Juristische Methodenlehre und Immobiliarsachenrecht: Deutsch-chinesische Tagung vom 21.-23.8.2013 9783161536007, 9783161535994

Die deutsche juristische Methodenlehre wurde in der Volksrepublik China rezipiert und ist auf einem abstrakten Niveau in

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Übersetzungen der Titel der zitierten chinesischen Gesetze, Interpretationen und Entscheidungshinweise des Obersten Volksgerichts
Helmut Köhler: Die Auslegung von Gesetzen als methodisches Problem
I. Einführung
1. Die Gesetzesauslegung als Problem
2. Die Befugnis zur Gesetzesauslegung
II. Die Notwendigkeit einer Methodenlehre zur Gesetzesauslegung
III. Die geschichtliche Entwicklung
IV. Gesetzliche Auslegungsregelungen und richterrechtliche Auslegungsgrundsätze
1. Vorrang gesetzlicher Auslegungsregeln
2. Richterrechtliche Auslegungsregeln
V. Das Ziel der Gesetzesauslegung
VI. Die „klassischen“ Methoden der Gesetzesauslegung
1. Überblick
a) Die Rechtsnorm
b) Der Fall
c) Die Auslegungsfragen
2. Die grammatikalische Auslegung
3. Die systematische Auslegung
4. Die historische Auslegung
5. Die teleologische Auslegung
6. Das Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander
7. Die Berücksichtigung ranghöherer Rechtsnormen bei der Auslegung
VII. Die Rechtsfortbildung
1. Die Ausfüllung von Gesetzeslücken
a) Analogie
b) Teleologische Reduktion
2. Das Verbot der Auslegung contra legem
3. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
VIII. Die Methoden der Gesetzesauslegung in der deutschen Juristenausbildung
IX. Zusammenfassung und Bewertung
Franz Jürgen Säcker: Der Wille des historischen Gesetzgebers bzw. der objektive Gesetzessinn am Beispiel der Entwicklung des Eigentumsbegriffs im deutschen und chinesischen Recht
I. Das lückenhafte Gesetz und das lückenlose Urteil
II. Die das Schweigen des Gesetzes überwindende Rechtsfortbildung
III. Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung
IV. Zusammenfassung und Folgerungen
Qingyu ZHU: Herrscherwille oder Wille des Gesetzgebers? – Aufbau der Rechtsinstitutionen der unbeweglichen Sachen in China
I. Einleitung
II. Zweck des Sachenrechtsgesetzes
III. Rechtslage bezüglich des Eigentums an Grund und Boden
IV. Vom Eigentum zum Nießbrauch?
1. Grundstücke im Staatseigentum
2. Grundstückseigentum der Dörfer im dualen System der Städte und Dörfer
V. Fazit
Hartmut Oetker: Systematische und verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen anhand des Begriffs des Immobiliareigentums aus Sicht des deutschen Sachenrechts
I. Ausgangspunkt
II. Das Grundstück als Zentralbegriff des Immobiliareigentums
1. Erste Näherung über den Gesetzeswortlaut
2. Körperlichkeit bei Grundstücken
3. Stellenwert des Grundbuchs für den Rechtsbegriff des Grundstücks
4. Beschränkung des Immobiliareigentums auf Grundstücke
III. Vom Begriff zum Inhalt des Grundstückseigentums
1. Anlandungen als eigentumsrechtliches Problem
2. Im Erdkörper verlegte Leitungen im Lichte der §§ 94, 95 BGB
IV. Das Sachenrechtsregime im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG
V. Zusammenfassung
Shiyong TIAN: Wem gehört das Schwemmland?
I. Einleitung
II. Begriff des Schwemmlands
III. Zwei Lösungsmodelle für die Eigentumsverhältnisse am Schwemmland
1. Modell: Der Eigentümer des Uferlands erwirbt wegen der Verbindung zum Uferland das Eigentum am Schwemmland
2. Modell: Der Staat erwirbt das Eigentum am Schwemmland, teilt aber anderen das Nutzungsrecht zu
IV. Schwemmland als selbstständiger Gegenstand
1. Schwemmland als (neuer) Gegenstand des Eigentumsrechts
2. Verhältnis der Anschwemmungen zum eingetragenen Grundstück
3. Anschwemmungen am Ufer oder am Flussbett
V. Zur Rationalität der beiden Lösungsmodelle
1. Unmittelbare Auswirkung der natürlichen Vernunft (ratio naturalis)
2. Zur mittelbaren Auswirkung der natürlichen Vernunft
VI. Besonderheiten der chinesischen Lösung
1. Eigentumsvermutung beim Schwemmland
2. Vom Streit um das Eigentum zum Streit um das Nutzungsrecht
3. Streitigkeit über das Recht am Schwemmland vor den Zivilgerichten und im Verwaltungsprozess
4. Gesetzgebung zur Anschwemmung
VII. Fazit
Reinhard Singer: Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes
I. Einführung: Rechtsfortbildung im Nachbarrecht kraft praktischer Notwendigkeit?
II. Das Grundkonzept des zivilrechtlichen Nachbarschutzes
1. Funktion nachbarrechtlicher Normen
2. Entwicklung des § 906 BGB
3. Duldungspflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen
III. Die Auslegung des Nachbarrechts im engeren Sinne
1. Imponderabilien und „ähnliche Einwirkungen“
2. Ideelle und negative „Einwirkungen“
3. Unwesentliche Beeinträchtigungen
4. Duldungspflicht bei wesentlichen, aber ortsüblichen Einwirkungen
5. Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB
IV. Die Auslegung des Nachbarrechts im weiteren Sinne (Rechtsfortbildung)
1. Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch kraft „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“
a) Kompensation für fehlenden Ausgleichsanspruch bei § 906 BGB a. F. ?
b) Duldungs- und Ausgleichspflicht für Grobimmissionen?
c) Kritik an der Figur des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“
d) Alternative Begründungen
e) Unwesentliche Einwirkung und unverhältnismäßige Abwehr
2. Duldungs- und Ausgleichspflicht bei gemeinwichtigen Betrieben
a) Rechtsprechung: „dulde und liquidiere“
b) Rechtfertigung der Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Betrieben?
3. Ausgleichspflicht bei faktischem Duldungszwang
a) Die Rechtsprechung
b) Ausgleichsanspruch für abwehrfähige, rechtswidrige Gefährdungen
4. Abwehr (und Ausgleich) von „negativen Einwirkungen“
a) Inkonsistente Rechtsprechung
b) Beeinträchtigung des Nutzungsrechts als „Einwirkung“ (§ 906 Abs. 1 BGB)
5. Abwehr- und Ausgleichansprüche gegen „ideelle Immissionen“
a) Recht auf ein ansehnliches Nachbargrundstück?
b) Fehlender Maßstab für ideelle Beeinträchtigungen
V. Zusammenfassung und Thesen
Hailong JI: Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes in China
I. Einleitung
II. Echte Lücken (Rechtsverweigerungslücken i. S. v. Canaris)
1. Echte Lücken
2. Feststellung der echten Lücken aus der systematischen Bewertung der Rechtsordnung – Die dogmatischen Einordnung der §§ 84–92 des chin. SRG
III. Teleologische Lücken
1. Gibt es einen allgemeinen negativen Satz?
2. Teleologische Lücken
a) Analogie (einschließlich der Gesamtanalogie)
aa) Emissionen gemäß § 90 chin. SRG
bb) Ideelle Immissionen
cc) Negative Immissionen
dd) Gesamtanalogie – Duldungspflicht
b) Argumentum a fortiori
c) Teleologische Extension und Analogie
d) Teleologische Reduktion
IV. Prinzipienlücken
V. Verhältnis von teleologischer Reduktion, Analogie und Rückführung auf allgemein anerkannte Prinzipien und Wertungen
VI. Gemeinsamkeiten zwischen teleologischen Lücken und Prinzipien- bzw. Wertungslücken
VII. Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung
VIII. Zusammenfassung
Jan Busche: Das Konzept des Wohnungseigentums
I. Systematische Einordnung des Wohnungseigentums
II. Begründung des Wohnungseigentums
III. Verwaltung des Gemeinschaftseigentums
IV. Schluss
Weifei SUN: Einige Fragen in Bezug auf das Wohnungseigentum an Gebäuden in China
I. Einleitung
II. Rechtsstreitigkeiten über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und deren Lösung
1. Rechtsstreit wegen des Anbringens von Markisen oder Fensterschutzgittern an der Außenwand
2. Rechtsstreit wegen der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für gewerbliche Zwecke
III. Formen der Verwaltungskostenverteilung und Intensität der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
IV. Fazit
Claudia Schubert: Die Vormerkung – ein Instrument zur Sicherung des Erwerbs von Immobilien und beschränkt dinglichen Rechten an Grundstücken
I. Einleitung
II. Rechtsnatur der Vormerkung
III. Erwerb und Übertragung der Vormerkung
1. Originärer Erwerb vom Berechtigten
2. Originärer Erwerb vom Nichtberechtigten
IV. Wirkung der Vormerkung
V. Zusammenfassung
Shuanggen ZHANG: Probleme bei der Vormerkung im chinesischen Recht
I. Einleitung
1. Die gesetzlichen Grundlagen in China
2. Zu diskutierenden Probleme
II. Anwendbarkeit der Vormerkung auf den sog. Wohnungsvorabverkauf
1. Zum sog. Wohnungsvorabverkauf
2. Risiko für Vorabkäufer
3. Anwendung der Vormerkung auf den Wohnungsvorabverkauf
a) Zum Rechtsverhältnis beim Wohnungsvorabverkauf
b) Entstehung der Vormerkung im deutschen Recht
c) Eingreifen der Entstehungsvoraussetzungen der Vormerkung beim Wohnungsvorabverkauf
III. Möglichkeit einer Vormerkung ohne Trennungs- und Abstraktionsprinzip
IV. Rechtswirkung der Vormerkung im chinesischen Recht
V. Fazit
Jan von Hein/Lydia Beil: Gutgläubiger Erwerb von Immobilien im deutschen Recht
I. Regelungstechniken
1. Die deutsche Regelung
2. Bewertung der verschiedenen Ansätze
II. Inhalt der Regelung
1. Voraussetzungen des § 892 BGB
2. Ausnahmen
3. Begriff des guten Glaubens
III. Typische Fallkonstellationen
1. Doppelverkauf von Immobilien
a) Der erste Käufer hat noch keine Eintragung beantragt
b) Der erste Käufer hat die Eintragung schon beantragt
c) Vormerkung als Lösung
2. Betrugsfälle
3. Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Nichtberechtigten
Baoyu LIU: Studie zur Rechtsnatur und Art der Schadenersatzhaftung des Registrierorgans für Eintragungsfehler
I. Einleitung
II. Zum gesetzgeberischen Hintergrund und zur Grundidee der gesetzlichen Regelungen über Schadenersatz für Fehler bei der Eintragung von unbeweglichen Sachen
1. Gesetzgeberischer Hintergrund und Gesetzesbegründung
2. Verschiedene Lösungsansätze im Gesetzgebungsverfahren
3. Grundidee des Gesetzes und die ungelöst bleibenden Probleme
III. Meinungsstand in der Rechtswissenschaft und Erfahrungen aus der Praxis
1. Offizielle Erläuterung nach dem Inkrafttreten des chinesischen Sachenrechtsgesetzes
2. Stand der wissenschaftlichen Diskussion
3. Uneinheitliche Rechtsanwendungspraxis der Gerichte
IV. Verschiedene Lösungsansätze zur nebentäterschaftlich und mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Handlung des Antragstellers und der Registereinrichtung
1. Mögliche Lösungen für Fälle einer nebentäterschaftlich oder mittäterschaftlich unerlaubte Handlung
2. Rechtsnatur der Haftung der Registerbehörde auf Schadensersatz und deren Folgen
3. Analyse der Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit der Lösungsansätze
V. Eigene Stellungnahme
1. Zivilrechtlicher Charakter der Hauptfunktionen und die Auswirkungen der Eintragung von Immobiliarsachenrechten
2. Eintragung als notwendige Voraussetzung für die Änderung der Immobiliarsachenrechte
3. Zivilrechtlicher Charakter der durch die Haftung für Eintragungsfehler geschützten Rechte bzw. Rechtsgüter der Geschädigten
4. Rechtsgrundlagen für die Qualifizierung der Haftung für Eintragungsfehler als zivilrechtliche Haftung
5. Vorteil für die Konfliktlösung
6. Koordinierung mit anderen Regelungen über die Eintragung von Eigentumsrechten und die Einhaltung der Vorgaben für die Entwicklung des Eintragungssystems
VI. Antworten zu Einzelfragen
1. Zurechnungsprinzip für die Haftung der Registereinrichtung für Eintragungsfehler
2. Zur Haftung der Registereinrichtung und des Antragstellers
3. Regressansprüche der Registereinrichtung nach dem Ersatz des Schadens
VII. Zusammenfassung
Dirk Looschelders: Die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch
I. Unrichtigkeit des Grundbuchs
1. Ursachen der Unrichtigkeit
2. Rechtsnatur der Eintragung und Umfang der Prüfungspflicht des Grundbuchamts
II. Rechtsbehelfe der Beteiligten bei Unrichtigkeit des Grundbuchs
1. Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs (§ 899 BGB)
2. Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB
3. Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO
III. Eintragung eines Widerspruchs und Grundbuchberichtigung kraft Amtes
1. Amtswiderspruch und Löschung unzulässiger Eintragungen kraft Amtes
2. Verpflichtung zur Antragstellung und Berichtigung von Amts wegen
IV. Schadensersatzanspruch des Berechtigten wegen fehlerhafter Eintragung
V. Fazit
Xiangxiang WU: Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch in China – ein Versuch der Auslegung
I. Einleitung
II. Arten der Unrichtigkeit des Grundbuchs und ihre Berichtigung
1. Arten der Unrichtigkeit des Grundbuchs
2. Arten der Grundbuchberichtigung
a) Korrekturzwang von Amts wegen
b) Berichtigung auf Antrag
III. Antragsteller der Grundbuchberichtigung
1. Abgrenzung des „Berechtigten“ von den „sonst sachlich Betroffenen“
2. Inhaber des Berichtigungsanspruchs
IV. Berichtigungsanspruch
1. Gegner des Berichtigungsanspruchs
2. Inhalt des Berichtigungsanspruchs
3. Verteidigungsmöglichkeiten des Anspruchsgegners
a) Zurückbehaltungsrecht
b) Einrede der Verjährung
c) Verweigerung nach Treu und Glauben
V. Fazit
Torsten Körber: Hypothek und Grundschuld als Sicherungsrechte
I. Überblick
1. Einführung in die Grundpfandrechte
a) Wirtschaftlicher Hintergrund
b) Grundpfandrechte als beschränkt dingliche Rechte
2. Hypothek (§§ 1113 ff. BGB)
3. Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB)
II. Bestellung von Hypothek und Grundschuld (Ersterwerb)
III. Übertragung von Grundeigentum, Hypothek und Grundschuld
1. Übertragung des Grundeigentums
2. Übertragung (Zweiterwerb) der Hypothek
3. Übertragung (Zweiterwerb) der Grundschuld
IV. Funktionen von Grundbuch und Brief im Vergleich zum chinesischen Rechtszertifikat
1. Grundbuch
2. Brief
Hongliang WANG: Die Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit über mit einem Pfandrecht belastete Immobilien
I. Einleitung
II. Vorzeitige Tilgung des Pfandrechts mit Zustimmung
III. Ablösungsrecht des Erwerbers
IV. Freiheit der Verfügung über den Pfandgegenstand
V. Verfolgungswirkung des Pfandrechts
VI. Fazit
Maik Wolf: Die Vermögenshaftung nach dem Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld
I. Funktion und rechtliche Bedeutung des Haftungsverbandes
1. Wirtschaftliche Bedeutung
2. Funktionsweise
3. Rechtswirkungen in der Zwangsvollstreckung
II. Rechtliche Ausgestaltung des Haftungsverbandes
1. Zeitpunkt der Bestellung der Hypothek
a) Grundstück und seine wesentlichen Bestandteile
b) Erstreckung auf Zubehör
2. Zeitraum zwischen Hypothekenbestellung und Beschlagnahme
a) Erstreckung auf abgetrennte Bestandteile und Erzeugnisse
b) Nachträgliche Aufnahme von Zubehör
c) Enthaftung
d) Erstreckung auf Forderungen
3. Zeitpunkt der Beschlagnahme
III. Bewertung
Hui HUANG: Vom Rechtsideal zur Rechtspraxis – Diskussionsbericht über Voraussetzungen und Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines chinesischen Gesetzkommentars zum Zivilrecht und die Möglichkeiten einer deutsch-chinesischen Kooperation
I. Sind schrittweise Kommentierungen nach deutschem Vorbild für China geeignet?
II. Wie ist das Umfeld für ein solches Kommentarprojekt?
III. Ist die Zeit reif für einen Kommentar zu den chinesischen Zivilgesetzbüchern?
IV. Welches chinesische Zivilgesetzbuch ist für das Kommentarprojekt geeignet?
V. Wie soll die Zusammenarbeit gestaltet werden?
VI. Praktische Schritte
Autorenverzeichnis
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Juristische Methodenlehre und Immobiliarsachenrecht: Deutsch-chinesische Tagung vom 21.-23.8.2013
 9783161536007, 9783161535994

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 327 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Juristische Methodenlehre und Immobiliarsachenrecht Deutsch-chinesische Tagung vom 21.–23.8.2013 Herausgegeben von

Hui Huang, Franz Jürgen Säcker und Claudia Schubert

Mohr Siebeck

Gefördert durch die Fritz Thysssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. e-ISBN 978-3-16-153600-7   ISBN 978-3-16-153599-4 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­r ufbar. © 2015  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Vorwort Die Volksrepublik China hat seit Anfang 1990 große Teile des Zivilrechts in Form von Einzelgesetzbüchern kodifiziert. Dabei wurde entsprechend einer bis an die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückreichenden Tradition in nicht unerheblichem Umfang das deutsche Zivilrecht rezipiert. Ebenso fand die in Deutschland praktizierte juristische Methodenlehre, insbesondere die Methode der Gesetzesauslegung, Eingang in die innerchinesische wissenschaftliche Diskussion. In der akademischen Ausbildung und in der forensischen Rechtsanwendung hat die Methodenlehre aber noch keinen gesicherten Platz. Auch der wissenschaftliche Diskurs bezieht die Methodenlehre als Grundlage juristisch korrekten Argumentierens bei der Ableitung der konkreten Entscheidung aus dem abstrakt-generell formulierten Gesetzestext nur auf einem sehr abstrakten Niveau ein. Daher bestand auf chinesischer Seite der Wunsch, im Rahmen einer Tagung Fragen der juristischen Methodenlehre nicht theoretisch, sondern konkret fallbezogen anhand eines zivilrechtlichen Teilgebiets zu diskutieren, das in China zu vielen Streitfragen geführt hat. Deshalb wurde das Immobiliarsachenrecht und namentlich das Wohnungseigentumsrecht ausgewählt, das in China eine große Rolle spielt, wo kein privates Eigentum an Grund und Boden erworben werden kann. Das geschah in dem Bewusstsein, dass Rechtssicherheit ohne eine methodisch reflektierte Gesetzesanwendung nicht möglich ist. Es bestand Einvernehmen, dass neben dem Wortlaut die Gesetzessystematik und der Normzweck von besonderer Bedeutung sind. Bei unvollständigen gesetzlichen Regelungen stellt sich das Problem der lückenschließenden richterlichen Rechtsfortbildung, die für die chinesischen Juristen ein noch ungelöstes Problem darstellt. Vom 21. bis 23. August 2013 kam eine Gruppe von chinesischen und deutschen Zivilrechtswissenschaftlern an der Freien Universität Berlin zusammen, um über diese Fragen zu diskutieren. Die Tagung sollte zugleich einen Beitrag zu dem seit Jahren auf Regierungsebene bestehenden Rechtsstaatsdialog leisten. Die Veranstaltung war die dritte Tagung, bei der dieser Kreis wechselnd in Berlin und Peking zusammentraf. Wir danken der Fritz-Thyssen-Stiftung für die großzügige Unterstützung der Tagung. Unser Dank gilt auch der Freien Universität Berlin, die sich die juristische Kooperation mit chinesischen Wissenschaftlern zur Aufgabe gemacht hat. Die Übersetzung der Tagungsbeiträge aus dem Chinesischen haben die Autoren, soweit es nicht anders gekennzeichnet ist, selbst vorgenommen. Sie verantworten auch die Übersetzung der Gesetzes- und Verordnungstexte. Für die

VI

Vorwort

Unterstützung bei der Übersetzung der deutschen und chinesischen Texte und der redaktionellen Bearbeitung danken wir Jian HU, Peipei LIU, Qi WANG, Yun ZHANG, Fengliang JIN und Qangzhi HU sowie Anna Hyla und Leonie Ascheberg. Hui HUANG Franz Jürgen Säcker Claudia Schubert

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Übersetzungen der Titel der zitierten chinesischen Gesetze, Interpretationen und Entscheidungshinweise des Obersten Volksgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Helmut Köhler Die Auslegung von Gesetzen als methodisches Problem . . . . . . . . . 1 Franz Jürgen Säcker Der Wille des historischen Gesetzgebers bzw. der objektive Gesetzessinn am Beispiel der Entwicklung des Eigentumsbegriffs im deutschen und chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Qingyu ZHU Herrscherwille oder Wille des Gesetzgebers? – Aufbau der Rechtsinstitutionen der unbeweglichen Sachen in China . . . . . . . . . . . . . 21 Hartmut Oetker Systematische und verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen anhand des Begriffs des Immobiliareigentums aus Sicht des deutschen Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Shiyong TIAN Wem gehört das Schwemmland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Reinhard Singer Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes . . 53 Hailong JI Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Jan Busche Das Konzept des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

VIII

Inhaltsverzeichnis

Weifei SUN Einige Fragen in Bezug auf das Wohnungseigentum an Gebäuden in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Claudia Schubert Die Vormerkung – ein Instrument zur Sicherung des Erwerbs von Immobilien und beschränkt dinglichen Rechten an Grundstücken 115 Shuanggen ZHANG Probleme bei der Vormerkung im chinesischen Recht . . . . . . . . . . 125 Jan von Hein/Lydia Beil Gutgläubiger Erwerb von Immobilien im deutschen Recht . . . . . . . 133 Baoyu LIU Studie zur Rechtsnatur und Art der Schadenersatzhaftung des Registrierorgans für Eintragungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Dirk Looschelders Die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch . . . . . . . 173 Xiangxiang WU Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch in China – ein Versuch der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Torsten Körber Hypothek und Grundschuld als Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . 193 Hongliang WANG Die Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit über mit einem Pfandrecht belastete Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Maik Wolf Die Vermögenshaftung nach dem Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Hui HUANG Vom Rechtsideal zur Rechtspraxis – Diskussionsbericht über Voraussetzungen und Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines chinesischen Gesetzkommentars zum Zivilrecht und die Möglichkeiten einer deutsch-chinesischen Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Übersetzungen der Titel der zitierten chinesischen Gesetze, Interpretationen und Entscheidungshinweise des Obersten Volksgerichts 96 Ansichten des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Anwendung der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der VR China

《最高人民法院关于贯彻执行中华人民共和 国民法通则若干问题的意见 试行》

Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts

《民法通则》

Bestimmung des obersten Volksgerichts über die Arbeitsweise der Leitentscheidungen der VR

《关于案例指导工作的规定》

Bodenschätzeressourcengesetz

《矿产资源法》

Deliktshaftungsgesetz

《侵权责任法》

Ehegesetz

《婚姻法》

Erbrechtsgesetz

《继承法》

Erläuterung, Gesetzgebungszweck und zusammenhängende Regelungen des Sachenrechtsgesetzes der VR China

《中华人民共和国物权法:条文说明、立法 理由及相关规定》

Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der konkreten Rechtsanwendung bei der Behandlung von Streitfällen über Teileigentum an Gebäuden

《最高人民法院关于审理建筑物区分所有权 纠纷案件具体应用法律若干问题的解释》

Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu Fragen des Vertragsgesetzes II

《最高人民法院关于适用若干问题的解释(二)》

Erläuterungen zum Sicherungsrechts­ gesetz

《最高人民法院关于适用若干问题的解释》

Gerichtliche Interpretationen zu Fragen der Anwendbarkeit der Gesetze beim Rechtsfall über die Hausverwaltungsdienste

《最高人民法院关于审理物业服务纠纷案件 具体应用法律若干问题的解释》

Gesetz über einige Bestimmungen zur Feststellung des Grundstückseigentums und des Grundstücksnutzungsrechts

《确定土地所有权和使用权的若干规定》

X

Übersetzungen der Titel der zitierten chinesischen Gesetze

Gesetz über Gesellschaften

《公司法》

Gesetz zum Schutz der wilden Tiere

《野生动物保护法》

Gesetzgebungsgesetz der Volksrepublik China

《中华人民共和国立法法》

Interpretationen über die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes

《最高人民法院关于执行若干问题的解释》

Landverwaltungsgesetz

《土地管理法》

Lokale Immobilienregistrierungsver­ waltung der Provinz Zhejiang

《浙江省房屋产权产籍管理条例》

Maßnahme zur Registrierung der Wohnung

《房屋登记办法》

Maßnahme zur Regulierung des Wohnungsvorabkaufs des Bau­ ministeriums

《城市商品房预售管理办法》

Methoden der Grundeintragung

《土地登记办法》

Postgesetz

《邮政法》

Regulierung zu einigen Fragen über Verfahren in Eintragung der Gebäude

《房屋登记办法释义》

Sachenrechtsgesetz

《物权法》

Sicherungsrechtsgesetz

《担保法》

Staatshaftungsgesetz

《国家赔偿法》

Stellungnahme des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen zur Umsetzung der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts

《最高人民法院关于贯彻执行若干问题的意见》

Verfassung der Volksrepublik China

《中华人民共和国宪法》

Verordnung über Gebäuderegistrierung

《房屋登记办法》

Verordnung über Landregistrierung

《土地登记办法》

Verordnungen für die Übertragung des städtischen und kleinstädtischen staatseigenen Grundstücksnutzungsrechts

《城镇国有土地使用权出让和转让暂行条 例》

Vertragsgesetz

《合同法》

Verwaltungsverfahrensgesetz

《行政诉讼法》

Wäldergesetz

《森林法》

Wassergesetz

《水法》

Die einzelnen Gesetze können jeweils unter http://chinas-recht.de/inhalt.htm heruntergeladen werden.

Die Auslegung von Gesetzen als methodisches Problem Helmut Köhler

I. Einführung 1.  Die Gesetzesauslegung als Problem Gesetze werden erlassen, um das Zusammenleben der Menschen zu regeln. Um Regelungen zu treffen, muss sich der Gesetzgeber aber der Begriffe der Sprache bedienen, die in ihrem Bedeutungsgehalt unbestimmt oder mehrdeutig sein können. Auch das noch so sorgfältig gefasste Gesetz kann Zweifel über seinen Inhalt und seine Tragweite hervorrufen. Dies schon deshalb, weil der Gesetzgeber bei Abfassung des Gesetzes nicht überschauen oder vorhersehen kann, auf welche Fälle es möglicherweise Anwendung finden kann. Besonders gelagerte Ausnahmefälle können übersehen sein. Bei zunächst eindeutig erscheinendem Sinn kann durch spätere Änderung der rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen oder technologischen Verhältnisse ein Bedeutungswandel eingetreten sein oder es können Gesetzeslücken erkennbar werden. Je älter ein Gesetz ist, desto problematischer kann seine Anwendung werden. Können, um nur ein Beispiel zu nennen, die im 19. Jahrhundert für das BGB entwickelten Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen (§§  145 ff. BGB) auch im Zeitalter des Internets noch ohne Weiteres Geltung beanspruchen? Aus derartigen Zweifeln können Ungewissheit und Streit darüber erwachsen, was eine Regelung im Einzelnen bedeutet und welche Fälle sie erfasst. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Gesetzesauslegung. Ihr Ziel ist es, die Bedeutung und damit die Reichweite eines Gesetzes (oder einer einzelnen Rechtsnorm oder eines darin enthaltenen Begriffs) zu erschließen. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wer befugt ist, Gesetze mit verbindlicher Wirkung auszulegen und wie die Auslegung zu erfolgen hat. 2.  Die Befugnis zur Gesetzesauslegung Die Befugnis zur verbindlichen Gesetzesauslegung und damit zur Gesetzeskonkretisierung kann in den jeweiligen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt sein. Auch in Deutschland gab es dafür unterschiedliche Regelungsmodelle. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Vortrags. Nur so viel sei gesagt, dass bei Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich der für die Rechtsstreitigkeit zuständige

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Helmut Köhler

Richter zur Gesetzesauslegung befugt, aber auch verpflichtet ist. Es gilt das sog. Rechtsverweigerungsverbot. Eine Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens und zur Vorlage an ein anderes Gericht, das die Auslegungsfrage zu klären hat, besteht in Deutschland nur im Hinblick auf das Europäische Recht (Vorlage an den EuGH) und das Verfassungsrecht (Vorlage an das BVerfG).

II.  Die Notwendigkeit einer Methodenlehre zur Gesetzesauslegung Unserer heutigen Verfassung und Denkweise entspricht es, dass der Richter unabhängig ist, er also Auslegungsfragen nicht nach Weisung einer politischen Instanz zu entscheiden hat. Andererseits gilt für ihn das Willkürverbot. Er darf also Auslegungsfragen nicht willkürlich, nach seinem Belieben oder Gutdünken entscheiden. Vielmehr hat er seine Auffassung, wie eine Auslegungsfrage zu entscheiden ist, zu begründen. Das ist die Grundlage dafür, seine Entscheidung nachzuvollziehen und zu überprüfen. Dazu braucht der Rechtsanwender aber Wegweiser, Maßstäbe oder Grundsätze für die Auslegung des Gesetzes. Sie sollen ihm helfen, eine Lösung zu finden, die dem Willen des Gesetzgebers entspricht und zugleich als „gerecht“, „richtig“ oder „vernünftig“ anzusehen ist. Zugleich sollen sie ihm als Kontrolle für die „Richtigkeit“ seiner Auslegung im Einzelfall dienen. Diese Hilfen lassen sich als Methoden der Gesetzesauslegung bezeichnen. Sie sollten grundsätzlich von jedem Richter in gleicher Weise angewandt werden. Denn nur dies gewährleistet eine einheitliche und für die Rechtsunterworfenen (Bürger, Unternehmen) und ihre Anwälte berechenbare Rechtsanwendung (Rechtssicherheit).

III.  Die geschichtliche Entwicklung Das „Wie“ der Gesetzesauslegung steht nicht gleichsam naturgesetzlich fest. Vielmehr ist dies Gegenstand der Diskussion. Dementsprechend gibt es nicht „die Methodenlehre“ schlechthin. Vielmehr haben sich dazu im Laufe der Zeit unterschiedliche Auffassungen entwickelt. Diese Entwicklung kann hier nicht nachgezeichnet, sondern nur mit Stichworten dargestellt werden. Als einer der ersten deutschen Juristen, die sich mit Fragen der Gesetzesauslegung befassten, gilt Friedrich Carl von Savigny, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert lehrte. Eine eigentliche Methodenlehre entwickelte dann Friedrich Puchta, die unter dem Namen „Begriffsjurisprudenz“ bekannt wurde: Diese Lehre ging vom Recht als einem logisch aufgebauten System aus und glaubte mit Hilfe logisch-deduktiver Ableitungen aus Grundbegriffen und rechtlichen „Konstruk-

Die Auslegung von Gesetzen als methodisches Problem

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tionen“ Antworten auf bestehende Auslegungsfragen gewinnen zu können. Sie wurde später abgelöst durch die sog. „Interessenjurisprudenz“ von Philipp Heck, die hinter den Begriffen bestimmte Interessen erblickte und auf dieser Grundlage Antworten zu gewinnen versuchte. Eine radikal andere Sichtweise vertrat die sog. Freirechtsschule (u. a. Hermann Kantorowicz), die die Gesetzesauslegung weitgehend von dem Willen und dem Rechtsgefühl des Richters abhängig machte. Seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wandte sich die deutsche Rechtswissenschaft verstärkt der sog. „Wertungsjurisprudenz“ (u. a. Harry Westermann, Karl Larenz) zu. Ihr Anliegen ist es, bei der Auslegung von Gesetzen in erster Linie danach zu fragen, wie der Gesetzgeber in seinen Regelungen bestimmte Interessenkonflikte bewertet hat, um daraus Antworten auf offene Fragen zu gewinnen.

IV.  Gesetzliche Auslegungsregelungen und richterrechtliche Auslegungsgrundsätze 1.  Vorrang gesetzlicher Auslegungsregeln Soweit der Gesetzgeber selbst Anordnungen getroffen hat, wie ein Gesetz auszulegen ist, sind diese Regeln selbstverständlich zu beachten, wobei natürlich auch solche Auslegungsregeln des Gesetzgebers ihrerseits wieder auslegungsbedürftig sein können. 2.  Richterrechtliche Auslegungsregeln Fehlen – wie zumeist – Auslegungsregeln des Gesetzgebers, so muss der Richter grundsätzlich selbst entscheiden, nach welchen Methoden er ein Gesetz auslegt. Wenngleich in den Einzelheiten vieles umstritten ist, so hat sich doch heute in Deutschland eine gewisse Grundübereinstimmung in der Frage nach den Methoden der Gesetzesauslegung herausgebildet. Sie stellt gewissermaßen eine „Auswertung“ der Denkanstöße und Meinungsströmungen vergangener Zeiten dar. Von dieser Grundübereinstimmung lassen sich auch die obersten Gerichte in Deutschland, also das Bundesverfassungsgericht und die obersten Gerichte des Bundes, insbesondere der Bundesgerichtshof, leiten. Selbst der Europäische Gerichtshof hat sich davon inspirieren lassen. Dies schließt es nicht aus, dass die Gerichte bereit sind, in gewissen Grenzen neue Denkansätze zu übernehmen (z.  B. die „ökonomische Analyse des Rechts“).

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V.  Das Ziel der Gesetzesauslegung Der Frage nach den Methoden der Gesetzesauslegung vorgelagert ist die Frage nach dem Ziel der Gesetzesauslegung: Darüber bestand und besteht keine völlige Einigkeit. Wie so häufig stehen sich dabei eine objektive und eine subjektive Theorie gegenüber. Nach der subjektiven Theorie ist das Ziel der Gesetzesauslegung die Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers. Je älter ein Gesetz ist und je stärker sich die Verhältnisse seit Schaffung des Gesetzes geändert haben, desto weniger kann es aber allein auf die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers ankommen. Vorherrschend ist daher die objektive Theorie. Danach ist der im Zeitpunkt der Gesetzesanwendung maßgebende Sinn des Gesetzes zu ermitteln.1 Bei der Ermittlung des Sinngehalts darf sich der Rechtsanwender also nicht ausschließlich von den Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers leiten lassen, sondern er muss darüber hinaus auch die zwischenzeitliche Entwicklung von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft sowie die Änderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse berücksichtigen.2

VI.  Die „klassischen“ Methoden der Gesetzesauslegung 1. Überblick Ausgehend von dieser Zielsetzung stehen dem Rechtsanwender vier Auslegungsmethoden nebeneinander zur Verfügung.3 Um ihre Funktionsweise in der Praxis zu verdeutlichen, will ich eine Vorschrift aus dem Deliktsrecht, nämlich die Haftung des Tierhalters nach §  833 BGB, herausgreifen und ihre Anwendung in einem konkreten Fall verdeutlichen: a)  Die Rechtsnorm „§  833 BGB. Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beob  BVerfG 17.05.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126 (130).   Vgl. BGH 04.10.1982 – GSZ 1/82, BGHZ 85, 64 (67 f.). 3   Vgl. BGH 30.06.1966 – KZR 5/65, BGHZ 46, 74 (76); BVerfG 09.05.1978 – 2 BvR 952/75, BVerfGE 48, 246 (256). 1 2

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achtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.“ b)  Der Fall Ein Bienenschwarm des Imkers A hatte ein Pferd des B überfallen und es durch Bienenstiche getötet. B verlangte von A Schadensersatz nach §  833 S.  1 BGB. A berief sich auf den Haftungsausschluss des §  833 S.  2 BGB für die Halter von Haustieren.4 c)  Die Auslegungsfragen Um §  833 S.  1 BGB anzuwenden, sind mehrere Fragen zu klären: (1) Fällt die Tötung eines Tiers unter §  833 S.  1 BGB? (2) Ist ein Imker „Tierhalter“? (3) Ist die Biene eine „Haustier“? (3) Dienen die Bienen dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters? (4) Hat der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt? 2.  Die grammatikalische Auslegung Die grammatikalische Auslegung setzt am Gesetzeswortlaut an und fragt nach dem Wortsinn, wie er sich aus dem allgemeinen oder speziell juristischen Sprachgebrauch und den Regeln der Grammatik ergibt. Der noch mögliche Wortsinn legt zugleich die Grenzen zulässiger Auslegung fest, jenseits derer die Lückenfüllung oder Rechtsfortbildung beginnt. (In anderen Rechtsordnungen wird dies noch als Teil der Auslegung angesehen.) Beispiel: Im „Bienenfall“ ist zu klären, ob die Tötung eines Pferds im Rechtssinne eine „Beschädigung einer Sache“ ist. Hier handelt es sich um einen juristischen Fachbegriff, der in §  90 BGB als „körperlicher Gegenstand“ definiert ist. Ein Pferd ist nach §  90a S.  1 BGB an sich keine Sache. Aber nach §  90a S.  3 BGB sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Daher kann §  833 BGB analog angewendet werden. Weiter ist zu klären, ob eine Biene ein „Haustier“ i.  S.  d. §  833 S.  2 BGB ist. Bei der Auslegung dieses Begriffs ist auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch abzustellen. Danach gehören zu den Haustieren nur solche Tiere, die „der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluss des Halters unterstehen“. Da diese Möglichkeit bei Bienen nicht besteht, sind sie nicht als Haustiere anzusehen.

  Vgl. RG 19.11.1938 – VI 127/38, RGZ 158, 388.

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3.  Die systematische Auslegung Die systematische Auslegung fragt nach dem Sinnzusammenhang, in den der Rechtssatz oder der einzelne Rechtsbegriff hineingestellt ist. Ihr Ziel ist es, die innere Kohärenz eines Gesetzeswerks und damit die Widerspruchsfreiheit zu gewährleisten. Sie ist insbesondere bei einem systematisch aufgebauten Gesetzeswerk, wie dem BGB, hilfreich. Beispiel: Wenn §  833 S.  2 BGB von der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt spricht, ist das im gleichen Sinne zu verstehen wie bei §  276 Abs.  2 BGB. 4.  Die historische Auslegung Die historische Auslegung fragt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes und greift dabei auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (Gesetzesmaterialien usw.) zurück. Beispiel: Die Haftungserleichterung des §  833 S.  2 BGB bezieht sich nur auf solche Haustiere, die „dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt“ sind. Um dies zu konkretisieren, ist ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des §  833 S.  2 BGB hilfreich, der vor allem eine Entlastung der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe bezweckt. 5.  Die teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung fragt nach dem Zweck des Gesetzes („ratio legis“). Dahinter steht die Erwägung, dass jedes Gesetz eine gerechte und sachgemäße Regelung, insbesondere einen angemessenen Interessenausgleich bewirken soll. Der Zweck des Gesetzes lässt sich zumeist aus der Entstehungsgeschichte erschließen. Bei europäischen Rechtsnormen ergibt er sich aus den in das Gesetz aufgenommenen Erwägungsgründen. Finden sich darin keine konkreten Anhaltspunkte, ist die „ratio legis“ dem zu entnehmen, was vernünftigerweise mit der Regelung bezweckt sein kann. Ziel der teleologischen Auslegung ist es daher, ungerechte und sachwidrige Ergebnisse zu vermeiden. Beispiel: §  833 S.  1 BGB legt die Haftung für das Verhalten eines Tiers demjenigen auf, der „das Tier hält“ (sog. „Tierhalter“), ohne diesen Begriff zu definieren. Es wäre nicht sachgemäß, diese strenge Haftung jedem aufzuerlegen, der – wie

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etwa der Finder – das Tier nur kurzfristig und in fremdem Interesse in seine Obhut übernimmt. Die Haftung kann vernünftigerweise nur dem auferlegt werden, der über das Tier im eigenen Interesse eine nicht nur vorübergehende Herrschaft ausübt. Denn er ist am ehesten in der Lage, das Risiko durch vorbeugende Maßnahmen zu beherrschen und etwa durch Abschluss einer Versicherung aufzufangen. In den gedanklichen Zusammenhang der teleologischen Auslegung gehört auch das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Prinzip der praktischen Wirksamkeit einer Rechtsnorm („effet utile“). Eine Norm soll so ausgelegt werden, dass sie nach Möglichkeit ihre praktische Wirksamkeit entfalten kann. 6.  Das Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander Die genannten vier Auslegungsmethoden stehen zueinander im Verhältnis der wechselseitigen Ergänzung.5 Das Schwergewicht liegt jedoch auf der teleologischen Auslegung. Je nachdem, ob danach ein Begriff weit oder eng auszulegen ist, spricht man von weiter (extensiver) oder enger (restriktiver) Auslegung. Auch die sachgerechte Anwendung der Auslegungsmethoden garantiert freilich nicht stets ein eindeutiges, allein „richtiges“ Ergebnis. In jede Auslegung fließt vielmehr ein Element persönlicher Wertung und Entscheidung hinein. Freilich darf der Richter, wenn er das Gesetz auslegt, nur solche Wertungskriterien in seine Entscheidung aufnehmen, die in der Rechtsordnung und ihrem „inneren System“ vorgezeichnet sind. Dies ist der Sinn der Bindung des Richters an das Gesetz. 7.  Die Berücksichtigung ranghöherer Rechtsnormen bei der Auslegung Die Auslegung eines Gesetzes hat sich darüber hinaus an übergeordneten Rechtsnormen zu orientieren. Dies kann man als Anwendungsfall der systematischen Auslegung bezeichnen. Zu den übergeordneten Rechtsnormen gehört in Deutschland die Verfassung (Grundgesetz). Lässt ein Gesetz mehrere Auslegungen zu, ist diejenige vorzuziehen, die der Wertentscheidung der Verfassung als dem ranghöheren Gesetz besser entspricht (sog. „verfassungskonforme Auslegung“). 6 Hinzu kommt der Vorrang europäischer Rechtsnormen vor dem nationalen Recht. Bei Gesetzen, die zur Umsetzung einer „Richtlinie“ der Europäischen Union geschaffen wurden, ist die Auslegung vorzuziehen, die dem Inhalt der Richtlinie in der ihr vom Europäischen Gerichtshof gem. Art.  267 Abs.  1 AEUV gegebenen Auslegung entspricht (sog. „richtlinienkonforme Auslegung“).7   BVerfG 17.05.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126 (130).   Vgl. BGH 04.05.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 24 (27). 7   BGH 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427 Rn. 19 ff. 5 6

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VII.  Die Rechtsfortbildung 1.  Die Ausfüllung von Gesetzeslücken Kein Gesetz ist in dem Sinne vollständig, dass es auf jede denkbare Rechtsfrage bei seiner Anwendung eine Antwort gäbe. Die auch nach Auslegung verbleibenden „Gesetzeslücken“ sind dabei aus den Grundprinzipien des Gesetzes heraus auszufüllen („gesetzesimmanente Lückenfüllung“). Hierbei handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht mehr um Gesetzesauslegung, sondern um Rechtsfortbildung, wenngleich natürlich die Grenzen fließend sind. a) Analogie Enthält ein Gesetz für einen bestimmten Fall keine Regelung (sog. offene Lücke), wohl aber für einen ähnlichen Fall, entspricht es dem Gebot der Gleichbehandlung, die Regelung auch auf jenen Fall zu erstrecken. Dieses Verfahren bezeichnet man als Analogie. Ob die Ähnlichkeit so weit geht, dass eine Analogie geboten ist, bestimmt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Beispiel: Nach §  179 Abs.  1 BGB haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht dem Vertragspartner nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz. Ratio legis ist der Gedanke, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht das Vertrauen des anderen hervorruft und enttäuscht. 8 Sie gebietet die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Boten und auf den unter fremden Namen Handelnden.9 Stets setzt die Analogie eine – gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers – „planwidrige Unvollständigkeit“ der gesetzlichen Regelung voraus.10 Anstelle der Analogie ist daher ein Umkehrschluss (argumentum e contrario) vorzunehmen, wenn der Gesetzgeber bewusst eine Rechtsfrage nicht in einem bestimmten Sinne geregelt hat. b)  Teleologische Reduktion Die gesetzliche Regelung kann sich auf einen Fall erstrecken, auf den die ratio legis nicht zutrifft. Dann liegt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vor.11 In diesem Fall entspricht es dem Gebot, Ungleiches ungleich zu behandeln, diesen Fall vom Anwendungsbereich der Norm auszunehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Zweck einer ande  Vgl. BGH 08.02.1979 – VII ZR 141/78, BGHZ 73, 266 (269).   Vgl. BGH 03.03.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193 (195). 10   BGH 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174). 11   Dazu BGH 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22. 8 9

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ren Norm die Einschränkung gebietet. Dieses Verfahren bezeichnet man als „teleologische Reduktion“. 2.  Das Verbot der Auslegung contra legem Die Auslegung einer Rechtsnorm findet ihre Grenze im verfassungsrechtlichen Verbot des „Judizierens contra legem“, nämlich einer Auslegung, die mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch steht und seine Wertung verfehlen oder verfälschen würde.12 3.  Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Die Gerichte sind nach Art.  20 Abs.  3 GG an „Gesetz und Recht“ gebunden. Der Begriff des Rechts umschließt mehr als die Summe der Gesetze, ist andererseits nicht gleichbedeutend mit einem „Naturrecht“. Er erfasst vielmehr die Rechtsprinzipien, die aus der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen fließen und gegenüber dem geschriebenen Gesetz als Korrektiv wirken können. Daraus ergibt sich aber zugleich die Ermächtigung für den Richter, sich über das Gesetz hinwegzusetzen, wenn das „Recht“ es fordert.13 Eine Rechtsfortbildung contra legem kommt freilich nur in ganz seltenen Ausnahmefällen in Betracht, da die Bindung des Richters an das Gesetz unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist. Die bloße Unzweckmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung ist noch kein Grund, sich über sie hinweg­ zusetzen. Der Richter darf nicht seine eigenen rechtspolitischen Erwägungen verwirklichen, sondern muss insoweit die Entscheidung des Gesetzgebers respektieren.14 Voraussetzung der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist vielmehr ein unabweisbares Bedürfnis nach einer Regelung, die sich dem Gesetz nicht entnehmen lässt, andererseits aber den Wertvorstellungen der Verfassung entspricht.

VIII.  Die Methoden der Gesetzesauslegung in der deutschen Juristenausbildung Ziel der Juristenausbildung an deutschen Universitäten ist es seit jeher, die Studierenden in der Gesetzesauslegung zu schulen. So gibt es nahezu an allen größeren Juristischen Fakultäten in Deutschland spezielle Vorlesungen zur Methodenlehre, zumindest wird in den Einführungsveranstaltungen die Methodenlehre mitbehandelt. Der juristische Unterricht in den einzelnen Disziplinen ist   Vgl. BVerfG 25.01.2010 – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193.   Vgl. BVerfG 14.02.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225). 14   Vgl. BVerfG 25.01.2010 – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193 Rn. 52. 12 13

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immer zugleich darauf gerichtet, den Inhalt gesetzlicher Regelungen im Wege der Auslegung verständlich zu machen. Deutsche Studenten lernen keine Gesetze auswendig, sondern werden darin geschult, anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Gesetzestexte mit den Regelungen umzugehen und dementsprechend die Regelungen auszulegen. Im Hinblick auf die Freiheit der akademischen Lehre ist jeder Hochschullehrer darin frei, seine eigene Sichtweise der Methodik der Gesetzesauslegung darzulegen. Jedoch wird er zumindest darlegen, von welchen Auslegungsgrundsätzen sich die Gerichte und die Mehrheit der Hochschullehrer leiten lassen. Eine wirkliche Kontroverse in Fragen der „richtigen“ Gesetzesauslegung, wie es sie unter dem Einfluss politischer Strömungen in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab, ist derzeit nicht zu verzeichnen.

IX.  Zusammenfassung und Bewertung Derzeit herrscht in der deutschen Rechtsprechung und Lehre weitgehende Übereinstimmung darüber, nach welchen Methoden Gesetze auszulegen sind. Es sind dies die klassischen Methoden der grammatikalischen, systematischen, historischen und vor allem teleologischen Auslegung. Sie ergänzen einander, jedoch besitzt die teleologische Auslegung im Zweifel Vorrang. Diese Konzeption hat sich im Ganzen bewährt. Sie garantiert zwar keine richtige, eindeutige und jedermann überzeugende Gesetzesauslegung. Daher wurde auch kritisiert, die herkömmlichen Auslegungsmethoden würden dem Richter nur dazu dienen, ein von ihm vorher nach seinem „Rechtsgefühl“ oder „Vorverständnis“ (Josef Esser) als richtig angesehenes Auslegungsergebnis zu rechtfertigen. Das mag im Einzelfall so sein, ermöglicht es jedoch dem Richter zumindest, seine subjektiv gefundene Auslegung anhand dieser Maßstäbe zu überprüfen. Vor allem aber zwingen die genannten Auslegungsmethoden den Richter dazu, sein Auslegungsergebnis rational zu begründen. Das dient der Verständlichkeit des Rechts und der Rechtssicherheit. Zugleich ist dies die Grundlage für eine Überprüfung der „Richtigkeit“ und gegebenenfalls einer Korrektur des Auslegungsergebnisses.

Der Wille des historischen Gesetzgebers bzw. der objektive Gesetzessinn am Beispiel der Entwicklung des Eigentumsbegriffs im deutschen und chinesischen Recht Franz Jürgen Säcker

I.  Das lückenhafte Gesetz und das lückenlose Urteil Eine Wissenschaft der Auslegung, d. h. eine wissenschaftliche „Hermeneutik“, kann es nur geben, wenn es eine Methode gibt, mit deren Hilfe die Objektivität einer aus einem Text abgeleiteten Aussage überprüfbar ist. Der Richter hat nach dem Rechtsverweigerungsverbot1 Antworten allerdings auch dazu geben, wo die Erkenntnisquelle des Juristen, das Gesetz, eine Antwort schuldig bleibt. Der Richter hat bei Schweigen des Gesetzes kein Redeverbot gemäß dem wissenschaftstheoretischen Prinzip: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen“ (Wittgenstein), sondern der Richter muss fallbezogen die Antwort geben, die der Gesetzgeber gegeben hätte, wenn er das Problem gesehen und nicht geschwiegen hätte. Da der Richter im Gegensatz zum Gesetzgeber seine Entscheidung begründen muss, muss er den von ihm aufgestellten gesetzesergänzenden Sollenssatz angeben, der seine konkrete Entscheidung trägt.2 Der Glaube an das Dogma, dass das Gesetz auf alle in der Realität sich stellenden Sachverhalte Antworten bereithält, ist heute ebenso überwunden  3 wie der, der Gewaltenteilungslehre Montesquieus 4 zugrunde liegende, Glaube daran, dass der Urteilsinhalt immer derselbe sei, gleichgültig, welcher Jurist ihn ausspreche. Die Gesetze geben auf viele Fragen keine, auf viele Fragen nur vage, generalklauselartig formulierte Antworten; sie sind mit Leerformeln und Formelkompromissen übersät.5 Viele Normen verdanken ihre Entstehung daher richterlicher Fortbildung des Rechts. Es handelt sich bei ihnen nicht um juristi  Vgl. dazu Ekkehard Schumann, Das Rechtsverweigerungsverbot, ZZP 81 (1968) 83 ff.   Näher dazu Franz Jürgen Säcker, Die Konkretisierung vager Rechtssätze durch Rechtswissenschaft und Praxis, ARSP 58 (1972) 215 ff. 3   Vgl. dazu die Nachweise bei Claus Wilhelm Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.  Aufl. 1983, 17 ff. 4   Charles de Montesquieu, De l’esprit des lois, Tome premier (1769) liv. XI, chap. VI, 271; der Richter sei nichts anderes als „la bouche, qui prononce les paroles de la loi“. 5   Näher zum Folgenden Franz Jürgen Säcker, Zur demokratischen Legitimation des Richter- und Gewohnheitsrechts, ZRP 1971, 145 ff. 1 2

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sche „Entdeckungen“6 i. S. einer Entbergung von im Gesetz verborgenen Weisheiten, sondern um gesetzesergänzendes Richterrecht. Der Richter kennt die Grenzen des vom Gesetz erhobenen Regelungsanspruchs, die sich auch bei noch so fleißigem Lesen des Gesetzestextes und Nachdenken über seinen Sinn nicht erweitern lassen. Gesetzliche Wertungen können nur da binden, wo sie vorhanden sind. „Die Dringlichkeit einer Frage kann keine Antwort erzwingen, sofern keine wahre zu erlangen ist; weniger noch kann das fehlbare Bedürfnis, auch nicht das verzweifelte, der Antwort die Richtung weisen.“ 7 Diese Einsicht beherrscht seit Überwindung der Begriffsjurisprudenz durch die Interessenjurisprudenz  8 die juristische Methodenlehre; ihr ist bewusst, „dass ein sehr großer Teil, vielleicht der weitaus größte Teil der zweifelhaften Rechtsfragen, auf dem Vorhandensein von Gesetzeslücken beruht“.9 Alles andere wäre romantische Selbsttäuschung.10 Die moderne Methodenlehre und Rechtspraxis verzichten daher auf formal-begriffsjuristisches Argumentieren11 und versuchen nicht mehr, den Anschein zu erwecken, man könne, wenn man einen Gesetzestext nur gründlich genug lese, aus ihm für jeden Fall eine Lösung herauslesen.12 Texte können semantisch nicht mehr hergeben, als in sie hineingedacht ist. In Wahrheit geht es darum, notwendige Fortbildungen des Gesetzes, wenn der alte Normtext bestimmte Probleme nicht regelt, offen zu erörtern und sach- und systemgerechte Lösungen neu zu entwickeln. Wir brauchen, wie Popper zu Recht festgestellt hat, beides: die Rechtssicherheit der alten Texte und die Gerechtigkeit, der sich die richterliche Rechtsfortbildung verpflichtet weiß. Es muss invariante Gesetze, die Rechtssicherheit garantieren, geben und gleichwohl, wenn nötig, Neuerungen, da die bestehenden Gesetze nie hinlänglich komplett sind.13 Linguistisch gibt es keine hermeneutisch-dialektisch zu entdeckende Wahrheit, die als Antwort auf neue Problemlagen einem Text verstehend entnommen und anderen als allein richtig mitgeteilt werden kann. Die Situationsbezogen6  Vgl. Hans Dölle, Juristische Entdeckungen, Kongressvortrag aus Deutscher Juristentag 42, Bd. 2 (1957) B1–22. 7   Theodor W. Adorno, Negative Dialektik (1966) 209. 8   Vgl. dazu eingehend Eugen Bucher, Was ist „Begriffsjurisprudenz“?, ZBernJV 102 (1966) 274 ff.; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2.  Aufl. 1967, 433 ff. 9   Philipp Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz (1914) 174. 10   Rafael Gutiérrez Giradot, Ist Rechtsphilosophie überhaupt noch möglich?, ARSP 51 (1965), Beiheft 41, 155 ff.; näher dazu Franz Jürgen Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 6.  Aufl. 2012, Einl. Rn.  81 ff. 11   Georg Friedrich Puchta, Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1 (1828) 144 ff. 12   Josef Esser, Dogmatik zwischen Theorie und Praxis, in: FS Ludwig Raiser (1974) 517 ff., 525: „Die Begriffe ergeben nicht mehr, als in sie hineingedacht worden ist. Der Syllogismus funktioniert nicht schon durch die Garantie des logischen Denkens, sondern erst durch die Vollständigkeit der Prämissen, die mit der Kasuistik ergänzt und abgewandelt werden müssen.“ 13  Vgl. Karl Popper/ John C. Eccles, The Self and Its Brain (1977) 25.

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heit der hermeneutischen Wahrheit ist – so Gadamer – „so grundlegend, dass das Erkennen eines endlichen Wesens nie nach allen Seiten hin gesichert werden kann“. Das Moment der Produktivität des Verstehens tritt somit in sein volles Recht und gewinnt Einlass in die Wahrheitsproblematik. Die moderne subjektive Interpretationstheorie trägt dem Rechnung, indem sie den Geltungsanspruch des Gesetzes nicht über dessen semantische Bedeutung hinaus ausdehnt,14 sondern die Rolle des Richters anerkennt, der ein Problem entscheiden muss, das der Gesetzgeber nicht gesehen bzw. nicht geregelt hat.15 So handelt es sich z.  B. beim Eigentumsrecht um ein Grundrecht, das gemäß Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG der gesetzlichen Regelung bedarf. Der Gesetzgeber hat Inhalt und Schranken des Eigentums unter Beachtung der Grundentscheidung der Verfassung für den Schutz des Eigentums festzulegen. Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsbereich, der nach den persönlichen und sozialen Funktionen des Eigentumsobjekts zu konkretisieren ist.16 Der weite Spielraum der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums wird besonders beim Schutz des Anteilseigentums deutlich. Der verfassungsrechtliche Schutz des Anteilseigentums umfasst zwar nicht nur die vermögensrechtliche Stellung des Aktionärs, sondern auch dessen mitgliedschaftsrechtliche Stellung. Der Umfang der Mitgliedschaftsrechte richtet sich dabei aber nach dem Inhalt des einfachen Gesellschaftsrechts, u. a. danach, ob es sich um eine werbende Gesellschaft oder um eine in der Insolvenz befindliche Gesellschaft handelt. Im Einzelnen ist hier vieles streitig. Das gilt z.  B. auch für die Frage, ob der Eigentumsschutz auch die Baufreiheit schützt. Für die einen ist die Baufreiheit Ausübung der Nutzungsbefugnis des Eigentümers; für die anderen ist die Befugnis zur baulichen Nutzung des Grundstücks eine Rechtsposition, die nicht im Eigentum wurzelt, sondern durch das öffentliche Recht den Eigentümern konstitutiv zugeteilt wird.17

II.  Die das Schweigen des Gesetzes überwindende Rechtsfortbildung Die vorstehende analytische Beschreibung der faktisch unentrinnbaren Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume des Rechtsanwendungsstabs ist als sol  Arnold Brecht, Politische Theorie (1961) 136 ff., 219 ff., 336.   Es geht der subjektiven Auslegungstheorie gerade nicht um die Erweiterung des normativen Aussagegehalts, sondern um die Ermittlung der mit der Norm verbundenen realen Intention des Gesetzgebers. 16   Vgl. näher Reinhard Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, Vorbm §  9 03 Rn.  1; MüKo BGB/Säcker (Fn.  10) §  9 03 Rn.  15. 17  Vgl. zum Streitstand Joachim Wieland, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2.  Aufl. 2004, Art.  14 Rn.  40; MüKo BGB/Gaier (Fn.  16) §  9 03 Rn.  26. 14

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che methodologisch wertfrei, hat aber gleichwohl politische Implikationen. Der Rechtsanwendungsstab muss seine Entscheidung, soweit sie sich nicht aus dem Gesetz ergibt, durch die Kraft der Begründung an Gesetzgebers Statt legitimieren, d. h. die materiale Verantwortung für die Gerechtigkeit des Ergebnisses übernehmen. Eine Schuldzuweisung an den Gesetzgeber ist nicht möglich. Der konservativ orientierte Jurist verbindet mit der geisteswissenschaftlichen Interpretationsmethodik allerdings immer noch die Hoffnung, dass der Umfang richterrechtlicher Neuerungen bei äußerlichem Festhalten an der geisteswissenschaftlichen Interpretationstheorie geringer sein werde als bei offener Rechtsfortbildung. Er hofft, dass der gesellschaftliche und ökonomische Status quo sich auf diesem Wege besser aufrechterhalten lässt als bei offener Anerkennung einer richterlichen Rechtsfortbildungsbefugnis.18 Die Wahl einer bestimmten Methodologie ist nie völlig frei von politischen Fernwirkungen. Für konservative Juristen ist die Anerkennung einer offenen Rechtsfortbildungsbefugnis mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar. Für an der Realität des Rechtsgewinnungsprozesses orientierte, auf Scheinbegründungen verzichtende Juristen ist dies dagegen die Grundlage, neue rechtspolitische Lösungen im Rahmen der Lücken des Gesetzes zu erreichen.19 Die Offenheit der Interpretation bei Schweigen des Gesetzes bedeutet nun nicht, dass jede beliebige Interpretationshypothese berechtigt ist. Der Text ist keine Spielwiese für unbegrenzte Semiose und unendliche Interpretationsspiralen.20 Interpretation sucht nach der intentio auctoris (der Absicht des Textautors), nicht nach der intentio lectoris (der Absicht des Interpreten), der den Text selbstherrlich so lange zurechtklopft, bis er den Inhalt annimmt, den der Interpret für seine Zwecke braucht. Es geht um Auslegung, nicht um kreative Benutzung des Textes für außertextuelle Zwecke.21 Wissenschaftliche Interpretation ist keine konstruktivistische Rechtfertigungslehre, die jede beliebe Interpretation autorisiert; sie dient mangels entsprechender Möglichkeit dazu auch nicht der Legitimierung der „guten“ Interpretation, sondern der Delegitimierung der „schlechten“; es geht um die Zurückweisung voreiliger Inanspruchnahme und Vereinnahmung des Textes.22 Vom Standpunkt der inneren Kohärenz ist eine Interpretation nur dann akzeptabel, wenn sie von einer anderen Stelle des Gesetzes nicht in Frage gestellt wird, sondern in einer vom Gesamttext her kohärenten Weise Sinn macht.23 Die Theorie der Auslegung hat der Gefahr zu begeg-

  John Rawls, Theorie der Gerechtigkeit (1993).   Vgl. dazu zutreffend Dieter Reuter, Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, RdA 1985, 321 (323). 20   Jacques Derrida, Grammatologie (1996). 21   Vgl. dazu Umberto Eco, Die Grenzen der Interpretation (1995) 47 ff. 22  Vgl. Popper/Eccles, Self (Fn.  13) 431. 23   Vgl. dazu Umberto Eco, Lektor in fabula (1992). 18 19

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nen, dass der Interpret glaubt, jeden beliebigen Weg einschlagen zu dürfen, weil er das Gefühl hat, alles sei erlaubt, wenn man es nur geschickt begründe.24 Trotz aller Unsicherheit, die mit der Lektüre des Gesetzestextes häufig verbunden ist, darf der Jurist sich aber nicht zum souveränen Textproduzenten aufschwingen; er ist und bleibt auch gegenüber einer altehrwürdigen Norm Textrezipient.25 Die Interpretationskompetenz berechtigt nicht zu beliebigen Aussagen über den Gesetzesinhalt; sie verbietet das bewusste Misreading. Auslegung ist eine an Regeln gebundene, entziffernde „regulierte Transformation dessen, was bereits geschrieben worden ist“26 . Umberto Eco27 stellt daher zu Recht fest, dass in vielen Fällen niemand daran zweifelt, dass eine bestimmte Interpretation unhaltbar ist. „Würde Jack the Ripper uns sagen, er habe seine Taten aufgrund einer Inspiration begangen, die ihn beim Lesen des Evangeliums überwältigte, so würden wir zu der Ansicht neigen, er habe das Neue Testament auf eine Weise interpretiert, die zumindest ungewöhnlich ist.“ Eco fügt hinzu: „Man wird angesichts der Ergebnisse seines Misreadings nicht sagen können, Jack sei das Vorbild, anhand dessen man Studenten erklären sollte, wie man mit einem Text umgeht.“ Ein Jurist handelt nicht gerecht und verantwortungsbewusst, wenn er sich auf kein Recht bezieht und keine Regel für vorgegeben hält, vielmehr frei von allen Regeln und Prinzipien judiziert.28 Das Bundesverfassungsrecht gibt dem Grundeigentümer nur das Recht, sein Grundstück „im Rahmen der Gesetze“ zu bebauen.29 Besonders umstritten ist, ob das Eigentumsrecht auch das Recht des Wohnungsmieters zum Besitz einschließt. Das Bundesverfassungsgericht30 hat dies bejaht mit der Begründung, dass eine dem Sacheigentum vergleichbare rechtliche Zuordnung der Wohnung zum Mieter bestehe (§§  861, 862 BGB) und diesem Schadensersatzansprüche bei der Verletzung des Rechts zum Besitz als einem sonstigen Recht i. S. von §  823 Abs.  1 BGB zustünden. Das Bundesverfassungsgericht hat damit ein Teileigentum zwischen Vermieter und Mieter „erfunden“, das dem BGB fremd ist. Für den Gesetzgeber des BGB ist wesent Vgl. Jacques Derrida, Le Facteur de la Vérité, in: Poétique Bd. 21 (1975) 96 ff.  Vgl. Paul Ricœur, Die Interpretation (1969) 33 ff.; Derrida, la Vérité (Fn.  24) 96 ff.; gegen die von Charles S. Peirce vertretene Theorie der unendlichen Interpretation. 26   Michel Foucault, Archäologie des Wissens (1981) 200; Ulla Haselstein, Entziffernde Hermeneutik (1991). 27   Eco, Interpretation (Fn.  21) 78; ferner Nicola Rowe, Recht und sprachlicher Wandel (1999) 31 ff. 28   Jacques Derrida, Gesetzeskraft, Der „mystische Grund der Autorität“ (1991) 48. 29   BVerfG 19.06.1973 – 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263 (276); BVerfG 22.05. 2001 – 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97, BVerfGE 104, 1 (11); dazu Peter Badura, in: Bänder/ Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2.  Aufl. 1994, 685. 30   BVerfG 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (5 f.); kritisch dazu: Horst Sendler, Unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte durch die Hintertür?, NJW 1994, 709; Otto Depenheuer, Der Mieter als Eigentümer?, NJW 1993, 2561. 24

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licher Inhalt des Eigentums ein exklusives, alle Personen ausschließendes Verfügungs- und Nutzungsrecht. Fallen Verfügungs- und Nutzungsrecht (zeitweise) auseinander, wie es bei der Vermietung einer Sache der Fall ist, so entsteht kein in zwei einander komplementär ergänzende Sphären funktionell geteiltes, in Ober- und Untereigentum zerfallendes Eigentum. Es verbleibt vielmehr nach der Dogmatik des BGB beim ungeteilten Eigentum, aus dem lediglich einzelne Befugnisse in Form von beschränkt dinglichen Rechten (iura in re aliena) abgespaltet werden können. Dies entspricht dem klassischen römisch-rechtlichen Eigentumsbegriff, nach dem zwei Personen nicht gleichzeitig mit getrennten Befugnissen Eigentümer sein können (Digesten 13.6.5.15). Eigentum ist immer „dominium plenum“. Das Bundesverfassungsgericht hat den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff dagegen wesentlich weiter ausgedehnt und ihn auch auf schuldrechtliche Nutzungsbefugnisse erstreckt und so dadurch die Sozialpflichtigkeit des „klassischen“ Eigentümers konkretisiert. Für den BGB-Gesetzgeber wäre dies unvorstellbar gewesen. Hier zeigt sich, wie die Begriffe des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den Wandel offen sind.

III.  Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung Entspricht der konkret zu beurteilende Sachverhalt keinem der durch gesetzgeberische Wertentscheidung geregelten Sachverhaltstypen,31 so entscheidet der Richter über den ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall nicht aufgrund einer heteronom bestimmten Kognition, sondern letztlich aufgrund autonomer Dezision,32 auch wenn er im Vergleich zu den in Betracht kommenden Entscheidungsalternativen 33 das Urteil fällt, das sich am besten in das Gefüge der bestehenden normativen Wertentscheidungen einfügt. Das Schweigen des Gesetzes kann nicht mittels „objektiver“ Auslegung überbrückt werden. Die objektive Auslegung ist subjektiv; sie transportiert die Vorverständnisse des Interpreten in den auszulegenden Text und verdeckt damit den Umstand, dass der Interpret „klüger“ ist als der Textautor. Zutreffend verdeutlicht Gadamer 34 diesen Sachverhalt mit den Worten: „Der Text bringt eine Sache zur Sprache, aber dass er das tut, ist am Ende die Leistung des Interpre Vgl. Kaarle Makkonen, Zur Problematik der juristischen Entscheidung (1965) 207.   Das BAG AP HausarbeitstagsG NRW §  1 Nr.  19 spricht von „Willensentscheidung“; ähnlich bereits RG JW 1922, 910. 33  Vgl. Martin Kriele, Kriterien, Kriterien der Gerechtigkeit (1963) 172; Josef Esser, Wertung, Konstruktion und Argument im Zivilurteil (1965) 313; Walther Ecker, Gesetzesauslegung vom Ergebnis her, JZ 1967, 265; kritisch Claus-Wilhelm Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2.  Aufl. 1983, 106; Niklas Luhmann, Funktionale Methode und juristische Entscheidung, AöR 94 (1969) 1 (5); ders., Rechtssystem und Rechtsdogmatik (1974) 31; Roland Dubischar, Vorstudium zur Rechtswissenschaft (1974) 171. 34   Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode (1990) 391. 31

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ten. Beide sind daran beteiligt.“ Der Traum der romantizistisch-geisteswissenschaftlichen Hermeneutik als Fundament der objektiven Auslegung ist ausgeträumt. Die Interpretationstheorie muss pseudo-objektive, spekulative Interpretationshypothesen zurückweisen, die mit dem semantischen Sinn des Textes nichts mehr zu tun haben; sie kann aber nicht selber sinngebend und sinnerweiternd wirken.35 Fraglich können nur die Grenzen sein, die der richterlichen Rechtsfindung mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung gezogen werden müssen. Beschränken wir die Frage nach den Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung auf das Gebiet des Privatrechts, so sieht sich der Richter hier der Kodifikation des BGB gegenüber, die seit über 100 Jahren in Kraft ist. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht36 ausführt, in doppeltem Sinn von Bedeutung: Einmal wächst mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen Gesetzesbefehl und richterlicher Einzelfallentscheidung notwendig die Freiheit des Richters zur schöpferischen Fortbildung des Rechts. Da die Gesetzesvorschriften ständig im Kontext der ökonomischen Situation und der sozio-politischen Anschauungen entstehen, auf die sie wirken sollen, müssen sie sich unter Umständen mit ihnen wandeln. Das gilt insbesondere, wenn sich zwischen Entstehung und Anwendung eines Gesetzes die Rechtsanschauungen tiefgreifend geändert haben. Einem hiernach möglichen Konflikt der Norm mit den materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen einer gewandelten Gesellschaft könne sich der Richter nicht mit dem Hinweis auf den unverändert gebliebenen Gesetzeswortlaut entziehen; er sei zu freierer Handhabung der Rechtsnormen gezwungen, wenn er nicht seine Aufgabe, Recht zu sprechen, verfehlen wolle. Das gilt erst recht bei Normen EU-rechtlichen Ursprungs. Die Auslegung der Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, die in den ersten einhundert Jahren dank aktualisierender Auslegung und richterlicher Fortbildung ihre Leistungsfähigkeit bewahrt haben, ist deshalb so fortzuentwickeln, dass die Divergenzen zu den übrigen europäischen Rechtsordnungen nicht verbreitert und vertieft, sondern möglichst überwunden werden. Vor dem Hin­ tergrund einer gemeinsamen europäischen Rechtskultur kommt keiner einzelnen nationalen Rechtsordnung eine Vorbild- oder Leitfunktion zu, es sind vielmehr durch eine europäische Privatrechtswissenschaft die institutionellen Grund­lagen für eine Annäherung der Privatrechtsordnungen zu schaffen und diese dann langfristig zusammenzuführen, um in einem europäischen Binnenmarkt die wettbewerbsverzerrenden Barrieren unterschiedlicher Vertrags- und Schuld­rechtsordnungen langsam abzubauen. Interpretationen, die eine nationa-

  Josef Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung (1956) 102 ff.   BVerfG 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (5 f.).

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le Rechtsordnung weiter von den sich entwickelnden Prinzipien einer europäischen Privatrechtsordnung abkapseln, sind zu vermeiden.

IV.  Zusammenfassung und Folgerungen 1. Nach dem kontinentaleuropäischen Verständnis des Rechtsverweigerungsverbotes hat der Richter Antworten auch da zu geben, wo die Erkenntnisquelle des Juristen, das Gesetz, schweigt. Bei Schweigen des Gesetzes muss das Gericht fallbezogen die Antwort geben, die der Gesetzgeber dezisionistisch gegeben hätte, wenn er das Problem gesehen und nicht geschwiegen hätte. Da der Richter seine Entscheidung zu begründen hat, muss er den von ihm aufgestellten generellen Sollenssatz angeben, der seine konkrete Entscheidung trägt. 2. Schweigen des Gesetzes kann nicht mittels objektiver Auslegung überbrückt werden. Die Untersuchungen der Linguistk haben gezeigt, dass die objektive Auslegung subjektiv ist; sie transportiert die Vorverständnisse des Interpreten als „gesunden Menschenverstand“ in den auszulegenden Text und verdeckt damit den Umstand, dass der Interpret „klüger“ ist als der Textautor. Vom linguistischen Standpunkt ist nur eine kritische Auslegungsmethode vertretbar, die auf verdeckte Normanreicherungen verzichtet. 3. Bei Schweigen des Gesetzes fällt dem Juristen eine Rechtsfortbildungsfunktion zu. Die von der Staatsrechtslehre bis in die Weimarer Zeit hinein aufrecht erhaltene Auffassung, dass die Justiz „keine Staatsgewalt“ sei, da sie „lediglich in Akten der Urteilskraft bestehe, mithin jede Willenstätigkeit ausschließe“, basierte auf der fiktiven Annahme, dass der Richter nur der Mund des Gesetzes ist, der dem im Volksgeist vorhandenen Recht „ein äußerlich erkennbares Daseyn“ (Savigny) gebe. 4. Der Traum der romantizistisch-geisteswissenschaftlichen Hermeneutik als Fundament der objektiven Auslegung ist ausgeträumt. Eine linguistisch vertretbare Interpretationstheorie muss pseudo-objektive, spekulative Interpretationshypothesen zurückweisen, die mit der Intention des Textes nichts mehr zu tun haben. Die Interpretationstheorie ist eine „Schule des Zweifels“ (Ricœur), die sich um den Abbau von Illusionen über die Bedeutung eines Textes bemüht. Die Bedeutung („meaning“) eines empfängerbezogenen Textes ergibt sich aus dem komplexen Zusammenspiel von Text, Kontext und Intention des Autors. Vom Standpunkt linguistischer Pragmatik ist es zutreffend, wenn die Gerichte ihre Auslegungsmethode wie folgt charakterisieren: „Bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift sind nicht nur der Wortlaut [Text] zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht [Kontext], und die Ziele [Intention], die mit der Regelung verfolgt werden“ (EuGH 07.06.2005 – Rs. C-17/03, Slg. 2005, I-4983, Rn.  41).

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5. Die Fortbildung des Rechts bei Schweigen des Gesetzes lässt dem Richter in aller Regel einen nicht unerheblichen Entscheidungsspielraum. Ein „Ja“ ist vielfach genauso gut begründbar wie ein „Nein“. Die wissenschaftliche Diskussion verlagert die Kontroverse um die beste Lösung zwar auf ein höheres Niveau, ändert in aller Regel aber nichts an der Ergebnisoffenheit, die auch nach gründlicher Beschäftigung mit der Frage bestehen bleibt. Nach dem Prinzip der inneren Kohärenz ist das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung nur dann geglückt, wenn die lückenschließende Norm von keiner anderen Stelle des Gesetzes insgesamt in Frage gestellt wird, sondern in einer vom „inneren System“ des Gesetzes her kohärenten Weise Sinn macht. 6. Die Teilnahme an der wissenschaftlichen „Konsensfindung“ bedarf gesicherter Spielregeln. Eine fundamentale Spielregel ist die, dass Befangenheit, resultierend aus Interessenkollision, aufgedeckt wird. „Ein jeder muß eingestehen, daß dasjenige Urteil über Schönheit, worin sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Geschmacksurteil sei“ (Kant) 37. Was Kant über das ästhetische Urteil schreibt, gilt auch für das kognitive Urteil. Mengt sich parteiliches Interesse in das Urteil, so liegt kein unabhängiges Urteil vor. Wer seine Parteilichkeit verschweigt, handelt als Richter amtswidrig und als Professor gegen seine Pflicht, die Wahrheit unbeeinflusst von parteilichem Interesse zu suchen und zu verkünden.

  Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790, Nachdruck 1963) Kap.  10 §  2.

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Herrscherwille oder Wille des Gesetzgebers? Aufbau der Rechtsinstitutionen der unbeweglichen Sachen in China Qingyu ZHU (朱庆育)

I. Einleitung Savigny begriff die Gesetzesauslegung als „die Rekonstruktion des dem Gesetze innewohnenden Gedankens“, dafür muss der Interpret „sich in Gedanken auf den Standpunkt des Gesetzgebers versetzen, und dessen Tätigkeit in sich künstlich wiederholen.“1 „Sich in Gedanken auf den Standpunkt des Gesetzgebers versetzen“ ist aber sowohl subjektiv als auch objektiv zu verstehen. Während sich Ersteres auf die Untersuchung des echten Willens des historischen konkreten Gesetzgebers bezieht, betrachtet Letzteres den „Gesetzgeber“ abstrakt, wonach der objektive Gedanke der Gesetzgebung als Gesetzgeberwille verstanden wird. Savigny selbst neigt zum letztgenannten Standpunkt.2 Auch wenn er den „Gesetzesgeist“ als „Volksgeist“ definiert, so erkennt er doch an, dass das Gesetz vom Gesetzgeber mit absoluter Gewalt verabschiedet wird.3 Dabei bietet sich die Möglichkeit an, den Willen der staatlichen Gewalt in Gestalt des Gesetzgeberwillens zu berücksichtigen und die allgemeine Richtung des Gesetzes zu steuern. Hierfür ist der Aufbau der Rechtsinstitutionen der unbeweglichen Sachen in China ein sehr gutes Beispiel.

II.  Zweck des Sachenrechtsgesetzes Die Betrachtung der Funktionen eines Gesetzes ist in China von der Besonderheit geprägt, dass jedes erlassene Gesetz seinen Zweck im ersten Paragraphen bestimmt, um die Zwecksetzung des Gesetzgebers festzuhalten. §  1 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes lautet: „Dieses Gesetz dient dazu, die grundlegende Wirtschaftsordnung des Staates und die Ordnung der sozialistischen Marktwirtschaft zu bewahren und zu schützen, die Zuordnung der Sachen klarzustel  Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd.  1 (1840) 213.   Reinhold Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11.  Aufl. 2012, 35. 3   Savigny, System (Fn.  1) 39. 1 2

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len, den Nutzen der Sachen voll zur Geltung zu bringen und die dinglichen Rechte der Berechtigten zu schützen; zu diesen Zwecken ist es gemäß der Verfassung erlassen.“ Rechtlich ist der „Gesetzgebungszweck“ für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes bindend, wenn er im Gesetz bestimmt ist. Daher ist es für den Gesetzgeber sinnvoll, den „Gesetzgebungszweck“ ausdrücklich vorzuschreiben. Er kann die Auslegung der Rechtsnorm steuern, um sicherzustellen, dass das Gesetz den vorgesehenen Zwecken tatsächlich dient. Mit anderen Worten ist der Paragraph zum „Gesetzgebungszweck“ das zentrale Regulativ, das den rechtlichen Sinn des Gesetzes steuert. Wenn das Gesetz in einer Bestimmung vorsieht, dass es zur Verwirklichung besonderer Zwecke des Gesetzgebers dient, ist ihr Wille natürlich vollständig offengelegt. Das bedeutet aber zugleich, dass das sogenannte Gesetz nur ein politisches Mittel ohne selbstständigen Wert ist. Je nach den vorherrschenden politischen Zielen kann der Gesetzgeber dem Gesetz entsprechende Aufgaben beimessen. Der Wille des Gesetzgebers setzt sich hierbei ungehindert durch.

