicht freigestellt, da gem. Art. 5 Abs. 2 RS-VO der Stabilisierungszeitraum erst mit der Bekanntgabe des Emissionskurses beginnt. Die Unanwendbarkeit des safe harbour führt für sich allein zwar nicht zum Verbot solcher Maßnahmen,1304 zumal das Verbot der Marktmanipulation ohnehin erst mit der Stellung des Zulassungsantrages greift.1305 Im Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes ist jedoch davon auszugehen, dass Stabilisierungsmaßnahmen auf dem Graumarkt regelmäßig unzulässig sind.1306 Bei Zweitplatzierungen ist die Kursstabilisierung während des bookbuilding ferner gänzlich abzulehnen.1307 Für „Schuldverschreibungen und andere verbriefte Schuldtitel einschließlich verbriefter Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt oder umgetauscht werden können“ enthält Art. 5 Abs. 3 RS-VO eine Sonderregelung, da bei diesen oftmals die Notierung nicht direkt auf die Platzierung folgt.1308 Nach Art. 5 Abs. 4 lit. c) MAR müssen „in Bezug auf den Kurs 1300
s. dazu Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 MAR i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 RL 2014/65/EU (MiFID II) sowie die nächste Fn. 1301 MTF und OTF, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 und Nr. 23 RL 2014/65/EU (MiFID II); s. jedoch zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten der MiFID II Art. 39 Abs. 4 MAR; vgl. Diversy/ Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 37; vgl. auch bereits o. Fn. 395. 1302 Vgl. Art. 2 Abs. 1 MAR sowie o. Fn. 395. 1303 s. zur alten Rechtslage Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 432 ff.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 278. 1304 So ausdrücklich ErwGr. 11 MAR. 1305 s. o. § 4 II. 2. b) aa) (2) (a) (aa); vgl. zu Manipulationen vor der Stellung des Zulassungsantrages nach alter Rechtslage Grüger, Kurspflege, 164 ff. 1306 Mit dem bookbuilding wird erst der Preis ermittelt. Ein Eingriff in die Bildung von Graumarktkursen könnte in dieser Phase falsche Erwartungen der Anleger verursachen. Zudem ist eine Beeinflussung des Graumarktes durch dessen geringe Liquidität besonders einfach. Eine Kursstabilisierung wird daher nur in extremen Ausnahmefällen zulässig sein, etwa um einer Manipulation durch Dritte entgegenzuwirken, s. zu alldem Bingel, Kursstabilisierung, 177; zust. Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 433 f.; ebenso Kramer, Kurspflegemaßnahmen, 159 ff.; gänzlich gegen Kursstabilisierung auf dem Graumarkt Flothen, Marktmanipulation und Kurspflege, 121 ff.; im Ergebnis ebenfalls Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 224; Grüger, Kurspflege, 171 ff., anders wiederum Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 508, der bei einer dem safe harbour entsprechenden Vorgehensweise davon ausgeht, dass Maßnahmen auf dem Graumarkt „grundsätzlich unbedenklich“ sind; ebenso Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 399. 1307 Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 399. 1308 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 280.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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angemessene Grenzen eingehalten werden“. Hieran anknüpfend sowie vor dem Hintergrund des o.g. Gebotes, dass nur eine „Stützung“ zulässig ist1309 werden in Art. 7 RS-VO „Kursbedingungen“ konkretisiert. In Abs. 1 wird festgehalten, dass die Kursstabilisierung für Aktien oder Aktien entsprechende Wertpapiere „unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs als dem Emissionskurs1310 erfolgen“ darf. Abs. 2 regelt Entsprechendes für Wandelschuldverschreibungen. (cc) Bekanntgabe- und Meldepflichten Nach Art. 5 Abs. 4 lit. b) MAR müssen „relevante Informationen zur Stabilisierung offengelegt und der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gemäß Absatz 5 gemeldet werden“. Durch Art. 5 Abs. 5 MAR sowie Artikel 6 RS-VO werden diese Bekanntgabe- und Meldepflichten konkretisiert. Die entsprechenden Transparenzvorschriften der Delegierten VO (EG) Nr. 2273/2003 wurden von der ESMA für nicht ausreichend befunden.1311 Insbesondere ist nunmehr nach Art. 6 Abs. 5 RSVO aus den an der Durchführung der Stabilisierung beteiligten Personen, namentlich „der Emittent, der Bieter, und alle Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, sowie in ihrem Auftrag handelnde Personen“, eine zentrale Stelle zu ernennen, in deren Verantwortung die Erfüllung der Bekanntgabepflichten (Art. 6 Abs. 1 – 3 RS-VO) liegt, ebenso wie „die Bearbeitung von Ersuchen der in Absatz 4 genannten zuständigen Behörden“. Die Bekanntgabepflichten sind in Art. 6 Abs. 1 – 3 RS-VO detailliert vorgegeben, sie erstrecken sich auf die Zeiträume vor (Abs. 1), während (Abs. 2) und nach (Abs. 3) der Stabilisierung. Wie die vorgeschriebene „angemessene Bekanntgabe“ der jeweiligen Informationen zu erfolgen hat, ergibt sich aus Art. 1 lit. b) RS-VO.1312 Zudem ist in Art. 5 Abs. 5 MAR vorgegeben, dass „Emittent, Bieter, oder Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen“ innerhalb von sieben Handelstagen nach der Ausführung der
1309 Zur alten Rechtslage vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 288. 1310 Da es um den Preis geht, zu dem die Emission bei den Anlegern untergebracht wurde, ist hier der „Platzierungspreis“ gemeint, vgl. zur VO (EG) Nr. 2273/2003 Meyer, in: MarschBarner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 356. 1311 Finaler Entwurf der technischen Regulierungsstandards, ESMA/2015/1455, S. 18, www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-esma-1455_-_final_report_mar_ ts.pdf (abgerufen am 27. 12. 2018). 1312 „,Angemessene Bekanntgabe‘ ist die Veröffentlichung von Informationen in einer Art und Weise, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugriff darauf und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung dieser Informationen nach Maßgabe der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission [zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß MAR, ABl. 2016 L 173, 47] ermöglicht, und gegebenenfalls unter Verwendung des amtlich bestellten Systems gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [ABl. 2004 L 390, 38, Transparenzrichtlinie]“.
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einzelnen Maßnahmen (nicht der Kursstabilisierung insgesamt)1313 eine Mitteilung mit Einzelheiten an die zuständige Behörde des Handelsplatzes erstatten. Diese Pflicht ist wiederum in Art. 6 Abs. 4 RS-VO konkretisiert, wo unter Rückgriff auf die MiFID II Aufzeichnungspflichten und anschließende Meldepflichten für die „Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen“1314 aufgestellt werden. Zudem stellt ErwGr. 8 der RS-VO klar, dass die Bekanntgabevorschriften des Art. 6 RS-VO nicht die Informationen berühren, die nach der EU-Prospekt-VO bekanntzugeben sind. Nach Art. 9 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 2273/2003 waren die Bekanntgabepflichten im Anwendungsbereich der Prospekt-VO sogar „ausgesetzt“. Die Prospektangaben entsprechen weitgehend der Ex-ante-Publizität der RS-VO, gehen aber teils darüber hinaus.1315 (dd) Ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen Art. 8 RS-VO stellt „Bedingungen für ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen“ auf, womit gem. Art. 1 lit. e) RS-VO die Mehrzuteilung1316 sowie die Ausübung einer Greenshoe-Option1317 bezeichnet werden. Eine Mehrzuteilung ist nach lit. a) „nur innerhalb der Zeichnungsfrist und zum Emissionskurs1318“ freigestellt, zudem darf nach lit. b) maximal in einer Höhe von fünf Prozent des ursprünglichen Angebots ein naked short erfolgen, die Mehrzuteilung muss im Übrigen durch eine Greenshoe-Option abgedeckt sein.1319 Die Greenshoe-Option darf nach lit. c) nur „im Rahmen einer Überzeichnung des Angebots ausgeübt“ werden und nach lit. d) „nicht 15 % des ursprünglichen Angebots“ überschreiten, also darf das ausübbare Volumen der Option nicht über das tatsächliche Volumen der Mehrzuteilung hinausgehen.1320 Lit. e) gibt schließlich vor, dass der Zeitraum für die Ausübung der Greenshoe1313
Kritisch zur entsprechenden Regelung in der VO (EG) Nr. 2273/2003 Feuring-Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1286 f. 1314 Hieraus ergibt sich, dass entgegen einer naheliegenden Auslegung des Art. 5 Abs. 5 MAR nicht alle dort genannten Unternehmen zur Mitteilung verpflichtet sind, sondern lediglich die „durchführenden Unternehmen“ (also regelmäßig die Emissionsbanken). 1315 Vgl. in Bezug auf Art. 9 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2273/2003, Singhof, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 516. 1316 Diese wird in der RS-VO wie auch schon zuvor in Art. 11 VO (EG) Nr. 2273/2003 in der deutschen Übersetzung missverständlich „Überzeichnung“ (in der englischen Fassung overallotment facility) genannt, s. dazu Feuring-Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1287 („terminologisch wenig gelungen“); Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 445 f. Der Begriff „Überzeichnung“ ist in Art. 1 lit. f) RS-VO legaldefiniert. 1317 Der Begriff ist in Art 1 lit. g) RS-VO legaldefiniert, vgl. ferner die Ausführungen o. § 4 II. 3. b). 1318 Gemeint ist erneut der „Platzierungspreis“, vgl. Fn. 1310, zur VO (EG) Nr. 2273/2003 s. Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 357. 1319 Zur VO (EG) Nr. 2273/2003 Feuring-Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1288. 1320 Zur VO (EG) Nr. 2273/2003 Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 511.
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Option mit dem Kursstabilisierungszeitraum übereinstimmen muss. Für die Greenshoe-Option enthält Art. 8 lit. f) RS-VO zusätzliche umfassende Transparenzanforderungen, wonach „die Öffentlichkeit […] unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung der Greenshoe-Option unterrichtet“ werden muss, „insbesondere über den Zeitpunkt der Ausübung und die Zahl der relevanten Wertpapiere.“. An dieser Ex-post-Publizitätspflicht ist besonders, dass sie abweichend von Art. 6 Abs. 3 RS-VO nicht innerhalb einer Woche zu erfüllen ist, sondern unverzüglich.1321 Allerdings sind auch für ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen die Bekanntgabe- und Meldepflichten des Art. 6 RS-VO maßgeblich, vgl. Art. 8 HS 1 RS-VO, weswegen zusätzlich u. a. Ex-ante-Publizität vorgeschrieben ist.1322 (2) Lock-up-Vereinbarungen Lock-up-Vereinbarungen sind nicht durch den safe harbour freigestellt. ErwGr. 11 MAR stellt zwar klar, dass Stabilisierungsmaßnahmen, die nicht vom safe harbor erfasst sind, nicht schon aus diesem Grund verboten sind.1323 Lock-up-Vereinbarungen unterfallen jedoch bereits nicht der Legaldefinition des Begriffes „Kursstabilisierung“ in Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR, da sie weder einen „Kauf bzw. […] Angebot zum Kauf von Wertpapieren“ noch eine „Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten“ darstellen.1324 Auch Lock-up-Vereinbarungen können den Marktpreis eines Wertpapiers beeinflussen und damit potenziell gegen das Manipulationsverbot verstoßen. Sie können erstens bewirken, dass sich vertraglich gebundene Anteilsinhaber selbst dann nicht von ihren Beteiligungen trennen, wenn die wirtschaftliche Perspektive des Investments sie zu einer Veräußerung veranlassen würde.1325 Zweitens kann unmittelbar im Anschluss an den Zeitraum des lock-ups ein kurzfristiger Preisdruck entstehen, wenn die vormals gebundenen Anleger ihre Papiere verkaufen.1326 Es ist zwar gerade bei einer IPO denkbar, dass der Abschluss einer Lock-up-Vereinbarung vor der Stellung des Antrages auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt stattfindet und damit außerhalb des zeitlichen
1321 Vgl. zur VO (EG) Nr. 2273/2003 Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 447. 1322 Ebenda. 1323 Zur alten Rechtslage ausführlich zu den Konsequenzen isolierter Verstöße gegen die Maßgaben des safe harbour Kramer, Kurspflegemaßnahmen, 154 ff. 1324 Deutlich wird die fehlende Qualifizierung von Lock-up-Agreements als Kursstabilisierungsmaßnahmen i. S. d. MAR auch anhand des begrifflichen Verständnisses in Art. 5 Abs. 4: „Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren“, nahezu wortgleich auch ErwGr. 12 MAR. 1325 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449; Bingel, Kursstabilisierung, 152; Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 112. 1326 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449; Bingel, Kursstabilisierung, 152.
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Anwendungsbereiches der MAR1327. Tatsächlich tritt der lock-up jedoch regelmäßig erst mit der Notierungsaufnahme in Kraft1328 und die vertraglich vereinbarte Verhaltensweise (Unterlassen der Veräußerung) findet gerade erst nach der Zulassung statt, weswegen die zeitliche Anwendbarkeit der MAR und mit ihr des Marktmanipulationsverbotes gegeben ist. In der Literatur wird diskutiert, ob der Bruch eines Lock-up-Agreements eine Marktmanipulation darstellen kann,1329 was hier jedoch nicht näher interessiert. Nach ganz allgemeiner Ansicht verfolgen die lock-ups selbst ein legitimes Interesse und verstoßen bei ausreichender Publizität nicht gegen das Marktmanipulationsverbot.1330 Dazu ist anzumerken, dass Emittenten schon gar kein Interesse daran haben, einen lock-up zu verheimlichen. Vielmehr wird dem Markt durch den lock-up signalisiert, dass die Altaktionäre an die Entwicklung des Emittenten glauben.1331 Nach dem potenziell für lock-ups relevanten Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR ist eine Marktmanipulation u. a. jede „Handlung, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments […] gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist“. Anders als nach der alten Rechtslage1332 können nicht nur Transaktionen am Kapitalmarkt tatbestandsmäßig sein (handelsgestützte Manipulation), sondern eben auch „jede andere Handlung“ und damit auch der Abschluss und die Durchführung eines Lock-upAgreements. Das vereinbarungsgemäße Unterlassen eines Aktienverkaufs sendet jedoch schon keine „Signale“ aus.1333 Ferner ist bei ausreichender Publizität der Maßnahme nicht davon auszugehen, dass Lock-up-Vereinbarungen i. S. d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR „ein anormales oder künstliches Kursniveau“ sichern. Zwar wird auch und gerade dann ein Kursniveau angestrebt, das ohne die Lock-up-Ver1327
Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) MAR. Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 113. 1329 Ausführlich Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 451 ff.; Grüger, WM 2010, 247; Haouache/Mülbert, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 685; Heimann, Marktpreismanipulation und Marktpreisstabilisierung während der Emission von Wertpapieren, 112 ff.; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 74 ff. 1330 Haouache/Mülbert, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 684 f., der die Zulässigkeit aus der Publizitätspflicht gem. Anhang III Ziff. 7.3. der Prospekt-DVO ableitet; ähnlich Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 340; Grüger, WM 2010, 247, 249; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 301, nach dem „die wesentlichen Stabilisierungsbedingungen der VO (EG) Nr. 2273/2003“ (jetzt: RS-VO) eingehalten werden müssen, „insbesondere die 30-Tagesfrist“. 1331 Bingel, Kursstabilisierung, 63. 1332 § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG a. F. „Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufaufträge zu erteilen“; die potenzielle Tatbestandsmäßigkeit von Lock-up-Agreements daher ablehnend Bingel, Kursstabilisierung, 152 f., 155 Fn. 273. 1333 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 20a WpHG Rn. 146b, wonach ein Unterlassen (der Veräußerung) für die Verwirklichung des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F. nicht genügt; wohl auf die fehlende „Falschheit“ bei Publizität abstellend Mock, in: KKWpHG, § 20a WpHG Rn. 404. 1328
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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einbarungen anders wäre.1334 Dies kommt jedoch nicht einem „anormalen oder künstlichen Kursniveau“ gleich, da der Preiseffekt bei vollständiger Publizität allein die informierte Einschätzung durch die Marktteilnehmer reflektiert. Zudem kommt bei vollständiger Publizität keine Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR durch „irreführend“ unvollständige Informationen in Betracht.1335 Aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Preiswirkung von lock-ups wäre es gleichwohl zu befürworten gewesen, den safe harbour auch auf lock-ups zu erweitern.1336 cc) Insiderhandelsverbot Auch gemessen am Verbot von Insidergeschäften gem. Art. 14 lit. a) i. V. m. Art. 8 MAR könnte die Kursstabilisierung problematisch sein. Der safe harbour nimmt Kursstabilisierungsmaßnahmen neben dem Marktmanipulationsverbot auch vom Verbot von Insidergeschäften aus, vgl. Art. 5 Abs. 4 MAR. Dies könnte indizieren, dass der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass Stabilisierungsmaßnahmen andernfalls gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen würden.1337 In der Literatur wird im Zusammenhang mit der Kursstabilisierung teilweise pauschal auf eine potenzielle Relevanz des Insiderhandelsverbotes verwiesen.1338 Tatsächlich erscheint es zumindest möglich, dass die konkrete Absicht zur Vornahme einer Kursstabilisierung eine Insiderinformation darstellt, die bei der anschließenden Vornahme von Stabilisierungsmaßnahmen genutzt wird. Beim Entschluss zur Stabilisierung könnte es sich um eine Insiderinformation i. S. d. Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR handeln, also um „nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen […]“1339. Auch eine selbst geschaffene innere Tatsache wie ein gefasster Entschluss kann grundsätzlich eine solche Information darstellen.1340 Selbst bei umfänglicher Publizität erfährt der Markt nicht, welche Transaktion der Stabilisierung dient, sodass 1334
A.A. Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 405, der davon ausgeht, dass durch lockups schon „kein bestimmtes Preisniveau geschaffen“ wird. 1335 Zu § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG a. F. Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 404. Für den Fall der fehlenden Publizität § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a. F. bejahend Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 457; für § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a. F. Bingel, Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen, 157. 1336 Ebenso bereits Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449. 1337 Diese Überlegung zur alten Rechtslage anstellend Bingel, Kursstabilisierung, 199 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 502. 1338 Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn. 33; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451. 1339 Zum Begriff der Insiderinformation der MAR vgl. Poelzig, NZG 2016, 528, 531 f. 1340 Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 131; zu § 13 WpHG a. F. Klöhn, in: KK-WpHG, § 14 WpHG Rn. 213, § 13 WpHG Rn. 15 ff.; Assmann, ZGR 2002, 697, 701; der BGH hat hingegen in Bezug auf den ursprünglichen § 14 Abs. 1 WpHG a. F. einen „Drittbezug“ der Information vorausgesetzt, BGH, Urt. v. 6. 11. 2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302, 303 (Scalping).