III.  Rechtslage bezüglich des Eigentums an Grund und Boden Im sozialistischen Staat erfolgt grundsätzlich eine getrennte Betrachtung von Produktionsmitteln und Verbrauchsgütern. Das gemeinschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln wird als stilbildendes Element des Sozialismus angesehen. Hierbei bilden die Grundstücke die bedeutendste Kategorie. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Ideologie der staatlichen Gewalt für die grundlegende Struktur der Institutionen an Grund und Boden entscheidend ist. Die Aufgabe des Gesetzgebers besteht nur darin, den Herrscherwillen bzw. den Willen der staatlichen Gewalt in den Gesetzestext zu transformiern. Anhand der vier Verfassungen der VR China kann die Entwicklung des Willens des Gesetzgebers eindrucksvoll nachvollzogen werden. §  5 der Verfassung von 1954 lautet: „Das Eigentumssystem der Produktionsmittel der VR China kennt folgende Kategorien: das staatliche Eigentumssystem, d. h. das Eigentumssystem des gesamten Volkes; das genossenschaftliche Eigentumssystem, d. h. das gemeinschaftliche Eigentumssystem des Kollektivs der arbeitenden Massen; das private Eigentumssystem des Arbeiters und das Eigentumssystem des Kapitalisten.“ §  8 Abs.  1 dieser Verfassung besagt: „Der Staat schützt das Eigentum der Bauern auf dem Land und andere Produktionsmittel gemäß den Gesetzen.“ Damals war also privates (bäuerliches) Eigentum an Grundstücken noch zulässig. Nach dem Ende der sozialistischen Umgestaltung ist eine private Wirtschaft nun nicht mehr notwendig. Die Verfassung von 1975 sieht mit der Regelung über das Eigentumssystem an Produktionsmitteln vor, dass es kein privates Eigentum an Grundstücken mehr gibt. §  5 dieser Ver-

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fassung lautet: „Das gegenwärtige Eigentumssystem an Produktionsmitteln umfasst in erster Linie zwei Kategorien: das sozialistische Eigentumssystem des gesamten Volkes und das sozialistische Eigentumssystem des Kollektivs der arbeitenden Massen.“ Der Standpunkt der dritten Verfassung von 1978 ist dem der Verfassung von 1975 ähnlich. Eine kleine Änderung sieht die Verfassung von 1982 insofern vor, als sie das öffentliche Eigentum nicht mehr unter das allgemeine „Eigentumssystem“ fasst, sondern direkt bestimmt, dass Grundstücke dem Staat und dem Kollektiv gehören. §  10 dieser Verfassung besagt „(1) Städtisches Land gehört dem Staat. (2) Land in Dörfern und städtischen Außenbezirken gehört dem Kollektiv, es sei denn, dass es nach gesetzlichen Bestimmungen dem Staat gehört; Hofland und Berg für den Eigenverbrauch sowie Acker für den Eigenverbrauch gehören dem Kollektiv.“ Die Formulierung der Verfassung von 1982 gilt bis heute. Entsprechend der Regelung in der Verfassung gilt gemäß §§  73, 74 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts: „Staatliches Vermögensgut steht im Volkseigentum“ und „Vermögensgut kollektiver Organisationen der arbeitenden Massen steht im Eigentum des Kollektivs der arbeitenden Massen“. Danach wurde eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, welche die Zuordnung von Vermögen regeln. Die darin betroffenen Grundstücke und die dazu gehörenden Ressourcen gehören grundsätzlich dem Staat oder dem Kollektiv. Zum Beispiel gehört das Grundstück dem Staat oder dem Kollektiv (§  8 Landverwaltungsgesetz). Bodenschätze gehören dem Staat (§  3 Bodenschätzeressourcengesetz); Wälder gehören dem Staat (§  3 Wäldergesetz); Gewässer gehören dem Staat (§  3 Wassergesetz); das Wildtiervorkommen gehört ebenfalls dem Staat (§  3 Gesetz zum Schutz der wilden Tiere) usw. Mit der Verabschiedung des Sachenrechtsgesetzes sind nun alle in den Einzelgesetzen geregelten Eigentumsarten in dieses Gesetz aufgenommen worden. Darüber hinaus bestimmt das Sachenrechtsgesetz ausdrücklich die Trennung von drei Kategorien von Eigentum: staatliches Eigentum, kollektives Eigentum und privates Eigentum. Damit wurden endlich auch die Vorschriften der Verfassung über das System des Eigentums an Grundstücken innerhalb des gesetzlichen Systems geregelt.

IV.  Vom Eigentum zum Nießbrauch? Das Bestehen des öffentlichen Eigentums an Grundstücken bereitet Schwierigkeiten beim Aufbau der im Sachenrechtsgesetz vorgesehenen Institute. Diesen ideologisch bedingten Schwierigkeiten kann mit der vom chinesischen Charakter geprägten Institution eines begrenzten Sachenrechts begegnet werden, insbesondere mit dem Nießbrauch. Es gibt zwei Arten von öffentlichem Eigentum an Grundstücken, nämlich Staatseigentum und Kollektiveigentum. Dement-

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sprechend sind auch die jeweilige Ausgestaltung des Nießbrauchs und die rechtlichen Beziehungen in Bezug auf die darauf errichteten Häuser zu unterscheiden. 1.  Grundstücke im Staatseigentum Unter der Geltung einer privaten Eigentumsordnung kann das Eigentum an einem Grundstück auch einer Privatperson zustehen. Demgegenüber gehören in einem öffentlichen Eigentumssystem alle Grundstücke dem Staat. Nach unseren Gesetzen ist eine private Person nicht in der Lage, das Eigentum an einem Grundstück zu erlangen. Allerdings ist das Gebäude auf dem Grundstück ein selbständiger Gegenstand des Sachenrechts, dessen Eigentum auch einer privaten Person zustehen kann. Daraus lässt sich schließen, dass das Schicksal des Gebäudes nicht von dem des Grundstücks abhängt, da es ein selbständiger Gegenstand ist. Das Gebäude ist auch kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne von §  94 BGB. Als Grundregel des Gebrauchsrechts an städ­ tischem und kleinstädtischem staatseigenem Land aus dem Jahre 1990 sieht jedoch §   23 vor: „Bei der Übertragung des Landgebrauchsrechts wird das Eigentum an Gebäuden auf dem Land und anderen Bestandteilen mit übertragen.“ §  24 Abs.  2 regelt ferner: „Der Eigentümer bzw. Miteigentümer von Gebäuden auf dem Land und anderen Bestandteilen genießt das Landgebrauchsrecht im Nutzungsbereich des Gebäudes bzw. der Bestandteile“. Aus diesen Regeln ergibt sich das Prinzip der „Einheit von Gebäude und Grundstück“. Spätere Gesetzesvorhaben haben diesen Grundsatz der „Einheit von Gebäude und Grundstück“ nicht immer verwirklicht. Offensichtlich bedeutet der Grundsatz der „Einheit von Gebäude und Grundstück“ kein einheitliches Eigentum, sondern nur die Einheit von Gebäudeeigentum und dem Recht zur Nutzung des Grundstücks. Im System des öffentlichen Eigentums an Grundstücken nimmt daher der Nießbrauch die Rolle des Eigentums ein. Hier bietet sich ein rechtlicher Ausweg aus den wegen der politischen Ideologie entstehenden Schwierigkeiten an. Dementsprechend setzt sich unter chinesischen Juristen nach und nach die Überzeugung durch, dass die Entwicklung des modernen Sachenrechts „vom Eigentum zum Nießbrauch“ tendiert. Sie nehmen an, dass es nicht wesentlich darauf ankommt, wie das Recht nominell bezeichnet wird, solange die Grenze des Vermögensrechts eindeutig gezogen ist. 2.  Grundstückseigentum der Dörfer im dualen System der Städte und Dörfer Diese Eigenart der sachenrechtlichen Institutionen, die Entwicklung „vom Eigentum zum Nießbrauch“, lässt sich auch bei Regelungen über das Grundstückseigentum der Dörfer beobachten. Das Land in den Dörfern gehört dem „Kollektiv“. Die Bauern erhalten ebenfalls nur ein Recht zum Nießbrauch und

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zwar im Einzelnen das Recht zur Bewirtschaftung der Grundstücke und ein Recht auf Hofland. Ersteres sichert die Lebensgrundlage, letzteres dient dazu, den grundlegenden Wohnbedarf zu erfüllen. Normalerweise können nur Mitglieder der dörflichen Kollektive das Recht zur Bewirtschaftung von Grundstücken vom dörflichen Kollektiv erhalten. Mit dem Verlust des Mitgliederstatus wird dieses Recht darüber hinaus wieder aufgehoben. Das Recht am Hofland setzt ebenfalls den Status eines Dorfbewohners voraus und muss von der Regierung genehmigt werden. §  62 Abs.  1 regelt: „Ein Haushalt der Dorfbevölkerung darf nur ein Hoflandgrundstück [= Wohngrundstück] haben“. Dem Dorfbewohner steht somit keine Verfügungsbefugnis zu. Dementsprechend ist auch die Übertragung von Dorfland und dem darauf gebauten Haus verboten. Selbst wenn ein Haus auf dem Hofland einer Person außerhalb vom dörflichen Kollektiv übertragen werden soll, ist eine Eintragung bei der Land- oder Hausverwaltungsbehörde nicht möglich. Zudem wird das Geschäft von den Gerichten beinahe ohne Ausnahme als nichtig eingestuft, wenn eine Klage hierzu anhängig wird. Um die Tendenz, dass ein Markt für dörfliche Häuser entsteht, zu verhindern, wurde in den letzten Jahren sogar ein Geschäftsmann mit Strafe sanktioniert, der Wohnungen auf Dorf­ land für einen anschließenden Verkauf bauen ließ. Mit dem Ziel, das öffentliche Eigentum an Grundstücken und damit die sozialistische Ideologie zu bewahren, arbeiten die chinesische Gesetzgebung, die Verwaltung und die Justiz eng zusammen, um alle möglichen Hindernisse für die Durchsetzung des Gesetzgeberwillens zu beseitigen.

V. Fazit Der Begründer der Interessenjurisprudenz Philipp Heck ist der Ansicht, dass der „Wille des geschichtlichen Gesetzgebers“ das ausschlaggebende Kriterium bei Gesetzesauslegungen ist. Dies wurde aber während der NS-Zeit stark kritisiert, weil unter Zugrundelegung dieser Behauptung nicht dem Bedarf entsprochen werden konnte, die nationalsozialistische Weltanschauung in das Zivilgesetzbuch einzuführen. Die Realität des chinesischen Gesetzes bietet umgekehrt ein Beispiel für die Auswirkungen der subjektiven Auslegung. Sie kann daher möglicherweise als gutes Beispiel dafür dienen, dass die Wissenschaft – wenn sie zu eng mit der Ideologie verbunden ist – nicht mehr Wissenschaft und Politik nicht mehr Politik ist, sondern letztlich nur durch den Herrscherwillen (Wille der staatlichen Gewalt) bestimmt wird.

Systematische und verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen anhand des Begriffs des Immobiliareigentums aus Sicht des deutschen Sachenrechts Hartmut Oetker

I. Ausgangspunkt Das deutsche Sachenrecht ist geprägt von der Grundentscheidung zugunsten des Privateigentums. Dieses ist im BGB vorausgesetzt und anerkannt. Privateigentum kann nicht nur an beweglichen Sachen, sondern – wie die §§  873, 925 BGB bestätigen und im Gegensatz zum Sachenrecht der VR China1 – auch an Grundstücken begründet und übertragen werden. Dementsprechend ist das deutsche Sachenrecht beherrscht von dem Gegensatz zwischen beweglichen Sachen einerseits und Grundstücken andererseits, 2 wobei das Immobiliareigentum regelmäßig mit dem Grundstückseigentum gleichgesetzt wird. Der Begriff des Grundstücks, den das BGB in zahlreichen Vorschriften sowohl im 3. Buch als auch im 1. Buch in den §§  90 ff. BGB aufgreift, ist allerdings nicht legal definiert.3 Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, was unter einem Grundstück im Sinne des BGB zu verstehen ist.3a Deren Beantwortung ist von zentraler Bedeutung für die Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften im BGB, da es hiervon unter anderem abhängt, nach welchen Rechtsvorschriften die Übertra1   Ausgehend von Art.  9 und 10 Verfassung VR China stehen Grund und Boden im Staatseigentum oder Kollektiveigentum und in den §§  45 ff. Sachenrechtsgesetz VR China wird diese Eigentumslage näher ausgeformt. Dementsprechend zählt §  64 Sachenrechtsgesetz VR China Grund und Boden nicht zu den Sachen, an denen Privateigentum bestehen kann. Es handelt sich in der Begriffswelt des römischen Privatrechts um res extra commercium (dazu Hans Joseph Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2.  Aufl. 2006, §  2 II 1) und damit um nicht verkehrs­ fähige Sachen, die „im Eigentum des gesamten Volkes“ (§  45 Sachenrechtsgesetz VR China) stehen. Siehe näher Xiaoyan Baumann, Das neue chinesische Sachenrecht (2005) 99 ff. 2   Statt aller Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  3 Rn.  5 ; Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 II 8; Manfred Wolf/Jörg Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10.  Aufl. 2012, §  25 Rn.  7. 3   Anders z. B. Art.  655 ZGB Schweiz, das zu den Grundstücken im Sinne des ZGB nicht nur die Liegenschaft, sondern auch die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte zählt. 3a   Dazu nunmehr auch Christian von Bar, Wozu braucht man und was sind Grundstücke?, in: FS Ulrich Magnus (2014) 585 ff.

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gung oder Belastung erfolgt. Ferner verknüpft das BGB die mit Grund und Boden fest verbundenen Sachen grundsätzlich mit dem Eigentum an dem Grundstück (§§  94, 946 BGB), so dass diese nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§  93 BGB). Schließlich kann nur ein Grundstück mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§  1090 BGB), einer Reallast (§  1105 BGB) oder zur Absicherung einer Forderung mit einer Hypothek (§  1113 BGB) belastet werden.

II.  Das Grundstück als Zentralbegriff des Immobiliareigentums Angesichts fehlender Legaldefinition bedarf der Begriff des Grundstücks einer Konkretisierung durch Auslegung der maßgeblichen Vorschriften, für die die traditionelle Methodenlehre auf Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte zurückgreift.4 1.  Erste Näherung über den Gesetzeswortlaut Bei ausschließlicher Betrachtung des natürlichen Sprachsinnes liegt es nicht fern, den Begriff des Grundstücks mit dem Begriffspaar „Grund und Boden“ gleichzusetzen. Einen Anhaltspunkt hierfür liefert §  94 Abs.  1 BGB, nach dem die mit „Grund und Boden“ fest verbundenen Sachen zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks zählen. Wie wiederum §  905 BGB zeigt, steht das Begriffspaar „Grund und Boden“ als Synonym für die Erdoberfläche. Zudem signalisiert das Wortteil „stück“, dass es sich bei einem Grundstück um einen Teil der Erdoberfläche handeln muss. Aus grammatikalischer Sicht liegt es auch nicht fern, dem tradierten Begriff der beweglichen Sache als Antipoden den Begriff der unbeweglichen Sachen gegenüberzustellen, wie dies im chinesischen Sachenrecht verbreitet anzutreffen ist (z.  B. §§  2, 45, 46 und 48 Sachenrechtsgesetz VR China) und in Fortführung der Gegenüberstellung von res mobiles und res immobiles auch in der deutschen Zivilrechtswissenschaft geläufig ist.5 Allein dies hilft jedoch für die 4  Dazu näher z. B. Franz Jürgen Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 6.  Aufl. 2012, Einl. Rn.  135 ff. 5   Zur Gegenüberstellung von beweglichen und unbeweglichen Sachen in der deutschen Zivilrechtsdogmatik z. B. bereits Bernhard Windscheid/Theodor Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Bd. 1, 9.  Aufl. 1906, §  139 sowie aus neuerer Zeit Reinhard Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 3.  Aufl. 2011, Rn.  228, 241; Jochen Marly, in: Soergel, Kommentar zum BGB, Bd. 1, 13.  Aufl. 2000, Vor §  90 Rn.  18; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil (Fn.  2) §  25 Rn.  7. Regelmäßig werden Grundstücke mit den unbeweglichen Sachen gleichgesetzt; so z. B. Bork, Allgemeiner Teil (Fn.  5) Rn.  228, 241; Joachim Jickeli/Malte Stieper, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2011) §  9 0 Rn.  60; Jan Wilhelm, Sachenrecht, 4.  Aufl. 2010, Rn.  48; kritisch dazu von Bar, Grundstücke (Fn.  3a) 585 (602 ff.).

Systematische und verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen

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Konkretisierung nur wenig, da offen bleibt, wodurch sich bewegliche von unbeweglichen Sachen unterscheiden. Allein der Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Ortsveränderung6 erweist sich in Grenzfällen als nicht präzise.7 Zudem vermag die Dichotomie wegen den Besonderheiten des Wohnungseigentums nicht zu überzeugen. Schließlich zeigt das Sachenrecht der VR China, dass die Gegensatzbildung mit gravierenden Interpretationsproblemen behaftet ist und die begriffliche Konkretisierung lediglich auf eine andere Ebene verlagert. 8 2.  Körperlichkeit bei Grundstücken Eine weitere Präzisierung der vom BGB vorausgesetzten Begriffe „Grundstück“ sowie „bewegliche Sache“ kann nur durch eine Aufhellung des systematischen Kontextes erreicht werden, in den das BGB die vorgenannten Rechtsbegriffe integriert. Dieser erschließt sich daraus, dass sowohl an Grundstücken als auch an beweglichen Sachen Rechte begründet werden können bzw. über diese Verfügungen im Sinne eines Eigentumswechsels möglich sind. Sachen im Sinne der deutschen Sachenrechtsordnung können deshalb nur Gegenstände sein, die voneinander unterscheidbar sind,9 was §  90 BGB mit der Umschreibung „körperliche Gegenstände“ zum Ausdruck bringt, zu denen anerkanntermaßen auch Grundstücke zählen. Bezogen auf den im BGB verwendeten Terminus des Grundstücks als Synonym für das Immobiliareigentum bedeutet dies, dass für den Rechtsbegriff des Grundstücks die Abgrenzbarkeit von anderen Teilen der Erdoberfläche konstitutiv ist. Dementsprechend sind Grundstücke im Sinne des BGB nur solche Teile der Erdoberfläche, die vermessen und bezeichnet sind, so dass sie von anderen Teilen der Erdoberfläche unterscheidbar sind. Die rechtliche Eigenschaft als Grundstück im Sinne des BGB erlangt ein Teil der Erdoberfläche daher nicht aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit, sondern sie

  Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil (Fn.  2) §  25 Rn.  7 sowie bereits Windscheid/Kipp, Lehrbuch (Fn.  5) §  139. 7   Bemerkenswert die Feststellung von Franz Wieacker, Sachbegriff, Sacheinheit und Sachzuordnung, AcP 148 (1943) 57 (67): „Grundstücke sind im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht unbewegliche Sachen. . .“. 8   So ist bereits im Grundansatz zweifelhaft, ob der Grund und Boden überhaupt und im Gegensatz zum deutschen Sachenrecht zu den „unbeweglichen Sachen“ im Sinne des Sachenrechtsgesetzes der VR China zählt. Da Grundstücke stets im Staatseigentum oder Kollektiv­ eigentum stehen und §  6 4 Sachenrechtsgesetz VR China das Privateigentum auf Gebäude und „andere unbewegliche und bewegliche Sachen“ erstreckt sowie §  106 Sachenrechtsgesetz VR China an diesen auch einen gutgläubigen Erwerb eröffnet, bleibt der Rechtsbegriff der „unbeweglichen Sache“ im Sachenrecht der VR China schillernd, siehe auch Manfred Wolf, Kommentar zum dritten Diskussionsentwurf des Sachenrechtsgesetzes der VR China, in: Julius, Chinesisches Sachenrecht im Werden (2010) 677 (681). Er ist jedenfalls nicht – dem deutschen Rechtsverständnis folgend – mit dem Grundstück gleichzusetzen. 9   Siehe z. B. Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 I 1c; ferner Hans Hattenhauer, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts, 2.  Aufl. 2000, §  3 VII. 6

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beruht auf einer menschlichen Festsetzung. 10 Unterbleibt diese, dann handelt es sich bei dem entsprechenden Teil der Erdoberfläche nicht um ein Grundstück im Sinne des BGB. 3.  Stellenwert des Grundbuchs für den Rechtsbegriff des Grundstücks Allein dies scheint jedoch für ein Grundstück im Sinne des BGB noch nicht auszureichen, da die alleinige Vermessung und Bezeichnung eines Teils der Erdoberfläche im Rechtsverkehr nicht die notwendige Publizität im Hinblick auf die an der Erdoberfläche bestehenden Rechtsverhältnisse gewährleistet. Hierfür trägt nach dem BGB das Grundbuch Sorge. Dementsprechend hält §  873 BGB ausdrücklich fest, dass Rechtsänderungen an einem Grundstück der Eintragung in das Grundbuch bedürfen. Aus diesem Grunde scheint der im BGB verwendete Begriff des Grundstücks untrennbar mit der Erfassung eines abgegrenzten Teils der Erdoberfläche im Grundbuch verbunden zu sein. Somit liegt es für den Begriff des Immobiliareigentums nahe, dass es sich bei diesem um einen mit dem Wort „Grundstück“ umschriebenen Rechtsbegriff handelt, der über die Vermessung und anschließende Erfassung im Grundbuch formalisiert ist (formeller Grundstücksbegriff).11 Davon ausgehend drängt sich der Umkehrschluss auf, dass ein Teil der Erdoberfläche, der im Anschluss an die Vermessung nicht im Grundbuch erfasst worden ist, kein Grundstück im Sinne des BGB ist. Allerdings ist bei einer systematischen Auslegung zweifelhaft, ob die Eintragung eines abgegrenzten Teils der Erdoberfläche in dem Grundbuch für den im BGB aufgenommenen Rechtsbegriff des Grundstücks konstitutiv ist. Bereits §  873 Abs.  1 BGB weckt erste Zweifel, da die Eintragung im Grundbuch nur für den Eintritt einer Rechtsänderung, wie z.  B. den Eigentümerwechsel, erforderlich ist.12 Ferner erwirbt auch der Fiskus des Landes ein vom bisherigen Eigentümer aufgegebenes Grundstückseigentum erst, wenn er als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Dies setzt denknotwendig voraus, dass es auch herrenlose Grundstücke gibt. Vor allem aber zeigt die Grundbuchordnung, dass insbesondere die Grundstücke des Bundes und der Bundesländer 10  So Ludwig Enneccerus/Hans Carl Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. 1, 15.  Aufl. 1959, §  121 II 3c; siehe auch von Bar, Grundstücke (Fn.  3a) 585 (589 ff.): „Produkte der Phantasie“. 11   So z. B. Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  2) §  3 Rn.  5; Bork, Allgemeiner Teil (Fn.  5) Rn.  241; Christina Stresemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 6.  Aufl. 2012, §  9 0 Rn.  12; Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 II 8 sowie bereits Wieacker, AcP 148 (1943) 57 (68); anders demgegenüber Wilhelm, Sachenrecht (Fn.  5) Rn.  48: „Grundstücke sind abgegrenzte Teile der Erdoberfläche.“. In diesem Sinne auch Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil (Fn.  2) §  25 Rn.  7. 12   Eine bemerkenswerte Durchbrechung dieser Grundregel enthält §  21 AGBGB Schleswig-Holstein bezüglich der Übertragung des Eigentums an buchungsfreien Grundstücken. Danach kann der Eigentumsübergang auch durch notariell beurkundete Einigung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erfolgen.

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eine rechtliche Sonderstellung einnehmen, da für diese erst auf Antrag ein gesondertes Grundbuchblatt angelegt wird (§  3 Abs.  2 GBO). Das Grundbuchblatt seinerseits ist nach §  3 Abs.  1 Satz 2 GBO als Grundbuch im Sinne des BGB anzusehen. Dies zeigt, dass Eigentum an Grundstücken auch dann bestehen kann, wenn ein katastermäßig vermessener Teil der Erdoberfläche nicht im Grundbuch eingetragen ist. Die praktische Bedeutung der buchungsfreien Grundstücke lässt sich an zwei Beispielen aufzeigen. Das erste betrifft den Meeresstrand.13 Dessen Eigentumslage beurteilt sich in Deutschland jedoch nicht bundeseinheitlich, sondern richtet sich nach dem Recht der Bundesländer, zu deren Territorium der Meeresstrand gehört. Die konkrete Rechtslage ist allerdings teilweise nur schwer aufzuhellen, da sich diese oftmals erst durch einen Rückgriff auf alte Rechtsquellen erschließen lässt.14 Nicht überall ist die Rechtslage scheinbar so schlicht wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo §  85 Abs.  3 Satz 1 des Landeswassergesetzes apodiktisch anordnet, dass der Strand im Eigentum des Landes steht. Bereits der zugleich im Normtext enthaltene Vorbehalt zugunsten „wohlerworbener Rechte Dritter“ deutet jedoch auf Untiefen hin. Diese führen in Schleswig-Holstein im Hinblick auf den Strand der Insel Fehmarn hinab bis zum Jahre 1240, da das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht für die eigentumsrechtliche Beurteilung des Meeresstrandes das „Jütische Lows“ als maßgeblich ansah und dieses den König als Eigentümer des Strandes auswies.15 Eine besonderes Problem tritt zudem auf, wenn die Rechtslage – wie bei dem Strand der Nordseeinsel Norderney – noch anhand des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 zu beurteilen ist. Hiernach sind die Ufer des Meeres „gemeinsames Eigenthum des Staates“ (Preußisches Allgemeines Landrecht II 14 §  21), wobei es sich bei diesem Teil der Erdoberfläche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Sinne einer res communes omnium nicht um Eigentum nach dem BGB handeln soll.16 Als zweites Beispiel für buchungsfreie Grundstücke soll die Zugspitze dienen, die Teil des Wettersteingebirges ist, das aber im Grundbuch nicht erfasst ist. Gleichwohl steht der entsprechende Teil der Erdoberfläche im Eigentum des Freistaats Bayern. Die hieraus resultierenden eigentumsrechtlichen Fragen liegen auf der Hand: Sie betreffen nicht nur das auf der Zugspitze befindliche Restaurant, sondern auch die fest mit dem Erdboden verbundenen Träger der Seilbahn, die auf den Gipfel führt. Die sich aufdrängende Anwendung von 13   Nach Art.  9 Verfassung VR China gehören die Strände zum Vermögen des Staates, sofern diese nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht im Kollektiveigentum stehen. 14  Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  5) §  9 0 Rn.  23 sowie ausführlich Sönke Petersen, Deutsches Küstenrecht (1989) Rn.  989 ff. 15  OLG Schleswig 14.12.2000 – 11 U 89/99, NJW 2001, 1073 (1074); siehe auch OLG Schleswig 09.04.2003 – 2 W 164/02, NJW-RR 2003, 1170 (1171). 16   BGH 31.05.1965 – V ZR 10/63, BGHZ 44, 27 (30 f.) sowie Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 II 1.

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§  946 BGB setzt indes voraus, dass es sich bei diesem Teil der Erdoberfläche um ein Grundstück im Sinne des BGB handelt. Sollte dies wegen der fehlenden grundbuchmäßigen Erfassung zu verneinen sein, so würde dies streng genommen die Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften über Grundstücke ausschließen. Ein mit dem Meeresstrand vergleichbares Rechtsproblem tritt bei dem Meeresboden auf. Im Unterschied zum Sachenrecht der VR China, das das Staatseigentum auch auf die Meeresgebiete erstreckt (§  46 Sachenrechtsgesetz VR China) und damit wohl auch den Meeresboden erfasst, geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass dieser „in niemandes Eigentum“ steht17 und sieht sich hierin (nachträglich) durch das Völkerrecht bestätigt, das den Meeresboden als „common heritage of mankind“ bewertet. Insbesondere die UN-Seerechtskonvention aus dem Jahre 1982 baut auf diesem Verständnis auf.18 Diese Überlegungen legen die Schlussfolgerung nahe, die grundbuchmäßige Erfassung eines Teils der Erdoberfläche nicht als konstitutiv für das Immobiliareigentum anzusehen, so dass ein Grundstück im Sinne des BGB auch dann vorliegt, wenn dieses nicht im Grundbuch eingetragen ist. Allein der Umstand, dass ein Teil der Erdoberfläche dem Staat als Eigentümer zugewiesen ist, führt nicht dazu, dass dieser dem Privatrechtsverkehr entzogen ist. Auch bei den res publica zwingt der Grundgedanke des Gemeingebrauchs nicht zur Negation des Eigentums im Sinne des Immobiliarsachenrechts.19 Es handelt sich um ein durch die den öffentlichen Zweck umsetzende Widmung „modifiziertes Privateigentum“.20 Wird hingegen eine gegenteilige Auffassung befürwortet, dann zwingt dies bei buchungsfreien Grundstücken zu der anspruchsvollen methodischen Frage, ob die auf das Immobiliareigentum bezogenen Bestimmungen des BGB einer entsprechenden Anwendung zugänglich sind. Dies betrifft nicht nur Aneignungsvorschriften wie z.  B. die §§  94, 946 BGB, sondern auch abwehrrechtliche Normen wie z.  B. §  1004 BGB. 4.  Beschränkung des Immobiliareigentums auf Grundstücke Das Immobiliareigentum ist aus Sicht des deutschen Sachenrechts auf Grundstücke im vorstehenden Sinne beschränkt. Dies erschließt sich aus der Gesetzessystematik in §  873 Abs.  1 BGB, das neben dem „Eigentum an einem Grundstück“ die „Belastungen eines Grundstücks mit einem Recht“ stellt. Derartige dinglichen Rechte an einem Grundstück (z.  B. beschränkt persönliche Dienstbarkeit, Reallast, Hypothek) sind kein selbständiges Immobiliareigentum, son  BGH 31.05.1965 – V ZR 10/63, BGHZ 44, 27 (30).  Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  5) §  90 Rn.  25 sowie ausführlich Wolfgang Graf Vitz­ thum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens (1972) 156 ff. 19   Entsprechendes gilt für die res sacrae; siehe Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 II 4. 20   Wieling, Sachenrecht (Fn.  1) §  2 II 3b. 17 18

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dern Berechtigungen, die auf dem Grundstück lasten. An diesen kann kein Eigentum begründet werden, da es sich nicht um Sachen im Sinne von §  90 BGB handelt. Das gilt – wie §  1 Abs.  2 WEG belegt – ebenfalls für das Wohnungseigentum, da dieses neben dem Sondereigentum an der Wohnung stets auch das gemeinschaftliche Eigentum am Gebäude bzw. Grundstück umfasst.

III.  Vom Begriff zum Inhalt des Grundstückseigentums Der Rechtsbegriff des Grundstücks bzw. Immobiliareigentums bliebe unvollkommen, wenn dieser nicht auch im Hinblick auf die räumliche Dimension des Eigentums konkretisiert wird. Hierfür lässt sich aus einer Gesamtschau der §§  94, 95 und §  905 BGB eine Dreiteilung vornehmen. Zu unterscheiden ist die Erdoberfläche, der Raum oberhalb der Erdoberfläche sowie der Raum unter der Erdoberfläche. Bezüglich der beiden letztgenannten Räume legt §  905 BGB apodiktisch fest, dass sich das Recht des Eigentümers sowohl auf den Raum über der Erdoberfläche als auch auf den Raum unterhalb der Erdoberfläche, den sog. Erdkörper, erstreckt. Dies hat nicht nur Konsequenzen im Hinblick auf etwaige Abwehrrechte des Grundstückeigentümers, sondern wirft auch eigentumsrechtliche Fragen bezüglich der Reichweite des Grundstückseigentums auf. Exemplarisch hat dies die Frage gezeigt, ob das im Erdkörper enthaltene und „den Boden als ständiger Strom durchfließende Grundwasser“ dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zugewiesen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dies letztlich verneint und bewertet die wasserhaushaltsrechtlichen Vorgaben als eine zulässige Inhaltsbestimmung des durch Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG gewährleisteten Privateigentums.21 Die Reichweite des Grundstückeigentums im Sinne des BGB soll nachfolgend anhand der sog. Anlandungen sowie der unter der Erdoberfläche verlegten Kabel und Rohrleitungen exemplarisch verdeutlicht werden. 1.  Anlandungen als eigentumsrechtliches Problem Mit der räumlichen Dimension des Immobiliareigentums verbundene Probleme treten auch bei sog. Anschwemmungen bzw. Anlandungen auf, da sie die Frage aufwerfen, wer Eigentümer dieses neuen Landes ist. Aus deutscher Sicht ist für die Beantwortung in einem ersten Schritt zwischen oberirdischen Gewässern und Küstengewässern zu unterscheiden. Im Gegensatz zu anderen europäischen Privatrechtsordnungen, die die Eigentumslage – wenngleich völlig unterschiedlich – im Sachenrecht regeln (z.  B. Art.  448 ZGB Lichtenstein: „Entsteht durch Anschwemmung … der Ausbeutung fähiges Land, so gehört es dem Staate.“; ebenso Art.  659 ZGB Schweiz;   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 ff.

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andererseits Art.  411 ABGB [Österreich]: „Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer anspült, gehört dem Eigentümer des Ufers.“), wird die Rechtslage in Deutschland insbesondere durch äußerst heterogenes Recht der Bundesländer mit ihren jeweiligen Wassergesetzen geprägt. Teils weisen sie das angeschwemmte Land dem Eigentümer des Ufergrundstücks zu (so §  94 Wassergesetz Schleswig-Holstein), teils beschränken sie diese Rechtsfolge auf fließende Gewässer (so §  8 Abs.  1 Wassergesetz Berlin, Art.  8 Wassergesetz Bayern). Andere Wassergesetze lassen dies nur gelten, wenn auch das Gewässer im Eigentum der Anlieger steht, andernfalls sprechen sie das Eigentum dem Eigentümer des Gewässers zu (so §  42 Wassergesetz Niedersachsen). Modifiziert werden die vorstehenden Regelungen jedoch, wenn es sich bei dem Gewässer um eine Bundeswasserstraße handelt, die nach Art.  89 GG stets im Eigentum des Bundes stehen. Bei diesen umfasst das Recht zur Nutzung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch das Recht auf die Anlandung,22 so dass es auf das Eigentum an dem Ufergrundstück in dieser Konstellation nicht ankommt. Bezüglich der Küstengewässer ist zwar ein Aneignungsrecht zugunsten des Eigentümers des Meeresstrandes nicht völlig von der Hand zu weisen. Maßgeblich ist insofern aber das Eigentum an der Seewasserstraße, was aus Art.  89 GG folgt, der das Eigentum an den Bundeswasserstraßen der Bundesrepublik Deutschland zuweist und auch die Seewasserstraßen einschließt. Da aus dem Eigentum das Recht zur Nutzung folgt, zählt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hierzu auch das Recht auf Anlandungen an der Küste.23 2.  Im Erdkörper verlegte Leitungen im Lichte der §§  9 4, 95 BGB Ein weiteres eigentumsrechtliches Problem tritt bei im Erdkörper verlegten Kabeln und Rohrleitungen auf. Verbleiben diese im Eigentum des Netzbetreibers oder gehen sie in das Eigentum des Grundstückseigentümers über? Die Beantwortung dieser Frage greift unvermeidlich auf die 3. Ebene über, nämlich die Reichweite des Eigentums an der Erdoberfläche. Diesbezüglich ist zunächst §  94 BGB von zentraler Bedeutung, der das Eigentum an einem Grundstück zugleich auf alle mit Grund und Boden fest verbundenen Sachen erstreckt, sofern dies nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck 22   Siehe BGH 28.05.1976 – III ZR 186/72, BGHZ 67, 152 (156 ff.). Einen Sonderfall betrifft die Entscheidung in BGHZ 92, 328 ff. über Anlandungen an einer Moselinsel, da diese zeitlich vor der Übertragung der Wasserstraßen von den Ländern auf das Deutsche Reich durch den Staatsvertrag vom 29. Juli 1921 eintraten. Dementsprechend hatte der Bundesgerichtshof für die eigentumsrechtliche Beurteilung auf die Rechtslage in dem Zeitraum 1849 bis 1905 abzustellen. Der in diesem Zeitraum in dem entsprechenden Territorium maßgebliche (französische) Code civil führte zum Eigentumserwerb der Anlandung durch den Eigentümer der Moselinsel. 23   BGH 01.06.1989 – III ZR 286/87, BGHZ 107, 342 (345); siehe auch Petersen, Küstenrecht (Fn.  14) Rn.  1126 ff.

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geschieht oder die Verbindung mit dem Grundstück auf der Ausübung eines an dem Grundstück bestehenden Rechts beruht (§  95 Abs.  1 BGB). Bezogen auf die im Erdkörper zu einem dauerhaften Zweck verlegten Kabel und Rohrleitungen drängt §  94 BGB die Annahme auf, dass das Eigentum an dem Grundstück auch die unter der Erdoberfläche befindlichen Kabel und Rohrleitungen umfasst. Die Rechtsprechung hat diesen Weg indes nicht beschritten und bejaht für Kabel und Rohrleitungen eine Sonderrechtsfähigkeit,24 ist mit dieser Konzeption allerdings auch auf Widerspruch gestoßen.25 Der Schlüssel für die Problemlösung liegt in §  95 Abs.  1 S.  2 BGB und dessen Auslegung verborgen. Erfolgt die Verbindung der Kabel und Rohrleitungen in Ausübung eines „Rechts an einem Grundstück“, dann handelt es sich nicht um Bestandteile eines Grundstücks, so dass ein vom Grundstückseigentum getrenntes „Sondereigentum“ bestehen kann. Allerdings setzt dies nach dem tradierten und insbesondere systematisch fundierten Verständnis ein dingliches Recht voraus, was durch die Formulierung in §  873 Abs.  1 BGB bestätigt wird.26 Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof auch öffentlich-rechtlich begründete Nutzungsrechte als „Rechte an einem Grundstück“ im Sinne des §  95 Abs.  1 S.  2 BGB bewertet.27 Im Wege methodengerechter Gesetzesauslegung kann man zu diesem Ergebnis nur gelangen, wenn die Formulierung „Recht an einem Grundstück“ aus dem systematischen Kontext des BGB herausgelöst und von diesem abstrahiert wird. Angesichts der aus dem Gesetzeswortlaut und der systematischen Stellung der Norm folgenden Vorgaben, kann jedoch allenfalls eine teleologische Auslegung der Norm diese Durchbrechung der Grundregel in §  94 Abs.  1 BGB legitimieren. Wer vor diesem Schritt indes zwecks Wahrung der systematischen Kohärenz der Kodifikation zurückschreckt, der bleibt auf den rechtsfortbildenden Akt einer Gesetzesanalogie angewiesen, um ein rechtspolitisch durchaus sinnvolles vom Grundstückseigentum getrenntes Eigentum an Kabeln und Rohrleitungen zu begründen. Das Sonderproblem der im Erdkörper verlegten Netze hat jedoch nur exemplarische Bedeutung für die Grundnorm in §  94 Abs.  1 BGB, nach der sich das Grundstückseigentum nicht auf die Erdoberfläche als solche beschränkt, sondern auch auf alle mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen umfasst (Akzessionsprinzip28). Insbesondere bei nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck errichteten Gebäuden kommt es deshalb nicht zu einer Trennung von   Z. B. BGH 02.12.2005 – V ZR 35/05, BGHZ 165, 184 (186 f.).   Siehe z. B. Franz Jürgen Säcker, Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6. Aufl. 2013, §  9 05 Rn.  4 sowie näher Helen Mahne, Eigentum an Versorgungsleitungen (2009) 158 ff. 26   Siehe z. B. Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  5) §  95 Rn.  18; Soergel BGB/Marly (Fn.  5) §  95 Rn.  19; MüKo BGB/Stresemann (Fn.  11) §  95 Rn.  23. 27   BGH 01.02.1994 – VI ZR 229/92, BGHZ 125, 56 (59). 28   Dazu näher Malte Stieper, Die Scheinbestandteile – §  95 BGB im System des Sachenund Vollstreckungsrechts (2002) 15 ff. 24

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Grundstücks- und Gebäudeeigentum.29 Ergänzend hält §  946 BGB fest, dass die Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück zum Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers führt, der jedoch für den erlittenen Rechtsverlust eine Entschädigung nach Maßgabe des Bereicherungsrechts an den bisherigen Eigentümer zu leisten hat (§  951 BGB).

IV.  Das Sachenrechtsregime im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums durch Art.  14 Abs.  1 GG Der in den §§  94, 946 BGB angeordnete Rechtsverlust wirft - wie bereits die Zuordnung des Grundwassers - die Frage nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Begriff des Grundstücks bzw. des Immobiliareigentums auf.30 Relevant ist dies für das hier diskutierte Thema wegen des Gebots, das einfache Gesetzesrecht im Zweifel so auszulegen, dass das Auslegungsergebnis im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben steht.31 Das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung bindet zwar nicht den Norminterpreten, wohl aber die Rechtsprechung als Teil der staatlichen Gewalt bei der Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Rechtsnormen. Diese Interpretationsmaxime ist heute allgemein anerkannt und gilt auch im Hinblick auf die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums durch Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG.32 Für den Rechtsbegriff des Grundstücks im Sinne des BGB bzw. des Immobiliareigentums ist die verfassungskonforme Auslegung als Interpretationsmaxime bislang jedoch von untergeordneter Bedeutung. Die Ursache hierfür liegt vor allem in dem Inhalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Der hierfür einschlägige Art.  14 Abs.  1 GG hält lediglich fest, dass das Eigentum gewährleistet ist und überantwortet die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums dem Gesetzgeber. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht zwar einerseits festgehalten, dass der Begriff des Eigentums aus der Verfassung selbst gewonnen werden muss, andererseits zugleich aber die Aufgabe des Gesetzgebers hervorgehoben, „eine Eigentumsordnung zu schaffen, die sowohl

29   Diese Konzeption wird auch beim Wohnungseigentum aufrechterhalten, da das Sonder­ eigentum an einer Wohnung untrennbar mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört, verbunden ist (siehe die Legaldefinition in §  1 Abs.  2 WEG). 30   Dazu vertiefend jüngst Thomas Regenfus, Vorgaben des Grundgesetzes für die Lösung sachenrechtlicher Zuordnungs- und Nutzungskonflikte (2013) 35 ff. 31   Siehe m. w. N. MüKo BGB/Säcker (Fn.  4) Einleitung Rn.  140 f. 32   Siehe z. B. Reinhard Gaier, Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6.  Aufl. 2013, Vor §  9 03 Rn.  38; Joachim Wieland, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar Bd. 1, 2.  Aufl. 2004, Art.  14 Rn.  180.

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den privaten Interessen des Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird“33. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen vergleichsweise weiten Gestaltungsspielraum zugebilligt, wenn dieser den Inhalt des Grundstückseigentums konkretisiert. Die Gewährleistung des Privateigentums auch an Grundstücken verbiete lediglich, solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung gehören. Dementsprechend werde die Gewährleistung des Rechtsinstituts nicht angetastet, wenn für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt werden.34 Wegen der Bedeutung des Grundwassers für die Allgemeinheit als Grundlage allen Lebens hat es das Bundesverfassungsgericht daher nicht beanstandet, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften das Grundwasser dem Grundstückseigentümer eigentumsrechtlich vorenthalten. Hierdurch würden dem Eigentum am Grundstück nicht die Merkmale der Privatnützigkeit und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis verweigert.35 Die vorstehend referierte Ausdeutung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung zeigt zugleich den weiten Spielraum für den Gesetzgeber auf, wenn dieser den Inhalt des Immobiliareigentums und damit auch den Rechtsbegriff des Grundstücks konkretisiert. Insbesondere ist er – wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont – nicht an einen aus der Natur der Sache sich ergebenden Eigentumsbegriff gebunden.36 Art.  14 Abs.  1 GG wird nach vorherrschendem Verständnis als normgeprägte Institutsgarantie verstanden. Dies eröffnet dem Gesetzgeber nicht nur die Befugnis, das Eigentum mit inhaltlichen Gebrauchsbeschränkungen zu belegen, sondern legitimiert ihn ebenfalls dazu, die Reichweite des Rechts am Grundstück zu konkretisieren, wie dies in §  94 BGB geschehen ist. Wenn der Gesetzgeber hierdurch den vormaligen Eigentümer beweglicher Sachen zugunsten des Grundstückseigentümers quasi enteignet, so liegt hierin im Lichte des Art.  14 Abs.  1 GG jedoch nur dann eine zulässige Inhaltsbestimmung des Grundstückseigentums, wenn diese durch das allgemeine Interesse an einer funktionsfähigen Privatrechtsordnung für den Rechtsverkehr und die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander legitimiert ist. Aus dieser Perspektive sind die besonderen Anforderungen in den Blick zu nehmen, die gerade für einen privatrechtlichen Grundstücksverkehr von Bedeutung sind. Hierfür ist der Rechtsverkehr auf klare und sichere Rechtsverhältnisse angewiesen,37 die vor allem das Grundbuchsystem zur Verfügung   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 (335).   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 (335). 35   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 (345). 36   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 (339). 37   BGH 20.05.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 (303). 33

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stellt. Dementsprechend wird der für §  94 BGB maßgebliche Normzweck nicht nur darin gesehen, die durch die Verbindung geschaffenen Werte möglichst zu erhalten, sondern die Vorschrift dient auch dem Schutz des Erwerbers eines Grundstücks, der sich darauf verlassen können soll, insbesondere an einem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude Eigentum zu erlangen. Dieses für §  94 BGB allgemein konsentierte teleologische Fundament 38 zeigt indes zugleich auch die Abhängigkeit zwischen der begrifflichen Konkretisierung des Grundstücks bzw. des Immobiliareigentums und der Verkehrsfähigkeit dieses Rechtsgutes auf. Wird dieses in einer Privatrechtsordnung dem Rechtsverkehr weitgehend vorenthalten, dann ist das Interesse des Rechtsverkehrs an klaren und sicheren Rechtsverhältnissen, insbesondere im Hinblick auf die Eigentumslage, denknotwendig von geringerer Bedeutung.

V. Zusammenfassung 1. Für den Begriff des Immobiliareigentums bzw. des Grundstücks ist die Interpretationsmaxime einer verfassungskonformen Auslegung wegen der spezifischen Struktur der in Art.  14 Abs.  1 GG enthaltenen Gewährleistung des Eigentums von untergeordneter Bedeutung. Danach ergeben sich Gegenstand und Umfang des durch Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes erst aus dem Inhalt der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen.39 2. Die zurückhaltende verfassungsrechtliche Vorgabe strahlt auch auf die Auslegung des für die Sachenrechtsordnung in Deutschland zentralen Begriffs des Grundstücks aus. Dieser ist vornehmlich mittels der tradierten Instrumentarien der Gesetzesauslegung zu konkretisieren, wobei die grundbuchrechtliche Dokumentation nach hier befürworteter Sichtweise zwar von zentraler aber nicht von konstitutiver Bedeutung für den Grundstücksbegriff im BGB ist. Solange ein Teil der Erdoberfläche jedoch nicht einmal katastermäßig vermessen ist, handelt es sich mangels körperlicher Abgrenzbarkeit nicht um ein Grundstück im Rechtssinne und ist dadurch dem Privatrechtsverkehr vorenthalten. 3. Ob und in welcher Weise die Erdoberfläche dem privaten Rechtsverkehr zur Verfügung steht, hat letztlich der Verfassungsgeber zu beantworten. Mit der umfassend formulierten Eigentumsgewährleistung hat sich die deutsche Verfassung eindeutig zu einer Privatrechtsordnung bekannt, die das Privateigentum nicht nur an beweglichen Sachen, sondern auch an Grundstücken garantiert. Die hierdurch erfolgte Öffnung des Privatrechtsverkehrs für das Ei38   Siehe z. B. Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  5) §  94 Rn.  3 ; MüKo BGB/Stresemann (Fn.  11) §  94 Rn.  1. 39   BVerfG 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 (336).

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gentum an Grundstücken strahlt auch auf die einfachgesetzlichen Vorgaben aus, die den Inhalt des Grundeigentums konkretisieren. So wird z.  B. die dauerhafte Begründung eines vom Grundstückseigentum getrennten und rechtlich verselbständigten Gebäudeeigentums verbreitet als unvereinbar mit der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis des Eigentümers bewertet.40 Eine Verfassungsordnung, die – wie z.  B. in der VR China – das Privateigentum an Grundstücken negiert bzw. Grund und Boden in den Rang eines res extra commercium erhebt und damit dem Privatrechtsverkehr vorenthält, kann insoweit die Weichen jedoch in eine andere Richtung stellen, so dass sich ein rechtlich vom Grundeigentum verselbständigtes Gebäudeeigentum nicht mehr als ein systemwidriger Fremdkörper in einer Privatrechtsordnung stigmatisieren lässt.

  Siehe BVerfG 08.04.1998 – 1 BvR 1680/93, 1 BvR 183/94, 1 BvR 1580/94, BVerfGE 98, 17 (35); Dreier/Wieland (Fn.  32) Art.  14 Rn.  39. 40

Wem gehört das Schwemmland?* Shiyong TIAN (田士永)

I. Einleitung In diesem Vortrag wird vor allem die Frage erörtert, wie die Eigentumsverhältnisse an den durch Anschwemmung entstanden Grundstücken, also den alluvio, zu behandeln sind.1 Zu dieser Frage sind schon Streitfälle in der juristischen Praxis in China und in Deutschland aufgetaucht. In Deutschland ist der Moselinsel-Fall ein bekanntes Beispiel 2 : Zwischen 1849 und 1905 hat sich die Fläche einer Moselinsel durch Anschwemmung um 6.000 m 2 vergrößert. Die Parteien, nämlich der Eigentümer dieser Insel und der des Mosel-Flusses, d. h. die Bundesrepublik Deutschland, streiten über das Eigentum an diesem durch Anschwemmung entstandenen Uferstreifen. In China gehört der „Gelber-Fluss-Ufer-Fall“ zu den bedeutenden Rechtsfällen 3 : In der Shanxi Provinz hat sich am Ostufer des Gelben Flusses allmählich ein großes Schwemmland gebildet. Seit 1989 hat der Kläger, das Dorf A, auf dem Schwemmland Felder angelegt. Die Gemeinderegierung hatte 1991 bestimmt, dass dem Kläger das Nutzungsrecht an diesem Schwemmland zusteht. Im Jahr 1997 hat die zuständige Stadtregierung festgestellt, dass die Gemeinderegierung C dieses Schwemmland verwalten darf. Im April 1997 hat die Gemeinderegierung C dieses Schwemmland an das Dorf B verpachtet. Später haben die Bewohner des Dorfes A von der Gemeinderegierung C die Herausgabe des Schwemmlandes verlangt. Bei Begründung des Anspruches argumentierte das Dorf A damit, dass es anders als das Dorf B einen direkten Kontakt zum *   Für die deutsche Übersetzung bedanke ich mich bei dem Doktoranden Herrn Jiaye LIN von der Universität Marburg. 1   Es gibt schon viele Fälle, die sich mit dem Schwemmland befassen. Vgl. Rolf Knütel, Spaziergänge im römischen Recht (2006) 262–275; Pepa Castillo Pascual, Die Kontroverse De alluvione bei Gromatikern und Juristen, in: eTopoi. Journal for Ancient Studies 2 (2012/2013) 1–23. 2   BGH 25.10.1984 – III ZR 131/83, BGHZ 92, 326; Berthold Kupisch, Eine Moselinsel, Kaiser Napoleon und das röm. Recht, JZ 1987, 101 ff.; siehe auch Rolf Knütel, Rechtseinheit in Europa und römisches Recht, ZEuP 2 (1994) 244 (263). 3   Yongning Dorfbewohner-Komitee gegen Zuncun Dorfbewohner-Komitee auf Schadenersatz wegen Zueignung (永宁村委会诉尊村村委会等抢种乡政府发包给其承包经营的土地侵权 赔偿案), Chinesisches Institut für die angewandte Rechtswissenschaft am Obersten Volksgericht, Sammlung der ausgewählten Fälle des Volksgerichts (最高人民法院中国应用法学研究所 人民法院案例选) Bd. 27 (1999) 74–82.

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Fluss habe. Diese Streitigkeit wurde in ihrem Verlauf mehrmals höheren Regierungsorganen vorgetragen. Im September 1997 trat die Gemeinderegierung C vom Verpachtungsvertrag mit dem Dorf B zurück. Trotz des Rücktritts haben einige Bauern des Dorfes B Samen auf dem Schwemmland ausgesät. Im Jahr 1998 haben die Beteiligten den Streitfall noch vor der Ernte vor Gericht gebracht. Ähnliche Fälle betreffen in China die Inseln des Jangtsekiang-Flusses. Allerdings können diese Fälle nicht eingehender untersucht werden, da insoweit eine ausreichende Dokumentation fehlt. Deswegen konzentriert sich dieses Referat auf den erwähnten Fall, der das Schwemmland am Ufer des Gelben Flusses betraf.

II.  Begriff des Schwemmlands Das Schwemmland bezeichnet eine Ablagerung von Bodenmaterial, das von außen angeschwemmt und an den Küsten und Ufern abgelagert wird. Auf der nördlichen Erdhalbkugel wird die Erde am rechten Ufer abgetragen und am linken Ufer angeschwemmt. Dieser natürliche Prozess findet an vielen Flüssen Chinas, wie z.  B. am Gelben Fluss oder am Fluss Jangtsekiang, statt. Und dadurch sind viele Quadratmeter Bodenfläche entstanden. Schwemmland kann an einem Fluss oder einem Meer entstehen. Der Vortrag beschränkt sich allerdings auf die von einem Fluss verursachten Anlandungen. Das Schwemmland entsteht auf natürliche oder künstliche Weise. Im diesem Vortrag wird ausschließlich die natürliche Anlandung untersucht. Nach §  2 Abs.  2 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes (chin. SRG) ist das Schwemmland ohne Zweifel eine unbewegliche Sache. Im fünften Kapitel dieses Gesetzes kommen viele Begriffe in Betracht, die möglicherweise mit dem Schwemmland in Verbindung stehen, wie z.  B. Wasserläufe und Meeresgebiete (§  46), Land (§  47), Ödland, Watt sowie andere natürliche Ressourcen (§  48). Die Bedeutung dieser Begriffe muss hier näher erklärt werden. Das Schwemmland ist Teil des Flusses, also des Flussbettes, wenn es im Fall eines eingedeichten Flusses unterhalb des Deichs oder im Fall eines nicht eingedeichten Flusses unterhalb des höchsten Wasserstandes liegt. Falls das Schwemmland Teil des Flussbettes ist, gibt es im chinesischen Recht spezielle Bestimmungen, die die Eigentumsverhältnisse regeln. Wenn das nicht der Fall ist, dann sollen die Eigentumsverhältnisse nach den allgemeinen Regelungen über das Grundstückseigentum geklärt werden.

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III.  Zwei Lösungsmodelle für die Eigentumsverhältnisse am Schwemmland 1. Modell: Der Eigentümer des Uferlands erwirbt wegen der Verbindung zum Uferland das Eigentum am Schwemmland. Wenn ein Stück Land durch Überschwemmung, Erdrutsch oder menschliche Handlung an ein anderes Land angetragen wird, muss auch die Zugehörigkeit dieses Landes erneut bestimmt werden. Es ist möglich, dass dieses Land wesentlicher Bestandteil eines anderen Landes wird. Nach §  946 BGB erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück auf eine bewegliche Sache, wenn sie mit dem Grundstück dergestalt verbunden wird, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird.4 Im Moselinsel-Fall waren am Ufer einer mit dem Schiff erreichbaren Insel die Anlandungen auf natürliche Weise entstanden. Dabei wurde vom Gericht das Eigentum an den Anlandungen dem Inselinhaber zugesprochen und nicht dem Eigentümer der Mosel, nämlich dem Staat. In manchen europäischen Ländern finden sich ähnliche Lösungen, wie z.  B. in Art.  556 Code Civil, §  411 ABGB oder in §  941 des italienischen Zivilgesetzbuchs. Auch im amerikanischen Recht findet sich eine solche Regelung.5 Das Zivilgesetzbuch der Republik China hat das deutsche BGB zum Vorbild genommen. In ihm ist, wie auch in §  946 BGB, geregelt: Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücks wird, so erwirbt der Inhaber des Grundstücks das Eigentum an der beweglichen Sache. Nach einigen Meinungen geht es beim Schwemmland um eine Verbindung einer beweglichen Sache, wie beispielsweise Sand oder Lehm, mit einem Grundstück. 6 2. Modell: Der Staat erwirbt das Eigentum am Schwemmland, teilt aber anderen das Nutzungsrecht zu. Seit 1949 erfolgt nach dem chinesischen Recht der Eigentumserwerb am Schwemmland anders als nach dem deutschen Recht. Im chinesischen Recht ist die Frage nach den Eigentumsverhältnissen am Schwemmland nicht direkt geregelt. Weder im Sachenrechtsgesetz noch in anderen einschlägigen Gesetzen kann man eine direkte Regelung für diese Frage finden. Außerdem fehlen im chinesischen Recht die Regelungen für die Verbindung.

4  Vgl. Hans Josef Wieling, Sachenrecht, Sachen, Besitz und Rechte an beweglichen Sachen, Bd. 1, 2. Aufl. 2006, 433 f. 5  Vgl. Thomas W. Merrill, Accession and Original Ownership, in: Journal of Legal Analysis, 1 (2009) 459. 6   Z. B. Shangkuan SHI, Sachenrecht (史尚宽: 中国政法大学出版社) (2000) 143.

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Dennoch wurde einmal in der chinesischen juristischen Praxis eine Rechtsstreitigkeit über die Eigentumsverhältnisse an einem Schwemmland entschieden. Zu der Frage nach den Eigentumsverhältnissen am Schwemmland hat das Staatliche Verwaltungsamt für Boden zwei Erklärungen abgegeben.7 Danach erwirbt der Staat das Eigentum am Schwemmland. Das Nutzungsrecht am Schwemmland wird aber anderen zugeteilt. Wenn beispielsweise ein Stück Land abgeschwemmt wurde und später am gleichen Ort durch Anlandung eine neue Uferfläche entstanden ist, dann wird das Nutzungsrecht an den Anlandungen dem Kollektiv zugeteilt, das vorher am selben Ort Ackerbau betrieben hat. Falls ein anderes als das Kollektiv zuerst das Schwemmland angelegt hat, kann ihm auch das Nutzungsrecht zugeteilt werden. Die Frage, wem das Schwemmland gehört, wird im chinesischen Recht unterschiedlich behandelt – je nachdem, ob das Schwemmland innerhalb oder außerhalb des Flussbettes liegt. Im Fall eines eingedeichten Flusses gehören alle Gebiete, die unterhalb des Deichs liegen, zum Flussbett. Wenn der Fluss nicht eingedeicht ist, dann wird das Flussbett mit Hilfe des höchsten Wasserstands abgegrenzt. Wenn die Anlandungen außerhalb des Flussbetts liegen, dann gehören diese nicht unbedingt dem Staat. Im Prinzip erwirbt der Staat aber das Eigentum am Schwemmland, das unterhalb des höchsten Wasserstands liegt. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn das Schwemmland zur Zeit der Bodenreform bereits einem Bauern zugeteilt wurde und dieses Land nicht wieder vom Staat beschlagnahmt wurde oder einem Kollektiv zusteht. Um zu bestimmen, ob das Kollektiv Eigentum am Schwemmland erwirbt, werden vor allem zwei Punkte berücksichtigt.8 Zum einen wird in Bedacht genommen, ob das Schwemmland 1950, zur Zeit der Bodenreform, schon einem bestimmten Bauern zugeteilt wurde. Zum anderen ist es von Relevanz, ob das Schwemmland 1962 als Kollektiveigentum gewidmet wurde. Normalerweise stehen Grundstücke im Eigentum eines Kollektivs, wenn sie zur Zeit der Bodenreform einem bestimmten Bauern zugeteilt und für diesen eine Eigentums­ urkunde erteilt wurde, sie aber später bei einer anderen Reform zum Kollektiv­ eigentum umgewandelt wurden. Anderenfalls gehören die Grundstücke dem Staat.

7  Reskript vom Staatlichen Verwaltungsamt für Boden zur Anweisungsforderung vom Shaanxi Provinziale Verwaltungsamt für Boden über die Rechtsfeststellung am Schwemmland (国家土地管理局对陕西省土地管理局关于河滩地确权问题的请示的批复) Guo Tu Pi (1995) Nr.  62 (国土批 [1995] 62号) 31.10.1995; Reskript vom Staatlichen Verwaltungsamt für Boden zur Anweisungsforderung vom Shandong Provinziale Verwaltungsamt für Boden über die Rechtsfeststellung am Schwemmland des Gelben-Flusses (国家土地管理局对山东省 土地管理局有关黄河滩地权属问题的复函) Guo Tu Han (1997) Nr.  55 (国土函字第[1997] 55号) 21.5.1997. 8   Vgl. §  11 des Gesetzes über einige Bestimmungen zur Feststellung des Grundstückseigentums und des -nutzungsrechts.

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Infolgedessen steht in der Praxis das Schwemmland, obwohl im chinesischen Recht zu dieser Frage unmittelbare Regelungen fehlen, entweder dem Staat oder einem Kollektiv zu. Sicher ist aber, dass das Schwemmland, das nach 1962 entstanden ist, dem Staat gehört. Zwar erwirbt der Staat in solchen Fällen das Eigentum an den Anlandungen. Das Nutzungsrecht wird aber normalerweise nach der Tradition oder den Umständen der Nutzung einem bestimmten Kollektiv zugeteilt.

IV.  Schwemmland als selbstständiger Gegenstand 1.  Schwemmland als (neuer) Gegenstand des Eigentumsrechts Nach dem Spezialitätsgrundsatz im Sachenrecht kann es ein Recht nur an einzelnen, bestimmten Sachen geben und nicht an einer Sachgemeinschaft im Sinne einer unbestimmten Mehrheit von Sachen.9 Aufgrund dieser Erkenntnis bestimmt §  2 Abs.  3 chin. SRG, dass nur eine bestimmte Sache Gegenstand eines dinglichen Rechts sein kann. Wenn sich die Sache nur von der Größe her verändert hat, wie wenn z.  B. ein Kalb durch Wachsen ein Rind geworden ist, dann ändert sich das Eigentumsverhältnis an dieser Sache nicht. Wenn sich aber die Sache vom Wesen her verändert hat und eine neue Sache entstanden ist, dann ist eigens zu bewerten, wem diese neue Sache zusteht. Wenn zum Beispiel eine Kuh ein Kalb geboren hat, müssen die Eigentumsverhältnisse an dem Kalb bestimmt werden. Im Fall der Anschwemmung stellt sich die Abgrenzungsfrage, ob es sich um die Veränderung einer Sache oder eine neue Sache handelt. Wenn man der Meinung ist, dass sich das Land durch Anschwemmung nur vergrößert hat, dann erübrigt sich die Bestimmung der Eigentumsverhältnisse an dem neu entstandenen Land. Wenn man der gegenteiligen Meinung ist, dass das Schwemmland unabhängig von dem ursprünglichen Land eine neue Sache darstellt, dann müssen die Eigentumsverhältnisse an der neuen Sache untersucht werden. Anschwemmungen entstehen aus der Ablagerung von Sand und Lehm. Diese Stoffe sind keine selbständigen Sachen im Sinne des Sachenrechts, weil sie wesentliche Bestandteile des Flusses sind, bevor sie sich abgelagert und so mit einem Grundstück verbunden haben. Nach dem Spezialitätsgrundsatz gibt es kein selbstständiges Eigentum an ihnen. Die Frage, ob sie durch die Anschwemmung zur selbstständigen Sache werden, wird in den beiden Lösungsmodellen unterschiedlich behandelt. Nach dem deutschen Recht sind die Anschwemmungen keine selbstständigen Sachen, weil sie durch die Verbindung der im Fluss enthaltenen Stoffe mit einem  Vgl. Wieling, Sachenrecht (Fn.  5) 19.

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Grundstück entstanden sind. Nach diesem Verständnis sind die Anschwemmungen eher als natürliche Anwachsung des Ufers anzusehen. Nach chinesischem Verständnis erwirbt der Staat das Eigentum an den Anschwemmungen. Das lässt wohl darauf schließen, dass die Anschwemmungen selbstständige Rechtsobjekte unabhängig vom Grundstück des Ufers sein können. Deswegen kann das Eigentum an den Anschwemmungen unabhängig von dem Grundstückseigentum betrachtet werden. In einem chinesischen Dokument wird erwähnt, dass das Schwemmland neues Land sei, wenn es durch Anschwemmung entstanden ist.10 Dabei gibt es für den Begriff „neues Land“ zwei Verständnismöglichkeiten. Eine Möglichkeit ist es, den Begriff als eine Vergrößerung der Landfläche zu verstehen. Ein anderes Verständnis geht dahin, den Begriff „neues Land“ als neu entstandenes Grundstück zu deuten. Auf jeden Fall würde mit der zweiten Begriffserklärungsmöglichkeit ein selbstständiges Eigentum am Schwemmland anerkannt werden. Wenn ein Grundstück durch Abschwemmung verschwunden ist, dann ist das Eigentum an diesem Grundstück erloschen. Mit der Zeit kann am gleichen Ort ein neues Land durch Anschwemmung entstehen. In diesem Fall sind dann die Anschwemmungen eine neue Sache im Sinne des Sachenrechts. Deren Eigentumsverhältnis muss dann erneut untersucht werden. Anderenfalls – wenn eine Anlandung eines Stückes Land einfach durch Anschwemmung an dem ursprünglichen Grundstück erfolgt ist – ändert sich das Wesen des Grundstücks nicht. Deswegen bleibt das Eigentum am Grundstück ebenfalls unverändert. 2.  Verhältnis der Anschwemmungen zum eingetragenen Grundstück Nur die Grundstücke, die im Grundbuch eingetragen sind, können Sachen im Sinne des Zivilrechts sein. Eine Sache im Sinne des Sachenrechts unterscheidet sich von einer Sache im natürlichen Sinne. Ein Grundstück im zivilrechtlichen Sinne ist ein Teil der Erdoberfläche, der räumlich abgegrenzt und katastermäßig erfasst ist. Dieser Teil wird im Grundbuch als Sacheinheit geführt.11 Ein Grundstück, dessen Eigentum einem Kollektiv zusteht, wird durch die katastermäßige Erfassung räumlich abgegrenzt. Die neu entstandenen Anschwemmungen liegen außerhalb der Abgrenzungen. Deswegen können sie kein Eigentum des Kollektivs werden. Außerdem ist China ein sozialistischer Staat, in dem wichtige Produktionsmittel Eigentum des Staats sind.12 Deshalb ist davon auszugehen, dass der Staat selbstverständlich das Eigentum an den Anschwemmungen erwirbt.   Vgl. Reskript vom Staatlichen Verwaltungsamt für Boden (Fn.  8).   §  5 Abs.  1 Methoden der Grundeintragung. 12  §  5 Abs.  1 Verfassung der Volksrepublik China: „Die Grundlage des sozialistischen Wirtschaftssystems der Volksrepublik China ist das sozialistische Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, nämlich das Volkseigentum und das Kollektiveigentum an werktätigen Massen.“ 10 11

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Seit dem Inkrafttreten des chinesischen Sachenrechtsgesetzes hat sich der Staat große Mühe gegeben, Grundstücke katastermäßig zu vermessen und sie ins Grundbuch einzutragen. Heutzutage sind die meisten Kollektivgrundstücke im Grundbuch verzeichnet, so dass die Eigentumsverhältnisse an ihnen genau bestimmt sind. Daher ist in den meisten Fällen hinreichend klar, ob ein Grundstück einem Kollektiv oder dem Staat zuzuordnen ist. Dadurch wird in der Zukunft möglicherweise weniger über das Eigentum an Anlandungen gestritten. 3.  Anschwemmungen am Ufer oder am Flussbett Im ersten Lösungsmodell verbinden sich Sand oder ähnliche Stoffe eines Flusses mit einem Ufer, sodass sie wesentliche Bestandteile des Ufers werden. Das Wesen des Ufergrundstücks hat sich nicht geändert. Deswegen liegt kein selbstständiges Eigentum an den Anschwemmungen vor. In China können die Anlandungen eher so betrachten werden, dass durch sie Sand und Lehm an dem Flussbett angeschwemmt werden. Besonders für den Fall einer durch Anschwemmung in einem Fluss entstandenen Insel scheint diese Betrachtung tauglich zu sein. Die Fläche der Insel hat nämlich offensichtlich keinen räumlichen Kontakt mit der Uferfläche. Die Insel ist im Gegenteil quasi auf der Basis des Flussbetts gewachsen. Nach traditioneller Ansicht ist im oben erwähnten Fall die Anschwemmung nicht an dem Flussbett entstanden. Für diese Ansicht wird vor allem geltend gemacht, dass die Anschwemmungen am Flussbett kein selbstständiges Eigentum bilden können, da das Flussbett unterhalb des Wasserspiegels liegt und kein selbstständiges Rechtsobjekt darstellen kann. In China kann man diese Frage auch anders behandeln. Hier stehen sowohl das Gewässer13 als auch der Flusslauf14 dem Staat zu. Sie sind zwei voneinander unabhängige Eigentumspositionen. Der Staat erwirbt selbstverständlich die Anschwemmungen an dem Flussbett, der zum Flusslauf gehört, weil der Fluss im Eigentum des Staates steht.

13   Nach §  9 Abs.  1 der Verfassung der Volksrepublik China ist das Gewässer Eigentum des Staates. 14   Vgl. §  11 des Gesetzes über einige Bestimmungen zur Feststellung des Grundstückseigentums und -nutzungsrechts.

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V.  Zur Rationalität der beiden Lösungsmodelle 1.  Unmittelbare Auswirkung der natürlichen Vernunft (ratio naturalis) Die Lösung, dass der Uferinhaber das Eigentum an den Anlandungen erwirbt, folgt nach dem Verständnis von Gaius „naturali ratione“.15 Justinian indes meint, dass dies dem „ius gentium“ entspringt. In der Literatur wird heutzutage auch die Ansicht vertreten, dass diese Lösung mit dem Prinzip der relativen Gleichheit (equity principle) zusammenhängt (commodum eius esse debet, cuius periculum est, Iust. Inst. 3,23,3). Die Anlandungen werden den Anliegern zugesprochen als Ausgleich dafür, dass der Fluss dauernd in der Lage ist, Teile dieser Ufergrundstücke abzuschwemmen. Der Vorteil soll demjenigen zugute kommen, der auch dem Nachteil ausgesetzt ist.16 Deswegen soll der Uferinhaber auch das Eigentum an einer Insel erwerben, wenn diese durch Anschwemmung im Fluss entstanden ist. Nach D. 41,65,2 wird das Eigentum an einer durch Anschwemmung entstandenen Insel dem Inhaber eines Grundstücks zugeteilt, dessen Grundstück am nächsten an die entstandene Insel grenzt. 2.  Zur mittelbaren Auswirkung der natürlichen Vernunft Auf das chinesische Lösungsmodell angewendet zeigt die natürliche Vernunft keine Auswirkung. Vielmehr spielen die chinesische Tradition und die vom Sozialismus hergeleiteten Erkenntnisse die entscheidende Rolle. Auf der einen Seite herrschte in der Geschichte Chinas die Meinung vor, dass alle Grundstücke dem Staat gehören. Obwohl im jetzigen China Grundstücke auf dem Land den Kollektiven zustehen können, hat dies nicht die unter der Bevölkerung weit verbreitete Meinung beeinflusst, dass alle Grundstücke im Eigentum des Staats stehen. Diese traditionell vertretene Ansicht führt sogar dazu, dass manche Leute überhaupt nicht wissen, dass ländliche Grundstücke auch im Eigentum von Kollektiven stehen können. So gehen manche Bauern immer noch davon aus, dass das von ihnen bestellte Land im Eigentum des Staats steht. 15   Gai. Inst. 2,70: „Sed et id, quod per alluvionem nobis adicitur, eodem iure nostrum fit; per alluvionem autem id videtur adici, quod ita paulatim flumen agro nostro adicit, ut aestimare non possimus, quantum quoquo momento temporis adiciatur; hoc est, quod volgo dicitur, per alluvionem id adici videri, quod ita paulatim adicitur, ut oculos nostros fallat.“ (Aber auch das, was uns durch Anschwemmung angefügt wird, geht nach demselben Rechtsgrund in unser Eigentum über; und zwar nimmt man an, dass das durch Anschwemmung angefügt wird, was ein Fluss derart lang­sam unserem Feld anfügt, dass wir nicht ein­schät­zen können, wie viel in jedem Augenblick angefügt wird; und das ist da­m it gemeint, wenn man gemeinhin sagt, man nehme an, es werde das ,durch Anschwem­mung‘ angefügt, was so langsam ange­f ügt wer­de, dass man es nicht mit den Augen erkennen könne.) „Naturali ratione“ in Gai. Inst. 2,69: „Ea quoque, quae ex hostibus capiuntur, naturali ratione nostra fiunt.“ (Auch das, was den Feinden als Beute weggenommen wird, geht kraft natürlicher Ver­nunft in unser Eigentum über.) Ulrich Manthe, Gaius Institutiones (2004) 134. 16  Vgl. Max Kaser/Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 20.  Aufl. 2014, §  26 Rn.  11.

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Auf der anderen Seite spielt auch die Theorie vom Sozialismus eine große Rolle, wenn sich der Staat mit der Frage der Eigentumsverhältnisse an Anschwemmungen befasst. China ist ein sozialistischer Staat. Das heißt, dass die meisten natürlichen Ressourcen im Eigentum des Staats stehen. Neue Anschwemmungen gehören zweifellos auch dazu. Vor dem Hintergrund der chinesischen Tradition und der sozialistischen Gedanken lässt sich leicht nachvollziehen, warum Anschwemmungen prinzipiell in das Eigentum des Staats fallen sollen. Aber der Gedanke von der natürlichen Vernunft ist auch nicht ganz wirkungslos. Zwar lässt sich um das Eigentum am Schwemmland nicht streiten. Die Zuteilung des Nutzungsrechts kann hier aber gewissermaßen einen Ausgleich schaffen. Der Staat beachtet bei der Zuteilung des Nutzungsrechts ebenfalls den Gedanken, dass der Vorteil demjenigen zugute kommen soll, der auch dem Nachteil ausgesetzt ist. So werden die Anschwemmungen demjenigen zugeteilt, der das Uferland nutzt oder – für den Fall eine vorherige Abschwemmung – demjenigen, der ursprünglich am Ort der Abschwemmung das Land genutzt hat. Diese Lösung ist sogar im alten China zu finden.

VI.  Besonderheiten der chinesischen Lösung 1.  Eigentumsvermutung beim Schwemmland Nach chinesischem Recht müssen die Grundstücke, die einem Kollektiv zustehen, ins Grundbuch eingetragen werden, während Grundstücke, die dem Staat zustehen, nicht eingetragen werden müssen. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Staat als Rechtssubjekt unverwechselbar ist, während es in China eine Menge Kollektive gibt, sodass es zu einer Verwechslung kommen kann und eine Klarstellung der Eigentumszuordnung notwendig ist. Falls ein Kollektiv nicht beweisen kann, dass ihm ein bestimmtes Grundstück gehört, dann ist dieses als Eigentum des Staats anzusehen.17 In diesem Sinne lässt sich vermuten, dass ein Grundstück dem Staat zusteht, wenn das betroffene Kollektiv nicht in der Lage ist, das Gegenteil zu beweisen. Eine solche Vermutung ist im deutschen Recht wohl nicht zu finden. Als Beispielsfall lässt sich ein Streit zweier Parteien über das Eigentum eines am Flussufer liegenden Grundstücks in der Hunan Provinz heranziehen. Da hier beide Parteien nicht in der Lage waren, stichhaltige Beweise für die Eigentumslage an dem Grundstück vorzubringen, hat die Gemeinderegierung beschlossen, dass das streitige Grundstück im Eigentum des Staats steht. Diesem Beschluss unterwarfen sich die beiden Parteien nicht. Sie leiteten ein Verwal  Vgl. §  18 des Gesetzes über einige Bestimmungen zur Feststellung des Grundstückseigentums und des Grundstücksnutzungsrechts. 17

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tungsverfahren und später einen Verwaltungsprozess ein. Das Gericht hat aber in seinem letztinstanzlichen Urteil den Beschluss der Regierung für rechtmäßig erachtet.18 Ein weiteres Beispiel für diese Praxis lässt sich aus einer Urteilsbegründung in der Shandong-Provinz entnehmen. In diesem Fall war eine Anschwemmung auf natürliche Weise entstanden und noch nicht in das Grundbuch eingetragen worden. Aus diesem Grund ging das Gericht davon aus, dass das Grundstück nicht im Eigentum der streitenden Parteien stand. Vielmehr sei die Anschwemmung als Eigentum des Staats anzusehen.19 2.  Vom Streit um das Eigentum zum Streit um das Nutzungsrecht In dem in Deutschland bekannt gewordenen Moselinsel-Fall wurde um das Eigentum an der Anschwemmung gestritten. Im Gegensatz hierzu steht in China das Eigentum an Anschwemmungen prinzipiell dem Staat zu. In dieser Hinsicht macht ein Streit um das Eigentum an den Anschwemmungen keinen großen Sinn. Trotzdem kommt es manchmal zu Streitfällen über die Rechtsverhältnisse an Anschwemmungen. Dabei geht es aber vor allem um das Nutzungsrecht an dem Schwemmland. So ging es beispielsweise im oben erwähnten Fall am Gelben Fluss um die Rechtsfrage, wer das Recht hat, mit der Gemeinderegierung einen Pachtvertrag über das Schwemmland zu schließen. 3.  Streitigkeit über das Recht am Schwemmland vor den Zivilgerichten und im Verwaltungsprozess Kommt es zu einem Streit über die Zugehörigkeit oder den Inhalt eines Rechts am Schwemmland, so können nach §  33 chin. SRG materiell Betroffene Feststellung beantragen. Ob die Feststellung in einem gerichtlichen Verfahren oder durch Entscheidung des Registerorgans oder anderer Organe erfolgt, lässt das Sachenrechtsgesetz offen. Wenn zwischen den Beteiligten durch deren eigenes Aushandeln keine Einigkeit über die Zugehörigkeit und das Nutzungsrecht am Schwemmland erreicht wird, müssen sich die Beteiligten zuerst an die Regierung wenden. Sie können nicht sofort eine Klage bei Gericht erheben. Wenn sich die Beteiligten dem Beschluss der Regierung nicht unterwerfen möchten, dann können sie innerhalb von 30 Tagen nach dem Zugang des Beschlusses Kla18  Vgl. Miaozhu OUYANG, Das Land soll dem Staat zugesprochen werden, wenn Beweise für das Kollektiveigentum fehlen (欧阳妙珠: „集体所有“缺少证据 争议土地确权„国有“中国国 土资源报), in: China-Zeitung für Bodenressourcen (2008) 7. http://hunanfy.chinacourt.org/ publ ic /det a i l.php? id = 470 6%CE%DE%B5%CC %B7%C0 %BA%D3%B5%C0 % C0%FA%CA%B7%D7%EE%B8%DF%BA%E9%CB%AE%CE%BB%D2%D4% CF%C2%B5%C4%CD%C1%B5%D8%B9%E9%B9%FA%BC%D2%CB%F9%D3% D0%3C/font%3E (zuletzt 09.09.2014). 19   Vgl. Urteil des Volksgerichtes der Mengyin Landkreis Shandong Provinz, Meng Xing Chu Zi (2000) Nr.  26 (山东省蒙阴县人民法院行政判决书 [2000] 蒙行初字第26号).

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ge bei Gericht erheben.20 Es ist also nach chinesischem Recht bei dieser Art von Streitigkeiten erforderlich, ein Vorverfahren bei der Regierung durchzuführen. Erst danach kann der Verwaltungsprozess bei Gericht eingeleitet werden. Das Oberste Volksgericht führt hierzu aus21 : Streitigkeiten über das Eigentum oder ein Gebrauchsrecht an natürlichen Ressourcen wie Land, Berge, Wälder, Wiesen, Ödland, Watten und Wasserflächen müssen durch die zuständige Verwaltungsabteilung entschieden werden. Wenn sich die Beteiligten dem Beschluss der Verwaltung nicht unterwerfen wollen, müssen sie nach den einschlägigen Gesetzen und Verwaltungsrechtsnormen bei Gericht Klage erheben. Klagen aufgrund einer Rechtsverletzung können die Gerichte indes unmittelbar annehmen. In der Praxis nehmen die Gerichte aber auch in Fällen, bei denen es um reine Rechtsverletzungen geht, die Klagen nicht an, wenn die Streitigkeit nicht zuvor von der zuständigen Verwaltungsabteilung beschieden worden ist.22 4.  Gesetzgebung zur Anschwemmung Grundlegende Regelungen für Zivilsachen können nach §  8 Nr.  7 des Gesetzgebungsgesetzes der VR China nur durch Gesetz kodifiziert werden. Nach §  7 des Gesetzgebungsgesetzes darf ausschließlich der Nationale Volkskongress und der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die staatliche Gesetzgebungsgewalt ausüben. Bisher existieren auf der Staatsebene nur allgemeine Regelungen zum Grundstückseigentum. Die Frage nach der Zugehörigkeit von Anschwemmungen sollte durch staatliche Regelungen normiert werden. In der Praxis werden die Regelungen, die speziell zu dieser Frage ergehen, von Abteilungen des Staatsrats erlassen. Der Staatsrat übt zwar in Vertretung des Staats das Staatseigentum aus. Er ist aber offensichtlich ungeeignet, grundlegende Regelungen zu erlassen. So kommt dem Staatsrat eine multifunktionale Stellung als Regelungsgeber, Verwalter und zivilrechtliches Rechtssubjekt zu. Eine solche Stellung kann beim Erlass und der Ausführung von Regelungen zu Problemen führen. Diese tauchen schon bei den Regelungen über die Beschlagnahme von Grundstücken auf. Ähnliches ist auch bei der Behandlung von Eigentumsverhältnissen an Anschwemmungen zu erwarten.