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die konkrete Absicht zur Stabilisierung nicht öffentlich bekannt ist.1341 Es ist zudem davon auszugehen, dass der Entschluss zu konkreten Stabilisierungsmaßnahmen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR bei öffentlichem Bekanntwerden dazu geeignet wäre, „den Kurs […] erheblich zu beeinflussen“, da Anleger die möglichen Preiseffekte der konkreten Stabilisierungsmaßnahme bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen würden.1342 Allerdings müsste die Stabilisierung auch „unter Nutzung“ der Insiderinformation erfolgen.1343 Die „Nutzung“ setzt eine Kausalität zwischen der Insiderinformation und dem jeweiligen Geschäft voraus, die jedoch bei Kenntnis der Information widerleglich vermutet wird.1344 Auf dieser Grundlage kann jedoch die bloße Umsetzung eigener unternehmerischer Pläne oder Entschlüsse keine solche „Nutzung“ sein.1345 Die Umsetzung eines Entschlusses geschieht nicht infolge der Kenntnis des Entschlusses, sondern wegen der Informationen, aufgrund derer der Entschluss gefasst wurde.1346 So wird nun auch ausdrücklich von Art. 9 Abs. 5 MAR geregelt, dass die Umsetzung der Entscheidung einer Person, „Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, […] noch keine Nutzung von Insiderinformationen“ darstellt.1347 Auf die Stabilisierung übertragen bedeutet dies, dass Stabilisierungsmaßnahmen grundsätzlich keine „Nutzung“ einer Insiderinformation sind.1348 An1341
Bingel, Kursstabilisierung, 202. Ebenda; Lenzen; Börsenkursbildung, 202; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 502; eine Insiderinformation nach der EG-Insiderrichtlinie bejahen Bruchner/Pospischil, in: Lutter/ Scheffler/Schneider (Hg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 327; a. A. Mock, in: § 20a WpHG Rn. 360, nach dem durch die Erwartbarkeit sowie die strenge Regulierung von Kursstabilisierungsmaßnahmen eine erhebliche Kursbeeinflussung nicht möglich ist, sofern diese in Übereinstimmung mit den Vorgaben des safe harbour vorgenommen werden. 1343 Schon in Art. 2 Abs. 1 MMRL 2003 hieß es „unter Nutzung“. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. verbot demgegenüber (gestützt auf Art. 2 Richtlinie 89/592/EWG [Insider-RL, ABl. 1989, L 334, 30]) zunächst Geschäfte „unter Ausnutzung“ der Insiderinformation, was mit dem AnSVG durch „unter Verwendung“ ersetzt wurde. Dies erfolgte in Anpassung an die MMRL, s. Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 13, die allerdings in Rn. 16a vor dem Hintergrund von EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009, ECLI:EU:C:2009:806 (Spector Photo Group), eine auseinanderfallende Auslegung vornehmen wollen. 1344 So nun ausdrücklich ErwGr. 24 MAR; vgl. zuvor EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009, ECLI:EU:C:2009:806, Rn. 54, 62 (Spector Photo Group); der EuGH bezieht sich ausschließlich auf Primärinsider, allerdings war die widerlegliche Vermutung schon nach altem Recht auch auf Sekundärinsider zu übertragen, vgl. dazu sowie ausführlich zum Urteil Klöhn, in: KK-WpHG, § 14 WpHG Rn. 120 ff., 135; für die MAR zust. Poelzig, NZG 2016, 528, 532; Diversy/Köpferl, in: Graf/Jäger/Wittig (Hg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 170 („Nach der neuen Rechtslage […] geklärt“). 1345 Zu § 14 WpHG a. F. Bingel, Kursstabilisierung, 210 ff.; Assmann, in: Assmann/ Schneider (Hg.), WpHG, § 14 WpHG Rn. 31; Hilgendorf, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, 3. A. 2013, § 14 WpHG Rn. 148; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 23. 1346 Klöhn, in: KK-WpHG, § 14 WpHG Rn. 213. 1347 Vgl. auch ErwGr. 31 MAR; entsprechend zuvor ErwGr. 30 MMRL 2003. 1348 Zu § 14 WpHG a. F. Klöhn, in: KK-WpHG, § 14 WpHG Rn. 241; Hilgendorf, in: Park (Hg.), Kapitalmarktstrafrecht, 3. A. 2013, § 14 WpHG Rn. 148; Meißner, Stabilisierung und 1342
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ders kann dies sein, wenn die Stabilisierung auf der Grundlage einer anderen zusätzlichen Insiderinformation erfolgt.1349 Bei der Kursstabilisierung mithilfe von Lock-up-Vereinbarungen wird schon keine Transaktion vorgenommen, bei der eine Insiderinformation verwendet werden könnte, sodass ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot ausscheidet.1350 dd) Ad-hoc-Publizitätspflicht Der safe harbor stellt Stabilisierungsmaßnahmen nur vom Marktmanipulationsverbot sowie dem Insiderhandelsverbot frei. Alle sonstigen Verpflichtungen, also insbesondere auch die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, bleiben erhalten.1351 Eine Adhoc-Veröffentlichungspflicht des Emittenten gem. Art. 17 Abs. 1 MAR, die über die Publizität des safe harbour hinausgeht, besteht jedoch nicht. Das Bevorstehen von einzelnen konkreten Kursstabilisierungsmaßnahmen könnte zwar eine Insiderinformation darstellen, die den Emittenten „unmittelbar“ betrifft.1352 Von konkreten Maßnahmen hat der Emittent jedoch üblicherweise schon keine Kenntnis, da sie von den Emissionsbanken selbständig vorgenommen werden.1353 Auch die Vereinbarung von Kursstabilisierungsmaßnahmen oder einer Greenshoe-Option zwischen Emittent und Konsortialbanken ist eine den Emittenten unmittelbar betreffende Information.1354 Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob auch diese das Potenzial zu einer
Pflege von Aktienkursen, 155; in Bezug auf die ursprüngliche Fassung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. („unter Ausnutzung“) vgl. Begr. RegE des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drucks. 12/6679, 47. Andere argumentieren, dass die Stabilisierenden aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung dem Emittenten gegenüber vorgehen, Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer (Hg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 27. Nach der o. g. Auffassung des BGH (vgl. Fn. 1340) wäre hingegen wohl schon keine Insiderinformation gegeben. 1349 Zu § 14 WpHG a. F. Klöhn, in: KK-WpHG, § 14 WpHG Rn. 242; Bingel, Kursstabilisierung, 213 f.; Begr. RegE des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drucks. 12/ 6679, 47; (nur) auf dieser Grundlage kann eine sog. Stabilisierung gegen den Markttrend als Insiderhandel erfasst sein, vgl. näher Bingel, a. a. O., 214 ff.; ebenso Mennicke, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 14 WpHG Rn. 118; vgl. auch Lenzen, Börsenkursbildung, 203; a. A. Caspari, ZGR 1994, 530, 544. 1350 Vorstellbar wäre ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot allenfalls bei Nichteinhaltung der Publizität und anschließender Nutzung des Wissens um den lock-up durch Transaktionen am Markt. Vgl. auch Bingel, Kursstabilisierung, 231, wonach Lock-up-Vereinbarungen durch ihre in aller Regel stattfindende Offenlegung öffentlich bekannt sind. 1351 Zur VO (EG) Nr. 2273/2003 Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 265. 1352 Zu § 15 WpHG a. F. vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 502; zweifelnd und offenlassend Bingel, Kursstabilisierung, 227 f.; tendenziell ablehnend Schäfer, WM 1999, 1345, 1349. 1353 Zu § 15 WpHG a. F. Bingel, Kursstabilisierung, 227 f.; Schäfer, WM 1999, 1345, 1349. 1354 Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 360; Bingel, Kursstabilisierung, 229.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
erheblichen Kursbeeinflussung hat.1355 Zudem werden solche Informationen in aller Regel bereits im Prospekt oder nach Maßgabe der RS-VO publiziert und sind dadurch öffentlich bekannt.1356 Daher ist eine Ad-hoc-Publizitätspflicht diesbezüglich überhaupt nur denkbar, falls die Publizitätspflichten nicht erfüllt wurden.1357 Die Ausübung der Greenshoe-Option löst nur dann eine Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht aus, wenn sie vom Emittenten eingeräumt wurde, und in diesem Zusammenhang eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden muss.1358 ee) Sonstige Vorschriften Die Emissionsbanken sind ungeachtet des safe harbour an die kapitalmarktrechtlichen Verhaltensregeln gebunden.1359 Bei der Kursstabilisierung kann für die Emissionsbanken ausnahmsweise ein Interessenkonflikt gem. § 63 Abs. 2 WpHG auftreten. Dies ist dann der Fall, wenn die Kunden von der Kurspflege zu Fehlentscheidungen veranlasst werden,1360 oder wenn einzelne Kunden kein Interesse an einer Stabilisierung haben, weil sie z. B. durch spekulatives Anlageverhalten von starken Kursausschlägen profitieren1361 oder auf fallende Kurse gesetzt haben1362. Es ist den Banken jedoch nicht zumutbar, die Kursstabilisierung zu unterlassen, weswegen der geschilderte Interessenkonflikt unvermeidbar ist.1363 § 63 Abs. 2 S. 1 WpHG stellt zur Abwendung bzw. Bekämpfung von Interessenkonflikten Aufklärungspflichten auf,1364 die auch hier einschlägig sein könnten. Neben Aufklä1355 Dagegen Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 360; dagegen auch Schäfer, WM 1999, 1345, 1349; offenlassend Bingel, Kursstabilisierung, 229 f. 1356 Bingel, Kursstabilisierung, 230; 230; Schäfer, WM 1999, 1345, 1349; alternativ erfolgt eine Publizität in Gemäßheit mit der VO (EG) Nr. 2273/2003 (jetzt: RS-VO), dazu Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 501. 1357 Zu § 15 WpHG a. F. Bingel, Kursstabilisierung, 230; Lenenbach, Kapitalmarktrecht 501 f., sieht eine Veröffentlichungspflicht, falls die Stabilisierung nicht in Gemäßheit mit den Vorgaben der VO (EG) Nr. 2273/2003 (jetzt: RS-VO) erfolgt. Hier sei vor einer unmittelbar bevorstehenden Maßnahme eine Ad-hoc-Mitteilung zu publizieren. 1358 Zu § 15 WpHG a. F. vgl. Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 520 f.; Feuring/Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1295. 1359 Teigelack, in: Veil (Hg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 265. 1360 Lenzen, Börsenkursbildung, 204; Bingel, Kursstabilisierung, 218; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkurse, 152. 1361 Lenzen, Börsenkursbildung, 204; Bingel, Kursstabilisierung, 218. 1362 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, 152; Bingel, Kursstabilisierung, 218. 1363 Bingel, Kursstabilisierung, 219; Lenzen, Börsenkursbildung, 204; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, 153; zu diesem Begriff der „relativen Vermeidbarkeit“ Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 56. 1364 s. schon der Wortlaut des § 63 Abs. 2 S. 1 WpHG, vgl. zudem Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, § 31 Rn. 61; Koller, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 42; Bingel, Kursstabilisierung, 221.
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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rungspflichten wurden in der Literatur für die Kursstabilisierung aus der Vorgängernorm § 31 WpHG a. F. konkrete Handlungsvorgaben geschlossen, wie etwa das Verbot von Stabilisierungen über dem Marktpreis.1365 Dies könnte nach neuer Rechtslage aus § 63 Abs. 1 WpHG folgen.1366 Bekanntermaßen finden sich derartige Vorgaben nunmehr detailliert in der RS-VO bzw. der Prospekt-DVO, sodass sich fragt, ob deren Vorgaben etwa zusätzlich § 63 WpHG zu entnehmen sind. Es erscheint vor diesem Hintergrund sachgerecht, aus § 63 Abs. 2 WpHG eine grundsätzliche Aufklärungspflicht über beabsichtigte Stabilisierungsmaßnahmen zu folgern, die allerdings weder mit den Vorgaben der RS-VO bzw. der Prospektpflicht deckungsgleich ist, noch über diese hinausgeht.1367 Für weitere, spezielle Handlungsanforderungen kann § 63 WpHG hingegen nicht herangezogen werden.1368 Es ließe sich daneben vermuten, dass ein naked short unter die EU-Leerverkaufs-VO1369 fällt. Allerdings gehen die Emissionsbanken üblicherweise keine echte Naked-shortPosition ein, da die Lieferverpflichtung gegenüber den Zeichnern meist durch eine vorherige Wertpapierleihe gedeckt ist.1370 Ohnehin sind Maßnahmen im Zusammenhang mit Kursstabilisierungen unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 EU-Leerverkaufs-VO regelmäßig von den Melde- und Offenlegungspflichten für Netto-Leerverkaufspositionen befreit.1371 ff) Fazit Maßnahmen zur Kursstabilisierung sind marktüblich und werden als ökonomisch wünschenswert erachtet. Dies gilt auch für sog. lock-ups, mit denen Altaktionäre sich verpflichten, vorübergehend von einer Veräußerung ihrer Papiere abzusehen. Beide Maßnahmen müssen im Wertpapierprospekt publiziert werden. Sowohl Stabilisierungskäufe als auch lock-ups haben wegen ihrer beabsichtigten Preiswirkung zwar das Potenzial, gegen verschiedene Varianten des Marktmanipulationsverbotes zu verstoßen. Kursstabilisierungsmaßnahmen sind allerdings nach Maßgabe des safe 1365 Lenzen, Börsenkursbildung, 205; gestützt auf Koller, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, 3. A. 2003, § 31 WpHG Rn. 62. 1366 s. o. § 4 II. 2. b) bb) (2) (c). 1367 § 63 Abs. 2 S. 1 WpHG fordert es bereits nur, „Kunden […] die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen“; mehr als eine abstrakt-konkretisierende Aufklärung ist daher grundsätzlich nicht erforderlich, s. zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. Fuchs, in: ders. (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 71; ebenso Koller, in: Assmann/Schneider (Hg.), WpHG, § 31 WpHG Rn. 41. Anders jedoch Bingel, Kursstabilisierung, 222, der für den Fall der Kursstabilisierung eine Übertragung der Wertungen der damaligen VO (EG) Nr. 2273/ 2003 auf § 31 WpHG a. F. (§ 63 WpHG n. F.) befürwortet. 1368 So auch Bingel, Kursstabilisierung, 220 f.; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, 154. 1369 VO (EU) Nr. 236/2012, ABl. 2012 L 86, 1. 1370 Feuring-Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1289, s. auch bereits oben § 4 II. 3. b). 1371 Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hg.), Handbuch börsennotierte AG, 359.
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harbour gem. Art. 5 Abs. 4 MAR i. V. m. den detaillierten konkretisierenden Bestimmungen der RS-VO vom Verbot der Marktmanipulation freigestellt. Der safe harbour befreit Stabilisierungsmaßnahmen neben dem Marktmanipulationsverbot auch vom Insiderhandelsverbot. Im Übrigen sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar, die allerdings Stabilisierungsmaßnahmen grundsätzlich nicht im Wege stehen. Lock-ups sind generell nicht vom safe harbour erfasst. Bei hinreichender Publizität besteht allerdings ebenfalls kein Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit. d) EU-kartellrechtliche Bewertung der Kursstabilisierung Nun soll der Frage nachgegangen werden, ob Kursstabilisierungsmaßnahmen vom EU-Kartellrecht erfasst sind. Teilweise wird vorgeschlagen, dass in der Schaffung künstlicher Nachfrage ein Marktmachtmissbrauch zu sehen sein könnte.1372 Es wurde jedoch bereits dargelegt, dass am Sekundärmarkt keine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV auftreten kann,1373 sodass eine Tatbestandserfüllung bei der Stabilisierung von Sekundärmarktkursen fernliegend erscheint. Möglich wäre daher allenfalls ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV. Zunächst könnte eine Abstimmung der Emissionsbanken zur Vornahme von Stabilisierungskäufen eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung darstellen [aa)]. Auch mit Lock-up-Vereinbarungen könnte Art. 101 AEUV erfüllt werden, da dabei Altaktionäre an der Teilnahme am Marktgeschehen gehindert werden [bb)]. aa) Stabilisierungskäufe und EU-Kartellrecht (1) Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts Der safe harbour stellt Stabilisierungsmaßnahmen ausschließlich vom Marktmanipulationsverbot und dem Insiderhandelsverbot frei. Der Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts steht dies nicht entgegen. Allerdings könnte man erneut die Frage aufwerfen, ob nicht das Verbot der Marktmanipulation für Eingriffe in die Preisbildung als lex specialis anzusehen sein könnte.1374 Dagegen wurde bereits oben auf die Normenhierarchie zwischen dem primärrechtlichen EU-Kartellrecht sowie dem sekundärrechtlichen Manipulationsverbot verwiesen.1375 Auch die erheblichen funktionalen Unterschiede zwischen EU-Kartellrecht und dem Manipulationsverbot sprechen gegen ein Spezialitätsverhältnis und für eine komplementäre Anwendbarkeit der Rechtsinstitute.1376 Die Regelung des safe harbour impliziert jedoch, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen, sofern sie die normierten Verhaltensanforderungen wahren, zulässig sind. Ob daraus zu folgern ist, dass Kartellrechtsverstöße ausge1372 1373 1374 1375 1376
Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 89. s. o. § 4 I. 3. c) cc). Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 89, offenlassend in Rn. 364. Zu diesem Argument vgl. bereits o. § 3 I. 3. b); § 4 I. 3. a). s. o. § 4 I. 3. a); vgl. auch § 4 I. 5. c).
II. Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Aktienemissionen/-platzierungen
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schlossen sein müssen und auf welche dogmatische Grundlage dies zu stützen wäre,1377 kann jedoch offen bleiben, falls Stabilisierungsmaßnahmen schon nicht den Tatbestand des Art. 101 AEUV erfüllen.1378 Die Vorgaben des safe harbour haben freilich keinen unmittelbaren Bezug zu den Tatbestandsmerkmalen des Art. 101 AEUV,1379 sodass ihre Einhaltung kein Indiz dafür ist, dass keine wettbewerbsbeschränkende Koordinationsform vorliegt. (2) Verhaltenskoordination Stabilisierungsmaßnahmen werden in der Regel vom Konsortialführer allein vorgenommen,1380 sodass sich bereits fragt, ob dabei eine Verhaltenskoordination von Unternehmen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV stattfindet. Ein koordiniertes Vorgehen im Sinne einer „Vereinbarung“ kann jedoch darin gesehen werden, dass die Maßnahmen unter den Konsortialbanken abgesprochen sind1381 und/oder die anfallenden Kosten auf alle Konsorten umgelegt werden.1382 Während der Stabilisierung durch den Konsortialführer unterlassen es die übrigen Konsortialbanken zudem regelmäßig, nicht veräußerte Restbestände am Sekundärmarkt zu veräußern, um den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahmen nicht zu gefährden, worin ebenso ein Anhaltspunkt für eine koordinierte Vorgehensweise gesehen werden kann.1383 Ob dieses Element für sich betrachtet als eine „Vereinbarung“ oder eine „abgestimmte Verhaltensweise“ zu qualifizieren ist, kann jedoch nach dem zuvor Gesagten dahinstehen. Insgesamt kommt es nicht auf das Vorliegen einer koordinierten Verhaltensweise an, wenn die Stabilisierungsmaßnahmen keine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
1377
Den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung erwähnt Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 89. 1378 Ebenso offenlassend Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 89. 1379 Beispielsweise kann eine Einhaltung der Transparenzvorgaben keinen Kartellrechtsverstoß ausschließen, da nicht nur verdeckt durchgeführte Kartellabreden bzw. Marktmachtmissbräuche verboten sind, wenngleich Transparenz in gewissen kartellrechtlichen Fallgruppen durchaus eine tatbestandliche Rolle spielen kann, z. B. im Zusammenhang mit Informationsaustauschsystemen, vgl. dazu Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011 C 11, 1, Rn. 77. 1380 s. o. § 4 II. 3. a). 1381 So kann im Konsortialvertrag vereinbart sein, dass der Konsortialführer die Stabilisierung vornimmt, vgl. Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 79. Auch ein gemeinsames Vorgehen kann im Konsortialvertrag vereinbart werden, vgl. Feuring/ Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1277; dazu auch Stage, Marktmanipulation während der Aktienemission, 435. 1382 Auch dies kann im Konsortialvertrag vereinbart werden, vgl. Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 79. Dies als ein Vorgehen „wie eine Einkaufsgemeinschaft“ bezeichnend Bueren, WM 2013, 585, 592; auch Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 231 ff., macht ein vereinbart koordiniertes Vorgehen der Konsortialbanken aus. 1383 Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 232.
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§ 4 Vergleich von Steuerungsmechanismen de lege lata
(3) Keine Wettbewerbsbeschränkung Die Stabilisierung könnte in zweierlei Hinsicht eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Einerseits ließe sich die Vorgehensweise der Konsortialbanken bei Stabilisierungskäufen auf dem Sekundärmarkt als eine Koordination des Nachfrageverhaltens im Sinne einer Einkaufsvereinbarung einordnen.1384 Andererseits sehen sich die Konsorten wie erwähnt regelmäßig verpflichtet, während der Stabilisierung keine Aktien am Sekundärmarkt abzusetzen, um den Erfolg der vom Stabilisierungsmanager betriebenen Kursstabilisierung nicht zu gefährden. Der Wettbewerb unter den Konsorten in Bezug auf den nicht abgesetzten Teil der Quote kommt also regelmäßig zum Erliegen.1385 Im Ergebnis sind jedoch beide Aspekte unproblematisch. Jedenfalls lässt sich auch für die Koordination der Emissionsbanken im Rahmen der Stabilisierung der Arbeitsgemeinschaftsgedanke heranziehen.1386 Zwar besteht zu diesem Zeitpunkt das Emissionsrisiko nicht mehr, sodass eine Zusammenarbeit nicht mehr im engeren Sinne zwingend ist.1387 Allerdings dient die Kursstabilisierung der Emission und steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Emissionsbegleitung. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erscheint es daher geboten, den Arbeitsgemeinschaftsgedanken einheitlich anzuwenden und auch die gemeinschaftliche Kursstabilisierung kartellrechtlich zu privilegieren.1388 Die Koordinierung des Nachfrageverhaltens ist auch nicht wettbewerbsbeschränkend, weil die Emissionsbanken sich gegenüber den Sekundärmarktteilnehmern wie eine Einkaufsgemeinschaft verhalten würden. Eine solche Verhaltensweise wird insbesondere dann als problematisch erachtet, wenn die Beteiligten über Nachfragemacht verfügen.1389 Dann können Nachfrager ihre Marktstellung ausnutzen, um den Preiswettbewerb auf dem Angebotsmarkt zu verringern, und den Verbrauchern erzielte Preisvorteile nicht weiterzugeben.1390 Daneben kann sich durch die Einwirkung einer Einkaufsgemeinschaft auch das Angebot auf dem Nachfragemarkt
1384 1385
234 ff. 1386
So Bueren, WM 2013, 585, 592. Zu § 1 GWB Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 232,
Ebenda, 237 ff. Ebenda, 239. 1388 Zu § 1 GWB Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 240. Brockmann spricht sich jedoch für einen Verstoß gegen § 1 GWB aus, wenn die „Kurspflegeverpflichtung“ überschritten werde, weil etwa eine Stabilisierung über Emissionspreis hinaus erfolgt, vgl. S. 242 f., dazu auch Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 328 f. Die dann eintretende Wettbewerbsbeschränkung könne insbesondere nicht durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein, vgl. Brockmann, Kurspflegeverpflichtung des Emissionskonsortiums, 247 ff. Gegen eine derartige selektive Anwendung des Arbeitsgemeinschaftsgedankens spricht jedoch, dass sie recht willkürliche Vorgaben begründet. Zudem sprechen weitere Gründe gegen eine Anwendbarkeit des Kartellrechts, vgl. nachfolgend. 1389 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011 C 11, 1, Rn. 200 ff., 208 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang Bueren, WM 2013, 585, 592. 1390 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011 C 11, 1, Rn. 201. 1387
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verschlechtern.1391 Möglich ist zuletzt eine Beschränkung des Marktzuganges für andere Nachfrager.1392 Wie gesehen ist der Aufbau von Marktmacht im Handel auf dem Kapitalmarkt jedoch schwerlich denkbar.1393 Zudem verhalten sich die Stabilisierenden diametral konträr zu einer „Einkaufsgemeinschaft“.1394 Sie fragen zwar in großem Umfang Wertpapiere nach, bieten dem Markt dabei jedoch gerade höhere Preise, um den Marktpreis zu stützen. Sie setzen ihre Position also nicht dazu ein, gegen die Interessen der Marktgegenseite vorzugehen.1395 Vielmehr versuchen sie, mittels den Stabilisierungstransaktionen Impulse auszusenden, die die Preisbildung beeinflussen. Es kommt auch insbesondere nicht zu einem Verschluss des Marktzuganges für konkurrierende Nachfrager. Durch die theoretisch endlose Zirkulation der Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt entstehen durch eine Koordination des Nachfrageverhaltens keine Marktzugangshindernisse, da spätestens beim Wiederverkauf der für die Stabilisierung erworbenen Papiere jeder beliebige Marktteilnehmer den Handel aufnehmen kann. Die Emissionsbanken verschaffen sich durch ihr Nachfrageverhalten zudem keine speziellen oder exklusiven Beschaffungskanäle, sodass weiterhin jedem Marktteilnehmer der Bezug von Wertpapieren möglich bleibt, sofern er den Marktpreis dafür entrichten möchte. Insgesamt kann ein gemeinschaftliches Vorgehen von Emissionsbanken bei der Stabilisierung daher nicht als Wettbewerbsbeschränkung1396 gesehen werden. (4) Fazit Die koordinierte Vorgehensweise der Emissionsbanken bei der Kursstabilisierung stellt keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar. bb) Lock-up-Vereinbarungen und EU-Kartellrecht Mit Lock-up-Vereinbarungen wird bezweckt, dass Altaktionäre während des Lock-up-Zeitraumes nicht oder nur unter den Voraussetzungen einer Freigabeklausel am Wettbewerb auf dem Sekundärmarkt teilnehmen.1397 In diesem Sinne könnten sie als eine Einschränkung und Kontrolle des Absatzes i.S.v. Art. 101 Abs. 1 lit. b) AEUV gesehen werden.1398 Eine Vereinbarung zwischen Emissionsbanken und
1391