  §  16 Landverwaltungsgesetz.   96 versuchsweise durchgeführte Ansichten des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Anwendung der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der VR China (26.01.1988). 22   Vgl. Beschluss des Mittelvolksgericht der Zhumadian Stadt, Provinz Henan, Zhu Li Yi Min Zhong (2010) Nr.  0 0123 (河南省驻马店市中级人民法院民事裁定书 [2010] 驻立一民终字第 00123号). 20 21

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VII. Fazit Bei dem Vergleich der Präzedenzfälle in China und in Deutschland lässt sich feststellen, dass die Eigentumsverhältnisse an den Anschwemmungen unterschiedlich geregelt sind und in der Praxis auch unterschiedlich behandelt werden. Dieser Unterschied verdeutlicht, dass bei der Reform des chinesischen Rechts nicht nur die kontinentaleuropäische Dogmatik zum Vorbild zu nehmen ist, sondern auch die Auseinandersetzung mit der nationalen Rechtskultur und die damit verbundene Ideologie eine große Rolle spielen. Die Besonderheiten der chinesischen Rechtskultur und der chinesischen Ideologie führen zu spezifischen juristischen Problemen. Die in diesem Vortrag behandelte Frage mag ein treffendes Beispiel hierfür sein.

Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes Reinhard Singer

I.  Einführung: Rechtsfortbildung im Nachbarrecht kraft praktischer Notwendigkeit? Das Nachbarrecht des BGB ist lückenhaft. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die Interessen der Wirtschaft an einer möglichst ungehinderten Entfaltung der gewerblichen Tätigkeit mit denen der Nachbarn in Ausgleich zu bringen, wurde nur teilweise erreicht, so dass die Rechtsprechung des Reichsgerichts und später auch des Bundesgerichtshofs mit der praktischen Notwendigkeit konfrontiert waren, die auftretenden Lücken zu füllen. Der Vorsitzende Richter des für das Sachenrecht zuständigen V. Zivilsenats, Horst Hagen, war der festen Überzeugung, dass die Rechtsprechung die ihr zufallende Aufgabe bestens bewältigt hat, und glaubte, der Fachwelt eine „Musterlösung und Lösungsmuster“ präsentieren zu können. Indessen offenbarte die zusammenfassende Würdigung der bisherigen Entwicklung die offensichtlichen Defizite der praktischen Rechtsanwendung: „Mag auch die bisherige dogmatische Begründung [. . .] noch Wünsche offenlassen, so dürften die Ergebnisse doch einem nahezu unabweisbaren praktischen Bedürfnis entsprechen. Man wird deshalb eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes annehmen können“.1 Eine Rechtsfortbildung, die sich auf ein unabweisbares praktisches Bedürfnis stützt, kann zwar auf eine Fallgruppe der Methodenlehre von Karl Larenz verweisen 2 , entbehrt aber angesichts des offenkundigen Fehlens eines Maßstabs, der sich auf juristische Kategorien und Rechtssätze bezieht, einer tragfähigen Begründung. Es bestehen daher Zweifel, ob die umfangreiche Umbildung und Fortentwicklung dieses Rechtsgebiets durch die Rechtsprechung tatsächlich Vorbildcharakter hat und als „Musterlösung“ taugt, zumal die Praxis mit dem Institut des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ operiert, das keine Grundlage im gel1   Horst Hagen, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach §  9 06 Abs.  2 S.  2 BGB als Musterlösung und Lösungsmuster – Rechtsfortbildung in mehreren Etappen, in: FS Richard Lange (1992) 483 (501). 2   Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.  Aufl. 1991, 414 f.: „Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Verkehrs“, die er z. B. bei der Sicherungsübereignung, Einziehungsermächtigung und beim Anwartschaftsrecht anerkannt hat.

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tenden Privatrecht hat und geradezu wie ein „Joker“ eingesetzt werden kann, um rechtspolitisch erwünschte Ergebnisse zu erzielen. Bevor die mit diesem methodischen Instrumentarium festgestellten Regelungslücken und deren Ausfüllung durch die Rechtsprechung analysiert werden (IV.), sollen zunächst das Grundkonzept des privatrechtlichen Nachbarschutzrechts betrachtet (II.) und solche Fallgestaltungen erörtert werden, die sich mit dem Instrumentarium der Auslegung im engeren Sinne3 – also unter Beachtung der Wortlautgrenze – lösen lassen (III.).

II.  Das Grundkonzept des zivilrechtlichen Nachbarschutzes 1.  Funktion nachbarrechtlicher Normen „Wer um Mitternacht in sein Waldhorn bläst, erfreut sich der Idylle seines Gartens, stört aber erheblich die Ruhe, die der Nachbar sucht“.4 Diese poetische Beschreibung der Interessenlage in dem Sachenrechtslehrbuch von Jürgen Baur und Rolf Stürner trifft den Kern nachbarschaftlicher Konflikte. Diese erfordern einen Ausgleich zwischen dem Nutzungsinteresse des Eigentümers und dem Integritätsinteresse seiner Nachbarn. Dabei kollidiert die dem Eigentümer gemäß §  903 BGB zustehende umfassende Dispositions- und Ausschließungsbefugnis mit dem jeweils inhaltsgleichen Recht seines Nachbarn. 2.  Entwicklung des §  9 06 BGB Schon bei Inkrafttreten des BGB verpflichtete §  906 BGB a. F. (1900) den Eigentümer zur Duldung von unwesentlichen und wesentlichen, aber ortsüblichen Immissionen. Unter Immissionen wurde bereits damals „die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräuschen, Erschütterungen und ähnlichen von einem Grundstück ausgehenden Einwirkungen“ verstanden. Der hauptsächliche Beweggrund für die Einführung einer solchen Duldungspflicht bestand darin, großindustrielle Betriebe, von denen viele Immissionen ausgehen, vor Abwehransprüchen ihrer Nachbarn zu schützen.5 „Da wir auf dem Grunde eines bewegten Luftmeeres leben“6 , erschien es dem für das Sachenrecht zuständigen Redaktor Reinhold Johow unvermeidlich, dass von

  Zur Unterscheidung von Auslegung im engeren und weiteren Sinne und zur Wortlautgrenze als Abgrenzungskriterium für die Rechtsfortbildung vgl. Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3.  Aufl. 1995, 143, 187. 4   Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  25 Rn.  17. 5   Claudia Bensching, Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche (2002) 12 f. 6   Reinhold Johow, in: Schubert, Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht Teil 1 (1982) 705. 3

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einer sinnvollen Grundstücksnutzung zwangsläufig bestimmte Immissionen ausgingen und vom Nachbarn hinzunehmen seien. Durch die Novellierung des §  906 BGB im Jahr 19597 wurde die Duldungspflicht des Eigentümers gegenüber Immissionen auf ortsübliche Einwirkungen, die nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können, eingeschränkt. Ferner übernahm das Gesetz in §  906 Abs.  2 BGB die Rechtsprechung des Reichsgerichts8 und des BGH9, der die des Reichsgerichts im Wesentlichen fortführte10 , und begründete eine Ausgleichspflicht für ortsübliche, unvermeidbare Einwirkungen. 1994 wurde §  906 Abs.  1 BGB um Satz 2 und 3 ergänzt. Diese Ergänzung diente der Harmonisierung des öffentlichrechtlichen und zivilrechtlichen Immissionsschutzes.11 Grundlage und Begründung für die richterliche Rechtsfortbildung war schon seit Inkrafttreten des BGB das sogenannte „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“.12 3.  Duldungspflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen Neben die zivilrechtlichen Normen treten öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Eigentümer Duldungspflichten auferlegen. Früher waren privatrechtliche Abwehransprüche insbesondere gemäß §  26 GewO ausgeschlossen. Eine entsprechende Funktion erfüllt nun vor allem §  14 BImSchG (ähnlich §  7 Abs.  6 AtomG oder §  11 LuftVG). Der Ausschluss von Abwehransprüchen wird damit gerechtfertigt, dass die Betroffenen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Teilhabemöglichkeiten haben.13 Zudem steht ihnen gemäß §  14 S.  2 BImSchG

  BGBl. I, 781 ff.   RG 10.03.1937 – V 218/36, RGZ 154, 161 (Gutehoffnungshütte II); dazu näher unten IV. 1. a). 9   BGH 28.04.1967 – V ZR 216/64, BGHZ 30, 273 (280). 10   Nach dem Gesetz genügten jetzt allerdings schon „unzumutbare Beeinträchtigungen“, um einen Ausgleichsanspruch zu begründen, vgl. dazu auch Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 25. 11   Klaus Vieweg, Die Unbestimmtheit des §  9 06 BGB – Ein Beitrag zum Thema Sprache und Recht, in: FS Bernhard Großfeld (1999) 1251 (1257). 12   Stenographische Berichte, Bd. 44 (1959) 4856. 13   Antrag des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsgesetz — BImSchG —), BT-Drucks. 7/179 vom 09.01.1974, 36; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  31; Herbert Roth, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2009) §  9 06 Rn.  20; Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2013) §  1004 Rn.  187; Fritz Baur, Die privatrechtlichen Auswirkungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes, JZ 1974, 657 (658 f.); Franz-Joseph Peine, Privatrechtsgestaltung durch Anlagengenehmigung, NJW 1990, 2442 (2443); Hans D. Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 9.  Aufl. 2012, §  14 Rn.  1. 7 8

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ein Schadensersatzanspruch zu, wenn Abwehrmaßnahmen nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind.14

III.  Die Auslegung des Nachbarrechts im engeren Sinne Der Tatbestand des §  906 BGB ist aufgrund seiner hohen Zahl unbestimmter Rechtsbegriffe in besonderer Weise der Auslegung und dynamischen Entwicklung zugänglich. Das Vorliegen einer Duldungspflicht wird daher von der Rechtsprechung im Einzelnen und situationsbezogen bestimmt.15 Bevor die Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung geprüft werden, soll daher zunächst der Inhalt der Norm, wie er sich auf der Grundlage einer erläuternden Auslegung darstellt, umrissen werden. 1.  Imponderabilien und „ähnliche Einwirkungen“ §  906 Abs.  1 S.  1 BGB ordnet zunächst grundsätzlich eine Duldungspflicht für Einwirkungen durch Imponderabilien an. Diese werden dadurch charakterisiert, dass sie ihrer Natur nach zwar sinnlich wahrnehmbar, aber nicht wägbar sind und sich negativ auf das Grundstück oder auf ihm befindliche bewegliche Sachen oder Personen auswirken.16 Die im Gesetz beispielhaft aufgezählten Einwirkungen verdeutlichen, dass der Eigentümer nach dem Zweck der Regelung weitgehend unkontrollierbare und unbeherrschbare Einwirkungen zu dulden hat.17 Dass es dabei nicht vordergründig auf die Wägbarkeit ankommen kann, zeigt sich bereits daran, dass die im Gesetz aufgezählten Immissionen „Rauch“ und „Ruß“ physikalisch durchaus wägbar sind.18 Der Begriff „Imponderabilien“ ist folglich ungenau. Vom Tatbestand des §  906 Abs.  1 S.  1 BGB werden daher zutreffend nicht nur rein unkörperliche Immissionen erfasst, sondern zumindest auch „leicht“ körperliche. Anhand dieser Kriterien hat die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal „ähnliche Einwirkungen“ in Übereinstimmung mit Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass der Eigentümer unter anderem auch von einem Mobilfunkmast ausgehende elektromagnetische 14   Siehe dazu Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 135; Andreas Sebastian Singer, Persönlichkeitsschutz in Nachbarschaftslagen (1999) 76 f. 15   Thomas Pfeiffer, Die Bedeutung des privatrechtlichen Immissionsschutzes (1987) S.  191 f.; Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  133. 16   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  26; Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  116; Franz Jürgen Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  9 06 Rn.  48. 17   Othmar Jauernig, Zivilrechtlicher Schutz des Grundeigentums in der neueren Rechtsentwicklung, JZ 1986, 605 (607 f.). 18   BGH 24.01.1992 – V ZR 274/90, BGHZ 117, 110 (112); BGH 02.03.1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 (258 f.).

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Wellen19, auf das Grundstück eindringende Bienen 20 sowie herabfallende Nadeln und Laub21 grundsätzlich zu dulden habe. Rechtsdogmatisch handelt es sich dabei noch um Auslegung im engeren Sinne, nicht um Rechtsfortbildung. Eine Duldungspflicht für „Ponderabilien“, also grob-körperliche Immissionen, kann hingegen auf der Grundlage einer wortlaut- und systemgetreuen Auslegung des §  906 Abs.  1 S.  1 BGB nicht begründet werden. Dementsprechend hat die Rechtsprechung aus einem Kalksteinbruch herausgeschleuderte Steinbrocken 22 , von einem Wasserrohrbuch herrührendes eindringendes Wasser23 oder auf einen Tennisplatz vordringendes Wurzelwerk 24 konsequent nicht als „ähnliche Einwirkung“ qualifiziert.25 2.  Ideelle und negative „Einwirkungen“ Eine wortlautgetreue Auslegung stößt ferner auf Grenzen, wenn es an einer die Grundstücksgrenze überschreitenden, sinnlich wahrnehmbaren „Einwirkung“ fehlt. Dementsprechend fällt es schwer, den Entzug von Licht, Luft, Wasser oder Funkwellen aufgrund von Vorgängen oder Zuständen auf dem Nachbargrundstück als „Einwirkung“ zu qualifizieren. Die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur gehen daher davon aus, dass lediglich „negative“ Einwirkungen nicht in den Anwendungsbereich des §  906 Abs.  1 S.  1 BGB fallen.26 Aus ähnlichen Gründen wird eine Duldungspflicht von h. M. und Rechtsprechung auch bei sogenannten „ideellen Einwirkungen“ abgelehnt. Unter diesem Schlagwort werden ideelle, optische oder ästhetische Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung zusammengefasst. In der bloßen Verletzung des ästhetischen oder moralischen Empfindens, beispielsweise durch den Betrieb eines Bordells27 oder die Unterhaltung eines Schrott- und Lagerplatzes neben einem Schlosshotel 28 , liege bereits keine „Einwirkung“ i. S. von §  906 BGB. Eine andere Beurteilung sei nur geboten, sofern von dem Grundstück auch tatsächlich fühlbare Immissionen ausgingen.29   BGH 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317 (1318).   BGH 24.01.1992 – V ZR 274/09, BGHZ 117, 110 (112). 21   BGH 14.11.2003 – V ZR 102/03, BGHZ 157, 33 (40 f.). 22   BGH 08.10.1958 – V ZR 54/56, BGHZ 28, 225 (227). 23   BGH 30.05.2003 – V ZR 37/02, BGHZ 155, 99. 24   BGH 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235. 25   Zur Rechtsfortbildung vgl. jedoch unten III.1.b). 26   BGH 21.10.1983 – V ZR 166/82, BGHZ 88, 344 (Hochhausbau verhinderte Fernsehempfang); BGH 22.12.1976 – III ZR 62/74, BGHZ 69, 1 (Pumpanlage zur Trockenhaltung eines Kellergeschosses ließ Brunnen versiegen); MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  49 m. w. N. 27   BGH 12.07.1985 – V ZR 172/84, BGHZ 95, 307 (309 f.). 28   BGH 15.05.1970 – V ZR 20/68, NJW 1970, 1541 (1542). 29   RG 09.04.1904 – V 15/04, RGZ 57, 239 (240); OLG Oldenburg 09.01.1998 – 6 U 177/97, WuM 1998, 164. 19

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3.  Unwesentliche Beeinträchtigungen Das Merkmal der Wesentlichkeit ist das zentrale Kriterium zur Bestimmung einer Duldungspflicht nach §  906 Abs.  1 S.  1 BGB. Es ermöglicht einen angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Eigentümerinteressen und entspricht somit der grundsätzlichen Zielrichtung des Nachbarrechts.30 §  906 Abs.  1 S.  2 und S.  3 BGB stellt klar, dass grundsätzlich solche Immissionen, welche die in Gesetzen, Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenz- und Richtwerte überschreiten, wesentlich sind. Die Überschreitung von Grenzwerten ist jedoch lediglich Indiz für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung.31 Darüber hinaus kommt es nach der Rechtsprechung auch auf die Lästigkeit der Einwirkung an.32 So ist für die Belästigung durch Geräuschimmissionen nicht nur deren Lautstärke, sondern darüber hinaus die Impulshaftigkeit ausschlaggebend.33 Für die Bewertung einer Einwirkung stellt die Rechtsprechung ferner nicht auf die Sensibilität eines empfindlichen Nachbarn und auch nicht (mehr) auf das Empfinden eines normalen, sondern auf das eines verständigen, abwägenden Durchschnittsmenschen ab.34 Dieser Maßstab erlaubt die Berücksichtigung wertender Aspekte35 , so dass beispielsweise das veränderte Umweltbewusstsein im Hinblick auf den Artenschutz36 sowie die Interessen von Kindern und Jugendlichen, die einen Jugendzeltplatz am Rande eines Wohngebiets nutzen 37, Berücksichtigung finden können. 4.  Duldungspflicht bei wesentlichen, aber ortsüblichen Einwirkungen Sind Beeinträchtigungen wesentlich, kommt es im Rahmen der nach §  906 Abs.  2 S.  1 BGB bestehenden Duldungspflicht entscheidend auf die Ortsüblichkeit der beeinträchtigenden Nutzung an. Leitgedanke ist dabei, dass jedes Grundstück in eine bestimmte Umgebung – z.  B. ein Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebiet – eingebettet ist. Ob eine Benutzung ortsüblich ist, wird durch einen Vergleich des störenden Grundstücks mit anderen Grundstücken in der Umgebung ermittelt. Ist die Benutzung im Hinblick auf Art und Ausmaß der Immissionen dem Gepräge   Pfeiffer, Immissionsschutz (Fn.  15) 192.   BGH 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317 (1318). 32   BGH 29.06.1966 – V ZR 91/65, BGHZ 46, 35 (38); MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  6 4. 33   BGH 17.12.1982 – V ZR 55/82, NJW 1983, 751 f. („technische“ und „soziale“ Geräusche des Tennisspiels). 34   BGH 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 (255). 35   Klaus Vieweg/Anne Röthel, Der verständige Durchschnittsmensch im privaten Nachbarrecht, NJW 1999, 969 f. 36   BGH 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 (255). 37   AG Schöneberg 02.10.2007 – 3 C 14/07, WuM 2007, 638 f. 30 31

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des Vergleichsgebiets nach nicht außergewöhnlich, so ist die Beeinträchtigung als ortsüblich anzusehen.38 Es leuchtet daher ohne weiteres ein, dass der von einer Hammerschmiede ausgehende Lärm an der Grenze eines Industriegebiets zu dulden ist.39 Eine Duldungspflicht besteht jedoch nur dann, wenn der Störer die Einwirkungen nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindern kann. Dies führt dazu, dass der Benutzer, von dessen Grundstück störende Einwirkungen ausgehen, primär dazu verpflichtet ist, Emissionen – im Rahmen der Verhältnismäßigkeit40 – so weit zu reduzieren, dass sie die Wesentlichkeitsschwelle des §  906 Abs.  2 S.  1 BGB nicht überschreiten.41 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit stellt die Rechtsprechung dabei nicht ausschließlich auf die Möglichkeiten und Verhältnisse des Störers ab, sondern berücksichtigt darüber hinaus das Verhalten des beeinträchtigten Nachbarn. So hätte dem Betreiber im „Hammerschmiede-Fall“42 wohl zugemutet werden können, seine Anlagen umzubauen, um das Schließen der Tore und Fensteröffnungen zu ermöglichen und den von dem Betrieb der Anlage ausgehenden Lärm zu vermeiden. Der BGH verneinte die Zumutbarkeit jedoch im Ergebnis, da der gestörte Nachbar sein Grundstück in Kenntnis der Immissionsbelastung erworben hatte und ihm daher ein Verschulden gegen sich selbst vorzuwerfen war.43 Die von der Rechtsprechung vorgenommene Berücksichtigung der zeitlichen Priorität ist durchaus folgerichtig, obwohl das Gesetz den Schutz des Störers grundsätzlich nicht davon abhängig macht, ob die örtlichen Verhältnisse schon immer durch Immissionen geprägt waren. Sonst würde der Zweck des Gesetzes, die industrielle Entwicklung zu fördern, nicht erreicht. Umgekehrt gilt jedoch: Wer Belastungen kennt und sich ihnen dennoch (bewusst) aussetzt, ist bei der Durchsetzung von Abwehr- und Ausgleichsansprüchen wegen des ihm vorzuwerfenden Verhaltens44 nicht schutzwürdig. Die dabei vorgenommene Rechtsfortbildung ist Ausdruck eines ethischen Prinzips, das beispielsweise auch in §  442 BGB und §  814 BGB Niederschlag gefunden hat und auf dem 38   BGH 28.04.1967 – V ZR 216/64, BGHZ 30, 273 (277); BGH 23.03.1990 – V ZR 58/89, BGHZ 111, 63 (72 f.); BGH 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 (255); BGH 28.09.1962 – V ZR 233/60, NJW 1962, 2341 (2342). 39   Exemplarisch BGH 06.07.2001 – V ZR 246/00, BGHZ 148, 261 („Hammerschmiede“). 40  Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  237. 41   OLG Frankfurt 13.06.1991 – 1 U 122/89, NJW-RR 1991, 1364 (1366); MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  149. 42   Siehe oben Fn.  39. 43   BGH 06.07.2001 – V ZR 246/00, BGHZ 148, 261 (269). 44   Nach h. M. handelt es sich um ein gem. §  242 BGB verbotenes „widersprüchliches Verhalten“ (BGH 21.12.1961 – III ZR 130/60, BGHZ 36, 232 (235); BGH 18.01.1979 – VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (205); Stephan Lorenz, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2007) §  814 Rn.  2; krit. dazu Reinhard Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (1993) 60 ff., 68.

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Rechtsgedanken beruht, dass derjenige, der freiwillig auf den ihm zumutbaren Selbstschutz verzichtet hat, nicht schutzwürdig ist. Die Rechtsordnung zieht hier die Konsequenz aus der mutmaßlichen Selbstbestimmung des Leistenden, der anscheinend auf den ihm möglichen Selbstschutz verzichtet, ohne den Verkehr auf die schwierige, häufig unmögliche Auslegung des Parteiverhaltens als rechtsgeschäftlichen Verzicht zu verweisen. 5. Ausgleichsanspruch gemäß §  9 06 Abs.  2 S.  2 BGB Hat ein Eigentümer auf einer ortsüblichen Nutzung des Nachbargrundstücks beruhende wesentliche Einwirkungen gemäß §  906 Abs.  2 S.  1 BGB zu dulden, gewährt §  906 Abs.  2 S.  2 BGB einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in Geld. Die Gewährung eines Ausgleichs basiert auf dem Gedanken des Interessensausgleichs zwischen Nachbarn.45 Dogmatisch handelt es sich um einen klassischen Aufopferungsanspruch. Weil das Gesetz einem von zwei kollidierenden Rechtsgütern den Vorrang einräumt, um eine sinnvolle wirtschaftliche Nutzung des Eigentums zu ermöglichen, wird dem benachteiligten, sich aufopfernden Eigentümer ein verschuldensunabhängiger Ausgleich gewährt.46

IV.  Die Auslegung des Nachbarrechts im weiteren Sinne (Rechtsfortbildung) Auf der Grundlage einer erläuternden Auslegung des Gesetzes lassen sich eine Reihe von nachbarrechtlichen Konflikten nicht befriedigend lösen. Insbesondere bei der Immission von Ponderabilien, bei ideellen Immissionen und beim Entzug von Nutzungsmöglichkeiten durch „negative“ Immissionen hat das Festhalten am Buchstaben des Gesetzes und dessen Systematik zur Konsequenz, dass berechtigten Schutzinteressen des Nachbarn, aber auch Interessen des Emittenten nicht in allen Fällen Rechnung getragen wird. Insofern stellt sich in der Tat die Aufgabe, das Nachbarrecht fortzubilden, weil und soweit es von Rechts wegen als lückenhaft anzusehen ist. Eine Lücke liegt vor, wenn das geltende Recht - innerhalb der Grenze des Wortsinns - eine Regelung nicht enthält, obwohl die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine solche fordert.47 Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss mit anderen Worten „planwidrig“ sein.48 Eine rechtsschöpfende Tätigkeit des Rechtsanwenders bedarf aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer besonde  RG 10.03.1937 – V 128/36, RGZ 154, 161; Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 43 ff.  Ausführlich Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 43 ff. 47   Claus-Wilhelm Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.  Aufl. 1983, 39. 48   Canaris, Lücken (Fn.  47) 17. 45

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ren Rechtfertigung.49 Die Kompetenz des Richters zur Ausfüllung von Lücken folgt grundsätzlich aus der ihm auch von der Verfassung gemäß Art.  20 Abs.  3 GG auferlegten Bindung an „Gesetz und Recht“. Nach zutreffender Ansicht des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet diese Formel eine Absage an einen formalen Gesetzespositivismus. Die Verwirklichung des über den geschriebenen Normbestand hinausgehenden Rechtsgehalts ist folgerichtig Aufgabe der Rechtsprechung.50 Und die Rechtswissenschaft ist dazu berufen, sich an dem notwendigen Diskurs51 über die Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung zu beteiligen. Von zentraler Bedeutung bei der Feststellung und Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Wege der Rechtsfortbildung ist der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.52 Wenn es nämlich geboten ist, Gleiches gleich bzw. Ungleiches ungleich zu behandeln, ist eine gesetzliche Regelung, die diese Gebote missachtet, gemessen am Maßstab der Gesamtrechtsordnung lückenhaft. Der Gleichheitsgedanke gebietet dann entweder eine analoge Anwendung oder teleologische Reduktion der betreffenden Norm. 1.  Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch kraft „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ Zur Begründung von Duldungs- und Ausgleichspflichten abseits der gesetzlichen Regelungen hat das Reichsgericht bereits früh das Rechtsinstitut des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ geschaffen.53 Der BGH hat diese Rechtsprechung übernommen. a)  Kompensation für fehlenden Ausgleichsanspruch bei §  9 06 BGB a.  F. ? Der Grundgedanke besteht darin, dass zwischen den Nachbarn engere Beziehungen bestehen sollen als zwischen Eigentümern und Dritten. Dieses sog. „nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis“ verpflichte die Nachbarn, aufeinander Rücksicht zu nehmen.54 Entwickelt wurde dieser Gedanke vom Reichsgericht anlässlich eines Falles, in dem die von einem Stahlwerk in Oberhausen ausgehenden Immissionen einen angrenzenden landwirtschaftlichen Betrieb beeinträchtigten. Die Landwirtschaft musste nach damaligem Recht (§  26 GewO) die industriellen Immissionen der Gutehoffnungshütte dulden, ohne dass das Gesetz für diese Fälle einen finanziellen Ausgleich vorsah. Das „nachbarliche Ge  Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  3) 246 f.   BVerfG 14.02.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287). 51   Zur Bedeutung des Diskurses bei der Rechtsfindung vgl. Reinhard Singer, Konsens der qualifizierten Minderheit, in: FS Klaus Geppert (2011) 665 (682 f.). 52   Canaris, Lücken (Fn.  47) 21, 56 f., 71 ff. 53   RG 10.03.1937 – V 128/36, RGZ 154, 161 (166 f.). 54   RG 10.03.1937 – V 128/36, RGZ 154, 161 (165 f.). 49

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meinschaftsverhältnis“ sollte somit als Instrument dazu dienen, beim Bestehen einer Duldungspflicht für industrielle Immissionen das Fehlen eines Abwehranspruchs für wesentliche, ortsübliche Immissionen zu kompensieren.55 Diese Rechtsprechung ist inzwischen überholt, weil der Gesetzgeber durch die Novellierung des §  906 BGB im Jahr 1959 die ursprünglich bestehende Lücke geschlossen hat. Um einen Ausgleichsanspruch für duldungspflichtige Immissionen zu begründen, bedarf es des Instituts des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ nicht mehr, da §  906 Abs.  2 Satz 2 BGB und §  14 Satz 2 BImSchG nunmehr einen entsprechenden Ausgleich vorsehen. b)  Duldungs- und Ausgleichspflicht für Grobimmissionen? Die Vorteile einer Argumentation mit dem flexiblen Instrument des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ bildete freilich eine starke Versuchung für die Rechtspraxis, auch in anderen Fällen darauf zurückzugreifen, um einen Interessenausgleich herbeizuführen. So begründete der BGH im Rechtsstreit eines Steinbruchbetreibers mit seinem Nachbarn mithilfe des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“ eine auf besondere Ausnahmefälle begrenzte Duldungspflicht für Grobimmissionen, die „an sich“ nicht unter §  906 BGB fielen und daher streng genommen ohne weiteres gem. §  1004 BGB hätten abgewehrt werden können.56 Ausschlaggebend war ein Vergleich der wirtschaftlichen Nachteile, die eine Betriebsstilllegung für den Emittenten und eine Duldungspflicht für den immissionsbelasteten Betrieb zur Folge hätten. Während der von den Immissionen betroffene Betrieb des Nachbarn trotz der Immissionen einen „ständigen Aufschwung“ genommen hatte, hätte die vom Eigentümer geforderte Stilllegung des Steinbruchs „schwerwiegende wirtschaftliche Folgen“ und einen „erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen“ bedeutet. c)  Kritik an der Figur des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ Von einem Teil des Schrifttums wird die Konstruktion eines „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ kritisiert. Es sei eine „schwammige, nebulöse Figur“57, für die es keine Grundlage im geltenden Privatrecht gebe. Nachbarrecht begründe kein Schuldverhältnis, sondern bestimme den Inhalt eines absoluten Rechts, des Eigentums. Dafür spreche insbesondere auch die systematische Stellung der §§  906 ff. BGB.58 Die Kritik ist berechtigt. Abgesehen von den   So auch BGH 28.02.1955 – III ZR 136/54, BGHZ 16, 366 (374).   BGH 08.10.1958 – V ZR 54/56, BGHZ 28, 225; vgl. dazu auch oben II.1. 57   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  38; Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Schuldrecht II/2, 13.  Aufl. 1994, §  85 II 4b. 58   Dorothea Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis (1987) 74; Andreas Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch (1998) 49; Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 158. 55

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Grenzen des Rechtsmissbrauchs, um die es in den einschlägigen Konstellationen nicht geht, kennt das BGB Rücksichtnahmepflichten ausschließlich im Rahmen von Schuldverhältnissen (§  241 Abs.  2 BGB). Diese werden entweder durch Gesetz oder durch Vertrag begründet – und daran fehlt es bei der kritisierten Konstruktion des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“. Hinzukommt, dass die Konstruktion des „nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ ähnlich wie die aus dem Gemeinschaftsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeleitete arbeitsrechtliche Treupflicht59 seinen Ursprung in der nationalsozialistischen Ausrichtung auf die „Volksgemeinschaft“60 hatte. 61 Auf solche ideologisch „vergifteten“ Rechtsquellen sollte man das zeitgenössische Nachbarrecht nicht mehr stützen. d)  Alternative Begründungen Ein naheliegender Alternativvorschlag besteht darin, §  906 BGB und §  14 BImSchG entsprechend anzuwenden. 62 Allerdings sind die Tatbestände prima facie unähnlich. §  906 begründet eine Duldungspflicht nur für Imponderabilien, §  14 BImSchG für genehmigte Anlagen. 63 Der Vorschlag hat freilich einen berechtigten Kern, auf den noch zurückzukommen ist64. Andere Autoren sehen im Verbot unverhältnismäßiger Schädigung, das eine Ausprägung des Rechtsmissbrauchsverbots gemäß §  242 BGB darstellt, sowie in der entsprechenden Anwendung des §  251 Abs.  2 BGB geeignete Instrumente, um den Abwehran­ spruch des Nachbarn gegenüber ortsüblichen Einwirklungen gemäß §  1004 BGB zu begrenzen. 65 Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips trifft zwar einen wesentlichen Gesichtspunkt, erklärt aber nicht, warum gerade unter Nachbarn die von der Rechtsprechung angenommene Duldungspflicht besteht. Im Allgemeinen besteht ja gerade keine Verpflichtung, bei der Durchsetzung von Rechten das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. In der verdienstvollen Doktorarbeit von Alexandra Bensching wird die Rücksichtnahmepflicht kraft nachbarlichem Gemeinschaftsverhältnis mit dem Prinzip von Treu und Glauben begründet. Es handele sich um eine eigenständige

  Arthur Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, 3.  Aufl. 1961, §  34 I 1; Alfred Hueck/Hans Carl Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, 6.  Aufl. 1959, §  37; Günter Schaub/Rüdiger Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 15.  Aufl. 2014, §  53 Rn.  1. 60   RG 10.03.1937 – V 218/36, RGZ 154, 165 f. 61   Friedrich Karl Kübler, „Eigentum verpflichtet“ - eine zivilrechtliche Generalklausel?, AcP 159 (1960) 236 (288); zur Ideologie als Rechtsquelle Bernd Rüthers, Entartetes Recht, 2.  Aufl. 1989, 76. 62   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  38; Othmar Jauernig, Zivilrechtlicher Schutz des Grundeigentums in der neueren Rechtsentwicklung, JZ 1986, 605 (608). 63   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 172 ff. 64   Sogleich im Text unter IV. 1. e). 65   Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 II 4b, §  86 VI 2a. 59

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Fallgruppe des §  242 BGB. 66 Die Erfindung einer neuen Fallgruppe im Rahmen des §  242 BGB ist indessen allzu offensichtlich eine dogmatische Verlegenheitslösung, welche die behauptete Pflicht allenfalls systematisch verortet, diese aber nicht wirklich begründet. Insgesamt fehlt es somit an einer überzeugenden Begründung des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses“. e)  Unwesentliche Einwirkung und unverhältnismäßige Abwehr Es liegt nahe, eine Lösung der Probleme nicht bei allgemeinen Prinzipien oder der mehr oder weniger freihändigen Konstruktion von Rechtsinstituten zu suchen, sondern bei einer Rechtsfortbildung jener Norm, die eine Basiswertung für den Ausgleich der nachbarlichen Interessen enthält: §  906 Abs.  1 BGB. Aus den Materialien wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber der Dynamik dieses Rechtsgebiets bewusst war und eine Weiterentwicklung beziehungsweise Anpassung an die jeweiligen Umstände ausdrücklich wünschte. Dort heißt es: „Das Gesetz hat deshalb den Ausweg zu wählen, die hauptsächlichen Beispiele anzuführen und die weitere Entwicklung des leitenden Gedankens der Praxis zu überlassen.“67 Es besteht daher nach der Anschauung des historischen Gesetzgebers eine bewusste Regelungslücke und damit jedenfalls dann eine Legitimation zur Rechtsfortbildung, wenn es um den Ausgleich von Interessen geht, die mit den gesetzlich geregelten Fällen vergleichbar sind. Grundlage für eine Lösung des Interessenkonflikts ist ein wertender Vergleich von unwesentlichen Feinimmissionen (§  906 Abs.  1 BGB) mit solchen Grobimmissionen, die in vergleichbarem Maße die Interessen des Nachbarn „unwesentlich“ beeinträchtigen. Unwesentliche Feinimmissionen sind unter Nachbarn zu dulden, weil die Interessen des Störers die des Betroffenen deutlich überwiegen. Entsprechendes gilt für wesentliche Einwirkungen, die ortsüblich und nicht mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu beseitigen sind (§  906 Abs.  2 S.  1 BGB). Eine vergleichbare Interessenlage besteht offensichtlich bei Grobimmissionen, deren Abwehr mit Blick auf die geringfügigen („unwesentlichen“) Nachteile für den Betroffenen (§  906 Abs.  1 BGB) einerseits und die großen wirtschaftlichen Nachteile einer Immissionsabwehr für den Störer andererseits (§  906 Abs.  2 Satz 1 BGB: „wirtschaftlich unzumutbare Maßnahmen“) unverhältnismäßig wäre. Die Begründung einer Duldungspflicht hat somit ihre Grundlage in einer Verallgemeinerung gesetzlicher Wertungen, die eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Nachbarrecht verkörpern, mit anderen Worten in einer Analogie. Kein durchschlagender Einwand ist das Argument, dass das Gesetz keine Regelung für Grobimmissionen enthält. Es kennzeichnet ja gerade das Wesen der   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 166 f.   Benno Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3 – Sachenrecht (1979) 146. 66 67

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Analogie, gesetzlich geregelte Fälle wegen ihrer Rechtsähnlichkeit den gesetzlich geregelten Tatbeständen gleich zu stellen. Es besteht auch kein Analogieverbot, da der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen ist, dass seine nachbarrechtliche Reglung lückenhaft ist. Ist der Abwehranspruch aus §  1004 BGB aus den genannten Gründen nicht durchsetzbar, folgt das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs zwangsläufig aus einer Analogie zum Aufopferungsanspruch gemäß §  906 Abs.  2 S.  2 BGB. 68 Wer ein an sich bestehendes Recht aufopfert, weil er die Beeinträchtigung seines Eigentums dulden muss, ist zum Ausgleich dafür zu entschädigen. Der dogmatische Vorteil dieser mehrfachen Analogie zu §  906 BGB besteht offensichtlich darin, dass die Verallgemeinerung vorhandener gesetzlicher Wertungen sachnähere Lösungen ermöglicht, als der Rückgriff auf ein nebulöses „nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis“, das dem Rechtsanwender (fast) völlig freie Hand lässt. 2.  Duldungs- und Ausgleichspflicht bei gemeinwichtigen Betrieben Eine Fortbildung des Nachbarrechts wird ferner bei Immissionen gemeinwichtiger Betriebe diskutiert. Hier stellt sich die Frage, ob diese Betriebe wegen ihrer Tätigkeit im Allgemeininteresse Privilegien genießen und zum Ausgleich für die Duldungspflicht der Nachbarn diese angemessen entschädigen müssen. 69 a)  Rechtsprechung: „dulde und liquidiere“ Nach ständiger Rechtsprechung wird Eigentümern, die von Immissionen betroffen sind, die das gemäß §  906 BGB zulässige Maß übersteigen und somit eigentlich nicht geduldet werden müssten, aber von Betrieben stammen, die öffentlichen Interessen dienen, die negatorische Abwehrklage verwehrt.70 Eine solche Duldungspflicht hat der BGH z.  B. bei den Beeinträchtigungen angenommen, die von einem Drogenhilfezentrum ausgegangen sind und nach den Beschwerden des klagenden Nachbarn u. a. in der Ansammlung von Drogensüchtigen und Dealern, Verunreinigung des Gehsteigs durch Fixerutensilien, Blut und Fäkalien bestanden haben sollen. Die Richter verwehrten ihnen einen

68  St. Rspr., statt vieler BGH 15.06.1967 – III ZR 23/65, BGHZ 48, 98 (101 ff.); BGH 25.01.1973 – III ZR 61/70, BGHZ 60, 119 (123); BGH 26.10.1978 – III ZR 26/77, BGHZ 72, 289 (291 f.); BGH 26.10.1978 – III ZR 26/77, BGHZ 85, 375 (384); BGH 02.03.1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 (262 f.); m. w. N. MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  169, Fn.  378. 69  Eine parallel gelagerte Problematik besteht bei hoheitlichen Immissionen. Eine Duldungspflicht war hier Folge des fehlenden Rechtsschutzes gegen hoheitliches Handeln. Seit Inkrafttreten der VwGO ist diese Begründung nicht mehr tragfähig; vgl. dazu MüKo BGB/ Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  155 f. 70  Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  29 m. w. N.; Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 27 ff., 124 Fn.  3.

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Abwehranspruch mit der Begründung, dass das Zentrum Aufgaben erfülle, die im Allgemeininteresse lägen.71 Im Gegenzug wird dem Duldungspflichtigen ein Ausgleichsanspruch gewährt. Diese Kompensation für die Aufopferung einer an sich bestehenden Rechtsposition kennzeichnet den Anspruch als „bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch“.72 Von §  906 Abs.  2 S.  2 BGB unterscheidet sich dieser dadurch, dass die Einwirkung eigentlich nicht geduldet werden müsste.73 Der gleiche Gedanke liegt auch §  14 S.  2 BImSchG zugrunde, der einen Ausgleichsanspruch für Immissionen, die von genehmigten Anlagen (nach dem BImSchG) ausgehen, vorsieht.74 b)  Rechtfertigung der Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Betrieben? Fraglich ist allerdings, ob eine solche allgemeine Duldungspflicht für Immissionen von gemeinwichtigen Betrieben überhaupt gerechtfertigt ist. Schon das Reichsgericht hatte eine Duldungspflicht gegenüber staatlich konzessionierten Betrieben, wie z.  B. Eisen- und Straßenbahnen, angenommen. Begründet wurde dies damit, dass mit der Konzessionserteilung auch eine mit ihr korrespondierende Verpflichtung, den konzessionierten Betrieb fortzusetzen, verbunden war.75 Bedenken gegen diese privilegierte Behandlung von hoheitlichen Immissionen bestanden nach damaligem Recht vor allem aufgrund von §  26 GewO (der inzwischen durch §  14 BImSchG ersetzt wurde). §  26 GewO schloss einen Beseitigungsanspruch aus und war auf Eisen- und Straßenbahnbetriebe gerade nicht anwendbar. Entgegen der vom Reichsgericht vertretenen Auffassung kann man auch aus dem Bestehen einer öffentlichen Aufgabe nicht ableiten, dass daraus auch eine Verpflichtung zur Erfüllung dieser Aufgabe folge. Selbst wenn man das anders sähe, ergäbe sich aus einer solchen Pflicht noch lange kein Recht zur Einwirkung auf das Grundstück der Nachbarn oder von Dritten. Es ist daher zu bedauern, dass der Bundesgerichtshof die nicht überzeugende Rechtsprechung des Reichsgerichts übernommen hat.76 Dies überzeugt genauso wenig wie der Hinweis auf die §§  26 GewO, 74, 75 EinlALR und §  904 BGB77, durchweg Vorschriften, die in den betreffenden Fällen nicht anwendbar waren.   BGH 07.04.2000 – V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 (205).   BGH 15.06.1967 – III ZR 23/65, BGHZ 48, 98 (102 ff.); Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 28 Fn.  145, 125 Fn.  6 . 73   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 28. 74   Singer, Persönlichkeitsschutz (Fn.  14) 76 f. 75   RG 11.05.1904 – V 415/03, RGZ 58, 130 (134); auch RG 21.12.1908 – V 11/08, RGZ 70, 150 (152); RG 15.12.1919 – VI 258/19, RGZ 97, 290 (291). 76   BGH 28.02.1955 – III ZR 136/54, BGHZ 16, 366 (370). 77   BGH 13.02.1970 – V ZR 27/67, NJW 1970, 856 (857); BGH 25.11.1964 – V ZR 185/62, VersR 1965, 185 (188). 71

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Man könnte zwar stattdessen an eine Gesetzesanalogie zu §§  14 BImSchG, 906 BGB denken.78 Gegen eine solche Rechtsfortbildung spricht indessen, dass es sich regelmäßig um Fälle handelt, in denen ortsunübliche oder wesentliche Immissionen verbreitet und somit die bestehenden Grenzen des §  906 BGB gerade nicht beachtet werden. Die Analogie zu §  14 BImSchG scheitert daran, dass der von dieser Vorschrift vorgesehene Ausschluss negatorischer Ansprüche auf besonderen Gründen beruht, die bei den Immissionen von nicht unter §  14 BImSchG fallenden Betrieben gerade nicht gegeben sind. Im Falle des §  14 BImSchG ist der Ausschluss von nachbarlichen Abwehransprüchen gerechtfertigt, weil deren Beteiligung im Genehmigungsverfahren der Anlage gewährleistet wird. Die Verfahrensbeteiligung ist jedoch gerade dann nicht gewährleistet, wenn der Betrieb eines Unternehmens nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Teilweise wird vertreten, dass sich eine Duldungspflicht für gemeinwichtige Betriebe direkt aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art.  14 Abs.  2 S.  2 GG) ergebe.79 Gegen die unmittelbare Schrankenziehung durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art.  14 Abs.  2 S.  2 GG spricht jedoch, dass diese dem Gesetzgeber vorbehalten ist. 80 Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG und Art.  14 Abs.  2 S.  2 GG normieren einen einheitlichen Gesetzesvorbehalt. Dem Rechtsanwender steht die Befugnis zur Schrankenziehung nicht zu, auch wenn eine Duldungspflicht faktisch „unverzichtbar“ sein mag. 81 Ob überhaupt ein Bedürfnis für eine allgemeine Duldungspflicht für Immissionen gemeinwichtiger Betriebe besteht, erscheint überdies fraglich. Immerhin sieht das Verwaltungsrecht in vielen Bereichen Duldungspflichten vor. So gilt §   14 BImSchG unter anderem entsprechend für Flugplätze (§   11 LuftVG), Atomkraftwerke (§  7 Abs.  6 AtomG) und gentechnische Anlagen (§  23 GenTG). Ferner haben Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen (z.  B. nach §§  8 ff. LuftVG, §  17 FStrG) privatrechtsgestaltende Wirkung. 82 Weitere Duldungspflichten können sich insbesondere auch aus dem Naturschutzrecht ergeben. 83 In all diesen Fällen ist entweder ein Ausgleich für die Duldungspflicht in den speziellen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen oder er lässt sich mit ei78   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  32; Hanns Prütting, Sachenrecht, 34.  Aufl. 2010, Rn.  339. 79   Friedrich Karl Kübler, „Eigentum verpflichtet“ – eine zivilrechtliche Generalklausel?, AcP 159 (1960/61) 236 ff.; Othmar Jauernig, Zum zivilrechtlichen Schutz des Grundeigentums in der neuen Rechtsentwicklung, in: FS 600 Jahre Univ. Heidelberg (1986) 87 ff. 80   Otto Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6.  Aufl. 2010, Art.  14 Rn.  218 m. w. N.; Hans-Jürgen Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 69. ErgLfg. 2013, Art.  14 Rn.  299. 81   Anne Röthel, Grundfragen des privaten Nachbarrechts, Jura 2005, 539 (546 Fn.  111) m. w. N.; Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 132 Fn.  51 f. 82   Heinz Joachim Bonk/Werner Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 7.  Aufl. 2008, §  75 Rn.  62. 83   Vgl. BGH 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 (242 ff.).

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ner Gesamtanalogie zu §  906 BGB und §  14 S.  2 BImschG wegen des darin zum Ausdruck kommenden Prinzips der Aufopferung begründen. Davon abgesehen besteht jedoch kein Grund, gegenüber gemeinwichtigen Betrieben eine allgemeine Duldungspflicht für Immissionen anzunehmen. Gegen eine Bevorzugung der Betriebe, die dem Gemeinwohl dienen, spricht vor allem, dass die Regelung des §  906 BGB den gesetzlichen Maßstab für die Duldung von Immissionen bildet. Diese Regelung darf nicht umgangen werden. Davon abgesehen fehlt es auch an einer inneren Rechtfertigung für die Privilegierung der hoheitlichen Immissionen. Privateigentümer und Hoheitsträger stehen sich in Bezug auf die Nutzungsinteressen ihres Eigentums absolut gleichrangig gegenüber. 84 In Ermangelung einer Duldungspflicht besteht folgerichtig auch kein Ausgleichsanspruch für Immissionen gemeinwichtiger Betriebe. Eine analoge Anwendung des §  906 Abs.  2 S.  2 BGB scheitert daran, dass diese Vorschrift eine Duldungspflicht des Nachbarn voraussetzt. 3.  Ausgleichspflicht bei faktischem Duldungszwang a)  Die Rechtsprechung Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem beeinträchtigten Nachbarn auch in solchen Fällen ein Ausgleichsanspruch zu, in denen sein Grundstück rechtswidrigen Immissionen ausgesetzt war, die Durchsetzung seines bestehenden Abwehranspruchs jedoch an faktischen Hindernissen scheiterte. 85 In den betreffenden Fällen unterblieben entsprechende Maßnahmen etwa deshalb, weil nicht genügend Zeit zur Abwehr bestanden hat86 oder die Einwirkung aufgrund ihrer Natur vor ihrem Auftreten nicht erkennbar war87. Der Bundesgerichtshof stützt den Ausgleichsanspruch auf eine analoge Anwendung des §  906 Abs.  2 S.  2 BGB, sodass dieser nur in Betracht kommt, wenn die Beeinträchtigung über das zumutbare Maß hinausgeht. 88 In einem der typischen Fälle, in denen eine Havarie zu nicht mehr abwendbaren Einwirkungen auf das Nachbargrundstück geführt hatte, vertrat der Bundesgerichtshof gar die Auffassung, dass es in derartigen Fällen keiner näheren Begründung mehr be-

84   MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  158, 161; Jan Schapp, Das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Nachbarrecht (1978) 119. 85   BGH 15.06.1967 – III ZR 23/65, BGHZ 48, 98 (101); BGH 26.10.1978 – V ZR 314/81, BGHZ 85, 375 (384 f.); BGH 02.03.1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 (262 f.). 86   So zum Beispiel BGH 19.04.1985 – V ZR 33/84, WM 1985, 1041 (Zuführung von Wasser infolge eines Rohrbruchs). 87   Beispielsweise BGH 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235 ff. (Hineinwachsen von Wurzeln auf einen benachbarten Tennisplatz). 88   BGH 02.03.1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 (262 f.); BGH 08.03.1990 – III ZR 141/88, NJW 1990, 3195 (3196).

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dürfe, um einen Ausgleichsanspruch zu begründen. 89 Es ist offensichtlich, dass die Rechtsprechung mit der analogen Anwendung des §  906 Abs.  2 S.  2 BGB den Aufopferungsgedanken verwirklichen will und damit eine Annäherung an öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche bei enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffen anstrebt.90 b)  Ausgleichsanspruch für abwehrfähige, rechtswidrige Gefährdungen Gegen die vom BGH postulierte Analogie zu §  906 Abs.  2 S.  2 BGB wird eingewendet, dass die Vorschrift einen Aufopferungsanspruch für zulässige Immissionen vorsieht, in den Fällen des faktischen Duldungszwangs jedoch unzulässige, rechtswidrige Immissionen vorlägen. Dieser Einwand kann jedoch nicht überzeugen. Wenn schon bei einer Duldungspflicht ein Ausgleichsanspruch besteht, dann sollte dieser erst recht anerkannt werden, wenn eine solche Duldungspflicht nicht einmal bestanden hat.91 Hier lässt sich auch die Parallele zum enteignungsgleichen Eingriff bemühen.92 Die dort gewährte Entschädigung beruht auf dem Gedanken, dass der rechtswidrig Verletzte nicht schlechter stehen darf als bei einem rechtmäßigen, entschädigungspflichtigen Eingriff.93 Der Rechtsprechung ist allerdings entgegenzuhalten, dass eine Analogie das Wertungssystem des Deliktsrechts sprengen und eine weitreichende Verantwortlichkeit des Eigentümers begründen würde – ohne Rücksicht auf das Verschuldenserfordernis des §  823 Abs.  1 BGB und das Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung.94 Ein Ausgleichsanspruch in Analogie zu §  906 Abs.  2 S.  2 BGB würde auf eine reine Zustandshaftung des Grundstückseigentümers hinauslaufen. Die Haftung für den Zustand eines Grundstücks fällt jedoch in den Kernbereich der Gefährdungshaftung95 , so dass die Gefahr besteht, die Grenzen der Haftung gem. §§  836, 908 BGB zu unterlaufen.96 Um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, sind daher Beeinträchtigungen durch bloß gefährliche Zustände aus dem Ausgleichsanspruch gemäß §  906 Abs.  2 S.  2 BGB analog auszunehmen. Ein Ausgleich kommt jedoch dann in Betracht, wenn der Nach  BGH 19.04.1985 – V ZR 33/84, WM 1985, 1041.   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 214 f.; BGH 26.10.1978 – III ZR 26/77, BGHZ 72, 289 (292 f.) und BGH 27.05.1987 – V ZR 59/86, BGHZ 101, 106 (110) halten es daher für unerheblich, ob ein Ausgleichsanspruch auf öffentlich-rechtliche oder nachbarrechtliche Grundsätze gestützt wird. 91   Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 III 1. 92  So auch Johann W. Gerlach, Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts (1989) 222 ff. 93  Maunz/Dürig/Papier (Fn.  80) Art.  34 Rn.  37. 94  Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  70; Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 III 1; Paul Popescu/Christian Friedrich Majer, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, NZM 2009, 181 (185). 95   Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 III 1. 96   Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 III 1; Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 223. 89

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bar unzulässige Handlungen vornimmt. Da und sofern der Nachbar die Möglichkeit gehabt hätte, diese gem. §  1004 BGB zu unterbinden, erscheint es konsequent, ihm für die faktische Duldung einen Ausgleich zu gewähren. Unter Berücksichtigung der Besonderheit der Nachbarbeziehung erscheint hier ein Verzicht auf das Verschuldenserfordernis gerechtfertigt.97 4.  Abwehr (und Ausgleich) von „negativen Einwirkungen“ a)  Inkonsistente Rechtsprechung Die Rechtsprechung gewährt keinen Abwehranspruch gegen „negative Einwirkungen“ wie beispielsweise den Entzug von Licht, Luft oder Funkwellen. Es handele sich hier nicht um eine Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne von §  1004 Abs.  1 S.  1 BGB.98 Aus der Tatsache, dass insbesondere §  906 BGB keine Regelung zur Duldung von negativen Einwirkungen treffe, diese daher nicht als „Einwirkungen“ zu qualifizieren seien, bleibe es beim Grundsatz des §  903 BGB.99 Als Konsequenz könne dem Nachbarn nach dieser Ansicht daher auch kein Anspruch aus §  906 Abs.  2 S.  2 BGB (analog) zustehen.100 In besonderen Fällen hat die Rechtsprechung jedoch Ausgleichsansprüche aufgrund des aus dem „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“ abzuleitenden Gedankens des Interessenausgleichs anerkannt. So entschied der Bundesgerichtshof, dass bei einer Beeinträchtigung des „Kontakts nach außen“ durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück dem dadurch behinderten Gewerbetreibendem Ausgleichsansprüche zustünden.101 Mit ähnlicher Begründung wurde ferner z.  B. eine Ausgleichspflicht in einem Fall begründet, in dem die Errichtung einer genehmigten Deponie zur Bildung eines Kaltluftsees auf einem benachbarten Weinberg führte, mit der Folge, dass die Rebstöcke erfroren.102 b)  Beeinträchtigung des Nutzungsrechts als „Einwirkung“ (§  9 06 Abs.  1 BGB) Die Begründung mit dem – nicht überzeugenden103 – „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“ ist unnötig. Zu dogmatisch schlüssigeren Ergebnissen gelangt man, wenn man den Begriff der „Einwirkung“ tatbestandlich weiter fasst.104 Dann folgt ein Ausgleichsanspruch zwangsläufig aus §  906 Abs.  2 S.  2 BGB.   Larenz/Canaris, Schuldrecht (Fn.  57) §  85 III 1.   BGH 31.05.1974 – V ZR 114/72, BGHZ 62, 361 (366); BGH 21.10.1983 – V ZR 166/82, BGHZ 88, 344 (345 ff.); BGH 22.02.1991 – V ZR 308/89, BGHZ 113, 384 (387). 99   BGH 21.10.1983 – V ZR 166/82, BGHZ 88, 344 (346). 100   Hagen, Ausgleichsanspruch (Fn.  1) 497. 101   BGH 31.05.1974 – V ZR 114/72, BGHZ 62, 361 (366 f.); BGH 10.11.1977 – III ZR 157/75, BGHZ 70, 212 (220 f.); Hagen, Ausgleichsanspruch (Fn.  1) 497. 102   BGH 22.02.1991 – V ZR 308/89, BGHZ 113, 384 (389). 103   Vgl. oben im Text unter IV.1.c). 104   Manfred Block, Die Bedeutung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses inner97

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Eine Beschränkung der Auslegung des §  906 BGB auf den Wortlaut der Vorschrift greift zu kurz.105 Der Wortlaut ist zwar äußerste Grenze der Auslegung, doch darf diese bei der gebotenen teleologischen Interpretation des Gesetzes an ihm nicht haften bleiben.106 Analogie und teleologische Restriktion sind anerkannte Instrumente der Rechtsfortbildung, welche die Wortlautgrenze überschreiten. Entscheidend für die teleologische Bewältigung der Auslegungsfrage sind Funktion und Reichweite des gesetzlichen Eigentumsschutzes. §  903 BGB gewährt dem Eigentümer das Recht, sein Eigentum nicht nur zu besitzen, sondern auch nach Belieben zu nutzen.107 Bei teleologischer Betrachtung wird in dieses Nutzungsrecht durch die Bildung eines Kaltluftsees oder z.  B. durch die Beeinträchtigung des Kontakts nach außen ohne Zweifel „eingewirkt“. Darauf, ob der Eingriff in das Nutzungsrecht des Eigentümers auf eine die Grundstücksgrenze überschreitende oder eine bloße „negative“ Einwirkung zurückgeht, kann es nicht entscheidend ankommen.108 Selbst wenn man sich dieser teleologischen Auslegung der §§  903, 906 BGB nicht anzuschließen vermag, müsste ein Ausgleichsanspruch für negative Immissionen im Wege der Analogie begründet werden, da das Gesetz insoweit lückenhaft ist.109 Während §  903 BGB ein Ausschließungsrecht auch gegenüber negativen Einwirkungen vorsieht, fehlt es an einer gesetzlichen Regelung hinsichtlich der Duldung dieser Einwirkungen. Es wäre jedoch mit den Kerngedanken des Nachbarrechts unvereinbar, wenn das Abwehrrecht des Nachbarn grenzenlos gewährt würde. Vielmehr erfordert der in §  906 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke des Interessensausgleichs zwischen Grundstücksnachbarn eine entsprechende Ausgleichsregelung, um dem Gebot, Gleiches gleich zu behandeln, Rechnung zu tragen. Zur Ausfüllung dieser planwidrigen Unvollständigkeit ist §  906 BGB einschließlich des in Abs.  2 S.  2 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs für die zu duldenden Immissionen heranzuziehen. Die Vorschrift enthält eine verallgemeinerungsfähige, differenzierte Regelung zur Lösung nachbarschaftlicher Nutzungskonflikte.110 Hinsichtlich der Frage der Wesentlichkeit können und sollten daher die bei positiven Einwirkungen verwendeten Maßstäbe auch bei „negativen Immissionen“ angelegt werden.111 halb der neueren nachbarrechtlichen Gesetzgebung (1969) 147 ff., 165 ff., 193; Werner M. Heubel, Entziehende Einwirkungen im Nachbarrecht (1969) 168 ff. 105   Wolfgang Reetz, Der Schutz vor negativen Immissionen als Regelungsaufgabe des zivilrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes (1996) 119 ff. 106   Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  3) 145. 107   Deneke, Gemeinschaftsverhältnis (Fn.  58) 66; Manfred Wolf/Marina Wellenhofer, Sachenrecht, 28.  Aufl. 2013, §  2 Rn.  3. 108  Ausführlich zum „Grenzüberschreitungsargument“ Reetz, Immissionen (Fn.   105) 120 f. 109   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 192 ff. 110   Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 192 ff. 111   Vgl. oben im Text unter II.3.

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5.  Abwehr- und Ausgleichansprüche gegen „ideelle Immissionen“ a)  Recht auf ein ansehnliches Nachbargrundstück? Nach der Rechtsprechung besteht kein Recht auf ein ansehnliches Nachbargrundstück. Lediglich das ästhetische oder moralische Empfinden tangierende Störungen seien keine Beeinträchtigungen im Sinne von §  906 BGB und daher auch nicht negatorisch abwehrbar.112 Die Begründung der Rechtsprechung kann jedoch nicht überzeugen. Das Recht des Eigentümers, sein Grundstück nach Belieben zu nutzen (§  903 BGB), muss auch im Hinblick auf ideelle Einwirkungen mit dem Recht des Nachbarn auf ungestörte Nutzung seines Grundstücks in Ausgleich gebracht werden. Die Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks kann durch ideelle Immissionen ebenso beeinträchtigt werden wie durch positive oder negative Immissionen.113 Deshalb überzeugt es wenig, dem Nachbarn von vornherein jegliche negatorische Abwehrmöglichkeit zu verwehren. b)  Fehlender Maßstab für ideelle Beeinträchtigungen Da ein entsprechendes Abwehrrecht wiederum nicht schrankenlos gewährt werden kann, stellt sich die Frage nach einem entsprechenden Korrektiv in Form einer Duldungspflicht. Anders als bei „fühlbaren“ Immissionen oder negativen Einwirkungen fehlt es jedoch bei ideellen Beeinträchtigungen in aller Regel an einem handhabbaren Maßstab für das Urteil, was ein verständiger Durchschnittsmensch hinnehmen muss.114 Im Hinblick auf individuelle Vorstellungen von Ästhetik und Moral müssen dem Grundstückseigentümer Freiräume gewährt werden, die ihm die Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglichen. Dem Nachbarn muss im Gegenzug zugemutet werden, gewisse für ihn unangenehme oder missliebige Umstände hinzunehmen.115 Daher kann jedenfalls eine bloße ästhetische oder moralische Anstößigkeit nicht dazu führen, dass die baurechtlich zulässige Nutzung eines Grundstücks zivilrechtlich untersagt wird. Das Aufstellen von Gartenzwergen116 , der Betrieb eines Schrott- und Lagerplatzes neben einem Schlosshotel117 oder eines Bordells in einem Wohngebiet118 sind folgerichtig zu dulden, da es   BGH 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56 (59 f.); vgl. dazu auch oben im Text unter III.2. 113  Vgl. Bensching, Ausgleichsansprüche (Fn.  5) 201; Pfeiffer, Immissionsschutz (Fn.  15) 238; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  25 Rn.  26. 114  Insoweit auch Pfeiffer, Immissionsschutz (Fn.  15)  238; Staudinger/Gursky (Fn.  13) §  1004 Rn.  78. 115  Staudinger/Gursky (Fn.  13) §  1004 Rn.  78 f. 116   Im Ergebnis daher nicht überzeugend OLG Hamburg 20.04.1988 – 2 W 7/87, NJW 1988, 2052. 117   BGH 15.05.1970 – V ZR 20/68, NJW 1970, 1541 (1542); vgl. dazu oben im Text unter III. 2. 118   BGH 12.07.1985 – V ZR 172/84, BGHZ 95, 307 (308). 112

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sich insoweit um bloße Unannehmlichkeiten handelt, die aufgrund spezifischer Vorstellungen von Moral und Ästhetik als lästig empfunden werden. Die Erheblichkeitsschwelle ist allenfalls dann überschritten, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gestörten verletzt wird.119 Das Interesse des Eigentümers an der ungestörten Nutzung seines Grundstücks und der Entfaltung seiner Persönlichkeit muss dann zurücktreten, weil das Nachbarrecht zwar Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse vorsieht, nicht aber zur Duldung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zwingt.120 Die Schwelle zur Persönlichkeitsverletzung wird freilich nur in selten gelagerten Fällen überschritten. Wenn der Nachbar sich als Nudist betätigt, mag das bei konservativen Gemütern Anstoß erregen. Eine Persönlichkeitsverletzung liegt darin nicht. Es bleiben wohl nur kuriose Nachbarfeindseligkeiten, wie sie einem Urteil des LG Limburg zugrunde lagen. Dort hatte der Eigentümer an der Grundstücksgrenze einen Galgen mit einer daran aufgehängten Puppe aufstellt.121

V.  Zusammenfassung und Thesen Das Nachbarrecht des BGB ist lückenhaft und wird von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung in großem Umfang aus- und umgestaltet. Soweit die Rechtsfortbildung auf ein angeblich bestehendes „nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis“ gestützt wird, ist dem nicht zu folgen. Es handelt sich um eine ideologisch begründete Rechtsquelle, die keine Grundlage im geltenden Recht besitzt. Vorzugswürdig ist eine Rechtsfortbildung, die sich eng an die gesetzlichen Wertungen des privatrechtlichen Nachbarrechts anlehnt und diese verallgemeinert. Auf der Grundlage dieser dogmatisch anerkannten Methode lassen sich eine Reihe von Zweifelsfragen lösen. So sind Grobimmissionen, deren Abwehr außer Verhältnis zu den Nachteilen stünde, die der Nachbar erdulden muss, nach den gleichen Regeln zu behandeln wie unwesentliche Feinimmissionen (§  906 Abs.  1 und 2 S.  2 BGB analog). Die Anerkennung eines Duldungs- und Ausgleichsanspruchs bei Immissionen gemeinwichtiger Betriebe durch die Rechtsprechung ist hingegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung öffentlicher Nutzungsinteressen.

  Fritz Baur, Anmerkung zur Entscheidung BGH 07.03.1969 – V ZR 141/65, JZ 1969, 432; Jauernig, JZ 1986, 905 (906 ff.); Staudinger/Roth (Fn.  13) §  9 06 Rn.  130 ff. 120  So auch Staudinger/Gursky (Fn.  13) §  1004 Rn.  78 und MüKo BGB/Säcker (Fn.  16) §  9 06 Rn.  50, die den Abwehranspruch auf §§  1004, 823 Abs.  1 BGB stützen; i. E. auch Hans Forkel, Immissionsschutz und Persönlichkeitsrecht (1968) 27 ff., 60 ff., der weitergehend dafür eintritt, die §§  1004, 903 BGB personenrechtlich „aufzuladen“. 121   LG Limburg 19.02.1986 – 3 S 262/85, NJW-RR 1987, 81. 119

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Der von der Rechtsprechung gewährte Ausgleichsanspruch bei faktischem Duldungszwang ist mit dem deliktsrechtlichen Verschuldensprinzip und dem gefährdungshaftungsrechtlichen Enumerationsprinzip nicht zu vereinbaren. Eine Ausgleichspflicht besteht nur, wenn eine der Schädigung vorausgehende rechtswidrige Gefährdung von Handlungen des Nachbarn ausgeht und diese gemäß §  1004 BGB hätten abgewehrt werden können. Der Eigentümer kann auch wegen „negativer Einwirkungen“ Ausgleichsansprüche gemäß oder analog §  906 Abs.  2 S.  2 BGB geltend machen, da und sofern eine Feinimmissionen vergleichbare Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung vorliegt. Demgegenüber besteht bei „ideellen Störungen“ grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass der Nachbar eine ihm nach §  903 BGB und den Vorschriften des öffentlichen Baurechts zulässige Nutzung unterlässt; davon unberührt sind Ansprüche wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Lücken im Gesetz und deren Ausfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel des zivilrechtlichen Nachbarschutzes in China Hailong JI (纪海龙)

I. Einleitung Die Suche nach einer Lücke setzt eine bestimmte Vorstellung von der Rechtssetzung voraus, nämlich die Annahme einer mehr oder weniger vollständigen oder zumindest auf Vollständigkeit abzielenden Regelung eines Rechtsgebiets, idealerweise eine Kodifikation. Angesichts des chinesischen Sachenrechtsgesetz (chin. SRG) kann man dann im Bereich des chinesischen Sachenrechts von Lücken im Gesetz sprechen, jedoch nicht im gesamten Zivilrecht, da es noch an einer umfassenden zivilrechtlichen Kodifikation fehlt. In diesem Beitrag werden die Lücken im Gesetz anhand von Beispielen des chinesischen Nachbarschutzes im Sachenrecht diskutiert. Hierbei lehnt sich der Beitrag stark an die Lücken­ theorie von Claus-Wilhelm Canaris an,1 wobei auch abweichende Ansichten in einzelnen Punkten von dem Verfasser dieses Beitrags vertreten werden.

II.  Echte Lücken 2 (Rechtsverweigerungslücken i. S. v. Canaris) 1.  Echte Lücken Als echte Lücken werden diejenigen Lücken bezeichnet, bei denen „das Gesetz eine Antwort überhaupt schuldig bleibt, eine Entscheidung gar nicht ermöglicht, während eine Entscheidung doch getroffen werden muss“.3 Beispiele hierfür sind die gesetzliche Anordnung einer Wahl ohne die Regelung eines entspre  Claus-Wilhelm Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Auflage 1983.   Hier ist der Terminus „echte Lücke“ trotz heftiger Kritik von der Literatur (vgl. Canaris, Lücken [Fn.  1] §§  122, 123) benutzt worden. Allerdings werden die echten Lücken in diesem Beitrag gleichbedeutend wie die Rechtsverweigerungslücken von Canaris verstanden. Die Beibehaltung dieses Terminus liegt hauptsächlich darin begründet, dass der Terminus Rechtsverweigerungslücke ins Chinesische nur unglücklich übersetzt werden kann. Dagegen ist die echte Lücke einfach zu übersetzen und auch zu verstehen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass die anderen Lückenarten, wie die teleologische Lücke oder Ausnahmelücke, auch nicht unecht sind, vgl. Canaris, Lücken (Fn.1) §§  122, 123. 3   Ernst Zitelmann, Lücken im Gesetz (1903) 27. 1 2

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chenden Verfahrens, ebenso die Frage, ob (in der Schweiz) ein wucherischer Vertrag bloß als teilweise unwirksam angesehen werden kann.4 Canaris nennt diese Lücke „Anordnungslücke“, „Rechtsverweigerungslücke“ (wo die Anordnungen des Gesetzes in Verbindung mit dem Rechtsverweigerungsverbot die Ergänzung erzwingt) bzw. „Funktionslücke“ (da es sich hier um eine „Funktionsstörung“ der Rechtsordnung handelt).5 Eine echte Lücke liegt vor, wenn das Gesetz auf eine sich stellende Frage jede Antwort schuldig bleibt, so dass die Richter ohne die Ausfüllung dieser Lücke gar nicht entscheiden können. Deshalb ist es ganz klar, dass die Richter wegen des Grundsatzes des Rechtsverweigerungsverbots zur Ausfüllung der echten Lücken nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind. 2.  Feststellung der echten Lücken aus der systematischen Bewertung der Rechtsordnung – Die dogmatischen Einordnung der §§  84–92 des chin. SRG Um festzustellen, ob eine echte Lücke besteht, sollen natürlich nicht nur die einzelnen Stellen im Gesetz geprüft werden. Vielmehr sollen die Gesetze systematisch bewertet werden, um herauszufinden, ob zu einer Rechtsfrage in der Rechtsordnung anderswo doch eine Lösung enthalten ist. Der Bereich des chin. SRG, der sich auf das Nachbarrecht bezieht (Kapitel VII, §§  84–92 chin. SRG), scheint auf den ersten Blick sehr lückenhaft, da die meisten Paragraphen nur Bestimmungen ohne Rechtsfolgen enthalten. §§  86, 87 und 88 chin. SRG regeln die Pflichten des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn, bestimmte Nutzungen an dem Grundstück zu gewähren (gesetzlich vorgeschriebene Dienstbarkeiten zwischen Nachbargrundstücken). Die Regelung erfasst das Beziehen und Ableiten von Wasser (§  86 Abs.  1 chin. SRG), das Wegerecht (Notweg, §  87 chin. SRG), das Errichten oder Reparieren von Bauwerken oder das Verlegen von Stromleitungen, Kabeln, Wasserrohren, Heizungsrohren, Gasrohren oder Ähnliches (§  88 chin. SRG). Also sind in den §§  86, 87 und 88 chin. SRG nur die Pflichten des Berechtigten der belasteten Immobilie vorgeschrieben, ohne die Rechtsfolgen der Verletzung der Pflichten vorzuschreiben. Gleiches gilt auch für die §§  89, 90 und 91 chin. SRG, wonach die Immobilienberechtigten nicht die Belüftung oder die Einstrahlung von Licht bzw. Sonnenlicht auf die benachbarten Bauwerke beeinträchtigen dürfen (§  89 chin. SRG). Den Berechtigten ist es verboten, unter Verstoß gegen einschlägige staatliche Bestimmungen ihre Festabfälle zu entsorgen oder Immissionen durch Luftverunreinigungen, Wasserverunreinigungen oder in Form von Lärm, Licht, elektromagnetischer Strahlung oder sonstigen schädlichen Materialien vorzuneh4   Bettina Hürlimann-Kaup/Jörg Schmid, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 2.  Aufl. 2010, Rn.  179. 5   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  133.

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men (§  90 chin. SRG). Zudem ist es verboten, die Sicherheit benachbarter Immobilien zu gefährden (§  91 chin. SRG). Auch in den §§  90, 91 und 92 chin. SRG sind keine Rechtsfolgen für Pflichtverletzungen vorgeschrieben. Jedoch sollte die fehlende Regulierung der Rechtsfolgen in den §§  84–92 chin. SRG nicht als Gesetzeslücke verstanden werden. Nach richtiger Auslegung sind die nachbarrechtlichen Vorschriften eigentlich die Beschränkung bzw. Konkretisierung der sachenrechtlichen negatorischen Ansprüche eines Grundstückseigentümers, also des §  35 chin. SRG (vergleichbar mit §  1004 Abs.  1 BGB) sowie des §  83 S.  2 der chinesischen Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts (chin. AGZ). Dogmatisch geht es bei den Dienstbarkeiten zwischen Nachbargrundstücken in den §§  85, 86 und 87 chin. SRG um die Duldungspflichten der Berechtigten der benachbarten Immobilien, welche – wie auch in §  1004 Abs.  2 BGB – die negatorischen Ansprüche des belasteten Grundstückseigentümers beschränken. Des Weiteren geht es hierbei um den Ausfluss des dinglichen Rechts des begünstigten Immobilienberechtigten. Daher hat ein Notwegberechtigter gemäß §  35 chin. SRG sowie §  83 S.  2 chin. AGZ einen Beseitigungsbzw. Unterlassungsanspruch, falls sein Notwegerecht von dem Immobilienberechtigten der belasteten Immobilie oder einem Dritten behindert wird. Entsteht durch die Behinderung ein Schaden, so kann nach deliktsrechtlichen Vorschriften (insb. §§  2, 6 Abs.  1 des chin. Deliktshaftungsgesetzes) Ersatz verlangt werden. Bei den §§  89, 90 und 91 chin. SRG handelt es sich dann um die Konkretisierung der negatorischen Ansprüche aus §  35 chin. SRG sowie §  83 S.  2 chin. AGZ. Der benachbarte Grundstückseigentümer kann mit diesen Ansprüchen die Störung durch unerlaubte Emissionen (§  90 chin. SRG), unerlaubte negative Immissionen (§  89 chin. SRG) bzw. die Gefährdung seiner Immobilie (§  91 chin. SRG) abwehren. Daneben besteht ein deliktrechtlicher Schadensersatzanspruch. Zusammenfassend sind die sachenrechtlich-nachbarrechtlichen Vorschriften der §§  86–91 chin. SRG – dogmatisch gesehen – 1.) die Beschränkung (§§  86–88 chin. SRG) und 2.) die Konkretisierung (§§  89–91 chin. SRG) der negatorischen Ansprüche aus §  35 chin. SRG und §  83 S.  2 chin. AGZ. In den §§  86–88 chin. SRG sind die Duldungspflichten des Grundstückseigentümers der belasteten Immobilie (also die Beschränkung seines negatorischen Anspruchs) für den Fall der notwendigen Nutzung der Immobilie (z.  B. Notweg) geregelt. In den §§  89– 91 chin. SRG sind die negatorischen Ansprüche der beeinträchtigten Grundstückseigentümer (z.  B. im Fall der unerlaubten Immissionen) konkretisiert. 3.  Ausfüllung der echten Lücken Bei der Ausfüllung der echten Lücken (Rechtsverweigerungslücken) sind jegliche Methoden zu nutzen. Hierbei ist – wie Canaris zutreffend gezeigt hat – die

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Analogie nur ein mögliches aber kein notwendiges Mittel. 6 Neben der Analogie können noch andere Mittel, z.  B. Folgeorientierung, ökonomische Analyse, Güterabwägung, in Betracht kommen, soweit diese nützlich sind. Zutreffend sind bei der Ausfüllung der Rechtverweigerungslücken die Anweisung zur Lückenausfüllung in §  1 Abs.  2 und 3 des schweizerischen ZGB: „Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.“ „Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.“ Dem Gericht wird danach aufgetragen, eine allgemeine Regel herauszuarbeiten und sich einer rein kasuistischen Methode zu enthalten (Vorgehen „modo legislatoris“). Es ist also eine gewisse „Regelhaftigkeit“ (Verallgemeinerbarkeit) der gerichtlichen Lösung zu erreichen, um eine Lückenfüllung von Fall zu Fall zu vermeiden.7 Dies beruht auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz. 8 Hier ist zwar die Analogie (Gesetzanalogie sowie Gesamtanalogie) kein notwendiges Werkzeug zur Ausfüllung der Rechtsverweigerungslücke, aber doch ein wichtiges und vielleicht schon ein zu bevorzugendes Mittel.9 Denn mit der Analogie erhält die Lückenausfüllung die immanenten Wertungen in den Gesetzen. Die bereits im Gesetz vorhandenen Wertungen sollen übertragen werden auf einen rechtlich nicht geregelten, aber in wesentlicher Beziehung gleichen oder ähnlichen Tatbestand.10 Aber auch andere inhaltliche Orientierungsgesichtspunkte sind zu berücksichtigen, z.  B. die bewährte Lehre, die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Rechtsvergleichung und auch die außerrechtlichen Argumente (wie Folgeorientierung oder ökonomische Analyse).11 Nur kann die teleologische Reduktion bei der Ausfüllung der echten Lücken wenig helfen, da es im Fall der Anwendung der teleologischen Reduktion von vornherein schon eine scheinbar auf den Fall anwendbare Regelung gibt, die nur wegen ihres zu weiten Wortlauts teleologisch reduziert wird und somit nicht auf den vorliegenden Fall angewandt werden soll. Bei der Anwendung der teleologischen Reduktion kann man also nicht von einer echten Lücke (Rechtsverweigerungslücke) sprechen, da wegen der scheinbar existierenden anwendbaren Regelung der Rechtsanwender sich nicht in einem Dilemma (zwischen Rechtsverweigerung und Lückenausfüllung) befindet.

  Canaris, Lücken (Fn.  1) §§  138, 139.   Hürlimann-Kaup/Schmid, ZGB (Fn.  4) Rn.  203 f.; Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 4.  Aufl. 2013, 185 ff. 8   Kramer, Methodenlehre (Fn.  7) 206 f. 9   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  138 Fn.  9. 10   Hürlimann-Kaup/Schmid, ZGB (Fn.  4) Rn.  207. 11   Näheres dazu vgl. Kramer, Methodenlehre (Fn.  7) 184–198. 6 7

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III.  Teleologische Lücken 1.  Gibt es einen allgemeinen negativen Satz? Kelsen12 hat die Lückenhaftigkeit des Gesetzes als eine normtheoretisch unmögliche und fiktive Vorstellung abgelehnt. Kelsen geht davon aus, dass das Gesetz sowohl positive als auch negative Regelungen treffen könne, also etwa im Strafrecht für gewisse Verhaltensweisen einen Straftatbestand vorsehen kann, im öffentlichen Recht eine behördliche Kompetenz, im Zivilrecht einen Anspruch anerkennen kann – oder eben nicht. Auch im letzteren Fall (keine Strafsanktion; keine Kompetenz; kein Anspruch) liegt eine gesetzliche Regelung (i. S. des sog. „allgemeinen negativen Satzes“) vor. Das Schweigen des Gesetzes sei in diesem Sinn jeweils als „beredtes“ Schweigen zu interpretieren. Da ein solches binär codiertes System des positiven Rechts immer eine Antwort (positiv oder negativ) gebe, scheide die Annahme von Gesetzeslücken geradezu rechtslogisch aus. Erkennt man den allgemeinen negativen Satz an, dann ist als Lücke nur die oben genannte echte Lücke bzw. „Rechtsverweigerungslücke“ anzunehmen.13 Erkennt man den allgemeinen negativen Satz an, ist die sogenannte „unechte Lücke“, nämlich wo das Gesetz zwar dem Wortlaut nach eine bestimmte Rechtsfrage regelt, diese Regelung jedoch sachlich unbefriedigend, also ungerecht ist, als rechtspolitische Lücke bzw. Fehler einzuordnen, für deren Berichtigung die Richter als Rechtsanwender grundsätzlich keine Befugnis besitzen.14 Die Lehre vom allgemeinen negativen Satz wird heute als überholt bezeichnet.15 Der Grund hierfür liegt darin, dass rechtlich gesehen das Schweigen des Gesetzgebers nicht notwendigerweise bedeutet, dass er eine bestimmte Regelung nicht wollte, sondern auch darauf beruhen kann, dass er einen Fall übersehen hat, dass also gar keine Willensäußerung vom Gesetzgeber vorliegt.16 Der Ablehnung der Lehre vom allgemeinen negativen Satz ist zuzustimmen. Deshalb sind neben den echten Lücken noch weitere Lücken anzuerkennen, die die Richter zu füllen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind.