Ebenda, Rn. 202. Ebenda, Rn. 203. 1393 s. o. § 4 I. 3. c) cc). 1394 s. Bueren, WM 2013, 585, 592 f. 1395 s. ebenda, 592 f. 1396 Eine bloße Einwirkung auf den Preisbildungsmechanismus ist für sich betrachtet auch nicht etwa eine „Wettbewerbsverfälschung“, selbst wenn man dies aufgrund des Wortlautes vermuten mag, s. Bueren, WM 2013, 585, 593. 1397 s. o. § 4 II. 3. b). 1398 Bueren, WM 2013, 585, 593 f. 1392
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Altaktionären könnte im Vertikalverhältnis verortet sein,1399 da die Emissionsbanken zunächst nur auf dem Primärmarkt, die Altaktionäre jedoch (potenziell) auf dem Sekundärmarkt tätig sind. Daneben könnten Altaktionäre und Emissionsbanken auch in einem Horizontalverhältnis zueinander stehen,1400 da die Banken zu Zwecken der Stabilisierung ebenfalls auf dem Sekundärmarkt tätig werden. Eine Literaturstimme spricht sich dafür aus, Lock-up-Vereinbarungen analog zu einer horizontalen Vereinbarung über die gemeinsame Produktion1401 zu behandeln.1402 Dafür ließe sich etwa anführen, dass bei einer Neuemission ein Produkt entsteht und dass eine Lockup-Vereinbarung mit Altaktionären die Emission unterstützt. Wenn Unternehmen sich über den von einer Produktionsvereinbarung erfassten output einigen, aber „die übrigen Wettbewerbsparameter nicht ausgeschaltet werden“ handelt es sich bei dieser Vereinbarung nach der Auffassung der Kommission jedenfalls nicht um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung.1403 Dies könnte auf Lock-up-Vereinbarungen zu übertragen sein, da nach der genannten Literaturstimme der lock-up eine Steuerung der abgesetzten Menge eines produzierten Gutes bewirkt.1404 Der Vergleich eines Lock-up-Agreements mit einer Produktionsvereinbarung erscheint jedoch gekünstelt, da die Altaktionäre nicht an der Emission beteiligt sind. Es wird mit dem lock-up auch nicht die Menge des im Rahmen der Emission produzierten oder abgesetzten Gutes gesteuert. Vielmehr hat ein lock-up keinen Einfluss auf das Emissionsvolumen. Es handelt sich mithin um eine eigenständige kartellrechtliche Fragestellung. Dennoch sprechen zahlreiche Argumente gegen die Annahme einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung. Zum Horizontalverhältnis ist anzumerken, dass die Banken mit dem lock-up nicht anstreben, ihre eigene Wettbewerbsstellung auf dem Sekundärmarkt zu stärken. Zwar ist es denkbar, dass die Banken im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen auf dem Sekundärmarkt tätig werden. Mit dieser Tätigkeit möchten die Banken jedoch regelmäßig nicht selbst in den Wettbewerb eintreten und maximale Profite erwirtschaften, sondern ausschließlich eine Preisbeeinflussung herbeiführen. Zudem bezwecken die Emissionsbanken anders als bei der von Art. 101 Abs. 1 lit. b) AEUV geregelten Fallgruppe1405 nicht die Schaffung einer künstlichen Verknappung, sondern primär das Vermeiden negativer Signale bzw. die Abgabe positive Signale an den Markt.1406 Insgesamt ist der lock-up ein Beitrag zur Kursstabilisierung, die wiederum den Kapitalmarkt für Anleger attraktiv macht. Der lock-up dient also mittelbar dazu, eine Emission erst zu ermöglichen. Von 1399
Ebenda, 594. Bueren, a. a. O., 594, hält für den Fall beabsichtigten Eigenhandels der Banken ein Horizontalverhältnis für möglich. 1401 Vgl. dazu Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011 C 11, 1, Rn. 150 ff. 1402 Bueren, WM 2013, 585, 594. 1403 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. 2011, C 11, 1, Rn. 160. 1404 Bueren, WM 2013, 585, 594. 1405 Vgl. dazu Wollmann/Herzog, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 181. 1406 Näher zur Wirkungsweise von Lock-up-Vereinbarungen Bingel, Kursstabilisierung, 62 f. 1400
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einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung kann nach dem Gesagten nicht ausgegangen werden. Daher kommt es darauf an, ob der lock-up eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung ist jedoch angesichts der bei weiter Marktabgrenzung1407 nicht vorhandenen Marktmacht der Beteiligten kaum denkbar.1408 Jedenfalls aber wäre eine Wettbewerbsbeschränkung auf dem Sekundärmarkt nicht spürbar.1409 e) Deutsches Kartellrecht Für die Kursstabilisierung könnte das Kartellverbot des § 1 GWB relevant sein. Wie dargelegt führt diese Norm zu denselben Ergebnissen wie Art. 101 AEUV,1410 weswegen das deutsche Kartellrecht auch im Kontext von Stabilisierungskäufen keine vom EU-Kartellrecht abweichenden Wertungen trifft. f) Fazit zur Kursstabilisierung Stabilisierungsmaßnahmen bergen Gefahren durch einen Eingriff in das Marktgefüge bzw. die Preisbildung. Gleichzeitig ist anzuerkennen, dass die Kursstabilisierung einen Beitrag zur Herstellung geordneter Marktverhältnisse leistet.1411 Daher ist die Kursstabilisierung vom Kapitalmarktrecht an detaillierte Vorgaben geknüpft. Durch diese Vorgaben werden Informationsasymmetrien abgebaut und Handlungsvorgaben gemacht. Die EU-kartellrechtlichen Rechtsinstitute kommen in Bezug auf die Stabilisierungsmaßnahmen tatbestandlich nicht zur Anwendung. 4. Ergebnis zu Verhaltensweisen bei Wertpapieremissionen Bei der Anwendung von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht auf Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen und -platzierungen konnten deutliche Unterschiede zwischen den Steuerungsmechanismen der beiden Rechtsgebiete aufgezeigt werden. Das Kapitalmarktrecht gibt detaillierte Verhaltensvorgaben für alle Marktteilnehmer auf dem Primär- und Sekundärmarkt. Auch im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen offenbaren sich die zentralen Topoi der Informationsasymmetrien und Interessenkonflikte.1412 Größte Besonderheit auf dem Primärmarkt ist ein Informationsdefizit der Investoren, dem mit dem Prospektrecht
1407
s. dazu o. § 4 I. 3. c) bb). s. o. § 4 II. 2. c) cc) (3); zur fehlenden Marktmacht § 4 I. 3. c) cc). 1409 s. o. § 4 II. 2. c) cc) (4). 1410 s. o. § 4 II. 2. d) cc). 1411 So der ErwGr. 6 der RS-VO. 1412 Vgl. Gerner-Beuerle, Die Haftung von Emissionskonsortien, 24 ff.; s. außerdem bereits o. § 2 I. 1. d). 1408
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begegnet wird.1413 Die übrigen dargestellten Regelungen zeugen überwiegend nicht von emissionstypischen, sondern von kapitalmarkttypischen Besonderheiten. Für eine Anwendung des EU-Kartellrechts im Zusammenhang mit Wertpapieremissionen gibt es nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich keine Ansatzmöglichkeiten. Das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) greift nicht, weil die kartellrechtliche Marktabgrenzung in allen untersuchten Sachverhalten ein Entstehen von marktbeherrschenden Stellungen ausschließt bzw. sehr unwahrscheinlich macht. Die weitgehende funktionelle Austauschbarkeit von Wertpapieren auf dem Sekundärmarkt konnte bereits in Abschnitt § 4 I festgestellt werden. Besonderheiten bei einer Wertpapieremission, die zu einem abweichenden Ergebnis der Marktabgrenzung auf dem Primärmarkt führen würden, konnten nicht ausgemacht werden. Art. 102 AEUV konnte auch deshalb nicht zur Anwendung gebracht werden, weil die untersuchten Verhaltensweisen tatbestandlich nicht als Missbrauchshandlung qualifiziert werden konnten. Erneut sind dabei Unverträglichkeiten des Kartellrechts mit den Besonderheiten des Kapitalmarktes hervorgetreten. Besonders das kartellrechtliche Konzept des Ausbeutungsmissbrauchs in Form des Preishöhenmissbrauchs lässt sich auf Wertpapiere kaum übertragen. Die weite Marktabgrenzung führt auch dazu, dass das Verbot von unternehmerischen Verhaltenskoordinationen, die den Wettbewerb beschränken (Art. 101 AEUV), in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt ist. Bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen kann der geringe Grad an Marktmacht schon eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung unwahrscheinlich machen. Daneben müssen bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen spürbar sein und den zwischenstaatlichen Handel spürbar beeinträchtigen, was jedoch bei der hier angenommenen weiten Marktabgrenzung auf dem Kapitalmarkt ebenfalls unwahrscheinlich ist. Bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen gibt es kein Spürbarkeitserfordernis, sodass allenfalls in einem solchen Fall ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV möglich erschiene. Die untersuchten Verhaltensweisen stellen jedoch keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen dar. Als einziger plausibler Anwendungsfall des Art. 101 AEUV wurden transaktionsübergreifende Kartellabsprachen von Emissionsbanken ausgemacht, wobei es sich jedoch nicht um einen Kartellrechtsverstoß durch Kapitalmarkttransaktionen im engeren Sinne handelt.
1413
Mittels der Prospektpflicht soll den Anlegern eine fundierte Entscheidungsgrundlage für den Erwerb von Wertpapieren geschaffen werden. Dadurch wird die Informationseffizienz und in der Folge die Allokationseffizienz auf der Stufe des Primärmarktes gefördert, vgl. Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1326.
III. Kartellrecht und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen
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III. Kartellrecht und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen Wenn Unternehmensbeteiligungen emittiert und am Kapitalmarkt gehandelt werden, ist der auf diese Wertpapiere bezogene Wettbewerb wie dargelegt kaum mit dem Kartellrecht greifbar. Anders ist dies jedoch regelmäßig mit dem Wettbewerb auf den (Real-)Märkten, auf denen die jeweiligen Emittenten operativ tätig sind. In diesem Zusammenhang stellen sich meist keine vergleichbaren Fragen zur Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts. Die Vorgänge auf solchen Märkten sind durch das Thema dieser Arbeit bedingt nicht von Interesse. Es kann jedoch Konstellationen geben, in denen Umstände auf diesen Märkten dazu führen, dass Handelsvorgänge auf dem Kapitalmarkt eine Anwendung des Kartellrechts auslösen. Dadurch entstehende Interferenzen von Kartellrecht und Kapitalmarktgeschehen sollen nachfolgend in gebotener Kürze exemplarisch verdeutlicht werden. 1. Fusionskontrolle und warehousing Zunächst liegt es auf der Hand, dass durch den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen am Kapitalmarkt eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht gemäß der FKVO ausgelöst werden kann. Dafür kommt es darauf an, ob durch die Kapitalmarkttransaktion(en) eine „dauerhafte Veränderung der Kontrolle“ über den Emittenten begründet wird.1414 Eine an diesem Merkmal anknüpfende Problematik entsteht beim sogenannten warehousing. Möchte ein Marktteilnehmer Unternehmensanteile erwerben, obwohl er vorübergehend – etwa bis zu einer fusionskontrollrechtlichen Freigabe – am Erwerb gehindert ist, wird zur Absicherung oder Beschleunigung des Vorganges in der Praxis oftmals ein Zwischenerwerb durch einen unterstützenden Dritten, typischerweise eine Bank, vorgenommen.1415 Derartige Konstellationen werfen zwar vielschichtige kapitalmarktrechtliche Fragestellungen auf.1416 Aus EU-kartellrechtlicher Sicht ist die Problematik jedoch nicht auf dem oben abgegrenzten Sekundärmarkt für Wertpapiere zu verorten, da auf diesem lediglich der Vollzug des Kontrollerwerbs erfolgt. Vielmehr stellt sich in diesem Kontext die vergleichsweise simple fusionskontrollrechtliche Frage, in welchem Zeitpunkt eine „dauerhafte Veränderung der Kontrolle“ eintritt. Zwar wird der Zwischenerwerber regelmäßig keine „dauerhafte“ Kontrolle erwerben; auf die Anwendung der Bankenklausel des Art. 3 Abs. 5 lit. a) FKVO1417 kommt es daher
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Vgl. Art. 3 Abs. 1 FKVO, s. zur Fusionskontrolle bereits oben § 4 II. 2. c) aa). Bueren/Weck, BB 2014, 67, 67 f.; Tayar, 2 JECLAP (2011), 39, 39; Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 788. 1416 Konkret stellen sich Fragen zu Insiderhandelsverbot, Meldepflichten, sowie Pflichtangebot, vgl. dazu ausführlich Bueren/Weck, BB 2014, 67, 69 ff. 1417 s. zu ihrer Anwendung Bueren/Weck, BB 2014, 67, 71 ff. 1415
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nicht mehr an.1418 Nach Auffassung der Kommission handelt es sich beim warehousing allerdings regelmäßig um einen einheitlichen Zusammenschlusstatbestand, mittels dessen der Letzterwerber Kontrolle erwirbt.1419 Somit entstehen bereits im Zeitpunkt des Zwischenerwerbes die fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot.1420 In der deutschen Zusammenschlusskontrolle gem. § 35 ff. GWB wird die Verhaltensweise ebenfalls als unzulässiger Teilvollzug und damit als Verstoß gegen § 41 GWB bewertet.1421 Warehousing-Strategien sind daher jedenfalls nicht dafür geeignet, Aktien für die Dauer einer fusionskontrollrechtlichen Prüfung bei einem Zwischenerwerber zu „parken“.1422 2. Nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen Allerdings kann nicht nur der einer Fusionskontrolle unterliegende Erwerb von „Kontrolle“ nachteilhaft für den Wettbewerb sein, sondern auch der Erwerb von nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligungen.1423 Besonders problematisch ist es, wenn Unternehmen derartige Beteiligungen an Wettbewerbern erlangen.1424 Dann kann eine nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligung dazu eingesetzt werden, Informationen zum Wettbewerbsverhalten des Konkurrenten zu erlangen oder gar auf dessen Verhalten einzuwirken.1425 Doch schon die bloße Beteiligung kann dazu führen, dass die Unternehmen einen verringerten Anreiz haben, miteinander in 1418 Mäger, in: ders. (Hg.), Europäisches Kartellrecht, 409; Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 788. 1419 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen gemäß der FKVO, ABl. 2009 C 43, 9, Rn. 35. Das EuG hat sich in einem Urteil mit einer Warehousing-Konstellation befasst, EuG, Urt. v. 13. 9. 2010, ECLI:EU:T:2010:384 (Éditions Odile Jacob); bestätigt durch EuGH, Urt. v. 6. 11. 2012, ECLI:EU:C:2012:681 (Éditions Odile Jacob). Die genannte Auffassung der Kommission wurde in den Urteilen allerdings offengelassen, vgl. Mäger, in: ders. (Hg.), Europäisches Kartellrecht, 409; Bueren/Weck, BB 2014, 67, 73; Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 788; anders wohl Tayar, 2 JECLAP (2011), 39, 39 f., der davon ausgeht, dass das Gericht warehousing legalisiert habe. 1420 Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 788; Mäger, in: ders. (Hg.), Europäisches Kartellrecht, 409; Bueren/Weck, BB 2014, 67, 73. 1421 Mäger, in: MüKo-GWB, § 41 GWB Rn. 15. 1422 Wiedemann, in: ders. (Hg.), Handbuch des Kartellrechts, 788; Bueren/Weck, BB 2014, 67,73 („aus praktischer Sicht […] sinnlos“); s. zu verbleibenden Anwendungsfällen von warehousing ebenda, 73 ff. 1423 Zu den verschiedenen Schadenstheorien vgl. KOM, Weissbuch „Eine wirksamere EUFusionskontrolle“, 9. 7. 2014, COM(2014) 449 final, Rn. 28 ff. 1424 Säcker, in: FS Köhler, 565, 567. Daneben ist es denkbar, dass Unternehmen Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen einer vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe erwerben und auf diese Weise Abschottungseffekte entstehen, vgl. Säcker, a. a. O., 566 f. 1425 Vgl. Wollmann/Herzog, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 248; Montag, NZKart 2015, 410, 410 f.
III. Kartellrecht und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen
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(Preis-)Wettbewerb zu treten.1426 Eine eng verwandte Problematik wird in der jüngsten Literatur u. a. unter dem Schlagwort horizontal shareholding1427 diskutiert. Halten Investoren Anteile an mehreren untereinander in Wettbewerb stehenden Unternehmen, so kann auch dies die Wettbewerbsintensität zwischen den betroffenen Wettbewerbern reduzieren.1428 Die wettbewerbliche Einschätzung von Minderheitsbeteiligungen steht – ähnlich wie die zuvor geschilderte fusionskontrollrechtliche Problematik – nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Transaktionen auf dem Kapitalmarkt, sondern vielmehr mit der operativen Tätigkeit des jeweiligen Emittenten. Beim Handel auf dem Kapitalmarkt wäre jedoch große Vorsicht geboten, wenn schon der bloße Erwerb von nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligungen kartellrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Zudem bringt gerade am Kapitalmarkt die Portfoliobildung parallel gehaltene Minderheitsbeteiligungen an mehreren Unternehmen mit sich, sodass eine dem horizontal shareholding entsprechende Konstellation jederzeit eintreten kann. Daher soll hier kurz auf die rechtliche Behandlung derartiger Fallgestaltungen eingegangen werden. Wird keine „Kontrolle“ erworben, so unterliegt ein Beteiligungserwerb zwar nicht der Fusionskontrolle der FKVO.1429 Zahlreiche Rechtsordnungen, darunter die deutsche, ermöglichen jedoch eine Zusammenschlusskontrolle auch für den Erwerb von nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligungen.1430 Die EU-Kommission strebt vor dem Hintergrund der soeben genannten Schadenstheorien ebenfalls eine entsprechende Ausweitung des EU-Fusionskontrollrechts an.1431
1426 Montag, NZKart 2015, 410, 410 f.; Stöcker, ZWeR 2013, 154, 167; Ezrachi/Gilo, 26 Oxford J. Legal Stud. (2006), 327, 330 ff.; Eilmansberger, in: Streinz (Hg.), EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 251. 1427 Elhauge, 129 Harv. L. Rev. (2016), 1267 („horizontal shareholding“); Baker, 129 Harv. L. Rev. Forum (2016), 212 („overlapping financial investor ownership“); Azar/Schmalz/Tecu, Competitive Effects of Common Ownership („common ownership“). 1428 s. zur ökonomischen Bewertung etwa Azar/Schmalz/Tecu, Competitive Effects of Common Ownership; grundlegend Rotemberg, Financial Transaction Costs and Industrial Performance; vgl. auch bereits Gilo, 99 Mich. L. Rev. (2000), 1, 3, 6, 22 ff. (bezogen auf Investments eines kontrollierenden Anteilseigners); zu einer ökonomischen wie US-kartellrechtlichen Bewertung Elhauge, 129 Harv. L. Rev. (2016), 1267, 1273 ff.; zust. Baker, 129 Harv. L. Rev. Forum (2016), 212, 212 ff. Besonders anschaulich ist die Thematik in den USA, wo in manchen Branchen wenige Investoren gemeinsam große Anteile an untereinander konkurrierenden Unternehmen halten, vgl. Azar/Schmalz/Tecu, a. a. O.; zusammenfassend Elhauge, a. a. O., 1267 f. 1429 Montag, NZKart 2015, 410, 412. 1430 Zu § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b), Nr. 4 GWB sogleich; näher zur Thematik Balitzki/Pugh, IIC 2016, 595, 607 ff.; zu weiteren Rechtsordnungen KOM, Weissbuch „Eine wirksamere EUFusionskontrolle“, 9. 7. 2014, COM(2014) 449 final, Rn. 27. 1431 KOM, Weissbuch „Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle“, 9. 7. 2014, COM(2014) 449 final, Rn. 34 ff.; dazu ausführlich Balitzki/Pugh, IIC 2016, 595; Montag, NZKart 2015, 410; Badtke/Diamantatou, 7 JECLAP (2016), 3; ablehnend Wollmann/Herzog, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 248.
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Im deutschen Kartellrecht können, wie bereits angedeutet, auch Anteilserwerbe unterhalb der Kontrollschwelle überprüft werden. Gem. § 37 Abs. 1 Nr. 3 b) GWB ist ein Zusammenschluss auch der „Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen 25 vom Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte des anderen Unternehmens erreichen. […]“. Durch die Schwelle von 25 Prozent wird diese Variante des Zusammenschlusstatbestandes für alltägliche Handelsgeschäfte und die Problematik des horizontal shareholding regelmäßig nicht relevant sein. Anders kann dies jedoch bei § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB sein. Demnach ist ein Zusammenschluss „jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.“ Mit diesem wegen seiner Konturlosigkeit vielfach kritisierten1432 Auffangtatbestand1433 können gerade auch Fälle des Anteilserwerbs unter 25 Prozent erfasst werden.1434 Allerdings ergibt sich bereits aus der Ausrichtung der Norm auf die „Einflussnahme“1435, dass auch hier keine strukturell begründeten Fehlanreize wie beim horizontal shareholding adressiert werden sollen, sondern Formen der Erweiterung des unternehmerischen Wirkungsbereiches. Daneben fragt sich, ob der Erwerb von nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligungen eine Anwendung des Kartellverbotes auslösen kann. Der EuGH hat eine Relevanz des Art. 101 AEUV in diesem Zusammenhang anerkannt,1436 die Kommission greift dies regelmäßig auf.1437 Es ist jedoch umstritten, ob eine rein passive nichtkontrollierende Minderheitsbeteiligung den Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen kann. Überaus problematisch ist dabei schon, ob der bloße Erwerb von Unternehmensanteilen unter das Tatbestandsmerkmal der „Vereinbarung“ subsumiert werden kann. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn Anteile an der Börse erworben werden, da hier zahlreiche Einzelverträge abgeschlossen werden.1438 Doch auch, wenn eine Vereinbarung zu bejahen sein sollte,1439 kann der reine Erwerb 1432
Bechtold/Bosch, GWB, § 37 GWB Rn. 36. Bach, in: MüKo-GWB, § 37 Rn. 102. 1434 Bechtold/Bosch, GWB, § 37 GWB Rn. 39. 1435 Vgl. zu diesem Kriterium näher Riesenkapff/Steinbarth, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, § 37 GWB Rn. 28 ff. 1436 EuGH, Urt. v. 17. 11. 1987, ECLI:EU:C:1987:490, Rn. 36 ff. (BAT und Reynolds); ausführlich hierzu Heithecker/Schneider, in: FK-Kartellrecht, 85. Lfg. Nov. 2015, Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV F II 9 GU Rn. 91 ff. 1437 Vgl. KOM, IV/M.1980, OJ 2000 C/301/23 (Volvo/Renault); IV/M.1080, ABl. 1998 C/ 252/7 (Thyssen/Krupp); s. dazu die Einschätzung von Moavero Milanesi/Winterstein, Competition Policy Newsletter 1/2002, 15, 16 f. 1438 KOM, Weissbuch „Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle“, 9. 7. 2014, COM(2014) 449 final, Rn. 40; Montag, NZKart 2015, 410, 412; wohl auch Balitzki/Pugh, IIC 2016, 595, 606; a. A. Stöcker, ZWeR 2013, 154, 172 f. 1439 Nach Balitzki/Pugh, IIC 2016, 595, 606 könnte dies etwa bei dem Erwerb einer nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligung an einem nicht börsennotierten Unternehmen der 1433
III. Kartellrecht und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen
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einer Beteiligung schwerlich als eine Wettbewerbsbeschränkung zu sehen sein. Vielmehr ist dafür eine über den bloßen Anteilserwerb hinausgehende wettbewerbliche Koordination zwischen Zielgesellschaft und Minderheitsbeteiligtem zu verlangen.1440 Nach dem Gesagten kann ein Anteilserwerb über die Börse aus dem weiteren Grund nicht tatbestandsmäßig sein, dass im bloßen Kaufvertrag mit dem Veräußerer keine relevante Koordination zwischen Erwerber und Zielgesellschaft liegt.1441 Gleiches muss für die Inhaberschaft von nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligungen an mehreren konkurrierenden Unternehmen im Sinne von horizontal shareholding gelten. Hier findet zudem keine Koordination zwischen Beteiligtem und Zielgesellschaft statt, sondern allenfalls eine einseitige Rücksichtnahme der Zielgesellschaft auf die Interessen des Erwerbers. Eine bloß strukturell bedingte Reduzierung der Wettbewerbsanreize für die Zielgesellschaft(en) kann den Tatbestand des Art. 101 AEUV jedoch nicht erfüllen. Eine Anwendung des § 1 GWB führt wegen dessen weitgehender Identität mit Art. 101 AEUV zu keinen abweichenden Ergebnissen. 3. Fazit Die kartellrechtliche Fusionskontrolle erfasst gerade auch Veränderungen der Marktstruktur, die durch Transaktionen mit Unternehmensbeteiligungen entstehen. Auf dieser Ebene ist das Kartellrecht für den Handel auf dem Kapitalmarkt also regelmäßig von Bedeutung. Daneben ist es prinzipiell denkbar, dass der Erwerb von nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligungen am Kapitalmarkt Mittel einer wettbewerbsbeschränkenden Koordination zwischen Erwerber und Zielgesellschaft ist. Dafür muss allerdings eine Koordination erfolgen, die über den bloßen Anteilserwerb hinausgeht. Die geschilderten Konstellationen verdeutlichen, dass das Kartellrecht das Kapitalmarktgeschehen unproblematisch erfasst, sofern es um die Fall sein. Hier werden meist umfangreiche Vereinbarungen getroffen, etwa ein share purchase agreement und ein shareholder agreement. 1440 Diese kann etwa in einem institutionalisierten Informationsaustausch oder einer die Zusammenarbeit begünstigenden Struktur liegen, vgl. EuGH, Urt. v. 17. 11. 1987, ECLI:EU:C:1987:490, Rn. 38 (BAT und Reynolds), nach Rn. 48 kann es genügen, dass die Beteiligung beide Unternehmen „zwangsläufig dazu veranlaßt, bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik den Interessen der jeweils anderen Partei Rechnung zu tragen“. Vgl. zu der hier aus diesen Aussagen abgeleiteten Auffassung Säcker, in: FS Köhler, 565, 571 ff. (verstärkende gesellschafts- oder schuldvertragliche Absprachen nötig); Heithecker/Schneider, in: FK-Kartellrecht, 85. Lfg. Nov. 2015, Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV F II 9 GU Rn. 114 ff.; Ezrachi/Gilo, 26 Oxford J. Legal Stud. (2006), 327, 338 ff., 342; Immenga/Fuchs, NJW 1988, 3052, 3053 ff.; Wollmann/Herzog, in: MüKo-EuWettbR, Art. 101 AEUV Rn. 248; nach a. A. kann auch der „nackte“Anteilserwerb gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen, vgl. Stöcker, ZWeR 2013, 154, 169 ff. 1441 Immenga/Fuchs, NJW 1988, 3052, 3054, wonach dies auch bei sonstigen Veräußerungen gilt, bei denen der Veräußerer keinen Einfluss auf die Zielgesellschaft hat und behält; Heithecker/Schneider, in: FK-Kartellrecht, 85. Lfg. Nov. 2015, Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV F II 9 GU Rn. 116; Säcker, in: FS Köhler, 565, 575; a. A. wiederum Stöcker, ZWeR 2013, 154, 169 ff.