  Hans Kelsen, Reine Rechtslehre (1934) §§  40 ff.   Kelsen lehnt sogar echte Lücken ab, vgl. Kelsen, Rechtslehre (Fn.  12) §  40. 14   Vgl. die Zitierungen in Canaris, Lücken (Fn.  1) §  22. Für Zitelmann, der zuerst die Terminologie von der echten und unechten Lücke entwickelt hat, sind aber die unechten Lücken zumeist auch ausfüllungsbedürftig, vgl. Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Methodenlehre, 4.  Aufl. 2006, 193. 15   Z. B. Canaris, Lücken (Fn.  1) §  42. 16   Z. B. Canaris, Lücken (Fn.  1) §  42 m. w. N.; Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  14) 199. 12 13

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2.  Teleologische Lücken Teleologische Lücken sind dort gegeben, wo die Teleologie bzw. die Einzelwertungen des Gesetzes die Rechtsfortbildung fordern, wo also die Analogie, argumentum a fortiori, teleologische Reduktion und Extension aufgrund des Telos einer Norm zur Lückenfeststellung dienen.17 Nach Canaris ist bei einer teleologischen Lücke die Feststellung der Lücke und die Ausfüllung der Lücke regelmäßig ein und derselbe Vorgang.18 Dazu komme ich später unter V. Die teleologische Lücke ist im Folgenden mit einigen Beispielen aus dem chinesischen Nachbarrecht zu erörtern. a)  Analogie (einschließlich der Gesamtanalogie) Der Analogieschluss ist wegen des positiven Gleichheitsgrundsatzes erforderlich: Gleichartige Tatbestände sind gleich zu behandeln.19 Es gibt eine traditionelle Unterscheidung zwischen Einzelanalogie und Gesamtanalogie. Die Einzelanalogie bedeutet die Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer Norm auf einen ähnlichen ungeregelten Sachverhalt. Dabei handelt es sich nicht um einen streng logischen Schluss, sondern um ein wertendes Argument bzw. eine reflektierende Wertung vom Besonderen auf das Allgemeine plus einer Deduktion. Für die Frage, ob die Tatbestände im Wesentlichen gleich sind, bedarf es einer Wertung des Rechtsanwenders. Der Maßstab dieser Wertung ist dann die ratio legis der Gesetzesnorm. Zuerst ist eine reflektierende Wertung, 20 wodurch die ratio bzw. der Grundgedanken der Norm ermittelt wird, vorzunehmen. Die von der Einzelnorm ermittelten Grundgedanken werden dann auf die von dem Normwortlaut nicht gedeckten Tatbestände angewendet. Damit erfolgt namentlich eine Deduktion. Die Ausdehnung kann im Einzelfall sowohl den Tatbestand als auch die Rechtsfolge betreffen. Zwar handelt es sich bei der Analogie um die Herausbildung der ratio legis einer Norm und die deduktive Anwendung dieser ratio legis auf den gesetzlich nicht geregelten Fall. Hierbei spielen die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede des gesetzlich geregelten Falles („Fall A“) und des nicht geregelten Falles („Fall B“) eine wichtige Rolle. Denn es ist nicht in jedem Fall erforderlich, die ratio legis klar auszuformulieren. Wenn der Rechtsanwender die Unähnlichkeit des Falls A und das Falls B als marginal betrachtet, ist die analoge Anwendung der betreffenden Norm sofort zu bejahen, ohne im großen Umfang die ratio legis zu bemühen. So ist beispielweise ein Gesetz, das eine deliktische Haftung für den Eigentümer eines vierfüßigen Tieres vorsieht, analog auf den Eigentümer eines   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  133.   Canaris, Lücken (Fn.  1) vor §  140. 19   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  63. 20   In Anlehnung an Kants Terminologie: reflektierende Urteilskraft, vgl. Immanuel Kant, Logik - ein Handbuch zu Vorlesungen (2010) §  81. 17 18

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zweifüßigen Tieres anzuwenden, da die Anzahl der Füße für die rechtliche Beurteilung der Schadensersatzpflicht unwesentlich ist. Logisch gesehen wird hier die ratio legis der Norm angewendet, ohne größere Ausführungen zu dieser zu machen. Für eine Analogie ist im ersten Schritt also zu ermitteln, ob zwischen den vorliegenden Fällen ein wesentlicher Unterschied besteht. Wenn ein wesentlicher Unterschied zwischen den vorliegenden Fallgruppen besteht, muss gefragt werden, ob die ratio legis der analog anzuwendenden Norm übertragen werden kann. Bei der Gesamtanalogie wird aus einer ganzen Reihe von Vorschriften induktiv ein allgemeiner Rechtsgedanke, eine verallgemeinerte ratio abgeleitet und auf ähnliche Fälle bezogen, die nicht ausdrücklich geregelt sind. Es ist also ersichtlich, dass der Unterschied zwischen Einzelanalogie und Gesamtanalogie im Grunde nur die Induktionsbasis bei der Herausbildung des Grundgedankens betrifft. Der verallgemeinerte Rechtsgedanke ist sozusagen das „tertium comparationis“, ohne den eine rechtliche Vergleichbarkeit der zu beurteilenden besonderen Fälle nicht begründet werden könnte.21 Bei der Einzelanalogie ist die Induktionsbasis schmaler, dagegen bei der Gesamtanalogie breiter. Es handelt sich hier also nur um einen graduellen Unterschied.22 Canaris unterscheidet diejenigen Lücken, die mit der Einzelanalogie festzustellen und auszufüllen sind, und diejenigen, die mit der Gesamtanalogie festzustellen sind. Die ersten Lücken sind den teleologischen Lücken zuzuordnen,23 während die zweiten nach Canaris als Prinzipienlücken einzuordnen sind.24 Der Grund für diese Unterscheidung liegt darin, dass es für Canaris bei der Einzelanalogie um einen Schluss vom Besonderen auf das Besondere, bei der Gesamtanalogie vom Besonderen auf das Allgemeine (Induktion) geht. Meines Erachtens sind psychologisch in der Tat diese zwei Vorgänge unterschiedlich. Sie beruhen allerdings – wie oben gesagt – logisch auf dem gleichen Vorgang. Ein Analogieschluss lässt sich nicht psychologisch begründen, indem „vom Besonderen auf das Besondere“ geschlossen wird, da sich durch eine solche Methodik ein Normschluss nicht logisch begründen lässt. Logischerweise lässt 21   Kramer, Methodenlehre (Fn.  7) 208 ff. Sehr interessant ist die (zwar nicht ganz gleiche, aber im Grunde) ähnliche Ansicht in dem Common-Law-System vertreten. „Reasoning by analogy in the law does not proceed from example to example. Quite the contrary: It proceeds from rule to rule […]. In reasoning by analogy, a court normally begins with a rule, adopted in a precedent, that is not literally applicable to the case at hand, and then determines that as a matter of social propositions a generalized version of the rule should be adopted and applied to the case at hand, because there is not a good social reason to treat the case at hand differently. The court therefore extends or modifies the adopted rule – or, what is the same thing, formulates a new rule – in such a way that the precedent and the case at hand are treated alike.“ Melvin A. Eisenberg, The Principles of Legal Reasoning in the Common Law, in: Douglas E. Edlin, Common Law Theory (2008) 96–97. 22   Karl Engisch, Einführung in das juristischen Denken, 11.  Aufl. 2010, 256. 23   Canaris, Lücken (Fn.  1) §§  6 4, 133. 24   Canaris, Lücken (Fn.  1) §§  9 0, 133.

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sich eine Norm nur durch eine andere Norm (Schlussregel i. S. v. Toulmin) begründen.25 Außer dem Argument des logisch wesentlich gleichen Vorgangs von Einzel- und Gesamtanalogie ist gegen Canaris’ Einteilung (Lücke bei Einzel­ analogie als teleologische Lücke; Lücke bei Gesamtanalogie als Prinzipienlücke) noch anzuführen, dass auch die Lückenfeststellung und Lückenausfüllung durch Gesamtanalogie ihren Ansatzpunkt im positiven Recht (nicht aber über das positive Recht in der Rechtsordnung als Ganzes) finden kann. Es zeigt sich nämlich, dass die durch die Gesamtanalogie ermittelten Grundsätze in gewisser Weise schon im positiven Recht existieren und sich nicht auf die „Rechtsidee“, „Natur der Sache“ oder andere überpositive Gründe stützen müssen. Daher ist meiner Einschätzung nach die durch Gesamtanalogie festzustellende Lücke auch der Kategorie der teleologischen Lücke zuzuordnen. Im Folgenden werden einige nachbarrechtliche Beispiele zur Analogiebildung aufgezeigt. aa)  Emissionen gemäß §  9 0 chin. SRG §  90 chin. SRG verbietet einem Grundstückseigentümer, „Emissionen durch Luftverunreinigung, Wasserverunreinigung oder in Form von Lärm, Licht, elektromagnetischer Strahlung oder sonstigen schädlichen Materialien vorzunehmen“. Hierbei sind – anders als bei §  906 BGB – „Erschütterungen“ nicht aufgeführt. Die Erschütterung ist natürlich kein „sonstiges schädliches Material“ im Sinne des §  90 chin. SRG, sie ist überhaupt kein Material. Liest man allerdings §  90 chin. SRG genauer, kann man annehmen, dass die ratio legis dieser Vorschrift darin besteht, die materielle Einwirkung auf die benachbarte Immobilie zu verwehren. Die Erschütterung ist zwar kein schädliches Material, doch stellt sie eine materielle (zumindest keine ideelle) Einwirkung dar, so dass der §  90 chin. SRG auch analog auf den Fall der Erschütterung anzuwenden ist. Eine andere Vorgehensweise ist auch denkbar, indem im Fall der Erschütterung der §  35 chin. SRG direkt anzuwenden ist. bb)  Ideelle Immissionen Nicht so einfach zu entscheiden ist der Umgang mit der sogenannten ideellen (immateriellen) Einwirkung, wie die Errichtung einer Leichenkammer innerhalb eines Krankenhauses neben einem benachbarten Wohnhaus.26 Auch in Deutschland ist die analoge Anwendung des §  906 BGB auf ideelle Einwirkungen sehr umstritten. Nach der deutschen Rechtsprechung sind ideelle Immis­ sionen generell zu dulden.27 Demgegenüber wird diese Frage in der Literatur   Kurt Seelmann, Rechtsphilosophie, 6.  Aufl. 2014, §  9 Rn.  30.   Minshin ZHU, Streitigkeiten in der Nachbarschaft (祝铭山主编: 《相邻关系纠纷》,中国 法制出版社) (2004) 1–7. 27   Peter Bassenge, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 73.  Aufl. 2014, §  9 03 Rn.  10. 25 26

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sehr unterschiedlich beantwortet.28 Die Anwendbarkeit des §  90 chin. SRG auf ideelle Immissionen ist meiner Einschätzung nach wie folgt zu handhaben: Die direkte Anwendung des §  90 chin. SRG ist nach dem Wortlaut zu verneinen. Die analoge Anwendung des §  90 chin. SRG ist auch zu verneinen, da der Schutz der sachenrechtlichen Position des Immobilienberechtigten, nicht aber dessen seelisches Empfinden, die ratio legis des §  90 chin. SRG darstellt. Der §  35 chin. SRG ist nur dort anzuwenden, wo tatsächlich eine immaterielle Einwirkung auf die benachbarte Immobilie vorliegt. Durch §  35 chin. SRG wird der benachbarte Grundstückseigentümer nicht vor einer seelisch empfundenen Einwirkung geschützt. Einen Schutz bieten hier aber möglicherweise die deliktsrechtlichen Vorschriften bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten.29 Eine „ideelle“ Einwirkung auf die benachbarte Immobilie kann meiner Einschätzung nach dann bejaht werden, wenn eine evidente und erhebliche Einwirkung vorliegt. In diesem Fall genießt der benachbarte Grundstückseigentümer einen Schutz aus §  35 chin. SRG. Die Frage, ob eine „ideelle“ Einwirkung erheblich und evident ist, muss anhand eines objektiven Maßstabs geklärt werden, da bei einer den Wertpluralismus fördernden Gesellschaft unterschiedliche ideelle, ästhetische bzw. optische Vorstellungen generell geduldet werden müssen. Ein Indiz für eine erhebliche ideelle Einwirkung auf das benachbarte Grundstück kann z.  B. die objektiv ermittelte erhebliche Reduzierung des Marktwerts (Verkaufspreis oder Mietzinsen) der benachbarten Immobilie sein, da die Reduzierung des Marktwerts zeigt, ob der Markt (die normalen vernünftigen Menschen) die ideelle Einwirkung als erheblich ansieht. Darüber hinaus ist die Reduzierung des Marktwerts vielleicht schon nicht mehr eine ideelle, sondern eine materielle „Beeinträchtigung“, weil die Befugnisse eines Eigentümers auch die Nutzung (Mietzinsen) sowie die Verfügung gegen Marktpreis (Verkauf) einschließen (§  39 chin. SRG). Darüber hinaus können die ideellen Einwirkungen aufgrund des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung30 verhindert werden.31 cc)  Negative Immissionen §  89 chin. SRG reguliert die sogenannte negative Einwirkung: „Bei der Errichtung von Bauwerken dürfen die staatlichen bauordnungsrechtlichen Standards nicht verletzt werden, so dass die Belüftung sowie der Genuss von Licht und Sonne benachbarter Bauwerke beeinträchtigt wird.“ In §  89 chin. SRG sind als 28   Franz Jürgen Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  9 06, Rn.  50; Jürgen Fritz Bauer/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  25 Rn.  26; Hanns Prütting, Sachenrecht, 35.  Aufl. 2014, Rn.  330. 29   Ähnlich in Deutschland siehe MüKo BGB/Säcker (Fn.  28) §  9 06 Rn.  29. 30   Ein einheitlich anerkanntes Prinzip im chinesischen Zivilrecht, das sich im positiven Recht auf Art.  51 der chinesischen Verfassung stützt. 31   Bzgl. der Anwendung des §  226 BGB auf die Fälle der ideellen Einwirkung in Deutschland siehe Palandt/Bassenge (Fn.  27) §  9 03 Rn.  10.

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negative Immission ausdrücklich die Beeinträchtigung von Belüftung, Licht und Sonne genannt. Es fragt sich, ob §  89 chin. SRG auch auf andere Störungen wie das Abhalten von Radio- oder Fernsehwellen oder Handysignalen analog anzuwenden ist. Eine eindeutige abschließende Aufzählung des Gesetzgebers (Enumeration) ist hier nicht anzunehmen. Bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen den geregelten Tatbeständen (Lüftung, Licht und Sonne) und den ungeregelten (Radio- oder Fernsehwellen oder Handysignale) sollen die Umstände des konkreten Falls erwogen werden. Wie oben erläutert, ist bei der Analogie die ratio bzw. der Grundgedanke der in Frage kommenden Norm zuerst durch „reflektierende Urteilskraft“ (vom Besonderen zum Allgemeinen) 32 zu ermitteln. Dann ist zu prüfen, ob die so ermittelten Grundgedanken die analoge Anwendbarkeit auf die ungeregelten Tatbestände erfordern. Bei der Ermittlung des hinter der Norm stehenden Grundgedankens handelt es sich auf keinen Fall um einen streng logischen Schluss, sondern um ein wertendes Argument, so dass der ermittelte Grundgedanke von verschiedenen Menschen auch unterschiedlich beurteilt werden kann. Insbesondere kann der Generalisierungsgrad des durch die „reflektierende Urteilskraft“ ermittelten Grundgedankens verschieden sein. Es wird teilweise in der Literatur vertreten, dass die Ratio des §  89 chin. SRG in der Sicherung „der fundmentalen Lebensbedingungen der Menschen“33 oder „der notwendigen Lebensqualität“34 liegt. Nach dieser Meinung seien nämlich die Lebensbedingungen bzw. die Lebensqualität der natürlichen Personen durch §  89 SRG geschützt. Ich persönlich sehe aber die ratio legis des §  89 chin. SRG darin, dass die ordentliche Nutzung der Immobilie nicht durch die benachbarte Immobilie behindert werden darf. Diese ist dann nicht nur auf den Schutz der Lebensqualität der natürlichen Personen beschränkt, sondern berücksichtigt z.  B. auch die kommerziellen Bedürfnisse. Die positive Begründung dieser Generalisierung der ratio legis des §  89 chin. SRG liegt in der Norm an sich, da durch §  89 chin. SRG doch diese Generalisierung erlaubt ist. Die negative Begründung dieser Generalisierung besteht darin, dass nicht ersichtlich ist, wieso die rein kommerziellen Bedürfnisse nicht geschützt werden sollen. Dem Schutz der kommerziellen Bedürfnisse stehen auch nicht andere (höherrangige) Grundsätze entgegen. Zumal ist zu beachten, dass die einwirkenden Immobilien (diejenigen die Sonne, Licht oder Handysignale abhalten) oft Bürogebäude sind, die selbst hauptsächlich nur einem kommerziellen Zweck dienen.

 Vgl. Kant, Logik (Fn.  20) §  81.   Liming WANG/Fei YIN/Xiao CHENG, Ein Lehrbuch für chinesisches Sachenrecht (王利明、尹飞、程啸: 《中国物权法教程》人民法院出版社) (2007) 251. 34   Huixing LIANG/Huabin CHEN, Sachenrecht (梁慧星、陈华彬: 《物权法》第五版法律 出版社), 5.  Aufl. 2010, 206. 32 33

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Bei Wohnimmobilien geht es um die Sicherung der Lebensqualität der Menschen. Bei Geschäftsimmobilien können aber die kommerziell erforderlichen Elemente schützenswert sein. Der Genuss soll sich nicht nur auf die natürlichen wie Luftzufuhr oder Sonneneinstrahlung beschränken; da in der modernen Gesellschaft auch die Erlangung von Informationen für das Leben wesentlich ist. Nur empfängt man heutzutage in den großen Städten die Fernsehsignale nicht mehr durch Fernsehwellen, sondern fast ausschließlich durch Kabel oder Internet. Das Abhalten der Fernsehwellen soll heutzutage in der Regel nicht mehr als wesentliche Beeinträchtigung angesehen werden. Das Radio ist heute wegen der Verbreitung des Internets und des Fernsehens für die Erlangung von Informationen immer unwichtiger geworden, so dass dies in der Regel auch nicht mehr als wesentlicher Genuss gesehen werden soll. Somit ist das Abhalten der Fernseh- oder Radiowellen in der Regel nicht unter §  89 chin. SRG analog zu subsumieren. Anders ist es bei Handysignalen. Falls ein zu vermietendes Bürogebäude wegen eines benachbarten Wolkenkratzers fast keine oder nur sehr schwache Handysignale empfangen kann, soll dies als wesentliche Beeinträchtigung angesehen werden, da heute eine Bürofläche ohne Handyempfang in der Tat nur unter ungünstigeren Bedingungen vermietet werden kann. Jedoch ist hier – wie bei jeglicher Analogie – noch weiter zu prüfen, ob die durch reflektierende Urteilskraft ermittelte ratio legis bei ihrer deduktiven Anwendung auf bestimmte Sonderfälle noch einer Beschränkung bedarf. So ist z.  B. zu bedenken, ob die Formulierung in §  89 chin. SRG „Verletzung der staatlichen bauordnungsrechtlichen Standards“ die analoge Anwendung des §  89 chin. SRG auf den Handysignal-Fall ausschließt, da die bauordnungsrechtlichen Standards das Abhalten der Handysignale nicht regeln und somit auch nicht verletzt werden können. Dieser Punkt wird unten bei der Diskussion der teleologischen Extension zu erörtern sein. Ferner ist zu bedenken, ob die zeitliche Priorität der abschirmenden Immobilie – nämlich wenn sie vor der Bebauung der beeinträchtigten Immobilie errichtet wurde – auch die Anwendung des §  89 chin. SRG ausschließt.35 Ferner ist zu bemerken, dass mit dem oben Gesagten die Rechtsfolge des §  89 chin. SRG noch nicht erörtert wurde. Dies wird unten bei der Diskussion der Prinzipienlücken zu ergänzen sein. dd)  Gesamtanalogie – Duldungspflicht Es ist naturgemäß so, dass die Interessen mehrerer benachbarter Immobilienberechtigter kollidieren können. Im Fall der Interessenkollision ist es für die Rechtsordnung notwendig, eine Rangfolge aufzustellen. Hierin erfüllen die 35   Eine dogmatische Auseinandersetzung im deutschen Recht und eine rechtsvergleichende Untersuchung zu der zeitlichen Priorität im Nachbarrecht findet sich bei Lars Klöhn, Zeitliche Priorität als Argument im Nachbarrecht, AcP 208 (2008) 778 ff.

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nachbarrechtlichen Regelungen gerade ihren Zweck. Der Grundgedanke der nachbarrechtlichen Regelungen ist also die Abwägung der kollidierenden Güter (Güterabwägungsgedanke). Zuvorderst ist die Gesetzgebung zu den nachbarrechtlichen Regelungen von diesem Gedanken geprägt. Schließlich sind diese Grundgedanken auch im Wege der Gesamtanalogie aus den positiven nachbarrechtlichen Regelungen zu gewinnen. So ist in den §§  86, 87 und 88 chin. SRG die Benutzung der Nachbarimmobilie zum Zweck der Wasserzuleitung und Wasserableitung, der Notwegenutzung sowie notwendiger Verlegungsarbeiten von Stromleitungen usw. gestattet. Der benachbarte Immobilienberechtigte hat also den notwendigen Zugriff (Dienstbarkeit) zu gewähren, mit anderen Worten die Einwirkung in Form einer notwendigen Nutzung zu dulden. Die ratio legis dieser Vorschriften liegt darin, dass die Nutzung und Werthaltigkeit der notleidenden Immobilie ohne die Duldung der Nutzung der benachbarten Immobilie total oder zumindest erheblich an Wert verlieren würde. Im Vergleich dazu ist die Beeinträchtigung der genutzten Immobilie in der Regel wesentlich geringer. Es geht also bei den nachbarrechtlichen Regelungen um den Gedanken der Güterabwägung und die Frage, ob der Immobilienberechtigte sein überwiegendes Interesse auf Kosten des anderen durchsetzen kann. Diese Grundgedanken lassen sich also im chin. SRG „induktiv“ aus den §§  86–88 chin. SRG gewinnen. Diese induktiv gewonnenen Grundgedanken sind dann wieder bei der Lückenausfüllung deduktiv anzuwenden. Eine Duldungspflicht im Fall eines Überbaus kann im Wege der Gesamtanalogie entwickelt werden. Im chin. SRG fehlen ausdrückliche Regelungen zu Überbauten, obwohl der Gesetzgeber selbst auch anerkannt hat, dass in der Praxis viele Streitigkeiten zu dem Thema Überbauten existieren.36 Im ersten Augenblick scheint es so, dass §  35 chin. SRG sofort auf den Überbau angewandt werden könnte, mit der Folge, dass der Nachbar die Beseitigung des Überbaus verlangen kann. Im Wege der Gesamtanalogie ist aber die Duldungspflicht des Grundstückseigentümers der belasteten Immobilie zu bejahen. Richtigerweise steht es auch im Einklang mit dem Grundgedanken der Güterabwägung, dass der Nachbar den Überbau nicht zu dulden braucht, wenn der Überbau nur geringe wirtschaftliche Werte betrifft (z.  B. Mauern, Zäune) und ohne Schaden für das Bauwerk beseitigt werden kann.37 Analog zu §  92 chin. SRG (Entschädigungspflicht bei Notwegen) ist dem Nachbar bei einem geduldeten Überbau eine angemessene Entschädigung zu leisten. Bei der Lückenausfüllung durch die Gesamtanalogie ist freilich auch die weitere Abwägung vorzunehmen. Es ist dann zu prüfen, ob die induktiv ermittelte 36   Zivilrechtsabteilung des Ausschusses für Rechtssachen des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Materialien zum Entwurf des Sachenrechtsgesetzes (全国人大常委会法制工作委员会民法室编著: 《物权法(草案)参考》中国民主法制出版社) (2005) 253–254. 37   So auch in Deutschland, vgl. MüKo BGB/Säcker (Fn.  28) §  912 Rn.  4.

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ratio iuris bei ihrer deduktiven Anwendung auf bestimmte Sonderfälle noch einer Beschränkung bedarf. Dies ist dann zu bejahen, wenn ein anderes allgemein anerkanntes rechtliches Prinzip oder ein Grundgedanke, wie auch immer dieser entwickelt oder ermittelt wird, die Anwendung der ratio iuris der Güterabwägung auf einen konkreten Fall verhindert. Beim Überbau ist beispielsweise dann die Frage zu bedenken, ob die Duldungspflicht des benachbarten Grundstückseigentümers dadurch ausgeschlossen wird, dass der Überbau auf Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit des Überbauenden beruht. Ein solcher Grundgedanke in der Rechtsordnung, dass ein auf Kosten der Interessen des Nachbarn erlangter Vorteil wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit desjenigen, der in den Genuss des Vorteils kommt, ausgeschlossen ist, ist generell zu befürworten. Anhaltspunkte hierfür kann man auch an mehrere Stellen im positiven chinesischen Recht finden. Beispiele hierfür sind: §  53 Nr.  2 des Vertragsgesetzes (Unwirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung, durch die der Schädiger von einer Haftung für eine vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Schaden befreit wird), §  78 des Deliktshaftungsgesetzes (Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung des Tierhalters bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Geschädigten), §  47 Abs.  3 des Postgesetzes (Unanwendbarkeit der gesetzlichen Haftungsbeschränkung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Postunternehmens). Daher hat der benachbarte Grundstückseigentümer den Überbau nicht zu dulden, wenn der Überbau durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Überbauenden verursacht wurde (vgl. auch §  912 Abs.  1 BGB). Ein weiterer Ausschluss der Duldungspflicht ist – wie im §  912 Abs.  1 BGB geregelt – bei einem rechtzeitigen Widerspruch gegen den Überbau durch den Nachbarn gegeben. Denn nach dem Widerspruch verhält sich der Überbauende in der Regel entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig, da er beim Widerspruch seines Nachbarn die Grenzüberschreitung durch sein Bauprojekt zumindest sorgfältig untersuchen muss. Die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs ist wieder nach dem Zweckgedanken der Duldungspflicht bei dem Überbau zu bemessen. Ausschlaggebend ist allein, ob im Einzelfall noch genügend Zeit gewesen wäre, um mit der Beseitigung des Überbaus drohende Schäden zu vermeiden. Auf jeden Fall ist ein Widerspruch nach der Fertigstellung des Überbaus zu spät.38 b)  Argumentum a fortiori Ein Sonderfall der Analogie ist das Argumentum a fortiori oder in deutscher Sprache der „Erst-Recht-Schluss“. Bei dem Erst-recht-Schluss unterscheidet man zwischen argumentum a maiore ad minus (Schluss vom Größeren auf das Kleinere) und argumentum a minore ad maius (Schluss vom Kleineren auf das Größere).   In Deutschland vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  27) §  912 Rn.  10; MüKo BGB/Säcker (Fn.  28) §  912 Rn.  25. 38

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Ein Beispiel für ein argumentum a maiore ad minus im deutschen Recht ist der Fall der Überschreitung der vertraglichen Bebauungsgrenze und des Bauwerks. In diesem Fall wird zwar die Grundstücksgrenze nicht überschritten, dennoch ist es hier gerechtfertigt dem Beeinträchtigten den negatorischen Schutz zu versagen. Denn das Gesetz verwehrt sogar dem durch einen Überbau beeinträchtigten Eigentümer den negatorischen Schutz, so muss diese Wertentscheidung erst recht bei einer bloßen Vertragsverletzung gelten.39 Im chinesischen Recht erreicht man wohl das gleiche Ergebnis. Allerdings hat dies in China nichts mit dem Erst-Recht-Schluss zu tun, da der Überbau im Gesetz nicht geregelt ist und es auch keinen Ansatzpunkt für eine Analogie gibt. Meines Erachtens ist hier der §  110 Nr.  2 Alt. 2 des chinesischen Vertragsgesetzes direkt anzuwenden, wonach die primäre Leistungspflicht ausgeschlossen ist, wenn „die Kosten der Erfüllung zu hoch sind“. Ein Beispiel für ein argumentum a maiore ad minus im chinesischen Sachenrecht ist die analoge Anwendung des §  107 chin. SRG. Im chin. SRG ist der gutgläubige Erwerb von gestohlenen Sachen nicht geregelt. Allerdings regelt §  107 chin. SRG den grundsätzlichen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs von verlorenen Sachen sowie die eventuelle Zahlungspflicht des Eigentümers an den Besitzer der verlorenen Sache bei einer Vindikation. §  107 chin. SRG sollte erst recht auch auf die gestohlenen Sachen angewendet werden, da für die gestohlenen Sachen im Vergleich zu den verlorenen noch mehr das gelten muss, was für abhanden gekommene Sachen gilt.40 c)  Teleologische Extension und Analogie Der Wortlaut einer Vorschrift kann auch enger sein als ihr Sinn und Zweck. Dann fordert die ratio legis die Erweiterung der Norm. Als Gegenbegriff zum Terminus der teleologischen Reduktion wird in diesen Fällen insbesondere von Larenz und Canaris von einer „teleologischer Extension“ gesprochen.41 Beispiele für teleologische Extension können die §§  89, 90 chin. SRG sein. In diesen beiden Vorschriften sind die Emission sowie die negative Emission geregelt.42 In §  89 chin. SRG und §  90 chin. SRG sind „Verstöße gegen die staatlichen bauordnungsrechtlichen Standards“ sowie „Verstoß gegen einschlägige staatli  MüKo BGB/Säcker (Fn.  28) §  912 Rn.  53.   Jianyuan CUI, Sachenrecht (崔建远: 《物权法》第二版中国人民大学出版社), 2.  Aufl. 2011, 92. 41   Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  14) 217–218; Canaris, Lücken (Fn.  1) §  81. 42   §  89: „Bei der Errichtung von Bauwerken dürfen die Belüftung sowie der Genuss von Licht und Sonne benachbarter Bauwerke nicht unter Verstoß gegen die staatlichen bauordnungsrechtlichen Standards beeinträchtigt werden.“ §  9 0: „Immobilienberechtigten ist es verboten, sich unter Verstoß gegen einschlägige staatliche Bestimmungen ihrer Festabfälle zu entledigen oder Immissionen durch Luftverunreinigung, Wasserverunreinigung oder in Form von Lärm, Licht, elektromagnetischer Strahlung oder sonstigen schädlichen Materialien vorzunehmen.“ 39

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che Bestimmungen“ geregelt. Es stellt sich dann die Frage, ob ein beeinträchtigter Grundstückseigentümer auch die Beseitigung bzw. Verhütung der beeinträchtigenden (negativen) Emissionen gemäß §  35 chin. SRG verlangen kann, obwohl sein Nachbar nicht gegen die staatlichen Standards oder Bestimmungen verstößt. Die staatlichen Standards oder Bestimmungen können entweder selbst fehlerhaft entworfen worden sein, so dass doch eine wesentliche Beeinträchtigung bei Einhaltung der Bestimmungen vorliegt; oder – und dies ist insbesondere bei den Bebauungen auf dem Land der Fall43 – keine einschlägigen Standards für einen Sonderfall enthalten (so z.  B. im oben genannten Handysignalfall). Es ist also die Frage zu beantworten, ob ein Verstoß gegen die staatlichen Standards oder Bestimmungen eine notwendige Bedingung für die Anwendung des §  35 chin. SRG darstellt. Die Rechtsfolge der §§  89, 90 chin. SRG sollte meines Erachtens auch auf die Fälle angewendet werden, bei denen zwar kein Verstoß gegen die staatlichen Standards oder Bestimmungen vorliegt aber dennoch eine wesentliche Beeinträchtigung gegeben ist.44 Denn die ratio legis der §§  89 und 90 chin. SRG liegt darin, dass sich ein Grundstückseigentümergegen wesentliche Emissionen wehren kann. Es gibt also keinen soliden Grund dafür, die Rechtsfolgen der §§  89 und 90 chin. SRG unbedingt von einem Verstoß gegen staatliche Bestimmungen bzw. Standards abhängig zu machen. Die Formulierungen des Verstoßes gegen die Bestimmungen bzw. Standards in §§  89 und 90 chin. SRG sollten richtigerweise wie folgt verstanden werden: Die Einhaltung oder der Verstoß gegen die staatlichen Bestimmungen sowie Standards ergibt nicht zwingend die (Un-)Wesentlichkeit der Beeinträchtigung. Sie ist nur ein Indiz hierfür.45 Bei diesem Verständnis geht es zwar um die Konkretisierung des §  35 chin. SRG, es kann aber auch als ein Beispiel für eine teleologischen Extension der §§  89 und 90 chin. SRG gesehen werden. Indes ist zu fragen, in welchem Verhältnis die Gesetzesanalogie und die teleologische Extension zueinander stehen. Eine – wohl klassische – Ansicht in der Literatur ist, dass es bei der teleologischen Extension um die Zweckerreichung der Norm geht, während bei der Analogie eine Norm wegen der Ähnlichkeit der dort geregelten Frage zu einer nicht geregelten Sachverhaltskonstellation ausgedehnt wird.46 Gleichzeitig erkennen diese Autoren aber auch an, dass die teleologische Extension in ihrer Auswirkung einer Analogie sehr nahe kommt: „Beide Male wird eine Regelung auf einen Sachverhalt erstreckt, den sie ihrem möglichen Wortsinn nach nicht umfasst. Beide Male geht es um die volle Verwirklichung des Zwecks der gesetzlichen Regelung und um die Vermeidung ei  CUI, Sachenrecht (Fn.  40) 222.   Vgl. auch WANG/YIN/CHENG, Sachenrecht (Fn.  33) 222. In Deutschland gilt Gleiches: §  9 06 Abs.  1 S.  2 u. 3 BGB: „in der Regel“. 45   In Deutschland vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  27) §  9 06 Rn.  20. 46   Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  14) 217–218; Canaris, Lücken (Fn.  1) §  81; Hürlimann-Kaup/Schmid, ZGB (Fn.  4) Rn.  189. 43

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nes nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruchs.“47 Nach dem oben Gesagten geht es meiner Einschätzung nach auch bei der Analogie eigentlich nicht nur um die Ähnlichkeit zwischen den Tatbeständen, sondern um das Umsetzen der reflektiv ermittelten ratio legis in einem nicht ausdrücklich geregelten Fall. Meiner Meinung nach sind daher die teleologischen Extensionen eine Untergruppe der Gesetzesanalogie.48 d)  Teleologische Reduktion Die teleologische Reduktion wird durch das Gebot, Ungleiches verschieden zu behandeln, gefordert. Dies ist dort der Fall, wo das positive Recht die wertungsmäßig gebotenen Differenzierungen nicht vornimmt, wo also ein Tatbestand zu weit gefasst ist und eine erforderliche Einschränkung vermissen lässt. Häufig wird daher in den hier in Frage stehenden Fällen von einer „Ausnahmelücke“ gesprochen.49 Beispiele für eine teleologische Reduktion im Bereich des chinesischen privaten Nachbarrechts: §  89 (negative Immissionen) und §  90 (positive Immissionen) chin. SRG sind lückenhaft, da diese beiden Vorschriften zwar das Verbot der Immission vorsehen, es aber jeweils an einer Duldungspflicht des von einer unwesentlichen Einwirkung betroffenen Grundstückseigentümers mangelt. Hierin ist die Lücke als Normlücke (lückenhafter negativer Tatbestand), verdeckte Lücke sowie teleologische Lücke bzw. Ausnahmelücke zu sehen. Diese Duldungspflicht ist dann im Wege der teleologischen Reduktion auszufüllen. So hat nämlich ein Grundstückseigentümer gemäß der ratio legis der §§  89 und 90 chin. SRG die unwesentlichen Immissionen von seinem Nachbarn zu dulden.50 Auf der anderen Seite kann diese Duldungspflicht auch als eine durch die   Larenz/Canaris, Methodenlehre (Fn.  14) 218.  Vgl. auch Bernd Rüthers/Christian Fischer/Alex Birk, Rechtstheorie, 6.  Aufl. 2011, Rn.  9 04. 49   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  74. 50   Diese Duldungspflicht ist in der Literatur auch anerkannt, allerdings stützt sie sich nicht auf die ratio legis der §§  89 und 90 chin. SRG, sondern direkt auf die in §  84 chin. SRG vorgesehenen Prinzipien des Nachbarrechts: Prinzipien von der Förderung der Produktion, der Erleichterung des Lebens, der Eintracht und gegenseitigen Hilfe, der Fairness und der Billigkeit. Dazu vgl. Zivilrechtsabteilung des Ausschusses für Rechtssachen des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.), Erläuterung, Begründungen und betreffende Bestimmungen zum chinesischen Sachenrechtsgesetz (全国人大常委会法制工作委员会民法 室编: 《中华人民共和国物权法条文说明, 立法理由及相关规定》北京大学出版社) (2007) 154. Diese im §  84 SRG enthaltenden Prinzipien sind meines Erachtens zu abstrakt und im Grunde (also mit der Ausnahme des Erfordernisses „Verhältnismäßigkeit“) nicht sehr deduktionsfähig. Dagegen zeigt das Güterabwägungsprinzip eine klare Richtung, nämlich die Abwägung der kollidierenden Güter. Deshalb stütze ich hierbei die Duldungspflicht eher auf das Güterabwägungsprinzip, als auf §  84 chin. SRG. Außerdem soll meines Erachtens die Generalklausel unter chinesischem Recht grundsätzlich eher zurückhaltend angewandt werden, da in den chinesischen Gesetzen viele Generalklauseln sehr politisch geprägt sind. 47

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teleologische Reduktion ermittelte Ausnahme des §  35 chin. SRG gesehen werden, da es – wie oben bereits gesagt – bei den §§  89 und 90 chin. SRG eigentlich um die Konkretisierung der Ansprüche aus §  35 chin. SRG geht. Bei der teleologischen Reduktion geht es eigentlich auch darum, dass zuerst die ratio legis der Vorschrift ermittelt wird und diese eine Ausnahmeregel erfordert. Folglich ist die Anwendung der Vorschrift auf bestimmte, augenscheinlich unter die Vorschrift zu subsumierende Fälle, ausgeschlossen.

IV. Prinzipienlücken Nach Canaris sind die Prinzipien- oder Wertungslücken dort zu bejahen, wo das Fehlen einer gesetzlichen Regelung nur deshalb vom Standpunkt der Gesamtrechtsordnung aus als „planwidrig“ anzusehen ist, weil ein allgemeines Rechtsprinzip oder eine rechtliche Wertung eine Verwirklichung fordert und zu einer bestimmten Lösung drängt. Die Gültigkeit des Prinzips bzw. der rechtlichen Wertung stützen sich nach Canaris entweder auf eine Gesamtanalogie zum positiven Recht, auf die Rechtsidee oder die Natur der Sache (positive Begründung des Prinzips bzw. des Werts). Ferner soll das positive Recht die Verwirklichung des Prinzips oder des Wertes auch nicht entgegenstehen (negative Abgrenzung).51 Meiner Meinung nach geht es beim Rückgriff auf die „Rechtsidee“ oder auf die „Natur der Sache“ eigentlich um die Frage, ob die relevanten Prinzipien oder Rechtswerte mit voller Sicherheit von der absoluten Mehrheit der Menschen innerhalb einer Rechtsordnung allgemein anerkannt werden können.52 Ein Beispiel für eine Prinzipienlücke ist der oben genannte Ausschluss der Duldungspflicht des beeinträchtigten Nachbarn bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Überbauenden. Bei der oben geführten Diskussion stützt sich der Ausschluss auf eine Gesamtanalogie. Allerdings ist der Grundgedanke des „Mitverschuldens“ auch generell anerkannt, so dass hier auch von einer Prinzipienlücke gesprochen werden kann. Ferner ist anzumerken, dass die Lücken, die durch eine Gesamtanalogie feststellt sind, von Canaris den Prinzipienlücken zugeordnet werden. Noch ein Beispiel für eine Prinzipienlücke ist die Ausnahme des Notwegerechts. Der §  918 Abs.  1 BGB sieht vor: „Die Verpflichtung zur Duldung des Notweges tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch ein willkürliche Handlung des Eigentümers auf  Canaris, Lücken (Fn.  1) §  105, §  161.   Man kann natürlich weiter fragen, wie es zu ermitteln ist, dass ein Grundsatz allgemein anerkennt werden kann. Hierzu geht es dann eigentlich um die ewige Frage der Gerechtigkeitstheorie. Ich selbst tendiere zur Rawls’ Schleier des Nichtwissens oder Kants kategorischem Imperativ. 51

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gehoben wird.“ Diese Vorschrift stützt sich auf den Grundgedanken des „Verschuldens gegen sich selbst“.53 Diese Ausnahme des Notwegerechts ist in China nicht geregelt. Jedoch soll der Grundgedanke des Verschuldens gegen sich selbst auch im chinesischen Zivilrecht gelten. Zum Beispiel regelt der §  119 des chin. Vertragsgesetzes das Verschulden gegen sich selbst bei der Versäumung der Verhinderung der Ausweitung eines Schadens durch die vertragstreue Partei.54 Im Sinne dieses Grundgedankens soll das Notwegerecht in China ebenfalls ausgeschlossen werden, wie es auch im §  918 Abs.  1 BGB geregelt ist.55 In dieser Handhabung kann man aber auch eine teleologische Reduktion des §  87 chin. SRG sehen. Ein weiteres Beispiel für eine Prinzipienlücke ist die Modifizierung der Rechtsfolge des §  89 chin. SRG (negative Immissionen) durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, als bloße Form 56 der Normbegründung (bzw. Begründung eines Sollens), ist allgemeingültig. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass einer Maßnahme nur dann stattzugeben ist, wenn die mit der Maßnahme verbundenen Nachteile nicht völlig außer Verhältnis zu den durch die Maßnahme bewirkten Vorteilen stehen. Danach ist bei der Verletzung der Unterlassungspflicht von negativen Emissionen i. S. v. §  89 chin. SRG die Rechtsfolge in der Regel nicht unbedingt im Abriss der einwirkenden Immobilie zu sehen. Vielmehr kommt die Leistung einer angemessenen Entschädigung (meistens in Geld) in Betracht, wenn die Kosten der Beseitigung außer Relation zu dem gestörten Nutzen stehen.57 Indes kann diese Handhabung auch als eine teleologische Reduktion des §  35 chin. SRG (negatorische Ansprüche) oder als die Analogie des §  110 Nr.  2 des chinesischen Ver  MüKo BGB/Säcker (Fn.  28) §  918 Rn.  1.   §  119 Abs.  1 des chinesischen Vertragsgesetzes: „Wenn eine Partei den Vertrag verletzt hat, muss die andere Seite angemessene Maßnahmen ergreifen, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern; wenn sie keine angemessenen Maßnahmen ergreift, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern, so dass sich der Schaden ausweitet, kann sie dafür keinen Ersatz verlangen.“ 55   In der Schweiz ist dieser Ausschluss des Notwegerechts auch nicht im Gesetz vorgeschrieben. Allerdings setzen Praxis und Lehre in der Schweiz voraus, dass der Grundeigentümer die Wegenot nicht selbst verursacht, in Kauf genommen oder sich damit abgefunden oder sonst wie ein widersprüchliches Verhalten an den Tag gelegt hat – etwa dadurch, dass er einen bestehenden Zugang aufgegeben hat, um einen bequemeren zu erlangen. Siehe HürlimannKaup/Schmid, ZGB (Fn.  4) Rn.  983a. 56   Ein inspirierender Satz von Kant ist hier zu zitieren: „Wenn ein vernünftiges Wesen sich seine Maximen als praktische allgemeine Gesetze denken soll, so kann es sich dieselbe nur als solche Prinzipien denken, die, nicht der Materie, sondern bloß der Form nach, den Bestimmungsgrund des Willens enthalten.“, vgl. Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1986) §  4. Danach kann abgeleitet werden, dass nur die Formen der Normbegründung, nicht aber ihre materiellen Inhalte, endgültig richtig sein können. 57  In Deutschland allgemein bzgl. der Beschränkung des dinglichen Beseitigungsanspruchs siehe Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Schuldrecht II/2, 3.  Aufl. 1995, §  86 VI 2 a); Jörg Neuner, Das nachbarrechtliche Haftungssystem, JuS 2005, 390. 53

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tragsgesetzes oder als ein Anwendungsfall des §  37 chin. SRG58 gesehen werden. Daher ist bei dem oben genannten Handysignal-Fall nicht der Abriss des beeinträchtigenden Gebäudes, sondern eine angemessene Entschädigung in Geld oder die Installation einer Verstärkungseinrichtung für Handysignale durch den beeinträchtigenden Grundstückseigentümer zu befürworten.

V.  Verhältnis von teleologischer Reduktion, Analogie und Rückführung auf allgemein anerkannte Prinzipien und Wertungen Die drei Beispiele zu den Prinzipien- bzw. Wertungslücken zeigen gleichzeitig, dass eine scharfe Trennung zwischen der teleologischen Reduktion auf der einen Seite und Gesetzes- oder Gesamtanalogie sowie die Rückführung auf die allgemein anerkannten Prinzipien bzw. Rechtswerte auf der anderen Seite nicht möglich ist.59 Bei einer teleologischen Reduktion handelt es sich um die Zuführung eines im Gesetz nicht geregelten, aber erforderlichen Ausnahmetatbestands. Die Erforderlichkeit des Ausnahmetatbestands kann sich direkt auf die ratio legis der Vorschrift stützen. Das gleiche Ergebnis kann aber auch auf die durch Analogie ermittelte ratio legis einer anderen Vorschrift, auf den durch die Gesamtanalogie von mehreren Vorschriften ermittelten Grundgedanken oder auf die allgemein anerkannten Prinzipien sowie Werte gestützt werden. Für eine nähere Abgrenzung könnten nur diejenigen Fälle als teleologische Reduktion bezeichnen werden, bei denen die Erforderlichkeit des Ausnahmetatbestands nur auf die ratio legis der Vorschrift gestützt wird. Als Beispiel mag hier die oben genannten teleologische Reduktion der §§  89, 90 chin. SRG für den Fall, dass kein Verstoß gegen staatliche Standards oder Bestimmungen vorliegt, gesehen werden. Allerdings erscheint diese Abgrenzung aus methodischer Sicht eher formalistisch und von geringer Bedeutung. Es ist also nicht entscheidend, wie man die Handhabung der Lückenfeststellung und Lückenausfüllung nennt; 58   §  37 chin. SRG: „Wird ein dingliches Recht verletzt und erleidet der Berechtigte dadurch einen Schaden, so kann er Schadensersatz verlangen; er kann auch die Übernahme einer anderen Form der zivilrechtlichen Haftung verlangen.“ Bzgl. der dogmatischen Zuordnung dieser Vorschrift ist es in der Literatur umstritten. Es wird z. B. vertreten, dass es bei dieser Vorschrift um die Verweisung auf die deliktsrechtliche Haftung geht, vgl. CUI, Sachenrecht (Fn.  40) 124–129. Wenn man §  37 chin. SRG bei der Unverhältnismäßigkeit des Abrisses der beeinträchtigten Immobilie im Fall der negativen Immissionen anwendet, mit der Folge dass die Anwendung des §  35 beschränkt ist, gewinnt dann §  37 chin. SRG einen eigenständigen Sinn im Bereich der dinglichen Ansprüche neben der Verweisung auf die deliktrechtlichen Haftungen. 59   Canaris erkennt ausdrücklich an, dass man die Lückenfeststellung im Wege der teleologischen Reduktion und der Analogie nicht scharf trennen lässt. Siehe Canaris, Lücken (Fn.  1) §  78. Er hat aber die unscharfe Abgrenzung zwischen der Lückenfeststellung durch die teleologische Reduktion und den allgemeinen Prinzipien und Rechtswerten nicht erörtert.

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wichtiger ist, ob und wie man überhaupt Lücken feststellen und dann entsprechend ausfüllen kann.

VI.  Gemeinsamkeiten zwischen teleologischen Lücken und Prinzipien- bzw. Wertungslücken Canaris unterscheidet die teleologischen Lücken und die Prinzipien- bzw. Wertungslücken. Nach Canaris werden die Charakteristika von Rechtsverweigerungslücken, teleologischen Lücken und Wertungs- und Prinzipienlücken 1.) durch den verschiedenen Maßstab der Lückenfeststellung und 2.) durch die verschiedenen Verhältnisse von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung bestimmt. Zuerst sei – nach Canaris – der Maßstab der Lückenfeststellung unterschiedlich: Bei den Rechtsverweigerungslücken ergebe sich die Lücke regelmäßig ohne Schwierigkeiten daraus, dass das positive Recht eine Rechtsfrage aufwirft, die Antwort aber schuldig bleibt. Bei den teleologischen Lücken erfolge die Lückenfeststellung mit Hilfe von Analogie, argumentum a fortiori, teleologischer Extension und Reduktion. Bei den Prinzipien- und Wertungslücken sei der Nachweis erforderlich, dass ein Rechtsprinzip oder Rechtswert Bestandteil der geltenden Rechtsordnung ist und im positiven Recht keine ausreichende Ausgestaltung erfahren hat. Daraus ergeben sich – nach Canaris – weitere charakteristische Unterschiede, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung: Bei den Rechtsverweigerungslücken seien Lückenfeststellung und Lückenausfüllung zwei gänzlich verschiedene Vorgänge, bei den teleologischen Lücken seien sie ein und derselbe Prozess und bei den Prinzipien- und Wertungslücken seien sie äußerlich getrennt, stünden jedoch in einem engen inneren Zusammenhang. 60 Das zur Feststellung der Prinzipienlücken verwandte Prinzip weise regelmäßig für die Lückenausfüllung nur die Richtung, während die Einzelgestaltung durch die Einordnung in das dogmatische System und die Wertungen des Gesetzes erfolge. 61 Dabei sei stets der Nachweis erforderlich, dass das Prinzip bzw. die rechtliche Wertung Bestandteil der geltenden Rechtsordnung sei. Dies erfordere zwei Überlegungen: Erforderlich sei erstens die – negative – Prüfung, ob das fragliche Prinzip nicht durch die Anordnungen und Wertungen des positiven Rechts ausgeschlossen werde und zweitens der – positive – Nachweis, dass ein Prinzip aus einem besonderen Grund Geltung für unsere Rechtsordnung beanspruche. 62   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  135.   Canaris, Lücken (Fn.  1) §§  153, 157. 62   Canaris, Lücken (Fn.  1) §  161. 60 61

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Die Einteilung der Lückenarten von Canaris ist sehr inspirierend. Basierend auf der Einteilung von Canaris habe ich aber folgende abweichende Meinung. Meiner Meinung nach haben die teleologischen Lücken und die Prinzipienlücken wesentliche Gemeinsamkeiten: Bei beiden Vorgängen kommt es am Schluss zu einer deduktiven Anwendung (bzw. Nicht-Anwendung bei der teleologischer Reduktion) einer im Gesetz nicht ausdrücklich formulierten – entweder aus dem positiven Recht ermittelten oder allgemein anerkannten – ratio legis oder eines Prinzips (nämlich einer höherstufigen Norm oder eines höherstufigen Sollens) auf einen Einzelfall. Denn wie oben gesagt, geht es sowohl bei der Analogie (einschließlich des argumentum a fortiori und der teleologischen Extension) als auch bei der teleologischen Reduktion um die Ermittlung der ratio legis der in Frage kommenden Vorschrift und um ihre anschließende Anwendung (oder Nicht-Anwendung bei einer teleologischer Reduktion) auf einen konkreten Fall. Die Ermittlung der ratio legis bei den teleologischen Lücken (als erster Schritt) bedarf – wie Canaris bei der Prinzipienlücke ausführt – sowohl der negativen Prüfung, ob die fragliche ratio legis nicht durch ein höheres Prinzip oder Norm ausgeschlossen oder beschränkt wird, als auch des positiven Nachweises, dass die ratio legis Geltung für die Rechtsordnung beansprucht. Die Besonderheit hierbei ist nur, dass dieser positive Nachweis geradewegs durch die Vorschrift, aus der die ratio legis herzuleiten ist, begründet wird. Deshalb ist dabei die negative Prüfung von entscheidender Bedeutung. Anders dargestellt: Die Ermittlung der ratio legis stellt sich als einen Vorgang der Verallgemeinerung dar, dessen Grad aber unterschiedlich sein kann. Beispielsweise kann man die ratio legis des §  89 chin. SRG in der Sicherung der notwendigen Lebensqualität (von natürlicher Personen) sehen, man kann aber auch eine Stufe weiter gehen bei der Verallgemeinerung und die ratio legis des §  89 chin. SRG in der Sicherung der für die ordentliche Nutzung der Immobilien wesentlichen Genüsse sehen, die dann die kommerziellen Bedürfnisse einschließt. Auf welcher Abstraktionsstufe die Verallgemeinerung im konkreten Fall anzunehmen ist, ist von der negativen Prüfung abhängig. Falls durch die negative Prüfung anzunehmen ist, dass die fragliche ratio legis nicht durch ein höheres Prinzip ausgeschlossen oder beschränkt wird, bleibt dann diese so ermittelte ratio legis bestehen. Dann ist weiter (als zweiter Schritt) zu prüfen, ob sie auf den im Gesetz nicht geregelten Fall angewandt werden kann. Ob die ermittelte ratio legis auf einen konkreten Fall angewendet werden kann, ist davon abhängig, ob die durch die „reflektierende Urteilskraft“ ermittelte ratio legis bei ihrer deduktiven Anwendung auf einen bestimmten Sonderfall noch einer Beschränkung bedarf (wie es Canaris bei den Ausfüllung der Prinzipienlücke ähnlich vertreten hat 63). Dies zeigt das Beispiel des Handysig  Canaris, Lücken (Fn.  1) §  157.

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nalfalls, bei dem zu prüfen ist, ob die zeitliche Priorität der beeinträchtigenden Immobilie dann die analoge Anwendung des §  89 chin. SRG ausschließt. Bei der Feststellung und Ausfüllung von Prinzipienlücken sind – wie oben die Zitierungen aus Canaris zeigen – im Wesentlichen auch diese zwei Schritte durchzuführen, so dass die Vorgänge bei der Handhabung der teleologischen Lücken und Prinzipienlücken im Wesentlich gleich sind. Darin ist eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den teleologischen Lücken und den Prinzipienlücken zu sehen, nämlich in dem Verhältnis von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung. Canaris meint, dass die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung bei den teleologischen Lücken ein und derselbe Prozess seien, während diese Vorgänge bei den Prinzipienlücken äußerlich getrennt seien, jedoch in einem engen inneren Zusammenhang stehen. So zeige nämlich das zur Feststellung der Prinzipienlücken verwandte Prinzip für die Lückenausfüllung regelmäßig nur die Richtung, während die Einzelgestaltung durch die Einordnung in das dogmatische System und die Wertungen des Gesetzes erfolge. Wenn aber – wie oben aufgezeigt – die Vorgänge in der Handhabung bei den teleologischen Lücken und Prinzipienlücken wesentlich gleich sind (nämlich die Ermittlung und Prüfung eines nicht ausdrücklich geregelten Sollens (ratio legis bzw. Prinzip) auf einer höheren Stufe als der erste Schritt und die deduktive Anwendung bzw. Nicht-Anwendung dieses Sollens auf den konkreten Fall als der zweite Schritt), dann soll das Verhältnis von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung bei den teleologischen Lücken und Prinzipienlücken auch wesentlich gleich sein. Hierzu gibt es dann im Grunde zwei Alternativen. Die erste Alternative: Die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung bei den beiden Lückenarten ist ein und derselbe Prozess. Zweite Alternative: Die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung sind bei beiden Lückenarten verschieden. In diesem Sinne zeigt sich, dass bei den teleologischen Lücken die Lückenfeststellung – wie bei den Prinzipienlücken – auch nur eine (obwohl in den meisten Fällen schon eine ziemlich klare) Richtung für die Lückenausfüllung vorgibt und es dann aber noch für die konkrete Lückenausfüllung weiterer Abwägungen mit anderen Sollenssätzen (gesetzliche Regelungen, ratio legis anderer Normen, Prinzipien, Rechtswerte) bedarf. Wenn man die Lückenausfüllung als die Herausarbeitung einer allgemeinen Regelung betrachtet, die nicht nur von der Rechtsordnung als Ganzes gefordert ist, sondern auch auf den vorliegenden konkreten Fall in angemessener Weise angewendet werden kann, dann ist die zweite Alternative zu befürworten. Denn wie oben dargestellt, bedarf es bei der konkreten Anwendung der ratio legis auf den konkreten Fall noch weiterer Erwägungen. Im Handysignal-Fall ist beispielsweise eine Lücke festzustellen, wenn man annimmt, dass der §  89 chin. SRG aufgrund der ratio legis auf das Abhalten des Handysignals auf ein Bürogebäude erweitert werden soll. Die konkrete Ausfüllung dieser Lücke bedarf aber der Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls, wie z.  B. der zeitlichen Priorität.

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Bildlich lässt sich dies auch leicht verstehen. Das Prinzip, dass man in einem Wohnraum grundsätzlich auch Naturlicht genießen kann, verlangt, dass irgendwo ein oder mehrere „Löcher“ in die Wand oder auf das Dach gemacht werden müssen (so die Feststellung einer Prinzipienlücke). Dabei sind die Details noch nicht beantwortet: Wie viele „Löcher“? In welcher Form (Fenster oder große Türen usw.), wo und in welcher Richtung - all diese Fragen müssen nach der sorgfältigen Erwägung aller betroffenen Elemente beantwortet werden (so die Ausfüllung einer Prinzipienlücke). Das Gleiche gilt auch bei einem konkreten Fenster, wenn man feststellt, dass die Fenster nicht hoch genug oder nicht schön sind (so die Feststellung einer teleologischen Lücke). Damit ist zwar eine – im Vergleich zu den Prinzipienlücken – viel konkretere Richtung der Korrektur gegeben, wie man es aber größer (nach unten oder nach oben?) oder schöner machen soll (Lückenausfüllung), ist bis jetzt noch nicht beantwortet und bedarf noch weiterer Erwägung. Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Zwischen den teleologischen Lücken und den Prinzipienlücken bestehen aus logischer Sicht wesentliche Gemeinsamkeiten. Die Vorgänge bei der Handhabung dieser Lücken sind im Wesentlichen gleich. Die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung sind bei beiden Instituten verschieden. Die Lückenfeststellung zeigt nur eine Richtung der Lückenausfüllung, die bei den teleologischen Lücken deutlicher als bei den Prinzipienlücken ist. Deshalb lassen sich die teleologischen Lücken und die Prinzipienlücken zusammen als „Wertungslücken“ bezeichnen oder sogar als „unechte Lücken“, wobei man auch die Erforderlichkeit der Ausfüllung der „unechten Lücken“ anerkennen muss. Innerhalb der Wertungslücken lässt sich feststellen, dass die durch die Gesamtanalogie zu schließenden Lücken in gewisser Weise näher zu den teleologischen Lücken und ferner zu den übrigen Prinzipienlücken stehen, da bei einer Gesamtanalogie die Anhaltspunkte des zu ermittelnden Prinzips im positiven Recht gefunden werden können, während bei den übrigen Prinzipienlücken die Prinzipien oder die rechtlichen Wertungen aus ihrer allgemeinen Erkennbarkeit (oder bei Canaris aus der Rechtsidee bzw. der Natur der Sache) abgeleitet werden müssen.

VII.  Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung Die richterliche Rechtsfortbildung ist nicht unbegrenzt, ansonsten würde die Funktion der demokratischen Gesetzgebung ursupiert und somit auch die Gewaltenteilung und die Rechtssicherheit. Dies alles ist sehr gefährlich. Auf der anderen Seite ist aber die Rechtsfortbildung durch den Richter aufgrund der Existenz von Lücken unvermeidlich. Die Frage ist dann, wo die Grenzlinie zwischen der erlaubten und der unerlaubten Rechtsfortbildung gezogen werden soll. Die Antwort zu dieser Frage ist im Folgenden zu skizzieren.

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Die Richter sind befugt eindeutige Fehler der Gesetzgebung zu korrigieren. Ein Beispiel hierfür ist der §  51 des chinesischen Vertragsgesetzes. Bei der Feststellung und der Ausfüllung der Wertungslücken soll die Wertung des Richters deutlich überzeugend sein. Dazu wird – wie oben dargestellt – die negative Prüfung und der positive Nachweis verlangt. Falls die Wertung des Richters keine besondere Überzeugungskraft besitzt, also falls ein durchschnittlich guter Jurist angesichts der Wertung zögern würde, sollte sich der Richter mit einer Rechtsfortbildung zurückhalten. Sofern Zweifel an der Wertung bestehen, ist zuungunsten einer richterlichen Rechtsfortbildung zu entscheiden. Das Treffen eines schwierigen Werturteils verbleibt somit Aufgabe der Gesetzgebung und nicht der Rechtsprechung!

VIII. Zusammenfassung Die Hauptthesen zu den Lücken im Gesetz sind wie folgt zusammenzufassen: 1. Es lassen sich folgende Lückenarten unterscheiden: Echte Lücken (Rechtsverweigerungslücken i. S. v. Canaris) und Wertungs­ lücken. 2. Echte Lücken Eine echte Lücke liegt vor, wenn das Gesetz auf eine sich stellende Frage jede Antwort schuldig bleibt, so dass ohne die Ausfüllung dieser Lücke die Richter gar nicht entscheiden können. Bei der Ausfüllung der echten Lücken sind jegliche Mittel zu nutzen. §  1 Abs.  2 und 3 des schweizerischen ZGB gibt ein gutes Indiz für die Ausfüllung dieser Lückenarten. 3. Wertungslücken Bei den Wertungslücken ist zwischen teleologischen Lücken und Prinzipienlücken zu unterscheiden, die aber auch wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Die teleologischen Lücken sind durch die Analogie (einschließlich Gesamtanalogie, argumentum a fortiori und die teleologische Extension) und die teleologische Reduktion zu erschließen. Die Prinzipienlücken sind durch die allgemein anerkannten Prinzipien bzw. rechtlichen Wertungen festzustellen und auszufüllen. Oft lässt sich zwischen der teleologischen Reduktion auf der einen Seite und der Analogie sowie der Rückführung auf die allgemein anerkannten Prinzipien bzw. Werte auf der anderen Seite nicht scharf trennen. Indes ist die Analogie „die Königin“ der Lückenerschließung. Bei den Wertungslücken geht es um die Lückenfeststellung und um die Lückenausfüllung in zwei Schritten: Die Ermittlung und Prüfung eines nicht ausdrücklich geregelten Sollens (ratio legis bzw. Prinzip) auf höherer Stufe als der

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erste Schritt und die deduktive Anwendung bzw. Nicht-Anwendung dieses Sollens auf den konkreten Fall als zweiter Schritt. Die Lückenfeststellung und die Lückenausfüllung bei den Wertungslücken sind davon verschieden. Jedoch zeigt die Lückenfeststellung in der Tat eine Richtung für die Lückenausfüllung auf, die bei den teleologischen Lücken in der Regel deutlicher ist als bei den Prinzipienlücken. 4. Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung Bei der Feststellung und der Ausfüllung der Wertungslücken soll die Wertung des Richters deutlich überzeugend sein. Bei einer zweifelhaften Wertung hat der Richter sich zuungunsten einer Rechtsfortbildung zu entscheiden. Die als methodische Beispiele entwickelten (leider nicht so systematisch dargestellten) Thesen im Bereich des chinesischen Nachbarrechts lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Teleologische und dogmatische Qualifikation der §§  84–92 chin. SRG Teleologisch geht es bei den nachbarrechtlichen Regelungen in den §§  84–92 chin. SRG um den Gedanken der Güterabwägung und die Frage, ob das überwiegende Interesse des Grundstückseigentümers auf Kosten des Nachbarn zu schützen ist. Dogmatisch handelt es sich bei den §§  86–91 chin. SRG um die Beschränkung bzw. Konkretisierung der sachenrechtlichen negatorischen Ansprüche eines Grundstückseigentümers, also des §  35 chin. SRG. Dogmatisch geht es bei den §§  86–88 chin. SRG um die Duldungspflichten der Berechtigten der benachbarten Immobilien, welche die Anwendung des §  35 chin. SRG beschränken. Des Weiteren geht es dabei um die Facetten des Immobilienrechts der begünstigten Grundstückseigentümer. Daher hat ein Notwegberechtigter ein Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch nach §  35 chin. SRG, wenn sein Notwegerecht von dem Grundstückseigentümer der belasteten Immobilie oder einem Dritten behindert wird. Entsteht durch die Behinderung ein Schaden, so kann nach deliktsrechtlichen Vorschriften (insbesondere §§  2, 6 Abs.  1 des chinesischen Deliktshaftungsgesetzes) Ersatz verlangt werden. Bei den §§  89, 90 und 91 chin. SRG handelt es sich dann um die Konkretisierung der negatorischen Ansprüche aus §  35 chin. SRG. 2. Notweg (§  87 chin. SRG) Das Notwegerecht ist ausgeschlossen, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Grundstückseigentümers aufgehoben ist. 3. Überbau Eine Duldungspflicht im Fall eines Überbaus kann im Wege der Gesamtanalogie entwickelt werden.

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Der benachbarte Immobilienberechtigte hat den Überbau nicht zu dulden, wenn der Überbau durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Überbauenden verursacht wird. Ein weiterer Ausschluss der Duldungspflicht ist bei dem rechtzeitigen Widerspruch des Nachbarn gegen den Überbau anzunehmen. Bei Überschreitung der vertraglichen Bebauungsgrenze und des Bauwerks ist §  110 Nr.  2 Alt. 2 des chinesischen Vertragsgesetzes direkt anzuwenden. 4. Immissionsschutz Bei unwesentlichen Einwirkungen durch Emission bzw. negative Emission hat der Grundstückseigentümer dies zu dulden. §  89 und §  90 chin. SRG regeln die Verbote von „Verstöße gegen die staatlichen bauordnungsrechtlichen Standards“ sowie „Verstöße gegen einschlägige staatliche Bestimmungen“. Ein beeinträchtigter Grundstückseigentümer kann auch Ansprüche aus §  35 chin. SRG haben, obwohl sein Nachbar nicht gegen die staatlichen Standards oder Bestimmungen verstößt. Die Einhaltung oder der Verstoß gegen die staatlichen Bestimmungen sowie Standards ergibt nicht zwingend die (Un-)Wesentlichkeit der Beeinträchtigung. Sie ist nur ein Indiz dafür. §  90 chin. SRG kann möglicherweise auf andere Einwirkungen, die keine „sonstigen schädlichen Materialien“ sind, analog angewendet werden, wie z.  B. Erschütterungen. 5. Negative Immissionen (§  89 chin. SRG) Das Abhalten von Fernseh- oder Radiowellen ist in der Regel nicht analog unter §  89 chin. SRG zu subsumieren. Anders ist dies bei Handysignalen in einem Bürogebäude. Falls ein zu vermietendes Bürogebäude wegen eines benachbarten Wolkenkratzers fast keine oder nur sehr schwache Handysignale empfangen kann, soll dies als wesentliche Beeinträchtigung angesehen werden. Die Rechtsfolge bei einer Verletzung der Pflicht, negative Immissionen i. S. v. §  89 chin. SRG zu unterlassen, ist in der Regel nicht der Abriss der einwirkenden Immobilie, sondern eine angemessene Entschädigung (meistens in Geld) zu leisten, wenn die Kosten der Beseitigung außer Relation zu den beeinträchtigten Nutzen des Gestörten stehen. 6. Ideelle Einwirkung Sowohl die direkte als auch die analoge Anwendung des §  90 chin. SRG auf ideelle Einwirkungen ist zu verneinen. Eine direkte Anwendung des §  35 chin. SRG auf ideelle Einwirkungen ist möglich, allerdings nur bei evident erheblichen Einwirkungen, die objektiv zu beurteilen sind. Ein Indiz für eine erhebliche „ideelle“ Einwirkung kann z.  B. die objektiv zu ermittelnde erhebliche Reduzierung des Marktwerts der benachbarten Immobilie sein.

Das Konzept des Wohnungseigentums Jan Busche

Meine Aufgabe ist es heute, ihnen das Konzept des Wohnungseigentums in Deutschland näher zu bringen. Damit ist schon angedeutet, dass ich mich, auch angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit, auf die Grundlinien des Wohnungseigentumsrechts beschränken werde. Daneben möchte ich an geeigneter Stelle beispielhaft einzelne Sachverhalte und Fragen vertiefen, die von den chinesischen Kollegen im Vorwege formuliert worden sind.

I.  Systematische Einordnung des Wohnungseigentums Mit dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) 1 hat der deutsche Gesetzgeber im Jahre 1951 Neuland betreten. Ziel war es, eine Lücke zu schließen, die nach damaligem Recht zwischen dem Alleineigentum an einem Grundstück einerseits und der Wohnraummiete andererseits bestand. Das BGB hält nämlich keine Regeln vor, die eine praktisch handhabbare Aufteilung der Wohnungen eines Mehrfamilienhauses in rechtlich selbstständige Einheiten erlaubt. Insbesondere sieht es, im Gegensatz zu dem vor 1900 geltenden Landesrecht, das zum Teil sog. Stockwerkseigentum kannte, keine Möglichkeit der horizontalen Teilung des Eigentums an Gebäuden vor. Vielmehr geht das BGB von der Vorstellung aus, dass wesentliche Bestandteile eines Grundstücks nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§§  93, 94 BGB). Dieser Grundsatz wird durch das Wohnungseigentumsgesetz „gelockert“. Es ermöglicht die Bildung von Wohnungseigentum als Verbindung von Miteigentum nach Bruchteilen an einem Grundstück (einschließlich der Teile, Anlagen und Einrichtungen eines Gebäudes, die zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmt sind), mit dem Sondereigentum (Alleineigentum) an einer Wohnung (§  1 Abs.  2, 5, §  3 Abs.  1, §  5 Abs.  1, 2 WEG). Daraus folgt für den Wohnungseigentümer einerseits das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums (§  13 Abs.  2 S.  1 WEG) und zur ausschließlichen, in sein Belieben gestellten Nutzung des Sondereigentums (§  13 Abs.  1 WEG), andererseits aber auch die Pflicht, sein Sondereigentum instandzuhalten (§  14 Nr.  1 WEG), das gemeinschaftliche Eigentum ordnungsgemäß  Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht v. 15.03.1951, BGBl.  I, 175, 209. 1

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zu behandeln (§  15 Abs.  1 WEG) und anteilig für die Kosten der Instandhaltung, der Instandsetzung, des gemeinschaftlichen Gebrauchs und der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums aufzukommen (§  16 Abs.  2 WEG). Dementsprechend enthält das Wohnungseigentumsgesetz neben Vorschriften über die Begründung von Wohnungseigentum (§§  2–9 WEG) insbesondere Regeln für die innere Ordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft (§§  10– 19 WEG) sowie für die Verwaltung des Wohnungseigentums (§§  20–29 WEG). Dieses Regelungsprogramm war bereits in der Gesetzesfassung von 1951 angelegt. Mit der Novellierung des Gesetzes im Jahre 2007 wurden unter anderem die Vorschriften über die Verwaltung umgestaltet. Den Wohnungseigentümern steht nun in stärkerem Umfang die Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen offen.

II.  Begründung des Wohnungseigentums Nähern wir uns nun schrittweise, ausgehend von den Voraussetzungen für die Begründung des Wohnungseigentums, einzelnen für die Rechtsanwendung interessanten Aspekten. Nehmen wir zunächst an, dass die Wohneinheiten eines Mehrfamilienhauses in Wohnungseigentum aufgeteilt und anschließend veräußert werden sollen. Dafür sieht das Wohnungseigentumsgesetz zwei Wege vor: Die vertragliche Einräumung von Sondereigentum an einem bereits im Miteigentum mehrerer Personen stehenden Grundstück (§  3 WEG) und die Teilung des Eigentums an einem Grundstück (§  8 WEG). Der zweite Weg, die Teilung durch den Eigentümer des Grundstücks, ist in der Rechtspraxis vorherrschend. Ziel ist es regelmäßig, das auf diese Weise entstehende Wohnungseigentum an Dritte zu veräußern. Die Teilung ist dabei unabhängig davon möglich, ob das in Wohnungseigentumseinheiten aufzuteilende Gebäude bereits errichtet ist oder nicht. Sie erfolgt in der Weise, dass der Grundstückseigentümer gegenüber dem Grundbuchamt eine beglaubigte Teilungserklärung abgibt (§  8 Abs.  1 WEG i. V. m. §  29 GBO) sowie einen baubehördlich bestätigten Aufteilungsplan (§  7 Abs.  4 Nr.  1 WEG) und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung (§  7 Abs.  4 Nr.  2 WEG) vorlegt. Mit der Teilung, die wirksam wird, wenn das Grundbuchamt entsprechende Wohnungsgrundbücher angelegt hat, stehen dem Grundstückseigentümer zunächst mehrere Miteigentumsanteile an dem Grundstück zu. Eine derartige Verselbständigung von Eigentumsbruchteilen in der Hand eines Alleineigen­ tümers wäre nach den Regeln des BGB grundsätzlich nicht möglich. Weiterhin besteht die Besonderheit, dass die jeweiligen Miteigentumsanteile und das zugehörige Sondereigentum miteinander verkoppelt sind, so dass beides nur gemeinsam veräußert werden kann (§  6 WEG). Ein isoliertes Sondereigentum, das damit auch Gegenstand besonderer Rechte wäre, ist ausgeschlossen. Das Son­

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dereigentum wird vielmehr überwiegend als rechtlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils angesehen.2 Werden die in Wohnungseigentum aufgeteilten Wohneinheiten eines Mehrfamilienhauses anschließend veräußert, bilden die Erwerber eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern, die sich freilich nicht wie im Recht der Bruchteilsgemeinschaft des BGB (§§  741 ff. BGB) in einem mehr oder weniger lockeren Nebeneinander von Rechteinhabern erschöpft. Das Wohnungseigentum ist der Sache nach vielmehr auf eine intensivere rechtliche Beziehung der Wohnungseigentümer untereinander angelegt. Diese bestimmt sich vorrangig nach den Regeln des Wohnungseigentumsgesetzes, die jedoch nicht abschließend sind. Ergänzend ist auf das Recht über die Bruchteilsgemeinschaft (§§  741 ff. BGB) zurückzugreifen. Im Übrigen sind die Wohnungseigentümer nicht nur nicht gehindert, sondern aus praktischen Gründen sogar gehalten, sich eine eigene „Verfassung“ zu geben, welche die gesetzlichen Vorgaben ergänzt oder auch von diesen abweicht, soweit WEG und BGB dies zulassen (§  10 Abs.  2 S.  1, 2 WEG). Diese „Verfassung“ wird auch als Gemeinschaftsordnung bezeichnet. Sie entfaltet originär nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den an der Vereinbarung beteiligten Wohnungseigentümern, hat jedoch dann dingliche Wirkung - auch gegenüber etwaigen Sonderrechtsnachfolgern –, wenn sie als Inhalt des Sonder­ eigentums im Grundbuch eingetragen wird (§  10 Abs.  3 WEG). Der Gemeinschaftsordnung kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu, da in ihr regelmäßig alle für die Eigentümergemeinschaft wesentlichen Regeln zusammengefasst sind. Diese reichen von der Beschreibung des Charakters der Wohnanlage bis hin zu Bestimmungen über die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, das Verhältnis zum Verwalter oder auch das Stimmrecht bei Beschlussfassungen in der Wohnungseigentümerversammlung. In der Gemeinschaftsordnung kann als Inhalt des Sondereigentums auch vereinbart werden, dass das Wohnungseigentum später nur mit Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer oder eines Dritten veräußert werden kann (§  12 Abs.  1 WEG). Eine derartige Regelung kommt einer Verfügungssperre gleich und hat damit eine wirtschaftlich einschneidende Wirkung. Die Zustimmung zur Veräußerung darf daher nur verweigert werden, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Erwerbers vorliegt (§  12 Abs.  2 S.  1 WEG).3 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum. Denn danach entscheidet sich beispielsweise, wer für die Instandsetzung von Bauteilen und damit für die dadurch entstehenden Kosten aufzukommen hat. Das WEG gibt die Grundregeln für die Abgrenzung vor (§§  1 Abs.  5, 5 Abs.  1 und 2 WEG), lässt es aber zu, dass die Wohnungseigen  Hanns Prütting, Sachenrecht, 35.  Aufl. 2013, Rn.  600.   BayObLG 22.10.1992 – 2Z BR 80/92, NJW-RR 1993, 280 (281); OLG Hamm 03.02.1992 – 15 W 63/91, NJW-RR 1992, 785 (786). 2 3

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tümer einzelne Bestandteile, die an sich dem Sondereigentum zuzuordnen sind, zu Gemeinschaftseigentum erklären können (§  5 Abs.  3 WEG). Sieht man davon einmal ab, gilt die Faustformel, dass die Gemeinschaft unentziehbares Eigentum am Grundstück und an solchen Gebäudeteilen hat, deren Zustand oder Gestaltung nicht nur für den einzelnen Wohnungseigentümer, sondern auch für andere Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft als solche von Bedeutung ist.4 Das ist beispielsweise bei tragenden Gebäudeteilen der Fall, wird aber auch für Außenfenster angenommen,5 und gilt auch für Gemeinschaftsflächen. Die Instandhaltungspflicht für solche Gebäudeteile trifft damit die Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei jeder Wohnungseigentümer im Zweifel, soweit nämlich in der Gemeinschaftsordnung nichts Anderes geregelt ist, nach seinem im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteil für die Kosten aufzukommen hat (§  16 Abs.  2 i. V. m. Abs.  1 S.  2 WEG). Die in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile hat der Wohnungseigentümer dagegen auf eigene Kosten instand zu halten. Dabei dürfen den anderen Wohnungseigentümern jedoch keine vermeidbaren Nachteile entstehen (§  14 Nr.  1 WEG). Die Nachteilszufügung ist auch der Maßstab, der an die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums anzulegen ist, also eine Maßnahme, die über die bloße Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht. Sie ist nur dann ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zulässig, soweit sie für diese unterhalb der Schwelle einer übermäßigen Nachteilszufügung bleibt (§  22 Abs.  1 i. V. m. §  14 Nr.  1 WEG). Wird beispielsweise in dem Treppenhaus einer Wohnanlage zwischen dem fünften und dem obersten (sechsten) Geschoss nachträglich eine Sicherheitstür eingebaut, um die Eigentümer der Wohnungen im sechsten Geschoss vor Einbrüchen zu schützen, handelt es sich um eine erhebliche und darum unzulässige bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, wenn dadurch den anderen Wohnungseigentümern, weil sie über keinen Schlüssel zu der Sicherheitstür verfügen, der an sich mögliche Zugang zum Dachbereich versperrt wird. Zulässig wäre die Baumaßnahme nur, wenn die nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer vorher zugestimmt hätten oder der Zugang zum Dachbereich auf andere Weise gewährleistet wäre, da dann den berechtigten Sicherheitsinteressen der Eigentümer im sechsten Geschoss der Vorrang einzuräumen wäre. Der Grundsatz, dass den anderen Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft keine Nachteile zugefügt werden dürfen, die über das durch das Zusammenleben bedingte notwendige Maß hinausgehen, gilt im Übrigen auch für die Nutzung des Gemeinschafts- und des Sondereigentums. Soll etwa in einer eigentlich zu Wohnzwecken dienenden Eigentumswohnung eine gewerbliche   Christian Armbrüster, Grundfälle zum Wohnungseigentumsrecht, JuS 2002, 245.   BayObLG 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, NJW-RR 2000, 603 (605); Manfred Rapp, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2005) §  5 WEG Rn.  26. 4 5

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oder freiberufliche Tätigkeit ausgeübt worden, hängt die Zulässigkeit dieses Vorhabens von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist, ob von der abweichenden Nutzung eine stärkere Beeinträchtigung ausgeht als von einer Wohnnutzung. 6 Das ist anzunehmen, wenn es zu starkem Publikumsverkehr kommt oder die berufliche Betätigung zu Beeinträchtigungen anderer Art wie starker Geräuschentwicklung, unangenehmen Gerüchen oder Erschütterungen des Gebäudes führt. Daher ist der Betrieb eines Fitnessstudios regelmäßig unzulässig, nicht jedoch die Ausübung einer Trainertätigkeit durch den Wohnungseigentümer, wenn das Training außerhalb der Wohnung stattfindet. Der Trainer darf dann am Gebäude auch auf seine Tätigkeit hinweisen, freilich nicht durch Plakatwerbung in den Fenstern seiner Wohnung, da insoweit das Gesamtbild der Anlage beeinträchtigt wird. Vielmehr kann er verlangen, durch ein übliches, nicht störendes Hinweisschild an der Außenseite des Gebäudes auf sich aufmerksam machen zu dürfen.7

III.  Verwaltung des Gemeinschaftseigentums Die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums und damit auch die Entscheidung über die im Rahmen der Verwaltung zu treffenden Maßnahmen steht den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu (§  21 Abs.  1 WEG). Die dazu erforderlichen Beschlüsse werden von den Eigentümern in einer Eigentümerversammlung getroffen (§  23 WEG). Daneben ist zwingend ein Verwalter zu bestellen (§  20 Abs.  2 WEG), der im Wesentlichen jedoch nur vorbereitendes und ausführendes Organ ist. In dringlichen Fällen verfügt er jedoch über ein Notgeschäftsführungsrecht, wenn eine Entschließung der Wohnungseigentümer nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann (§  27 Abs.  1 Nr.  3 WEG). Zur Unterstützung des Verwalters kann aus dem Kreis der Wohnungseigentümer ein Verwaltungsbeirat gebildet werden (§  29 WEG). Ein wichtiges Instrument der Verwaltung ist der für jedes Kalenderjahr aufzustellende Wirtschaftsplan. Aus ihm ergibt sich unter anderem die Höhe der von den Eigentümern zu leistenden Vorschüsse, das sog. Wohngeld (§  28 Abs.  2 WEG), über deren Verwendung der Verwalter den Eigentümern rechenschaftspflichtig ist (§  28 Abs.  3, 4 WEG). Bezogen auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hat der Gesetzgeber die Wohnungseigentümergemeinschaft im Verhältnis zu Dritten mit Teilrechtsfähigkeit versehen (§  10 Abs.  6 S.  1 WEG) und ihr zugleich Parteifähigkeit zuerkannt (§  10 Abs.  6 S.  5 WEG). Die „verfasste“ Wohnungseigentümergemeinschaft tritt insoweit neben die dingliche Miteigentümergemeinschaft

  KG 08.06.1994 – 24 W 5760/93, NJW-RR 1995, 333 (334) (Architekturbüro).   KG 08.06.1994 – 24 W 5760/93, NJW-RR 1995, 333 (334) (Architekturbüro).