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wettbewerblichen Auswirkungen der durch Unternehmensbeteiligungen vermittelten Position auf Realmärkten geht. In diesem Zusammenhang können neben kartellrechtlichen Fragen vielschichtige kapitalmarktrechtliche Fragen auftreten. Diese beziehen sich allerdings primär auf die Ebene der Abwicklung der Wertpapiertransaktion. Die wettbewerbliche Dimension auf den Märkten, zu denen die jeweiligen Unternehmensbeteiligungen einen Zugang ermöglichen, wird vom Kapitalmarktrecht nicht behandelt.
IV. Fazit zu § 4 Sowohl EU-Kartellrecht als auch Kapitalmarktrecht sind von dem öffentlichen Interesse getragen, die Marktordnung aufrecht zu erhalten.1442 Die Rechtsinstrumente, die sie dazu einsetzen, weisen auf der Tatbestandsebene jedoch nur wenige Gemeinsamkeiten auf. Die Untersuchung hat vor allem Unterschiede zutage gefördert. 1. Kartellrecht auf Wertpapiermärkten nicht sinnvoll anwendbar Die eingangs aufgestellte Hypothese, dass das EU-Kartellrecht nicht zur Steuerung von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Kapitalmarkttransaktionen geeignet ist, hat sich dabei bestätigt. In Bezug auf Handelsvorgänge auf dem Sekundärmarkt für Wertpapiere ist eine Anwendung des Kartellrechts ausgeschlossen. Die Anwendung des Art. 102 AEUV scheitert bereits daran, dass die kartellrechtliche Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept zu einem gigantischen, niemals beherrschbaren Markt führt. Ferner ist es nicht möglich, den „Marktanteil“ eines Unternehmens auf dem Sekundärmarkt zu ermitteln. Das reine Innehaben von Wertpapieren ist kartellrechtlich betrachtet keine Marktaktivität. Angebot und Nachfrage von Wertpapieren stellen zwar Marktaktivität dar, jedoch lässt sich diese immer nur punktuell messen und fluktuiert stark. Wollte man also eine Marktstellung über das momentane Angebot und die Nachfrage ermitteln, wären willkürliche Ergebnisse vorgezeichnet. Keinesfalls lässt sich Marktverhalten am Sekundärmarkt mit einer bestimmten Position in einer Wertschöpfungskette am Realmarkt vergleichen. Dies liegt maßgeblich daran, dass am Sekundärmarkt ein abgegrenzter Vorrat an Wertpapieren unter den Marktteilnehmern zirkuliert wird und Kauf- und Verkaufsvorgänge endlos aufeinander folgen können. Im Unterschied zu Märkten wie solche für Immobilien oder Sammlerobjekte sind Wertpapiere zudem fungibel und können mit sehr geringen Transaktionskosten gehandelt werden. Auch in Fällen individueller Zwangslagen (corners/squeezes) ist die Marktabgrenzung nicht anders vorzunehmen. Eine marktbeherrschende Stellung i. S. d. Art. 102 AEUV kann daher auch hier nicht entstehen. Daneben haben sich speziell bei der Missbrauchshandlung des Preishöhenmissbrauchs gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV Anwendungspro1442
Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2050.
IV. Fazit zu § 4
251
bleme offenbart. Ein maßgebliches Problem ist es, dass am Kapitalmarkt wohl niemals ein wettbewerbsadäquater Preis festgestellt werden kann, von dem ein Monopolistenpreis abweichen würde. Ein kartellrechtlicher Eingriff in Transaktionsbedingungen am Kapitalmarkt erscheint zudem zweifelhaft, weil die Veräußerung von Wertpapieren eine vollständige Aufgabe der eigenen Marktposition bedeutet und eine darauf bezogene Inhaltskontrolle einen sehr intensiven Eingriff in die Vertragsfreiheit bedeuten würde. Auch einer Anwendung des Art. 101 AEUV stehen die genannten Probleme im Wege, wie anhand der Verhaltensweisen eines Emissionskonsortiums im Rahmen von Kursstabilisierungsmaßnahmen dargelegt wurde. Die fehlende Marktmacht der Beteiligten spricht in vielen Konstellationen schon gegen eine Wettbewerbsbeschränkung, jedenfalls aber gegen deren Spürbarkeit bzw. gegen die Spürbarkeit einer zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung. Ferner können Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt nicht sinnvoll mit dem Kartellrecht geregelt werden. Zwar könnte im Gegensatz zum Sekundärmarkt auf dem Primärmarkt durchaus ein bestimmter Marktanteil einzelner Emissionsbanken ermittelt werden. Das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung ist jedoch fernliegend, sodass Art. 102 AEUV keine Bedeutung hat. Gleiches gilt auf dem akzessorisch mitgeprüften Markt für Aktienemissionsbegleitungen, auf dem Investmentbanken den Emittenten ihre emissionsbegleitenden Dienstleistungen anbieten. Die koordinierten Vorgehensweisen von Emissionskonsortien sind auch nicht gem. Art. 101 AEUV verboten. Nach dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken ist die Verhaltensabstimmung keine Wettbewerbsbeschränkung, da durch sie erst neuer Wettbewerb entsteht. Auch andere Verhaltensweisen in diesem Kontext wurden nicht als Wettbewerbsbeschränkungen identifiziert, sodass es im Zusammenhang mit den untersuchten Verhaltensweisen insgesamt keinen Anwendungsfall für Art. 101 AEUV gibt. Das EU-Kartellrecht erfasst jedoch ganz unproblematisch die Ebene der Realmärkte, auf die sich Kapitalmarkttransaktionen auswirken. Hier ist im Besonderen die Fusionskontrolle nach Maßgabe der FKVO relevant. 2. Primärmarkt und Sekundärmarkt haben eigenständige Probleme Auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt gibt es gänzlich eigenständige Konstellationen von Marktversagen. Die bestehenden Informationsasymmetrien laden Marktteilnehmer ein, überlegenes Wissen auf Kosten einer weniger informierten Seite auszunutzen. Daher wird mit Offenlegungsvorschriften angestrebt, allen Marktteilnehmern so viele Informationen wie möglich verfügbar zu machen.1443 Dieser Ausgangspunkt wird auch als das „Informationsparadigma“ bezeichnet.1444 Ergänzt werden Offenlegungsvorschriften durch das Insiderhandels1443 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358 („Informations-, Offenlegungs- oder DisclosureParadigma“); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 935 ff. („Informationsmodell“). 1444 Ebenda, 350.
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verbot, das eine Besserstellung einzelner Anleger verhindert.1445 Ferner ist die Preisbildung an Wertpapiermärkten anfällig für externe Eingriffe durch Manipulanten und bedarf daher eines Marktmanipulationsverbotes.1446 Das Kapitalmarktrecht weist vor diesem Hintergrund auf Tatbestandsebene keine nennenswerten Parallelen zum Kartellrecht auf. Die Kooperation von Marktteilnehmern (Parallele zu Art. 101 AEUV) ist kapitalmarktrechtlich nur dann problematisch, wenn sie zu Zwecken der Manipulation der Preisbildung durchgeführt wird oder mit ihrer Hilfe Informationsasymmetrien ausgenutzt werden. Die wettbewerblichen Aspekte einer Verhaltenskooperation berücksichtigt das Kapitalmarktrecht jedoch nicht. Daneben kann ein Zusammenwirken mehrerer Marktteilnehmer unter Umständen zu einer Zusammenrechnung von Stimmrechten führen (acting in concert). Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Parallele zu Art. 102 AEUV) wird ebenfalls nicht vom Kapitalmarktrecht aufgegriffen. Eine scheinbare Ausnahme ist das Verbot der „Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung“ gem. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR. Dieser Tatbestand stimmt jedoch insofern nicht mit dem kartellrechtlichen Art. 102 AEUV überein, als dass der beherrschte „Markt“ vom Gesetz auf ein einziges Finanzinstrument eingegrenzt ist. Der Tatbestand füllt damit einerseits eine Lücke, die durch das fehlende Eingreifen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbotes entsteht. Die Einordnung von Verhaltensweisen wie corners/squeezes als Marktmanipulation sowie die sehr weite Fassung des Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR zeigen aber andererseits deutlich, dass die Problematik aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive in der unlauteren Einwirkung auf die Preisbildung zu verorten ist, und nicht etwa im materiellen Unrecht einer Machtsituation bzw. deren Ausnutzung.1447 Das Kapitalmarktrecht bietet insgesamt also für die eigenständigen Besonderheiten des Wertpapierhandels „maßgeschneiderte“ Lösungsansätze, erfasst dabei jedoch keine (auch) kartellrechtlichen Probleme. 3. Unterschiedliche Funktionsweisen, unterschiedliche Adressaten Das Kapitalmarktrecht ermöglicht also zunächst das Kapitalmarktgeschehen. Außerdem steuert es Verhaltensweisen auf dem Kapitalmarkt und ist dabei auf eine Minimierung der Transaktionskosten bzw. Maximierung der Markteffizienz bedacht. Zu diesem Zweck verpflichten die dargestellten kapitalmarktrechtlichen Institute die Marktteilnehmer zur Einhaltung bestimmter Verfahren, sie statuieren Verhaltenspflichten und sprechen Verbote aus. Anders formuliert ist das Kapitalmarktrecht Markt-, Verfahrens- und Informationsrecht.1448 Es ist Marktrecht, weil es zunächst 1445
Ebenda, 359. Ebenda, 359. 1447 s. o. bei Fn. 522 sowie bei Fn. 761. 1448 So Fleischer, ZIP 2006, 451, 458, der das Kapitalmarktrecht zudem als Regulierungsrecht bezeichnet, da es eine verwaltungsrechtliche Marktsteuerung leistet. Ferner sei es Querschnittsrecht, da es zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Aspekte verknüpft. 1446
IV. Fazit zu § 4
253
die Voraussetzungen für einen Markt mit Kapitalmarktprodukten schafft, und schließlich Funktionsstörungen im Marktgeschehen beseitigt.1449 Es ist Verfahrensrecht, weil es für zahlreiche Aspekte des Marktgeschehens Prozesse vorgibt, so etwa in Bezug auf Transaktionen, Preisbildung und Verhaltenspflichten.1450 Es ist Informationsrecht, weil es systematisch die Offenlegung bestimmter, als relevant angesehener Informationen einfordert.1451 Viele kapitalmarktrechtliche Tatbestände gelten nur für bestimmte Adressatengruppen. Dies gilt etwa für die Prospektpflicht (gerichtet an den Prospektverantwortlichen), die Ad-hoc-Publizitätspflicht (Emittenten), das Börsenzulassungsverfahren (Emittenten), oder die Wohlverhaltenspflichten (Kreditinstitute). Andere Normen gelten für alle Marktteilnehmer, wie etwa das Marktmanipulationsverbot. Das EU-Kartellrecht kennt hingegen nur einen Adressaten: Es richtet sich an Unternehmen, was unabhängig von deren mikroökonomischer Rolle oder materieller Tätigkeit gilt. EU-kartellrechtliche Interventionen erfolgen ausschließlich in Abhängigkeit davon, ob ein bestimmter Zustand den freien Wettbewerb gefährdet. Dazu verbietet Art. 101 AEUV wettbewerbsbeschränkende Koordinationen, Art. 102 AEUV missbräuchliche Verhaltensweisen durch Marktbeherrscher, ferner wird anhand der FKVO eine Marktstrukturkontrolle vorgenommen. Alle anderen EU-kartellrechtlichen Normen dienen nur der Konkretisierung bzw. Ergänzung dieser Rechtsinstrumente. Das EU-Kartellrecht hat also, wie bereits mehrfach betont, einerseits einen weiteren Anwendungsbereich als das Kapitalmarktrecht. Andererseits hat es tatbestandlich wie funktionell einen mindestens ebenso engen Fokus, da es sich ausschließlich auf die wettbewerbliche Dimension von unternehmerischem Marktverhalten bezieht.
1449 1450 1451
Ebenda. Ebenda. Ebenda.
§ 5 Konsequenzen In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob die zuvor gefundenen Ergebnisse Konsequenzen de lege ferenda oder de lege lata gebieten.
I. Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht? Die Debatte um eine Anwendung des Kartellrechts im Zusammenhang mit Kapitalmarkttransaktionen ließe sich als ein Anzeichen für Unzulänglichkeiten der kapitalmarktrechtlichen Sanktionsmechanismen verstehen. Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit dem Manipulationsverbot gem. Art. 15 i. V. m. Art. 12 MAR, dessen Verletzung nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich keine privatrechtlichen Ansprüche auslöst.1452 Die Bestrebungen, in solchen Fällen das Kartellrecht zur Anwendung zu bringen, gründen wohl auch auf dem Wunsch nach zivilrechtlichen Rechtsfolgen.1453 Daher soll exemplarisch anhand des Marktmanipulationsverbotes darauf eingegangen werden, ob auch im Kapitalmarktrecht ein stärkeres private enforcement durch private Schadensersatzansprüche sinnvoll erscheint (1.). Zudem fragt sich auch jenseits des private enforcement, ob die bisherigen Ergebnisse der Arbeit Bedarf an einer Fortbildung des Kapitalmarktrechts nach EU-kartellrechtlichem Vorbild indizieren (2). 1. Manipulationsverbot und private Schadensersatzansprüche Zahlreiche Stimmen in der Literatur befürworten eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen das Marktmanipulationsverbot.1454 Dafür könnte der verhaltenssteuernde Effekt einer erhöhten Abschreckungswirkung sprechen, wenn Manipulanten neben behördlichen Interventionen auch Klagen von Geschädigten zu befürchten hätten.1455 Ein Durchsetzungsinstrument leistet im Allgemeinen eine op1452
s. o. § 4 I. 2. f) cc). So auch Ackermann, NZKart 2016, 397, 397. 1454 Dies gilt für die Folgenden unabhängig von der jeweiligen Einschätzung der Rechtslage: Poelzig, ZGR 2015, 801, 817 ff.; Tountopoulos, ECFR 2014, 297, 328 f.; Hellgardt, AG 2012, 154; Mock, in: KK-WpHG, § 20a WpHG Rn. 468 ff.; i. E. wohl auch Schmolke, NZG 2016, 721, 728 f.; langfristig eine EU-weite Harmonisierung der privaten Rechtsdurchsetzung erhofft Wundenberg, ZGR 2015, 124, 150 ff. 1455 Poelzig, ZGR 2015, 801, 821, 823; Wundenberg, ZGR 2015, 124, 128. 1453
I. Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht?
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timale Verhaltenssteuerung, wenn ein Rechtsbruch angesichts der zu erwartenden Sanktion nicht lukrativ erscheint. Dies bemisst sich anhand der Sanktion, dem möglichen Gewinn und der Durchsetzungswahrscheinlichkeit.1456 Aus rechtsökonomischer Perspektive ist für die Effizienz eines Durchsetzungsinstrumentes entscheidend, dass es die eingetretenen Wohlfahrtsverluste reduziert und die Durchsetzungskosten möglichst gering sind.1457 In Bezug auf das Marktmanipulationsverbot lassen sich diese Gleichungen nicht ohne Weiteres auflösen. Die Literatur verweist regelmäßig auf charakteristische Vor- und Nachteile privater und öffentlicher Durchsetzungsmechanismen, deren abschließende Bewertung hier allerdings kaum möglich erscheint. So wird für ein private enforcement ins Feld geführt, dass Behörden nicht immer die richtigen Durchsetzungsanreize haben, u. a. da ihre Mitarbeiter nicht leistungsabhängig entlohnt werden.1458 Doch auch private Kläger gehen nicht jeder Rechtsverletzung nach. Oftmals werden ihre Durchsetzungskosten den Schaden übersteigen, sodass kaum Anreiz für eine zivilrechtliche Klage besteht und in dieser Hinsicht eher ein under-enforcement droht.1459 Ist der Schaden individueller Privater sehr klein, ist daher tendenziell eine behördliche Rechtsdurchsetzung vorzugswürdig.1460 Dabei handelt es sich um ein Problem, für das auch kollektive Rechtsdurchsetzungsinstrumente keine optimale Lösung bieten.1461 Zudem kann private Rechtsdurchsetzung auch konzeptionell zu weitreichend oder gar missbräuchlich sein und dann als over-enforcement ökonomisch wünschenswertes Verhalten der Marktteilnehmer hemmen.1462 Ein private enforcement mag des Weiteren aufgrund der Profitorientierung Privater das Risiko mit sich bringen, dass die Rechtslage in Bezug auf dogmatisch interessante, aber unprofitable Fälle nicht ausreichend geklärt wird.1463 Auch empirische Studien liefern keine eindeutige 1456
Ebenda, 821, mit dem Hinweis in Fn. 113, dass eine zu hohe Sanktionsandrohung einen überhöhten Vermeidungsaufwand provozieren würde; vgl. zu beiden Aspekten auch Franck, Marktordnung durch Haftung, 106 Fn. 4, 110 f., 114 f.; vgl. ferner Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, 479 ff. 1457 Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 10. 1458 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 239 f.; Poelzig, ZGR 2015, 801, 822; hierzu sowie zu weiteren Defiziten der aufsichtsrechtlichen Rechtsdurchsetzung im Kapitalmarktrecht Veil/Brüggemeier, in: Fleischer/ Kalss/Vogt (Hg.), Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2015, 277, 284 ff.; zur behördlichen Fallauswahl Posner, Economic Analysis of Law, 866; zum regulatory capture s. bereits o. § 3 II. 3. c) cc). 1459 Poelzig, ZGR 2015, 801, 823 f.; Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 240. 1460 Posner, Economic Analysis of Law, 491 f., mit Verweis auf die class action. 1461 Zur entstehenden Agentur-Problematik Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 240. 1462 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 240; Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 5; vgl. zum Problem übermäßigen Vermeidungsaufwands ausführlich Franck, Marktordnung durch Haftung, 114 ff. 1463 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 242 f.
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§ 5 Konsequenzen
Aussage dazu, ob ein private enforcement insgesamt vorteilhaft für Kapitalmärkte ist.1464 Unabhängig von den genannten Faktoren sind in Bezug auf die Marktmanipulation jedoch durchaus einige konkrete Beobachtungen möglich. Grundsätzlich gilt, dass private Marktteilnehmer und staatliche Stellen unterschiedlich hohe Durchsetzungskosten haben.1465 Die dezentralisierte private Rechtsdurchsetzung kann etwa regelmäßig besser Informationen sammeln und verarbeiten.1466 Für die Marktmanipulation ist in diesem Zusammenhang aber zwischen handelsgestütztem und informationsgestütztem Vorgehen zu differenzieren.1467 Bei informationsgestützten Manipulationen mag es privaten Individuen möglich sein, die Tat wahrzunehmen und den Täter zu identifizieren.1468 Bei handelsgestützten Vorgehensweisen gestaltet sich dies ungleich komplizierter, weil den Geschädigten regelmäßig die nötigen Informationen fehlen.1469 Hier sind bestenfalls Follow-on-Klagen im Anschluss an behördliche Entscheidungen denkbar, obwohl dann die Abschreckungswirkung genauso durch höhere Geldbußen erreicht werden könnte.1470 In vielen Fällen wird ein private enforcement des Marktmanipulationsverbotes also an zu hohen Durchsetzungskosten scheitern. Die Tauglichkeit von Schadensersatzansprüchen zur Durchsetzung des Manipulationsverbotes erscheint aus einem weiteren Grund zweifelhaft. Optimale Präventionswirkung erreicht ein Sanktionsinstrument, wenn es den durch die Rechtsverletzung (unverdient) erzielten Gewinn abschöpft.1471 Diese Abschöpfung wird besonders im Kartellrecht bei der Reallokation von Monopolrenten deutlich, wo der Schaden meist klar identifiziert werden kann und oftmals das direkte Gegenstück zum Vorteil des Täters ist.1472 Kapitalmarktrechtsverstöße realisieren sich hingegen in weitaus komplexerer Art und müssen dabei nicht einmal bestimmte abgrenzbare Personengruppen betreffen.1473 So wird sich regelmäßig kein direkter Abnehmer des Manipulanten ermitteln lassen.1474 Zwar löst die manipulative Einwirkung auf Sekundärmarktpreise in vielerlei Hinsicht einen
1464
s. die beiden Studien von La Porta/Lopez-De-Silanes/Shleifer, 61 J. Finance (2006), 1, 5 ff. 27 f.; Jackson/Roe, 93 J. Financ. Econ. (2009), 207, 217 ff., 235 f.; dazu Klöhn, in: Kalss/ Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 244 f.; auch Poelzig, ZGR 2015, 801, 820 f. 1465 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 237 ff. 1466 Ebenda, 237. 1467 Ebenda, 238 f., zust. Poelzig, ZGR 2015, 801, 826 ff. 1468 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 238 f.; Poelzig, ZGR 2015, 801, 827. 1469 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 238 f.; Poelzig, ZGR 2015, 801, 827. 1470 Poelzig, ZGR 2015, 801, 827 f. 1471 Franck, Marktordnung durch Haftung, 110 ff., 128 f. 1472 Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2053. 1473 Ebenda. 1474 Franck, Marktordnung durch Haftung, 619 Fn. 82.
I. Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht?
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Schaden bei einzelnen Marktteilnehmern aus.1475 Dieser steht aber regelmäßig nicht einem direkten Vorteil des Manipulanten gegenüber, und bewirkt somit lediglich eine Umverteilung zwischen nicht an der Rechtsverletzung beteiligten Dritten.1476 Da sich eine Haftung für solche Schäden nicht auf die Anreize des Schädigers auswirkt und die Umverteilung für sich auch keinen Wohlfahrtsverlust bewirkt, ist die rechtsökonomische Fundierung eines Schadensersatzanspruches in derartigen Fällen fragwürdig.1477 Die Problematik ist aus dem Zusammenhang von kartellrechtlichen Preisschirmschäden sowie der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen bekannt.1478 Hier kann nur angedeutet werden, dass eine Schadensersatzhaftung in solchen Fällen Gefahr läuft, ein over-enforcement zu bewirken.1479 Daher kann eine Schadensersatzhaftung schon wegen dieser Problematik allenfalls die zweitbeste Lösung darstellen, die auf Tatbestandsebene überabschreckenden Tendenzen entgegenhalten muss.1480 Wollte man denn eine Schadensersatzhaftung für Marktmanipulationen zulassen, stellen sich in jedem Fall zahlreiche Detailprobleme. Große Schwierigkeiten würde nicht nur der Kausalitätsnachweis bereiten, ebenso ist die konkrete Schadenshöhe kaum zu ermitteln.1481 Noch fragwürdiger wird das Konzept einer Schadensersatzhaftung für Marktmanipulationen mit Blick auf den ökonomischen Schaden, der sich bei solchen Anlegern realisiert, die wegen einer Manipulationsgefahr dem Kapitalmarkt gänzlich fernbleiben.1482 Marktmanipulationen sind in dieser Hinsicht wegen ihres Effektes der Beschädigung des Anlegervertrauens abstrakt wohlfahrtsschädlich. Dieser Schaden kann generell nicht mit Schadensersatzansprüchen restituiert werden.1483 1475
Eichelberger, Marktmanipulation, 75 f. Vgl. zu solchen Umverteilungseffekten Franck, Marktordnung durch Haftung, 118 f., 146, 617 ff. (mit Fn. 82 zur Marktmanipulation). 1477 Franck, Marktordnung durch Haftung, 118. 1478 Ebenda, 146, 149 ff. 1479 Ebenda, 118 f., 145 ff., 159; Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 15; für die handelsgestützte Marktmanipulation Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in DACH 2013, 229, 240 f., 243; zur Problematik der „Schadensvervielfachung“ Zetsche, ZHR 179 (2015), 490, 492 ff. 1480 Franck, Marktordnung durch Haftung, 119, 159 ff.; vgl. auch Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 15. 1481 Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2053, 2051; zur Problematik um die Feststellung von Kausalität und Schaden im Rahmen der Kapitalmarktinformationshaftung vgl. Wundenberg, ZGR 2015, 124, 140 f. 1482 Zu unterlassenem Erwerb wegen überhöhten Kartellpreisen Franck, Marktordnung durch Haftung, 618. 1483 Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 15 f.; vgl. auch Franck, Marktordnung durch Haftung, 618 f., der im Zusammenhang mit Kartellrechtsverletzungen die Möglichkeit aufzeigt, eine drohende Unterabschreckung mittels einer Haftung für Preisschirmschäden auszugleichen, was – wie er selbst auf S. 618 anerkennt – für den Fall unterlassenen Erwerbs ins Spekulative abgleitet. Als Alternative erwähnt er einen Ausgleich mittels punitive damages, was er jedoch bei Marktmanipulationen für ausgeschlossen hält, da ohne Haftung für Preisschirmschäden keine Zurechnung möglich ist, vgl. ebenda, Fn. 82. 1476
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§ 5 Konsequenzen
Vor diesem Hintergrund gewinnt die öffentlich-rechtliche Konzeption des Manipulationsverbotes, die wiederum Ausdruck des kapitalmarktrechtlichen Fokus auf die Funktionsfähigkeit des Marktes ist,1484 an Plausibilität. Zusammengefasst sprechen einige Indizien dafür, dass ein privater Schadensersatzanspruch kein sonderlich gut geeignetes Durchsetzungsinstrument für das Marktmanipulationsverbot ist. Dies gilt jedoch nicht für das private enforcement insgesamt. Eine pauschale Untersuchung der Kategorien private oder public enforcement ist ohnehin wenig sachgerecht, zumal schon die Grenzen zwischen den beiden Durchsetzungsformen fließend sind.1485 Richtigerweise ist unabhängig einer solchen Zuordnung entscheidend, welche Durchsetzungsinstrumente ein optimales Verhältnis zwischen Kosten und Effektivität bieten.1486 Wie bereits erörtert sind gerade in der Marktmissbrauchsverordnung vielgestaltige andere Formen der Beteiligung Privater an der Rechtsdurchsetzung vorgesehen.1487 2. Ergänzungsbedarf des Kapitalmarktrechts hinsichtlich sonstiger Sanktionsmechanismen? Auch jenseits eines private enforcement durch Schadensersatzansprüche Privater stellt sich die Frage, ob das Kapitalmarktrecht im Vergleich mit dem EU-Kartellrecht Ergänzungsbedarf hat. Auf Tatbestandsebene ist bereits hinreichend deutlich geworden, dass die EU-kartellrechtlichen Normen keinen echten Mehrwert für das Kapitalmarktgeschehen bringen, weswegen sich eine Optimierung kapitalmarktrechtlicher Tatbestände am Vorbild des Kartellrechts erübrigt. Es verbleibt die Frage, ob die EU-kartellrechtlichen Sanktionsmechanismen als Vorbild für eine Ergänzung des Kapitalmarktrechts dienen sollten. Dem soll hier in Bezug auf das Marktmissbrauchsrecht nachgegangen werden. In der Vergangenheit wurde vor allem die Höhe der EU-kartellrechtlichen Bußgelder im Vergleich zum Kapitalmarktrecht kritisiert und der Unterschied als beliebig bezeichnet.1488 Wie dargelegt hat die MAR hier für Abhilfe gesorgt. Sie ermöglicht nunmehr Bußgelder für marktmissbräuchliche Verhaltensweisen, die im Einzelfall sogar über das kartellrechtlich Erreichbare hinausgehen können.1489 Es verbleiben zwar noch offene Detailfragen.1490 Ob es hier 1484
Zum (Rück-)Schluss vom Fehlen eines Schadensersatzanspruches auf die Schutzrichtung des Kapitalmarktrechts Poelzig, ZGR 2015, 801, 802. 1485 Ackermann, in: FS Köndgen, 1, 4 ff. 1486 Ebenda, 1, 7. 1487 s. o. § 4 I. 2. f); § 4 I. 5. b); näher zur Beteiligung Privater im neuen Marktmissbrauchsrecht auch Poelzig, NZG 2016, 492, 493 ff.; zur „hybriden Normdurchsetzung“ noch ohne Berücksichtigung der MAR Veil/Brüggemeier, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hg.), Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2015, 277, 302 ff. 1488 Kämmerer, in: FS Hopt, 2043, 2059. 1489 s. o. § 4 I. 2. f) aa); § 4 I. 5. b). 1490 Exemplarisch sei auf die aus dem Kartellrecht bekannte Problematik Bußgeldrahmen/ Kappungsgrenze verwiesen, dazu Poelzig, NZG 2016, 492, 498 f.; s. bereits o. Fn. 750.
I. Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht?
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gesetzgeberischen Nachholbedarf gibt, wird jedoch erst die Praxis zeigen können. Die Erhöhung der maximalen Bußgelder hat jedenfalls die zentralen Zweifel an der Schärfe der kapitalmarktrechtlichen Sanktionen beseitigt. In einem wichtigen Punkt ist das EU-Kartellrecht dem Marktmissbrauchsrecht weiterhin voraus: Bußgelder können gem. Art. 23 VO 1/2003 bzw. § 81 GWB für vorsätzliche und fahrlässige Kartellrechtsverstöße verhängt werden. Sanktionen für Verstöße gegen die MAR ermöglichen die §§ 119, 120 WpHG nur bei nur bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Verhalten, sodass einfache Fahrlässigkeit in dieser Hinsicht nicht sanktioniert ist.1491 Leichtfertigkeit wird als Äquivalent zur zivilrechtlichen groben Fahrlässigkeit verstanden und liegt dann vor, wenn die Fahrlässigkeit des Handelnden besonders gesteigert ist.1492 Einfache Fahrlässigkeit wird regelmäßig leichter nachzuweisen sein, weswegen das Kartellrecht die geringeren Eingriffsvoraussetzungen bietet. Es fragt sich also, ob auch im kapitalmarktrechtlichen Marktmissbrauchsrecht eine Geldbuße bei einfacher Fahrlässigkeit möglich sein sollte. Dazu wurde einerseits schon festgestellt, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen manipulative Verhaltensweisen grundsätzlich auch verschuldensunabhängig möglich sind, sofern nicht die jeweilige Tatbestandsalternative ausnahmsweise ein engeres subjektives Element vorgibt.1493 Andererseits ist ein erhöhtes Verschuldenserfordernis ein wichtiger Faktor bei der Abwendung eines overenforcement.1494 Straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen bei einfach fahrlässigen manipulativ anmutenden Verhaltensweisen könnten einen erheblichen chilling effect produzieren und abträglich für die Liquidität des Kapitalmarktes sein. Ob das Kapitalmarktrecht in dieser Hinsicht vollumfassend richtig austariert ist, kann in dieser Untersuchung jedoch nicht näher bewertet werden. Es bleibt nur die Erkenntnis, dass behördliche Sanktionsmöglichkeiten für einfach fahrlässige Verhaltensweisen auf dem Kapitalmarkt nicht ohne Weiteres befürwortet werden können. Auch über diese exemplarisch ausgeführten Aspekte hinaus sind in der Untersuchung keine Anhaltspunkte für einen Bedarf an Erweiterungen der Sanktionen des Kapitalmarktrechts nach kartellrechtlichem Vorbild aufgetreten. 3. Fazit Das EU-Kartellrecht ist kein Vorbild für eine Erweiterung des Kapitalmarktrechts. Der Wunsch nach einem Rückgriff auf kartellrechtliche Instrumente rührt auch regelmäßig nicht von einer empfundenen Unvollkommenheit des Kapitalmarktrechts. Vielmehr sind für viele Akteure die kartellrechtlichen Instrumente 1491
Poelzig, NZG 2016, 492, 497. Waßmer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, § 38 WpHG Rn. 72; vgl. zum allgemeinen Strafrecht BGH, Urt. v. 13. 4. 1969 – 2 StR 593/59, NJW 1960, 1678, 1680. 1493 s. o. § 4 I. 2. b) dd); eine Ausnahme bildet etwa Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR: „wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren“. 1494 Franck, Marktordnung durch Haftung, 413 ff., 129 ff. 1492
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§ 5 Konsequenzen
verlockend.1495 Insbesondere der im Kapitalmarktrecht fehlende Schadensersatzanspruch für Opfer von manipulativen Verhaltensweisen ist zwar ein Minus zum Kartellrecht. Dabei handelt es sich jedoch um eine legitime rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die sich mit rechtsökonomischen Argumenten rechtfertigen lässt. Ebenso verhält es sich mit weiteren systematischen Vorzügen der Kartellrechtsanwendung, zu der die die hohe Durchsetzungsfreude der Behörden1496 gehört, aber auch die Nichtigkeitsfolge von Kartellrechtsverletzungen, die über den ordre public international-privatrechtlich abgesichert ist.1497 Es versteht sich ferner, dass nicht alle Regulierungsstrategien für alle Märkte gleich geeignet sind. So erscheint etwa für manipulative Verhaltensweisen auf dem Kapitalmarkt ein Fokus auf die Informationseffizienz und Liquidität als der überzeugendste Regulierungsansatz.1498 Hierzu kann das EU-Kartellrecht keinen Beitrag leisten.
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht? Schließlich bleibt zu erörtern, welche Konsequenzen für das EU-Kartellrecht aus der bisherigen Untersuchung gezogen werden können. Da das EU-Kartellrecht auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt nicht zur Anwendung gebracht werden kann, stellt sich vor allem die Frage, ob eine Veränderung seiner Instrumente geboten ist, um den Anwendungsbereich in dieser Hinsicht auszudehnen. Zunächst sei dabei ein Blick auf Alternativen zum Konzept der Marktabgrenzung geworfen (1.). Zudem könnte es geboten sein, auch Situationen relativer Macht mit dem EU-Kartellrecht zu erfassen (2.). Zuletzt wäre es denkbar, bereits den Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung zu kontrollieren (3.). Allerdings wird auch zu sehen sein, dass eine Anwendung des Kartellrechts auf dem Kapitalmarkt insgesamt nicht wünschenswert ist (4.). 1. Alternativen zur Feststellung von Marktmacht auf der Grundlage einer Marktabgrenzung? Die kartellrechtliche Marktabgrenzung ist der zentrale begrenzende Faktor für eine Anwendung des Kartellrechts auf Wertpapiermärkte. Dies gilt vor allem für den Marktmachtmissbrauch (Art. 102 AEUV), allerdings steht die Marktabgrenzung in vielerlei Hinsicht auch einer Anwendung des Art. 101 AEUV im Wege.1499 In diesem Sinne könnten alternative Vorgehensweisen zur Kartellrechtsanwendung von In1495
Ackermann, NZKart 2016, 397, 397. Ebenda. 1497 Ebenda. 1498 Fleischer, in: Fuchs (Hg.), WpHG, vor § 20a WpHG Rn. 12; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 704: „[…] if the market is aware of the artificial activity engaged in by the trader, then it is not misled.“ 1499 s. o. § 4 II. 2. c) cc); § 4 II. 3. d). 1496
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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teresse sein, mit denen das Erfordernis einer Marktabgrenzung umgangen wird. Ohnehin sieht sich das Konzept der Marktabgrenzung teils fundamentaler Kritik ausgesetzt. Es wird von Stimmen in der Literatur als wenig aussagekräftig und die darauf basierende Kartellrechtsanwendung als willkürlich bezeichnet.1500 Auf eine nähere Auseinandersetzung hiermit kann jedoch verzichtet werden, wenn auch ohne Marktabgrenzung und auf der Grundlage von sonstigen Konzepten keine Kartellrechtsanwendung angezeigt ist. Einerseits gibt es alternative Methoden zur Ermittlung von Marktmacht, die etwa auf den sog. Lerner-Index [a)] oder die Elastizität der Residualnachfrage [b)] abstellen. Andererseits könnte man die wettbewerbsschädlichen Effekte von Verhaltensweisen auch unmittelbar identifizieren, wofür der Auswirkungsansatz steht [c)]. a) Lerner-Index In der Literatur hat es Vorstöße gegeben, Marktmacht direkt dem Marktverhalten eines Unternehmens zu entnehmen. Nach einer vielfach rezipierten Methode wird mithilfe des sog. Lerner-Index berechnet, ob es einem Unternehmen möglich ist, Preise oberhalb der Grenzkosten und damit des wettbewerbsanalogen Preises zu verlangen.1501 Für diesen Ansatz könnte sprechen, dass die Verhaltensspielräume eines Unternehmens die tatbestandlich interessierende Konsequenz einer marktbeherrschenden Stellung sind – eine direkte Bestimmung könnte daher durchaus sachgerecht sein. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich jedoch auch grundlegende Zweifel an der Praktikabilität und Aussagekraft des Lerner-Index.1502 Es kann indes dahinstehen, ob die Methode zu befürworten ist. In Bezug auf Wertpapiere ist die Analyse von Verhaltensspielräumen auf der Grundlage von Grenzkosten jedenfalls nicht möglich. Bei „Kosten“ eines Veräußerers wäre primär an seine eigenen Erwerbskosten zu denken. Dass der von ihm geforderte Preis vom Einkaufspreis abweicht, wird jedoch den Normalfall bilden. Eine wie auch immer geartete Differenz zwischen Grenzkosten und Preis kann daher nicht der Ausgangspunkt für die Feststellung von Marktmacht in Bezug auf Wertpapiere sein.
1500 Markovits, Economics and the Interpretation and Application of U.S. and E.U. Antitrust Law, Vol. 1, 165 ff.; dazu Podszun, 61 The Antitrust Bull. (2016), 121 ff.; vgl. auch Hahne, Marktabgrenzung, 131 ff.; zur Loslösung der Kartellrechtspraxis von Marktanteilen Zimmer, 61 The Antitrust Bull. (2016), 133 ff. 1501 Hahne, Marktabgrenzung, 132 ff.; Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 89 ff. Die Bezeichnung geht zurück auf Lerner, 1 Rev. Econ. Stud. (1934), 157. 1502 Ausführlich Hahne, Marktabgrenzung, 135 ff.; ablehnend Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1037; auf Einschränkungen hinweisend auch Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 89 ff.
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§ 5 Konsequenzen
b) Preiselastizität der Residualnachfrage Nach einer weiteren ökonomischen Methode könnte Marktmacht auf Grundlage der Preiselastizität der Residualnachfrage (d. h. der Nachfrage des jeweiligen Unternehmens) ermittelt werden. Es wird dabei analysiert, wie die Handelspartner auf eine Preisänderung des Unternehmens reagieren.1503 Zwar stellt diese Herangehensweise Marktmacht ebenfalls direkt fest, allerdings stützt sie sich dabei mittelbar auf den Marktanteil eines Unternehmens.1504 Schon deshalb ist kaum vorstellbar, dass sie in Bezug auf Wertpapiere zu anderen Ergebnissen führen kann, als die herkömmlichen Methoden. Zudem setzt diese sehr theoretische Methode eine umfassende Datengrundlage voraus, für die u. a. eine Konstanz des unternehmerischen Marktverhaltens vonnöten ist.1505 Insbesondere auf Sekundärmärkten erscheint all dies schon deshalb als ausgeschlossen, da jeder Verkauf eines Produktes zugleich ein „Abverkauf“ ist. c) Auswirkungsansatz Manche Stimmen sprechen sich für eine Abkehr von formalistischen Methoden und für einen sog. Auswirkungsansatz oder effects-based approach aus, mit dem unternehmerische Verhaltensweisen unabhängig von einer Marktabgrenzung oder Marktmachtbestimmung direkt an ihren wettbewerblichen Folgen gemessen werden.1506 Dazu könnte die Wirkung einer Verhaltensweise auf messbare Wettbewerbsparameter wie Preis oder Absatz gewürdigt werden.1507 Derartige Überlegungen gehen einher mit dem more economic approach der Kommission, in dessen Rahmen der Begriff effects-based approach nicht zwingend als Verzicht auf Marktabgrenzung und Prüfung der Marktmacht begriffen wird, sondern als eine stärker auswirkungsorientierte Vermeidung von type-I-errors oder false positives.1508 Einem reinen Auswirkungsansatz wird zu Recht entgegengehalten, dass er aufgrund erheblicher Nachweisschwierigkeiten im Einzelfall wenig praktikabel ist.1509 Ferner liegt es auf der Hand, dass er für die betroffenen Unternehmen zu Rechtsunsicherheit
1503
Hahne, Marktabgrenzung, 138 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 55 ff., 58 ff. 1504 Hahne, Marktabgrenzung, 140. 1505 Ebenda, 141. 1506 Dazu Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 265 ff.; Hahne, Marktabgrenzung, 142 ff.; befürwortend EAGCP, 2 CPI (2006), 111; generell gegen marktbasierte Ansätze im Kartellrecht Markovits, Economics and the Interpretation and Application of U.S. and E.U. Antitrust Law, Vol. 1, 165 ff., 247. 1507 Hahne, Marktabgrenzung, 142. 1508 Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 19, 208 ff.; vgl. auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 44. 1509 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 267.
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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führt.1510 Insoweit mit einem Auswirkungsansatz lediglich aus dem Marktverhalten ein Rückschluss auf Marktmacht bzw. Marktbeherrschung erzielt werden soll,1511 verspricht er für Wertpapiermärkte zudem keinen Mehrwert. Wie dargelegt ist eine Marktbeherrschung jedenfalls für Sekundärmärkte faktisch ausgeschlossen und auch für Primärmärkte überwiegend unwahrscheinlich. Nicht wettbewerbsanaloge Verhaltensspielräume, die sich im Einzelfall in Konstellationen wie corners/squeezes ergeben können, können daher auch nicht anhand eines effects-based approach mit dem Kartellrecht adressiert werden. d) Fazit Es existieren diverse ökonomische Methoden, die antikompetitive Verhaltensweisen unabhängig von einer Marktabgrenzung identifizieren sollen. Ergänzend sei auf weitere ökonomische Ansätze hingewiesen, mit denen im hier weniger interessierenden Kontext von Fusionskontrollen die Folgen eines Unternehmenszusammenschlusses unabhängig von einer Marktabgrenzung prognostiziert werden.1512 Solche Ansätze erscheinen grundsätzlich als sachgerecht, da die Wettbewerbsschädlichkeit bestimmter Vorgänge aus ökonomischer Sicht auch (oder sogar besser1513) ohne den Rückgriff auf eine Marktabgrenzung festgestellt werden kann. Ohnehin ist ein starres Festhalten an formalistischen Kriterien nicht immer hilfreich.1514 Dies gilt im Besonderen dann, wenn eine Kartellrechtsanwendung auf der Grundlage herkömmlicher Kriterien nicht möglich ist.1515 Gleichzeitig können ökonomische Methoden in der Praxis oftmals nur mit großen Schwierigkeiten zur Anwendung gebracht werden und zudem der Rechtssicherheit abträglich sein. Unabhängig davon lassen sich die dargestellten Konzepte für das Thema dieser Untersuchung jedenfalls nicht fruchtbar machen. Sie führen also nicht dazu, dass in 1510 Ebenda, 267 f.; Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 19; einschränkend auch Hahne, Marktabgrenzung, 145 f. 1511 Vgl. EAGCP, 2 CPI (2006), 111, 121 f.; Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 265; Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 64 f.: ohne erheblichen Marktanteil ohnehin keine einschlägigen Verhaltensspielräume denkbar. 1512 Zimmer, 61 The Antitrust Bull. (2016), 133, 138 ff.; Hahne, Marktabgrenzung, 146 ff.; zu dieser Thematik vor dem Hintergrund des U.S.-amerikanischen Rechts Farrell/Shapiro, 10 The B.E. Journal of Theoretical Economics (2010), Article 9. 1513 Angesichts von Defiziten der Marktabgrenzung direktere Vorgehensweisen für vorzugswürdig haltend Hahne, Marktabgrenzung, 130. 1514 Vgl. Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 266. Dies erkennt gewissermaßen auch der EuGH an, wenn er bei der Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung das streitgegenständliche Marktverhalten berücksichtigt, so etwa in EuGH, Urt. v. 14. 2. 1978, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 67/68 (United Brands); EuGH, Urt. v. 9. 11. 1983, ECLI:EU: C:1983:313, Rn. 60 f. (Michelin); vgl. Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 64 f. 1515 Vgl. etwa jüngst Körber, NZKart 2016, 303 ff.; 348 ff., der im Zusammenhang mit der Debatte um einen Marktmachtmissbrauch durch datensammelnde Unternehmen wie Google oder Facebook die Frage aufwirft, ob Wissen im Sinne von „Datenmacht“ Marktmacht begründen kann und ob auf dieser Grundlage ein Marktmachtmissbrauch denkbar ist.