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Jan Busche

(„Trennungstheorie“). 8 Ausdrücklich sieht das WEG dies erst seit der Novelle 2007 vor. Der Gesetzgeber hat im Wesentlichen die Grundsätze kodifiziert, die der BGH bereits im Jahre 2005 in einer viel beachteten Entscheidung entwickelt hat.9 Teilrechtsfähigkeit bedeutet in diesem Kontext, dass die Gemeinschaft, soweit es um die Verwaltung des gemeinsamen Eigentums geht, selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Sie kann dementsprechend auch vor Gericht klagen und verklagt werden. Einem Gläubiger, der beispielsweise von der Gemeinschaft mit der Ausführung von Gartenarbeiten beauftragt worden ist, steht damit als Haftungsmasse das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung. Daneben haftet zwar auch der einzelne Wohnungseigentümer, aber nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§  10 Abs.  8 S.  1 Hs. 1 WEG). Die Wohnungseigentümergemeinschaft und die einzelnen Wohnungseigentümer sind also keine Gesamtschuldner. Voraussetzung für die Haftung des Wohnungseigentümers ist, dass die Verbindlichkeit zum Zeitpunkt seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstanden oder fällig geworden ist (§  10 Abs.  8 S.  1 Hs. 1 WEG). Missachtet ein Wohnungseigentümer die ihm aus dem Wohnungseigentum erwachsenen Pflichten, können gegen ihn wegen des pflichtwidrigen Verhaltens Abwehr- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Das wäre etwa der Fall, wenn der optische Gesamteindruck der Wohnanlage durch eine vom Eigentümer vorgenommene abweichende Farbgebung von Teilen der Fassade erheblich beeinträchtigt wird.10 Bei den in einem solchen Fall in Betracht kommenden Ansprüchen (§  15 Abs.  3 WEG i. V. m. §§  823, 1004 BGB) handelt es sich dem Grunde nach nicht um solche der teilrechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern um individuelle Ansprüche, die aus dem Miteigentum der einzelnen Wohnungseigentümer fließen. Die Wohnungseigentümerversammlung kann jedoch die Durchsetzung der Ansprüche durch einen entsprechenden Beschluss zu einer Angelegenheit der allgemeinen Verwaltung erklären (§  10 Abs.  6 S.  3 WEG). Dies hat dann zur Folge, dass der Anspruch ausschließlich von der teilrechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden kann.11 Ob und inwieweit den Miteigentümern weiter gehende Ansprüche zustehen, etwa auf bereicherungsrechtliche Abschöpfung der aus pflichtwidrigem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums gezogenen Vorteile, erscheint zweifelhaft. In dem bereits angesprochenen Fall, dass an den Fenstern einer Wohnung durch Plakate auf eine gewerbliche Betäti8  Dazu Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  1008 Rn.  37. 9   BGH 02.06.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 (158 ff.); siehe zur Gesellschaft bürger­ lichen Rechts (Außen-GbR) bereits BGH 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 (434 f.). 10  Zu einer derartigen Fallgestaltung OLG Hamburg 17.01.2005 – 2 Wx 103/04, ZMR 2005, 394. 11   BGH 12.04.2007 – VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn.  22 ff.; BGH 15.01.2010 – V ZR 80/09, NJW 2010, 933 Rn.  7, 9.

Das Konzept des Wohnungseigentums

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gung als Fitnesstrainer hingewiesen wird, dürfte es an dem erforderlichen Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines den anderen Miteigentümern zugewiesenen Rechts fehlen, da auch ihnen eine entsprechende Werbung nicht gestattet wäre. Kommt es, wie in dem behandelten Treppenhausfall, zu Schäden am Gemeinschaftseigentum, etwa im Zusammenhang mit der beschriebenen Hinzufügung von Einbauten, wäre ein dadurch ausgelöster Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution gerichtet (§  249 Abs.  1 BGB), also auf Wiederherstellung des früheren Zustandes. Allerdings kann der Ersatzanspruch nach allgemeinen Regeln (§§  249 Abs.  2, 251 BGB) unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Schadensersatz in Geld gerichtet sein. Aus dem Gedanken der Dispositionsfreiheit des Geschädigten folgt insoweit freilich, dass der Geldbetrag nicht notwendig zur Behebung des eingetretenen Schadens verwendet werden müsste.

IV. Schluss Damit möchte ich an dieser Stelle schließen. Ich hoffe, dass ich mit meinen – selbstverständlich nicht erschöpfenden – Ausführungen zumindest einen kleinen Einblick in das Konzept des deutschen Wohnungseigentums geben konnte und zugleich diejenigen Fragen angesprochen habe, die für die chinesischen Kollegen von besonderem Interesse sind.

Einige Fragen in Bezug auf das Wohnungseigentum* an Gebäuden in China Weifei SUN (孙维飞)

I. Einleitung Gemäß §  70 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes (chin. SRG), das das chinesische Wohnungseigentum regelt, haben Wohnungseigentümer an Wohnräumen, an den zu gewerblichen Zwecken dienenden Räumen sowie an sonstigen im Sondereigentum stehenden Teilen eines Gebäudes Sondereigentum. Darüber hinaus hat jeder Wohnungseigentümer einen Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum und ist zu seinem Mitgebrauch berechtigt. In einigen Publikationen wird die Trichotomie (Dreiteilung), nach welcher sich das Wohnungseigentum aus dem Sondereigentum, dem gemeinschaftlichen Eigentum und der Mitgliedschaft (dem Mitverwaltungsrecht) zusammensetzt, vom Monismus und der Dichotomie (Zweiteilung) unterschieden. Während das Wohnungseigentum laut dem monistischen Ansatz entweder ausschließlich aus Sondereigentum oder gemeinschaftlichem Eigentum besteht, setzt es sich gemäß dem Verständnis, das eine Zweiteilung zugrunde legt, aus dem Sondereigentum und dem gemeinschaftlichen Eigentum zusammen.1 Zum Verständnis des chinesischen Wohnungseigentums werden das Sondereigentum, das gemeinschaftliche Eigentum und die Mitgliedschaft in Verbindung mit der chinesischen Praxis hier weitergehend erörtert. Der Zweck dieses Aufsatzes liegt nicht in der völligen Erläuterung der Zusammensetzung des Wohnungseigentums, vielmehr soll er dessen Beschaffenheit anhand von Beispielen aufzeigen. Im Folgenden werden einige Fälle aus der Rechtspraxis, die in China als Leitfaden dienen, aufgeführt, um die zugrunde liegende Problematik anhand einiger Aspekte zu beleuchten.

*   In diesem Aufsatz wird auch das Teileigentum vom Wohnungseigentum erfasst, da im chinesischen Sachenrechtsgesetz nicht zwischen Wohnungseigentum und Teileigentum differenziert wird. 1  Vgl. Chen HUABIN, Die Zusammensetzungen des Wohnungseigentums an GebäudenDiskussion zu §  70 des Sachenrechtsgesetz (陈华彬:《论建筑物区分所有权的构成—兼议第70条的规定》 载《清华法学), 2.  Aufl. 2008, 2.

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Weifei SUN

II.  Rechtsstreitigkeiten über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und deren Lösung 1.  Rechtsstreit wegen des Anbringens von Markisen oder Fensterschutzgittern an der Außenwand In China gehören die Außenwände eines Gebäudes nach geltendem Recht zum gemeinschaftlichen Eigentum (§  3 Nr.  1 der Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der konkreten Rechtsanwendung bei der Behandlung von Streitfällen über Teileigentum an Gebäuden 2). Der Zugriff eines Eigentümers auf die Außenwand, um eine Regenschutzmarkise oder ein Fensterschutzgitter anzubringen, wird offensichtlich als Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums verstanden. In solchen Fällen ergibt sich üblicherweise folgende Situation: Der Kläger wohnt in demselben Gebäude über dem Beklagten. Die Wohnung und die Fenster des Klägers befinden sich senkrecht genau über denen des Beklagten, der eine Markise oder ein Fensterschutzgitter an die Außenwand angebracht hat. Der Kläger, der darin eine Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit sowie seines Vermögens sieht, fordert den Abriss solcher Anbauten mit der Begründung, dass sich Dritte mit Hilfe solcher Gegenstände Zugang zu der Wohnung des Klägers verschaffen können und daher ein Diebstahl nicht ausgeschlossen ist. In einigen Fällen folgte das Gericht der Auffassung des Klägers3 , in anderen lehnte es die Beschwerde ab.4 Obgleich die Ergebnisse unterschiedlich waren, konzentrierten sich alle gerichtlichen Betrachtungen auf das Nachbarrecht. Das Sondereigentum des Klägers oder des Beklagten stand daher im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Dem Beklagten gebührt angesichts seines Sondereigentums (als Wohnungseigentümer) ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dies ist auf die in 2009 erlassenen Interpretationen zum Wohnungseigentum an Gebäuden zurückzuführen, wo in §  4 S.  1 geregelt ist: „Aufgrund der angemessenen Erfordernisse für die spezifische Funktionalität der Wohn- oder gewerblichen Räume und sonstiger im Sondereigentum stehenden Teile des Gebäudes kann der Wohnungseigentümer über das Dach und die Außenwände, die den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile entsprechen, unentgeltlich verfügen.“

  Im Folgenden abgekürzt als Interpretationen zum Wohnungseigentum an Gebäuden.  Vgl. die Entscheidungen Min Min Yi (Min) Chu (2012) Nr.  14174 (闵民一(民)初字第 [2012] 14174号); Feng Min Yi Min Yi (Min) Chu (2012) Nr.  2360 (奉民一(民)初字第 [2012] 2360号); http://www.pkulaw.cn (zuletzt 09.09.2014). 4   Vgl. die Rechtsprechung Chang Min San (Min) Chu (2012) Nr.  1292 (长民三(民)初字第 [2012] 1292号); http://www.pkulaw.cn (zuletzt 09.09.2014). 2 3

Einige Fragen in Bezug auf das Wohnungseigentum an Gebäuden in China

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Auf der anderen Seite sollte die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt werden, wenn das Sondereigentum des Klägers aufgrund der Nutzung durch den Beklagten verletzt wird oder eine solche Verletzungsmöglichkeit vorliegt. Dieser Standpunkt findet in §  4 S.  2 derselben Interpretationen zum Wohnungseigentum an Gebäuden deutlich Ausdruck: „Das gilt nicht, wenn die Nutzung Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsvereinbarungen oder Rechten des Anderen entgegensteht.“

Letztlich hat die Bestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Miteigentums(-anteils) des Klägers und des Beklagten bei der Lösung des oben erwähnten Falls keine tragende Bedeutung, da der Rechtsstreit über die Errichtung der Markise oder des Fensterschutzgitters an der Außenwand mittels des Sondereigentums des Kläger und des Beklagten gelöst werden kann. Ungeachtet dessen, ob die Außenwand, an der die Markise oder das Fensterschutzgitter errichtet wurde, zum gemeinschaftlichen Eigentum oder zu den in dem Sondereigentum des Beklagten stehenden Gebäudeteilen gehört, wird das Gericht der Klage auf den Abriss der Markise oder des Fensterschutzgitters aufgrund des Sondereigentums des Klägers (nicht aufgrund des Miteigentumsanteils) stattgeben, wenn die Errichtung die angemessene Duldungsgrenze überschreitet und der oben wohnende Nachbar (Kläger) sich dadurch einer Einbruchsgefahr ausgesetzt sieht. Grob gesagt wird die Analyse des Miteigentums bei der Lösung der durch die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums ausgelösten Rechtsstreite aufgrund der Konzentration auf das Sondereigentum des Klägers und mit Hilfe des Nachbarrechts bedeutungslos. 2.  Rechtsstreit wegen der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für gewerbliche Zwecke Die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für gewerbliche Zwecke ist kein Verfügungsgeschäft auf das gemeinschaftliche Eigentum, sondern ein Verwaltungsverhalten darauf. Gemäß §  7 Interpretationen zum Wohnungseigentum an Gebäuden gehört die hier erwähnte Nutzung zu den in §  76 Abs.  1 Nr.  7 chin. SRG formulierten „anderen wichtigen Angelegenheiten“, welche das Miteigentum (bzw. die Anteile daran) und die gemeinschaftliche Verwaltung betreffen. Eine derartige Nutzung bedarf deshalb des Beschlusses durch Stimmenmehrheit aller Wohnungseigentümer. Die unbefugte Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für gewerbliche Tätigkeiten verletzt daher das Miteigentum und das Mitverwaltungsrecht anderer Wohnungseigentümer (§  70 chin. SRG), weil der Benutzer die Entscheidung über die Nutzung alleine trifft, obwohl sie von allen Wohnungseigentümern durch Beschlüsse zu treffen ist. §  14 der Interpretationen zum Wohnungseigentum an Gebäuden sieht insofern ei-

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nen Anspruch der Berechtigten auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, Beseitigung der Gefährdungen, Bestätigung der Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts bzw. Schadensersatz vor. Insofern ist zu untersuchen, wer in diesem Zusammenhang Berechtigter ist: Die Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer (der Wohnungseigentümerausschuss5 in Vertretung der Gemeinschaft) oder die Einzel-/Miteigentümer? In der Entscheidungspraxis der chinesischen Gerichte treten beide als Berechtigte in Erscheinung. Der Wohnungseigentümerausschuss kann zum Beispiel ohne Weiteres den Abriss von Einrichtungen, z.  B. eines gewerblich betriebenen Cafés, fordern, das von einem Eigentümer im Erdgeschoss im Freiraum unter der Treppe errichtet wurde. Gleichzeitig wurden auch einzelnen Eigentümern Ansprüche dieser Art von der Rechtsprechung gewährt. 6 In anderen Fällen, beispielsweise bei Lärmbelästigungen, verletzt die gewerbliche Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer. Gegebenenfalls ist das Vorliegen der Verletzung des Sondereigentums anderer Wohnungseigentümer schwer zu erkennen. Ein Beispiel hierfür ist der Gebrauch von Freiraum unter der Treppe im Erdgeschoss, der den Durchgang anderer Wohnungseigentümer nicht behindert. Während sich das Nachbarrecht in dem letzteren Fall als kaum anwendbar erweist, greifen das Miteigentums- und das Mitverwaltungsrecht ein. Falls nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei der Verletzung des Miteigentums Klage erheben kann, ist das Verhältnis der Miteigentümer enger und die Gemeinschaft stärker. Stehen dem Einzel-/Miteigentümer diese Ansprüche auch zu, ist diese Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schwächer.

III.  Formen der Verwaltungskostenverteilung und Intensität der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Trifft die Wohnungseigentümerversammlung die Entscheidung, einem Unternehmen die Hausverwaltung zu übertragen (Bestellung des Verwalters), muss der Wohnungseigentümerausschuss zur Umsetzung des Beschlusses mit einem derartigen Unternehmen einen Vertrag abschließen. Entsprechend der Größe des Sondereigentums zahlt jeder Wohnungseigentümer dem Unternehmen einen fixen Beitrag, der „Hausverwaltungsdienstkosten“ oder „Verwaltungskosten“ genannt wird. Dementsprechend leistet das Unternehmen die vereinbarten Hausverwaltungsdienste. Zahlt ein Wohnungseigentümer die Verwaltungskosten nicht, kann das Unternehmen die Bezahlung nur von diesem Wohnungsei  Der Wohnungseigentümerausschuss ist kein Verwaltungsbeirat im Sinne des §  29 WEG.   Vgl. die Rechtsprechung Yuan Min Yi (Min) Chu (2010) Nr.  746 (沅民一初字第 [2010] 746 号); www.pkulaw.cn (zuletzt 09.09.2014). 5 6

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gentümer, nicht aber vom Wohnungseigentümerausschuss verlangen. Das bedeutet, dass der Wohnungseigentümerausschuss den Vertrag mit dem Unternehmen nicht in Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern in Vertretung aller Wohnungseigentümer einzeln abschließt. Die Richter werden damit den Anspruch des Unternehmens gegen den Ausschuss ablehnen und den Kläger (das Unternehmen) über den richtigen Beklagten (also die einzelnen Eigentümer) unterrichten, falls er den Ausschuss auf Zahlung der Verwaltungskosten des einzelnen Eigentümers verklagt hat (§  8 Abs.  2 der gerichtlichen Interpretationen zu Fragen der Anwendbarkeit der Gesetze beim Rechtsfall über die Hausverwaltungsdienste). Die Zahlungspflicht, die aufgrund der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zustande kommt, besteht nur zwischen dem einzelnen Wohnungseigentümer und dem Unternehmen. Das Unternehmen kann deshalb die Klage auf Zahlung der Verwaltungskosten nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (als Wohnungseigentümerausschluss) erheben. Der Wohnungseigentümerausschuss hat gleichfalls keinen Anspruch auf die Verteilung der Hausverwaltungsdienstkosten gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer. Weiter geht die sog. Bezahlungs- oder Verteilungspflicht nicht auf den Erwerber (neuen Wohnungseigentümer) über, wenn ihm ein einzelner (bisheriger) Eigentümer das Wohnungseigentum übereignet.7 Bei der Bezahlung der Verwaltungskosten schließt diese Regelung deshalb die Möglichkeit der Anwendung des Rechts über die Gemeinschaft aus. 8 §  102 S.  1 chin. SRG regelt auch: „bei aus gemeinsamen unbeweglichen oder beweglichen Sachen entstandenen Forderungen und Schulden sind die Miteigentümer im Außenverhältnis Gesamtgläubiger der Forderungen und Gesamtschuldner der Schulden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, oder der Dritte weiß, dass die Miteigentümer Gesamtgläubiger bzw. Gesamtschuldner sind“. Das Fehlen der Gesamtschuld im Hinblick auf die Bezahlung der Kosten schließt folgerichtig grundsätzlich die Anwendbarkeit des Rechts des Miteigentums aus.

7   Der Zeitpunkt der Übereignung des Wohnungseigentums spielt daher in Bezug auf die Bezahlung der Verwaltungskosten eine entscheidende Rolle; vgl. die Entscheidung Wu Zhong Min Si Zhong (2011) Nr.  268 (乌中民四终字第 [2011] 268号). Obwohl der sog. Erwerber das Wohnungseigentum noch nicht erwirbt, soll er die Verwaltungskosten tragen, soweit er wirklich in die Wohnung eingezogen ist; vgl. die Entscheidung Er Zhong Min Zhong (2010) Nr.  1586 (二中民中字第 [2011] 1568号); www.pkulaw.cn (zuletzt 09.09.2014). 8   Bei der Bezahlung der Verwaltungskosten ist es nicht möglich, dass die Zahlungspflicht wegen der Übereignung des Sondereigentums oder des gemeinschaftlichen Eigentums auf den neuen Wohnungseigentümer übergeht. Dies ist Folge der Schwäche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. In der deutschen und französischen Praxis wird zumindest die Möglichkeit anerkannt, dass die bei der Übereignung noch nicht fällige Schuld für die Bezahlung der Verwaltungskosten auf den neuen Erwerber übergehen kann. Vgl. Johannes Bärmann/ Eckhart Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 19.  Aufl. 2010, §  10 Rn.  47; François Terré & Philippe Simler, Droit civil. Les biens, 8.  Aufl. 2010, Rn.  734.

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IV. Fazit Der Gesetzgebung und den Erläuterungen der chinesischen Gerichte ist an mehreren Stellen als Besonderheit zu entnehmen, dass der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur eine schwache Stellung zukommt.9 Mit der Beschreibung der Praxis in China versucht der Autor, die Schwäche der Gemeinschaft weitergehend zu erläutern: 1. Im Rahmen des chinesischen Wohnungseigentums nimmt das Sondereigentum die vorherrschende Stellung ein, da die Rechtsstreitigkeiten über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums hauptsächlich durch das Nachbarrecht gelöst werden. 2. Die Möglichkeit, dass bei den Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für gewerbliche Tätigkeiten ein einzelner Wohnungseigentümer auch als Kläger vor Gericht ziehen kann, spiegelt die Schwäche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und die Möglichkeit der Anwendung der Regeln über das Miteigentum im Rahmen des chinesischen Wohnungseigentums wider. 3. Dass schließlich das Schuldverhältnis in Bezug auf die Bezahlung der Verwaltungskosten nur zwischen dem Verwalter und dem einzelnen Wohnungseigentümer besteht und die Zahlungspflicht bei der Übereignung des Wohnungseigentums nicht auf den neuen Wohnungseigentümer übergeht, zeigt erneut die Schwäche der Gemeinschaftlichkeit der Wohnungseigentümer auf.

9   §  75 chin. SRG als Beispiel: Die Wohnungseigentümer können eine Wohnungseigentümerversammlung bilden und einen Wohnungseigentümerausschuss wählen. Nach dem Wortlaut „können“ ist es eine dispositive Bestimmung, nach der die gemeinschaftlichen Angelegenheiten durch die Organe besorgt werden sollen. In der Praxis ist es mitunter der Fall, dass die Wohnungseigentümer nach dem Einzug viele Jahre lang weder den Wohnungseigentümer­ ausschuss gewählt noch die Wohnungseigentümerversammlung gebildet haben.

Die Vormerkung – ein Instrument zur Sicherung des Erwerbs von Immobilien und beschränkt dinglichen Rechten an Grundstücken Claudia Schubert

I. Einleitung Der schuldrechtliche Vertrag, in dem sich der Schuldner zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder zur Bestellung einer Hypothek verpflichtet, führt im deutschen Recht wegen der Trennung zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft nicht zum Erwerb des dinglichen Rechts. Zudem bedarf der Erwerb eines dinglichen Rechts an einem Grundstück der Eintragung im Grundbuch, die ggf. auch noch von behördlichen Genehmigungen abhängt. Bis zur Änderung des Grundbuchs durch das Grundbuchamt und dem damit einhergehenden Rechtserwerb läuft der Gläubiger Gefahr, dass der Schuldner die Rechtsmacht verliert, den schuldrechtlichen Vertrag zu erfüllen. Er kann z.  B. das Grundstück ein weiteres Mal verkaufen. Erfolgt die Erfüllung des zweiten Kaufvertrages zuerst, verliert der Schuldner das Eigentum an den zweiten Erwerber und kann gegenüber dem ersten nicht mehr erfüllen. Dasselbe gilt, wenn die Bestellung einer erstrangigen Grundschuld zugunsten des Gläubigers versprochen und vor Erfüllung des Vertrages zugunsten eines anderen Gläubigers eine erstrangige Grundschuld bestellt wird. Angesichts der Prinzipienstrenge des Sachenrechts und der mit solchen Verträgen verbundenen wirtschaftlichen Interessen bedurfte es eines Schutzes des Erwerbers. Das BGB hält dafür das Instrument der Vormerkung bereit.1 Es handelt sich um eine vorläufige Sicherung des Erwerbs bei Grundstücksrechten. Sie entsteht nicht automatisch, sondern muss vom Veräußerer bewilligt oder vom Gericht angeordnet werden und bedarf der Eintragung ins Grundbuch (§  885 BGB). Die Vormerkung schützt den Erwerber vor Verfügungen des Veräußerers, die – wie in den oben genannten Beispielen – die Erfüllung des schuld­ rechtlichen Anspruchs vereiteln. Auf diese Weise entfaltet die erst noch zu erwerbende dingliche Rechtsstellung Vorwirkung. Auch das chinesische Sachenrechtsgesetz kennt die Vormerkung (§  20 chinesisches Sachenrechtsgesetzbuch) sowohl zur Sicherung des Eigentumserwerbs als auch des Erwerbs anderer   Zur Rechtshistorie: Paul Michael Günther, Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. Bielefeld (2000). 1

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dinglicher Rechte. Ebenso wie im deutschen Recht scheint der Schutz des Eigentumserwerbs praktisch am wichtigsten. Die Vorwirkung des Erwerbs eines Grundstücksrechts durch die Vormerkung reicht zeitlich sehr weit. Auch bedingte und zukünftige Ansprüche können gesichert werden, solange der Anspruch so weit entstanden ist, dass der Schuldner ihn nicht einseitig beseitigen kann.2

II.  Rechtsnatur der Vormerkung Die dogmatische Einordnung der Vormerkung hat die wissenschaftliche Diskussion über viele Jahre beschäftigt.3 Die Vormerkung ist kein dingliches Recht4 , obwohl sie im Grundbuch eingetragen wird und die Rechtsfolgen des dinglichen Erwerbs vorwegnimmt. Ihr liegt kein dinglicher Primäranspruch zugrunde. Zudem stimmen die Rechtsfolgen nicht mit denen des Erwerbs eines dinglichen Rechts überein. Der Veräußerer behält die Verfügungsmacht über das Grundstücksrecht. Es gibt kein Verfügungsverbot, das zur absoluten Unwirksamkeit der Verfügung führt oder eine Grundbuchsperre auslöst, die eine Eintragung anderer Erwerber hindert. Die Vormerkung bewirkt nur, dass die Verfügung, die dem gesicherten schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb eines dinglichen Rechts zuwider läuft, gegenüber dem Vormerkungsberechtigten – also dem Gläubiger – relativ unwirksam ist (§  883 Abs.  2 BGB). Die Vormerkung hat somit keine absolute Wirkung wie ein dingliches Recht.5 Vielmehr 2   BGH 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 (117 f.); BGH 31.10.1980 – V ZR 95/79, NJW 1981, 446 (446f.); BGH 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 (184 f.); Reinhard Hepting, Der Gutglaubensschutz bei Vormerkungen für künftige Ansprüche, NJW 1987, 865 (866 f.); Hans-Werner Eckert, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, 3.  Aufl. 2012, §  883 Rn.  25; Jürgen Kohler, Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  883 Rn.  28. 3  Ausführlich zur Einordnung Claus-Wilhelm Canaris, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, in: FS Werner Flume I (1978) 371 (381 ff.). Als schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung J. Brachvogel, Vormerkung und Grundbuchunrichtigkeit, JherJb 81 (1931) 20 (21 ff.); als ius ad rem Heinrich Dernburg, Das Sachenrecht des Deutschen Reichs und Preußens (1908) 178; Franz Wieacker, Bodenrecht (1938) 158; als negatives Herrschaftsrecht Bendix, Die Vormerkung des neuen Rechts: Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts 49 (1905) 286 (291 f.). 4   Z. B. RG 26.06.1936 – VII 16/36, RGZ 151, 389 (392); vgl. auch BGH 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16 (23). So aber Eugen Fuchs, Probleme des Sachenrechts, Sache, Sachenrecht, dingliches Recht, Vormerkung, Miete, Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts 46 (1902) 549 (561); Ludwig Kempf, Zur Rechtsnatur der Vormerkung, JuS 1961, 22 (24); Hans Josef Wieling, Sachenrecht (2007) §  22 I 2; Sven Erik Wunner, Gutglaubensschutz und Rechtsnatur der Vormerkung, NJW 1969, 113 (114). Mit anderem Ansatz (absolutes Forderungsrecht) Dorothea Assmann, Die Vormerkung (1998) 318 ff., 326. 5   Harm Peter Westermann/Karl-Heinz Gursky/Dieter Eickmann, Sachenrecht, 8.  Aufl. 2011, Rn.  4, 24 f.; Christian Kesseler, Segen und Fluch der „Wiederverwendbarkeit“ einer Vormerkung, NJW 2010, 3341 (3342).

Die Vormerkung – ein Instrument zur Sicherung des Erwerbs

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handelt es sich um die dingliche Panzerung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Erwerb eines Rechts an einer Immobilie. Diese „dosierte“ Rechtsfolge verkompliziert zwar die dogmatische Einordnung, verhindert aber, dass der Eigentümer in stärkerem Maße an Verfügungen gehindert wird als notwendig. Der Zweck der Vormerkung und ihre Rechtswirkungen zeigen, dass sie mehr ist als ein schuldrechtlicher Anspruch, aber weniger als ein dingliches Recht. Es handelt sich somit um einen Hybrid aus Schuldrecht und Sachenrecht. Die Vormerkung ist sozusagen das Schnabeltier des Bürgerlichen Rechts. Ebenso wie das australische Schnabeltier, das Eier legt wie ein Vogel und seine Jungen säugt wie ein Säugetier, hat die Vormerkung einen schuldrechtlichen Kern – den zu sichernden Anspruch – und Rechtsfolgen, die dem erst noch zu erwerbenden Grundstücksrecht ähnlich sind. Angesichts der dogmatischen Einordnungsschwierigkeiten geht die Rechtsprechung ebenso wie die Rechtswissenschaft heute überwiegend davon aus, dass es sich um ein Rechtsinstitut eigener Art handelt. 6 Insoweit ist die Zoologie – was das Schnabeltier angeht – eindeutiger. Es ist und bleibt ein Säugetier. Eier allein machen dann doch keinen Vogel. Im chinesischen Sachenrecht ist die Vormerkung hingegen als dingliches Recht mit absoluter Wirkung ausgestaltet, so dass eine widersprechende Verfügung zur absoluten Unwirksamkeit der vormerkungswidrigen Verfügung führt. §  20 Abs.  1 S.  2 chinesisches Sachenrechtsgesetzbuch (chin. SRG) spricht davon, dass die Verfügung, die der Vormerkung zuwider läuft, keine sachenrechtliche Wirkung habe. Diese Gesetzesfassung wird in der chinesischen Literatur kritisiert, weil es für das chinesische Sachenrecht streitig ist, ob das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip gelten.7 Die Formulierung des Gesetzes scheint eigentlich auf die Anwendung beider Prinzipien zugeschnitten. Sollte die Auslegung des chinesischen Sachenrechts jedoch dazu führen, dass diese Prinzipien nicht gelten, so fügt sich die Regelung nicht mehr stimmig in das Gesetzbuch ein. Man wird sogar sagen müssen, dass die Vormerkung dann keine sinnvolle Funktion mehr hat. Neben der Unwirksamkeit der vormerkungswidrigen Verfügung ordnet §  68 der Maßnahme zur Registrierung der Wohnung8 eine Grundbuchsperre in der   RG 26.06.1936 – VII 16/36, RGZ 151, 389 (392); BGH 21.06.1957– V ZB 6/57, BGHZ 25, 16 (23); BGH 10.12.1971 – V ZR 90/69, BGHZ 57, 341 (342 f.); BGH 15.12.1972 – V ZR 76/71, BGHZ 60, 46 (49); Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  883 Rn.  1; Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  20 Rn.  61; Robert Knöpfle, Die Vormerkung, JuS 1981, 157 (158 f.); MüKo BGB/Kohler (Fn.  2) §  883 Rn.  5 ; Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2013) §  883 Rn.  328. 7  Siehe den Beitrag von Shuanggen ZHANG im vorliegenden Band, S.  125. Siehe auch Yuanshi BU, Verfügung und Verpflichtung im chinesischen Zivil- und Immaterialgüterrecht, JZ 2010, 26 (29 f., 32), die das Trennungs- und Abstraktionsprinzips als im chinesischen Recht angelegt sieht, aber darauf verweist, dass es in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis noch nicht ausgeformt ist. 8   Verordnung des Bauministeriums Nr.  168 vom 01.07.2008. 6

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Form an, dass ein Antrag auf Eintragung im Grundbuch nach der Eintragung der Vormerkung vom Registeramt abzulehnen ist, wenn der Vormerkungsberechtigte der Verfügung nicht zugestimmt hat. Dieser intensive Schutz des Vormerkungsberechtigten beruht wohl darauf, dass der chinesische Gesetzgeber den Erwerb von Wohnungseigentum in besonderer Weise schützen wollte. Es sollte sichergestellt werden, dass eine Wohnung erworben werden kann. Das galt nicht nur für bereits errichtete Häuser bzw. Wohnungen, sondern auch für den Verkauf von Wohnungen vor Errichtung des Gebäudes, was praktisch häufig auftritt. Im letzteren Fall besteht das besondere Problem, dass es vor der Errichtung des Gebäudes noch kein Grundbuch für das Gebäude bzw. kein Wohnungsgrundbuch für die Wohnung gibt. Daher wurde die Vormerkung über den Erwerb einer noch nicht errichteten Wohnung bisher in ein vorläufiges Wohnungsgrundbuch eingetragen, für das es aber keine gesetzliche Grundlage gibt. Nach der Fertigstellung des Gebäudes bedarf es noch der Eintragung im Wohnungsgrundbuch, sobald es errichtet ist. Um sicherzustellen, dass die Eintragung des Eigentums im Grundbuch alsbald vollzogen wird, befristet §  20 Abs.  2 chin. SRG die Vormerkung. Danach erlischt die Vormerkung, wenn der Gläubiger nicht innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem er das dingliche Recht im Grundbuch eintragen lassen kann, diese vornehmen lässt. Die Regelung nimmt somit auf die Errichtung des Wohnungsgrundbuchs Bezug, die erst mit der Fertigstellung des Gebäudes möglich ist. Das spricht dafür, dass die Frist nach §  20 Abs.  2 chin. SRG ab der Errichtung des Wohnungsgrundbuchs zu laufen beginnt. Für alle anderen dinglichen Rechte, deren Eintragung nicht von der Schaffung eines neuen Grundbuchs abhängt, muss die Frist im Grunde sofort zu laufen beginnen, so dass die Wirkung der Vormerkung drei Monate nach Abschluss des Vertrages über das Recht endet. Die Frist könnte zwar auch an die Eintragung der Vormerkung anknüpfen9, die Regelung stellt jedoch darauf ab, ob die Eintragung ins Grundbuch möglich ist. Daher kann es auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung nicht ankommen. Die damit verbundene Beschränkung der Vormerkung hatte der Gesetzgeber nicht vor Augen, so dass sich die Frage stellt, ob die Regelung teleologisch zu reduzieren ist. Zugleich findet sich in der Literatur die Darstellung, dass nach der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs der VR China der Erstkäufer ein Anfechtungsrecht habe, und es somit der Ausübung eines Gestaltungsrechts zu bedürfen scheint, damit die Unwirksamkeit als Rechtsfolge eintritt.10 Diese Er9  So Qiang DING/Wolfgang Jäckle, Das neue chinesische Sachenrecht, RIW 2007, 807 (812); Heinrich Julius/Gebhard Rehm, Das chinesische Sachenrecht tritt in Kraft: Revolution oder Viel Lärm um Nichts?, ZvglRWiss 106 (2007) 367 (379). 10   Siehe Erläuterungen des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China zu einigen Fragen der Rechtsanwendung bei der Behandlung von Streitfällen über Kaufverträge bei gehandelten Häusern, ZChinR 2011, 131, wonach der Käufer gem. §  8 im Falle der Nichterfül-

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läuterungen des Obersten Volksgerichtshofs betreffen allerdings das Vertragsgesetzbuch und haben auf schuldrechtlichem Wege versucht, das Problem des Doppelverkaufs einer Wohnung zu lösen. Sie scheinen dem Käufer nur ein Recht auf Vertragsaufhebung hinsichtlich seines eigenen Vertrages und einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und Schadensersatzanspruch zu geben. Insofern ergibt sich keine Rechtsfolge, die einen Schutz des Erwerbers durch die Vormerkung entbehrlich macht. Erst diese macht die Verfügung des Verkäufers infolge eines Doppelverkaufs unwirksam. Welche Rechte der Zweit­ erwerber gegen den Verkäufer hat, ergibt sich daraus nicht. Auch an diesem Punkt wird deutlich, dass die fehlende Klarheit darüber, ob das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip Anwendung finden, stringente Lösungen verhindert und damit zu widersprüchlichen Aussagen führen kann. Unabhängig von der Lösung der Folgefragen ist daher die Entscheidung über die Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ein zentraler Punkt für die Weiterentwicklung des chinesischen Sachenrechts.

III.  Erwerb und Übertragung der Vormerkung 1.  Originärer Erwerb vom Berechtigten Die Vormerkung ist als Erwerbsrecht im BGB nur fragmentarisch normiert. Es finden sich Regelungen über die Entstehung – den originären Erwerb – der Vormerkung sowie über deren Rechtsfolgen. Die Lückenhaftigkeit des Gesetzes hat eine Reihe von Rechtsfortbildungen notwendig gemacht, die durch die Schwierigkeiten bei der dogmatischen Einordnung der Vormerkung zusätzlich verkompliziert wurden. Die Vormerkung kann auf Antrag eines Gläubigers eingetragen werden, sofern der Veräußerer die Vormerkung bewilligt und er Inhaber des dinglichen Rechts ist, auf das sich die Vormerkung bezieht (§  883 Abs.  1 BGB). Für eine Vormerkung zur Sicherung des Eigentumserwerbs am Grundstück muss der Veräußerer grundsätzlich Grundstückseigentümer sein. Zudem bedarf es der Eintragung der Vormerkung im Grundbuch. Sofern der Veräußerer keine Vormerkung bewilligt hat, der Gläubiger aber Kenntnis erlangt, dass der Rechtserwerb gefährdet ist, z.  B. weil der Veräußerer das Grundstück ein zweites Mal veräußert, kann er um vorläufigen Rechtsschutz ersuchen und einen Antrag auf einstweilige Verfügung des Gerichts auf Eintragung der Vormerkung im Grundbuch stellen (§  885 BGB). In beiden Fällen hängt die Entstehung der Vormerkung davon ab, dass der Gläubiger einen Anspruch auf Erwerb eines dinglichen Rechts oder eines belung infolge eines Doppelverkaufs die Aufhebung des Vertrages verlangen kann; dazu Rebecka Zinser, Die chinesische Sachenrechtsordnung, Jura 2013, 67 (71).

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schränkt dinglichen Rechts an einem Grundstück hat. Beim Erwerb von Wohnungseigentum kann eine Vormerkung bereits eingetragen werden, bevor das Gebäude errichtet ist. Das Wohnungseigentumsrecht erlaubt eine Teilung des Grundstücks durch den Eigentümer auch hinsichtlich des zu errichtenden Gebäudes (§  8 WEG).11 Daher kann das Grundbuchamt die Vormerkung bezogen auf die konkrete Wohnung eintragen. Selbst vor der Teilungserklärung des Eigentümers wird eine Vormerkung zugelassen.12 Sie sichert neben dem Eigentumsverschaffungsanspruch den Anspruch auf Bildung des Wohnungseigentums. Bei der Bewilligung der Vormerkung muss die Wohnung aber so genau beschrieben sein, dass sie sich zweifelsfrei zuordnen lässt.13 Darüber hinaus kann eine Vormerkung bestellt werden, wenn ein Anspruch auf Rückübertragung eines dinglichen Rechts oder dessen Löschung besteht. Das betrifft beispielsweise Fälle, in denen eine Grundschuld zurück zu übertragen ist, weil das Darlehen, das sie gesichert hat, erloschen ist. Die Vormerkung ist also ein sog. akzessorisches Sicherungsrecht.14 Es besteht nur, solange die zu sichernde Forderung existiert und erlischt mit deren Untergang. Der Gegenstand der Vormerkung richtet sich nach dem Inhalt des schuldrechtlichen Anspruchs. 2.  Originärer Erwerb vom Nichtberechtigten Eine Vormerkung kann nicht nur vom tatsächlichen Inhaber des zu erwerbenden dinglichen Rechts bewilligt werden. Ebenso wie beim Erwerb des Eigentums an einem Grundstück oder beschränkt dinglichen Rechten am Grundstück kann auch die Vormerkung gutgläubig von demjenigen erworben werden, der ohne Rechtsinhaber zu sein, als solcher im Grundbuch eingetragen ist. Der gutgläubige Vormerkungserwerb ist nicht im BGB geregelt. Die Vorschriften des Gutglaubenserwerbs beschränken sich auf dingliche Rechte, zu denen die Vormerkung nicht gehört, und auf Verfügungen über solche Rechte. Die Bestellung einer Vormerkung ist keine Verfügung i. S. von §  892 BGB.15   Johannes Bärmann/Eckhart Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 19.  Aufl. 2010, §  8 Rn.  13.  OLG Frankfurt 23.11.1971 – 20 W 37/71, DNotZ 1972, 180; BayObLG 27.05.1977 – BReg 2 Z 20/77, DNotZ 1977, 544; OLG Düsseldorf 29.10.1980 – 3 W 331/80, DNotZ 1981, 743; Christian Armbrüster, in: Bärmann, Kommentar zum WEG, 12.  Aufl. 2013, §  4 Rn.  46 f.; Manfred Rapp, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2005) §  4 WEG Rn.  14; Hartmut Schöner/Kurt Stöber, Grundbuchrecht, 15.  Aufl. 2012, Rn.  2941; Christian Kesseler, in: Timme, Beck-Online Kommentar zum WEG, Stand: 01.02.2014, Ed. 19, §  4 WEG Rn.  25 f.; a. A. Hans-Eberhard Sandweg, Anspruch und Belastungsgegenstand bei der Auflassungsvormerkung, BWNotZ 1994, 5 (16). 13  BayObLG 27.05.1977 – BReg 2 Z 20/77, DNotZ 1977, 544; Bärmann/Armbrüster (Fn.  12) §  4 Rn.  46 f.; Staudinger/Rapp (Fn.  12) §  4 WEG Rn.  14. 14   BGH 30.04.1980 – V ZR 56/79, NJW 1981, 447 (448); BGH 26.11.1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175 (179); Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  883 Rn.  3. 15   RG 19.10.1927 – V 465/26, RGZ 118, 230 (233 f.). 11

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In der wissenschaftlichen Diskussion und insbesondere in der Rechtsprechung wird die Vormerkung als Verfügung über das dingliche Recht i. S. des §  893 BGB eingeordnet, dessen Erwerb gesichert werden soll.16 Die Vormerkung lässt zwar eine Vorwirkung des Erwerbs eines dinglichen Rechts entstehen, der eigentliche Erwerb erfolgt aber erst später. Auch der Inhalt des dinglichen Rechts wird durch die Vormerkung nicht geändert. Daher finden die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs keine direkte, sondern nur entsprechende Anwendung.17 Die Vormerkung ist im BGB unvollständig geregelt, ohne dass der Gesetzgeber den gutgläubigen Erwerb ausschließen wollte. Die Vormerkung hat zudem eine Wirkung, die der eines dinglichen Rechts ähnlich ist und auf den Erwerb des Grundstücksrechts hinwirkt. Daher besteht beim Erwerb der Vormerkung ein vergleichbares Interesse am Schutz des rechtsgeschäftlichen Erwerbs der Vormerkung. Folglich kann der Gläubiger vom Veräußerer, der im Grundbuch als Grundstückseigentümer eingetragen ist, eine Vormerkung erlangen, wenn er nicht positiv wusste, dass der Veräußerer tatsächlich nicht Rechtsinhaber ist. Der gutgläubige Erwerb hilft aber nicht darüber hinweg, dass die schuldrechtliche Forderung, die durch die Vormerkung geschützt werden soll, fehlt. In diesem Fall entsteht keine Vormerkung.18 Der gutgläubige Erwerb einer Vormerkung hat nicht nur zur Folge, dass der Gläubiger Inhaber der Vormerkung ist. Zugleich wird der gute Glaube an die Rechtsinhaberschaft des Veräußerers konserviert.19 Daher kann der Vormerkungsberechtigte das Grundstücksrecht auch dann gutgläubig erwerben, wenn er nach Eintragung der Vormerkung erfährt, dass der Veräußerer nicht der Rechtsinhaber ist. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Gutgläubigkeit des Erwerbers ist somit nicht mehr der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Eintragung des Gläubigers als Eigentümer beim Grundbuchamt gestellt wird.20 Es genügt, 16   RG 19.10.1927– V 465/26, RGZ 118, 230 (234); RG 02.04.1928 – VI 336/27, RGZ 121, 44 (46); BGH 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16 (23); BGH 01.10.1958 – V ZR 26/57, BGHZ 28, 182 (185); BGH 10.12.1971 – V ZR 90/69, BGHZ 57, 341 (343); Arndt Lorenz, in: Erman Kommentar zum BGB, 13.  Aufl. 2011, §  883 Rn.  24; MüKo BGB/Kohler (Fn.  2) §  883 Rn.  74; Peter Schwerdtner, Die Auflassungsvormerkung, Jura 1985, 316 (319); Staudinger/Gursky (Fn.  6) §  893 Rn.  30; a. A. Knöpfle, JuS 1981, 157 (165). 17  Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  885 Rn.  19; Claus-Wilhelm Canaris, Das parzellierte Grundstück, JuS 1969, 80 (81); Dietrich Reinicke, Der Schutz des guten Glaubens beim Erwerb einer Vormerkung, NJW 1964, 2373 f.; ähnlich Johannes Hager, Bürgerliches Recht – Eine schwierige Finanzierung, JuS 1987, 555 (557); siehe auch Dieter Medicus/Jens Petersen, Bürgerliches Recht, 24.  Aufl. 2013, Rn.  553. 18  BGH 30.04.1980 – V ZR 56/79, NJW 1981, 447 (448); Erman/Lorenz (Fn.  16) §  883 Rn.  23; Johannes Hager, Die Vormerkung, JuS 1990, 429 (437). 19   RG 02.04.1928 – VI 336/27, RGZ 121, 44 (47); BGH 01.10.1958 – V ZR 26/57, BGHZ 28, 182 (187); BGH 10.12.1971 – V ZR 90/69, BGHZ 57, 341 (343); BGH 31.10.1980 – V ZR 95/79, NJW 1981, 446 (447); Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  883 Rn.  22; Staudinger/Gursky (Fn.  6) §  883 Rn.  219. 20   Siehe Fn.  19.

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wenn der Gläubiger beim Antrag auf Eintragung der Vormerkung gutgläubig war.

IV.  Wirkung der Vormerkung Die Rechtsfolgen der Vormerkung zielen darauf, dass für den geschützten Erwerb die materielle Rechtslage zugrunde gelegt wird, die im Zeitpunkt des Vormerkungserwerbs bestand. Die Vormerkung bewirkt aber keine Grundbuchsperre. Sie hat nur zur Folge, dass die Verfügungen über das dingliche Recht, die dem von der Vormerkung geschützten Erwerb widersprechen, gegenüber dem Vormerkungsberechtigten – und zwar nur ihm gegenüber – relativ unwirksam sind (§  883 Abs. 2 BGB). Der Schutz der Vormerkung ist somit persönlich und sachlich beschränkt. Die Vormerkung schützt nur denjenigen, zu dessen Gunsten die Vormerkung eingetragen ist, und sie erfasst nur die vormerkungswidrige Verfügung, die nach Eintragung der Vormerkung vorgenommen wurde. Die rechtliche Konstruktion der relativen Unwirksamkeit bereitet dogmatische Schwierigkeiten. Sie wirkt nur gegenüber dem geschützten Erwerber, während Verfügungen über dingliche Rechte an sich absolut wirken.21 Zunächst wurde angenommen, der Dritte erwerbe das Eigentum vom Veräußerer nur auflösend bedingt durch die Geltendmachung der Vormerkung.22 Später wurde von einer gespaltenen Rechtszuständigkeit gesprochen, so dass der Veräußerer gegenüber dem geschützten Erwerber weiter Rechtsinhaber bleibe.23 Das führt aber zu erheblichen Schwierigkeiten, weil nun zwei Rechtsinhaber existieren und es für eine Vielzahl von Normen auf den Rechtsinhaber ankommt, da im Sachenrecht an sich absolute Rechtszuordnungen erfolgen.24 Die Wirkung der Vormerkung ist daher eher als Begrenzung der Verfügungsmacht zu begreifen.25 Der Veräußerer kann über das Grundstücksrecht verfügen. Diese Verfügung ist gegenüber jedermann wirksam, nur nicht gegenüber dem vormerkungsgesicherten Erwerber. Der Schuldner kann daher seine schuld­rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Erwerber weiterhin erfüllen. Im  Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  883 Rn.  52; Erman/Lorenz (Fn.  16) §  883 Rn.  32.   Berthold Kupisch, Auflassungsvormerkung und guter Glaube, JZ 1977, 486 (491 ff.); Edgar Ruhwedel, Grundlagen und Rechtswirkungen sogenannter relativer Verfügungsverbote, JuS 1980, 161 (166); siehe auch Knöpfle, JuS 1981, 157 (162), der eher von einer aufschiebenden Bedingung auszugehen scheint. 23   So noch Jan Wilhelm, Sachenrecht, 3.  Aufl. 2007, Rn.  75 Fn.  147. 24   Harm Peter Westermann/Karl-Heinz Gursky/Dieter Eickmann, Sachenrecht, 8.  Aufl. 2011, 690. 25   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  6) §  20 Rn.  34; Karl Larenz/Manfred Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10.  Aufl. 2012, §  55 Rn.  37; Staudinger/Gursky (Fn.  2) §  883 Rn.  239; Martin Löhnig/Andreas Gietl, Grundfälle zur Vormerkung: Die Handlungsmöglichkeiten des Auflassungsvormerkungsinhabers, JuS 2008, 102 f. 21

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deutschen Grundbuchrecht gilt jedoch, dass nur derjenige eine Änderung des Grundbuchs bewilligen kann, der als Rechtsinhaber eingetragen ist (sog. Voreintragungsgrundsatz, §  39 GBO). Infolge der vormerkungswidrigen Verfügung ist aber bereits eine andere Person als der Veräußerer im Grundbuch eingetragen. Diese ist verpflichtet (§  888 BGB), die Änderung des Grundbuchs zugunsten des Vormerkungsberechtigten zu bewilligen, so dass dessen Eintragung erfolgen kann.26 Eine zeitliche Beschränkung hat eine einmal erworbene Vormerkung nicht. Sie hängt zwar vom Bestand der gesicherten Forderung ab, der Erwerber muss aber nicht innerhalb einer bestimmten Frist einen Eintragungsantrag beim Grundbuchamt stellen. Das chinesische Sachenrecht ist in diesem Punkt einen anderen Weg gegangen.27 Die Vormerkung erlischt, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten einen Antrag beim Register stellt. Zudem wird der „erfolglose“ Vormerkungsgläubiger mit einem Schadensersatzanspruch belegt. Damit wird die weitreichende Wirkung der absoluten Unwirksamkeit vormerkungswidriger Verfügungen wieder relativiert und ein Ausgleich zwischen den Interessen des gesicherten Erwerbers und des Eigentümers hergestellt. Im deutschen Recht hat die Vormerkung zudem eine rangwahrende Wirkung. Das Grundstücksrecht, dessen Erwerb gesichert wurde, entsteht automatisch in dem Rang, den es im Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung gehabt hätte (§  883 Abs. 3 BGB). Ohne die Vormerkung wäre der Zeitpunkt der Eintragung des dinglichen Rechts maßgeblich gewesen (§  879 BGB). Das ist beim Erwerb von Grundstückseigentum und Wohnungseigentum nicht von Bedeutung, beim Erwerb von beschränkt dinglichen Rechten am Grundstück, insbesondere Sicherungsrechte (Hypothek, Grundschuld), dafür umso mehr. Die Reihenfolge, in der die Befriedigung aus dem Grundstück im Fall der Zwangsvollstreckung erfolgt, hängt vom Rang ab. Daher sinkt der Wert des Sicherungsrechts, wenn sich sein Rang verringert, weil nach der Einigung über die Bestellung des beschränkt dinglichen Rechts ein anderes, nun vorrangiges dingliches Recht an der Sache eingetragen wird. Die Vormerkung verhindert, dass der Wert des vorgemerkten Sicherungsrechts dadurch sinkt, dass zwischenzeitlich ein weiteres Sicherungsrecht an dem Grundstück eingetragen wird, bevor die Eintragung des vormerkungsgesicherten beschränkt dinglichen Rechts erfolgt. Die Vormerkung schützt den Erwerb auch bei der Insolvenz des Veräußerers. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann er vom Insolvenzverwalter die Befriedigung der gesicherten schuldrechtlichen Forderung verlangen (§  106 Abs.  1 S.  1 InsO). Er ist somit nicht auf den Schadensersatz statt der Leistung 26   Zum Rechtscharakter der Bewilligung Canaris, JuS 1969, 80 (82); Christian Kesseler, Das Missverständnis um die Rechtsnatur der Zustimmung nach §  888 Abs.  1 BGB, NJW 2010, 3341 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann (Fn.  24) 693 f. 27   Siehe oben II.

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verwiesen, den er ohnehin nicht in voller Höhe, sondern nur entsprechend der Insolvenzquote erhielte. Schließlich erfährt der Vormerkungsberechtigte Schutz, wenn eine Zwangsvollstreckung in das vormerkungsbelastete Recht erfolgt. Das vormerkungsgesicherte Recht erlischt bei der Versteigerung des Grundstücks nicht, sofern es ranghöher ist als das Recht des Gläubigers, der die Zwangsvollstreckung betreibt (§§  44, 48, 52 ZVG).28

V. Zusammenfassung Die Vormerkung ist ein vorläufiges Sicherungsmittel, um den Erwerb zu schützen. Das erst noch zu erwerbende Grundstücksrecht entfaltet mit ihrer Hilfe Vorwirkung. Zum Schutz wirtschaftlicher Interessen ist in das Sachenrecht ein Instrument integriert, das einen schuldrechtlichen Anspruch mit einem den dinglichen Rechten ähnlichen Panzer schützt. Kennzeichnend ist, dass die Vormerkung weder das Grundbuch sperrt noch vormerkungswidrige Verfügungen zugunsten Dritter absolut unwirksam macht. Auf diese Weise wird eine Balance zwischen den Interessen des Erwerbers und des Rechtsgeschäftsverkehrs gefunden. Auch das chinesische Sachenrecht kennt einen solchen Erwerbsschutz. Es geht in seinen Rechtsfolgen weiter, weil die vormerkungswidrigen Verfügungen unwirksam sind und bei Wohnungen sogar eine Grundbuchsperre besteht. Insofern reicht die Beschränkung des Rechtsgeschäftsverkehrs wesentlich weiter als im deutschen Recht. Allerdings wird sie zeitlich auf drei Monate ab der Eintragbarkeit des gesicherten Rechts beschränkt. Es ist noch nicht geklärt, ob die Wirkung der Vormerkung nur das dingliche Rechtsgeschäft erfasst. Es wird darauf ankommen, ob das chinesische Sachenrecht das Trennungs- und Abstraktionsprinzip anerkennt.

  BGH 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124 (126 f.); Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  2) §  883 Rn.  67. 28

Probleme bei der Vormerkung im chinesischen Recht Shuanggen ZHANG(张双根)

I. Einleitung 1.  Die gesetzlichen Grundlagen in China Das Sachenrechtsgesetz der VR China 2007 (im Folgenden: chin. SRG) hat sich in vielen Aspekten an Institute aus dem deutschem Recht angelehnt. Als ein typisches Beispiel lässt sich das Institut der Vormerkung nennen, um das es in diesem Vortrag gehen soll. Um die Diskussion zu erleichtern, sollen hier zunächst die relevanten Vorschriften aufgeführt werden. §  20 chin. SRG1 : „Haben der Verkäufer und der Käufer einen Kaufvertrag von Gebäuden oder anderer Sachenrechte an unbeweglichen Sachen abgeschlossen, so kann, um zu gewährleisten, dass die Sachenrechte realisiert werden, gemäß vertraglicher Vereinbarung beim Registerorgan/Registeramt die Eintragung einer Vormerkung beantragt werden. Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese unbewegliche Sache verfügt, so hat dies keine sachenrechtliche/dingliche Wirkung. Wenn nach dem Eintrag der Vormerkung die Forderung [des Gläubigers = Vormerkungsberechtigten] erlischt, oder der Gläubiger nicht innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, ab dem er die Eintragung des Rechts an der unbeweglichen Sache ins Grundbuch durchführen kann, diese Eintragung beantragt, wird die Vormerkung unwirksam.“ Maßnahme zur Registrierung der Wohnung (Verordnung des Bauministeriums Nr.  168, Inkraftgetreten am 01.07.2008, im Folgenden: MRW)

§  67 MRW „In folgenden Fällen darf eine Vormerkung beantragt werden: 1. beim Vorabverkauf der Wohnung (d. h. der Verkauf der Wohnung vor ihrer Fertigstellung), 2. bei einer Hypothekenbestellung an einer vorab gekauften Wohnung, 3. bei der Übertragung von Wohnungseigentum und bei der Hypothekbestellung an einer Wohnung, sowie 4. in anderen von Gesetzen oder Verordnungen vorgeschriebenen Fällen.“

  Die Übersetzung des Gesetztextes erfolgt nach Frank Münzel, in: Münzel, Chinas Recht (2007) www.chinas-recht.de (zuletzt 09.09.2014). 1

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§  68 Abs.  1 MRW „Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne schriftliche Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese Wohnung verfügt und danach eine entsprechende Eintragung beantragt, so soll dieser Eintragungsantrag von dem Registeramt abgelehnt werden.“

2.  Zu diskutierenden Probleme Wenn man die Vormerkung im BGB als ein Vorbild betrachtet und sich mit den oben genannten Vorschriften des chinesischen Rechts genauer auseinandersetzt, dann werden die chinesischen Juristen vor allem die drei folgenden Fragen zu diskutieren haben: 1. Laut den betreffenden Gesetzgebungsmaterialien zu §  20 chin. SRG ist das Ziel der Einführung der Vormerkung in erster Linie, den Käufer der künftig fertigzustellenden Wohnung (sog. Vorabkäufer) vor dem Risiko zu schützen, dass er wegen weiterer Verfügungen des Immobilienverkäufers das Wohnungseigentum nicht erwerben kann. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die Vormerkung ein geeignetes Rechtsinstrument ist, um dieses Interesse des Vorabkäufers zu schützen. 2. Die Vormerkung des deutschen BGB steht im engen Zusammenhang mit dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip, das für die schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte gilt. Für das chinesische Recht ist allerdings noch immer umstritten, ob das chinesische Sachenrechtsgesetz ein eigenständiges dingliches Rechtsgeschäft anerkennt. Zu fragen ist demnach, ob es dogmatisch möglich wäre, die Vormerkung ohne das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zu übernehmen, und, wenn ja, wie sie auszugestalten wäre. 3. Bezüglich der Rechtswirkung der Vormerkung wird in §  20 chin. SRG Folgendes vorgeschrieben: „Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese unbewegliche Sache verfügt, so hat dies keine sachenrechtliche/dingliche Wirkung.“

Diese materielle Rechtswirkung wird in §  68 Abs.  1 MRW in prozessualer Hinsicht aber wie folgt ausgestaltet: „Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne schriftliche Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese Wohnung verfügt und danach eine entsprechende Eintragung beantragt, so soll dieser Eintragungsantrag von dem Registeramt abgelehnt werden.“

Es stellt sich dementsprechend die Frage, ob ein solches Konzept der Rechtswirkung der Vormerkung dogmatisch haltbar ist. Diese drei Fragen betreffen den Kern der Vormerkung im chinesischen Recht und decken sich auch mit meinen persönlichen Zweifeln. Wenn jede Aufnahme

Probleme bei der Vormerkung im chinesischen Recht

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eines bestehenden Rechtsinstituts in eine Rechtsordnung eine „erneute Schaffung“ sein soll, bin ich wirklich nicht sicher, wie die Vormerkung in China nach dem geltenden Recht „erneut geschaffen“ werden kann. Ich freue mich deshalb sehr auf Ihre Meinungen.

II.  Anwendbarkeit der Vormerkung auf den sog. Wohnungsvorabverkauf 1.  Zum sog. Wohnungsvorabverkauf In China meint der Begriff des Wohnungsvorabverkaufs den Verkauf von noch im Bau befindlichen Wohnungen durch Immobilienunternehmen, wobei die Käufer dafür eine Anzahlung auf den Kaufpreis leisten oder mit der Ratenzahlung beginnen müssen. Gemäß §  5 der Maßnahme zur Regulierung des Wohnungsvorabkaufs des Bauministeriums (im folgenden: MRWV) muss ein Immobilienentwickler folgende Voraussetzungen erfüllen, um Wohnungen vorab verkaufen zu können: a) die Zahlung für die Erlangung des Bodennutzungsrechts muss vollständig geleistet sein, b) die Baugenehmigung, die in China für den Bauplan und die Bauarbeiten gewährt wird, muss vorhanden sein und c) über 25% der Gesamtinvestition der vorab zu verkaufenden Wohnungen muss vorgeleistet und der Zeitplan bzw. der Termin der Fertigstellung der Bauarbeiten und der Übergabe müssen festgesetzt sein. 2.  Risiko für Vorabkäufer Der Wohnungsvorabverkauf ist das am weitesten verbreitete Geschäftsmodell auf dem chinesischen Immobilienmarkt. Da die zu verkaufende Wohnung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fertiggestellt ist, geht es dabei also um ein Geschäft über eine noch nicht existierende Sache. Es besteht demnach, wie bei anderen Geschäften über künftige Sachen, ein Risiko für den Vorabkäufer, dass die Wohnung am Ende nicht fertiggestellt werden kann, weil z.  B. ein Preisanstieg beim Baumaterial dazu führt, dass das Immobilienunternehmen nicht mehr in der Lage ist, die Wohnung weiter zu bauen, oder weil das Immobilienunternehmen die Beträge aus dem Vorabverkauf nicht für die Bauarbeiten verwendet hat. Diese Risiken erfasst die Regelung zur Vormerkung allerdings nicht, so dass sie hier außer Betracht gelassen werden können. Daneben haben Immobilienunternehmen beim Vorabverkauf wie beim normalen Verkauf einer bereits vorhandenen Wohnung die Möglichkeit, über die betreffende Wohnung nachträglich nochmals zu verfügen, was dazu führt, dass nur einer unter allen Käufern das Wohnungseigentum erwerben kann, während für die anderen nur der Anspruch auf Schadensersatz gegen das Immobilienunternehmen bleibt. Der Unternehmer wird dann aber häufig nicht in der Lage

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sein, diese Schäden vollständig zu ersetzen. Vor 2007 sind diese Fälle sehr häufig vorgekommen. Deshalb wurde im chinesischen Sachenrechtsgesetz die Vormerkung durch §  20 eingeführt, um Vorabkäufer zu schützen und weitere Verfügungen der Immobilienunternehmen zu verhindern. 3.  Anwendung der Vormerkung auf den Wohnungsvorabverkauf a)  Zum Rechtsverhältnis beim Wohnungsvorabverkauf Als Beispiel sei hier genannt, dass sich V, ein Immobilienverkäufer, und K1 als erster Vorabkäufer einigen. Unter Einhaltung des §  5 MRWV (und nach der Verweisung des §  10 Abs.  1 MRWV) wird zwischen V und K1 ein Vertrag über einen Wohnungsvorabverkauf abgeschlossen. Danach verkauft V dieselbe Wohnung ebenfalls vor der Fertigstellung an den zweiten Vorabkäufer K2 und es wird wiederum ein Vertrag über den Wohnungsvorabverkauf abgeschlossen. Es stellt sich nun die Frage, ob K1 sich durch eine Vormerkung den Eigentumserwerb sichern kann, wenn die Wohnung fertiggestellt worden ist und ob er dadurch den Eigentumserwerb durch K2 verhindern kann. b)  Entstehung der Vormerkung im deutschen Recht Nach §§  883–888 BGB und der zutreffenden Literatur hat die Vormerkung folgende Merkmale, soweit sie von Relevanz für unser Thema sind: Erstens spielen die Eintragungsvoraussetzungen eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung der Vormerkung. Der Grundgedanke der Vormerkungsregelung ist es, das nur für das Immobiliarsachenrecht geltende System des Grundbuchs zu ergänzen, sodass es auch für bestimmte Schuldrechtsverhältnisse anwendbar wird und somit diese Schuldrechtsverhältnisse eine eingeschränkte dingliche Wirkung erhalten. Ohne die Eintragungsfähigkeit einer Vormerkung im Grundbuch hätte dieser dingliche Schutz nicht übertragen werden können, sodass es für die Vormerkung in der heutigen Form keine Grundlage im Recht gegeben hätte. Zweitens dient die Vormerkung dazu, die Rechtswirkung etwaiger nachträglicher Verfügungsgeschäfte des Vorabverkäufers, die den Anspruch des Vormerkungsgläubigers verletzen würden, vorbeugend zu verhindern. Könnte der Vormerkungsschuldner allerdings keine derartigen Verfügungen durchführen, würde die Vormerkung auch an Bedeutung verlieren. c)  Eingreifen der Entstehungsvoraussetzungen der Vormerkung beim Wohnungsvorabverkauf Es ist nunmehr zu fragen, ob beim Wohnungsvorabverkauf die oben genannten beiden Tatbestandsmerkmale überhaupt vorliegen. Bei näherer Analyse der chinesischen Rechtslage zeigt sich Folgendes:

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Erstens fehlt es an einem Grundbuch. Bei Abschluss des Kaufvertrags befindet sich die Wohnung noch im Bau. Der Gegenstand des dinglichen Rechts existiert nicht. Es kann daher auch keine Grundbucheintragung für eine noch nicht existierende Wohnung geben. Ohne Grundbuch kann schließlich auch keine Vormerkung eingetragen werden. Dies führt dazu, dass dem Schutzbedürfnis des Käufers nicht durch die Vormerkung entgegengekommen werden kann. Aus technischer Sicht mangelt es hier von Anfang an für die Vormerkung an einem Instrument zur praktischen Umsetzung. Ist diese Schwierigkeit aber eventuell zu bewältigen? Einigen Autoren zufolge und auch gemäß der chinesischen Grundbuchspraxis ist diese Frage zu bejahen, weil das Anlegen eines Grundbuchs seinerseits eine abstrahierende Technik ist. Auf dieselbe Weise kann auch ein „vorläufiges Grundbuch“ geschaffen werden, das also für die noch zu errichtenden Wohnungen bestimmt wird und in das eine Vormerkung für den Vorabkäufer eingetragen werden kann. Unklar ist jedoch, was die Rechtsnatur oder Rechtsstellung der noch zu errichtenden Wohnung sein sollte, auf die sich dieses „vorläufige Grundbuch“ richten soll. Hier bedarf es daher noch einer detaillierten dogmatischen Fundierung. Zweitens ist zu fragen, ob ein Immobilienunternehmen Verfügungen vornehmen kann, die der Vormerkung zuwiderlaufen. Da die Wohnung noch nicht existiert, kann der Immobilienverkäufer als Vormerkungsschuldner nach dem Spezialitäts- oder Bestimmtheitsgrundsatz auch keine für den Vorabkäufer schädlichen Verfügungen vornehmen. Im oben genannten Falle kann es nämlich keine wirksame, für K1 schädliche Verfügung durch V aufgrund eines Vertrags mit K2 geben. Ferner ist der Vertrag zwischen V und K2 nur ein Kaufvertrag und kann seinerseits auch keine Bedrohung für K1 darstellen. Ich nenne dies einen „institutionellen Defekt“, der meiner Meinung nach noch nicht lösbar ist. Ob dies stimmt, würde ich gerne weiteren Diskussionen anheimstellen.

III.  Möglichkeit einer Vormerkung ohne Trennungsund Abstraktionsprinzip Ich gehe jetzt zur zweiten Frage über, nämlich ob eine Vormerkung ohne Trennungs- und Abstraktionsprinzip möglich ist. Wenn es sich bei der zuerst diskutierten Frage zunächst um den besonderen Fall handelt, dass sich die Vormerkung für den oben genannten Wohnungsvorabverkauf nicht eignet, geht es bei der zweiten Frage um die allgemeinen Voraussetzungen der Vormerkung. Es ist aufzuzeigen, welche grundlegenden Zweifel bei der Einführung der Vormerkung ins chinesische Recht vorliegen. Im deutschen Recht dient die Vormerkung der Sicherung von Ansprüchen, die auf eine dingliche Rechtsänderung von Grundstücksrechten gerichtet sind (§  883 Abs.  1 BGB). Die Ausgestaltung der Vormerkung setzt voraus, dass Ver-

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Shuanggen ZHANG

pflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft voneinander unterschieden werden und streng getrennt sind. Die Vormerkung im BGB richtet sich gerade gegen die Verfügung des Vormerkungsschuldners, die die Verwirklichung des Rechts des Vormerkungsberechtigten verhindern kann; d. h., sie orientiert sich an dem Verfügungsgeschäft. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Trennung zwischen Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft im deutschen Recht die Vormerkung erfordert. Es ist allerdings noch immer umstritten, ob das chinesische Sachenrechtsgesetz ein getrenntes dingliches Geschäft anerkennt oder mit sich bringt. Zwar wird im §  20 chin. SRG ausdrücklich der durch die Vormerkung zu verhindernde Fall wie folgt bestimmt: „Wird nach Eintragung der Vormerkung […] verfügt, so hat dies keine sachenrechtliche Wirkung“ (§  20 Abs.  1 S.  2 chin. SRG). Nach Ansicht der Literatur, welche die Existenz eines getrennten dinglichen Geschäfts verneint, reicht diese Vorschrift jedoch nicht aus, um die Lehre des dinglichen Geschäfts zu unterstützen. Die eigentliche Frage muss daher lauten, ob ein Recht zur Vormerkung ohne Trennungs- und Abstraktionsprinzip möglich wäre? Dies ist für deutsche Wissenschaftler kaum vorstellbar, für chinesische Juristen ist es hingegen eine schwierige Frage, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Nehmen wir z.  B. an, dass V zunächst eine Wohnung an K1 verkauft und dafür eine Vormerkung eintragen lässt, anschließend aber die Wohnung an K2 verkauft. Wie müsste die Vormerkung i. S. des §  20 chin. SRG in diesen Fall zu handhaben sein, wenn kein getrenntes dingliches Geschäft anerkannt ist? Feststellbar ist, dass der Kaufvertrag zwischen V und K2 dem K1 nicht schaden kann (vgl. §  15 chin. SRG). K1 muss demnach auch nicht durch eine Vormerkung anderen schuld­ rechtlichen Verpflichtungsgeschäften des V vorbeugen. Da ein getrenntes Verfügungsgeschäft nicht existieren soll, kann der Gegenstand, den die Vormerkung des K1 sichern sollte, nun nur die Eintragung des Wohnungseigentums sein. Die Eintragung des Wohnungseigentums des K2 wäre damit nichtig. Das führt aber zu einer zweite Frage: Auf welcher Grundlage beruht diese Nichtigkeit? Ich habe persönlich leider keine Antwort darauf.

IV.  Rechtswirkung der Vormerkung im chinesischen Recht Bezüglich der Wirkung der Vormerkung schreibt §  20 chin. SRG vor: „Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese unbewegliche Sache verfügt, so hat dies keine sachenrechtliche Wirkung.“ In §  68 Abs.  1 MRW wird ferner Folgendes geregelt: „Wird nach Eintragung der Vormerkung ohne schriftliche Zustimmung des Vormerkungsberechtigten über diese Wohnung verfügt und eine Eintragung beantragt, so wird diese abgelehnt.“ Dieses Konzept führt nun zu einer „Sperrung des Grundbuchs“, was der gesetzlichen Konzeption der deutschen Vormerkung ganz

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fremd zu sein scheint. Der Zielsetzung und Funktion der Vormerkung läuft dies in Gänze zuwider. Diese Vorschriften sind so offensichtlich miteinander unvereinbar, dass ich hier insbesondere wegen der Kürze der Zeit auch nichts mehr hinzuzufügen brauche.

V. Fazit Dieser Vortrag hatte zum Ziel, die drei meiner Meinung nach grundlegendsten Zweifel an der Vormerkung im chinesischen Recht zu präsentieren. Chinesische Juristen erkennen allgemein an, dass das Institut der Vormerkung aus Deutschland stammt und stimmen deren Aufnahme in das chinesische Recht auch zu. Es zeigt sich jedoch deutlich, dass die Umsetzung der Vormerkung im chinesischen Recht bereits erheblich von der Konzeption im deutschen Recht abgewichen ist. Ich bin nicht sicher, ob es neben der deutschen Variante noch andere Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Vormerkung geben könnte. Wenn ja, bleibt die Frage, wie diese aussehen sollen, und insbesondere ob die chinesische Handhabung der Vormerkung hierfür eine mögliche Alternative darstellen könnte.

Gutgläubiger Erwerb von Immobilien im deutschen Recht Jan von Hein und Lydia Beil

Die Regelungen des gutgläubigen Erwerbs von Immobilien im deutschen und im chinesischen Recht weisen erhebliche Unterschiede in Inhalt und Regelungstechnik auf. Im Folgenden soll zuerst auf die Methodik der deutschen Vorschriften (I.) und dann auf deren Inhalt (II.) sowie typische problematische Fallkonstellationen und deren Lösungen in Deutschland (III.) eingegangen werden.

I. Regelungstechniken Was die Methodik betrifft, ist zunächst festzustellen, dass beide Regelungen grundsätzlich das gleiche Ziel, nämlich das des Verkehrsschutzes, verfolgen1 : Es soll derjenige geschützt werden, der das Eigentum an einem Grundstück von einem Nichtberechtigten erwirbt, sich jedoch in Unkenntnis darüber befindet, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist. Dieses Ziel gilt für alle, also auch bewegliche Sachen. Es liegt daher nahe, den gutgläubigen Erwerb in einer einzigen Vorschrift zu regeln, wie es im chinesischen Recht der Fall ist: Dort regelt §  106 des Sachenrechtsgesetzes den gutgläubigen Erwerb an unbeweglichen Sachen zusammen mit dem gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen,2 wobei lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung variiert.3 1.  Die deutsche Regelung Das deutsche Recht regelt hingegen den gutgläubigen Erwerb von beweglichen und von unbeweglichen Sachen an verschiedenen Stellen im BGB. Für bewegliche Sachen sind in den §§  932 ff. BGB Vorschriften vorgesehen, deren Tatbestandsvoraussetzungen denen des §  106 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes recht (chin. SRG) ähnlich sind und die grundsätzlich an den Besitz als Rechts1  Für Deutschland: Hans-Werner Eckert, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, 3.  Aufl. 2012, §  892 Rn.  1; für China: Qiang DING/Wolfgang Jäckle, Das neue chinesische Sachenrechtsgesetz, RIW 2007, 807 (818). 2  Vgl. DING/Jäckle, RIW 2007, 807 (818). 3   Nämlich die der Übergabe bei beweglichen Sachen und der Registrierung bei unbeweglichen Sachen, s. §  106 Abs.  1 Nr.  3 chin. SRG.

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scheinträger anknüpfen. Für unbewegliche Sachen wird der gutgläubige Erwerb hingegen in §  892 des BGB normiert, der eine andere Methode benutzt: Diese Vorschrift ermöglicht den gutgläubigen Erwerb von Immobilien aufgrund des „öffent­lichen Glaubens“ des Grundbuchs. Jedermann soll im Rechtsverkehr darauf vertrauen können, dass der Inhalt des Grundbuchs richtig ist.4 Wenn das Grundbuch unrichtig ist, jemand dies aber nicht weiß und auf dessen Richtigkeit vertraut, soll dieser geschützt werden. Wenn also der Nichtberechtigte fälschlicherweise als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, kann von diesem nach §  892 BGB gutgläubig das Grundstück erworben werden. Ein solcher „öffentlicher Glaube“ des chinesischen Grundstücksregisters wurde zwar im Gesetzgebungsverfahren diskutiert, hat aber im chinesischen Sachenrechtsgesetz in dieser Form keinen Ausdruck gefunden.5 2.  Bewertung der verschiedenen Ansätze Von chinesischer Seite wurde im Vorfeld der Berliner Tagung die Frage gestellt, wie diese unterschiedlichen Regelungsmethoden grundsätzlich zu bewerten sind. Hierbei kann man selbstverständlich nicht davon sprechen, dass eine der beiden Regelungsarten insgesamt „besser“ ist, sondern die Wahl der Methode hängt von vielen Faktoren und von der jeweiligen Gesetzessystematik ab. Es lassen sich indes zumindest gewisse allgemeine Vor- und Nachteile einer einheitlichen bzw. einer getrennten Regelung herausarbeiten: Unterscheidet man beim gutgläubigen Erwerb zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen, kann man verfeinerte Regelungen treffen, die genau auf die Eigenarten der beiden Erwerbsarten eingehen können. Es gibt Probleme, die spezifisch mit der Eintragung von Grundstücken ins Grundbuch zusammenhängen und die in den §§  892, 893 BGB konkret angesprochen werden können, wie zum Beispiel die Relevanz des Zeitpunktes der Antragsstellung in §  892 Abs.  2 BGB6 oder die Eintragung eines Widerspruchs als Ausnahmetatbestand in §  892 Abs.  1 S.  1 Hs. 2 BGB. Bezüglich einzelner, ins Detail gehender Fragen kann eine Aufspaltung also zu mehr Rechtssicherheit in der Anwendung führen. Regelt man alles in einer Norm, die – wie §  106 chin. SRG – auch nicht zu umfangreich ist, kann dies jedoch einen erheblichen Vorteil für die Verständlichkeit und Lesbarkeit darstellen. So wird die Norm für juristische Laien zugänglicher und die Problematik insgesamt übersichtlicher. Ferner bleibt ein erheblicher Spielraum für eine flexible Auslegung der Vorschrift in der Rechtsanwendung. Freilich darf auch   Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2013) §  892 BGB Rn.  3.   Hang XU, Das chinesische Grundstücksregister, in: BU, Chinesisches Zivil- und Wirtschaftsrecht aus deutscher Sicht (2008) 19 (30). Der öffentliche Glaube kann aber als Auslegungshilfe für die Gutgläubigkeit benutzt werden, hierzu Hinrich Julius/Gebhard Rehm, Das chinesische Sachenrechtsgesetz tritt in Kraft: Revolution oder Viel Lärm um nichts?, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (385) sowie XU Grundstücksregister (Fn.  5) 31 f. 6   Siehe auch XU, Grundstücksregister (Fn.  5) 33. 4 5

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die Kehrseite nicht verschwiegen werden: Eine allgemein gefasste Vorschrift über den gutgläubigen Erwerb sowohl beweglicher als auch unbeweglicher Sachen bedarf in einem besonders hohen Maße der Konkretisierung durch Rechtsprechung und Wissenschaft, um der Vielfalt der unterschiedlichen Konstellationen angemessen Rechnung tragen zu können.

II.  Inhalt der Regelung 1.  Voraussetzungen des §  8 92 BGB Als nächstes soll kurz auf die Voraussetzungen des Erwerbs nach §  892 BGB eingegangen werden. Diese sind – grob gesagt – die rechtsgeschäftliche Verfügung eines Nichtberechtigten, die auch im chinesischen Recht als Voraussetzung des §  106 chin. SRG anerkannt ist,7 die Unrichtigkeit des Grundbuchs gegenüber der tatsächlichen Eigentumslage sowie zwei Ausnahmefälle für dessen Anwendung. 2. Ausnahmen Eine Ausnahme von der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs enthält §  892 BGB für den Fall, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen ist. 8 Dies dürfte auch in China gelten.9 Die zweite Ausnahme betrifft die Gutgläubigkeit. Ein Laie, der zum ersten Mal von dem Prinzip des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs hört, könnte irrig denken, dieser wirke insofern „absolut“, als dass in jedem Falle, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Erwerbers, der Inhalt des Grundbuchs als richtig gelte. Dies ist jedoch selbstverständlich nicht der Fall. Gemäß §  892 Abs.  1 S.  1 a. E. BGB gilt zugunsten des Erwerbers der Inhalt des Grundbuchs nur dann als richtig, wenn diesem die Unrichtigkeit nicht bekannt ist. Nach deutschem Recht ist also, ebenso wie nach §  106 chin. SRG, der bösgläubige Erwerber nicht schutzwürdig. 3.  Begriff des guten Glaubens Jedoch reicht der öffentliche Glaube weiter als der Verkehrsschutz bei beweg­ lichen Sachen: Während bei beweglichen Sachen schon die grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs entfallen lässt (§  932 Abs. 2 BGB), schadet dem Erwerber einer unbeweglichen 7   Yuanshi BU, Der gutgläubige Erwerb im chinesischen Sachenrecht – ein Beispiel für die Rechtsrezeption in China, ZVglRWiss 108 (2009) 307 (308 f. m. w. N.). 8   Vgl. §  892 Abs.  1 S.  1 Hs. 2 Alt. 1 BGB. 9   XU, Grundstücksregister (Fn.  5) 34.

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Sache nur die positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs (§  892 Abs.  1 S.  1 Hs. 2 Alt. 1 BGB ). Diese Unterscheidung in Bezug auf die Gutgläubigkeit wird damit begründet, dass das Grundbuch einen wesentlich zuverlässigeren Rechtsscheinträger darstellt als der bloße Besitz beweglicher Sachen.10 Dies ergibt sich aus der detailliert geregelten, verlässlichen Führung des Grundbuchs durch das Grundbuchamt als staatliches Organ.11 Man möchte dem Erwerber außerdem, selbst wenn er erhebliche Zweifel hat, keine Erkundigungspflicht auferlegen.12 Er soll gar nicht ins Grundbuch schauen müssen, sondern es kommt nur auf die objektive Buchlage an.13 Dies ist besonders interessant, da nach §  106 chin. SRG zwar grundsätzlich in allen Fällen die fahrlässige Unkenntnis als vom Begriff der Gutgläubigkeit umfasst gilt, dies jedoch noch nicht ganz unumstritten ist.14 Auch ist die Reichweite der fahrlässigen Unkenntnis, z.  B. eine mögliche Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder der genaue Zeitpunkt der Bösgläubigkeit noch streitig, während zumindest eine allgemeine Erkundigungspflicht wohl wie in Deutschland abgelehnt wird.15 Es bleibt also abzuwarten, wie die chinesische Rechtsprechung den Begriff der Gutgläubigkeit im Einzelnen auslegen wird und ob sich dabei die chinesische Rechtsordnung möglicherweise der deutschen annähern wird.16

III.  Typische Fallkonstellationen Als letztes sollen nun drei typische Fallkonstellationen aus dem chinesischen Recht, zu denen im Vorfeld der Berliner Tagung Fragen gestellt wurden, sowie deren Lösung nach dem deutschen Recht dargestellt werden. 1.  Doppelverkauf von Immobilien Eine in China umstrittene Fallproblematik ist die des Doppelverkaufs von Immobilien, d. h. der Fall, in dem der Eigentümer eine Immobilie zunächst an ei10   Jürgen Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  892 BGB Rn.  2, 47. 11   Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  4) §  892 BGB Rn.  7 f. 12  OLG Jena 02.02.2012 – 9 W 390/11, LSK 2012, 190457; MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  47; Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  1) §  892 BGB Rn.  13. 13  Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  1) §  892 BGB Rn.  13; Staudinger/Gursky (Fn.  4) §  892 BGB Rn.  7. 14   Dazu ausführlich BU, ZVglRWiss 108 (2009) 307 (314 f.); a. A. DING/Jäckle, RIW 2007, 807 (818). 15   BU, ZVglRWiss 108 (2009) 307 (315); Julius/Rehm, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (385 unten). 16  Vgl. Yuanshi BU, Einführung in das Recht Chinas (2009) 141 f.; siehe dazu auch BU, ZVglRWiss 106 (2009) 307 (315 mit Fn.  43) sowie sowie Julius/Rehm, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (385).

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nen ersten Käufer verkauft und dann an einen zweiten Käufer, der aber von dem ersten Kaufvertrag weiß.17 Ins Register wird nur der letzte Käufer eingetragen und erwirbt so das Eigentum. Hier stellt sich die Frage, ob das vom zweiten Käufer erworbene Eigentum irgendwie wieder beseitigt werden kann. Untersucht man hierzu die deutsche Rechtslage, müssen verschiedene Fallkonstellationen unterschieden werden. a)  Der erste Käufer hat noch keine Eintragung beantragt Hat der erste Käufer selbst noch keine Eintragung ins Grundbuch beantragt, erwirbt nach deutschem Recht der zweite Käufer mit seiner Eintragung das Eigentum,18 wogegen der erste Käufer auch nichts unternehmen kann. Da der Eigentumserwerb nach deutschem Recht noch nicht mit dem Kaufvertragsschluss oder der Einigung über den Eigentumsübergang, sondern erst im Zeitpunkt der Eintragung erfolgt,19 bleibt der Verkäufer bis zur Änderung im Grundbuch nach deutschem Recht noch berechtigter Eigentümer, sodass der zweite Käufer vom Berechtigten (nach §  873 BGB) erwirbt.20 Der Erwerb vom Nichtberechtigten nach §  892 BGB ist hier also gar nicht erst einschlägig. Der schuldrechtliche Anspruch des ersten Käufers gegen den Verkäufer auf Übereignung aus dem Kaufvertrag erlischt in diesem Fall, weil es dem Verkäufer, der kein Eigentümer mehr ist, unmöglich ist, die Immobilie noch zu übereignen. Der erste Käufer kann allenfalls gegen den Verkäufer einen Schadensersatzanspruch wegen dieser Nichterfüllung des Kaufvertrages haben. In seltenen Fällen und unter Hinzutreten besonderer Umstände kann es hier allerdings doch noch einen Anspruch des ersten Käufers gegen den zweiten auf Rückübertragung des Eigentums aus Deliktsrecht, nämlich aus §  826 BGB, also bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, geben.21 Die besonderen Umstände der Sittenwidrigkeit, die hierfür erforderlich sind, können vor allem in einem kollusiven Zusammenwirken von Verkäufer und zweitem Käufer zur Schädigung des ersten Käufers gesehen werden, aber auch in anderen Fällen von besonders sittenwidrigem Vorgehen des zweiten Käufers bei der Umstimmung des Verkäufers zum Doppelverkauf.22 Dies betrifft allerdings nur seltene Aus  Siehe dazu u. a. Yuanshi BU, Verfügung und Verpflichtung im chinesischen Zivil- und Immaterialgüterrecht, JZ 2010, 26 (29 f.). 18   Vgl. MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  23; Rolf Stürner, in: Soergel, Kommentar zum BGB, 13.  Aufl. 2002, §  892 BGB Rn.  28. 19   Siehe §  873 Abs.  1 a. E. BGB. 20   MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  23. 21   MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  883 BGB Rn.  2 ; Wolfgang Ernst, Doppelverkauf, in: FS Andreas Heldrich (2005) 113 (122); Gottfried Schiemann, in: Erman, Kommentar zum BGB, 13.  Aufl. 2011, §  826 BGB Rn.  29. 22   Vgl. BGH 02.06.1981 – VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184 (2185); OLG Hamm 03.02.1986 – 3 U 123/85, VersR 1987, 509; Christian Berger, in: Jauernig, Kommentar zum BGB, 15.  Aufl. 2014, §  883 BGB Rn.  1; Albrecht Dieckmann, Zum Schutz des Auflassungsempfängers, der 17

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nahmefälle, während im Normalfall der erste Käufer nur noch Schadensersatz vom Verkäufer beanspruchen kann.23 b)  Der erste Käufer hat die Eintragung schon beantragt Hat der erste Käufer nach Abschluss des Kaufvertrags selbst schon (also vor dem zweiten Käufer) die Eintragung ins Grundbuch beantragt, erfolgen die Eintragungen nach dem Erledigungsgebot des §  17 der deutschen Grundbuchordnung normalerweise der Reihe nach 24. Insofern wird hier in aller Regel der zweite Käufer auch nicht mehr eingetragen werden; dieser Fall kann vielmehr nur auftreten, wenn das Grundbuchamt einen Fehler macht und sich nicht an §  17 GBO hält, was aufgrund der sorgfältigen Führung des Grundbuchs nur höchst selten vorkommt.25 Unterläuft dem Grundbuchamt trotzdem ein solcher Fehler und wusste der zweite Käufer vom ersten Kaufvertrag und sogar vom Eintragungsantrag des ersten Käufers, ändert sich an der Lösung gegenüber dem eben beschriebenen Fall dennoch zunächst nichts und §  892 BGB ist trotzdem nicht anwendbar. Der zweite Käufer erwirbt das Eigentum vom Berechtigten. Die Kenntnis von anderen Dingen außer der – hier nicht vorliegenden – Unrichtigkeit des Grundbuchs spielt für den Eigentumserwerb keine Rolle. 26 Allerdings hat in diesen Fällen der erste Käufer zum Ausgleich aufgrund des Fehlverhaltens des Grundbuchamtes einen Anspruch aus Amtshaftung gegen den Staat.27 In diesem Fall wird jedoch dem Erstkäufer in der Literatur teilweise – neben dem hier ebenfalls bei besonderen sittenwidrigen Umständen möglichen deliktsrechtlichen Anspruch aus §  826 BGB28 – ein weiterer Anspruch aus Deliktsrecht zugestanden, nämlich aus §  823 Abs.  1 BGB.29 Dieser wird damit begründet, dass der Erstkäufer mit Stellung des Eintragungsantrags schon ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum erwirbt. Dieses Anwartschaftsrecht, dessen generelle Existenz im chinesischen Recht noch unklar ist,30 ist bereits eine schützenswerte Rechtsposition des Erwerbers, dem zum Eigentumserwerb nur sich mit dem Berechtigten geeinigt und den Eintragungsantrag gestellt hat, in: FS Gerhard Schiedermair (1976) 93 (111). 23  Jauernig/Berger (Fn.  22) §  883 BGB Rn.  1. 24  Vgl. MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  23; vgl. auch Ernst, Doppelverkauf (Fn.  21) 124 unten. 25  Vgl. DING/Jäckle, RIW 2007, 807 (812). 26   RG 13.04.1904 – V 414/03, RGZ 57, 277 (281); MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  23; a. A. möglicherweise Ernst, FS Andreas Heldrich (2005) 113 (125 oben). 27   MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  892 BGB Rn.  23, 120. 28   Siehe oben Fn.  21; vgl. auch Heinz Röwer, Verletzung des durch Auflassung erlangten Anwartschaftsrechts, NJW 1961, 539. 29   So z. B. Peter Bassenge, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, §  925 Rn.  28; ausführlich dazu Röwer, NJW 1961, 539 f. 30   BU, Einführung (Fn.  16) 143.

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noch die tatsächliche Eintragung durch das Grundbuchamt fehlt. Denn diese kann vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden.31 Ob und wann genau dieses Anwartschaftsrecht entsteht, ist in Deutschland jedoch umstritten.32 Nimmt man ein solches an, ist wiederum streitig, ob dieses Anwartschaftsrecht tatsächlich vom Schutz des §  823 Abs.  1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützt ist,33 ob also der Erstkäufer dann im oben beschriebenen Doppelverkaufsfall daraus tatsächlich einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums gegen den Zweitkäufer hat.34 Dieser Anspruch wurde von der Rechtsprechung so noch nicht zuerkannt,35 kann jedoch auch nur in dem Fall vorliegen, in dem der Zweitkäufer von dem Verkauf und dem Eintragungsantrag des ersten Käufers Kenntnis hatte.36 c)  Vormerkung als Lösung Um aber den Käufer einer Immobilie genau vor solchen Fällen des Doppelverkaufs zu schützen,37 wird in Deutschland sehr häufig das Institut der Vormerkung benutzt (§§  883 ff. BGB), das auch im chinesischen Recht in §  20 chin. SRG existiert.38 In diesem Fall kann der erste Käufer das Eigentum des zweiten Käufers doch noch beseitigen, weil die entsprechende Verfügung ihm gegenüber relativ unwirksam ist. Bezüglich der verschiedenen Funktionsweisen der Vormerkung im deutschen und chinesischen Recht kann allerdings auf den einschlägigen Beitrag zu dieser Tagung verwiesen werden.39 2. Betrugsfälle Eine weitere Frage bezog sich auf die Fallkonstellation, nach der ein Betrüger vortäuscht, Eigentümer eines Grundstücks zu sein, und dieses dann an einen gutgläubigen Dritten verkauft. In China ist es ein nicht seltener Fall, dass durch betrügerische Angaben gegenüber der Registrierungsstelle tatsächlich dem Betrüger ein falsches Zertifikat ausgestellt wird und der gutgläubige Käufer ins Register eingetragen wird.40 Eigentum erwirbt er allerdings aufgrund der Un31   Rainer Kanzleiter, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6, 6. Aufl. 2013, §  925 BGB Rn.  35; Röwer, NJW 1961, 539. 32   Vgl. MüKo BGB/Kanzleiter (Fn.  10) §  925 BGB Rn.  37 m. w. N. 33   Dazu ausführlich Röwer, NJW 1961, 539 (540). 34  Dafür Palandt/Bassenge (Fn.  29) §  925 Rn.  28; Röwer, NJW 1961, 539 f.; dagegen MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  873 Rn.  91; Dieckmann, Schutz (Fn.  22) 109 f. 35   Sondern nur für den Fall, in dem der Eintragungsantrag des Ersterwerbers zurückgewiesen worden war, vgl. BGH 25.02.1966 – V ZR 129/63, BGHZ 45, 186 (193). 36   Palandt/Bassenge (Fn.  29) §  925 Rn.  28. 37  Staudinger/Gursky (Fn.  4) §  888 BGB Rn.  1; MüKo BGB/Kohler (Fn.  10) §  883 Rn.  2 ; Bamberger/Roth/Eckert (Fn.  1) §  883 BGB Rn.  4. 38   Vgl. dazu XU, Grundstücksregister (Fn.  5) 34; DING/Jäckle, RIW 2007, 807 (812). 39   Claudia Schubert, in diesem Band, S.  115. 40   DING/Jäckle, RIW 2007, 807 (812).

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wirksamkeit des Vertrags nach den allgemeinen Grundsätzen des chinesischen Zivilrechts nicht.41 In diesem Kontext wurde die Frage gestellt, wie man den gutgläubigen Erwerber der Immobilie trotzdem noch schützen kann. Nach deutschem Recht ist ein solcher Vertrag ebenfalls nichtig, und zwar sowohl der notariell beurkundete Kaufvertrag42 als auch die dingliche Auflassung des Grundstücks.43 Die Voraussetzungen des öffentlichen Glaubens nach §  892 BGB liegen ebenfalls nicht vor, da der Betrüger nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Der gutgläubige Käufer erwirbt also ebenfalls kein Eigentum, sondern hat allenfalls Anspruch auf Schadensersatz (u. a. analog §  179 BGB44) gegen den Betrüger. Weiterer Schutz des gutgläubigen Dritten besteht nach dem BGB nicht. Dies lässt sich mit dem Hintergrund der Regelungen des BGB zum gutgläubigen Erwerb erklären: Hier muss vor allem eine Abwägung zwischen dem Interesse des gutgläubigen Erwerbers am Verkehrsschutz mit dem Interesse des tatsächlichen Eigentümers am Bestandsschutz seines Eigentums stattfinden.45 Wägt man im vorliegenden Betrugsfall diese Interessen gegeneinander ab, überwiegt nach dem Verständnis des BGB das Interesse des wahren Eigentümers, der nichts von der Sache ahnt oder wissen kann. Dahingegen lässt sich der gutgläubige Erwerber aus freien Stücken auf einen Vertrag mit dem Betrüger ein, weshalb es ihm nach der Sicht der deutschen Rechtsordnung auch zugemutet werden kann, sich den Risiken der Unwirksamkeit dieses Vertrags auszusetzen. Daher besteht nach dem BGB keine über die Ansprüche gegen den Betrüger hinausgehende Schutzwürdigkeit des gutgläubigen Dritten. 3.  Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Nichtberechtigten Eine letzte, sich nicht direkt im Sachenrecht befindende Vorschrift, die dennoch bei der Thematik der Verfügungen durch einen Nichtberechtigten erwähnt werden muss, betrifft die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Nichtberechtigten über die Sache. Im chinesischen Recht ist dies in §  51 des Vertragsgesetzes geregelt, der erhebliche Schwächen aufweist und vielfach kritisiert wurde.46 Problematisch ist hier  In diesen Fällen fehlt nämlich die Vertretungsmacht nach §  66 Abs.  1 der allgemeinen Zivilrechtsgrundsätze, wobei auch der gute Glaube an die Vertretungsmacht nicht geschützt ist, siehe dazu BU, ZVglRWiss 108 (2009) 307 (312). 42   Eberhard Schilken, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2014) Vor §  164 BGB Rn.  89 a. E.; Karl-Heinz Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 6.  Aufl. 2012, §  164 BGB Rn.  46. 43   RG 13.01.1923 – V 499/22, RGZ 106, 198 (199); Staudinger/Schilken (Fn.  42) Vor §  164 BGB Rn.  89. 44   Vgl. MüKo BGB/Schramm (Fn.  42) §  164 BGB Rn.  46. 45  Staudinger/Gursky (Fn.  4) §  892 Rn.  9 ; Jürgen Oechsler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6. Aufl. 2013, §  932 BGB Rn.  3. 46  Vgl. BU, JZ 2010, 26 (27 f.); Rolf Stürner, Das neue chinesische Sachenrecht, in: BU, 41

Gutgläubiger Erwerb von Immobilien im deutschen Recht

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bei die Tatsache, dass im chinesischen Recht eigentlich keine Trennung zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag, also der Verpflichtung, und dem dinglichen Vertrag, also der Verfügung, besteht.47 Denn dies führt dazu, dass nach dem Wortlaut des §  51 z.  B. ein Kaufvertrag eines Nichtberechtigten eigentlich von Anfang an unwirksam wäre, sodass hieraus weder Gewährleistungsansprüche noch Ansprüche auf Mitwirkung an der Eintragung resultieren können48 – und somit auch keine entsprechenden Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung49 – und dass nach dem Wortlaut ein gutgläubiger Erwerb dann gar nicht möglich wäre.50 Dies muss durch eine systematisch nicht ganz zweifelsfreie korrigierende Auslegung umgangen werden.51 Im deutschen Recht gibt es in §  185 BGB eine Vorschrift, die auf den ersten Blick mit §  51 des Vertragsgesetzes identisch ist: Verfügungen eines Nichtberechtigten über eine Sache sind so lange schwebend unwirksam, bis diese vom Berechtigten genehmigt werden oder bis der Berechtigte die Sache bzw. die Rechte daran erlangt.52 Jedoch besteht hierbei ein bedeutender Unterschied: In Deutschland herrscht, im Gegensatz zum chinesischen Recht,53 das Trennungsund Abstraktionsprinzip, d. h. die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags und die der dinglichen Eigentumsübertragung sind komplett getrennt voneinander zu beurteilen. Somit gilt §  185 BGB nur für den dinglichen Teil,54 sodass z.  B. der Kaufvertrag, durch den ein Nichtberechtigter eine Sache verkauft, davon nicht betroffen ist und somit trotzdem vollkommen wirksam ist. Daher hat der Käufer des Nichtberechtigten ggf. auch Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag und einen Anspruch auf Mitwirkung an der Eintragung ins Grundbuch sowie die entsprechenden vertraglichen Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung. Die eben beschriebene Problematik des chinesischen Rechts existiert daher in Deutschland dank des Abstraktionsprinzips so nicht.

Chinesisches Zivil- und Wirtschaftsrecht aus deutscher Sicht, 3 (7 f.) sowie BU, ZVglRWiss 108 (2009) 307 (310 f.). 47   Dazu ausführlich BU, JZ 2010, 26 ff. 48  Vgl. BU, JZ 2010, 26 (28); Stürner, Sachenrecht (Fn.  46) 8. 49   Julius/Rehm, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (387). 50   Julius/Rehm, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (387). 51   BU, JZ 2010, 26 (28); Julius/Rehm, ZVglRWiss 106 (2007) 367 (387). 52   Vgl. §  185 Abs.  1 BGB. 53   Siehe Fn.  47. 54  Vgl. Peter Bub, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 2012, §  185 Rn.  2.

Studie zur Rechtsnatur und Art der Schadenersatzhaftung des Registrierorgans für Eintragungsfehler Unter besonderer Berücksichtigung der durch Antragsteller und Registereinrichtung als Nebentäter oder Mittäter begangenen unerlaubten Handlung Baoyu LIU* (刘保玉)

I. Einleitung Art.  21 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes (chin. SRG) lautet: „Wenn eine Partei unter Vorlage falscher Unterlagen einen Antrag auf Eintragung stellt und anderen dadurch einen Schaden zufügt, haftet sie auf Schadensersatz.“ „Fügt eine unrichtige Eintragung anderen einen Schaden zu, so haftet die Registereinrichtung auf Schadensersatz. Nachdem sie Ersatz geleistet hat, kann sie von demjenigen, der die unrichtige Eintragung verursacht hat, Erstattung verlangen.“ Diese Vorschrift legt die Schadenersatzpflicht der Registereinrichtung für Registrierungsfehler fest, welche im Prinzip auch Zustimmung verdient. Allerdings ist diese Vorschrift zu grundsätzlich formuliert und so zu wenig praktikabel. Insbesondere die Rechtsnatur und die Inhalte der Haftung der Beteiligten sowie die Frage, welches Verfahrensrecht zur Anwendung kommen soll, wenn der Schaden durch eine von mehreren Beteiligten begangene unerlaubte Handlung verursacht wird, sind Gegenstand von akademischen Auseinandersetzungen. Auch besteht Diskussionsbedarf bezüglich der durch den Obersten Gerichtshof in der „Regulierung zu einigen Fragen über Verfahren in Eintragung der Gebäude“ [Gerichtliche Interpretation (2010) Nr.  15] (im Folgenden: „Regulierung über Verfahren in Gebäudesachen“) niedergelegten Lösungen. Ich möchte in dieser Arbeit einige persönliche Ansichten zu diesen Themen vorstellen, in der Hoffnung eine zielführende Diskussion anzustoßen, damit wir gemeinsam zu einer besseren Lösung gelangen können.

*  Englische Übersetzung: Dongmei ZHANG, Dong GUO, Beihang Universität. Übersetzung ins Deutsche: Laura Schmitt, LL.M. (Connecticut), Freie Universität Berlin; Prof. Dr. Hailong JI, Ost-China Universität für Politik- und Rechtswissenschaft, Shanghai.

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II.  Zum gesetzgeberischen Hintergrund und zur Grundidee der gesetzlichen Regelungen über Schadenersatz für Fehler bei der Eintragung von unbeweglichen Sachen 1.  Gesetzgeberischer Hintergrund und Gesetzesbegründung Unter der Eintragung von unbeweglichen Sachen versteht man, dass die Registereinrichtung auf Antrag einer Partei und nach Überprüfung des Antrags die Begründung, Änderungen, Übertragungen, Löschungen und vergleichbare Verfügungen über die Rechte an Immobilien in das Register einträgt. Die Eintragung hat weitreichende Bedeutung. Sie ist ein rechtlicher Publizitätsakt für Rechte an Immobilien und deren Veränderung; sie ist auch eine wirksame Maßnahme zur Erhöhung der Transaktionssicherheit. Zudem dient sie als Grundlage für die Verwaltung, um Steuer- und Verwaltungsabgaben festzusetzen und einzufordern. Deshalb haben viele Länder eindeutige Regelungen über die Antragsstellung, das Antragsverfahren, den Inhalt und die Wirkung der Eintragung und somit ein weitgehend abgeschlossenes System für die Registrierung von unbeweglichen Sachen geschaffen. Das chin. SRG enthält ebenfalls Regelungen zu diesen Themen. Die inhaltliche Richtigkeit der Eintragung wirkt sich nicht nur auf die beteiligten Parteien aus, sondern auch auf die Sicherheit und Ordnung von Immobilientransaktionen im Allgemeinen. Durch jeden Fehler können Schäden beim Inhaber des Immobiliarsachenrechts und bei anderen an der Transaktion beteiligten Personen eintreten. Wenn die Registereinrichtung für die Registrierung Gebühren verlangt, aber für die Folgen von Fehlern im Registrierungsverfahren nicht verantwortlich wäre, hätte dies sehr negative Auswirkungen auf das Pflichtgefühl der Registereinrichtungen und würde sie kaum anhalten, den Inhalt der Anträge sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, um sicherzustellen, dass der Inhalt des Antrags so verlässlich und zutreffend wie möglich ist. Wenn die Registereinrichtung bzw. die einzelnen Sachbearbeiter nicht einmal für Schäden haften würden, die durch grob fahrlässige Fehler im Registrierungsverfahren oder gar durch ein kollusives Zusammenwirken mit dem Antragssteller verursacht worden sind, verstieße dies gegen grundlegende rechtliche Prinzipien und wäre zudem außerordentlich ungerecht für den Geschädigten. Deshalb waren sich die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bei der Schaffung des chinesischen Sachenrechts einig, dass es nötig ist – ähnlich wie in den meisten anderen Ländern – eine Haftung für Fehler bei der Eintragung vorzusehen.1 1   Liming WANG, Vorschlagentwurf für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz und dessen Erläuterungen (王利明主编:《中国物权法草案建议稿及说明》) (2001) 188; Forschungs­gruppe des Obersten Volksgerichts zum Sachenrechtsgesetz, Erläuterung und Anwendung des Sachenrechtsgesetzes in der VR China (编著:《中华·人民共和国物权法条·文理解与适·用》) (2007) 107.

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2.  Verschiedene Lösungsansätze im Gesetzgebungsverfahren Trotz des großen Zuspruchs hinsichtlich der Einführung eines Haftungssystems für Fehler bei der Eintragung durch die Registereinrichtung wird die gesetzliche Ausgestaltung, insbesondere die Rechtsnatur der Haftungsansprüche, noch immer kontrovers diskutiert. Art.  40 [Staatshaftung] des „Vorschlagsentwurfs für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz“ von Huixing LIANG sieht vor: „Die Registereinrichtung hat für alle Fehler im Registrierungsverfahren, die auf ihrem Verschulden beruhen und die bei einer beteiligten Partei oder einem Interessenten Schäden verursachen, nach den einschlägigen Regelungen des Staatshaftungsrechts den Schadensersatz zu leisten.“ Diese Lösung enthält allerdings im Hinblick auf die Zurechnung und den Umfang des Schadensersatzes auch Elemente einer zivilrechtlichen Haftung und den Gedanken, dass ein solcher Staatshaftungsanspruch als verschuldensabhängige Haftung ausgestaltet werden muss. So heißt es in der Begründung: „Der herrschenden Meinung zur zivilrechtlichen Haftung folgend muss die Schadenersatzhaftung der Registereinrichtung drei Schadensposten decken: (1) Entschädigung für den Schaden am Immobiliarsachenrecht; (2) Zinsen; (3) Ersatz der Aufwendungen für die Rechtsdurchsetzung, wie die Kosten des Rechtsstreits, die der Partei oder einem relevanten Interessenten daran entstanden sind“.2 Art.  33 und Art.  34 des „Vorschlagsentwurf für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz und dessen Erläuterungen“ von Liming WANG sahen jeweils Vorschriften zur „Haftung des Registrierorgans“ und zur „Haftung für ein kollusives Zusammenwirken“ vor.3 Dies wurde im darauf basierenden „Wissenschaft­ ler-Vorschlagsentwurf und Begründungen zum chinesischen Zivilgesetzbuch – Teil: Sachenrecht“ von Liming WANG ergänzend verbessert. Art.  691 dieses Zivilgesetzbuchvorschlagentwurfs [Haftung der Registereinrichtung] sieht vor: „Registereinrichtungen sollen in folgenden Fällen Ersatz für den Schaden der beteiligten Parteien leisten: (1) Eintragungsfehler oder Auslassungen, (2) Verzögerung der Eintragung ohne sachlichen Grund, (3) Ablehnung eines Antrags, ein Registrierungsanliegen zu überprüfen, ohne sachlichen Grund“. In der Erläuterung zu dieser Entwurfsvorschrift wird ausdrücklich klargestellt, dass „das Verhalten des staatlichen Organs und seiner Angestellten bei der Erfüllung von Amtspflichten, durch das andere in ihren zivilrechtlichen Rechten verletzt werden, natürlich ein zivilrechtliches Delikt darstellt. Die Besonderheit bzgl. des deliktisch Haftenden, nämlich die Identität als Staatsorgan sowie Angestellte eines Staatsorgans, kann die zivilrechtliche Rechtsnatur dieser Haftung nicht 2   Huixing LANG, Stellungnahme zum Entwurf des chinesischen Sachenrechts – Normen, Erläuterungen, Begründungen und Beispielsfälle (梁慧星主编:《中国物权法草案建议 稿——条·文、说明、理由与参考·立法例》) (2000) 180. 3  Vgl. WANG, Sachenrecht (Fn.  1) 187–189.

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ändern.“ Angesichts der Streitigkeit über die Rechtsnatur dieser Haftung führen aber die Erläuterungen den Kompromiss weiter, „dass der Geschädigte Schadensersatz – wenn sich in der Zukunft das chinesische Staatshaftungsrecht verbessern wird – sowohl nach Maßgabe der Vorschriften des Staatshaftungsrechts verlangen können soll, als auch zivilrechtliche Ansprüche aus zivilrechtlichem Delikt geltend machen können soll“. Art.  692 dieses Zivilgesetzbuchvorschlagentwurfs [Verantwortlichkeit für ein kollusives Zusammenwirken] sieht vor: „Ein Antragsteller und die Registereinrichtung, die kollusiv zusammenwirken und somit einem anderen Schaden zufügen, haften gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden.“ Aus der Entwurfsbegründung geht klar hervor, dass „es eine Mittäterschaft im Sinne der Art.  130 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts darstellt, wenn der Antragsteller und die Registereinrichtung kollusiv zusammenarbeiten, mit der Folge, dass der Antragsteller und die Registereinrichtung dem Geschädigten gegenüber gesamtschuldnerisch haften“.4 In diversen Gesetzesentwürfen für das chin. SRG waren unterschiedliche Konzepte und Ausformungen der Schadensersatzpflicht für Fehler im Registrierungsverfahren vorgesehen.5 Die heutige Gesetzesfassung des Art.  21 chin. SRG wurde endlich in der fünften Entwurfsfassung im August 2006 festgelegt. 3.  Grundidee des Gesetzes und die ungelöst bleibenden Probleme Obwohl sich der Gesetzgeber, die Rechtswissenschaft und die Praxis etlichen Streitpunkten, wie z. B. der Verwaltung des Grundstücksregisters, der Rechtsnatur der Registrierungstätigkeit, der Rechtsnatur der Schadensersatzhaftung, der Zurechnung, dem Umfang der Schadensersatzhaftung und der Einrichtung eines Ausgleichsfonds, zugewandt haben, ist das Meinungsspektrum immer noch breit gefächert. Deshalb sieht Art.  21 chin. SRG nur eine grundsätzliche Regelung vor, die es künftig besonderen Rechtsvorschriften bzgl. der Eintragung von Rechten an unbeweglichen Sachen vorbehält, die Einzelprobleme zu lösen. 6 Positiv an einem solchen Vorgehen ist, dass es zu einer einfachen und 4   Liming WANG, Wissenschaftlicher Vorschlag und gesetzgeberische Begründung des chinesischen Zivilrechts, Kapitel über das Sachenrecht(王利明:《中国民法典学者建议稿及·立 法理由·物权编》)(2005) 60–63. 5   Vgl. Art.  23 des Vorschlags für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz Januar 2002; Art.  26 des Vorschlags für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz in der zweiten Fassung Oktober 2004, Art.  24 Vorschlags für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz in der dritten Fassung Juli 2005, Art.  23 Vorschlags für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz in der vierten Fassung Oktober 2005 und Art.  21 Vorschlags für ein chinesisches Sachenrechtsgesetz in der fünften Fassung August 2006(参见 2002年1·月的《物权法(征求意见稿)》第23条,2004年10·月的《物权法(草 案)》(·二次审议稿)第26条 2005 年7·月的三次审议稿第24条,2005年10·月的四次审议稿第23 条,2006年8·月的五次审议稿第21条。). 6   Kangsheng HU, Kommentar zum Sachenrechtsgesetz der VR China(胡康 生主编:《中华 人民共和国物权法释义》) (2007) 63–64; vgl. Forschungsgruppe des Obersten Volksgerichts zum Sachenrechtsgesetz, Sachenrechtsgesetz (Fn.  1) 108–109.

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kurzen Vorschrift führt und ausreichend Gestaltungsspielraum für künftige Gesetzgebung und Rechtsprechung bleibt. Aus der Sicht der Rechtsanwendung ist aber kritisch anzumerken, dass viele Probleme immer noch ungelöst sind und die sehr unklaren Regelungen sich negativ auf die Lösung aktueller Streitigkeiten auswirken. Art.  21 chin. SRG basiert angesichts der gesetzgeberischen Intention eindeutig auf folgenden Grundideen: 1. Antragsteller und Registereinrichtung sollen für Schäden haften, die sie einem anderen durch vorsätzliche oder fahrlässige Fehler im Registrierungsverfahren zufügen. 2. Wenn der Antragsteller durch falsche Angaben bei der Antragstellung eine fehlerhafte Registrierung bewirkt und dadurch einem anderen ein Schaden entsteht, ist der Antragsteller für diesen Schaden verantwortlich. Wenn demgegenüber ein Registrierungsfehler auf ein Fehlverhalten der Registereinrichtung zurückgeht und einem Dritten hieraus ein Schaden entsteht, haftet die Registereinrichtung gegenüber dem Geschädigten auf Schadensersatz. 3. Wenn die Registereinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, kann sie, nachdem sie den Anspruch des Geschädigten erfüllt hat, bei dem für den Fehler verantwortlichen Personen Regress nehmen. 4. Die in diesem Absatz definierten Pflichten bestehen nur, wenn durch die fehlerhafte Registrierung tatsächlich ein Schaden entstanden ist,7 was nicht der Fall ist, wenn der Schadenseintritt rechtzeitig verhindert werden kann, z.  B. durch die Korrektur der Eintragung. Nach meiner Einschätzung sind insbesondere die folgenden Fragen noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden und generieren daher immer noch Streitigkeiten: 1. Wie ist die Haftung konkret zu tragen, wenn der Antragsteller dem Antrag falsche Unterlagen beifügt und die Registereinrichtung ihrer Prüfungspflicht nicht (ordnungsgemäß) nachkommt und die fehlerhafte Eintragung, die zu einem Schaden führt, dadurch mitverursacht (sogenannte nebentäterschaftliche unerlaubte Handlung)? 2. Wie verhält es sich mit der Haftung, wenn der Antragsteller mit einem Mitarbeiter der Registereinrichtung zusammenwirkt, um gemeinschaftlich eine für einen anderen nachteilige Eintragung herbeizuführen (sogenannte mittäterschaftliche unerlaubte Handlung)?

7   In dem Fall, dass einem Opfer (dem tatsächlichen Gläubiger) ein Schaden entsteht, ist es regelmäßig so, dass der gutgläubige Erwerber eines Rechts geschützt wird und eine Naturalrestitution ausscheidet.

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3. Welche Rechtsnatur hat die Haftung der Registrierungsbehörde? Staatshaftung oder zivilrechtliche Haftung? Welches Zurechnungsprinzip ist hier anzuwenden? 4. Wie ist das Innenverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Registereinrichtung in den Fällen einer nebentäterschaftlichen oder mittäterschaftlichen unerlaubten Handlung ausgestaltet – als anteilige Haftung, als gesamtschuldnerische Haftung, als unechte Gesamtschuld, als ergänzende Haftung oder anders? Hat der Geschädigte das Recht, beide Schädiger gemeinsam zu verklagen? Welche Verfahren sollten zur Anwendung kommen? Das verwaltungsrechtliche oder zivilrechtliche Gerichtsverfahren? 5. Wer kommt als Anspruchsgegner für mögliche Regressansprüche der Registereinrichtung in Betracht? Die Erörterung und Beantwortung dieser Fragen erfordern eine Auseinan­ dersetzung mit der Rechtsnatur der Eintragung, der Überprüfungspflicht der Registereinrichtung usw. Sie betrifft nicht nur zivil- bzw. sachenrechtliche Aspekte, sondern erstreckt sich auf den Bereich des Verwaltungsrechts und des Staatshaftungsrechts. Sie betrifft sowohl das materielle Recht als auch das Verfahrensrecht.

III.  Meinungsstand in der Rechtswissenschaft und Erfahrungen aus der Praxis 1.  Offizielle Erläuterung nach dem Inkrafttreten des chinesischen Sachenrechtsgesetzes Das nach Inkrafttreten des chinesischen Sachenrechtsgesetzes von der Arbeitsgruppe Recht des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses herausgegebene Erläuterungsbuch zum chinesischen Sachenrechtsgesetz deutet an, dass „es nach wie vor unterschiedliche Meinungen dazu gibt, welche Rechtsnatur die Registereinrichtung besitzen soll. Dies sollte im Rahmen der künftigen Reform des Verwaltungssystems geklärt werden. Gegenwärtig wäre es nicht angemessen, eine Staatshaftung der Registereinrichtung sofort vorzusehen.“8 Diese Auslegung und der Gesetzesentwurf sprechen in gewisser Weise dafür, dass das gesetzgeberische Organ den Anspruch nach Art.  21 chin. SRG als zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch qualifizieren wollte. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über die deliktische Haftung der VR China (chin. DHG) im Jahr 2009 hat diese Arbeitsgruppe auch ein Erläuterungsbuch dazu veröffentlicht. Art.  34 Abs.  1 chin. DHG sieht vor: „Wenn ein Arbeitnehmer bei Erfüllung seiner Pflichten einem anderen einen Schaden zufügt, soll der   HU, Sachenrechtsgesetz (Fn.  6) 64.

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Arbeitgeber dafür haften.“ In diesem Erläuterungsbuch zum DHG stellt die Arbeitsgruppe in Bezug auf Art.  34 Abs.  1 chin. DHG klar, dass der „Arbeitgeber“ im Sinne dieser Vorschrift auch eine öffentliche Einrichtung sein könne; sie wies aber darauf hin: „Dieses Gesetz regelt auch das Handeln der nationalen Regierungsbehörden und ihrer Mitarbeiter in privatrechtlichen Angelegenheiten; fällt allerdings ein Fall in den Anwendungsbereich des Staatshaftungsrechts, sollen die einschlägigen Regelungen des Staatshaftungsrechts Anwendung finden.“ Die Erläuterungen in dem Erläuterungsbuch verweisen zu der Frage, ob die staatlichen Einrichtungen bei ihren Arbeitnehmern Regress nehmen können, nachdem sie die Schadensersatzforderung beglichen haben, ausdrücklich auf Art.  21 chin. SRG. Sie nehmen zudem ausdrücklich Bezug auf Art.  121 Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts der VR China (chin. AGZ) und Art.  152 der „Stellungnahme des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen zur Umsetzung der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts“.9 Bedauerlicherweise stellt dieses Erläuterungsbuch zur Frage der Rechtsnatur der Haftungsansprüche aufgrund von Fehlern der Mitarbeiter der Registereinrichtung nichts klar. In dem Buch „Erläuterung und Anwendung des Sachenrechtsgesetzes“, das vom Obersten Volksgerichtshof herausgegeben wurde, finden bei den einschlägigen Vorschriften sowohl die Regelungen des Staatshaftungsrechts als auch Art.  121 chin. AGZ Erwähnung. Zudem finden sich Hinweise darauf, dass „in der Verfahrenspraxis diejenigen, die ein solches Gesetz anwenden, berücksichtigen sollen, dass die Vorschrift nur prinzipielle Aussagen trifft, so dass das Gericht in seiner Entscheidung über die Haftung der Registereinrichtung die bisherigen Gesetze, Auslegung der Rechtsprechung sowie Ministeriumsverordnungen weiter anwenden sollen, bevor das Immobilieneintragungsgesetz, weitere neue Gesetzgebungen sowie neue höchstrichterliche Gesetzauslegungen in Kraft treten werden.“10 Der Oberste Gerichtshof scheint also zur staatshaftungsrechtlichen Lösung zu tendieren. Andererseits finden sich in dem Buch „Erläuterung und Anwendung des Deliktshaftungsgesetzes“, ebenfalls herausgegeben vom Obersten Volksgerichtshof, Hinweise darauf, dass der Arbeitgeberbegriff in Art.  34 Abs.  1 chin. DHG Behörden umfasst und den eindeutigen Hinweis darauf, dass „dieses Gesetz nach seinem Inkrafttreten den Art.  121 chin. AGZ ersetzen wird und die allgemeine Vorschrift für unerlaubte Handlungen durch Mitarbeiter nationaler Behörden darstellen soll und dass das Staatshaftungsrecht das speziellere Recht zu

9   Shengming WANG, Erläuterungen zum Gesetz über die deliktische Haftung der VR China(王胜明主编:《中华·人民共和国侵权责任法释义》) (2010) 167–171; Shengming WANG, Erläuterungen zum Gesetz über die deliktische Haftung der VR China (王胜明主编:《中华·人 民共和国侵权责任法解读》) (2010) 143–147. 10   Forschungsgruppe des Obersten Volksgerichts zum Sachenrechtsgesetz (Fn.  1) 109–110.

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Art.  34 Abs.  1 chin. DHG ist“.11 Es scheint also so, als würde der Oberste Volksgerichtshof zögern und das Problem nicht konsistent lösen wollen. 2.  Stand der wissenschaftlichen Diskussion Zur Rechtsnatur der Haftung für durch die Registereinrichtung verursachte Eintragungsfehler werden in der wissenschaftlichen Diskussion unterschiedliche Standpunkte vertreten, insbesondere die Lehre der Staatshaftung, die Lehre der zivilrechtlichen Haftung, die Lehre der Doppelnatur der Haftung und die Meinung der unklaren Rechtsnatur der Haftung.12 Das Hauptargument für die Staatshaftungslehre ist, dass die Registereinrichtungen in China als Behörden ausgestaltet sind, so dass es naheliegend erscheint, ihre Haftung nach dem Staatshaftungsrecht zu bestimmen. Die Eintragung ist eine spezifische Verwaltungshandlung (bzw. eine verwaltungsähnliche Handlung oder ein „quasi-verwaltungsrechtliches Handeln“, „Verwaltungshandeln auf der Grundlage eines Antrags des Beteiligten“ oder „bestätigendes Verwaltungshandeln“ usw.). Eintragungsfehler sind folglich Fehler bei der Durchführung einer Verwaltungshandlung (bzw. verwaltungsähnlichen Handlung). Die Haftung für Schäden, die durch diese Handlung verursacht werden, sollte unter das Staatshaftungsrecht fallen und die Schadenskompensation auf Staatskosten erfolgen. Zur Begründung dieser Ansicht werden vor allem Art.  2 und 4 des chinesischen Staatshaftungsgesetzes, Art.  2 und 11 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie Art.  1 Abs.  1 der „Höchstrichterlichen Auslegungen bzgl. der Durchsetzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes“ herangezogen. Das Hauptargument für die Lehre der zivilrechtlichen Haftung ist, dass die Rechtsgrundlagen und die Argumentation der Staatshaftungslehre weder ausreichend noch eindeutig sind. Obwohl das Registrierungsverfahren gegenwärtig durch staatliche Behörden durchgeführt wird, handelt es sich bei der Eintragung um die Ausgestaltung privater Rechte und um eine Handlung, die ihre Grundlagen im Privatrecht hat. Deshalb sollte die Haftung für Fehler in Registrierungsverfahren ebenfalls privatrechtliche Natur besitzen.13 Die Haftung für Fehler bei der Eintragung und die Haftung von Arbeitgebern, die jeweils im chin. SRG und chin. DHG als die zivilrechtlichen Gesetzgebungen geregelt 11   Xioaming XI, Erläuterung und Auslegung des Gesetzes über die deliktische Haftung der VR China(奚晓明主编:《中华·人民共和国侵权责任法条·文理解与适·用》) (2010) 244, 245, 254. 12   Für eine Zusammenfassung der vertretenen Standpunkte und der Diskussion, vgl. Lixin YANG, Rechtsnatur der Schadensersatzhaftung für Eintragungsfehler(参见杨·立新:《论不 动产错误登记损害赔偿责任的性质》 )(2010). 13   Chongming WANG, Stellungnahme zu Einzelfragen des chinesischen Registereintragungssystems (王崇敏:《我国不动产登记制度若·干问题探讨》), 2.  Aufl. 2003; Mingfa LI, Stellungnahme zur gesetzgeberischen Entlastung bei Eintragungsfehlern – unter besonderer Bezugnahme auf Grundstückseintragungen (李明发:《论不动产登记错误的法律救济———以房 产登记为重·心》), 6.  Aufl. 2005.

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sind, stellen naturgemäß eine zivilrechtliche Haftung dar.14 Die rechtliche Grundlage für diese Ansicht findet sich zuvorderst in Art.  121 chin. AGZ, Art.  21 chin. SRG und Art.  34 Abs.  1 chin. DHG. Die Lehre der Doppelnatur der Haftung fußt auf der Annahme, dass die Registrierung einer unbeweglichen Sache zwei Handlungen erfordert, zum einen das Stellen des Antrags, zum anderen dessen Überprüfung durch die staatlichen Behörden. Eine Schadensersatzhaftung auf der ersten Ebene ist zivilrechtlich auszugestalten, während die Haftung auf der zweiten Ebene dem Staatshaftungsrecht unterliegt. Innerhalb dieser Lehre vertritt ein Teil die sogenannte Lehre von der Haftungskonkurrenz, die annimmt, dass die Haftung für Fehler des Registrierungsorgans sowohl nach dem Staatshaftungsrecht als auch nach dem Zivilrecht erfolgen kann. Der Geschädigte habe insoweit ein Wahlrecht. Nach einer anderen Ansicht ist die Rechtsnatur des Haftungsanspruchs im Sachenrechtsgesetz und in der später in Kraft getretenen Landregistrierungsverordnung und Gebäuderegistrierungsverordnung nicht klar bestimmt (Lehre der unklaren Rechtsnatur der Haftung). Deshalb gebe es bisher verschiedene Ansichten zur Rechtsnatur der Schadensersatzansprüche und es bedürfe einer Klarstellung im Rahmen der künftigen Reform des Verwaltungssystems. Derzeit lasse es sich weder rechtfertigen, die Haftung der Registrierungsbehörde in das System des Staatshaftungsrechts noch in das der zivilrechtlichen Haftung einzuordnen. 3.  Uneinheitliche Rechtsanwendungspraxis der Gerichte Durch meine Untersuchung zur Rechtspraxis bin ich zu dem Schluss gelangt, dass in der Praxis alle oben genannten Ansichten vertreten werden. In der Praxis haben einige lokale Registrierungsverordnungen klare Regelungen über eine zivilrechtliche Haftung geschaffen.15 Nach Inkrafttreten des chin. SRG haben einzelne lokale Gerichte Lösungsansätze im Rahmen des Zivilverfahrens vorgeschlagen,16 während die Gerichte größtenteils eine Lösung über das Verwal14   Eine verbreitete Ansicht vertritt, dass das Staatshaftungsrecht als Sonderzivilrecht eingeordnet werden sollte, mit der Folge, dass das Staatshaftungsrecht nur eine besondere Form der Haftung wegen einer unerlaubten Handlung wäre, vgl. http://www.iolaw.org.cn/show Article.asp?id=2687 (zuletzt 21.07.2014)(如 1999年《浙江省城市房屋产权产籍管理条例》第 31条第1款规定:“房地产业 · 行政主管部门·工作·人员,错发房屋权利证书或房屋权利证书登记 内容有误的,房地产业·行政主管部门应·自发现之·日起5·日内予以改正。给权利·人造成损失 的,应依法承担民事责任。”). 15   In Artikel 31.1 „Lokale Immobilienregistrierungsverwaltung der Provinz Zhejiang“ aus dem Jahr 1999 heißt es: „In dem Fall, das Mitarbeiter der Immobilienverwaltungsbehörde ein Grundstückszertifikat erteilt haben, das nicht erteilt hätte werden dürfen oder einen Fehler enthielt, hat die Immobilienverwaltungsbehörde den Fehler binnen 5 Tagen nach Kenntnis desselben zu korrigieren; soweit ein Schaden entstanden ist, soll die Immobilienverwaltungsbehörde die zivilrechtliche Haftung tragen“. 16   So zum Beispiel das Volksgericht in der Provinz Zhejiang, in seinen Stellungnahmen zu Einzelfragen betreffend zivilrechtliche Urteile zum Grundsrücksrecht, welches zu Art.  1 er-

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tungsverfahren und das Staatshaftungsrecht gewählt haben. Bemerkenswert ist, dass es sich meist um Fälle handelt, in denen der Geschädigte nur die Registereinrichtung in Anspruch genommen hatte, während kein Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller betrieben wurde. Diese Wahl des Geschädigten ist sicherlich zu respektieren. In einigen Fällen, in denen das Verhalten des Antragstellers zugleich einen Straftatbestand verwirklicht hat, wurden die Antragsteller wegen der Straftaten verurteilt. Die Opfer verfolgten ihre Schadensersatzansprüche dann in einem Adhäsionsverfahren. Wenn allerdings der Schädiger keinen Schadenersatz leisten konnte, haben die Geschädigten ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, um Schadenersatz von der Registereinrichtung zu erlangen.17 Deshalb enthalten diese Fälle keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen zur Staatshaftung. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Umstand, dass es in Art.  1 der Regulierung über Verfahren in Gebäudesachen vom Obersten Gerichtshof im Jahr 2010 heißt: „In Fällen, in denen ein Bürger, eine juristische Person oder sonstige Organisation nicht bereit ist, eine Verwaltungshandlung oder ein pflichtwidriges Unterlassen einer Grundbucheintragung der Registrierungsbehörde hinzunehmen, und anschließend eine Klage im Verwaltungsprozess erhebt, soll das Volksgericht diese Klage annehmen.“ Hinsichtlich der Haftung als Nebentäter oder Mittäter aus Art.  21 chin. SRG bestimmt diese Regulierung in den Art.  12 und 13, dass unter der Voraussetzung, dass der „Antragsteller, der falsche Unterlagen bei der Registerbehörde vorlegt und einen Schaden zu Lasten des Beschwerdeführers verursacht und die Registrierungsbehörde die Unterlagen nicht sorgfältig geprüft hat, die Schadensersatzhaftung nach dem Verschuldensgrad und der Mitwirkung im Rahmen des Schadensfalles übernimmt“.18 „Für den Fall, dass ein Angestellter der Registereinrichtung arglistig mit einem Dritläuterte, dass derartige Zivilsachen „die zivilrechtliche Schadenersatzfälle, die Eintragungsfehler zum Gegenstand haben“, erfassen sollen. Vgl. ZheFaMinYi (2009) Nr.  3( . 例如,浙江省· 高级·人民法院《关于审理涉及房地产登记民事案件若·干问题的意见(试·行)》(浙法民·一 [2009]3号). Diese Stellungnahme steht im Einklang mit den Regelungen zum Klagegrund in Zivilverfahren vom Obersten Volksgericht FaFa (2008) Nr.  11 (第1条明确规定此类民事案件包 括“与错误登记有关的民事赔偿纠纷案件”。·而这·一地·方法院的指导性意见,并·非独创,其 与最·高·人民法院《民事案件案由规定》 (法发[2008]11号)的规定是·一致的。). 17   Xioayan LIU, zum Staatshaftungsanspruch, der aus einem Eintragungsfehler resultiert, People’s Court Daily(刘晓燕:《房地产错误登记引出·行政赔偿案》,载《·人民法院报》), 11.11.2009, 8. 18   Die Norm unterscheidet sich von dem Vorschlagsentwurf. Der ursprüngliche Art.  11 in der Entwurfsfassung normierte, dass jeder Antragsteller, der bei einer Grundbuchregistrierung falsche Unterlagen vorlegt und dadurch den Kläger schädigt, für entstandene Schäden haften soll; jede Registereinrichtung, die ihrer Pflicht fahrlässig nicht nachkommt, soll für den Schaden aufkommen, der sich nach dem Grad des Verschuldens und der Art der Mitwirkung im Rahmen des Schadensfalles richtet. „Wenn eine Partei verlangt, dass die Schadenersatzangelegenheit im vorigen Absatz gemeinsam gelöst werden soll, dann können die Verfahren gemeinsam verhandelt werden.“ Dieser Entwurfswortlaut zeigt, dass mit dieser „gemeinsamen Verhandlung“ das Adhäsionszivilverfahren in einem Verwaltungsgerichtsverfahren

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ten zusammenwirkt, um eine unrechtmäßige Eintragung zu erwirken, und dadurch die Rechte und Interessen des Klägers verletzt, sollen die Registereinrichtung und der Dritte gesamtschuldnerisch haften“. Diese Regulierung folgt bzgl. der Haftung der Registereinrichtung offensichtlich dem Lösungsansatz der Staatshaftung, die einem Verwaltungsverfahren unterliegen soll. Aber es ergibt sich aus der Bestimmung nicht eindeutig, wie mit der Haftung des Antragstellers als Nebentäter umzugehen ist. Der Regelungszweck spricht für die Lösung, eine „Klage vor dem Verwaltungsgericht mit einem Adhäsionszivilprozess“ zu verbinden, ansonsten wird das Gericht nicht in der Lage sein, „den Grad an Verschulden der Registerbehörde und ihrer Mitwirkung im Rahmen eines Verfahrens“ zu bestimmen. Problematisch ist aber, dass es noch keinen ausgereiften Standard dafür gibt, wie ein Verwaltungsstreitverfahren verbunden mit einem Adhäsionszivilprozess konkret durchzuführen ist. Hinsichtlich der Frage einer deliktischen Mittäterschaft wird in der Verordnung klargestellt, dass die Haftung eine gesamtschuldnerische ist. Hierbei ist aber problematisch, wie eine „gesamtschuldnerische“ zivilrechtliche Haftung des Antragstellers und eine verwaltungsrechtliche Haftung der Registereinrichtung konkret aussieht. Diese beiden Haftungen haben eine unterschiedliche Rechtsnatur. Hieran kann man erkennen, dass die Einführung dieser Vorschrift viele Probleme nicht lösen konnte.

IV.  Verschiedene Lösungsansätze zur nebentäterschaftlich und mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Handlung des Antragstellers und der Registereinrichtung 1.  Mögliche Lösungen für Fälle einer nebentäterschaftlich oder mittäterschaftlich unerlaubte Handlung Die Fälle der Schäden infolge von Registrierungsfehlern lassen sich wie folgt beschreiben: 1. Fehler, die allein durch den Antragsteller verursacht werden, 2.  Fehler, die allein durch die Registereinrichtung verursacht werden, 3. Fehler, die durch den Antragsteller und die Registereinrichtung verursacht werden und die sich getrennt betrachten lassen, z.  B. wenn der Antragsteller (absichtlich) fehlerhafte Unterlagen zur Verfügung stellt und die Angestellten der Registereinrichtung ihre Überprüfungspflicht (fahrlässig) nicht ordnungsgemäß erfüllen oder wenn die Registereinrichtung und der Antragsteller in Schädigungsabsicht (gemeinsamer Vorsatz) zusammenwirken und gemeint ist, dessen Rechtsgrundlage sich im Art.  61 der Interpretationen zu Einzelfragen über die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes befindet.

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4.  Fehler, die von mehreren Personen verursacht werden. Es kann auch die Konstellation der Mitverursachung durch den Geschädigten bestehen, der die Eintragung nicht sorgfältig geprüft hat. Wenn nur ein Beteiligter den Registrierungsfehler und damit den Schaden verursacht hat, bestehen keine Zweifel daran, dass dieser allein für den entstandenen Schaden verantwortlich ist. In diesen Fällen – unabhängig davon, ob die Registereinrichtung in einem Zivilverfahren oder in einem Verwaltungsverfahren in Anspruch genommen wird – wird es in der Praxis, auch wenn sich die zwei Verfahrensarten in Bezug auf den Verfahrensablauf, die Beweislastverteilung, Verteidigungsmittel und den Umfang des Schadensersatzes unterscheiden, kaum zu Problemen kommen. Wenn allerdings der Antragsteller und die Registereinrichtung beide für die fehlerhafte Eintragung und den daraus entstandenen Schaden verantwortlich sind, dann sollten beide für den Schaden gemeinschaftlich haften, sodass sich die Frage stellt, welches Verfahren Anwendung finden soll und wie sich die Haftung der zwei Schädiger zueinander verhält. Die unterschiedlichen Meinungen in Literatur und Praxis zum Vorgehen beim nebentäterschaftlichen Delikt von Antragsteller und Registereinrichtung (Einreichung von gefälschten Unterlagen vom Antragsteller und unsorgfältige Prüfung der Unterlagen durch die Registereinrichtung) lassen sich in die folgenden vier Lösungsansätze einteilen: 1. Der Geschädigte kann gegen den Antragsteller nur auf dem Zivilrechtsweg vorgehen und gegen die Registereinrichtung nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, mit der Folge, dass das Gericht auch nur entsprechend ihrer Haftungsanteile entscheiden kann.19 2. Falls der Geschädigte das Registerorgan auf Schadensersatz in Anspruch nimmt und zugleich beantragt, dass über seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Antragsteller entschieden wird, könnte das Gericht über beide Ansprüche im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entscheiden (der Antragsteller stünde entsprechend einem Mitbeklagten oder einem Beigeladenen). Ein solches, das verwaltungsgerichtliche Verfahren begleitende Adhäsionszivilverfahren halten insbesondere viele Verwaltungsrechtswissenschaftler für sinnvoll.20 19   Viele haben diesen Vorschlag unterstützt. Im oben genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Geschädigte zunächst einen zivilrechtlichen Anspruch in einem Adhäsionsverfahren gegen den Antragstellter geltend gemacht und erst später die Registereinrichtung verklagt. 20   Yongping LI, Stellungnahme zur Verbindung des Verwaltungsverfahrens mit dem Zivilprozess, Internetpublikation; Guifang YAN, Analyse betreffend die Verbesserung der Verbindung des Verwaltungsverfahrens mit dem Zivilprozess. Art.  11 der Regelungen über Einzelfragen von Gerichtsverhandlungen bei Grundstücksverhandlungen, welche von der Abteilung für Verwaltungsrecht beim des Obersten Volksgerichts entworfen wurden, hat ganz klar diese Position eingenommen.

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3. Der Geschädigte könnte sich dazu entscheiden, nur ein Verfahren – entweder gegen den Antragsteller oder gegen die Registereinrichtung – zu führen (weil die beiden nach den Grundsätzen einer unechten Gesamtschuld haften).21 Wenn aber die Haftung der Registereinrichtung gewählt wird, ist die Frage zur Rechtsnatur der Haftung der Registereinrichtung und dazu, ob das Registerorgan mit einem zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren in Anspruch genommen werden soll, unterschiedlich zu beantworten. Der Geschädigte könnte den Antragsteller und die Registereinrichtung 4.  gleichzeitig in einem zivilrechtlichen Verfahren in Anspruch nehmen und sie gemeinschaftlich auf zivilrechtlichen Schadenersatz verklagen. Wenn der Antragsteller und ein Angestellter der Registereinrichtung einvernehmlich zusammengewirkt haben, um eine unrechtmäßige Eintragung zu ermöglichen, und so einen Schaden bei einem Dritten verursacht haben, besteht Einvernehmen darüber, dass es sich um eine „mittäterschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, für die die Parteien gesamtschuldnerisch haften sollen“. Diskussionsbedarf besteht jedoch hinsichtlich der Rechtsnatur der Haftung und der einschlägigen Verfahrensart. In solch einem Fall kommen nur die oben genannten Lösungsansätze Nummer 2 und 4 in Betracht. 2.  Rechtsnatur der Haftung der Registerbehörde auf Schadensersatz und deren Folgen Unter den oben genannten Lösungsansätzen bestehen die größten Differenzen, wenn es um die Rechtsnatur der Haftung der Registerbehörde für Eintragungsfehler geht. Wenn der Schadenersatzanspruch dem Staatshaftungsrecht oder dem Verwaltungsrecht zuzuordnen wäre, können das Staatshaftungsrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht und die entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Anwendung kommen. Wäre er hingegen als zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch zu qualifizieren, müsste man das Sachenrechtsgesetz, das Deliktsrechtsgesetz, das Zivilprozessrecht und die hierfür maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu Rate ziehen. Hieraus ergeben sich viele Unterschiede, sowohl auf materiell-rechtlicher als auch auf prozessualer Ebene: Erstens bestehen Unterschiede beim Erfordernis eines Vorverfahrens. Der Betroffene, der auf dem Verwaltungsrechtsweg Schadensersatz einklagt, muss sich zuerst an das Organ wenden, das zum Schadensersatz verpflichtet ist und das innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags entscheiden soll. Sofern nach Fristablauf der Schadensersatz nicht von dem Organ anerkannt oder die Höhe des Schadensersatzes streitig ist, kann innerhalb von drei Monaten nach Fristablauf Klage beim Volksgericht erhoben werden. Sofern der Geschädigte eine zivilrechtliche Klage erhebt, besteht kein solches Vorverfahren.   YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12).

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Zweitens bestehen unterschiedliche Verjährungsfristen: Verwaltungsrechtliche Schadensersatzansprüche verjähren in zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem die schädigende Handlung des Staatorgans bzw. des Mitarbeiters des Staatorgans als rechtswidrig qualifiziert worden ist. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche verjähren nach zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte müssen. Drittens bestehen unterschiedliche Zurechnungsprinzipien: Im Staatshaftungsrecht richtet sich die Zurechnung des Verhaltens nach der herrschenden Meinung nach dem sogenannten Prinzip der Rechtswidrigkeit; während sich die zivilrechtliche Zurechnung des Eintragungsfehlers durch die Registereinrichtung nach der herrschenden Meinung nach dem Prinzip der strikten Haftung richtet. Viertens ist die Beweislast unterschiedlich verteilt. Im für das Staatshaftungsrecht maßgeblichen Verwaltungsprozessrecht trägt der Beklagte die Beweislast. Im Zivilprozessrecht liegt die Beweislast beim Kläger. Fünftens sind die Verteidigungsmittel verschieden. Nach Art.  5 Staatshaftungsgesetz haftet der Staat nicht, wenn „(1) ein Amtswalter außerhalb seines Aufgabenbereichs handelt, (2) Schäden auf eigene Handlungen von Bürgern, juristischen Personen oder anderen Personengesamtheiten zurückzuführen sind, oder (3) andere gesetzliche Ausnahmeregelungen eingreifen“. Im chin. DHG und im chin. AZG sind deutlich mehr Einreden und Einwendungen geregelt, insbesondere kann sich der Schädiger auf sein fehlendes Verschulden bzw. auf ein Mitverschulden des Geschädigten berufen. In Fällen, in denen es um eine Schadensersatzhaftung der Registereinrichtung geht, kommt es häufig vor, dass den Geschädigten ein Mitverschulden trifft. Das Verwaltungsrecht sieht keine ausdrückliche Anrechnung eines solchen Mitverschuldens vor (auch wenn es Rechtsprechung gibt, die eine Haftungsbegrenzung zugunsten des Schädigers annimmt 22), während im Zivilrecht ein Mitverschulden haftungsmindernd zu berücksichtigen ist.23 Sechstens ist auch der Haftungsumfang verschieden. Nach Art.  28 Staatshaftungsgesetz werden nur „unmittelbare Schäden“ ersetzt, während das zivilrechtliche Schadensersatzrecht dem Prinzip der vollständigen Entschädigung folgt, die nicht auf unmittelbare Schäden begrenzt ist.   LIU, Eintragungsfehler (Fn.  17).   Es ist anzumerken, dass das Mitverschulden des Geschädigten zwar ein Grund für die Haftungserleichterung zugunsten der Registereinrichtung im Verhältnis zum Geschädigten sein kann, aber nicht gegenüber dem Antragsteller, der bewusst falsche Unterlagen vorlegt und so den Registerfehler herbeiführt (was i. d. R. zugleich einen Betrug darstellt). Vgl. Baoyu LIU, Stellungnahme zum gutgläubigen Erwerb von gestohlenen und durch Betrug erlangten Sachen sowie die Schadensersatzhaftung – Klagen durch Betrug bei Immobilienverkäufen(参 见刘保·玉:《盗赃与诈骗所及财物的善意取得和赔偿责任问题探讨——由·一起骗卖房屋的纠纷 案谈起》), 2.  Aufl. 2009. 22 23

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3.  Analyse der Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit der Lösungsansätze Die ersten beiden der vorgestellten vier möglichen Lösungsansätze gehen von der Annahme aus, dass die Registereinrichtung nach Maßgabe des Staatshaftungsrechts einstehen muss und der Antragsteller nach dem Recht der zivilrechtlichen unerlaubten Handlung. Kann aber eine solche Lösung mit Blick auf das Zusammenspiel von materiellem Recht und Prozessrecht sinnvoll und umsetzbar sein? Nach dem ersten Lösungsansatz soll der Anspruch gegen den Antragsteller und die Registereinrichtung jeweils in unterschiedlichen Gerichtsverfahren geltend gemacht werden. Das schadet der gleichzeitigen Aufklärung der Tatsachen sowie der Festlegung des Mitverschuldens- und Kausalitätsgrades. Das Ergebnis des jeweiligen Verfahrens kann möglicherweise auch zur wiederholten Vollstreckung führen. Insbesondere stellt sich folgende Frage: Wenn die Registereinrichtung und der Antragsteller gesamtschuldnerisch haften sollen, wie kann dann der Haftungsumfang und die innere Verteilung der Haftung in verschiedenen Verfahren und verschiedenen Urteilen einheitlich beurteilt werden? Zudem bleibt die schwierige Frage unbeantwortet, welche Verfahrensvorschriften zur Anwendung kommen, wenn die Registrierungsbehörde beim Antragsteller Regress nehmen will. Die zweite Lösung beruht auf den Anforderungen der Prozessökonomie und dem effizienten Schutz der Geschädigtenrechte und verlangt, dass die Fragen zur zivilrechtlichen Haftung des Antragstellers auf Schadensersatz gleichzeitig mit der Staatshaftung der Registerbehörde in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren verhandelt und entschieden werden sollten. Der dahinter stehende Gedanke ist logisch nachvollziehbar, führt aber zu gravierenden Problemen: Erstens gelten für die beiden Haftungssubjekte unterschiedliche Verfahrensvorschriften, Zurechnungsprinzipien, Verteidigungsmöglichkeiten, eine unterschiedliche Beweislastverteilung und unterschiedliche Haftungsbeschränkungen, die aber in einem Verfahren kombiniert werden müssten. Zudem ist unklar, wie die Ergebnisse in einem verwaltungsgerichtlichen Urteil vereint werden sollen. Zweitens lässt sich die Sinnhaftigkeit und die Umsetzbarkeit des sogenannten Modells des „Adhäsionszivilverfahrens im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Verfahren“, wie es in Art.  61 der „Auslegungen zu Einzelfragen über die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes“ vom Obersten Gerichtshof vorgesehen ist, mit guten Argumenten in Zweifel ziehen. Die Verbindung eines Zivilverfahrens mit einem Strafverfahren (Adhäsionsverfahren) ist ein ausgereiftes und üblicherweise anwendbares System, das durch die Rechtsordnung in vielen Ländern anerkannt und auch ein erfolgreiches Modell ist. Ein Adhäsionszivilverfahren verbunden mit einem Verwaltungsverfahren ist aber nicht in gleicher Weise in akademischen Kreisen zum Verwaltungsrecht allgemein anerkannt. Seine Rationalität und Durchführbarkeit wird von vielen Wis-

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senschaftlern und erfahrenen Richtern in Frage gestellt und abgelehnt.24 Bisher haben wir noch kein erfolgreiches Verfahren. Drittens ist die Lösung, die ein Adhäsionszivilverfahren mit einem Verwaltungsgerichtsverfahren verbindet, in Theorie und Praxis mit dem Dilemma konfrontiert, wie die Person, die verwaltungsrechtlich auf Schadensersatz haftet, und diejenige, die zivilrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet ist, gesamtschuldnerisch, als unechte Gesamtschuld oder ergänzend haften können. Die dritte Lösung räumt dem Geschädigten ein Wahlrecht ein. Falls man bei dieser Lösung davon ausgeht, dass die Haftung und das einschlägige Verfahrensrecht immer zivilrechtlich sind, dann macht die Anerkennung einer unechten Gesamtschuld nur eingeschränkt Sinn. Das einzige Problem ist, ob es dem ursprünglichen Ziel, die Interessen des Opfers zu schützen, noch gerecht wird. Falls aber diese Lösung davon ausgeht, dass auch beim Wahlrecht des Geschädigten die Rechtsnatur der jeweiligen Haftung des Antragstellers und der Registereinrichtung sowie das jeweils darauf anzuwendende Verfahren immer unterschiedlich sind, so besteht hier dasselbe Problem zu begründen, wie es möglich ist, dass die verwaltungsrechtliche Haftung und die zivilrechtliche Haftung zu einer unechten Gesamtschuld führen. Außerdem stellt diese Ansicht den Geschädigten vor ein Dilemma: Wenn er die Registereinrichtung in Anspruch nimmt, kann er keinen weiteren Schadenersatz als den unmittelbaren Schaden geltend machen. Allerdings könnte sich der Beklagte durch die Berufung auf das Mitverschulden des Geschädigten teilweise von der Haftung befreien. Falls der Geschädigte hingegen den Antragsteller auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, kann der Anspruch möglicherweise nicht vollstreckt werden, da der Schädiger oft kein solventer Schuldner ist. Falls anerkannt ist, dass der Geschädigte den anderen Schädiger für den nicht ersetzten Teil des Schadens noch verklagen dürfte, wäre es praktisch die erste Lösung, die letztlich die oben aufgezeigten Probleme verursacht. Insbesondere in Fällen, in denen der Antragsteller und die Registereinrichtung gesamtschuldnerisch haften, kann das Wahlrecht, den einen oder anderen von beiden zu verklagen, das Problem nicht lösen. Die vierte Lösung, wonach beide möglichen Antragsgegner in einem zivilrechtlichen Verfahren zu verklagen sind, geht von der Annahme aus, dass die Registereinrichtung und der Antragsteller zivilrechtlich haften. Deshalb soll die Verantwortlichkeit beider in einem einheitlichen Zivilverfahren mit einem abschließenden Urteil festgestellt werden. Wenn die Registereinrichtung sodann bei demjenigen, der für den Schaden verantwortlich ist, Regress nehmen 24   Yue WU, Reflexionen über die Verbindung des Verwaltungsverfahrens verbunden mit Zivilprozessen, People’s Court Daily 30.11.2000(吴·月:《关于·行政附带民事诉讼的思考》,载 《·人民法院报》2000年11·月30·日第2版); Zuo MING, Replik zum Beitrag „Stellungnahme über die Verbindung des Verwaltungsverfahrens mit dem Zivilprozess“, veröffentlicht in Legal Information Net of the Beijing University.

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will, soll dies ebenfalls auf dem Zivilrechtsweg erfolgen. Diese Lösung verdient Zustimmung, weil sie keine unauflöslichen logischen oder verfahrensrechtlichen Konflikte nach sich zieht. Zweifel bestehen lediglich bezüglich der Frage, ob die Haftung der Registereinrichtung tatsächlich als zivilrechtliche Haftung eingeordnet werden kann. Insofern bleibt die Frage, ob es hierfür eine fundierte Rechtsgrundlage gibt.

V.  Eigene Stellungnahme Meiner Meinung nach hat die Prüfung von der Registereinrichtung und die Eintragung der Immobiliarsachenrechte schwerpunktmäßig eine privatrechtliche Natur, obwohl sie auch Elemente von „Verwaltung“ oder „Management“ aufweisen. Die Eintragung durch die Registereinrichtung ist also eine zivilrechtliche Handlung. Die Haftung der Registereinrichtung für Fehler im Eintragungsverfahren soll daher auch privatrechtlich ausgestaltet werden. Wenn die Registereinrichtung und der Antragsteller ein mittäterschaftliches oder nebentäterschaftliches Delikt begehen, sollen beide auf zivilrechtlicher Grundlage haften. Dafür sprechen folgende Überlegungen: 1.  Zivilrechtlicher Charakter der Hauptfunktionen und die Auswirkungen der Eintragung von Immobiliarsachenrechten Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass die Hauptfunktionen und die Auswirkungen der Eintragung von Immobiliarsachenrechten vor allem in Folgendem bestehen: Erstens legt die Eintragung die Zuordnung der Immobiliarsachenrechte fest und vermeidet somit Konflikte. Zweitens erhält sie die Sicherheit und Ordnung des Rechtsverkehrs. Drittens reduziert sie die Transaktionskosten und erhöht die Effizienz von Immobilientransaktionen. Viertens erleichtert sie die staatliche Überwachung und Kontrolle von Immobiliengeschäften.25 Nur bei dem vierten Faktor gibt es einen mittelbaren Bezug zur Verwaltung. Auch wenn die Registereinrichtung unrechtmäßige Immobilientransaktionen aufdeckt, kann sie diese nur durch ein Verweigern bzw. Rückgängigmachen der Eintragung verhindern. Sie hat aber keine Befugnis, verwaltungsrechtliche Strafen aufzuerlegen. Vielmehr steht diese Entscheidungsmacht einer anderen Behörde zu. Insoweit kann die Registereinrichtung nur die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Deshalb ist die Eintragung durch die Registereinrichtung für die Festlegung und den Schutz der Immobiliarsachenrechte sowie für den Erhalt der Ordnung des Rechtsverkehrs unabdingbar. Die Mitwirkung bei der Verwaltung stellt nur eine Nebenwirkung dar.   Liming WANG, Anleitung zum Sachenrechtsgesetz(王利明:《物权法教程》) (2003) 74–75. 25

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2.  Eintragung als notwendige Voraussetzung für die Änderung der Immobiliarsachenrechte Die Veränderung eines Immobiliarsachenrechts setzt erstens die Einigung der Parteien zur Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung voraus. Es ist bekannt, dass das Rechtsgeschäft, aufgrund dessen ein Immobiliarsachenrecht verändert wird, als „dingliches Rechtsgeschäft“ bezeichnet wird (sogar die Literatur und Gesetzgebung, die das dingliche Rechtsgeschäft ablehnen, müssen einräumen, dass hierin ein Rechtsakt liegt, der vielleicht als Rechtsakt zur Sachenrechtsänderung bezeichnet werden kann). Der Akt, der zur Veränderung des dinglichen Rechts an beweglichen Sachen führt, besteht aus Einigung und Übergabe. Die Veränderung eines Rechts an unbeweglichen Sachen setzt die Einigung und Eintragung voraus. Das bedeutet, dass die Rechtsänderung von der Einigung der Parteien getragen sein und die Eintragung von der Registereinrichtung durchgeführt werden muss. Deshalb ist die Eintragung zweifellos ein notwendiger Bestandteil des Rechtsakts zur Änderung bei Immobiliarsachenrechten. Ohne die Eintragung können diese Rechte nicht wirksam geändert werden. Zweitens sind im Rahmen der Änderung eines Immobilienrechts die Einigung über die Änderung des Rechts an einer unbeweglichen Sache von den Parteien und das Stellen des Antrags auf Eintragung das „Grundgeschäft“, während die Eintragung durch die Registereinrichtung ein „ergänzendes Geschäft“ darstellt. Wie oben erwähnt ist die Eintragung Teil der Änderung des dinglichen Rechts. Aber wie ist die Eintragung zivilrechtlich zu qualifizieren? Viele Beiträge zum Zivilrecht weisen darauf hin, dass bei zivilrechtlichen Rechtsgeschäften, die in einem Zusammenhang stehen, zwischen Grundgeschäft und ergänzendem Geschäft unterschieden werden kann, abhängig davon, ob sie einen eigenständigen konkreten Gehalt haben. Das Grundgeschäft wird auch als unabhängiges Geschäft bezeichnet, was bedeutet, dass es einen konkreten, eigenständigen Inhalt hat. Das Grundgeschäft benötigt allerdings zu seiner Wirksamkeit die Ergänzung anderer Handlungen, weshalb es auch als „noch zu ergänzendes Geschäft“ bezeichnet werden kann. Das sogenannte ergänzende Geschäft wird auch als Nebenhandlung oder Unterstützungshandlung bezeichnet, was bedeutet, dass es mit anderen Handlungen korreliert, aber keinen eigenständigen Inhalt hat, sondern nur eine Wirksamkeitsvoraussetzung für das Grundgeschäft darstellt.26 Das typische Beispiel, das die Literatur als Grundgeschäft anführt, ist das Rechtsgeschäft eines beschränkt Geschäftsfähi26   Huixing LANG, Pandekten des Zivilrecht (梁慧星:《民法总论》第二版), 2.  Aufl. 2001, 164; Junhao ZHANG, Prinzipien des Zivilrechts, Bd. 1 (张俊浩主编:《民法学原理》(修订第三 版上册), 3.  Aufl. 2000, 247; Mingrui GUO u. a., Prinzipien des Zivil- und Handelsrechts, Bd. 1 (郭明瑞等:《民商法原理》(·一) ) (1999) 240; Junju MA/Yanman YU, Theorie des Zivilrechts, Bd. 1 (马俊驹、余延满:《民法原论》[上])(1998) 243.

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gen; die Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter ist dann das ergänzende Geschäft. In der Tat beschränken sich die ergänzenden Geschäfte nicht nur auf die Genehmigung bei Rechtsgeschäften von beschränkt Geschäftsfähigen, Vertretungen ohne Vertretungsmacht oder Verfügungen ohne Verfügungsmacht, sondern umfasst auch die „Ergänzung“ der zu genehmigenden Verträge sowie der einzutragende Änderung der Immobiliarsachenrechte, die für deren Wirksamwerden erforderlich sind.27 Deshalb ist es angemessen, die Einigung zur Änderung eines Immobiliarsachenrechts durch die Parteien und das Stellen des Registrierungsantrags als „Grundgeschäft“ zu qualifizieren, die Eintragung durch die Registereinrichtung dagegen als „ergänzendes Geschäft“.28 Drittens ist die Eintragung der Publizitätsakt und damit eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderung eines Immobiliarsachenrechts. Der Grundsatz der Publizität erfordert es, dass die betroffenen Parteien die Veränderung eines Sachenrechts mit der gesetzlich geregelten Publizitätsform offenkundig machen müssen; ansonsten ist die Änderung des Immobiliarsachenrechts unwirksam oder nicht mit öffentlichem Glauben verbunden. Gemäß Art.  5 chin. SRG muss „die Schaffung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung des dinglichen Rechts an einer Immobilie entsprechend der gesetzlichen Vorschriften eingetragen werden“. Art.  9 chin. SRG bestimmt, dass „die Schaffung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einer Immobilie wirksam wird, wenn das Recht entsprechend der gesetzlichen Vorgaben eingetragen wurde; ohne Eintragung entfaltet die Verfügung keine Wirkung, es sei denn, dass eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht“. Die Publizität wird bei Immobiliarsachenrechten demnach durch die Eintragung erreicht, wenn sich nicht ausnahmsweise etwas anderes aus dem Gesetz ergibt. Die Eintragung ist auch die Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungen von Eigentumsrechten an Immobilien. Hieraus folgt, dass die Eintragung durch die Registereinrichtung ein notwendiger Bestandteil der Änderung von Eigentumsrechten an Immobilien ist, ein ergänzendes Geschäft darstellt und zudem Publizitätsakt und Wirksamkeitsvoraussetzung für die Rechtsänderung eines Immobiliarsachenrechts ist. Sie erfüllt also eine Vielzahl von Funktionen. Außerdem ist die Registereinrichtung in China eine Behörde und die Eintragung der Immobiliarsachenrechte ermöglicht es der Regierung den Immobilienmarkt zu verwalten. Deshalb ist nicht zu leugnen, dass die Eintragung auch 27   Das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft und das noch nicht wirksam gewordene Rechtsgeschäft sind zwar ähnlich, aber doch unterschiedlich. Bei dem ersten ist das Grundgeschäft unwirksam, und es besteht eine Berechtigung zur Ergänzung des Geschäfts, aber keine Verpflichtung. Bei dem zweiten ist aber das Grundgeschäft an sich rechtsgemäß und der Ergänzende darf ohne richtigen Grund die Ergänzung nicht verweigern. 28   Meines Erachtens fehlt es in der bisherigen zivilrechtlichen Dogmatik an der Erörterung zu diesem Punkt, so dass die Lehre nicht überzeugend genug ist und den Gegenargumenten nicht standhalten kann.