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§ 5 Konsequenzen
Konstellationen im Zusammenhang mit Kapitalmarkttransaktionen Raum für eine Kartellrechtsanwendung entsteht.
2. Sollte Art. 102 AEUV auch bilaterale Macht adressieren? Zwar können nach hier vertretener Auffassung einzelne Marktteilnehmer keine Marktmacht auf Wertpapiermärkten erlangen, was wie gesehen die Anwendung des Kartellrechts erschwert bzw. verhindert. Allerdings gibt es durchaus bilaterale Machtkonstellationen und Abhängigkeitsverhältnisse, wie im Besonderen der Fall von market corners zeigt. Hier haben Marktteilnehmer zwar keine Macht über den gesamten Markt, aber Macht über solche Marktteilnehmer, die auf den Erwerb von Wertpapieren einer bestimmten Gattung angewiesen sind. Bestimmte bilaterale Machtkonstellationen werden etwa im deutschen Kartellrecht mit § 20 GWB und dem Konzept der „relativen Marktmacht“ erfasst. Wie oben gesehen, würde jedoch eine solche „relative Marktmacht“ die Kartellrechtsanwendung auf dem Kapitalmarkt nicht ermöglichen.1516 Art. 102 AEUV könnte also nur dann sinnvoll auf Kapitalmärkten zur Anwendung gebracht werden, wenn seine Anwendung nicht vom Konzept der „Marktmacht“ oder auch „relativen Marktmacht“ abhinge, sondern jegliche Form der bilateralen Macht auch ohne Marktbezug genügen würde. Dann könnten Konstellationen wie corners/squeezes, aber auch allen sonstigen Zwangslagen kartellrechtlich behandelt werden. Würde man einen Erweiterungsbedarf des Art. 102 AEUV für derartige Konstellationen bejahen, könnte dieser Ansatz darüber hinaus für die Bewertung von wettbewerbsbeschränkenden Koordinationen bzw. der entsprechenden Spürbarkeitserfordernisse relevant sein. Dem Kartellrecht eine solche Dimension beizumessen, ginge jedoch grundlegend fehl. Das Rechtsgebiet ist funktional mit dem freien Wettbewerb befasst – der Marktbezug der Kartellrechtsanwendung ist daher nötig, um Wettbewerbskräfte und vom Wettbewerb kontrollierte Verhaltensspielräume zu identifizieren.1517 Zwar kann Marktmacht aus konkret-individueller Perspektive bilaterale Konsequenzen haben, wie etwa beim Ausbeutungsmissbrauch der Marktbeherrscher einzelne Geschäftspartner schädigt. Die bilaterale Ebene selbst ist für das Kartellrecht jedoch nur als Annex zur wettbewerblichen Dimension interessant.1518 Macht über Marktteilnehmer, die nicht marktbedingt ist hat keinen unmittelbaren Bezug zum Wettbewerb im Sinne des kartellrechtlichen Regelungsinteresses.1519 Damit steht es im Einklang, dass die ökonomischen Annahmen, auf denen das Kartellrecht basiert, marktweite 1516
§ 4 I. 4. b). BGH, Urt. v. 4. 11. 2003 – KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 384 (Strom und Telefon zum Gesamtpreis); vgl. dazu Füller, in: MüKo-EuWettbR, Einl. Rn. 1033. 1518 Vgl. dazu Ortiz Blanco, Market Power in EU Antitrust Law, 67. 1519 Ähnlich Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, 259 f.: nur marktbezogene Machtstellung Anlass für Kartellrechtsanwendung. 1517
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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Allokationsprobleme bzw. Ineffizienzen adressieren.1520 Auf eine isolierte Analyse der Macht eines Akteurs über einen anderen kann es daher keinesfalls ankommen. Individuelle Zwangslagen, die auf andere Phänomene als Marktmacht zurückzuführen sind, werden von der Rechtsordnung vielmehr anderweitig erfasst. Das Bürgerliche Recht verfügt hier etwa über die Instrumente des § 138 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher) und des schuldrechtlichen § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben). Im Strafrecht sind die v. a. die Tatbestände der Nötigung (§ 240 StGB) und des Wuchers (§ 291 StGB) einschlägig. 3. Art. 102 AEUV und der Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR verbietet bereits den Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung, soweit dies die genauer definierte Besorgnis einer Preisbeeinflussung begründet.1521 In dieser Hinsicht geht die Norm über Art. 102 AEUV hinaus, welcher erst die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbietet. Externes Unternehmenswachstum kann im EU-Kartellrecht zwar mittels der Fusionskontrolle nach der FKVO überprüft werden. Der Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung aus eigener Kraft wird vom EU-Kartellrecht hingegen nicht kontrolliert. Im Zusammenhang mit Monopolisierungsvorgängen auf dem Kapitalmarkt und darüber hinaus stellt sich also die Frage, ob Art. 102 AEUV ebenfalls in der „Vorbereitungsphase“ der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eine Rolle spielen sollte. Ein kartellrechtliches Vorbild dazu könnte die US-amerikanische Sec. 2 Sherman Act sein [a)]. Es liegt allerdings vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse auf der Hand, dass sich ein solches Instrument auf dem Kapitalmarkt nicht sinnvoll anwenden ließe [b)]. Die funktionalen Unterschiede zwischen den kapitalmarktrechtlichen und kartellrechtlichen Normen zeigen zudem, dass ein isolierter Vergleich der Eingriffszeitpunkte zu kurz greift [c)]. a) Mögliches Vorbild: Sec. 2 Sherman Act? Sec. 2 Sherman Act enthält ein Verbot monopolisierender Vorgehensweisen (monopolization). Erfasst sind auch entsprechende Koordinationen sowie der Versuch der Monopolisierung. Der Tatbestand verbietet bereits den Erwerb von Monopolmacht.1522 Das bloße Erlangen einer Monopolstellung („monopoly power in the
1520
Vgl. Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 62 ff., 78. s. o. § 4 I. 2. b) bb). 1522 United States Court of Appeals, Second Circuit, United States v. Alcoa, 148 F.2d 416, 431 f. (2d Cir. 1945); näher hierzu dazu Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 29 f. 1521
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§ 5 Konsequenzen
relevant market“1523) genügt jedoch nicht. Zusätzlich besteht eine subjektive Voraussetzung, mit welcher der Vorgang vom legitimen Leistungswettbewerb abgegrenzt wird („the willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen, or historic accident“1524). Nötig ist somit der gewollte Einsatz wettbewerbswidriger Methoden.1525 Internes Unternehmenswachstum ist demnach nur tatbestandsmäßig, wenn das Unternehmen restriktive Behinderungspraktiken ausübt, die allerdings als Indiz für das Vorliegen der subjektiven Komponente gewertet werden.1526 b) Kapitalmarkt und „Monopolisierung“ Kapitalmarkttransaktionen könnte auch ein Tatbestand wie Sec. 2 Sherman Act nicht erfassen, sofern nicht etwa Konsequenzen für Realmärkte1527 entstehen. Ausgegangen davon, dass eine kartellrechtlich marktbeherrschende Stellung im Wertpapierhandel nicht auftreten kann,1528 vermöchte es das Kartellrecht auch nicht, ihren Erwerb zu identifizieren. Zudem ist es nach hier vertretener Auffassung jedenfalls für Sekundärmärkte insgesamt nicht sachgerecht, eine dem Kartellrecht zugängliche Marktstruktur zu ermitteln.1529 Der Erwerb von Wertpapieren einer bestimmten Gattung könnte daher ungeachtet der Marktabgrenzung nicht als Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung begriffen werden. Die Monopolisierung von Wertpapiermärkten ist vielmehr ein gänzlich anders gelagertes Phänomen als der Erwerb von Marktmacht. Bei ihr geht es um das Entstehen von Drucksituationen, die nicht aus der Marktabgrenzung resultieren, sondern aus anderweitig begründeten, individuellen Zwängen (Beispiel corners/squeezes).1530 c) Schutz des Preisbildungsmechanismus/Schutz des Wettbewerbs Im jeweiligen Regelungskontext betrachtet rücken die Hürden für ein Eingreifen von Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR und Art. 102 AEUV näher aneinander. Genauer sind es die unterschiedlichen Schutzrichtungen (Preisbildungsmechanismus vs. freier Wettbewerb), die die auseinanderfallenden Regelungsmechanismen erklären. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR erfasst bereits den Erwerb einer „marktbeherrschenden 1523
(1966).
Supreme Court of the United States, United States v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 570
1524 Supreme Court of the United States, United States v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 570 f. (1966). 1525 Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 30. 1526 Schmidt/Haucap, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 283. 1527 s. dazu o. § 4 III. 1528 s. o. § 4 I. 3. c) cc). 1529 s. o. § 4 I. 3. c) bb), cc). 1530 s. näher o. § 4 I, insbes. 1. a).
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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Stellung“, weil schon aus diesem die Gefahr für den Preisbildungsmechanismus resultiert. Art. 102 AEUV setzt zwar tatbestandlich das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung voraus. Ferner betont der EuGH, dass es die Norm „keineswegs zum Ziel [hat], es zu verhindern, dass ein Unternehmen auf einem Markt aus eigener Kraft eine beherrschende Stellung einnimmt […]“1531. Art. 102 AEUV greift jedoch auch ein, wenn Tathandlungen nur eine Gefahr für das Schutzgut des Wettbewerbes mit dem möglichen Resultat eines deadweight loss begründen – insofern ist auch Art. 102 AEUV ein Gefährdungstatbestand.1532 Auch vor diesem Hintergrund ginge es also fehl, gestützt auf den vermeintlich schärferen Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR ein Monopolisierungsverbot für das EU-Kartellrecht zu fordern. Jenseits kapitalmarktrechtlich gelagerter Konstellationen ist es im Allgemeinen abzulehnen, mit dem EU-Kartellrecht intrinsisches Unternehmenswachstum zu erfassen. Marktmacht kann zwar auch dann effizienzmindernd sein, wenn sie nicht im Sinne des Art. 102 AEUV missbräuchlich ausgenutzt wird. Dies zeigen die Ergebnisse monopolistischer und oligopolistischer Marktstrukturen.1533 Gleichwohl können Marktstrukturen und Wettbewerbsergebnisse nicht vorgegeben werden, sondern sind grundsätzlich dem – durch das Kartellrecht geschützten – Wettbewerbsprozess zu überlassen.1534 d) Fazit Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR und Art. 102 AEUV gleichen sich in ihrer Konzeption insofern, als dass beide einen Gefährdungstatbestand bilden, mit dem spezifische Arten von Marktversagen abgewendet werden sollen. Eine Ergänzung des Kartellrechts um ein Monopolisierungsverbot entsprechend Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR bzw. nach dem Vorbild des Sec. 2 Sherman Act hätte keine Auswirkungen auf die kartellrechtliche Überprüfbarkeit von Kapitalmarkttransaktionen. Im Übrigen würde es auch nicht dem Zweck des EU-Kartellrechts entsprechen, bereits den Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung zu verbieten. 4. Bedeutung der staatlichen (hier: kartellrechtlichen) Intervention in das Marktgeschehen Wählt man etwa entgegen der hier vertretenen Auffassung einen anderen Ansatz zur Frage der kartellrechtlichen Marktabgrenzung, so könnte dies eine Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts mit der Folge einer erhöhten Kontrolldichte am Kapitalmarkt auslösen. Diese Folge spräche jedoch allenfalls auf den ersten Blick für 1531 1532 1533 1534
EuGH, Urt. v. 27. 3. 2012, ECLI:EU:C:2012:172, Rn. 21 (Post Danmark). Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 349 f. s. o. § 2 III. 2. b) bb). Vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 17 Fn. 117, m. w. N.
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§ 5 Konsequenzen
eine solche Vorgehensweise. Eine forcierte Anwendung des EU-Kartellrechts auf Verhaltensweisen im Kapitalmarktgeschehen ist aus zahlreichen Gründen abzulehnen. a) Grundsätzlich Zurückhaltung nötig Es gilt das Leitbild, dass der Wettbewerb selbst wohlfahrtsmaximierende Ergebnisse schafft. Staatliche Regulierungsansätze sollten daher vom Ausgangspunkt ausgehen, dass Märkte sich selbst zu überlassen sind.1535 Eine staatliche Intervention z. B. mit dem Kartellrecht sollte nur in dem Ausnahmefall erfolgen, in dem Marktversagen feststeht.1536 Doch nicht alle Unvollkommenheiten des Marktes gebieten eine Reaktion: Eingriffe können nur erwünscht sein, wenn ihre Kosten nicht über potenzielle Wohlfahrtsgewinne hinausgehen.1537 Zudem verfügen Märkte über Selbstheilungskräfte und korrigieren sich oftmals selbst.1538 Das Kartellrecht sollte schon vor diesem Hintergrund nicht um seiner selbst willen dem Geschehen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt „aufgezwungen“ werden. Da das EU-Kartellrecht funktional keinen Beitrag zu den regulatorischen Herausforderungen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt leisten kann, spricht vielmehr einiges dafür, dass seine Anwendung überabschreckende Wirkung hätte.1539 Dieses Risiko kann gerade auch schon aus der Unsicherheit über die Tatbestandsmäßigkeit einer Verhaltensweise folgen.1540 Die Problematik um eine Kartellrechtswidrigkeit bestimmter Verhaltensweisen am Kapitalmarkt könnte etwa dazu führen, dass Anleger ökonomisch wünschenswertes Verhalten unterlassen, das aus kapitalmarktrechtlicher Sicht unproblematisch ist.1541 In der Tendenz drohen also schon wegen der Unklarheit über die Anwendung des Kartellrechts Wohlfahrtsschäden. b) Generelle Zweifel an der Eignung des EU-Kartellrechts zur Preiskontrolle Weitere Argumente gegen die Anwendung des Kartellrechts betreffen den Aspekt einer Preiskontrolle gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV. Im Verlauf der Untersuchung ist es bereits offensichtlich geworden, dass diese Norm auf dem Primärmarkt und 1535
Blair/Kaserman, Antitrust Economics, 4: „null hypothesis“. Ebenda. 1537 Ebenda, 5. 1538 Monopolpreise sind ein Anreiz für Wettbewerber, in den Markt einzutreten, vgl. ebenda, 5 f. 1539 Vgl. vor dem Hintergrund der Problematik um eine implied immunity im US-amerikanischen Recht Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 925 ff. 1540 Zur Marktmanipulation Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. (1991), 503, 522 f. 1541 Vgl. Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 282 (2007); Kling, 120 Yale L. J. (2011), 910, 942. 1536
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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dem Sekundärmarkt für Wertpapiere nicht sachgerecht angewendet werden kann. Vor allem erscheint hier die Ermittlung eines wettbewerbsadäquaten Preises noch weniger durchführbar als auf Realmärkten.1542 Einer Anwendung von Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV treten allerdings noch grundsätzlichere Bedenken entgegen. Ausgegangen sei wieder davon, dass in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung staatliche Regulierung nicht an die Stelle des Wettbewerbes treten soll, sondern lediglich dessen Funktionieren ermöglicht.1543 Eine Preiskontrolle ist dabei das genaue Gegenteil von freiem Wettbewerb.1544 Aus ökonomischer Perspektive wäre es ebenso plausibel, überhöhte Preise zu ignorieren, sofern andere Anbieter nicht am Verlangen geringerer Preise gehindert werden.1545 Dagegen ließe sich wiederum anführen, dass überhöhte Preise den Konsumenten Mittel nehmen, die sie auf anderen Märkten eingesetzt hätten, was den dort stattfindenden Wettbewerb schädigen kann.1546 Eine Intervention kann auch dann geboten sein, wenn monopolistische Strukturen den Wettbewerb auf einem Markt schon zum Erliegen gebracht haben.1547 In jedem Fall bleibt es zweifelhaft, ob Kartellrecht und Kartellbehörden das richtige Gegenmittel für solche Probleme bieten. Materiell-rechtlich können Verstöße gegen Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV lediglich ex post festgestellt werden, weswegen die Norm kein systematisch effektives Werkzeug gegen ausbeuterische Marktpraktiken ist.1548 Die Sinnhaftigkeit wettbewerbsbehördlicher Eingriffe in die Preissetzungsfreiheit erscheint auch aus weiteren Erwägungen fragwürdig. Da die verfügbaren Methoden zur Feststellung überhöher Preisen wenig präzise sind, gibt es potenziell hohe Fehlerkosten.1549 Demgegenüber würden überhöhte Preise ohne behördliche Intervention meist vom Wettbewerb erodiert und der Schaden wäre entsprechend gering.1550 Für Wettbewerbsbehörden ist oftmals gar nicht möglich, den „richtigen“ Preis zu ermitteln, weswegen eine Intervention noch größeren Schaden für den Wettbewerb verursachen kann.1551 In vielen Konstellationen wird ein wettbewerbsadäquater Preis schon ganz objektiv betrachtet nicht existieren.1552 Ferner verfügen 1542
s. o. § 4 I. 3. d). Woll, Volkswirtschaftslehre, 266; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 406, der darauf hinweist, dass dem Wirtschaftsrecht im Zusammenhang mit Informationsasymmetrien oder natürlichen Monopolen zusätzliche Aufgaben zukommen. 1544 Jones/Sufrin, EU Competition Law, 566 f. 1545 Woll, Volkswirtschaftslehre, 271. 1546 Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 270 f. 1547 Vgl. Whish, in: Mateus/Moreira (Hg.), Competition Law and Economics, 351, 353 ; vgl. auch Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 239. 1548 So auch Hovenkamp, 28 J. Corp. L. (2003), 607, 608 f.; vgl. jedoch Whish, in: Mateus/ Moreira (Hg.), Competition Law and Economics, 351, 354: Kartellrecht als weniger eingriffsintensives Regulierungswerkzeug für liberalisierte Sektoren. 1549 O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 762. 1550 Ebenda; Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 239. 1551 Whish/Bailey, Competition Law, 20 f.; O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 763; vgl. auch Woll, Volkswirtschaftslehre, 271. 1552 Vgl. Bishop/Walker, The Economics of EC Competition Law, 238. 1543
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§ 5 Konsequenzen
Wettbewerbsbehörden regelmäßig nicht über die nötige Ausstattung zur Überwachung von Preisen, u. a. da dies ein sehr aufwändiges und längerfristiges Engagement erfordert.1553 Insgesamt ist also bei der Vornahme von Preiskontrollen anhand von Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV große Vorsicht geboten.1554 Die Ausweitung der Norm auf Fälle wie die untersuchten Konstellationen im Zusammenhang mit Kapitalmarkttransaktionen, in denen eine Anwendbarkeit der Systematik nach nicht gegeben ist und allenfalls mit dogmatischen Kunstgriffen möglich gemacht werden könnte, ist daher in jedem Fall abzulehnen. c) EU-Kartellrecht und kapitalmarktrechtliche Wunschvorstellungen Es wäre wenig wünschenswert, wenn das EU-Kartellrecht auf dem Kapitalmarkt eingesetzt würde, um vermeintliche kapitalmarktrechtliche Unzulänglichkeiten auszugleichen. Dies lässt sich verallgemeinernd auf die Behebung sonstiger Marktfunktionsdefizite durch das Kartellrecht übertragen. Bedenklich erscheint daher das Urteil des EuGH in der Sache Allianz Hungária.1555 Hier wurde das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung u. a. auf Gesichtspunkte des versicherungsrechtlichen Verbraucherschutzes gestützt.1556 Ein solcher Ansatz geht aus zahlreichen Gründen fehl,1557 wie im Miteinander von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht deutlich wird. Eine redundante Bemühung zweier Rechtsgebiete verschwendet Ressourcen, insbesondere wenn sie ein Tätigwerden mehrerer Behörden (hier BKartA und BaFin) auslösen würde.1558 Ferner wäre eine Instrumentalisierung des Kartellrechts für originär kapitalmarktrechtlich motivierte Interventionen auch willkürlich, da sie nur in den Fällen von Marktbeherrschung oder koordinierten Vorgehensweisen möglich wäre.1559 Dabei ist es auch evident, dass das EU-Kartellrecht nicht an den Idealen ausgerichtet ist, die sich für eine sachgerechte Kapitalmarktregulierung aufführen lassen.1560 1553
O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 763 f.; Geradin/ Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 270. 1554 Ebenso Geradin/Layne-Farrar/Petit, EU Competition Law and Economics, 271. 1555 EuGH, Urt. v. 14. 3. 2013, ECLI:EU:C:2013:160 (Allianz Hungária). 1556 EuGH, Urt. v. 14. 3. 2013, ECLI:EU:C:2013:160 Rn. 47 (Allianz Hungária); dazu Franck, ZWeR 2016, 137, 142. 1557 Dagegen auch Franck, ZWeR 2016, 137, 142 ff. 1558 Zum Verhältnis von Kartellrecht und Verbraucherschutzrecht bzw. in diesem Punkt speziell dem Datenschutzrecht Ackermann, NZKart 2016, 397, 398; vgl. auch Franck, ZWeR 2016, 137, 144. 1559 Vgl. ebenda zum Kartellrecht und Verbraucherschutz. 1560 Zu diesen Idealen Harris, Trading and Exchanges, 202 ff., s. zu den Zielvorgaben des Kapitalmarktrechts ferner o. § 2 I. 2. b).