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Elemente eines Verwaltungsakts hat. Man könnte sogar sagen, dass die Eintragung eine zivil- und verwaltungsrechtliche Doppelrechtsnatur hat. Soweit es um die Gestalt, die Hauptfunktion und die grundsätzliche Rechtsnatur der Eintragung geht, ist es jedoch durchaus angemessen, sie als zivilrechtliche Handlung einzuordnen. Insbesondere ist die Eintragung nur ein ergänzendes Geschäft, weshalb ihre Rechtsnatur nur im Zusammenhang mit dem Grundgeschäft bestimmt werden kann. 3.  Zivilrechtlicher Charakter der durch die Haftung für Eintragungsfehler geschützten Rechte bzw. Rechtsgüter der Geschädigten Mit Blick auf den Gesetzeszweck meint „der durch Eintragungsfehler verursachte Schaden“ jenen Schaden, der aus der Verletzung der privaten Rechte des Gläubigers resultiert. Die Haftung für Eintragungsfehler, die die Registereinrichtung verursacht hat, soll also eine zivilrechtliche Kompensation herbeiführen und private Rechte schützen. Wenn an den zivilrechtlichen Rechten des Gläubigers ein Schaden eintritt, handelt es sich um einen Fall der unerlaubten Handlung. Dies ändert sich auch damit nicht, wenn die Registereinrichtung der Anspruchsgegner ist.29 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die chinesischen Registereinrichtungen derzeit nicht so ausgestaltet und ausgestattet sind, dass sie unabhängig von ihrem Träger haften könnten. Es handelt sich nicht um unabhängige juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern um Organe, die den Verwaltungsbehörden zugeordnet werden. Das bedeutet, dass auch nur die Behörde, der die Registereinrichtung zugeordnet wird, als Haftungssubjekt in Betracht kommen kann. Dennoch ist es nicht entscheidend für die Bestimmung der Rechtsnatur der Haftung, wer das Haftungssubjekt ist und aus welchem Vermögen die Kompensation stammt. Es wäre auch denkbar, dass die Aufgaben der Registereinrichtung durch andere (private) Organisationen (zum Beispiel eine Dienstleistungsagentur) wahrgenommen und die Entschädigungen aus einem Haftungsfonds gezahlt werden. In vielen anderen Rechtssystemen – z.  B. Deutschland, Japan und Taiwan – ist die Haftung für Eintragungsfehler im Rahmen des Staatshaftungsrechts geregelt, wobei das Staatshaftungsrecht Sonderprivatrecht darstellt, wobei Regelungen aus dem Recht der unerlaubten Handlungen angewandt werden und der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Die Idee dahinter ist, dass zwar der Staat (oder ein Ausgleichsfonds) die Kosten tragen soll, es sich aber eigentlich immer noch um eine zivilrechtliche Haftung handelt.

  YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12).

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4.  Rechtsgrundlagen für die Qualifizierung der Haftung für Eintragungsfehler als zivilrechtliche Haftung Es bestehen fundierte rechtliche Grundlagen, um die Haftung für Eintragungsfehler der Registereinrichtung als zivilrechtlich einzuordnen. Zuvorderst verweist Art.  121 chin. AGZ darauf, dass „ein Staatsorgan oder ein Angestellter eines Staatorgans, der bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Rechte bzw. Rechtsgüter eines Bürgers oder einer juristischen Person verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, für den Ersatz des Schadens zivilrechtlich in Anspruch genommen werden kann“. Art.  152 der „Stellungnahmen des Obersten Volksgerichts über Einzelfragen betreffend die Durchsetzung der Grundprinzipien des Zivilrecht“ bestimmt, dass „in dem Fall, dass ein Angestellter einer staatlichen Einrichtung bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Rechte oder Rechtsgüter eines Bürgers oder einer juristischen Person verletzt, die staatliche Einrichtung dafür zivilrechtlich haftet“. Zudem macht Art.  21 chin. SRG klare Vorgaben hinsichtlich des Schadensersatzes infolge von Eintragungsfehlern. Der Vorschrift lässt sich entnehmen, dass das Haftungssystem eindeutig zivilrechtlich ausgestaltet sein sollte. Bei der Auslegung dieser Vorschrift sollte die Natur der Schadensersatzhaftung für Fehler bei der Grundbucheintragung, wie sie in den beiden Absätzen des Art.  21 chin. SRG geregelt sind, als einheitlicher Schadensersatz verstanden werden. Ein Fehler bei der Grundbucheintragung, egal ob er durch den Antragsteller oder die Registerbehörde oder durch beide verursacht wurde, führt zu einer Schadensersatzhaftung für den Eintragungsfehler und sollte daher dieselbe Rechtsnatur haben.30 Weiter bestimmt Art.  34 Abs.  1 chin. DHG: „Schädigt ein Arbeitnehmer bei der Arbeit einen anderen, haftet der Arbeitsgeber aus Delikt“. Nach der offiziellen Auslegung der Vorschrift erfasst der Arbeitgeberbegriff hier auch öffentliche Einrichtungen. Schließlich normieren die „Regelungen zum Klagegrund in Zivilverfahren“ vom Obersten Volksgericht von 2008 (geändert und angepasst an das chin. DHG im Jahr 2011, vgl. Nr.  41 der Gerichtsausgabe von 2011) im dritten Teil „Sachenrechtsstreitigkeiten“ ausdrücklich als „Streitigkeit über die Haftungen aus fehlerhaften Registereintragungen“, wobei Art.  21 chin. SRG als Rechtsgrundlage genannt ist.31 Im neunten Teil dieser Regelungen „Streitigkeiten über   YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12).   Dongchuan LUO/Jianzhong HUANG, Erläuterung und Anwendung der Regelungen über Klagegründe in Zivilverfahren (罗东川、黄建中:《〈民事案件案由规定〉的理解与适·用》), 5.  Aufl. 2008; Yongkang LIN/Ge LAN, Die Diskussion über Schadenersatz bei Eintragungsfehlern(林永康、兰·戈:《不动产登记错误的损害赔偿责任探讨》), 4.   Aufl. 2007. Es ist aber streitig, ob „Streitigkeit über die Haftungen aus fehlerhafte Registereintragungen“ allgemein alle Streitigkeiten aus jeglicher fehlerhafter Registereintragungen umfassen, oder nur den Fall erfassen, dass der Antragsteller falsche Unterlagen vorgelegt hat (so wie es in Art.  21 Abs.  2 30 31

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deliktische Haftung“ wird die „Streitigkeit über die Haftung des Arbeitgebers“ normiert, was vor der Änderung dieser Regelungen im Jahr 2011 als „Streitigkeit über die unerlaubte Handlung durch Staatorgane sowie deren Angestellte“ bezeichnet wurde. Somit wird die zivilrechtliche Rechtsnatur der Schadenersatzhaftung für Eintragungsfehler bei Registereintragungen auch von dieser Regelung bestätigt. Zusammenfassend lässt sich behaupten, dass sowohl die klar formulierten gesetzlichen Regelungen als auch der Grundgedanke der richterlichen Rechtsauslegung die zivilrechtliche Rechtsnatur der Haftung der Registereinrichtung für eine fehlerhafte Eintragung unterstützen. Die Klage in einem solchen Fall sollte als zivilrechtliche Klage in einem zivilrechtlichen Gerichtsprozess behandelt werden. Dagegen fehlt es der Lehre von der Staatshaftung an einer fundierten rechtlichen Grundlage. Die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zu ersetzenden Vermögensschäden sind in Art.  4 des Staatshaftungsgesetzes normiert. In dieser Vorschrift sind aber die Schäden infolge von Fehlern bei der Eintragung von Immobiliarsachenrechten nicht genannt. Lediglich Absatz 4 dieser Vorschrift erfasst „andere unrechtmäßige Handlungen, die zum Vermögensschaden führen“, und lässt auf den ersten Blick einen Zusammenhang zu diesen Fällen vermuten. Selbst hiernach kann nur schwer eine Auslegung des Gesetzes im Sinne von „fehlerhafte Registrierung“ angenommen werden. Auch aus Art.  11 des Verwaltungsverfahrensgesetzes lässt sich nicht darauf schließen, dass die Norm die Haftung der Registereinrichtung bei fehlerhaften Eintragungen erfassen wollte. Art.  11 Abs.  1 Nr.  8 („die sonstigen persönlichen Rechte oder Vermögensrechte werden durch Verwaltungsorgane verletzt“) sowie Art.  11 Abs.  2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (wonach die Gerichte „andere Verwaltungsangelegenheiten als die in den Absatz 1 erwähnten verhandeln können, sofern andere Gesetze oder Regelungen dies erlauben“) könnten nur schwerlich mit Hilfe der Gesetzesauslegung zu der Annahme führen, dass Eintragungsfehler von Registereinrichtungen doch erfasst sind. Das chinesische Recht enthält derzeit noch keine derartigen Gesetze oder Regelungen, die die Haftung für Schäden durch Eintragungsfehler der Registereinrichtung klar als Staatshaftung regeln. Deshalb sind Art.  12 und 13 der Regulierung über Verfahren in Gebäudesachen vom Obersten Volksgericht, welche die schadensrechtliche Haftung für fehlerhafte Eintragungen als Staathaftung vorsehen, auch keine fundierte Rechtsgrundlage.32 des chin. SRG normiert ist). Vgl. Zhaoxiang WU, Drei Stellungnahmen zum Verfahren im Sachenrecht(吴兆祥:《物权诉讼三论》), 7.  Aufl. 2008. 32   Hinzuweisen ist darauf, dass diese Regulierung nur für die Fälle der Gebäudenregistrierung, aber nicht für die Fälle der Landnutzungsrechte sowie anderer Immobilienrechte gilt. Zu Haftungsfragen aus fehlerhafter Eintragung der Landnutzungsrechte oder anderer Immobilienrechte gibt es noch keine höchstrichterlichen Auslegungen.

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5.  Vorteil für die Konfliktlösung Das Recht, egal ob es sich um materielles oder prozessuales Recht handelt, dient dazu, Konflikte zu lösen, nicht aber sie zu generieren. Weiterhin sollten das materielle Recht und das Verfahrensrecht gut aufeinander abgestimmt sein (auch wenn hierzu in China sicherlich noch Nachholbedarf besteht). Wie oben analysiert: Wenn man einerseits die Haftung für Eintragungsfehler als Konstellation des Staatshaftungsrechts einordnet und das verwaltungsrechtliche Gerichtsverfahren für einschlägig hält, anderseits die Haftung des Antragstellers, der fehlerhafte Unterlagen einreicht oder in Schädigungsabsicht mit einem Angestellten der Eintragungsbehörde zusammenwirkt, als Haftung im Zivilverfahren einordnet, dann kann man im Fall einer mittäterschaftlichen oder nebentäterschaftlichen unerlaubten Handlung die Frage nach dem einschlägigen Rechtsweg nicht beantworten. Es ergeben sich darüber hinaus auch Schwierigkeiten bei Adhäsionszivilverfahren im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Gerichtsverfahrens. Nur wenn man die Haftung der Registereinrichtung und des Antragstellers als zivilrechtliche Haftung wegen unerlaubter Haftung einordnet und das Zivilprozessrecht anwendet, lassen sich solche Probleme lösen. 6.  Koordinierung mit anderen Regelungen über die Eintragung von Eigentumsrechten und die Einhaltung der Vorgaben für die Entwicklung des Eintragungssystems Unter den Registereinrichtungen, die vom chinesischen Sachenrechtsgesetz und anderen Gesetzen erfasst werden, befinden sich solche, die Verwaltungsorganen zugeordnet sind (dies schließt neben den Registerbehörden für Immobiliarsachenrechte auch diejenige für Kraftfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge ein), und solche, die öffentliche Einrichtungen oder private Dienstleistungsagenturen sind (z.  B. die Depots- und Clearinginstitutionen für die Registrierung von Fondsanteilen und Aktien etc). Kommt es im letztgenannten Fall zu einem Fehler bei der Registrierung, der einen Schaden verursacht, haftet die Registereinrichtung unstrittig auf Grundlage des Zivilrechts. Allerdings handelt es sich in allen Fällen um Registereinrichtungen, die dingliche Rechte registrieren und deshalb einer ähnlichen Prüfungs- und Eintragungspflichten unterliegen. Für die Fälle, in denen Schäden durch Eintragungsfehler verursacht wurden, ist deshalb eine Differenzierung nach der Rechtsnatur zwischen der zivilrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Haftung eigentlich nicht gerecht. Es ist allgemein bekannt, dass sich die meisten Rechtswissenschaftler im Gesetzgebungsverfahren zum Sachenrechtsgesetz für ein einheitliches System der Eintragungen von dinglichen Rechten eingesetzt haben. Dieses Ziel wurde aber nicht erreicht. Als Kompromiss bestimmt Art.  10 chin. SRG: „Der Staat hat für die unbeweglichen Sachen ein einheitliches Registrierungssystem durchzuführen. Der Bereich, die Registereinrichtung sowie das konkrete Verfahren der ein-

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heitlichen Registrierung sollen durch Gesetze oder verwaltungsrechtliche Normen bestimmt werden“. Allerdings ist ein einheitliches Registrierungssystem für Rechte an unbeweglichen Sachen, das eigentlich von einer umfassenden Reform des Verwaltungssystems abhängig ist, bisher noch nicht eingeführt worden. Ein einheitliches Registrierungssystem für alle dinglichen Rechte ist noch viel schwieriger abzusehen. Jedenfalls steht aber das Ziel der Reform zur Vereinheitlichung des Eintragungssystems für alle Sachenrechte klar fest. Das chinesische Sachenrechtsgesetz hat auf die Verwendung des Worts „Registerorgan“ bewusst verzichtet und den Begriff „Registrierungseinrichtung“ verwendet, der sowohl ein Verwaltungsorgan als auch eine private Einrichtung sein kann. Deshalb ist eine „Registereinrichtung“ nicht notwendig dasselbe wie ein „Registerorgan“ oder ein „Verwaltungsorgan“. Auch diese Begrifflichkeit lässt einen Spielraum für die künftige Vereinheitlichung der Registrierung aller eintragungsfähigen Sachenrechte. Beinahe alle in den Gesetzgebungsprozess eingebundenen Personen befürworten, angelehnt an die Erfahrungen anderer Rechtsordnungen, dass ein Teil der Registrierungsgebühren in einen Kompensationsfonds eingestellt wird, aus dem die eventuell durch fehlerhafte Eintragungen verursachten Schäden ausgeglichen werden können. Einen solchen fondsbasierten Mechanismus haben einzelne lokale Registrierungsbehörden bereits eingeführt und sehr positive Ergebnisse erzielt. Deshalb ist eine Ausweitung dieses Mechanismus durchaus absehbar. Wenn ein fondsbasierter Kompensationsmechanismus eingeführt werden sollte, bestünde auch kein Bedarf mehr, die Kompensation aus dem staatlichen Haushalt zu zahlen. Die Lehre der Staatshaftung für die Fehler der Registereintragung wird hierdurch weiter an Grundlage verlieren. Also fehlt der Lehre von der Staatshaftung, die ihre Begründung darin sieht, dass die Registereinrichtung für Immobiliarsachenrechte zurzeit als Staatsorgan eingeordnet und die Kompensation aus dem staatlichem Haushalt gezahlt wird, eine fundierte Rechtsgrundlage. Außerdem widerspricht diese Lehre auch der Entwicklungstendenz bei der Eintragung von dinglichen Rechten.

VI.  Antworten zu Einzelfragen 1.  Zurechnungsprinzip für die Haftung der Registereinrichtung für Eintragungsfehler Das Zurechnungsprinzip für die Haftung der Registereinrichtung für Eintragungsfehler ist umstritten. Hierzu werden drei Meinungen vertreten, nämlich die Verschuldenshaftung, eine Haftung für vermutetes Verschulden und die verschuldensunabhängige Haftung. Überwiegend vertreten wird entweder die Verschuldenshaftung oder die verschuldensunabhängige Haftung.

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Das Argument für die Verschuldenshaftung ist, dass die anderen Ansichten zu einer relativ strengen Haftung führen und deshalb regelmäßig eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung voraussetzen. Ohne eine klare gesetzliche Regelung könne niemand erkennen, dass eine bestimmte unerlaubte Haftung eine verschuldensunabhängige Haftung oder eine Haftung wegen vermuteten Verschuldens nach sich zieht. Der Wortlaut des Art.  21 Abs.  1 chin. SRG („eine Partei unter Vorlage falscher Unterlagen einen Antrag auf Eintragung stellt“) und des Art.  21 Abs.  2 chin. SRG („eine unrichtige Eintragung“) deuten auch eine Verschuldenshaftung an.33 Die Vertreter der verschuldensunabhängigen Haftung betonen, dass die Haftung der Registereinrichtung für die Eintragungsfehler der Angestellten eine Haftung des Arbeitgebers darstellt, der für seinen Verrichtungsgehilfen verantwortlich ist. Nach Art.  34 Abs.  1 chin. DHG haftet der Arbeitgeber verschuldensunabhängig für Schäden, die die Arbeitnehmer bei der Erfüllung ihrer Pflichten verursachen.34 Meiner Meinung nach ist die Haftung der Registereinrichtung für Schäden, die durch die Angestellten verursacht werden, eine verschuldensunabhängige Haftung für ihre Verrichtungsgehilfen. Allerdings setzt diese Haftung auf der Seite des Verrichtungsgehilfen das Verschulden der Angestellten voraus. Der theoretische Streit über das Zurechnungsprinzip wurzelt im Wesentlichen darin, ob die Haftung der Registereinrichtung eine eigene Haftung oder nur eine Haftung für ihre Verrichtungsgehilfen ist. Wenn man die Handlung der Verrichtungsgehilfen als eigene Handlung ansieht, ist die Haftung der Register­ einrichtung eine Verschuldenshaftung. Wenn man aber die Haftung der Re­ gistereinrichtung als eine Haftung für ihre Verrichtungsgehilfen sieht, ist die Haftung an sich verschuldensunabhängig, setzt aber das Verschulden der Verrichtungsgehilfen ebenfalls voraus. Auf jeden Fall muss also der Eintragungsfehler auf dem Verschulden des handelnden Angestellten der Registereinrichtung beruhen. 2.  Zur Haftung der Registereinrichtung und des Antragstellers Zur Haftung der Registereinrichtung und des Antragstellers soll für die jeweilige Konstellation getrennt die mittäterschaftliche und die nebentäterschaftliche Haftung aus Delikt erörtert werden. Wenn der Antragsteller und ein Angestellter der Registereinrichtung bewusst zusammenwirken, um eine unrechtmäßige Eintragung zu bewirken, und dadurch einen Anderen schädigen, stellt ihr Verhalten ein mittäterschaftliches Delikt dar und die Registereinrichtung haftet

  YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12).   WANG, Erläuterung (Fn.  9) 169.

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gemeinsam mit dem Antragsteller als Gesamtschuldner. Dies ist weitgehend anerkannt, sodass es keiner weiteren Diskussion bedarf.35 Anders verhält es sich in dem Fall, dass der Antragsteller fehlerhafte Unterlagen einreicht und die Registereinrichtung diesen Fehler nicht erkennt, weil sie ihrer Prüfungspflicht nicht sorgfältig nachkommt und dadurch einen Schaden verursacht. In diesem Fall werden unterschiedliche Positionen vertreten, nämlich die gesamtschuldnerische Haftung, die anteilige Haftung, die unechte Gesamtschuld sowie die ergänzende Haftung. Meines Erachtens sind die gesamtschuldnerische Haftung und die anteilige Haftung abzulehnen. Der Antragsteller begeht eine unerlaubte Handlung durch absichtliches, aktives Tun, das unmittelbar zu einem Schaden führt, während die Registereinrichtung nur ihre Prüfungspflicht verletzt. Ihre unerlaubte Handlung ist also ein fahrlässiges Unterlassen, das sich nur mittelbar auswirkt, was dafür spricht, dass der Antragsteller der unmittelbare Schädiger ist.36 Der Antragsteller ist zudem derjenige, der von dem Eintragungsfehler profitiert, während die Registereinrichtung keinen Vorteil erlangt (das Einnehmen von Eintragungsgebühren ist von dem Schaden des Geschädigten unabhängig). Eine anteilige Haftung der beiden Parteien lässt sich kaum aus Art.  21 chin. SRG ableiten. Die Handlungen des Antragstellers und der Registereinrichtung begründen auch keine mittäterschaftliche unerlaubte Handlung. Weiter findet sich keine klare gesetzliche Regelung zu einer gesamtschuldnerischen Haftung. Deshalb lässt sich weder eine gesamtschuldnerische Haftung mit Art.  8 chin. DHG noch eine anteilige Haftung mit Art.  12 chin. DHG begründen. Darüber hinaus könnte die Registereinrichtung, falls sie gesamtschuldnerisch oder anteilig haftet, keinen vollständigen Regress bei dem Antragsteller nehmen, der die falschen Unterlagen eingereicht hat. Der unmittelbare Schädiger dürfte also einen Teil des zu Unrecht erlangten Vorteils behalten, was gegen das Rechtsprinzip der Fairness und Gerechtigkeit verstieße. Einige Stimmen in der Literatur haben deshalb – mit durchaus annehmbarer Begründung – vertreten, dass der Antragsteller und die Registereinrichtung unter solchen Umständen als unechte Gesamtschuldner haften sollten.37 Dieser Ansatz hat Vorzüge, allerdings sind damit auch Nachteile verbunden. Erstens 35   Der Zweck des Art.  13 der Regulierung über Verfahren in Gebäudesachen vom Obersten Volksgericht ist derselbe. Vgl. Regulierung zu einigen Fragen über Verfahren in Eintragung der Gebäude. Vgl. Daguang ZHAO/Linping YANG/Zhenyu WANG, Erläuterung und Anwendung von Regulierung über Verfahren in Gebäudesachen (参见赵·大光、杨临萍、王 振宇:《〈关于审理房屋登记案件若·干问题的规定〉的理解与适·用》), 23.   Aufl. 2010. Dieser Aufsatz diskutiert allerdings nicht, wie die staatshaftungsrechtlichen Schadenersatzansprüche gegen die Registereinrichtung und die zivilrechtliche Haftung von dem Antragsteller verbunden werden können. Meines Erachtens sind beide eine zivilrechtliche gesamtschuldne­ rische Haftung. 36   YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12). 37   YANG, Eintragungsfehler (Fn.  12).

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gibt es im chinesischen Recht keine ausdrückliche gesetzliche Definition für eine unechte Gesamtschuld, sodass die unechte Gesamtschuld eher eine dogmatische Theorie darstellt. Nach einer verbreiteten Literaturansicht erkennen die Art.  43, 68 und 83 chin. DHG eine unechte Gesamtschuld an. Dort heißt es: „Der Geschädigte einer unerlaubten Handlung kann Schadenersatz entweder von dem einen oder von dem anderen verlangen“. Art.  21 chin. SRG ist allerdings anders formuliert, sodass Zweifel an der Einordnung der dortigen Haftung als unechte Gesamtschuld bestehen. Zweitens muss der Geschädigte, wenn die Haftung als unechte Gesamtschuld eingeordnet wird, entscheiden, wen er verklagen möchte, so dass die Haftung manchmal nicht ausreichend ist, um den Geschädigten zu schützen. Wie oben ausgeführt ist es für den Geschädigten nämlich nicht immer einfach zu entscheiden, wen er verklagen muss, um sein Interesse bestmöglich zu verfolgen. Drittens haftet die Registereinrichtung, wenn sie verklagt wird, nur für den unmittelbaren Schaden und zwar „abhängig vom Grad ihres Verschuldens und ihrer Verantwortlichkeit für den Schaden“ (und falls der Geschädigte ein Mitverschulden trägt, ist die Haftung eventuell noch beschränkt). Viertens lässt sich aus der Grundidee des Art.  21 chin. SRG nicht ableiten, dass der Geschädigte nur berechtigt ist, einen der beiden Schädiger auszuwählen. Zudem gibt es Rechtsprechung, die den Geschädigten erlaubt, den anderen Schädiger in Anspruch zu nehmen, wenn sie noch keine ausreichende Kompensation von einem Schädiger erlangt haben. Diese Rechtsprechung sollte nicht als offensichtlich verfehlt abgelehnt werden. Nach Erwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsansätze vertrete ich die Lösung, dass es dem Geschädigten zu seinem Schutz erlaubt sein soll, die Registrierungseinrichtung und den Antragsteller gleichzeitig in einem Zivilverfahren in Anspruch zu nehmen. Der Antragsteller als Hauptschädiger sollte vorrangig haften und die Registereinrichtung sollte ergänzend dazu haften, wenn die Entschädigung des Geschädigten durch den Antragsteller nicht ausreichend ist. Wenn die Registereinrichtung ergänzend haften musste, sollte sie beim Antragsteller Regress nehmen dürfen. Bei dieser Lösung besteht jedoch noch die weitere Frage, ob die Registereinrichtung eine vollständige ergänzende Haftung (nämlich eine Haftung für alle Schäden, die nicht von dem Antragssteller ersetzt werden) oder nur eine beschränkte ergänzende Haftung (nämlich eine ihrem Verschulden- und Verursachungsgrad entsprechende Haftung) trifft. Art.  12 der Regulierung zu einigen Fragen über Verfahren in Gebäudesachen vom Obersten Volksgericht scheint der beschränkten ergänzenden Haftung zu folgen. Dafür sprechen auch einige Präjudizien.38 Dennoch halte ich es für angemessen, eine vollständige ergänzende Haftung anzunehmen. Einerseits sehen   LIU, Staatshaftungsanspruch (Fn.  17).

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Art.  21 chin. SRG und die betroffenen Regelungen im chin. DHG nicht vor, dass die Registereinrichtung in dieser Konstellation nur eine „entsprechende Haftung“ trifft; anderseits ist eine vollständige ergänzende Haftung auch zum Schutz des Geschädigten vorteilhafter. Allerdings bedeutet die vollständige ergänzende Haftung nicht, dass diese Haftung insgesamt unbegrenzt ist. Eine Haftungsbegrenzung ergibt sich aus folgenden zwei Aspekten: Erstens ist zu beachten, dass die Registereinrichtung nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist und die von ihr eingenommenen Gebühren verhältnismäßig gering sind. Deshalb ist es sinnvoll, den Schadensersatz der Registereinrichtung nur auf den unmittelbaren Schaden zu beschränken. So eine Beschränkung findet sich im chin. Staatshaftungsgesetz und auch in einigen ausländischen Rechtsordnungen. Zweitens kann die Haftung der Registereinrichtung aufgrund von Haftungserleichterungen (z.  B. des Mitverschulden des Geschädigten) gemindert sein. 3.  Regressansprüche der Registereinrichtung nach dem Ersatz des Schadens Nach Art.  21 Abs.  2 chin. SRG kann die Registereinrichtung, nachdem sie Schadensersatz geleistet hat, „von demjenigen, der die unrichtige Eintragung ver­ ursacht hat, Erstattung verlangen“. Fraglich ist hier, wer derjenige ist, „die die unrichtige Eintragung verursacht hat“. Ist diese Person nur derjenige, der die fehlerhaften Unterlagen vorgelegt hat oder auch der Mitarbeiter der Registereinrichtung, der fehlerhaft eingetragen hat, oder sogar beide? Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Meines Erachtens darf die Registereinrichtung gegen beide Regressansprüche geltend machen. In dem Fall, dass der Antragsteller und die Registereinrichtung eine mittäterschaftliche unerlaubte Handlung begehen und gesamtschuldnerisch dafür haften, sollte dasjenige, was die Beteiligten durch die unerlaubte Handlung erlangt haben, an den Geschädigten zurückfließen. Soweit der Schaden des Geschädigten nicht dadurch ausgeglichen werden kann, sollten die Registereinrichtung und der Antragsteller als Gesamtschuldner für den weiteren Schaden haften. Die Registereinrichtung kann sodann beim Antragsteller Regress nehmen, soweit sie mehr Schadenersatz geleistet hat, als auf ihren Haftungsteil entfällt. Soweit der Schadensersatz dem eigenen Haftungsteil entspricht, kommt nur ein Rückgriff gegen die Angestellten, die die schädigende Handlung vorgenommen haben, in Betracht. Falls die Registereinrichtung und der Antragsteller eine nebentäterschaftliche unerlaubte Handlung begehen und die Registereinrichtung ergänzend gehaftet hat, kann sie beim Antragsteller oder dem Angestellten, der den Fehler gemacht hat, Regress nehmen. In diesem Fall sollte der Antragsteller primär haften und der Angestellte der Registereinrichtung nur sekundär einstehen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Natur der Handlung, der Verschuldens-

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grad und die Verursachung jeweils beim Antragsteller und beim betreffenden Angestellten der Registereinrichtung unterschiedlich sind.

VII. Zusammenfassung Schäden aus der Registrierung von unbeweglichen Sachen können durch Fehler des Antragsstellers und der Registereinrichtung in Nebentäterschaft oder Mittäterschaft verursacht werden. Die Diskussion über die Rechtsnatur sowie Inhalte der Haftung betrifft in diesen Fällen sowohl die Auslegung und Anwendung der materiell-rechtlichen Normen als auch einzelne Fragen der gerichtlichen Verfahrensabläufe. Die Registrierung sollte als eine zivilrechtliche Handlung qualifiziert werden. Dies ergibt sich aus ihrer Gesamtgestalt, ihren Hauptfunktionen und ihrer Rechtsnatur, ohne dass die verwaltungsrechtlichen Komponenten daran etwas ändern. Denn die Prüfung der vorgelegten Unterlagen und die Eintragung durch das Registerorgan ist die notwendige Voraussetzung für die Änderung des Rechts an einer unbeweglichen Sache und zudem eine ergänzende Handlung, die die Einigung zwischen den Parteien schützt und das Grundgeschäft bestätigt. Darüber hinaus dient die Registrierung der Publizität und ist auch die Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verfügungen über Rechte an unbeweglichen Sachen. Die Haftung der Registereinrichtung für Registrierungsfehler ist als eine zivilrechtliche Haftung zu qualifizieren. In dem Fall, dass der Antragsteller und die Registereinrichtung gemeinschaftlich eine unerlaubte Handlung begehen, haben sie gesamtschuldnerisch zu haften. Im Fall einer unerlaubten Handlung mehrerer Mittäter sollte die Haftung der Registereinrichtung als ergänzende Haftung ausgestaltet werden. Die Möglichkeiten für die Registereinrichtung, Regressansprüche geltend zu machen, unterscheiden sich je nachdem, ob Nebentäterschaft oder Mittäterschaft gegeben ist.

Die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch Dirk Looschelders

I.  Unrichtigkeit des Grundbuchs Gegenstand des Beitrags ist die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch. Es ist daher zunächst darauf einzugehen, wann das Grundbuch fehlerhaft bzw. unrichtig ist. Diese Frage lässt sich in Anlehnung an §  894 BGB dahingehend beantworten, dass das Grundbuch immer dann unrichtig ist, wenn sein Inhalt in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung nach §  892 Abs.  1 BGB nicht mit der wirklichen Rechtslage in Einklang steht. Erforderlich ist also eine Diskrepanz zwischen dem formellen Inhalt des Grundbuchs und der materiellen Rechtslage.1 1.  Ursachen der Unrichtigkeit Die Unrichtigkeit des Grundbuchs beruht in den meisten Fällen nicht auf einem Verfahrensfehler oder Verschulden des Grundbuchamts.2 Die Unrichtigkeit entsteht vielmehr häufig dadurch, dass die materielle Rechtslage sich außerhalb des Grundbuchs geändert hat.3 So geht das Eigentum an einem Grundstück mit dem Tod des Eigentümers kraft Gesetzes auf den Erben über, ohne dass dafür eine entsprechende Eintragung erforderlich ist (vgl. §  1922 BGB).4 Darüber hinaus kann sich die Unrichtigkeit daraus ergeben, dass die für die Rechtsänderung erforderliche dingliche Einigung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber eines dinglichen Rechts (§  873 BGB) nicht oder nicht wirksam erfolgt ist. Das Grundbuchamt kann dies meist nicht erkennen, weil es bei der Eintragung nach dem formellen Konsensprinzip nur die Bewilligung des Betroffenen zu prüfen hat (§  19 GBO).5  Vgl. Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2008) §  894 Rn.  19.  Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  24. 3   Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  18 Rn.  4. 4   Manfred Wolf/Marina Wellenhofer, Sachenrecht, 28.  Aufl. 2013, §  20 Rn.  1; zu weiteren Fällen der Gesamtrechtsnachfolge Harm Peter Westermann, BGB-Sachenrecht, 12.  Aufl. 2012, Rn.  357. 5  Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  24; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.   3) §   16 Rn.  20. 1 2

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Für den wichtigen Fall der Auflassung eines Grundstücks (sowie für Verfügungen in Bezug auf ein Erbbaurecht) gilt allerdings das materielle Konsensprinzip. 6 Die Eintragung darf danach nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist (§  20 GBO). Das Grundbuchamt ist jedoch auch hier nicht in der Lage, versteckte Unwirksamkeitsgründe festzustellen.7 In Betracht kommt insoweit etwa die Geisteskrankheit einer Partei (§  105 BGB) oder die rückwirkende Unwirksamkeit der dinglichen Einigung bei einer Anfechtung nach §§  119 ff., 142 BGB. Denkbar ist auch, dass der Antragsteller die Eintragung unter Vorlage falscher bzw. gefälschter Unterlagen herbeiführt. In der Praxis hat dieser Fall aber keine große Bedeutung, weil die Eintragungsunterlagen gemäß §  29 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden müssen. Die Notwendigkeit einer Grundbuchberichtigung kann im Einzelfall allerdings auch dadurch entstehen, dass das Grundbuchamt unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften eine unrichtige Eintragung vorgenommen hat. 8 Für den Anspruch auf Grundbuchberichtigung ergeben sich hieraus indes keine Besonderheiten. Da der Grundbuchberichtigungsanspruch den Zweck hat, die Übereinstimmung des Grundbuchinhalts mit der materiellen Rechtslage herzustellen, kommt es allein auf die objektive Unrichtigkeit des Grundbuchs an. Welche Ursachen für die Unrichtigkeit maßgeblich sind, ist dagegen grundsätzlich irrelevant. Wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs auf einem Verfahrensfehler beruht, kommt daneben nach §  53 GBO allerdings auch die Eintragung eines Widerspruchs oder die Löschung einer unzulässigen Eintragung von Amts wegen in Betracht.9 Bei einem Verschulden des Grundbuchamts können dem Betroffenen darüber hinaus Schadensersatzansprüche gegen den Staat wegen Amtspflichtverletzung (§  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG) zustehen.10 2.  Rechtsnatur der Eintragung und Umfang der Prüfungspflicht des Grundbuchamts Das Verfahren in Grundbuchsachen folgt in Deutschland den Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§  23a Abs.  2 Nr.  8 GVG).11 Die freiwillige Gerichtsbarkeit umfasst in weiten Bereichen verwaltende Tätigkeiten, die aus historischen Gründen aber formell der Rechtsprechung zugeordnet sind.12 Dies 6   Zum materiellen Konsensprinzip Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  16 Rn.  20; Westermann, Sachenrecht (Fn.  4) Rn.  384. 7   Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht (Fn.  4) §  20 Rn.  1. 8  Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  18 Rn.  5. 9   Siehe dazu unten III. 1. 10   Näher dazu unten IV. 11  Näher dazu Hartmut Schöner/Kurt Stöber, Grundbuchrecht, 15.  Aufl. 2012, 1. Teil Rn.  31. 12  Vgl. Werner Sternal, in: Keidel, FamFG, 18.  Aufl. 2014, §  1 Rn.  19 ff.; Leo Rosenberg/ Karl-Heinz Schwab/Peter Gottwald, Zivilprozessrecht, 17.  Aufl. 2010, §  11 I.

Die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch

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gilt namentlich für die Grundbuchsachen. Die Grundbücher werden nach §  1 GBO von den Amtsgerichten geführt, wobei die Aufgaben freilich weitgehend auf Rechtspfleger übertragen sind (§  3 Nr.  1 lit. h RPflG). Die Eintragung bzw. deren Ablehnung ist somit kein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt, sondern eine zivilgerichtliche Entscheidung. Die Entscheidungen der Grundbuchämter sind auch nicht vor den Verwaltungsgerichten anfechtbar; zulässiges Rechtsmittel ist die Beschwerde an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das Grundbuchamt seinen Sitz hat (§§  71 ff. GBO). Die GBO erleichtert das Eintragungsverfahren dadurch, dass sie auf umfangreiche materielle Prüfungspflichten des Grundbuchamtes verzichtet. Nach dem formellen Konsensprinzip muss das Grundbuchamt grundsätzlich nur die Voreintragung des Betroffenen sowie dessen Eintragungsbewilligung (§  19 GBO) prüfen; 13 die Eintragungsbewilligung soll dabei durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden (§  29 GBO). Auch im Anwendungsbereich des materiellen Konsensprinzips, also insbesondere bei der Auflassung von Grundstücken (§  20 GBO), reicht für die Eintragung ein Nachweis der dinglichen Einigung in der Form des §  29 GBO.14 Das Grundbuchamt ist also nicht verpflichtet, die materielle Wirksamkeit der Einigung zu überprüfen.15 Sofern die Einigung nachgewiesen ist, darf es die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde.16 Dabei ist das Grundbuchamt auf die im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismittel beschränkt17 und darf auch keine eigenen Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts durchführen.18

II.  Rechtsbehelfe der Beteiligten bei Unrichtigkeit des Grundbuchs Entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie ist es in erster Linie Sache der Beteiligten, der Unrichtigkeit des Grundbuchs entgegenzutreten.19 Dahinter steht die Erwartung, die Beteiligten würden die notwendigen Schritte wegen 13  Vgl. Johannes Holzer, in: Hügel, Beck’scher Online-Kommentar zur GBO, Stand: 01.07.2014, Ed. 21, §  19, Rn.  15. 14   Stefan Hügel, in: Hügel, Beck’scher Online-Kommentar zur GBO, 01.06.2013, Ed.  18, §  20 Rn.  63. 15  Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  873 Rn.  256; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  16 Rn.  60. 16   BayObLG 22.12.2004 – 2Z BR 215/04, BayObLG FGPrax 2005, 56 (57). 17   BayObLG 12.05.2004 – 2Z BR 19/03, BayObLG FGPrax 2004, 209. 18   Dirk-Ulrich Otto, in: Hügel, Beck’scher Onlinekommentar zur GBO, 01.06.2013, Ed.  18, §  29 Rn.  1. 19   Vgl. BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  22 Rn.  2 ; Hans Josef Wieling, Sachenrecht, 5.  Aufl. 2007, §  20 II 1.

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der Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs von Rechten durch Dritte (§  892 BGB) im eigenen Interesse selbst einleiten. Hierfür stehen ihnen drei Rechtsbehelfe zur Verfügung: der Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nach §  899 BGB, der Grundbuchberichtigungsanspruch nach §  894 BGB sowie der Antrag auf Grundbuchberichtung nach §  22 GBO. 1.  Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs (§  8 99 BGB) Um einen gutgläubigen Erwerb von Rechten durch Dritte möglichst rasch auszuschließen, bietet sich die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs an. Die Eintragung des Widerspruchs erfolgt dabei entweder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, der im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist, oder aufgrund einer einstweiligen Verfügung (§§  935 ff. ZPO) bzw. eines vorläufig vollstreckbaren Urteils (§  895 ZPO).20 Der Unterschied zu den anderen beiden Rechtsbehelfen besteht darin, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch den Widerspruch nicht beseitigt wird. Es handelt sich also nur um eine vorläufige Maßnahme bis zur endgültigen Entscheidung über die Grundbuchberichtigung.21 2.  Grundbuchberichtigungsanspruch nach §  8 94 BGB Zentraler Rechtsbehelf bei Unrichtigkeit des Grundbuchs ist der Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach §  894 BGB. Der durch die unrichtige Eintragung Benachteiligte kann danach von demjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen ist, die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangen. Es handelt sich um einen privatrechtlichen Anspruch, der vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist. Ebenso wie bei den Ansprüchen aus den §§  985, 1004 BGB handelt es sich um keinen schuldrechtlichen, sondern um einen dinglichen Anspruch. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch nicht von dem dinglichen Recht getrennt und selbstständig abgetreten werden kann.22 Ziel des Anspruchs ist die Bewilligung der Berichtigung durch den Betroffenen in der Form des §  29 GBO.23 Eine solche Bewilligung ist verfahrensrechtlich (§§  19, 22 GBO) erforderlich, damit das Grundbuchamt die Grundbuchberichtigung vornimmt. Nach einer erfolgreichen Klage aus §  894 BGB wird die Bewilligung gemäß §  894 ZPO durch das rechtskräftige Urteil ersetzt.24 20  Vgl. Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht (Fn.   4) §   19 Rn.   28; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  18 Rn.  14 ff. 21  Vgl. Wieling, Sachenrecht (Fn.  19) §  20 II 4 a. 22   Jürgen Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  894 Rn.  41; Wieling, Sachenrecht (Fn.  19) §  20 II 1 a. 23   Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  116; Wieling, Sachenrecht (Fn.  19) §  20 II 1 a cc. 24   MüKo BGB/Kohler (Fn.  22) §  894 Rn.  40; Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  168; Westermann, Sachenrecht (Fn.  4) Rn.  390.

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Der wichtigste Fall des §  894 BGB besteht darin, dass eine falsche Person als Eigentümer des Grundstücks oder Inhaber eines dinglichen Rechts an dem Grundstück eingetragen ist. Die Vorschrift greift aber auch ein, wenn ein bestehendes Recht an dem Grundstück oder eine bestehende Verfügungsbeschränkung nicht oder unrichtig eingetragen ist oder wenn eine eingetragene Belastung oder Verfügungsbeschränkung in Wirklichkeit nicht existiert. Die zur Sicherung eines obligatorischen Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück eintragbare Vormerkung (§§  883 ff. BGB) stellt zwar kein dingliches Recht dar; nach Sinn und Zweck gilt §  894 BGB für die Vormerkung aber entsprechend.25 Aus methodischer Sicht handelt es sich dabei um einen Fall der Analogie. Neben dem dinglichen Anspruch aus §  894 BGB kann dem Berechtigten auch ein schuldrechtlicher Berichtigungsanspruch zustehen. Wichtigste Anspruchsgrundlage ist dabei die Leistungskondiktion (§  812 Abs.  1 S.  1 Alt. 1 BGB). Daran ist insbesondere zu denken, wenn die Eintragung des Beklagten auf einer Leistung des Berechtigten beruht und nicht nur das Kausalgeschäft, sondern auch das Verfügungsgeschäft nichtig ist. Der Beklagte hat hier nur eine Buchposition erlangt, die nach Bereicherungsrecht zurückübertragen werden muss.26 Der Anspruch aus §  894 BGB und der Bereicherungsanspruch stehen dabei nebeneinander (sog. Anspruchskonkurrenz).27 Wurde die Eintragung durch eine unerlaubte Handlung (z. B. Fälschung von Unterlagen) herbeigeführt, so kann die Bewilligung der Berichtigung auch nach Deliktsrecht (§  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §§  267 ff. StGB) verlangt werden.28 3.  Grundbuchberichtigung nach §  22 GBO Kann der Berechtigte die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§  29 GBO) nachweisen, so ist er nicht auf die Geltendmachung des Grundbuchberichtigungsanspruchs aus §  894 BGB angewiesen, sondern kann nach §  22 GBO beim Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuchs beantragen. Dogmatisch betrachtet handelt es sich dabei um keinen materiellen Anspruch des Berechtigten, sondern um eine verfahrensrechtliche Durchbrechung des in §  19 GBO statuierten Bewilligungsgrundsatzes.29 Dahinter steht der Gedanke, dass eine Bewilligung der Berichtigung ent-

  Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  53 ff.  Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  170; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  18 Rn.  32; Wieling, Sachenrecht (Fn.  19) §  20 II 2b. 27   MüKo BGB/Kohler (Fn.  22) §  894 Rn.  47. 28  Vgl. Westermann, Sachenrecht (Fn.  4) Rn.  389. 29   Zur Rechtsnatur der Grundbuchberichtigung nach §  22 GBO BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  22 Rn.  8 f. 25 26

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behrlich ist, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs vom Berechtigten formgerecht nachgewiesen werden kann.30 In welchem Verhältnis die Grundbuchberichtigung nach §  22 GBO zu dem Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach §  894 BGB steht, ist umstritten. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage aus §  894 BGB nur dann fehlt, wenn außer Zweifel steht, dass die Berichtigung über §  22 GBO herbeigeführt werden kann.31 In der Praxis muss der Berechtigte letztlich meist doch auf §  894 BGB zurückgreifen, weil er die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht in der Form des §  29 GBO nachweisen kann.

III.  Eintragung eines Widerspruchs und Grundbuchberichtigung kraft Amtes 1.  Amtswiderspruch und Löschung unzulässiger Eintragungen kraft Amtes Hat das Grundbuchamt eine falsche oder unzulässige Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen, so kommt nach §  53 GBO ausnahmsweise die Eintragung eines Widerspruchs oder die Löschung der unzulässigen Eintragung von Amts wegen in Betracht. Hierfür reicht die objektive Verletzung der gesetzlichen Vorschriften; ein Verschulden (§  276 BGB) ist nicht erforderlich.32 Ebenso wie der Widerspruch nach §  899 BGB hat auch der Amtswiderspruch nach §  53 GBO den Zweck, einen gutgläubigen Erwerb zu Lasten des wahren Berechtigten auszuschließen.33 Die Löschung kraft Amtes ist auf den seltenen Fall beschränkt, dass die Eintragung schon ihrem Inhalt nach unzulässig ist.34 Eine Grundbuchberichtigung von Amts wegen sieht §  53 GBO nicht vor. Der Berechtigte bleibt insofern auf den Anspruch aus §  894 BGB oder den Antrag nach §  22 GBO verwiesen.35 2.  Verpflichtung zur Antragstellung und Berichtigung von Amts wegen Nach einem Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs (z.  B. durch Erbfolge) kann das Grundbuchamt den Eigentümer oder Testamentsvollstrecker nach §  82 GBO verpflichten, den Antrag auf Grundbuchberichtigung zu stellen und die zur Berichtigung des Grundbuchs notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Ist dieses Zwangsverfahren nicht durchführbar oder nicht erfolgsversprechend, so kann das Grundbuchamt das Grundbuch nach §  82a GBO von Amts wegen   BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  22 Rn.  4 ; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  18 Rn.  30.   Vgl. Staudinger/Gursky (Fn.  1) §  894 Rn.  6 ; MüKo BGB/Kohler (Fn.  22) §  894 Rn.  3. 32   Vgl. BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  53 Rn.  21. 33   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  16 Rn.  56. 34   Zu praktischen Beispielen Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  16 Rn.  55. 35   Vgl. BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  53 Rn.  2. 30 31

Die Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch

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berichtigen. In der Praxis findet dies nur in seltenen Ausnahmefällen statt.36 Der Erbe hat meist ein eigenes Interesse daran, seine Eintragung als Eigentümer zu beantragen.

IV.  Schadensersatzanspruch des Berechtigten wegen fehlerhafter Eintragung Beruht die Unrichtigkeit des Grundbuchs auf einem Verfahrensfehler des Grundbuchamts, so steht dem Berechtigten ein Amtshaftungsanspruch aus §  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG zu. Voraussetzung ist ein Verschulden des Grundbuchamts. Der Anspruch richtet sich nicht gegen den zuständigen Grundbuchbeamten, sondern gegen den Staat, und ist nach Art.  34 S.  3 GG nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Zugunsten des Staates greift dabei die Subsidiaritätsklausel des §  839 Abs.  1 S.  2 BGB ein.37 Der Anspruch ist danach ausgeschlossen, wenn dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Berechtigte auf andere Weise (z.  B. von dem zu Unrecht Eingetragenen) Ersatz erlangen kann. Nach §  839 Abs.  3 BGB tritt die Ersatzpflicht auch dann nicht ein, wenn der Berechtigte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Das spezielle Privileg für Amtspflichtverletzungen bei Urteilen in einer Rechtssache (sog. Spruchrichterprivileg nach §  839 Abs.  2 BGB) greift hier dagegen nicht ein, weil die Amtshandlungen des Grundbuchamts nicht als „Urteile“ anzusehen sind.38

V. Fazit Abschließend ist festzustellen, dass sich das deutsche Recht bei der Berichtigung des Grundbuchs – ebenso wie im gesamten Grundstücksrecht – durch eine enge Verzahnung von formellen und materiellen Vorschriften auszeichnet. Entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie liegt die Initiative für die Grundbuchberichtigung primär bei den Beteiligten. Das Grundbuchamt wird dagegen nur in Ausnahmefällen von Amts wegen tätig. In der Praxis hat dieser Mechanismus sich als geeignet erwiesen, nicht nur die Interessen der Beteilig36  BeckOK GBO/Holzer (Fn.  13) §  82a Rn.  23; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  16 Rn.  12. 37   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  15 Rn.  12; allg. zur Anwendbarkeit des §  839 Abs.  1 S.  2 BGB zu Gunsten des Staates BGH 08.11.1973 – III ZR 129/71, BGHZ 61, 351 (354); BGH 05.11.1992 – III ZR 91/91, BGHZ 120, 124 (125 f.); Dirk Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9.  Aufl. 2014, Rn.  1373. 38   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  3) §  15 Rn.  12; allgemein zum Urteilsbegriff Hans-Jürgen Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 6.  Aufl. 2013, §  839 Rn.  325 f.

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ten, sondern auch das öffentliche Interesse an der Richtigkeit des Grundbuchs effektiv zu wahren.

Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch in China ein Versuch der Auslegung Xiangxiang WU (吴香香)

I. Einleitung Eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im weiteren Sinne kann aus mehreren Gründen vorliegen, wie z.  B. wegen falscher Angaben von den Betroffenen, Fehlern des Grundbuchamts oder dinglicher Rechtsänderung außerhalb des Grundbuchs (etwa durch Erbfolge). Zwar stimmen Rechtslage und Rechtsschein damit nicht überein, die Richtigkeitsvermutung spricht aber weiterhin für die unrichtige Eintragung (§  16 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes, im Folgenden: chin. SRG). Demzufolge verliert der wahre Berechtigte, der nicht oder nicht richtig im Grundbuch eingetragen ist, nicht nur die Vorteile hinsichtlich der Beweislast, sondern läuft auch Gefahr, sein Recht durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten zu verlieren (§  106 chin. SRG). Zudem hindert die Unrichtigkeit des Grundbuchs den nicht eingetragenen Berechtigten an der Verfügung über sein Recht. Daher ist es notwendig, die Abweichung zwischen dem Inhalt des Grundbuchs und der wirklichen Rechtslage zu beseitigen. Diese vorliegende Erörterung der Grundbuchberichtigung1 in China soll zunächst aufzeigen, welche Arten von Unrichtigkeit des Grundbuchs eintreten können, und geht auf die damit korrespondierenden Arten der Grundbuchberichtigung, namentlich Berichtigung von Amts wegen einerseits und Berichtigung auf Antrag andererseits, ein. Dann wird sich diese Bearbeitung auf eine Auseinandersetzung mit dem Grundbuchberichtigungsanspruch, hierbei insbesondere auf dessen Inhaber und Inhalt, konzentrieren.

  Der Begriff der Grundbuchberichtigung wird hier im weiteren Sinne verstanden und nicht auf den Grundbuchberichtigungsanspruch beschränkt. 1

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II.  Arten der Unrichtigkeit des Grundbuchs und ihre Berichtigung 1.  Arten der Unrichtigkeit des Grundbuchs Eine Unrichtigkeit des Grundbuchs liegt bei einer Abweichung der Buchlage von der materiellen Rechtslage vor. Hierbei ist zwischen der Unrichtigkeit auf rechtlicher und auf tatsächlicher Ebene zu unterscheiden. Bei Ersterer geht es um unrichtige Angaben über Inhalt, Umfang oder Rang eines Rechts, die Eintragung eines nicht bestehenden Rechts, die unrichtige Eintragung eines bestehenden Rechts, die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder die Nichteintragung oder Löschung eines noch bestehenden Rechts.2 Die zweite Ebene bezieht sich dagegen auf die Unrichtigkeit tatsächlicher Angaben, etwa falsche Angaben über den Ort oder die Fläche des Grundstücks, eine ungenaue Bezeichnung des Berechtigten (bei Namensänderung oder Umwandlung einer Gesamthandsgemeinschaft) oder Schreibfehler. Zu beachten ist, dass eine Unterscheidung zwischen der dinglichen Rechtsänderung des zugrundeliegenden Rechtsgrunds und dem Änderungsakt selbst in China bereits anerkannt ist (§  15 chin. SRG, §  15 der Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu Fragen des Vertragsgesetzes II). Trotzdem ist umstritten, ob der Lehre vom dinglichen Rechtsgeschäft zu folgen ist. Unter Anerkennung der Abstraktheit des dinglichen Rechtsgeschäfts liegt nach der Eintragung der Rechtsänderung keine Unrichtigkeit des Grundbuches vor, wenn nur das Grundgeschäft unwirksam ist. Demgegenüber führen die gleichzeitige Unwirksamkeit des Grundgeschäfts und der dinglichen Einigung zur Unrichtigkeit des Grundbuchs. Im Gegensatz dazu hat die Verneinung der Abstraktheit des dinglichen Rechtsgeschäfts zur Folge, dass schon die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führt. 2.  Arten der Grundbuchberichtigung Gemäß §  19 Abs.  1 S.  1 chin. SRG können der Berechtigte oder derjenige, der ein berechtigtes Interesse darlegt, eine Berichtigung der Eintragung beantragen, wenn sie meinen, dass das Grundbuch fehlerhaft ist.3 Wenn das Grundbuchamt 2   Nach der deutschen Lehre ist das Grundbuch im Rechtssinn nur inkorrekt, wenn die falsche Eintragung öffentlichen Glauben entfaltet, vgl. Kurt Schellhammer, Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen, 4.  Aufl. 2013, Rn.  1012; siehe auch Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2013) §  894 Rn.  20. 3   §  58 der Verordnung über Landregistrierung (VO Nr.  40 des Ministeriums für Territorialressourcen, bekannt gemacht am 30.12.2007, in Kraft seit dem 01.02.2008): „I. Stellt die Territorialressourcenbehörde fest, dass eine Eintragung im Landregister tatsächlich fehlerhaft ist, so muss sie, nachdem sie dies der Volksregierung gemeldet und deren Genehmigung erhalten hat, die Korrektur registrieren und die Beteiligten schriftlich auffordern, innerhalb einer bestimmten Frist das Verfahren zum Austausch bzw. zur Löschung der bisherigen

Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch in China

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die Fehlerhaftigkeit einer Eintragung feststellt, so muss es eine Korrektur vornehmen (§  58 der Verordnung über Landregistrierung, §  75 der Verordnung über Gebäuderegistrierung). In den Fällen des §  19 Abs.  1 S.  1 chin. SRG erfolgt die Berichtigung auf Antrag, in den letztgenannten Fällen besteht dagegen ein Korrekturzwang von Amts wegen. a)  Korrekturzwang von Amts wegen Neben dem Sachenrechtsgesetz regeln, wie erwähnt, die Verordnung über Landregistrierung und die Verordnung über Gebäuderegistrierung die Grundbuchberichtigung.4 §  58 der Verordnung über Landregistrierung enthält allerdings keine Regelung über den Umfang der fehlerhaften Grundbucheintragungen, auf die der Korrekturzwang gerichtet ist. §  75 der Verordnung über Gebäuderegistrierung behandelt falsche Angaben über die Rechtslage einerseits und über tatsächliche Verhältnisse andererseits in unterschiedlicher Weise. Stellt das Gebäuderegisterorgan Fehler bei Eintragungen im Gebäuderegister fest, die nicht die Zugehörigkeit oder den Inhalt von Rechten am Gebäude berühren, so müssen die betroffenen Rechtsinhaber schriftlich aufgefordert werden, die Eintragungen innerhalb einer bestimmten Frist korrigieren zu lassen; wenn die Parteien dem ohne ordentlichen Grund nicht fristgemäß nachkommen, kann das Gebäuderegisterorgan aufgrund der Unterlagen zum Eintragungsantrag oder aufgrund von wirksamen Rechtsurkunden die Eintragung im Gebäuderegister korrigieren, wovon es die Parteien schriftlich unterrichtet (Absatz 1). Bei Landrechtsurkunden durchzuführen. Tun die Beteiligten dies nicht fristgemäß, so sind die bisherigen Landrechtsurkunden unwirksam, wenn die Territorialressourcenbehörde dies der Volksregierung gemeldet sowie deren Genehmigung erhalten hat und dies bekanntgemacht worden ist. II. Geht es bei der registrierten Korrektur um die Zugehörigkeit von Landrechten, so muss das Ergebnis der registrierten Korrektur bekanntgemacht werden.“; §  75 der Verordnung über Gebäuderegistrierung (VO Nr.  168 des Bauministeriums, verabschiedet auf der 147. Sitzung des Ständigen Ausschusses des Ministeriums am 22.01.2008, bekanntgemacht am 25.02.2008, in Kraft seit dem 01.07.2008): „I. Stellt das Gebäuderegisterorgan Fehler bei Eintragungen im Gebäuderegister fest, die nicht die Zugehörigkeit oder den Inhalt von Rechten am Gebäude berühren, so müssen die betroffenen Rechtsinhaber schriftlich aufgefordert werden, die Eintragungen innerhalb einer bestimmten Frist korrigieren zu lassen; wenn die Parteien dies ohne ordentlichen Grund nicht fristgemäß tun, kann das Gebäuderegisterorgan aufgrund der Unterlagen zum Registrierungsantrag oder von wirksamen Rechtsurkunden die Eintragung im Gebäuderegister korrigieren, wovon es die Parteien schriftlich unterrichtet. II. Bei Fehlern bei Eintragungen im Gebäuderegister, welche die Zugehörigkeit oder den Inhalt von Rechten am Gebäude berühren, muss das Gebäuderegisterorgan schriftlich die betroffenen Rechtsinhaber auffordern, die Eintragungen innerhalb einer bestimmten Frist korrigieren zu lassen; wenn während der Frist für die Durchführung der Korrektur die Rechts­ inhaber über ihr Recht am Gebäude verfügen und die Registrierung [der Verfügung] beantragen, muss das Gebäuderegisterorgan die Bearbeitung dieses Antrags vorläufig aussetzen.“; Die Übersetzung erfolgt nach Frank Münzel, in: Münzel, Chinas Recht (2007) www. chinas-recht.de (zuletzt 09.09.2014). 4   Die zuständigen Registerorgane für das Grundstück und das Gebäude fallen in China auseinander.

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Fehlern bei Eintragungen im Gebäuderegister, welche die Zugehörigkeit oder den Inhalt von Rechten am Gebäude berühren, muss das Gebäuderegisterorgan hingegen die betroffenen Rechtsinhaber nur schriftlich auffordern, die Eintragungen innerhalb einer bestimmten Frist korrigieren zu lassen (Absatz 2). Die Vorschrift enthält keine Aussage zu der Frage, ob das Gebäuderegisterorgan auch dafür zuständig ist, falsche Angaben über die Rechtslage zu berichtigen, falls der Rechtsinhaber die Berichtigung nicht beantragt. Dies ist abzulehnen, denn jede Befugnis eines administrativen Organs (wie dem Grundbuchamt) muss durch Gesetz begründet werden. Diese Auslegung ähnelt der deutschen Lehre, nach der die Berichtigung von Amts wegen auf die Unrichtigkeit tatsächlicher Angaben beschränkt ist.5 Eine solche Auffassung hinsichtlich der Begrenzung der Berichtigungszuständigkeit des Grundbuchamtes auf unrichtige tatsächliche Angaben wird teilweise auch von chinesischen Autoren vertreten. Schließlich stellt eine Streitigkeit um die Richtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der Rechtslage im Grunde einen Streit um private Rechte dar, sie gehört mithin zu den bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, für die der Zivilprozess offensteht, nicht aber das Verwaltungsverfahren. 6 b)  Berichtigung auf Antrag Die Grundbuchberichtigung auf Antrag wird durch §  19 Abs.  1 S.  2 chin. SRG geregelt: „Das Register ist zur Berichtigung der Eintragung verpflichtet, wenn der Eingetragene sie schriftlich bewilligt oder die Unrichtigkeit der Eintragung nachgewiesen wird.“ Somit liegt die Voraussetzung der Beantragung entweder in der schriftlichen Bewilligung durch den Buchberechtigten oder im Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs. Rechtsgrundlage für den Antrag anhand der schriftlichen Bewilligung des Buchberechtigten ist die Regelung zum Berichtigungsanspruch, obwohl die Vorschrift dies nicht ausdrücklich beinhaltet. Ansonsten bestünde allerdings für die Aufforderung gegen den Buchberechtigten, der Berichtigung zuzustimmen, keine Rechtsgrundlage. Durch den Wortlaut der Vorschrift wird zudem deutlich, dass der Berichtigungsanspruch nur gegeben ist, wenn es sich um eine fehlerhafte Eintragung der Rechtslage handelt. Die Berichtigung von fehlerhaften Angaben über tatsächliche Umstände hat der Buchberechtigte mit einem Nachweis über die Unrichtigkeit zu beantragen.

  Ralph Weber, Sachenrecht II, Grundstücksrecht (2012) 107.   Xiao CHENG, Arten der Fehler des Grundbuchs und deren Berichtigung, Heft 4 (程 啸:„不动产登记薄错误之类型与更正登记”) (2011) 164 ff. 5 6

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III.  Antragsteller der Grundbuchberichtigung 1.  Abgrenzung des „Berechtigten“ von den „sonst sachlich Betroffenen“ Für den Antrag auf Grundbuchberichtigung stellen §  19 chin. SRG, §  59 der Verordnung über Landregistrierung und §  74 der Verordnung über Gebäuderegistrierung für den „Berechtigten“ und den „sonst sachlich Betroffenen“ unterschiedliche Voraussetzungen auf.7 Der Grund hierfür besteht in einer klaren Abgrenzung dieser beiden Personen voneinander. Die Kommission des ständigen Ausschusses des Volkskongresses für legislative Angelegenheiten und das Oberste Volksgericht definieren die Person des „Berechtigten“ „sowohl als den Buchberechtigten als auch als den wahren Berechtigten“. 8 Logischerweise soll somit weder der Buchberechtigte noch der wahre Berechtigte unter den Begriff der „sonst sachlich betroffenen Person“ gefasst werden. Allerdings kann nach §  19 Abs.  2 chin. SRG, §  60 der Verordnung über Landregistrierung und §  76 der Verordnung über Gebäuderegistrierung lediglich die „sonst sachlich betroffene Person“ die Eintragung eines Widerspruchs beantragen. Die Kommission des ständigen Ausschusses des Volkskongresses für legislative Angelegenheiten und das oberste Volksgericht behaupten allerdings, dass „sowohl der wahre Berechtigte als auch der ‚sonst sachlich Betroffene“ den Widerspruch beantragen könnte.9 Die obigen Erläuterungen zu dem „Berechtigten“ und der „sonst sachlich betroffenen Person“ führen so jedoch zu einem Paradoxon: Der wirklich 7   §  59 der Verordnung über Landregistrierung: „Hält ein Landberechtigter Eintragungen im Landregister für fehlerhaft, so kann er mit der bisherigen Landrechtsurkunde und den Unterlagen zum Nachweis des Fehlers der Registrierung eine Korrektur der Registrierung beantragen (Absatz 1). Hält ein materiell Interessierter Eintragungen im Landregister für fehlerhaft, so kann er mit der schriftlichen Zustimmung des Landberechtigten zu den schriftlichen Nachweisen für die Korrektur beantragen, dass die Registrierung korrigiert wird (Absatz 2)“, Frank Münzel, Chinas Recht (2007), vgl. www.chinas-recht.de (zuletzt 09.09.2014). §   74 der Verordnung über Gebäuderegistrierung: „Wenn Rechtsinhaber oder materiell Interessierte der Ansicht sind, dass Eintragungen im Gebäuderegister fehlerhaft sind, können sie die folgenden Unterlagen einreichen, um eine Korrektur zu beantragen: 1. Die Registrierungsantragsschrift, 2. Identitätsnachweise der Antragssteller, 3. Unterlagen zum Beweis, dass Eintragungen im Gebäuderegister fehlerhaft sind (Absatz I). Wenn materiell Interessierte die Korrektur von Eintragungen beantragen, müssen sie außerdem Unterlagen zum Nachweis dafür vorlegen, dass der Rechtsinhaber der Korrektur zustimmt (Absatz II)“, Münzel, Chinas Recht (Fn.  3), www.chinas-recht.de (zuletzt 09.09.2014). 8   Abteilung für Zivilrecht der Kommission des Volkskongresses für legislative Angelegenheiten, Erläuterung, Gesetzgebungszweck und zusammenhängende Regelungen des Sachenrechtsgesetzes der VR China (全国人大常委会法制工作委员会民法室编: 《条文说明、立法理由及相关规定》) (2007) 29; Untersuchungsgruppe des Sachenrechtsgesetzes des Obersten Volksgerichts, Auslegung und Anwendung des Sachenrechtsgesetzes der VR China (最高人民法院物权法研究小组编著: 《条文理解与适用》) (2007) 100. 9   Abteilung für Zivilrecht der Kommission des Volkskongresses für legislative Angelegenheiten, Erläuterung (Fn.  8) 29; Untersuchungsgruppe zum Sachenrechtsgesetz des Obersten Volksgerichts, Auslegung und Anwendung (Fn.  8) 100.

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Berechtigte unterfällt dann sowohl dem Begriff des „Berechtigten“ als auch dem Begriff des „sonst sachlich Betroffenen“. Eine mögliche Lösung hierfür könnte in einer unterschiedlichen Auslegung des Begriffes des „sonst sachlich Betroffenen“ entsprechend den verschiedenen Umständen bestehen. Solch hinreichend unterschiedliche Umstände liegen aber bei Grundbuchberichtigung und Widerspruch gerade nicht vor. Schließlich dienen beide Rechtsinstitute dazu, den gutgläubigen Erwerb zulasten des wahren Berechtigten zu verhindern. Ein anderer Lösungsweg besteht in der Beschränkung des Begriffs des „Berechtigten“ auf den „Buchberechtigten“10 und in der Einordnung des wahren Berechtigten, dessen Recht aber nicht richtig eingetragen ist, als eine Art „sonst sachlich betroffenen Person“. Diese Auslegung entspricht noch dem Wortlaut von §  59 der Verordnung über Landregistrierung und §  74 der Verordnung über Gebäuderegistrierung: Einerseits ist – den Vorschriften gemäß – der „sonst sachlich betroffene“ Inhaber des Berichtigungsanspruchs statt des „Berechtigten“, welcher der nicht richtig eingetragene, wahre Berechtigte ist; andererseits ist der „Berechtigte“ auch als Anspruchsgegner des Berichtigungsanspruchs bestimmt, der aber gerade der Buchberechtigte ist. Zu beachten ist aber, dass der Buchberechtigte der Scheinrechtsinhaber, dem eigentlich kein Recht zusteht, sein kann. Es ist aber auch möglich, dass der Buchberechtigte der wahre Rechtsinhaber ist, für den nur die tatsächlichen Verhältnisse nicht richtig im Grundbuch angegeben sind. Unter diesen Umständen ist er berechtigt, die Berichtigung unter Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Grundbuchs zu beantragen. Im ersteren Fall fehlt es jedoch an einer Rechtfertigung, seinen Berichtigungsantrag zuzulassen. Ansonsten würde der Scheinberechtigte, der nicht der wahre Rechtsinhaber ist, ohne Zustimmung des wirklich Berechtigten über dessen Recht verfügen können. Demzufolge soll der Buchberechtigte, der nicht der wahre Rechtsinhaber ist, nur befugt sein, die Löschung seiner Buchposition zu beantragen. Auf jeden Fall ist der Buchberechtigte nicht Inhaber des Berichtigungsanspruchs, da ihm gegen sich selbst kein Anspruch zustehen kann. Anschließend stellt sich die Frage, wie der Begriff der „sonst sachlich betroffenen Person“ genau zu definieren ist. Nach §  19 Abs.  1 chin. SRG setzt der Antrag auf Grundbuchberichtigung voraus, dass entweder die Bewilligung des Buchberechtigten oder der Nachweis der Unrichtigkeit der Eintragung beim Grundbuchamt vorgelegt wird. Rechtsgrundlage dafür ist der Berichtigungsanspruch. Daher gleicht der „sonst sachlich Betroffene“ dem „Inhaber des Berichtigungsanspruchs“. 10   CHENG, Fehler des Grundbuchs (Fn.  6) 164 ff.; Yan ZHU/Shengping GAO/Xing CHEN, Kommentar zum Chinesischen Sachenrechtsgesetz (朱岩、高圣平、陈鑫: 《中国物权 法评注》) (2007) 130 f.

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2.  Inhaber des Berichtigungsanspruchs Zweck des Berichtigungsanspruchs ist die Vermeidung des gutgläubigen Erwerbs eines Dritten zulasten des Berechtigten11, um – angesichts des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs – dessen inhaltliche Richtigkeit zu sichern.12 Infolgedessen ist der Anspruchsinhaber derjenige, den die unrichtige Eintragung beeinträchtigt, und vor allem der wahre Berechtigte, dessen Recht durch die Unrichtigkeit des Grundbuchs verletzt ist. Da der „sonst sachlich Betroffene“ dem „Inhaber des Berichtigungsanspruchs“ gleicht, gehören hierzu auch die dinglich Berechtigten, deren dingliche Rechte nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch eine unwirksame dingliche Belastung gestört werden. Die Rechtfertigung hierfür liegt in der Beeinträchtigung ihrer dinglichen Rechte durch die unrichtige Eintragung. Insoweit stellen die ihnen zustehenden Berichtigungsansprüche eine spezielle Art von Beseitigungsansprüchen wegen Beeinträchtigungen der dinglichen Rechte (§  35 chin. SRG) dar. Schwierig zu entscheiden ist hingegen die Frage, ob es auch Inhaber des Berichtigungsanspruchs gibt, die außerhalb des Kreises der dinglich Berechtigten stehen. Auch die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, was nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt ist. Nach seinem Sinn und Zweck kommt der Anspruch nur in Betracht, wenn der Inhaber durch die Unrichtigkeit des Grundbuchs beeinträchtigt wird. Außer den falschen Angaben über dingliche Rechte sind auch die nicht richtig eingetragene Vormerkung und der Widerspruch rechtlich nachteilig. Die oben genannte Wertung trifft auch in diesen Fällen zu. Für die zu Unrecht eingetragene Vormerkung13 und den Widerspruch14 gilt der Berichtigungsanspruch ebenfalls. Problematisch ist, ob auch die anderen (außer dem vorgemerkten) Gläubiger unter den Personenkreis der Anspruchsinhaber fallen. Hierzu ein Beispiel: Statt des wirklichen Eigentümers E1 wird E2 im Grundbuch eingetragen. Nachdem eine dingliche Einigung zwischen E1 und B erfolgt ist, beantragt E1 die Berichtigung jedoch nicht. Steht der Berichtigungsanspruch auch B zu? Meines Erachtens ist der Kreis der „sonstigen sachlich betroffenen Personen“ außerhalb der dinglichen Rechteinhaber eng zu begrenzen. Ansonsten könnte der nicht dinglich berechtigte Gläubiger über das dingliche Recht verfügen, was eine starke Verletzung der Privatautonomie darstellen würde.15 11   Shengming WANG, Erläuterungen zum Sachenrechtsgesetz der VR China (王胜明主编: 《中华人民共和国物权法解读》) (2007) 43. 12   ZHU/GAO/CHEN, Chinesisches Sachenrechtsgesetz (Fn.  10) 130. 13   Heinrich Lange, Sachenrecht (1967) 102; Weber, Sachenrecht (Fn.  5) 106. 14   Lange, Sachenrecht (Fn.  13) 102. 15   Andere Ansicht vgl. Jianyuan CUI, Sachenrecht: Norm und Lehre, konzentriert auf die Auslegung des chinesischen Sachenrechtsgesetzes, Bd. 1 (崔建远教授认为真实权利人的债权 人、继承人、配偶应在利害关系人范围内,参见氏著: 《物权:规范与学说—以中国物权法的解释 论为中心》 [上册]) (2011) 185.

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IV. Berichtigungsanspruch Bei dem Berichtigungsanspruch handelt es sich um einen Spezialfall des Abwehranspruchs.16 Dementsprechend hat er eine dingliche Natur, ist aber kein selbstständiges dingliches Recht, sondern ein dinglicher Anspruch, der nur ein Ausfluss des dinglichen Rechts und isoliert weder abtretbar noch pfändbar ist.17 (Dennoch ist eine Ermächtigung zur Ausübung des dinglichen Rechts möglich.) Selbst der Berichtigungsanspruch des unrichtig vorgemerkten Gläubigers resultiert aus der Eintragbarkeit seiner schuldrechtlichen Rechtsposition. Dadurch ist diese schuldrechtliche Rechtsposition einem dinglichen Recht angenähert. 1.  Gegner des Berichtigungsanspruchs Gegner des Berichtigungsanspruchs ist der Buchberechtigte, der fälschlicherweise als Berechtigter im Grundbuch eingetragen ist. Jedoch können auch nicht eingetragene Personen Anspruchsgegner sein, wenn ohne ihre Mitwirkung keine Berichtigung erfolgen kann18 , so etwa beim Insolvenzverwalter. Wegen seiner Rechtsnatur als ein dinglicher Abwehranspruch kommt es auf die Kenntnis oder ein Verschulden des Anspruchsgegners nicht an. 2.  Inhalt des Berichtigungsanspruchs Der Grundbuchberichtigungsanspruch ist ein Anspruch gegen den Betroffenen, der auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs gerichtet ist. Allerdings ist die Zustimmung keine materiell-rechtliche Willenserklärung (keine Verfügung), sondern eine verfahrensrechtliche Eintragungsbewilligung, die nicht die materielle Rechtslage, sondern nur den Rechtsschein ändert. Näher zu erörtern ist insoweit die Beziehung zwischen der Bewilligung und dem Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs. Nach §  19 Abs.  1 S.  2 chin. SRG besteht die Möglichkeit, ein Mittel auszuwählen. Hingegen fordert §  74 Abs.  1, 2 der Verordnung über Gebäuderegistrierung von dem Antragsteller die gleichzeitige Vorlage beider Voraussetzungen. Dies ändert nicht nur die Aussage des chinesischen Sachenrechtsgesetzes, sondern verschlechtert auch die Rechtsposition des Anspruchsinhabers, indem er seiner Wahlmöglichkeit beraubt und in seiner Autonomie begrenzt wird. Daher ist an der Regelung des §  19 Abs.  1 S.  2 chin.

16   Jürgen Fritz Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, Chinesische Publikation, Bd. 1 (2004) 373; CHENG, Fehler des Grundbuchs (Fn.  4) 164 ff. 17   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  16) 379. 18   Pengao CHANG, Eintragungsrecht bei unbeweglichen Sachen (常鹏翱: 《不动产登记 法》) (2011) 180.

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SRG festzuhalten. Im Falle der Bewilligung der Grundbuchberichtigung erübrigt sich somit ein Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs.19 3.  Verteidigungsmöglichkeiten des Anspruchsgegners Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Verteidigungsmöglichkeiten dem Anspruchsgegner (außer dem schlichten Nichtbestehen und dem Untergang des Anspruchs) zur Seite stehen. a) Zurückbehaltungsrecht Wenn der Bucheigentümer auf das im Eigentum eines Anderen stehende Grundstück Verwendungen gemacht hat, stellt sich die Frage, ob er sich nun gegen den Berichtigungsanspruch des Berechtigten verteidigen kann. Diese Frage hat das BGB mit dem Zurückbehaltungsrecht des Anspruchsgegners beantwortet. Eine derartige Regelung wurde in China hingegen nicht getroffen. Unser Zurückbehaltungsrecht stellt kein Leistungsverweigerungsrecht, sondern ein gesetzliches Sicherungsrecht für bewegliche Sachen (§  230 chin. SRG) dar. Wegen des Typenzwangs der dinglichen Rechte (§  5 chin. SRG) ist seine analoge Anwendung nicht zulässig. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen vorgenommener Verwendungen ist aber trotzdem auf eine Analogie zu §  243 chin. SRG zu stützen. Diese Vorschrift lautet: „Der Berechtigte kann von dem Besitzer unbeweglicher oder beweglicher Sachen die Herausgabe dieser Sachen und ihrer Früchte verlangen, muss aber die Kosten für die notwendigen Verwendungen tragen, die der Besitzer in gutem Glauben für die Erhaltung dieser unbeweglichen oder beweglichen Sachen geleistet hat.“

Zwischen dem wahren Berechtigten und dem Buchberechtigten besteht eine der Vindikationslage vergleichbare Rechtslage. Dem unrechtmäßigen Besitz entspricht die unrechtmäßige Eintragung im Grundbuch, die als Buchrecht oder Buchbesitz herauszugeben ist. Diese enge Verwandtschaft rechtfertigt die analoge Anwendung von §  243 chin. SRG (Regelung über die Nebenfolgen der Vindikation), laut dem eine Bewilligung wegen eines Anspruchs auf Verwendungsersatz verweigert werden kann.20 b)  Einrede der Verjährung Gemäß §  1 der Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zur Verjährung kann der Anspruchsgegner gegen einen schuldrechtlichen Anspruch die Einrede der Verjährung erheben. Dementsprechend sind dingliche Ansprüche unverjährbar. Zudem beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich nur zwei Jahre (§  135 der   Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  16) 372.   Nach der deutschen h. M. sind die Regelungen über die Nebenfolgen der Vindikation analog auf den Berichtigungsanspruch anzuwenden. Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  16) 377. 19

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Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts). Auch die Kürze der Verjährungsfrist spricht gegen ihre Anwendung auf dingliche Ansprüche. Daher kann der Berichtigungsanspruch nicht verjähren.21 c)  Verweigerung nach Treu und Glauben Wenn der Anspruchsgegner trotz der Unrichtigkeit des Grundbuchs einen schuldrechtlichen Anspruch auf das eingetragene Recht hat (etwa wenn der Kaufvertrag wirksam und nur die dingliche Einigung unwirksam ist und der Käufer daher einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auflassung und Eintragung hat), darf er mit diesem Gegenanspruch den Anspruch des Berechtigten auf Grundbuchberichtigung nach Treu und Glauben abwehren, weil niemand etwas leisten muss, was er alsbald zurückfordern kann (dolo-agit-Einrede).22 Darüber hinaus wird teilweise die Auffassung vertreten, dass der Anspruch auch nicht durchsetzbar ist, wenn der Berechtigte während eines langen Zeitraums den Anspruch nicht geltend macht und der Anspruchsgegner daher mit gutem Grund davon überzeugt ist, dass der Berechtigte den Anspruch nie geltend machen würde.23 Die Annahme einer solchen Verwirkung ist im chinesischen Recht jedoch zweifelhaft.

V. Fazit Bei Abweichung der materiellen Rechtslage von der formellen Buchlage liegt eine Unrichtigkeit des Grundbuchs vor. Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen einer fehlerhaft eingetragenen Rechtslage und den fehlerhaft eingetragenen tatsächlichen Verhältnissen. Der Korrekturzwang von Amts wegen betrifft nur fehlerhafte Angaben über tatsächliche Verhältnisse. Gemäß §  75 der Verordnung über Gebäuderegistrierung ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich einer fehlerhaft eingetragenen Rechtslage nur auf Antrag zu berichtigen. Die Beantragung kann sich entweder auf die Bewilligung des Buchberechtigten oder auf den Nachweis der Unrichtigkeit stützen. Die „sonst sachlich betroffene Person“ i. S. des §  19 Abs.  1 chin. SRG gleicht dem Inhaber des Berichtigungsanspruchs. Darunter fallen der unrichtig eingetragene dinglich Berechtigte, der falsch angegebene vorgemerkte Gläubiger und der unrichtig eingetragene Widerspruchsberechtigte. Im Grundsatz ist der Buchberechtigte, der als Rechtsinhaber eingetragen ist, der Anspruchsgegner des Anspruchs auf Abgabe der Bewilligung zur Berichtigung. Dem Anspruchsgegner des Berichti21   Xianzhong SUN u. a., Durchsetzung des Sachenrechtsgesetzes (孙宪忠等著: 《物权法的 实施》[第一卷 物权确定]) (2013) 114. 22   CHANG, Eintragungsrecht (Fn.  18) 180. 23   CHANG, Eintragungsrecht (Fn.  18) 180.