II. Konsequenzen für das EU-Kartellrecht?
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Vor allem aber entspricht die Konzeption des Kapitalmarktrechts einer rechtspolitischen Entscheidung des (jeweiligen) Gesetz- oder Verordnungsgebers und darf aus diesem Grund nicht mit Wertungen anderer Rechtsgebiete korrigiert werden. Wenn dem Kapitalmarktrecht aus politischen Gründen einzelne Funktionen fehlen, würde eine kartellrechtliche Intervention dem Gesetzgeber seine Entscheidungsmöglichkeit nehmen.1561 Dies sei exemplarisch anhand privater Schadensersatzansprüche für Marktmanipulationen verdeutlicht. Unterstellt man, dass der Verordnungsgeber der MAR das private enforcement insoweit bewusst der Einschätzungsprärogative des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers überlässt,1562 würde diese Kompetenzverteilung mit einer Berufung auf das EU-Kartellrecht oder das dadurch geformte nationale Kartellrecht unterlaufen.1563 Daraus können theoretisch auch ungewollte inhaltliche Widersprüche resultieren,1564 wobei eine Kartellrechtsanwendung nach hier vertretener Auffassung schon an den materiell-rechtlichen Anforderungen scheitert. Mit einer ähnlichen Argumentation hat der BGH im Fall „Probeabonnement“ eine parallele Anwendbarkeit zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen aus Kartellrecht und Lauterkeitsrecht abgelehnt.1565 Das GWB sei insoweit abschließend, weil sein differenziertes Regelungsgefüge andernfalls unterlaufen würde. Dies gelte allerdings nur für Fälle, „in denen sich der Vorwurf der Unlauterkeit allein aus dem kartellrechtlichen Verstoß speist“ und sei anders, wenn ein eigenständiger lauterkeitsrechtlicher Tatbestand erfüllt sei.1566 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beide Rechtsgebiete eigenständige Problematiken behandeln. Falls es einem Rechtsgebiet an bestimmten Instrumenten fehlt, können die Lücken nicht mit Instrumenten des anderen Rechtsgebietes gefüllt werden. Vielmehr obliegt es dann dem Gesetzgeber, nachzubessern.1567 Damit bleibt die Möglichkeit einer eigenständigen Erfüllung von Tatbeständen beider Rechtsgebiete unberührt. Dann ist es auch nicht ausgeschlossen, dass z. B. mit dem Kartellrecht quasi nebenbei andere Marktfunktionsdefizite adressiert werden.1568 Sofern eine solche eigenständige Verwirklichung EU-kartellrechtlicher Tatbestände durch Kapitalmarkttransaktionen nicht beobachtet werden kann, darf das EU-Kartellrecht jedoch keine Bedeutung für die Steuerung von Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt erlangen. 1561
Ebenda zum Kartellrecht und Verbraucherschutz. s. o. § 4 I. 2. f) cc). 1563 Vgl. in Bezug auf Verbraucherschutzrecht und Kartellrecht Franck, ZWeR 2016, 137, 143; s. außerdem schon o. § 4 I. 2. f) cc). 1564 Supreme Court of the United States, Credit Suisse Securities (USA) LLC v. Billing, 551 U.S. 264, 284 (2007); Franck, ZWeR 2016, 137, 144: „inhaltliche Verwerfungen“. 1565 BGH, Urt. v. 7. 2. 2006 – KZR 33/04, BGHZ 166, 154, 159 ff. (Probeabonnement). 1566 Ebenda, Rn. 17. 1567 Vgl. Franck, ZWeR 2016, 137, 143. 1568 Franck, ZWeR 2016, 137, 141. 1562
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§ 5 Konsequenzen
III. Fazit Die Untersuchung hat keinen Bedarf für eine kartellrechtlich inspirierte Erweiterung des Kapitalmarktrechts zutage gefördert. Andersherum wurden auch keine Aspekte gefunden, in denen das Kapitalmarktrecht ein Vorbild für das EU-Kartellrecht sein könnte. Es sprechen auch unabhängig davon zahlreiche Gründe gegen eine Zweckentfremdung des EU-Kartellrechts zur Befriedigung kapitalmarktrechtlicher Belange. Dies gilt erst recht für eine entsprechende Erweiterung des Kartellrechts de lege lata oder seine Überstrapazierung de lege ferenda. Ein Problem ist jedoch die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob das Kartellrecht auf Kapitalmarkttransaktionen anwendbar ist. Sie kann im Einzelfall hohe Transaktionskosten verursachen. Umgekehrt würde Rechtssicherheit zur Effizienz beitragen.1569 Dies betrifft etwa Großaktionäre wie Hedgefonds. Auf der Grundlage mancher Literaturstimmen müssten sie etwa bei der Durchführung umfangreicher Wertpapiergeschäfte stets befürchten, die harte Hand des EU-Kartellrechts zu spüren zu bekommen.1570 Die (unrealistische) Optimallösung wäre ein konstitutiver Passus in den Verträgen, dass das EU-Kartellrecht auf Wertpapiertransaktionen keine Anwendung findet, sofern keine Auswirkungen auf sonstige (Real-)Märkte drohen. In Ermangelung einer solchen Bereichsausnahme ist auf eine eindeutige Positionierung der Gerichte auf nationaler und EU-Ebene zu hoffen. Wie in dieser Untersuchung dargelegt, könnten sich diese auf umfangreiche materielle und normative Gründe gegen eine Anwendung des EU-Kartellrechts stützen. Es ist nicht außergewöhnlich, dass das Kartellrecht nicht ohne Weiteres auf Kapitalmarkttransaktionen angewendet werden kann – die Kartellrechtsanwendung bereitet auch auf anderen Märkten große Schwierigkeiten, wie etwa bei mehrseitigen Märkten1571 oder Informationsmärkten1572. Beim Kapitalmarkt ist jedoch die Besonderheit offenkundig geworden, dass das EU-Kartellrecht auch funktionell keinen Beitrag zur Steuerung von Verhaltensweisen auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt für Wertpapiere liefern kann und sollte. Dazu ist nur das Kapitalmarktrecht berufen.
1569 1570
404. 1571
Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 64. Genauso OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 3. 2015 – 2 U 102/14, Rn. 158 – juris, AG 2015, 404,
Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der kartellrechtlichen Marktabgrenzung auf zweiseitigen Märkten nur Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim u. a. (Hg.), Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 44 ff. 1572 Vgl. etwa zum geistigen Eigentum im Lichte der Essential-facilities-Doktrin Naue, Immaterielle Gegenstände – insbesondere Immaterialgüterrechte – als wesentliche Einrichtungen nach Art. 102 AEUV, 26 ff., 41 ff.
§ 6 Zusammenfassung in Thesen Zu § 2 – Abstrakter Vergleich
1. Ein abstrakter Vergleich von Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht ist nur eingeschränkt möglich, weil das Kapitalmarktrecht ein spezielles Rechtsregime für den Kapitalmarkt ist, während das EU-Kartellrecht grundsätzlich für alle Märkte gilt. 2. Die Konzeption des Kapitalmarktrechts ist den Besonderheiten des Kapitalmarktes geschuldet, auf dem spezielle Formen von Marktversagen drohen. Zentrale Herausforderungen sind Informationsasymmetrien und divergierende Interessen der Marktgegenseiten, die sich aus den Eigenarten der Kapitalmarktprodukte ergeben. Aber auch die Möglichkeit manipulativer Eingriffe in den Preisbildungsmechanismus bedroht die Marktfunktion. 3. Ein effizienter, liquider Kapitalmarkt bewirkt eine wohlfahrtsförderliche Ressourcenallokation. Das Kapitalmarktrecht strebt vor diesem Hintergrund effiziente Marktabläufe an und wirkt dabei auf der Ebene der allokativen, institutionellen, operationalen und informationellen Effizienz. Das Kapitalmarktrecht lässt sich auch dann als effizienzstrebend verstehen, wenn es anleger- oder verbraucherschützende Wirkung entfaltet, um das Vertrauen in die Märkte zu stärken. 4. Das EU-Kartellrecht adressiert wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen von Unternehmen. Dies beruht vor allem auf einer vergleichenden Analyse monopolistischer Marktstrukturen mit den Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs. Marktmacht setzt falsche Anreize für Unternehmen. Sie kann ökonomische Fehlallokationen durch ein Sinken des output und ein Steigen der Preise verursachen (deadweight loss). Das Kartellrecht schützt den Wettbewerb, der Preise und die Produktionsmenge effizient steuert. 5. Mit dem EU-Kartellrecht wird direkt auf der Ebene der Ressourcenallokation angesetzt und interveniert. Das Kapitalmarktrecht hat hingegen die technischen Besonderheiten der Marktabläufe im Blick, um attraktive, liquide Kapitalmärkte zu erreichen, die gewissermaßen mittelbar eine Wohlfahrtsförderung bewirken. EUKartellrecht und Kapitalmarktrecht sind somit beide effizienzfördernd, jedoch ist die Effizienz auf unterschiedlichen Analyseebenen der bestimmende Faktor. 6. Eine Besonderheit des Sekundärmarktes für Wertpapiere ist der Umstand, dass Wertpapiere in einer fest begrenzten Menge zirkulieren. Einzelne Transaktionen steuern dadurch keine Produktion oder Nachbestellung, wie es bei einer Wertschöpfungskette der Fall wäre. Ferner tauschen bei einer Kapitalmarkttransaktion die Beteiligten ihre Positionen: Ein Käufer wird potenziell selbst zum Verkäufer. Ein-
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zelnen Marktteilnehmern ist es nicht möglich, langfristig auf den output oder Marktpreise einzuwirken. Die Steuerungswirkung des Wettbewerbes entspricht daher auf dem Sekundärmarkt nicht den klassischen Absatzmärkten. Zu § 3 – Bereichsausnahme und behördliche Rechtsdurchsetzung
1. Im EU-Kartellrecht gibt es keine Bereichsausnahme zugunsten des Kapitalmarktgeschehens. Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht sind daher grundsätzlich parallel anzuwenden. 2. Eine Bereichsausnahme ist auch nicht auf der Grundlage der im US-amerikanischen Recht geltenden implied immunity doctrine zu befürworten, da ihre Prämissen nicht auf das EU-Kartellrecht übertragbar sind. 3. Es gibt kein generelles Spezialitätsverhältnis zwischen Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht. Ebenso existiert kein grundsätzlicher Konflikt der beiden Rechtsgebiete, der zur Unanwendbarkeit des EU-Kartellrechts führen könnte. 4. Die behördliche Kartellrechtsanwendung auf das Kapitalmarktgeschehen obliegt in Deutschland dem BKartA und nicht der BaFin. Es sprechen Gründe für, aber auch gegen eine parallele Zuständigkeit beider Behörden wie im Vereinigten Königreich oder gar eine alleinige Zuständigkeit der Kapitalmarktaufsichtsbehörde. Die Aufsichtskonzeption beruht allein auf einer rechtspolitischen Entscheidung. Zu § 4 I. – Marktbeherrschende Stellungen
1. Kapitalmarktrecht und EU-Kartellrecht verfügen mit Art. 15 i. V. m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR bzw. Art. 102 AEUV über Normen, die sich Machtproblematiken widmen. Da beide Normen auf eine „(markt)beherrschende Stellung“ Bezug nehmen, scheinen sie auf den ersten Blick ähnliche Sachverhalte zu regeln. Tatsächlich sind die Konzepte jedoch sehr unterschiedlich. 2. Das Kapitalmarktrecht adressiert mit Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR die Problematik sog. corners/squeezes, bei denen Marktteilnehmer z. B. auf den Erwerb von Wertpapieren einer bestimmten Gattung angewiesen sind und ein Manipulant das Angebot kontrolliert. Diese Situation kann der Manipulant bewusst herbeiführen oder ausnutzen und die Marktgegenseite zur Entrichtung überhöhter Preise zwingen. Dadurch entstehen ökonomische Fehlallokationen. Doch schon die Gefahr solcher Eingriffe in den Preisbildungsmechanismus schädigt das Anlegervertrauen. Dies kann sich negativ auf die Liquidität und Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte auswirken. 3. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR ist zur Abwendung dieser Gefahren weit gefasst. Er definiert schon das Herbeiführen der Ausgangslage eines corner/squeeze als Marktmanipulation. Für die Tatbestandsverwirklichung ist kein subjektives Element nötig. Allerdings ist der Tatbestand auf objektiv-normativer Ebene zu reduzieren, um legitimes Marktverhalten ohne Zusammenhang mit manipulativer Tätigkeit auszunehmen.
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4. Das Ausnutzen einer Machtstellung durch Verlangen überhöhter Preise ist erst recht vom Tatbestand erfasst. Dabei kann ferner Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR verwirklicht werden, wie Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 b) VO (EU) Nr. 2016/522 zeigt. 5. Art. 102 AEUV und Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR unterscheiden sich tatbestandlich vor allem dadurch, dass die kapitalmarktrechtliche Norm explizit den relevanten Markt vorgibt. Er besteht z. B. aus Wertpapieren einer bestimmten Gattung. Außerdem greift Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR bereits beim Erwerb der Marktstellung und erinnert damit funktionell eher an die kartellrechtliche Fusionskontrolle. 6. Beim Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot gibt es auch nach neuer Rechtslage kein private enforcement durch private Schadensersatzansprüche. 7. Art. 102 AEUV wird nicht im Wege eines Spezialitätsverhältnisses durch Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR verdrängt, da die Normen unterschiedliche Situationen regeln und unterschiedliche Funktionen haben. 8. Art. 102 AEUV ist auf Wertpapiermärkte nicht sinnvoll anzuwenden. Daher können mit der Norm auch keine Verhaltensweisen wie squeezes/corners erfasst werden. 9. Die sachliche Marktabgrenzung von Wertpapiermärkten führt auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzeptes zu riesigen, faktisch nicht beherrschbaren Märkten. Die dem zugrunde liegenden Markteigenschaften werden von der Substitutionshypothese, der ECMH sowie dem CAPM beschrieben. Aus Anlegerperspektive sind Wertpapiere weitgehend miteinander austauschbar, da mögliche Alleinstellungsmerkmale durch die Marktfunktion eingepreist werden. 10. Daran ändert auch nichts, dass es verschiedene Anlegertypen gibt, deren Motivlage sich unterscheidet. Dies beeinflusst die maßgebliche Perspektive des Durchschnittsanlegers nicht. Auch die Erkenntnisse der behavioural finance führen nicht zu einer abweichenden Bewertung. 11. Eine Quantifizierung des Nachfrageverhaltens mithilfe des SSNIP-Tests ist am Kapitalmarkt nicht möglich bzw. offenbart sich dabei die Richtigkeit der weiten Marktabgrenzung. Der SSNIP-Test würde auf die Frage hinauslaufen, ob Anleger wissentlich um fünf bis zehn Prozent überteuerte Papiere erwerben würden. 12. Auch wenn die Nachfrage nach Wertpapieren einer bestimmten Gattung von individuell unflexibler Nachfrage geprägt ist (z. B. bei corners/squeezes), findet keine Verengung des kartellrechtlichen Marktes statt. 13. Die Nachfragestruktur auf Kapitalmärkten könnte allenfalls auf der Grundlage der Orderlage bewertet werden. Da diese allerdings nur eine Momentaufnahme darstellt, wäre ein solcher Ansatz willkürlich. 14. Das Konzept der Marktbeherrschung ist insgesamt nicht sinnvoll auf Sekundärmärkte übertragbar. „Marktanteile“ können nicht analysiert werden. Das Halten von Wertpapieren stellt keine Marktaktivität dar, sodass selbst das Innehaben
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aller Wertpapiere einer bestimmten Gattung keine Monopolstellung bedeuten würde. Die Situation ist insbesondere nicht mit Marktbeherrschung in Essential-facilityFällen vergleichbar. Marktbeherrschung könnte sich also nur in tatsächlicher Handelstätigkeit zeigen. Die punktuelle Ausgestaltung der Angebotslage kann jedoch nicht als Marktstruktur interpretiert werden. 15. Art. 102 AEUV erfasst keine bilaterale Macht im Sinne von relativer Marktmacht oder Partnermacht. 16. Auch die Tathandlung des Preishöhenmissbrauchs gem. Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV lässt sich nicht auf Wertpapiermärkte anwenden. Weder auf der Grundlage des Vergleichsmarktkonzepts noch der Gewinnspannenbegrenzung wäre ein überhöhter Wertpapierpreis identifizierbar. Zudem erschiene eine staatliche Intervention in die Kontrahierungsfreiheit hier als besonders schwerer Eingriff, da der Veräußerer eines Wertpapiers mit der Transaktion seine gesamte Marktposition aufgibt und keinen Zugriff auf Beschaffungsmärkte hat, sondern das Wertpapier allenfalls selbst auf dem Sekundärmarkt nachkaufen könnte. 17. Auch mit dem Konzept der relativen Marktmacht aus § 20 GWB lassen sich die an Kapitalmärkten beobachtbaren bilateralen Machtkonstellationen nicht erfassen. Zu § 4 II. – Aktienemissionen und -platzierungen
1. Am Beispiel der Bildung und Tätigkeit von Emissionskonsortien hat sich gezeigt, dass Verhaltensabstimmungen von Marktteilnehmern kapitalmarktrechtlich kein grundsätzliches Problem darstellen. 2. Verhaltensabstimmungen mehrerer Marktteilnehmer können als acting in concert gem. § 30 Abs. 2 WpÜG bzw. § 34 Abs. 2 WpHG zu qualifizieren sein, was zu einer Zusammenrechnung ihrer Stimmrechte führt. Bei der Tätigkeit der Emissionskonsortien sind die beiden Tatbestände jedoch regelmäßig nicht einschlägig. Das Konzept des acting in concert entspricht nicht Art. 101 AEUV, da es kein Verbot des Zusammenwirkens aufstellt, sondern lediglich eine Identifizierung zusammengehöriger Stimmrechtsblöcke bewirkt. 3. Das Marktmanipulationsverbot ist ab der Stellung des Antrages auf Zulassung zum geregelten Markt anwendbar. Es ist daher auch für Wertpapieremissionen relevant. 4. Bestimmte Formen des Zusammenwirkens von Marktteilnehmern sind vom Verbot der Marktmanipulation erfasst, insbesondere sog. improper matched orders. Das Marktmanipulationsverbot verbietet solche Verhaltensweisen jedoch nicht wie das Kartellrecht schon wegen des koordinativen Elements, sondern wegen ihrer Gefahr für die ordnungsgemäße Preisbildung. 5. Im Falle einer überzeichneten Emission dürfen Emissionskonsortien bei der Zuteilung bestimmte Anlegergruppen bevorzugen. Wegen § 63 Abs. 1, Abs. 2, § 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG darf jedoch nur nach sachgerechten Kriterien differenziert
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werden. Die Anleger sind außerdem vorvertraglich über die angewandten Kriterien zu informieren. Details zum Zuteilungsverfahren sind zudem gem. § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziffer 5.2.3. Prospekt-DVO im Wertpapierprospekt anzugeben. Bei Abweichungen vom angekündigten Zuteilungsverfahren kommt i. d. R. keine Prospekthaftung, aber ein Anspruch aus culpa in contrahendo in Betracht. Ein Anspruch auf Zuteilung kann sich daraus jedoch nicht ergeben. 6. Emittenten bzw. Emissionskonsortien sind grundsätzlich nicht in ihrer Preissetzungsfreiheit beschränkt. „Überhöhte Preise“ sind konzeptionell durch Informationsasymmetrien oder manipulative Eingriffe in die Preisbildung denkbar. Am Primärmarkt trägt vor allem das Wertpapierprospektrecht zum Abbau von Informationsasymmetrien bei. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht greift zwar grundsätzlich bereits ab Stellung des Zulassungsantrages, tritt jedoch hinter der Prospektpflicht zurück. Auch das Verbot der Marktmanipulation stellt eine mittelbare Beeinträchtigung der Preissetzungsfreiheit dar, da durch Manipulationshandlungen Verschiebungen zwischen Preis und Fundamentalwert eines Papiers entstehen. 7. Die Bildung und Tätigkeit eines Emissionskonsortiums unterliegt regelmäßig nicht der EU-kartellrechtlichen Fusionskontrolle. 8. Das Emissionskonsortium ist kein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts. Die einzelnen Emissionsbanken erfüllen jedoch den Unternehmensbegriff. 9. Art. 102 AEUV steht der Tätigkeit von Emissionskonsortien grundsätzlich ebenfalls nicht im Wege. Gegenüber den Emittenten wird ein Emissionskonsortium auf dem Markt für Aktienemissionsbegleitungen tätig. Gegenüber den Primärmarktanlegern findet die Tätigkeit auf einem vom Sekundärmarkt abgrenzbaren Markt für neu emittierte Wertpapiere statt. Aufgrund der Dynamik des Marktgeschehens ist jedoch auf beiden Märkten eine Marktbeherrschung durch die Emissionsbanken als Einzelunternehmen oder gemeinsam im Sinne einer kollektiven Marktbeherrschung fernliegend. 10. In der Tätigkeit von Emissionskonsortien ließen sich auch keine Missbrauchshandlungen i. S. d. Art. 102 AEUV sehen. Für die Anlegerauswahl kommt zwar eine Verwirklichung von Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV bzw. der Generalklausel des Abs. 1 in Betracht, die eine diskriminierende Auswahl von Geschäftspartnern verbieten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen greifen jedoch in der Zuteilungssituation nicht, da die Versagung von konkreten Wertpapieren keine relevanten wettbewerblichen Konsequenzen hat. Gleiches gilt für die Fallgruppe der missbräuchlichen Geschäftsverweigerung. Die „Kopplung“ von Primärmarktprodukten mit Sekundärmarktprodukten wäre wohl bereits wegen des single monopoly theorem unproblematisch, jedenfalls aber wegen der konzeptionellen Unmöglichkeit einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Sekundärmarkt. 11. Das Emissionskonsortium ist wegen seiner Projektbezogenheit keine Unternehmensvereinigung i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV.
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12. Die Konsorten treffen untereinander sowie mit dem Emittenten „Vereinbarungen“ i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV. Vereinbarungen, die der Konsortialführer eigenständig für das Konsortium eingeht, sind den Konsorten i.R.d. Art. 101 AEUV zuzurechnen. Die Koordinationsformen sind jedoch vom Arbeitsgemeinschaftsbzw. Markterschließungsgedanken erfasst und daher vom Kartellverbot auszunehmen. Dies liegt daran, dass eine Wertpapieremission regelmäßig nur durch die Zusammenarbeit mehrere Banken möglich gemacht wird und somit neuer Wettbewerb erst entsteht. Auch weil der Emittent die Konsortialbildung beauftragt, werden durch die Koordination keine wirtschaftlichen Handlungsspielräume eingeschränkt. 13. Etwaige bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Emissionstätigkeit wären wohl nicht spürbar. Die Möglichkeit einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels erscheint auf dem Primärmarkt nicht kategorisch ausgeschlossen, auf dem Sekundärmarkt jedoch sehr zweifelhaft. 14. Kursstabilisierungsmaßnahmen sind ökonomisch wünschenswert und marktüblich. Sie werden vom Kapitalmarktrecht grundsätzlich für zulässig erachtet, sind jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft. Gem. § 7 WpPG i. V. m. Anhang III Ziff. 5.2.5, Ziff. 6.5 EU-Prospekt-DVO sind bestimmte Informationen zur Kursstabilisierung als Mindestangaben im Wertpapierprospekt zu veröffentlichen. Stabilisierungsmaßnahmen könnten grundsätzlich gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen. Im Zusammenhang mit Stabilisierungskäufen kommt eine Verwirklichung von Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR, Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR, Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR sowie Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR in Betracht. Allerdings befreit der safe harbour gem. Art. 5 MAR i. V. m. der RS-VO solche Maßnahmen bei der Wahrung detaillierter Vorgaben von der Geltung des Marktmanipulationsverbotes. Dafür sind u. a. umfassende Publizitätsanforderungen einzuhalten. Der safe harbour befreit auch von der Geltung des Insiderhandelsverbotes, das jedoch auch sonst nicht auf Stabilisierungskäufe anzuwenden wäre. 15. Lock-up-Vereinbarungen mit Altaktionären sind nicht vom safe harbour freigestellt und gelten nach der Legaldefinition in Art. 3 Abs. 2 lit. d) MAR auch nicht als „Kursstabilisierung“. Jedoch haben auch sie ein Preisbeeinflussungspotenzial und ihr Abschluss bzw. ihre Durchführung könnten eine Marktmanipulation darstellen. Es liegt jedoch im Interesse eines Emittenten, Lock-up-Vereinbarungen publik zu machen. Bei hinreichender Publizität ist der Tatbestand des Marktmanipulationsverbots nicht erfüllt. 16. Stabilisierungsmaßnahmen stehen nicht in Konflikt mit dem EU-Kartellrecht. Ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV scheidet auf dem Sekundärmarkt insgesamt aus. Das gemeinsame Vorgehen der Konsorten bei der Vornahme von Stabilisierungskäufen fällt nicht unter Art. 101 AEUV, weil für diese emissionsbegleitende Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaftsgedanke greift. Eine Parallele zu kartellrechtlich problematischen Einkaufsgemeinschaften scheidet aus, da weder Nachfragemacht besteht, noch Wettbewerbschancen anderer Marktteilnehmer beeinträchtigt werden. Auch Lock-up-Vereinbarungen stellen keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar.
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17. Das deutsche Kartellrecht trifft keine abweichenden Wertungen in Bezug auf die untersuchten Verhaltensweisen. Zu § 4 III. – Kartellrecht und Unternehmensbeteiligungen
1. Der Handel mit Unternehmensbeteiligungen kann fraglos vom Kartellrecht erfasst sein, wenn die wettbewerbliche Ebene der operativen Tätigkeit eines Emittenten betroffen ist. So kann z. B. ein Kontrollerwerb i. S. d. FKVO über den Sekundärmarkt für Wertpapiere erfolgen, was eine entsprechende Anmeldepflicht auslöst. 2. Beim warehousing werden Unternehmensbeteiligungen vorübergehend von einem zwischengeschalteten Dritten erworben, um den Erwerb eines Letzterwerbers zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Damit kann jedoch nicht die fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot umgangen bzw. aufgeschoben werden. Die fusionskontrollrechtlichen Rechtsfolgen für den Letzterwerber werden beim warehousing i. d. R. bereits mit dem Zwischenerwerb ausgelöst. 3. Der Erwerb einer nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligung kann nur dann gegen Art. 101 AUV verstoßen, wenn über den Erwerbsvorgang hinaus eine Koordination des Wettbewerbsverhaltens erfolgt. Das bloße Innehaben von Wertpapieren mehrerer Konkurrenten im Sinne eines horizontal shareholding kann trotz seiner potenziellen Wettbewerbsschädlichkeit nicht unter das Kartellverbot subsumiert werden. Zu § 4 IV. – Fazit der Rechtsanwendung
1. Kartellrecht und Kapitalmarktrecht sind beide marktordnend, jedoch unterscheiden sich ihre Regelungsansätze stark. 2. Auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt für Wertpapiere gibt es eigenständige Formen von Marktversagen. Diese entsprechen nicht den vom EUKartellrecht oder dem deutschen Kartellrecht geregelten Konstellationen. Dies ist der Grund, aus dem es keine echten sachlichen Überschneidungen der beiden Rechtsgebiete gibt. 3. Das Kartellrecht scheint hinsichtlich seiner sachlich umfassenden Anwendbarkeit zwar weiter zu sein als das marktspezifische Kapitalmarktrecht. Der kartellrechtliche Fokus auf wettbewerbsschädliche Zustände im Kontext von unternehmerischen Verhaltensweisen offenbart jedoch, dass das Rechtsgebiet nur einen eng begrenzten Aspekt von Marktverhalten aufgreift. Zu § 5 – Konsequenzen
1. Das Marktmanipulationsverbot ist nicht um ein private enforcement durch private Schadensersatzansprüche zu erweitern. 2. Auch darüber hinaus bestehen vor dem Hintergrund der jüngsten Verschärfung der Sanktionen für Marktmissbrauch keine Anhaltspunkte für einen Bedarf an EUkartellrechtlich inspirierten Sanktionserweiterungen.
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3. Ökonomische Methoden zur Bestimmung von Marktmacht bzw. antikompetitiven Verhaltensweisen ohne Rückgriff auf eine Marktabgrenzung bieten vielversprechende Perspektiven für eine sachgerechte Kartellrechtsanwendung. Für die Anwendung des EU-Kartellrechts auf Kapitalmarkttransaktionen ergeben sich durch solche Konzepte jedoch keine Änderungen. 4. Rein individuelle Abhängigkeiten einzelner Marktteilnehmer sollten nicht vom EU-Kartellrecht erfasst sein. 5. Die Monopolisierung bzw. der Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung durch internes Unternehmenswachstum sollte nicht durch das EU-Kartellrecht verboten werden. Art. 12 Abs. 2 lit. a) MAR bietet hierzu keine Inspiration für eine entsprechende Erweiterung des Art. 102 AEUV. Beide Normen stellen Gefährdungstatbestände dar, die wegen ihrer unterschiedlichen Schutzgüter unterschiedliche Anwendungszeitpunkte haben. 6. Eingriffe in das Marktgefüge sind zurückhaltend zu handhaben. Dies gilt insbesondere für eine Preiskontrolle über Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV. Die Norm ist auf Kapitalmarkttransaktionen nicht sinnvoll anwendbar und auch darüber hinaus in ihrer Funktion und Praxistauglichkeit fragwürdig. Ein Überstrapazieren ihrer Tatbestandsmerkmale zur erzwungenen Anwendung auf Wertpapiertransaktionen ist nicht wünschenswert. 7. Das Kartellrecht sollte nicht zur Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Wunschvorstellungen missbraucht werden. 8. Eine klarstellende Entscheidung des Gesetzgebers zur Befreiung von Kapitalmarkttransaktionen von der Geltung des EU-Kartellrechts wäre als effizienzfördernd zu begrüßen. Auswirkungen auf andere (Real-)Märkte müssen jedoch kontrollfähig bleiben.
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Stichwortverzeichnis abusive squeeze siehe short squeeze acting in concert 151 ff., 162, 178, 252 Ad-hoc-Publizität 175 ff., 253, 257 – und Kursstabilisierung 235 f. affect heuristic 118 Agentur-Problematik 255 Aktienemission siehe Emission Aktienplatzierung siehe Platzierung Aktionärskartell 151 altered expectations 112 American auction 157 Angebotsmarkt 107, 109, 114, 240 f. Angebotsumstellungsflexibilität 114 Anlegerauswahl 162 ff., 192 ff., 208, 216 Anlegerschutz 31, 34, 41, 42 ff., 49 f., 83, 99 ff. Arbeitsgemeinschaftsgedanke 205 ff., 211, 240 Ausbeutungsmissbrauch 104 ff., 128, 131 ff., 191 ff., 268 ff. – Rechtsfolgen 136 f. Außenkonsortium 179 Auswirkungsansatz 262 f. BaFin 27, 40, 98, 168 – als Kartellrechtsaufsicht 64 f., 65 ff. – gegenwärtige Zuständigkeit 62 ff. Bankenklausel 181 beauty contest 189, 211 Bedarfsmarktkonzept – am Kapitalmarkt 109 ff. – Grundlagen 106 ff. – in der Emissionspraxis 183 Begebungsvertrag 147 behavioural finance 116 ff., 120, 186, 187 f. Behinderungsmissbrauch 191 Bereichsausnahme 55 ff. best-efforts-underwriting 148 bewirkte Wettbewerbsbeschränkung siehe Wettbewerbsbeschränkung Bezugsrechte 163 f., 173
bezweckte Wettbewerbsbeschränkung siehe Wettbewerbsbeschränkung bid-ask-spread 47, 114 Binnenmarkt 37 f., 44, 48, 199 bookbuilding 149 f., 154 f., 157, 158, 162, 167, 173, 176, 202 f., 207, 228 Börsen(betreiber) und Kartellrecht 23 Börsengang 32, 146 ff., 147 ff., 154 ff. Börsenpreis 155 ff. Bundeskartellamt 270 – Befugnisse 136 – Kartellrechtsaufsicht auf dem Kapitalmarkt 64 ff. – Verhältnis zur BaFin 62 ff. Bußgeld siehe Geldbuße Capital Asset Pricing Model 111 f. Chicago School 21, 36, 41, 197 f. chilling effect 58, 59, 101 f., 257, 259 circular trading 159 f. Clearing 82 f. Competition and Markets Authority 65 consumer welfare und total welfare siehe Effizienz corner siehe market corner covered short sale 75 f. culpa in contrahendo 171 f. cultural capture 70 f. Datenmacht 263 Dauerkonsortium 180, 182, 211, 213, 216 de minimis siehe Spürbarkeit deadweight loss 36, 50 ff., 80, 146, 267 deferred settlement 220 De-Larosière-Bericht 22 Differenzierte Güter 113 discriminatory auction 157, 207 Diskriminierung, bei der Anlegerauswahl, 162 ff., 192 ff., 208, 216 f. Durchsetzungskosten 254 ff. Dutch auction 157
300
Stichwortverzeichnis
effects-based approach 262 f. effektives Geschäft 83, 160 Effektivitätsgrundsatz 100 ff. Efficient Capital Market Hypothesis 31, 33, 110 ff., 115, 123, 141, 174 Effizienz siehe auch deadweight loss – Allokationseffizienz 28 f., 31 f., 33, 46, 49, 50, 144 f., 244, 264 f. – als gemeinsamer Nenner von Kapitalmarktrecht und Kartellrecht 41 ff. – Aufsichtsbehörden 66 f. – consumer welfare 36 f., 38 – Informationsasymmetrien und Preisbildung 174 f. – Informationseffizienz 33, 110 ff., 173, 244 – institutionelle Effizienz 32 f. – operationale Effizienz 32 – total welfare 36, 36 f., 38 – und Anlegerschutz 42 ff. – und Funktionsschutz 31 ff., 45 ff., 144 f. Eigenkapitalquote 28, 119, 183 f. Einheitskonsortium 148 Einladungsschreiben 149 Einstellungsverfügung 98 Emission 146 ff. Emissionskonsortium – kapitalmarktrechtliche Verhaltensvorgaben 150 ff. – kartellrechtliche Verhaltensvorgaben 178 ff., 216 f. – Rolle 147 f. – Unternehmen im Kartellrecht 179 f., 182, 200 ff. – Verhaltenskoordinierung als acting in concert 150 ff. – Verhaltenskoordinierung als Marktmanipulation 154 ff. – Vorgehensweise 149 f. Emissionspreis 149 f., 155 ff. Ertrags-Risiko-Profil 109 essential facility 128 f., 196, 272 Eurex 82 f. Euribor 23 European Supervisory Authorities 63 European System of Financial Supervision 63
Festpreisverfahren 149, 157 Festsetzung von Preisen 89 f. Festübernahme 148 Fiktives Geschäft 83, 159 f. Financial Conduct Authority 65 ff. Finanzinstrument 27, 84, 86 Finanzkrise 21, 29, 40 Finanzmarkt, Definition 26, 27 flipping 218, 221 Follow-on-Klagen 256 Fremdemission 148, 150, 166, 181, 184 Friends-and-family-Programm 163, 167, 169 Fungibilität 24, 27, 39, 113 Funktionsfähigkeit 31 ff., 42 ff., 45 ff., 83, 99 ff. – allokative 31 f. – informationelle Effizienz 33 – institutionelle 32 – operationale 32 f. Funktionsschutz siehe Funktionsfähigkeit Fusionskontrolle siehe Zusammenschlusskontrolle Future 76 f., 78, 78 f., 80, 120 ff. Geldbuße 98 f., 136 f., 143, 254 ff., 258 ff. Geldmarkt 26 f., 119 Gemeinschaftsunternehmen, Emissionskonsortien als 179 f., 216 gerichtliche Zuständigkeit 64, 68 Geschäftsverweigerung 192 ff., 196 f. Gewinnspannenbegrenzung 131 f., 134, 143 Glattstellung 77, 79, 80, 82, 83 Gleichbehandlungsgebot 163, 164, 165 ff., 192 ff. Google 263 Graumarkt 223, 228 Greenshoe-Option 152, 220, 230 f., 235 f. Hafen-Fälle 128 f. hard underwriting 148 Hedgefonds 139, 161, 272 hedging 75, 116 Herdentrieb 116 f. Holländisches Verfahren 157 home bias 117, 119, 188 horizontal shareholding 246 ff.
Stichwortverzeichnis implied immunity 57 ff., 69, 268 Improper matched orders siehe matched orders Indikator für manipulatives Handeln 80 f., 84, 96 f. informationelle Effizienz 33, siehe auch Efficient Capital Market Hypothesis Informationsasymmetrien 24, 29 f., 34, 39, 54, 69, 123, 174 f., 192, 251 f. Informationseffekt 111, 219 Initial Public Offering 147 ff., 154 f., 227, 231 f. Innenkonsortium 179 Insiderhandelsverbot 23, 45 f. – und corners/squeezes 83 – und Kursstabilisierung 233 ff. Insiderinformationen 33, 71, 111, 175 f., 235 f. Integrationsfunktion – EU-Kartellrecht 37 f. – Kapitalmarktrecht 48 Interessen, divergierende 29 f., 34, 162, 165 f., 169, 236 f., 243 Investmentbanking – Emissionspraxis 147 f. – kartellrechtlicher Markt 183 ff. – Marktbeherrschung 188 f. Investoren als Anlegertyp 116 Kapitalerhöhung 147, 148, 149, 163, 220, 236 Kapitalmarkt – Aufsicht 62 ff. – Bedeutung 29 – Begriff 26 ff. – Funktionen 28 f. – Herausforderungen 29 f. – i. e.S. 27 f. Kapitalmarktrecht – behördliche Anwendung 62 ff. – Definition 30 – Emissionspraxis 150 ff. – Kursstabilisierung 221 ff. – und corners/squeezes 83 ff. – Zielvorgaben 31 ff. Kartellrecht – Aktienemissionen und deutsches Kartellrecht 216 f.
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– Aktienemissionen und EU-Kartellrecht 178 ff. – corners/squeezes und deutsches Kartellrecht 138 ff. – corners/squeezes und EU-Kartellrecht 104 ff. – Konsequenzen für das EU-Kartellrecht 260 ff. – Kursstabilisierung und deutsches Kartellrecht 243 – Kursstabilisierung und EU-Kartellrecht 238 ff. – Rechtsfolgen des Marktmachtmissbrauchs 136 ff., 143 f. – und Effizienz 49 ff. – und Wertpapiere als Unternehmensbeteiligungen 245 ff. – Untersuchungsgegenstand 22 – Zielvorgaben 34 ff. Kassamarkt 76, 76 f., 77 f., 78 f., 81, 82 Kollusion – als Marktmanipulation 154 ff. – im Kapitalmarktrecht 151 – im Zuteilungsverfahren 161 f., 199 ff. Konsortialbanken siehe Emissionskonsor tium Konsortialvertrag 149, 201, 202, 219, 239 Konzern 98 f., 136, 143 Kopplung 169, 197 f., 208 ff., 216 Kreuzpreiselastizität 107 Kronzeugenregelung 144 Kursdämpfung 219 Kurs-Gewinn-Verhältnis 109, 112 Kursniveau 92, 95 f., 160, 223 f., 232 f. Kurspflege siehe Kursstabilisierung Kursstabilisierung 161, 217 ff. – Ad-hoc-Publizitätspflicht 235 f. – Insiderhandelsverbot 233 ff. – Kartellrecht, deutsches 243 – Kartellrecht, EU 238 ff. – Marktmanipulation 222 ff. – safe harbour 225 ff. – Wertpapierprospekt 221 f. laddering agreement 169, 208 f., 213 Leerverkauf 75 ff., 82, 89 f., 90, 120 ff., 133 f., 140 f., 237
302
Stichwortverzeichnis
lemons problem 30 Lerner-Index 261 lex specialis 59 ff., 104 f., 238 Libor 23 locate agreement 76 lock-in 122 f. lock-up agreement 161, 218, 220 f. – Insiderhandelsverbot 235 – Kartellrecht, deutsches 243 – Kartellrecht, EU 241 ff. – Marktmanipulationsverbot 231 ff. – Wertpapierprospekt 221 f. margins 82, 83 market corner 21 f., 25 – Abgrenzung zum short squeeze 78 f. – Begriff und Funktionsweise 74 ff., 77 f. – Einfluss auf kartellrechtliche Marktabgrenzung 120 ff. – in der Emissionsphase 158 – Kapitalmarktrecht 83 ff. – Kartellrecht, deutsches 138 ff. – Kartellrecht, EU 104 ff. – praktische Relevanz 81 ff. – Schaden 79 f. market impact 110 market making 90 Marktabgrenzung, kapitalmarktrechtliche 86 ff. Marktabgrenzung, kartellrechtliche 141 ff. – alternative Methoden zur Feststellung von Marktmacht 260 ff. – Emissionsgeschäft 183 ff. – Grundlagen 106 ff. – Primärmarkt 185 ff. – räumliche 119, 185, 188 – Sekundärmarkt 109 ff., 138 – zeitliche 124 Marktanteil 87 f., 108, 126 ff., 142, 188 ff., 191, 207, 210, 212 ff. marktbeherrschende Stellung – im Kapitalmarktrecht 85 ff. – im Kartellrecht 106 ff., 126 ff., 138 f., 182 ff., 188 ff., 216 f., 238 Markteffizienzhypothese siehe Efficient Capital Market Hypothesis Markterschließungsgedanke 205 ff., 211
Marktmacht – Feststellung ohne Marktabgrenzung 260 ff. – relative 129 ff., 139 ff., 142, 264 f. Marktmachtmissbrauchsverbot, Missbrauchshandlung – Kartellrecht, deutsches 138 ff., 191 ff., 216 f. – Kartellrecht, EU 131 ff. Marktmanipulation – bei der Kursstabilisierung 222 ff. – corners und squeezes 83 ff. – handelsgestützt 46 ff., 83, 93, 109 f., 158 f., 223, 232, 256 f. – handlungsgestützt 47, 83 f., 93 – in der Emissionsphase 154 ff., 176 f. – informationsgestützt 47, 83, 157 f., 177, 225, 256 – Konsequenzen der Untersuchung 254 ff., 258 ff. – ökonomische Rechtfertigung des Verbotes 46, 79 f., 144 ff. – Rechtsfolgen 97 ff., 143 f., 254 ff. – Vorsatzerfordernis 90 ff. Marktpreis, Definition 155 ff. Marktverengung 120 ff., 141 matched orders 158 ff. Mehrzuteilung 219 f., 230 f. Minderheitsbeteiligungen 151, 246 ff. Mitteilungspflicht 81 f., 152 f. Monopolisierung 82, 133, 265 ff. monopoly leveraging 197 more economic approach 36, 204, 262 Multilaterale Handelssysteme 155, 156, 228 Nachfragemacht 108, 240 naked short sale 75 f. 220, 230, 237 naming and shaming 98, 144 Notierungsaussetzung 116 f. Option 77, 78, 152, 220, 226, 230 f., 235 f. Ordnungswidrigkeit 91, 97 ff., 168, 259 Ordoliberalismus 35 over-allotment facility siehe Mehrzuteilung penalty bids 220, 221 Platzierung 28, 146 ff.
Stichwortverzeichnis Porsche/Volkswagen 21 f., 74, 90, 122, 126, 127, 139 Portfolio-Theorie 110 ff., 115, 141 Positionslimite 82, 86 f. potenzieller Wettbewerb 128 pre-arranged trades siehe matched orders Preisbildung siehe Emissionspreis Preisbindung 151, 211, 213 Preisdämpfung 219 Preiselastizität der Residualnachfrage 262 Preishöhenmissbrauch 104 ff., 131 ff., 137, 139, 142, 145, 191 f., 268 ff. Preisschirmschäden 137, 257 price-pressure hypothesis 109 f. Primärmarkt 28, 39, 51 f., 118, 146 ff., 251, 251 f. Primärprodukt 122 f. Prinzipal-Agenten-Problematik 29 f., 255 Privatautonomie 121 f., 140 f., 162 ff., 166, 172 ff. private enforcement 21 f., 34, 99 ff., 136 f., 144, 176, 254 ff., 271 Prospekthaftung 34, 169 ff., 175 Prospektpflicht 34, 169, 174 f., 176, 221 f., 237, 243 f. punitive damages 257 pure stabilisation 219 Rechtsökonomie 41 ff., 102, 254 ff. Referenzzinssätze 23 regulatory capture 69 ff., 255 Rendite 31, 32, 39, 111, 112, 174, 186 representativeness heuristic 118, 120 Residualnachfrage, Preiselastizität 262 Risikoprämie 111 f. risk-based margining 83 rivalrous goods 134 Rückkaufprogramm 90, 217, 225 safe harbor 225 ff. Schadensersatz 21 f., 34, 99 ff., 136 f., 144, 168 f., 176, 254 ff., 271 Schutzgesetz 21 f., 34, 99 ff., 136 f., 144, 168 f., 176, 186, 254 ff., 271 Securities and Exchanges Commission 57 ff. Sekundärmarkt – Begriff 28, 56, 146, 147
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– Besonderheiten 24, 39, 173, 185 ff., 190, 197, 198 – deadweight loss und Steuerungswirkung des Wettbewerbes 50 ff. Sekundärprodukt 122 f. Selbstemission 147 short sale siehe Leerverkauf short squeeze 21 f., 25 – Begriff und Funktionsweise 74 ff., 78 f. – Indikator für manipulatives Handeln 96 f. – Kapitalmarktrecht 83 ff. – Kartellrecht, deutsches 138 ff. – Kartellrecht, EU 104 ff. – ökonomische Schädlichkeit 79 f. – praktische Relevanz 81 ff. Signale, falsche oder irreführende 93 f. single monopoly profit theorem 197 f. sittenwidrige Schädigung 103 sittenwidriges Rechtsgeschäft 173, 265 Spezialität zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht 59 ff., 104 f., 238 Spürbarkeit – Wettbewerbsbeschränkung 210, 212 f., 243, 264 – zwischenstaatliche Handelsbeeinträchtigung 135, 214 f. squeeze siehe short squeeze squeeze-out 90 SSNIP-Test 107 f., 119 f. Stabilisierungsmaßnahmen siehe Kursstabilisierung Stabilisierungszeitraum 227 ff., 230 f. Standortwettbewerb 48 Strafrecht 46, 81, 97 ff., 143, 156, 252, 259, 265 subjektiver Tatbestand 90 ff., 94, 136, 143, 173, 176, 259, 266 Substitutionshypothese 110 ff., 141 Termingeschäft 76 f., 78 f., 80, 82, 120 total welfare siehe Effizienz Übernahmekonsortium 148 Übernahmevertrag 149, 152, 163, 201, 202 f. Überzeichnung 162 ff., 192 ff., 208, 230 umbrella effects siehe Preisschirmschäden
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Stichwortverzeichnis
Umplatzierung 147, 153, 155 underpricing 174, 186, 192, 218 uniform-price-auction 157 Unternehmensbegriff, funktionaler 105 f., 136, 179 f., 182, 188, 194, 200 ff., 216 utilitarian traders 115 f. Verbraucherpräferenzen 107, 117 f. Verbraucherschutz – im Kapitalmarktrecht 43 ff. – im Kartellrecht 49 f. Vereinbarung im Kartellrecht 202 Vergleichsmarktkonzept 131 f., 133, 142 f. Verhaltenskoordinierung der Emissionsbanken siehe Emissionskonsortium Volkswagen siehe Porsche/Volkswagen Vorsatz siehe subjektiver Tatbestand Vorteilsabschöpfung 143 f. warehousing 245 f. Warnung, öffentliche
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welfare siehe Effizienz Wertpapierbegriff 27 Wertschöpfungskette 51 f., 114 f., 190 Wettbewerb, Definition 203 Wettbewerbsbeschränkung, bezweckt oder bewirkt 203 ff., 240 f., 241 f. 246 ff., 270 whistleblower 144 Windhundverfahren 162 Wohlverhaltensregeln 165 ff. Wucher 173, 265 Zeichnungsgebühren 192 f. Zusammenschlusskontrolle 145 – und Aktienemissionen 178 ff., 216, 245 ff. Zuteilungsanspruch 162 ff., 192 ff., 208, 216 f. Zuteilungsverfahren 161 f., 162 ff. 175 f., 208 ff., 208 Zwischenstaatlichkeit 135, 213 ff., 217