Grundbuchberichtigung bei fehlerhaftem Grundbuch in China

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gungsanspruchs steht die Verweigerung der Erfüllung des Anspruchs wegen getätigter Verwendungen und aus Treu und Glauben zur Seite.

Hypothek und Grundschuld als Sicherungsrechte* Torsten Körber

I. Überblick 1.  Einführung in die Grundpfandrechte a)  Wirtschaftlicher Hintergrund Der Erwerb von Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen stellt eine erhebliche finanzielle Belastung dar, die regelmäßig mit einer Kreditaufnahme verbunden ist. Die Gewährung eines solchen Kredits, aber auch anderer Darlehen, z.  B. zur Existenzgründung, erfolgt regelmäßig nur gegen die Stellung von Sicherheiten. Nach deutschem Zivilrecht lassen sich Grundstücke im Wege der Bestellung eines sog. Grundpfandrechts für die Kreditsicherung einsetzen. Dabei kann der Grundeigentümer, der ein Grundpfandrecht bestellt, mit dem Forderungsschuldner identisch sein (z.  B. ein Grundstückskäufer, der zur Sicherung des Kaufpreises eine Hypothek an dem Grundstück bestellt). Der Grundpfandschuldner kann aber auch eine vom Forderungsschuldner verschiedene Person sein (z.  B. kann der Eigentümer an seinem Grundstück eine Hypothek bestellen, um die Darlehensverbindlichkeit eines Kindes oder Geschäftspartners zu sichern). b)  Grundpfandrechte als beschränkt dingliche Rechte Bei den Grundpfandrechten unterscheidet man in der Sache zwischen Hypothek und Grundschuld. Dabei handelt es sich um „beschränkt dingliche“ Lasten: Anders als z.  B. bei der Bürgschaft im Sinne von §  765 BGB haftet der Grundeigentümer also einerseits nur mit dem Grundstück (d. h. nicht persönlich) und nur beschränkt auf den Grundstückswert (d. h. nicht mit seinem sonstigen Vermögen). Der Gläubiger hat nur ein dingliches Verwertungsrecht.1 Diesen Beschränkungen stehen andererseits auch große Vorteile für die Gläubiger gegenüber: So haftet der Bürge (anders als der eine dingliche Sicherheit stellende *  Der Autor dankt seinen Mitarbeitern Nikita Ivlev und Dominik Rock für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags. 1   Christian Berger, in: Jauernig, Kommentar zum BGB, 14. Aufl. 2011, Vorbemerkungen zu §§  1113–1190 Rn.  14; Ralph Weber, Sachenrecht II, Grundstücksrecht, 3.  Aufl. 2012, §  14 Rn.  5.

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Grundeigentümer) zwar persönlich und grundsätzlich unbegrenzt. Aber das nützt dem Gläubiger nichts, wenn der Bürge vermögenslos ist. Bei Hypothek und Grundschuld steht demgegenüber jedenfalls der Grundstückswert zur Verfügung, wobei entscheidend ist, dass die Verwertungsrechte der dinglichen Gläubiger aus der Hypothek oder Grundschuld Vorrang vor den Rechten sonstiger persönlicher Gläubiger (z.  B. des Bürgen) haben.2 Aus diesem Grunde ist die wirtschaftliche Bedeutung der Grundpfandrechte, insbesondere der Grundschuld, überragend. Das BGB regelt die Hypothek als Normalfall und die Grundschuld als Ausnahme. In Wirklichkeit ist es heute umgekehrt: Bei den Grundpfandrechten dominiert in der Praxis mit über 80 % die Grundschuld.3 Wichtigster Grund dafür ist die bessere Verkehrsfähigkeit der Grundschuld, die wiederum daraus resultiert, dass sie – anders als die Hypothek – nicht akzessorisch, d. h. nicht vom Bestand einer bestimmten Forderung abhängig ist. Nachfolgend sollen Begründung und Übertragung von Hypothek und Grundschuld sowie die Relevanz dieser Grundpfandrechte für die Übertragung des Grundeigentums in ihren Grundzügen skizziert werden. 2.  Hypothek (§§  1113 ff. BGB) Die Hypothek ist in den §§  1113–1190 BGB geregelt. Eine Legaldefinition der Hypothek enthält §  1113 Abs.  1 BGB. Danach handelt es sich bei der Hypothek um eine Belastung eines Grundstücks, die zur Folge hat, dass eine Geldsumme zur Befriedigung einer Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Genaugenommen erhält der Gläubiger durch die Bestellung einer Hypothek nach h. M. allerdings keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch, sondern nur das Recht, sich aus dem Grundstück zu befriedigen, wenn seine fällige Forderung durch den Forderungsschuldner nicht erfüllt wird.4 Die Befriedigung des Gläubigers wird in diesem Fall über den Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus §  1147 BGB realisiert.5 Der Erlös der Zwangsvollstreckung dient dann der Befriedigung der Forderung (z.  B. einer Kreditschuld). Typisch für die Hypothek ist ihre untrennbare Verbindung mit einer bestimmten Forderung. Die Hypothek ist in ihrer Entstehung und in ihrem Fort  Vgl. §  49 InsO, §  10 Abs.  1 ZVG: abgesonderte Befriedigung.   Weber, Sachenrecht (Fn.  1) §  13 Rn.  2 ; Dieter Eickmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  1191 Rn.  5. Bis Mitte der 1920er Jahre dominierte auch tatsächlich noch die Hypothek, vgl. Dieter Eickmann/Wolfram Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 8.  Aufl. 2013, §  1113 Rn.  1. 4   RG 05.07.1918 – VII 136/18, RGZ 93, 236; BGH 14.07.1952 – IV ZR 28/52, BGHZ 7, 123 (126); Peter Bassenge, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 72.  Aufl. 2013, Überbl. v. §  1113 Rn.  1, §  1147 Rn.  1; Frank Wenzel, in: Erman, Kommentar zum BGB, 13.  Aufl. 2011, vor §  1113 Rn.  4 ; a. A. Hans Wolfsteiner, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2009) Einl. zu §§  1113 ff. Rn.  36; Fritz Jost, Duldung der Zwangsvollstreckung, Jura 2001, 153; MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1147 Rn.  5. 5  Dazu Weber, Sachenrecht (Fn.  1) §  14 Rn.  5. 2 3

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bestehen davon abhängig, dass auch die gesicherte Forderung fortbesteht. Das nennt man „Akzessorietät der Hypothek“. Sie findet insbesondere in den §§  1113, 1137, 1153, 1160 und 1161 BGB Ausdruck. 6 Die in §  1184 BGB gesetzlich geregelte Sicherungshypothek ist durch eine besonders strenge Akzessorietät gekennzeichnet. Insbesondere sind §§  1138 und 1156 BGB, die eine gewisse Lockerung der Akzessorietät ermöglichen, nach §  1185 Abs.  2 BGB auf die Sicherungshypothek nicht anwendbar. Dies schützt die Interessen des Grundeigentümers, schränkt aber zugleich die Verkehrsfähigkeit der Sicherungshypothek stark ein, weil sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs mangels Anwendbarkeit des §  1138 BGB nicht auf die Forderung bezieht. Existiert die Forderung nicht (mehr), so kann eine Sicherungshypothek deshalb auch dann nicht gutgläubig von einem Dritten erworben werden, wenn dies nicht aus dem Grundbuch ersichtlich ist. Die in der Praxis übliche Form der Hypothek ist heute die nicht explizit im Gesetz geregelte „Verkehrshypothek“.7 Diese zeichnet sich durch ihre Verkehrsfähigkeit aus, die insbesondere dadurch hergestellt wird, dass sich ein Dritter, welcher die Hypothek vom ursprünglichen Gläubiger erwirbt, auch hinsichtlich des Bestands und der Höhe der Forderung in Ansehung der Hypothek nach §  1138 BGB grundsätzlich auf die Eintragung im Grundbuch verlassen kann8 und dass sich der Eigentümer nach §  1156 BGB nur eingeschränkt auf Rechtsvorgänge zwischen persönlichem Schuldner und ursprünglichem Gläubiger berufen kann. Mit anderen Worten: Die für die Hypothek gerade typische Akzessorietät zwischen Hypothek und Forderung ist bei der Verkehrshypothek im Dienste der Verkehrsfähigkeit eingeschränkt. 3.  Grundschuld (§§  1191 ff. BGB) Die Grundschuld hat anders als die Hypothek in den §§  1191–1198 BGB nur wenige gesetzliche Regelungen erfahren. §  1192 Abs.  1 BGB verweist im Wesentlichen auf das Hypothekenrecht, dessen Vorschriften auch auf die Grundschuld anwendbar sind, soweit sie keine Akzessorietät voraussetzen. Hinsichtlich der Befriedigung des Gläubigers ähneln sich beide Rechte: Auch die Grundschuld erlaubt es dem Gläubiger, sich bevorzugt (aber auch nur) aus dem Grundstück zu befriedigen. Der Grundeigentümer muss dies nach §  1147 BGB dulden. Ein zentraler Unterschied besteht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Entstehung und den Fortbestand von Hypothek einerseits und Grundschuld  Vgl. Weber, Sachenrecht (Fn.  1) §  13 Rn.  8 ff.  Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1113 Rn.  2. 8   §  1138 BGB fingiert bei der Verkehrshypothek die Existenz einer im Grundbuch eingetragenen Forderung, soweit dies für den Erwerb der Hypothek erforderlich ist, und relativiert dadurch die Akzessorietät der Hypothek. 6 7

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andererseits: Während eine Hypothek untrennbar mit einer bestimmten Forderung verbunden ist, ist die Grundschuld definitionsgemäß in Entstehung und Fortbestand gerade nicht mit einer bestimmten Forderung verbunden. Sie ist nicht akzessorisch. Das bedeutet, dass man eine Grundschuld – ohne dass man dafür das Grundbuch ändern müsste – und ohne dass sich der Rang der Grundschuld ändern würde – für die Sicherung verschiedener Forderungen desselben Gläubigers (z.  B. der Hausbank) einsetzen kann. Eine überhaupt nicht mit einer Forderung verknüpfte „isolierte Grundschuld“ ist allerdings in der Praxis selten.9 Sie kann z.  B. zur Rangwahrung oder für Sacheinlagen in eine Gesellschaft genutzt werden.10 Die heute in der Praxis übliche Form ist die „Sicherungsgrundschuld“, bei der – obgleich sie ebenfalls nicht forderungsakzessorisch ist – Grundschuld und Forderung durch einen schuldrechtlichen Sicherungsvertrag miteinander verknüpft sind.

II.  Bestellung von Hypothek und Grundschuld (Ersterwerb) Eine Hypothek wird, unabhängig davon, ob es sich um eine Sicherungs- oder Verkehrshypothek handelt, nach Maßgabe der §§  1113, 1115, 1117 BGB bestellt. Diese Normen sind nach §  1192 BGB auch auf die Grundschuld anwendbar, soweit sie keine Akzessorietät voraussetzen. Im Einzelnen gelten die nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen. Nach §  873 Abs.  1 BGB müssen sich Eigentümer und Gläubiger erstens mit dem Inhalt des §  1113 BGB (Hypothek) bzw. §  1191 BGB (Grundschuld) darüber einigen, dass eine Hypothek bzw. Grundschuld bestellt werden soll. Die Einigung zwischen Eigentümer und Gläubiger muss im Zeitpunkt der Eintragung in das Grundbuch/der Briefübergabe grds. fortbestehen; allerdings sind die Beteiligten unter den Voraussetzungen des §  873 Abs.  2 BGB an die Einigung gebunden. Wie bereits erwähnt, ist die Hypothek nach §  1113 Abs.  1 BGB zweitens akzessorisch, d. h. sie steht und fällt mit der zu sichernden Forderung. Es ist allerdings möglich, eine Hypothek für eine künftige oder bedingte Forderung zu bestellen (§  1113 Abs.  2 BGB).11 Existiert die Forderung (noch) nicht, entsteht (zunächst) keine Fremdhypothek zugunsten des Gläubigers, aus der dieser nach §  1147 BGB in das Grundstück vollstrecken kann, sondern eine Eigentümer  MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1191 Rn.  4.   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1191 Rn.  6 ; Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  4) Vorbemerkungen zu §§  1191 ff. Rn.  15. 11   Dies ist allerdings – in teleologischer Reduktion des §  1113 Abs.  2 BGB – nach h. M. dahin zu verstehen, dass eine Sicherung künftiger Ansprüche nur möglich ist, wenn der Eigentümer die Entstehung des Anspruchs nicht mehr einseitig verhindern kann, vgl. Klaus Vieweg/Almuth Werner, Sachenrecht, 6.  Aufl. 2013, §  15 Rn.  28; MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1113 Rn.  50. 9

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grundschuld (§§  1163 Abs.  1, 1177 Abs.  1 BGB), die dem Eigentümer selbst zusteht und aus der Dritte keine Rechte ableiten können.12 Nach §  1153 BGB können Forderung und Hypothek auch nicht unabhängig voneinander auf Dritte übertragen werden. Die Grundschuld ist demgegenüber nicht akzessorisch, d. h. nicht mit einer bestimmten Forderung verbunden. §  1153 BGB gilt für die Grundschuld nicht. Allerdings wird die Grundschuld regelmäßig als Sicherungsgrundschuld ausgestaltet und dafür schuldrechtlich mithilfe eines sog. „Sicherungsvertrages“ (auch „Sicherungsabrede“) mit einer zu sichernden Forderung verknüpft.13 Der Sicherungsvertrag bedarf keiner bestimmten Form. Er wird aber in der Regel schriftlich abgeschlossen. Aus dem Sicherungsvertrag folgt einerseits regelmäßig die Pflicht, aus der Grundschuld nur dann gegen den Grundeigentümer vorzugehen, wenn die Forderung bei Fälligkeit nicht erfüllt wird14 und andererseits die Pflicht, Forderung und Grundschuld nicht getrennt voneinander abzutreten. Die Sicherungsabrede kann nach h. M. nicht im Grundbuch eingetragen werden.15 Deshalb haben die Pflichten aus der Sicherungsabrede grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkung; verletzt der Gläubiger sie, haftet er gegebenenfalls nach Maßgabe des §  280 Abs.  1 BGB auf Schadensersatz. Allerdings kann der Eigentümer nach §  1157 S.  1 BGB Einreden aus dem Sicherungsvertrag (z.  B. die Einrede, dass die Forderung nicht valutiert oder bereits getilgt worden sei) auch Dritten gegenüber erheben, welche die Grundschuld vom Gläubiger erworben haben und nunmehr nach §  1147 BGB daraus gegen den Eigentümer vorgehen wollen. §  1192 Abs.  1a BGB stellt insoweit sicher, dass der Eigentümer auch gutgläubigen Dritten gegenüber Einreden gegen die Forderung aus dem Sicherungsvertrag erheben kann.16 Der Eigentümer kann zudem aus dem Sicherungsvertrag bzw., wenn dieser unwirksam ist, aus §  812 BGB eine Rückgewähr der Grundschuld verlangen, wenn die Forderung nicht (mehr) besteht.17 Er hat schließlich – auch gegen den Zweiterwerber der Grundschuld, mit dem ihn ggf. kein Vertrag verbindet18 und gegen den er regelmäßig auch keinen Bereiche Vgl. Manfred Wolf/Marina Wellenhofer, Sachenrecht, 27.  Aufl. 2012, §  27 Rn.  3.   Vieweg/Werner, Sachenrecht (Fn.  11) §  15 Rn.  89. 14   Ansgar Staudinger in: Schulze u. a., Kommentar zum BGB, 7.  Aufl. 2012, §  1191 Rn.  29. 15  Erman/Wenzel (Fn.  4) §  1191 Rn.  12; a. A. MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1191 Rn.  41. 16   Diese Vorschrift wurde durch das Risikobegrenzungsgesetz am 19. August 2008 eingeführt, um den Eigentümer in Anbetracht des systematischen Verkaufs von Kreditforderungen an Finanzinvestoren vor dem Verlust seiner Einreden aus dem Sicherungsvertrag durch gutgläubigen Zweiterwerb zu bewahren, vgl. dazu Michael Nietsch, Grundschulderwerb nach dem Risikobegrenzungsgesetz – Der Ausschluss des gutgläubigen einredefreien Erwerbs nach §  1192 Abs.  1a BGB, NJW 2009, 3606. 17   Vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1191 Rn.  17 und 3. 18   Allerdings ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag regelmäßig die Pflicht des Sicherungsnehmers, Forderung und Grundschuld nur gemeinsam abzutreten und für den Eintritt des 12 13

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rungsanspruch hat19 – einen dinglichen Verzichtsanspruch aus §§  1192, 1169 BGB.20 Die Hypothek bzw. Grundschuld muss drittens mit dem Inhalt des §  1115 BGB in das Grundbuch eingetragen werden. Diese Eintragung ist nicht nur Entstehungsvoraussetzung. Sie hat auch eine Reihe anderer Bedeutungen, insbesondere richtet sich zum einen der Rang der Grundpfandrechte nach h. M. nach der Reihenfolge ihrer Eintragung (Prioritätsprinzip, §  879 BGB, §§  17, 45 GBO), d. h. die Eintragung (und nicht die Entstehung des Grundpfandrechts) entscheidet darüber, ob die Befriedigung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung vor oder nach anderen Gläubigern erfolgt; 21 zum anderen ist das Grundbuch ein „Rechtsscheinträger“, d. h. Dritte dürfen darauf vertrauen, dass im Grundbuch eingetragene Rechte bestehen und können diese Rechte gutgläubig auch dann erwerben, wenn sie in Wirklichkeit gar nicht existieren (§§  892, 893 BGB).22 Im Regelfall wird über die Hypothek bzw. Grundschuld viertens ein weiteres Dokument, der sog. Hypothekenbrief bzw. Grundschuldbrief, ausgestellt.23 Dieser ist zwar keine Entstehensvoraussetzung im engeren Sinne, muss aber nach §  1117 Abs.  1 BGB grundsätzlich an den Gläubiger übergeben werden, damit die Hypothek bzw. Grundschuld dem Gläubiger zusteht (Briefhypothek, Briefgrundschuld).24 Anstelle der Übergabe können die Parteien auch vereinbaren, dass der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (§  1117 Abs.  2 BGB). Ausnahmsweise können sich Eigentümer und Gläubiger sogar dahingehend einigen, dass kein Brief erteilt werden soll; diese Einigung wird dann in das Grundbuch eingetragen. Die Hypothek bzw. Grundschuld entsteht in diesem Fall als sog. Buchhypothek bzw. Buchgrundschuld (§§  1116 Abs.  2, 873 Abs.  1 BGB). Die Entstehung einer Hypothek bzw. Grundschuld setzt schließlich fünftens voraus, dass der Besteller auch verfügungsberechtigt ist. D. h. ihm muss das Recht zustehen, an dem Grundstück Grundpfandrechte zu bestellen.25 Dieses Zessionars in den Sicherungsvertrag zu sorgen, vgl. MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1191 Rn.  96. 19   Vgl. Erman/Wenzel (Fn.  4) §  1191 Rn.  57, 67. 20   Vgl. Erman/Wenzel (Fn.  4) §  1191 Rn.  68. 21   Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht (Fn.  12) §  26 Rn.  8 ff. Umstritten ist, ob es insoweit auf die räumliche oder zeitliche Reihenfolge ankommt, vgl. Weber, Sachenrecht (Fn.  1) §  5 Rn.  9 ff. Im Umkehrschluss zu §  879 S.  2 BGB für die räumliche Reihenfolge Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  879 Rn.  8. Dagegen Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  17 Rn.  20 mit dem Argument, dass alle Rangvorschriften auf eine zeitliche Reihenfolge abstellten. 22   Karl-Heinz Gursky, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2008) §  892 Rn.  3 f. 23   Vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1113 Rn.  2 und §  1116 Rn.  1. 24   Das Grundpfandrecht entsteht zwar auch ohne Briefübergabe (vgl. PWW/Eickmann/ Waldner (Fn.  4) §  1113 Rn.  5) doch handelt es sich bis zur Briefübergabe zunächst um eine Eigentümergrundschuld i. S. v. §§  1163 Abs.  2, 1177 Abs.  1 BGB. Die Briefübergabe i. S. v. §  1117 BGB ist daher genaugenommen keine Entstehungsvoraussetzung, sondern entscheidet nur darüber, wem das Grundpfandrecht zusteht, vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1117 Rn.  1. 25  Vgl. Arndt Lorenz, in: Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, §  873 Rn.  16.

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Recht gebührt grundsätzlich dem Grundeigentümer. Der Grundeigentümer kann aber auch andere Personen gemäß §  185 BGB dazu ermächtigen.26 Mit Blick darauf, dass das Grundbuch auch ein Rechtsscheinträger ist, kann eine Hypothek bzw. Grundschuld ausnahmsweise auch von einer anderen (nicht berechtigten) Person bestellt werden. Voraussetzung dafür ist aber nach §  892 BGB u. a., dass zum einen dieser nicht berechtigte Besteller fälschlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist und dass zum anderen der Gläubiger, zu dessen Gunsten eine Hypothek oder eine Grundschuld bestellt wird, gutgläubig ist, wobei dem Gläubiger (anders als beim Erwerb beweglicher Sachen nach §  932 Abs.  2 BGB) nach §  892 BGB nur die positive Kenntnis der Nichtberechtigung schadet.27 Mit Blick auf die Hypothek ist anzumerken, dass beim Ersterwerb nach §  892 BGB nur die fehlende Berechtigung hinsichtlich des Grundeigentums, aber nicht das Fehlen der zu sichernden Forderung gutgläubig überwunden werden kann. Existiert die Forderung (noch) nicht, entsteht (zunächst) keine Fremdhypothek, sondern nach §§  1163 Abs.  1, 1177 Abs.  1 BGB eine Eigentümergrundschuld. Die Entstehung der Grundschuld ist demgegenüber von der Existenz der zu sichernden Forderung unabhängig. Existiert die Forderung nicht, hat der Eigentümer allerdings einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aus dem Sicherungsvertrag bzw. §  812 BGB sowie einen dinglichen Verzichtsanspruch aus §§  1192, 1169 BGB.

III.  Übertragung von Grundeigentum, Hypothek und Grundschuld Sowohl das Eigentum an einem mit einer Hypothek oder Grundschuld belasteten Grundstück als auch die Hypothek bzw. Grundschuld selbst sind verkehrsfähig, d. h. sie können auf Dritte übertragen werden. Schuldrechtliche Grundlage einer solchen Übertragung kann z.  B. ein Grundstücks- oder Forderungskauf oder auch eine Schenkung sein. Dies soll im Folgenden unter Beantwortung der Fragen unserer chinesischen Gäste erörtert werden. 1.  Übertragung des Grundeigentums Im Folgenden wird zunächst die Eigentumsübertragung an einem mit Grund­ pfandrechten belasteten Grundstück und dabei insbesondere die Frage erörtert, ob und ggf. inwieweit die Übertragung des Eigentums für die Grundpfandrechte oder – umgekehrt – die Grundpfandrechte für die Übertragung des Eigentums Bedeutung erlangen können.  Erman/Wenzel (Fn.  4) §  1113 Rn.  14.   Jürgen Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6. Aufl. 2013, §  892 Rn.  47.

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Grundeigentum wird gemäß §§  873, 925 BGB durch formgerechte Einigung und Eintragung ins Grundbuch übertragen. Die Belastung mit einem Grundpfandrecht steht der Übertragung des Eigentums nicht entgegen. Die Verfügung über das Grundeigentum kann nach §  925 Abs.  2 BGB nicht unter eine Bedingung gestellt werden. Frage 1: Kann der Besteller einer Hypothek, nachdem eine Immobilie hypothekarisch belastet wird, noch über die belastete Immobilie verfügen, z.  B . sie übertragen, an ihr eine weitere Hypothek oder ein dingliches Nutzungsrecht bestellen? Die Antwort auf die erste Frage ist daher eindeutig „Ja“. Der Umstand, dass ein Grundstück mit einer Hypothek oder Grundschuld belastet ist, ändert rechtlich gesehen nichts an seiner Verkehrsfähigkeit.28 Auch ist es dem Eigentümer unbenommen, weitere Grundpfandrechte zu bestellen. Diese stehen im Rang hinter den bereits begründeten und gefährden daher die Realisierung der mit den älteren Grundpfandrechten besicherten Forderungen nicht. Für den Erwerber ist die Belastung mit Grundpfandrechten ohne weiteres aus dem Grundbuch ersichtlich. Er wird deshalb nur einen geringeren Kaufpreis zahlen oder verlangen, dass das Grundpfandrecht vor dem Erwerb abgelöst wird. Frage 2: Könnte diese Verfügung über den belasteten Gegenstand die Befriedigung aus der Hypothek gefährden? Die Antwort auf die zweite Frage lautet „Nein“. Wer ein mit einer Hypothek oder einer Grundschuld belastetes Grundstück erwirbt, haftet mit diesem Grundstück genauso wie der Voreigentümer, denn die im Grundbuch eingetragene Belastung haftet dem Grundstück dinglich an und ist nicht von der Person des Grundeigentümers abhängig.29 Das Grundstück ist nach der Veräußerung grundsätzlich genauso viel wert wie vorher. Zudem hat die Befriedigung aus dem Grundstück Vorrang vor den Rechten sonstiger persönlicher Gläubiger des Erwerbers (vgl. §  49 InsO i. V. m. §  10 Abs.  1 ZVG). Wenn der Erwerber nach dem Erwerb neue Grundpfandrechte bestellt, sind diese gegenüber den bereits bestehenden nachrangig, d. h. Neugläubiger erhalten nur dann etwas von einem Zwangsversteigerungserlös, wenn nach Befriedigung der vorrangigen Altgläubiger noch etwas übrig ist.30 Vor diesem Hintergrund gibt es für Banken, die sich Hypotheken oder Grundschulden bestellen ließen, grundsätzlich keinen Grund, eine Verfügung über den belasteten Gegenstand zu verhindern. Frage 3: Falls die relevanten Parteien vereinbaren, dass eine solche Verfügung nur mit der Zustimmung des Hypothekars oder nur nach der Tilgung der gesi  Vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  873 Rn.  10.   Vgl. Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1113 Rn.  6 und §  1147 Rn.  1. 30  Vgl. Jauernig/Berger (Fn.  1) §  879 Rn.  1; Vieweg/Werner, Sachenrecht (Fn.   11) §   13 Rn.  68. 28 29

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cherten Schuld durch den potenziellen Erwerber wirksam ist, ist diese Vereinbarung nach deutschem Recht gültig? Die Antwort auf die dritte Frage lautet ebenfalls „Nein“. Eine Vereinbarung zwischen Eigentümer und Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger, nach welcher der Eigentümer nur mit dessen Zustimmung über das Grundstück verfügen darf, ist nach §  1136 BGB nichtig. §  137 S.  1 BGB stellt zudem klar, dass auch die dingliche Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. §  137 S.  1 BGB gilt auch Dritten gegenüber. Allerdings ist eine solche Verpflichtung Dritten gegenüber schuld­ rechtlich wirksam (§  137 S.  2 BGB), so dass die Verletzung allenfalls Schadensersatzforderungen gem. §  280 Abs.  1 BGB nach sich ziehen kann.31 §  1136 BGB regelt das (nur) für das Verhältnis zum Hypothekengläubiger anders. Das deutsche Recht schützt insoweit die Handlungsfreiheit des Grundeigentümers.32 Der Gläubiger bedarf dieses Schutzes mit Blick auf das zu Frage 2 Gesagte auch nicht. Eine zusätzliche Sicherung kann der Gläubiger allenfalls durch ein Vorkaufsrecht (§§  463 ff., 1094 ff. BGB) erlangen. Das dingliche Vorkaufsrecht i. S. d. §  1094 BGB kann gemäß §  873 BGB bestellt und im Grundbuch eingetragen werden.33 2.  Übertragung (Zweiterwerb) der Hypothek Auch die Hypothek kann grundsätzlich (z.  B. im Rahmen eines Forderungskaufs) auf einen Dritten übertragen werden. Dabei ist die Akzessorietät der Hypothek zu beachten. Die Hypothek ist untrennbar mit der gesicherten Forderung verbunden. Sie wird daher nach §  1153 BGB zwingend zusammen mit der Forderung übertragen. Eigentümer und Gläubiger können die Übertragung der Hypothek an einen Dritten allerdings ausschließen, indem sie nach §  399 BGB vereinbaren, dass die Abtretung der Forderung an einen Dritten ausgeschlossen ist. Dies wirkt nach h. M. absolut (d. h. auch im Verhältnis zu Drit-

31   Martin Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinrich, BGB Kommentar, 8. Aufl. 2013, §  137 Rn.  6. 32   Vgl. auch §  1149 BGB, wonach der Eigentümer dem Gläubiger vor der Pfandreife auch nicht das Recht einräumen kann, eine Übereignung an sich oder eine Veräußerung auf andere Weise als im Wege der Zwangsvollstreckung zu verlangen. 33   Nach §  1098 BGB wirkt das dingliche Vorkaufsrecht Dritten gegenüber wie eine Vormerkung (§  883 BGB), d. h. das Grundstück kann zwar an einen Dritten verkauft und übereignet werden, die Übereignung ist jedoch dem Vorkaufsberechtigten gegenüber (relativ) unwirksam. Der Erwerber muss das Grundstück an den Vorkaufsberechtigten übereignen und herausgeben, wenn dieser dies verlangt. Der Vorkaufsberechtigte muss dann allerdings im Gegenzug auch den zwischen Alteigentümer und Erwerber vereinbarten Kaufpreis an den Erwerber erstatten (§  1100 BGB) oder, falls dieser noch nicht gezahlt hat, an den Eigentümer zahlen, dazu Hermann Amann, Das dingliche Vorkaufsrecht an Grundstücken – eine Belastung ohne Ende?, NotBZ 2010, 201; Klaus Schreiber, Die Vorkaufsrechte des BGB, Jura 2012, 114.

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ten) 34 und kann in das Grundbuch eingetragen werden.35 Ist die Forderungsabtretung nicht ausgeschlossen, folgt die Hypothek gemäß §§  1153 Abs.  1, 401 BGB der nach §  398 BGB abgetretenen Forderung, wobei die Abtretung der Forderung nach §  1154 BGB einer besonderen Form unterliegt, welche die Publizität der Übertragung sicherstellt. Für die einzuhaltenden Formvorschriften ist ausschlaggebend, ob es sich um eine Briefhypothek (Regelfall) oder eine Buchhypothek (Ausnahme) handelt. Eine Briefhypothek kann entweder durch schriftliche Einigung über die Abtretung der Forderung (§  1154 Abs.  1 BGB) oder durch (formlose) Einigung über die Abtretung und Eintragung der Abtretung der Forderung in das Grundbuch (§  1154 Abs.  2 BGB), jeweils verbunden mit der Übergabe des Briefes, auf einen Dritten übertragen werden.36 Das Eigentum am Hypothekenbrief folgt dann nach §  952 Abs.  2 BGB der Inhaberschaft der Hypothek. Bei einer Buchhypothek ist für eine wirksame Übertragung auf einen Dritten immer eine Eintragung der Abtretung in das Grundbuch nach §  1154 Abs.  3 BGB erforderlich.37 Nach §  892 BGB kann eine Hypothek durch den Erwerber auch gutgläubig von einer Person erworben werden, die fälschlich als Hypothekengläubiger im Grundbuch eingetragen ist. Dies gilt grundsätzlich sogar dann, wenn die Forderung gar nicht (mehr) existiert. Nach §  1138 BGB wird bei Gutgläubigkeit des Erwerbers für Zwecke des Hypothekenerwerbs das Bestehen einer Forderung fingiert. D. h. es können zwar keine Ansprüche unmittelbar aus der (gar nicht existenten) Forderung geltend gemacht werden; geht der Erwerber aber mit Blick auf die Eintragung der Forderung im Grundbuch gutgläubig von deren Existenz aus, so kann er (in Lockerung des Akzessorietätsgrundsatzes) die Hypothek gutgläubig erwerben (und später auch aus dieser gegen den Eigentümer vorgehen), obwohl die Forderung nicht (mehr) existiert.38 §  1138 BGB findet nach §  1185 Abs.  2 BGB allerdings keine Anwendung, wenn es sich um eine sog. „Sicherungshypothek“ handelt. Steht die Forderung ausnahmsweise einer anderen Person als dem Hypothekengläubiger zu, folgt sie nach h. M. analog §  1153 Abs.  1 BGB der Hypothek.39 Dem Erwerber der Hypothek können vom Eigentümer sowohl Einreden gegen

  Christian Grüneberg, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 72. Aufl. 2013, §  399 Rn.  12.  Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1154 Rn.  1. 36   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  3) §  1154 Rn.  6 . 37  Jauernig/Berger (Fn.  1) §  1154 Rn.  7. 38  Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  1138 Rn.  6 . 39   Vgl. dazu Vieweg/Werner (Fn.  11) §  15 Rn.  4 4; Ines Karper, Trennungs- oder Einheitstheorie bei gutgläubigem Pfandrechtserwerb an einer Hypothek, JuS 1989, 33; Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  21) §  38 Rn.  28; a. A. Jens Petersen/Christoph Rothenfußer, Der Schutz des Schuldners bei Trennung von Hypothek und gesicherter Forderung, WM 2000, 657; Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  4) §  1138 Rn.  9. 34 35

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die Hypothek (nach §  1157 BGB) als auch gegen die Forderung (nach §  1137 BGB) entgegengehalten werden.40 3.  Übertragung (Zweiterwerb) der Grundschuld Die Grundschuld ist nicht akzessorisch. Deshalb gilt §  1153 BGB nicht. Die Briefgrundschuld kann daher als solche nach §§  398, 413, 1154 Abs.  1, 1192 Abs.  1 BGB durch Abtretung der Grundschuld selbst auf einen Dritten übertragen werden.41 Die Buchgrundschuld wird demgegenüber nach sachenrechtlichen Vorschriften durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch gemäß §§  1192 Abs.  1, 1154 Abs.  3, 873 Abs.  1 BGB übertragen.42 Trotz dinglich isolierter Übertragbarkeit wird im Sicherungsvertrag regelmäßig vereinbart, dass die Grundschuld nur zusammen mit der Forderung übertragen werden darf. Nach §§  399, 413 BGB kann zwischen Eigentümer und Gläubiger zudem ein Abtretungsverbot bzgl. der Grundschuld vereinbart und eingetragen werden, das eine Übertragung auf Dritte (nach h. M. sogar mit dinglicher Wirkung43) ausschließt. Ist die Grundschuld wirksam auf einen Dritten übertragen worden, so können dem Erwerber der Grundschuld vom Eigentümer sowohl Einreden gegen die Grundschuld (nach §  1157 BGB) als auch gegen die durch den Sicherungsvertrag schuldrechtlich damit verbundene Forderung (nach §§  1192 i. V. m. §  1157 BGB analog) entgegengehalten werden. Anders als bei der Hypothek scheidet insoweit nach §  1192 Abs.  1a BGB sogar ein gutgläubig einredefreier Erwerb i. S. v. §  1157 Abs.  2 BGB aus.

IV.  Funktionen von Grundbuch und Brief im Vergleich zum chinesischen Rechtszertifikat Frage 4: Des Weiteren möchten wir etwas über die Funktion des Rechtszertifikats bzw. des Zertifikats anderer Rechte im Rahmen der Eintragung der Immobilienrechte erfahren. Ein „Rechtszertifikat“ im Sinne des chinesischen Rechts, das es dem Grundpfandgläubiger ermöglicht, die Übertragung des Grundeigentums zu blockieren, gibt es im deutschen Recht nicht. Nach deutschem Recht ist hinsichtlich der Dokumentation zwischen Grundbuch und Brief (Hypothekenbrief/Grund  Weber, Sachenrecht (Fn.  1) §  14 Rn.  154 ff.   Vieweg/Werner, Sachenrecht (Fn.  11) §  15 Rn.  96; kritisch Jörg Maurer, Die Übertragung der Grundschuld nach §  873 Abs.  1 Fall 3 BGB: Schlichte Gesetzesanwendung und praktische Konsequenzen für §  399 Alt. 2, JuS 2004, 1045 (1046 f.). 42   Vieweg/Werner, Sachenrecht (Fn.  11) §  15 Rn.  97. 43   Vieweg/Werner, Sachenrecht (Fn.  11) §  15 Rn.  95; Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  4) Einl. zu §§  1113 ff. Rn.  136; a. A. Maurer, JuS 2004, 1045; Dieter Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10.  Aufl. 2010, Rn.  676. 40 41

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schuldbrief) zu unterscheiden, die aber andere Funktionen haben als das chinesische Rechtszertifikat. Diese Funktionen sollen nachfolgend abschließend skizziert werden. 1. Grundbuch Eine Hypothek bzw. Grundschuld wird im Zuge ihrer Bestellung im Grundbuch eingetragen. Das Grundbuch erfasst umfassend Grundstückseigentum und Grundstücksbelastungen. Es hat – wie bereits beschrieben – insbesondere drei Funktionen: Erstens ist aus dem Grundbuch umfassend ersichtlich, wer Eigentümer ist und welche dinglichen Belastungen an dem Grundstück bestehen. Der Eigentümer kann diese Belastungen nicht einseitig löschen lassen.44 Sie entfallen auch nicht mit der Eigentumsübertragung; ein lastenfreier Erwerb durch einen Dritten entgegen dem Grundbuch ist nicht möglich.45 Zweitens ist der durch die Eintragungsreihenfolge bewirkte Rang der Hypothek bzw. Grundschuld ausschlaggebend für die Reihenfolge, in welcher die Gläubiger bei der Zwangsvollstreckung befriedigt werden. Auch dieser Rang kann weder vom Eigentümer geändert werden, noch ändert er sich durch die Übertragung des Eigentums.46 Drittens ist das Grundbuch, wie oben beschrieben wurde, ein Rechtsscheinträger, d. h. es ermöglicht nach §  892 BGB den gutgläubigen Zweiterwerb der Hypothek bzw. Grundschuld von (fälschlich) als berechtigt eingetragenen Personen. 2. Brief Die Hypothek bzw. Grundschuld wird regelmäßig auch in einem Brief (Hypothekenbrief, Grundschuldbrief) dokumentiert. Der Brief hat ebenfalls verschiedene Funktionen: Erstens setzt die wirksame Übertragung einer Briefhypothek oder Briefgrundschuld auf einen Dritten nach §  1154 BGB stets die Briefübergabe voraus. Ein im Grundbuch eingetragener Gläubiger, der nicht über den Brief verfügt, kann daher die Forderung und damit die Briefhypothek bzw. die Briefgrundschuld nicht wirksam an einen Dritten übertragen.47 Zweitens kann der Inhaber einer Briefhypothek bzw. Briefgrundschuld nach §  1160 BGB nur dann aus dem Grundpfandrecht gegen den Eigentümer vorgehen, wenn er den Brief vorlegt; bei der Hypothek gilt das Gleiche nach §  1161 BGB zusätzlich auch für die Geltendmachung der persönlichen Forderung gegenüber dem Eigentümer. Drittens ist nach §  1154 Abs.  1 BGB bei einer Briefhypothek bzw.  Palandt/Bassenge (Fn.  4) §  875 Rn.  1 ff.   Vgl. MüKo BGB/Kohler (Fn.  27) §  892 Rn.  22. 46  Vgl. Hans-Werner Eckert, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, 3.  Aufl. 2012, §  880 Rn.  3 ; Vieweg/Werner (Fn.  11) §  13 Rn.  37, 68 ff. 47   Wolfram Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinrich, BGB Kommentar, 8.   Aufl. 2013, §  1154 Rn.  1 ff. 44 45

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Briefgrundschuld ein Zweiterwerb ohne Notwendigkeit einer Eintragung im Grundbuch einfach durch schriftliche Abtretung und Briefübergabe möglich. Dies erhöht die Verkehrsfähigkeit erheblich. Viertens wird die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs der Hypothek bzw. Grundschuld von einem Nichtberechtigten erweitert: Erfolgt die Abtretung nicht nur, wie §  1154 Abs.  1 BGB (mindestens) voraussetzt, privatschriftlich, sondern in öffentlich beglaubigter Form im Sinne von §  129 BGB, so bestimmt §  1155 BGB, dass der Erwerber gutgläubig auch von einem Nichtberechtigten erwerben kann, dessen Gläubigerrecht durch eine ununterbrochene, auf einen im Grundbuch eingetragenen Gläubiger zurückführende Kette öffentlich beglaubigter Abtretungen ausgewiesen wird.48 Hypothekenbrief und Grundschuldbrief haben dagegen fünftens nichts mit der Übereignung des Grundstücks zu tun. Diese Papiere werden dafür nicht benötigt. Sie können daher auch nicht eingesetzt werden, um die Übereignung des Grundstücks an einen Dritten zu verhindern.

  MüKo BGB/Kohler (Fn.  27) §  1155 Rn.  6 .

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Die Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit über mit einem Pfandrecht belastete Immobilien Hongliang WANG (王洪亮)

I. Einleitung Auch während des Bestehens eines Pfandrechts an einem Grundstück kann der Pfandrechtsschuldner das Bedürfnis haben, seine durch das Pfandrecht belastete Immobilie zu veräußern. Umgekehrt kann der Pfandgläubiger in dieser Zeit die Sicherungsverwertung nicht betreiben. Es fragt sich also, ob es möglich ist, bei Übertragung des Pfandgegenstandes das Pfandrecht durch den Pfandrechtsschuldner oder den Erwerber abzulösen. §  49 des Sicherungsrechtsgesetzes aus dem Jahre 1995 sah eine Regelung für diese Fälle vor. Diese Norm wurde anschließend in den Erläuterungen des Obersten Volksgerichts ausgelegt. Nun regelt §  191 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes (chin. SRG) aus dem Jahre 2007 diese Fälle wieder. Allerdings bringt sein Wortlaut viele Unklarheiten und Streitpunkte mit sich. Worin besteht der Hauptzweck des §  191 chin. SRG? Stellt §  191 chin. SRG eine allgemeine Regelung oder eine Ausnahme dar? Bedeutet §  191 chin. SRG eine Beschränkung der Verkehrsfähigkeit des Pfandgegenstandes? Welches Schicksal erleidet das Pfandrecht bei der Übertragung des Pfandgegenstandes? Bleibt es weiterhin bestehen oder erlischt es?

II.  Vorzeitige Tilgung des Pfandrechts mit Zustimmung §  191 Abs.  1 chin. SRG lautet: „Überträgt der Verpfänder das besitzlose Pfand während der Dauer des Pfandvertrages mit Zustimmung des Pfandgläubigers, ist aus dem Erlös dieser Übertragung die gesicherte Forderung im Voraus zu befriedigen oder der Erlös für künftige Zahlungen bei der zuständigen Behörde zu hinterlegen. Übersteigt der Erlös die gesicherte Forderung, gebührt der Mehrerlös dem Verpfänder. Unterschreitet der Erlös die gesicherte Forderung, hat der Schuldner an den Pfandgläubiger die Differenz zwischen gesicherter Forderung und Erlös zu zahlen.“ Nach h. M. wird §  191 Abs.  1 chin. SRG dergestalt ausgelegt, dass der Pfandgläubiger mit der Übertragung des Pfandgegenstandes ein Vorzugsrecht bzw.

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bevorzugtes Befriedigungsrecht an dem durch die Übertragung erlangten Erlös erhält. Dieser Erlös wird als Surrogat des Pfandgegenstandes betrachtet.1 Infolge der Veräußerung erlischt das Pfandrecht an dem Grundstück und es entsteht ein Pfandrecht an dem Erlös, genauer an dem Anspruch auf Zahlung des Erlöses, der an die Stelle des ursprünglichen Pfandgegenstandes tritt. Hierbei findet kraft Gesetzes eine dingliche Surrogation statt. Diese Regelung stammt aus dem amerikanischen Recht und ist in das chinesische Recht übertragen worden.2 In England und den USA setzt sich die Sicherheit in den Sicherungssurrogaten fort. Das deutsche Recht verbietet dagegen grundsätzlich die dingliche Surrogation.3 Die Pfandrechtshaftung in China kennt allgemein das Surrogationsprinzip. Wird während der Sicherungsfrist der als Sicherheit dienende Vermögensgegenstand beschädigt, geht er verloren, wird er eingezogen oder Ähnliches, so kann sich der Sicherungsberechtigte aus den erhaltenen Versicherungsleistungen, Schadensersatz- und Entschädigungszahlungen etc. bevorzugt befriedigen (vgl. §  58 Sicherungsrechtsgesetz und §  174 S.  1 chin. SRG). Auch der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für den Sicherungsgegenstand wird als Surrogat des Sicherungsgegenstands angesehen.4 Dabei setzt sich das Pfandrecht daran fort, indem es nunmehr durch den (Anspruch auf Zahlung des) Kaufpreis(es) abgesichert wird. Die Surrogationsregelung rechtfertigt sich dadurch, dass ein Pfandrecht seiner Natur nach ein Sicherungsrecht an dem Tauschwert der Sache darstellt. Wenn der Pfandgegenstand übertragen worden ist, hat sich der Tauschwert bereits verwirklicht. Daher besteht das Pfandrecht an dem Tauschwert, nämlich dem Kaufpreis, fort. Mit der sofortigen Tilgung des Pfandrechts durch den Kaufpreis wird der Pfandgläubiger vor der Verwirklichung der Gefahr geschützt, welche die Übertragung des Pfandgegenstands typischerweise für die Verwirklichung des Pfandrechts mit sich bringt, namentlich den Wertverlust durch wirtschaftliche Konjunkturschwankungen.5 Der Pfandgläubiger hat zwar sein dingliches Pfandrecht an dem Pfandgegenstand verloren. Seine Forderung ist aber durch den Verkaufserlös gesichert und wird sofort bezahlt – sogar vor Fälligkeit der Forderung oder vor Vollstre1   Jiyuan CUI, Sachenrecht: Norm und Lehre, konzentriert auf die Auslegung des chinesischen Sachenrechtsgesetzes, Bd. 1 (参见氏著: 《物权:规范与学说——以中国物权法的解释论为 中心) (2011) 463. Zu den dinglich Berechtigten gehören Gläubiger, Erben und Ehegatten. 2   Karin Milger, Mobiliarsicherheiten im Deutschen und im US-Amerikanischen Recht – eine rechtsvergleichende Untersuchung (1982) 54. 3   Rolf Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2 (1965) 85 ff. 4   Shiyang WEN/Huanguo LIAO, Kombination der Surrogation und Verfolgungswirkung der Hypothek, Bd. 6 (温世扬、廖焕国: 《论抵押权物上代位性与物上追及力之共容》) (2011) 50– 54. 5  Institut für Zivilrecht im Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, Erläuterungen, Begründungen der Vorschriften des Sachenrechtsgesetzes und anderer Normen (全国人大常 委会法制工作委员会民法室编: 《中华人民共和国物权法条文说明、立法理由及相关规定》) (2007) 349.

Verfügungsmöglichkeit über mit einem Pfandrecht belastete Immobilien

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ckungsreife. Die Verfolgungswirkung des Pfandrechts, die auch gegenüber dem Dritten als Erwerber wirksam ist, wird durch die Surrogation in Form des Kaufpreises ersetzt. 6 Es ist allerdings zweifelhaft, ob sich die Sicherungsqualität für den Pfandgläubiger wirklich erhöht oder erhöhen kann. Nach der hier vertretenen Auffassung verringert sich vielmehr die Sicherungsqualität für den Pfandgläubiger. Wenn der Pfandrechtsschuldner und der Erwerber absichtlich einen niedrigeren Preis vereinbaren, würde der Pfandgläubiger für die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung nicht in voller Höhe befriedigt. Fraglich ist auch, wie der Pfandgläubiger das Pfandrecht verwirklichen kann, wenn der Pfandrechtsschuldner die Forderung nicht mit dem von ihm erhaltenen Kaufpreis begleicht oder die Kaufpreissumme verbraucht. Die Regelung führt somit zu einem ungerechten Ergebnis. Um diese Regelung richtig auslegen zu können, müssen zunächst die Vorstellungen, die den Gesetzgeber geleitet haben, ergründet und die Vorschrift im Gesamten ausgelegt werden. Die h. M. konzentriert sich allein auf den Wortlaut, dass der Pfandrechtsschuldner mit dem durch die Übertragung des Pfandgegenstandes erzielten Erlös vorfristig die Schuld befriedigen oder ihn hinterlegen muss, und berücksichtigt dabei nicht den Zusammenhang zwischen der Übertragung der Pfandsache und der Rechtsfolge, nämlich der Tilgung der Schuld, die zum Erlöschen des Pfandrechts führt. Gemäß §  191 chin. SRG darf der Pfandrechtsschuldner den Pfandgegenstand nicht ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers übertragen. Dabei stellt sich die Frage, wie der Rechtsbegriff der Zustimmung zu definieren ist und worauf genau sich diese bezieht. Zudem ist fraglich, in welcher Beziehung die Befriedigung des Pfandgläubigers vor Fälligkeit und die Übertragung des Pfandgegenstandes zueinander stehen. In der Praxis sind Grundpfandrechte bzw. Mortgage-Geschäfte bei Banken sehr weit verbreitet. Um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu beschleunigen, wird ein Landnutzungsrecht zunächst mit einem Pfandrecht belastet. Danach wird das weiterhin im Bau befindliche Grundstück belastet, schließlich wird das neu gebaute Gebäude veräußert. Nach §§  146, 147 chin. SRG geht das Landnutzungsrecht gemeinsam mit dem Eigentum am Gebäude über. Umgekehrt gilt dasselbe. Damit soll der Käufer das Pfandrecht mit dem Eigentum übernehmen, was zu vielen Streitigkeiten und Unklarheiten führt. Dies wollte der Gesetzgeber nicht weiter zulassen. Deswegen sah er eine sofortige Tilgung des Pfandrechts bei der Übertragung des Pfandgegenstandes vor. Das Pfandrecht an Gebäuden (bzw. einzelnen Wohnungen innerhalb des Gebäudes) in China sollte eigentlich dem üblichen Modell des Pfandrechts entsprechen. Es wird aber wie erwähnt durch das Mortgage-Geschäft von den Banken   Das Oberste Volksgericht, Kommentar zum Sachenrechtsgesetz (最高人民法 院物权法研 究小组编: 《< 中华人民共和国物权法> 条文理解与适用》) (2007) 571. 6

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in China stark beeinflusst, so dass es in der Praxis gewissermaßen als abgeändert gelten kann. Beispielsweise soll ein Gebäude, das mit einem Pfandrecht belastet ist, zwar theoretisch noch übertragen werden können; diese Übertragung wollen die Banken aber nicht, weil die Übertragung dann stets das Ablösen des Pfandrechts voraussetzt. Zu diesem Zweck besitzt die Bank das „Zertifikat über andere Rechte“, ein von der zuständigen Immobilienverwaltungsbehörde erstelltes und ausgegebenes Zertifikat, das die anderen Rechte an einer Immobilie (andere als das Eigentum, z.  B. ein Pfandrecht) beurkundet, bis das gesicherte Darlehen vollständig getilgt wird. Um die Übertragung des Objekts durch den Eigentümer zu verhindern, zeichnet die Bank sogar die gesicherte Darlehenssumme ebenso wie den Gesamtwert des Gegenstands des Grundpfandrechts auf. Folglich kommen das chinesische Sicherungsrechtsgesetz sowie das chinesische Sachenrechtsgesetz dieser Bankpraxis entgegen. Insgesamt kann man zu dem Schluss kommen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, dass das Pfandrecht mit der Übertragung des Pfandgegenstandes erlöschen soll. Damit werden die Interessen des Pfandgläubigers stark beeinträchtigt. Hierdurch wird die Regelung gerechtfertigt, dass der Pfandgläubiger dem Erlöschen des Pfandrechts zustimmen muss. Um diese Zustimmung des Pfandgläubigers einzuholen, muss der Pfandrechtsschuldner den Pfandgläubiger mit dem durch die Übertragung erlangten Erlös vor Fälligkeit befriedigen oder den Erlös bei der zuständigen Behörde hinterlegen. Also bezieht sich die Zustimmung des Pfandgläubigers gleichsam auf die Übertragung des Eigentums an der Immobilie wie auf das Erlöschen des Pfandrechts. Der Pfandgläubiger kann seine Zustimmung allerdings jederzeit auch ohne vorzeitige Tilgung der Schuld erteilen. In der Praxis in Deutschland findet sich ebenfalls die Regelung, dass eine Veräußerung oder weitere Belastung an die sofortige Kündbarkeit der Hypothek geknüpft wird.7 Allerdings setzt dies eine Vereinbarung zwischen Hypothekar und Erwerber voraus. Im Vergleich dazu kann die Zustimmung auch als Annahme ausgelegt werden, durch die diese Verknüpfung in Form einer solchen Vereinbarung hergestellt wird. Fraglich ist, ob diese Regelung gegen das Prinzip der Privatautonomie, welche die freie Verfügung über das Eigentum einschließt, verstößt. Wenn der Pfandrechtsschuldner allerdings selbst das Angebot unterbreitet, die gesicherte Forderung mit dem durch die Veräußerung erlangten Kaufpreis zu tilgen, wird die Verfügung über den Pfandgegenstand nicht gehindert.

  BayOLG 23.06.1980 – BReg 2 Z 45/79, DNotZ 1981, 128.

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III.  Ablösungsrecht des Erwerbers §  191 Abs.  2 chin. SRG lautet: Ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers darf der Verpfänder das besitzlose Pfand während der Laufzeit des Pfandvertrages nicht übertragen, es sei denn, der Erwerber bringt das Pfandrecht durch Zahlung der gesicherten Forderung an den Pfandgläubiger zum Erlöschen. Zu dieser Regelung bestehen unterschiedliche Ansichten. Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Bestimmung die Absicht, mit der Übertragung des Pfandes eine sofortige Tilgung der gesicherten Forderung und damit das Erlöschen des Pfandrechts zu erreichen. Falls der Pfandgläubiger seine Zustimmung nicht erteilt, bleibt noch die Möglichkeit, dass der Erwerber die Forderung vorzeitig tilgt und damit das Pfandrecht zum Erlöschen bringt. Hierbei ist fraglich, wie das Recht des Erwerbers genau ausgestaltet ist. Zum einen wird eine Auslegung dergestalt vertreten, dass der Erwerber die Erfüllungsberechtigung des Dritten innehat. Allerdings ist unklar, woher er diese Erfüllungsberechtigung erhält. Insbesondere wenn der Kaufpreis niedriger als die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung ist, kann man nicht auf diese Weise verfahren. Der Erwerber wird das Pfandrecht völlig tilgen wollen, ansonsten muss er mehr bezahlen als den Kaufpreis. Umgekehrt kann der Pfandgläubiger auch nicht einschreiten, falls der Erwerber weniger zahlt als die Summe der gesicherten Forderung. Zum anderen kann §  191 Abs.  2 chin. SRG aber auch dahingehend ausgelegt werden, dass er eine Schuldübernahme anordnet. Dann übernimmt der Erwerber durch Vereinbarung mit dem Pfandrechtsschuldner die Schuld (§  84 chinesisches Vertragsgesetz). Dafür bedarf es der Zustimmung des Pfandgläubigers. Der Erwerber als Übernehmer kann die Schuldbefreiung dadurch erwirken, dass er den Pfandgläubiger befriedigt oder sich mit Zustimmung des Pfandgläubigers zu dessen Schuldner macht. Diese Art der Auslegung findet jedoch keine Akzeptanz. Eine Schuldübernahme soll Drittpfandverhältnisse vermeiden bzw. die Identität von Schuldner und Verpfänder sichern. Hinsichtlich §  191 Abs.  2 chin. SRG entspricht dies jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Im Übrigen wird diese Art der Auslegung nicht mehr vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Nach dem Wortlaut des §  191 Abs.  2 chin. SRG wird dem Erwerber keine Pflicht auferlegt, sondern ein Recht gewährt. So vertritt die h. M., dass hierbei für den Erwerber ein Löschungsrecht vorgesehen ist. Das Oberste Volksgericht ist ebenfalls der Ansicht, dass §  191 chin. SRG ebenso wie §  67 der Erläuterungen zum Sicherungsrechtsgesetz in diesem Sinne zu verstehen sind. Danach steht nicht dem Pfandgläubiger, sondern dem Erwerber ein Löschungsrecht zu. Der Erwerber kann durch seine Leistung auf die Forderung des Pfandgläubigers aus dem Pfandrecht deren Erlöschen herbeiführen (§  67 Abs.  1 S.  2 der Erläuterungen zum Sicherungsrechtsgesetz).

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Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass das Löschungsrecht nach dem Vorbild des japanischen Löschungsrechts geregelt sei. 8 Der japanische Löschungsanspruch setzt zuerst voraus, dass der Wert des Sicherungsgegenstandes die Höhe der gesicherten Forderung unterschreitet (vgl. auch §  828 Abs.  1 des schweizerischen ZGB). Wenn der Sicherungsnehmer mit dem angebotenen Löschungspreis nicht einverstanden ist, darf der Dritterwerber den Löschungsanspruch nicht durchsetzen. In diesem Fall muss das Pfand versteigert werden. Falls der Erlös größer ist als das Angebot des Erwerbers, richtet sich der Preis für die Löschung nach dem Erlös. Falls der Erlös dagegen hinter dem Angebot des Dritterwerbers zurückbleibt, richtet sich der Preis für die Löschung des Pfandrechts nach dem Angebot des Erwerbers.9 Bei der Ermittlung der korrekten Gesetzesauslegung muss auf den Grund für das Bestehen des Ablösungsrechts des Erwerbers abgestellt werden. Die Ermächtigung des Erwerbers zur Ablösung bezweckt dessen Schutz. Falls das Pfandrecht mit der Übertragung erhalten bleibt und den Wert des Grundstückes übersteigt, wird das Interesse des Erwerbers beeinträchtigt. Das bedeutet, dass es nur in diesem Fall gerechtfertigt ist, dem Erwerber das Ablösungsrecht zuzubilligen, sodass das Ablösungsrecht des Erwerbers in §  191 Abs.  2 chin. SRG restriktiv ausgelegt werden muss. Die Ablösung erfolgt, indem der Erwerber den Kaufpreis für das Grundstück dem Pfandgläubiger (und nicht dem Verkäufer!) anbietet und direkt bezahlt. Daraufhin erlischt das Pfandrecht. Seiner Rechtsnatur nach stellt das Ablösungsrecht gewissermaßen eine privatrechtliche Enteignung an dem Pfandrecht dar. Der Pfandgläubiger muss also eine Möglichkeit erhalten, dies zu verhindern. Ist der Pfandgläubiger mit der Ablösung nicht einverstanden, kann er nach schweizerischem Recht die angebotene Summe zurückweisen, eine öffentliche Versteigerung des Unterpfandes verlangen und den dabei erzielten höheren Erlös beanspruchen (Art.  829 ZGB). Eine solche Regelung fehlt bisher im chinesischen Recht. Nach dem Wortlaut des §  191 Abs.  2 chin. SRG steht das Ablösungsrecht dem Erwerber vielmehr ohne Einschränkung zu.

IV.  Freiheit der Verfügung über den Pfandgegenstand Aus den vorherigen Ausführungen geht hervor, dass §  191 chin. SRG zwei verschiedene Regelungen enthält. Einzige Gemeinsamkeit ist die Tilgung des Pfandrechts vor dem regelmäßig vorgesehenen Erlöschenszeitpunkt. Weiter 8   Guoguang LI/Xiaoming XI/Jianfeng JIN/Shibing CAO, Auslegung und Anwendung der Richtlinien des Obersten Volksgerichts auf das Gesetz über Sicherheiten (李国光、奚晓明、 金剑峰、曹 士兵: 《最高人民法院关于适用若干问题的解释理解与适 用》) (2000) 257 f. 9   Xiao CHEN, Die Sicherungsrechte (程啸: 《物权法 担保物权》) (2005) 157.

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muss untersucht werden, ob §  191 chin. SRG die Verfügungsfreiheit über den Pfandgegenstand beschränkt. Nach der h. M. ist der Vertrag über den Erwerb der Pfandsache gem. §  191 chin. SRG ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers unwirksam, da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §  191 Abs.  2 chin. SRG der Verpfänder den Pfandgegenstand nicht ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers übertragen darf. Nach dieser Auslegung setzt die Übertragung des Pfandgegenstandes nicht nur die Einigung zwischen den beiden Parteien, sondern auch die Zustimmung des Pfandgläubigers voraus. Dadurch ist die Verkehrsfähigkeit des Pfandgegenstandes praktisch beseitigt und die Eigentumsfreiheit des Sicherungsgebers ignoriert wird. Weiterhin ist die Publizitätswirkung des Grundbuches nicht mehr gewährleistet. Darüber hinaus ist §  191 chin. SRG auch als systemwidrig einzustufen und verstößt gegen die Wirkungen des Grundbuches. Neben der Eintragung ist die Zustimmung des Pfandgläubigers Wirksamkeitsvoraussetzung für die Übertragung des Pfandgegenstandes. Wenn man an dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs festhält, kann der Normzweck des §  191 chin. SRG nicht erreicht werden. Folgt man dagegen §  191 chin. SRG, geht der öffentliche Glaube des Grundbuchs ins Leere. Deshalb kann der h. M. nicht gefolgt werden. Einige Gerichte haben in dem oben genannten Fall die Übereignung als nichtig angesehen. Die Übereignung soll in dem Zeitpunkt wirksam werden, in dem der Erwerber die Schuld, die das Pfandrecht sichert, tilgt. Wenn der Erwerber die Forderung erfüllt und das Pfandrecht ablöst, kann der Sicherungsgeber den Pfandgegenstand ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers wirksam übertragen (§  191 Abs.  2 chin. SRG). Diese Auslegung ist jedoch nicht logisch und dem Gesetz zuwiderlaufend. In seiner Rechtsprechung vertritt das Oberste Volksgericht die Ansicht, dass sich die Zustimmung des Pfandgläubigers nicht auf den Kaufvertrag bezieht. Das heißt, dass der Kaufvertrag auch ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers wirksam ist. Allerdings ist bisher die Frage unbeantwortet geblieben, ob jedenfalls die dingliche Einigung nichtig ist. §  191 Abs.  2 chin. SRG wird als sog. Verwaltungsregelung bezeichnet. Ein Verstoß gegen diese Regelung führt nicht zur Nichtigkeit der Eigentumsübertragung. Blickt man in die Entwicklungsgeschichte dieser Regelung zurück, so findet sich kein Hinweis dafür, dass die dingliche Einigung ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers nichtig sein sollte. §  49 des Sicherungsrechtsgesetzes regelt deutlich, dass die Übertragung des Sicherungsgegenstandes ohne die Mitteilung nichtig ist. In der Erläuterung zum Sicherungsrechtsgesetz wird die Nichtigkeit der Übertragung wie folgt verstanden: Teilen der Sicherungsgeber und der Dritterwerber die Übertragung des Sicherungsgegenstandes dem Sicherungsnehmer nicht mit, so kann der Sicherungsnehmer das Pfandrecht immer noch gegenüber dem Dritterwerber geltend machen. Hier wird somit die Nichtigkeit der Übertragung als das Fortbestehen des Pfandrechts ausgelegt.

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Daraus lässt sich folgern, dass dieser Satz „ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers darf der Pfandgläubiger das besitzlose Pfand nicht übertragen“ ebenfalls dergestalt auszulegen ist, dass ohne die Zustimmung des Pfandgläubigers das Pfandrecht am Pfandgegenstand erhalten bleiben soll. Damit ist geklärt, dass dieser Satz der Vorschrift nichts mit der Verkehrsfähigkeit des Pfandgegenstandes zu tun hat. Der Sicherungsgeber kann auch nach der Bestellung des Pfandrechts den Pfandgegenstand veräußern. Er ist immer noch der Eigentümer mit den Verfügungsrechten eines Eigentümers. Das Wesen des Eigentums darf nicht durch Vereinbarung oder Gesetz beschränkt oder ausgehöhlt werden. Die Verfügungsbefugnis zählt zum Wesenskern des Eigentumsrechts. Nach §  1136 BGB ist eine Vereinbarung, durch die sich der Eigentümer dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten, (im Gegensatz zu §  137 BGB) nichtig. Mit dem Verbot derartiger Vereinbarungen sucht das Gesetz die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Eigentümers zu erhalten. Schließlich muss beachtet werden, dass sich in den Verordnungen über die Eintragung des Pfandrechts die Regelung findet, dass der Sicherungsgeber einen Identitätsnachweis des Pfandgläubigers und dessen schriftliche Zustimmung zu der Übertragung des mit dem Pfandrecht belasteten Gebäudes und schriftliche Nachweise anderer Rechte (am Gebäude) einreichen muss. Diese Regelung hindert die Übertragung des Eigentums an dem Pfandgegenstand. Diese Regelung ist daher eng auszulegen, sodass sie nur auf die Ausnahmefälle in §  191 chin. SRG anwendbar ist.

V.  Verfolgungswirkung des Pfandrechts Grundsätzlich kann der Eigentümer ein mit einem dinglichen Recht belastetes Grundstück – wie jeder andere Grundstückseigentümer auch – frei veräußern. Die Übertragung des Grundstücks (für sich allein) ändert nichts an der dinglich gesicherten Forderung oder an der Existenz des dinglichen Rechts. Vielmehr bleiben die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners unverändert, soweit nichts anderes vereinbart ist. Dieses im chinesischen Recht vorzufindende Modell wird als sog. Verfolgungswirkung des Pfandrechts bezeichnet. Der Gesetzgeber bezweifelte die Tauglichkeit dieses Modells wegen folgender Befürchtung: Wenn das Pfandrecht bei Übertragung des Pfandgegenstands auch gegenüber dem Erwerber weiter besteht, erhält der Erwerber das mit einem dinglichen Sicherungsrecht belastete Eigentum. Die Vollstreckung des Pfandrechts führt zum Verlust des Eigentums des Erwerbers, wobei er aber möglicherweise den bereits gezahlten Kaufpreis nicht mehr zurückverlangen kann. Darin kann eine Gefährdung der Interessen

Verfügungsmöglichkeit über mit einem Pfandrecht belastete Immobilien

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des Erwerbers gesehen werden.10 Dieser Gedanke greift jedoch nicht durch. Wenn das Pfandrecht im Register eingetragen ist, ist der Erwerber schon vorher in der Lage, Kenntnis davon zu haben, dass die Sache mit einem dinglichen Recht belastet ist und er sie nicht lastenfrei erwerben kann. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass im neuen Sachenrechtsgesetz ein dem deutschen Recht angenähertes Eintragungssystem für unbewegliche Sachen vorgesehen ist. Die Eintragung für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen ist konstitutiv, d. h. ohne die Eintragung ist die Rechtsänderung unvollendet und entfaltet keine Wirkung (§§  9, 187 chin. SRG). Das Grundbuch wurde insoweit vom Gesetz mit einer Vermutungswirkung ausgestattet (§  16 chin. SRG). Darüber hinaus sieht das Sachenrecht auch zugunsten des Dritterwerbers den gutgläubigen Erwerb vor (§  106 chin. SRG). Durch das Eintragungssystem werden also die Interessen des Sicherungsgebers, des Pfandgläubigers und des Dritten berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht. Probleme ergeben sich für bewegliche Gegenstände, die gem. §§  180, 188 chin. SRG ebenfalls mit einem Pfandrecht belastet werden können. Wenn der Gegenstand und damit auch das Pfandrecht nicht in das Register eingetragen sind, kann es gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden. Das Pfandrecht stellt ein dingliches Recht dar. Das dingliche Recht ist ein absolutes Recht und wirkt gegenüber jedermann, d. h. mit der Übertragung des Pfandgegenstandes wirkt das Pfandrecht auch gegenüber dem Erwerber des Pfandgegenstandes. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers.11 Wenn das Pfandrecht als dingliches Recht betrachtet wird, ist es gleichgültig, ob der Pfandgläubiger der Übertragung zustimmt oder nicht. Ihm steht in jedem Fall weiterhin das Pfandrecht zu. Das Oberste Volksgericht vertritt demgegenüber eine andere Ansicht und hält nach wie vor an der Auffassung fest, dass das Pfandrecht mit der Übertragung an der Sache fortbesteht, also das dingliche Pfandrecht Verfolgungswirkung hat.12 Es hält damit an den Regelungen der Erläuterungen des Sicherungsrechtsgesetzes fest. §  49 Abs.  1 des Sicherungsrechtsgesetzes sagt deutlich, dass das Pfandrecht mit dinglicher Verfolgungswirkung ausgestaltet ist (§  67 Abs.  1 S.  1). Auch wenn seine Existenz bei der Übertragung weder dem Gläubiger noch dem Erwerber mitgeteilt wird, kann der Pfandgläubiger das Pfandrecht immer noch gegenüber dem Dritterwerber geltend machen. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass das Pfandrecht eingetragen ist. Diese Art der Auslegung wird von Jianyuan CUI begrüßt.13 Demnach wird der Sicherungsgeber durch   Institut für Zivilrecht (Fn.  5) 350.   Institut für Zivilrecht im Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, Erläuterungen des Gesetzes über Sicherheiten (全国人大常委会法制工作委员会民法室编: 《中华人民共和国担保 法释义》) (1995) 66 ff. 12   Das Oberste Volksgericht (Fn.  6) §  191, 570 ff., §  228, 573. 13   Jianyuan CUI/Shiyuan HAN, Studien über die Institution der Sicherheiten für die Forderung (崔建远、韩世远: 《债权保障法律制度研究》) (2004) 158 ff. 10 11

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das Verfolgungsrecht geschützt. Auch wenn die Mitteilungspflicht nicht erfüllt ist, ist die Übertragung dennoch wirksam. Der Erwerber kann den Pfandgegenstand erwerben, ohne dass es auf einen Gutglaubenstatbestand ankäme.14 §  68 der Richtlinien besagt, dass die Wirkung des Pfandrechts auch dann unberührt bleibt, wenn der Sicherungsgegenstand vererbt oder verschenkt wird. Es ist gleichgültig, ob das Pfandrecht eingetragen ist oder nicht. Der Grund hierfür liegt darin, dass Erbschaft und Schenkung ohne Gegenleistung erfolgen. Der Erwerber der Pfandsache wird durch das Verfolgungsrecht des Pfandgläubigers nicht beeinträchtigt.15 Hierbei wird irrtümlich davon ausgegangen, dass das Eigentum des geerbten oder geschenkten Sicherungsgegenstandes ohne Eintragung an den Erben oder den Geschenkten übertragen werden kann.16 Leider ist dieser Irrtum nunmehr teilweise im neuen Sachenrechtsgesetz als gesetzliche Regelung vorgesehen.17 In der Rechtsprechung wird §  191 Abs.  2 chin. SRG frei ausgelegt. Diese ist der Auffassung, dass hinter dieser Norm der Grundgedanke steht, dass die Interessen des Pfandgläubigers nicht beeinträchtigt werden dürften. Die Verfolgungswirkung des Pfandrechts entspricht diesem Gedanken. Daher bleibt das Pfandrecht nach der Übertragung bestehen.

VI. Fazit Der Realkredit ist auch Vertrauenssache. Ein Eigentümerwechsel bedeutet immer auch eine gewisse Gefahr für den Gläubiger. Es ist jedoch nicht nötig, die Wirksamkeit der Veräußerung zu unterbinden. Um die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Eigentümers zu erhalten, ist es stattdessen notwendig, dass die Verfügungsfreiheit über den Pfandgegenstand gewährleistet bleibt. Der Sicherungsgeber darf über den Pfandgegenstand frei verfügen. Das Pfandrecht, das auf der erworbenen Pfandsache lastet, bleibt auch nach der Veräußerung bestehen. Wenn ein Pfandrecht also auch nach der Übertragung bestehen bleibt und die Grundpfandrechte den Wert des Grundstückes übersteigen, steht dem Erwerber die Möglichkeit zur Seite, das Pfandrecht durch Zahlung zum Erlöschen zu bringen (§  191 Abs.  2 chin. SRG). Sicherungsgeber und Pfandgläubiger können vereinbaren, dass die Veräußerung oder eine weitere Belastung an die sofortige Kündbarkeit des Pfandrechts geknüpft wird (§  191 Abs.  1 chin. SRG).   CHEN, Sicherungsrechte (Fn.  9) 156.   Shibing CAO, Die Lösung und Aspekte der Sicherheiten in China – vor dem Hintergrund des Gesetzes über Sicherheiten und Richtlinien (曹士兵: 《中国担保法诸问题的解决与 展望—— 基于担保法及其司法解释》) (2011) 233. 16   LI/XI/JIN/CAO, Auslegung (Fn.  8) 260. 17   Die Erlangung eines Rechts an einer Sache durch Erbfall oder Schenkung wird mit dem Eintritt des Erbfalls oder der Schenkung wirksam (§  29 chin. SRG). 14

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Die Vermögenshaftung nach dem Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld Maik Wolf

Der Gesetzgeber ermöglicht mit den Grundpfandrechten Hypothek (§  1113 BGB) und Grundschuld (§  1191 BGB) den Einsatz von Grundstücken zur Kreditabsicherung (Realkredit),1 was gegenüber der persönlichen Vermögenshaftung des Schuldners (Personalkredit) den Vorteil höherer Wertbeständigkeit und Publizität hat. Gegenüber dem Fahrnispfandrecht (§  1204 BGB) haben Grundpfandrechte den großen Vorteil, dass der Eigentümer der Grundstücke diese weiterhin in Besitz behalten und wirtschaftlich nutzen kann. Das wirtschaftliche Bedürfnis nach einem allgemeinen, auf Rechtsgeschäft beruhenden, besitzlosen Sicherungsrecht auch an Mobiliareigentum konnte das Fahrnispfandrecht wegen des Faustpfandprinzips (§  1205 BGB) nicht befriedigen.2 Diese Lücke, welche trotz sondergesetzlicher Regelungen über die Bestellung von Grundpfandrechten an sonstigen Vermögensgegenständen 3 verbleibt, wurde in Deutschland mit dem Institut der Sicherungsübereignung geschlossen.4 Nach dem chinesischen Sachenrechtsgesetz kann dagegen eine Hypothek an den verschiedensten Vermögensgegenständen bestellt werden, z.  B. an Gebäuden, Produktionsgeräten oder auch Gebrauchsrechten.5 Die Aussage, dass nach deutschem Recht – abgesehen von den sondergesetzlich geregelten Fällen – nur an Immobilien eine Hypothek bestellt werden kann, ist allerdings im Ergebnis ebenso richtig wie unvollständig. Über die Regelun1   Hypothek und Grundschuld sind Rechte an einem Grundstück, die eine Befriedigung des Inhabers durch Zwangsverwertung oder -nutzung ermöglichen. Teilweise wird auch von einem Recht am Eigentumsrecht gesprochen, vgl. Peter M. Stenz, Der Haftungsverband der Hypothek im französischen und deutschen Recht. Eine rechtsvergleichende Betrachtung (1993) 19; zur Natur als dingliches oder obligatorisches Recht Jens Thomas Füller, Eigenständiges Sachenrecht? (2006) 68 ff. 2   Gesetzliche besitzlose Pfandrechte sind z. B. das Vermieterpfandrecht (§  562 BGB), das Verpächterpfandrecht (§  592 BGB), das Pächterpfandrecht (§  583 BGB). 3  Z. B. an Wohneigentum (§  1 WEG), an Eisenbahneinheiten (vgl. §§  16 ff. BahneinheitenG; BahnEinhG SH 1971), an Bergwerkseigentum (§  9 BBergG), an einem Erbbaurecht (§  11 ErbbauRG). 4   Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 18.  Aufl. 2009, §  57 Rn.  1; Xiaoyan Baumann, Das chinesische Sachenrecht. Seine Entwicklung unter Einfluss deutschen Rechts (2006) 152 f. 5   §  180 Sachenrechtsgesetz VR China (chin. SRG); Rebecka Zinser, Die chinesische Sachenrechtsordnung, Jura 2013, 67 (72 f.).

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gen zum Haftungsverband wird nämlich die Hypothekenhaftung auch auf bewegliche Sachen und sogar Forderungen erstreckt und der Wert der Hypothek dadurch erhöht. Nach diesen Regelungen richtet sich, was als Haftungsgegenstand dem Zugriff des Hypothekengläubigers unterliegt, wenn er sich aus seinem Hypothekenrecht befriedigt (§  1147 BGB). Der Haftungsverband der Hypothek – für die Grundschuld gilt im Wesentlichen das Gleiche6 – ist in den §§  1120 ff. BGB geregelt.

I.  Funktion und rechtliche Bedeutung des Haftungsverbandes 1.  Wirtschaftliche Bedeutung Für die wirtschaftliche Funktion einer Hypothek als Kreditsicherungsmittel ist der Wert des haftenden Gegenstandes von entscheidender Bedeutung. Der Kreditwert einer Hypothek an einem Grundstück (§  1113 BGB) hängt maßgeblich vom Wert des Grundstücks, der Kreditwert einer Hypothek an Wohnungseigentum (§  1 WEG) vom Wert des Wohnraums ab. Allerdings hängt der Wert einer Immobilie nicht nur von ihrer Sachsubstanz, Größe und Lage ab, sondern auch davon, wie sie tatsächlich genutzt wird oder genutzt werden kann.7 Es kommt also darauf an, ob ein Grundstück bebaubar ist, ob es landwirtschaftlich, gewerblich oder privat genutzt wird. 8 Die wirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks bedarf des Einsatzes zusätzlicher Betriebsmittel, bei einem Landwirtschaftsbetrieb z.  B. Vieh, Saat oder Dünger, bei einer Fabrikationsstätte entsprechende Maschinen. Das BGB kennt solche Gegenstände, die dem wirtschaftlichen Zweck eines Grundstückes dienen, als Zubehör (§§  97, 98 BGB). Wertbestimmend für den Gebrauchswert ist auch, welche Früchte oder sonstigen Vorteile ein Grundstück hervorbringt (§§  99, 100 BGB). Wird ein Grundstück vom Eigentümer gar nicht selbst genutzt, sondern hat er es an einen Drit-

6   Im Folgenden wird unter Rücksicht auf die Terminologie des chinesischen Sachenrechtsgesetzes stellvertretend nur noch von der Hypothek gesprochen. 7   Joachim Jickeli/Malte Stieper, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2012) §  98 Rn. 1. Vor diesem Hintergrund sichert auch die verfassungs- und einfachgesetzliche Anerkennung des Eigentumsrechts dem Eigentümer die grundsätzliche Möglichkeit zur Nutzung der Sache zu. Vgl. BVerfG 22.05.2001 – 1 BvR 1512/97 u. 1677/97, NVwZ 2001, 1023 (1024); Franz Jürgen Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 6.  Aufl. 2013, §  9 03 Rn. 2 f. 8   Ein Grundstück, auf dem aus baurechtlichen Gründen keine Gebäude errichtet werden können, ist regelmäßig weniger Wert als ein bebaubares Grundstück. Wertbestimmend ist auch, ob sich ein Fabrik- oder ein Wohngebäude darauf befindet. Der Wert eines Grundstückes mit einem funktionierenden Landwirtschaftsbetrieb mit laufenden Einnahmen kann größer sein als der Wert der Grundstücksfläche. Vgl. dazu auch Philipp Heck, Grundriß des Sachenrechts (1930, 2. Neudruck 1970) 368.

Vermögenshaftung nach dem Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld 219

ten verpachtet, realisiert er den pekuniären Wert des Grundstücks über die Pachtforderungen. In den Vorarbeiten zum BGB wurde vor diesem Hintergrund explizit darauf hingewiesen, dass einerseits die Grundstückseigentümer ein schutzwürdiges Interesse haben, diese Vermögensgesamtheit zu belasten, um höhere Kredite zu bekommen. Andererseits haben Hypothekengläubiger ein Interesse an einem möglichst hohen Haftungswert. Unter anderem damit auch Eigentümer kleinerer Grundstücke durch die Erhöhung des Sicherungswertes einer Hypothek auch umfangreichere Darlehen bekommen könnten, hielt der Gesetzgeber eine Erweiterung der Haftungsmasse schon aus wirtschaftlichen Gründen für notwendig.9 Die Regelungen über den Haftungsverband gehen deshalb von einer solchen erweiterten Vermögenseinheit aus und schließen auch Zubehör, Erzeugnisse und bestimmte vom Grundstück abgetrennte frühere Bestandteile sowie Forderungen in die Hypothekenhaftung mit ein, soweit sie in einem einheitlichen wirtschaftlichen Nutzungs- und Wertverbund mit dem Grundstück stehen.10 In den Haftungsverband einbezogen wird somit nicht nur das Grundstück als raumausfüllende Sachsubstanz, sondern als das Sozial-, Kultur- oder Wirtschaftsgut, als das es durch den Grundstückseigentümer tatsächlich genutzt wird, z.  B. als Unternehmensstätte oder als privater Wohnsitz. Dem Hypothekengläubiger steht dadurch der tatsächliche wirtschaftliche Nutzwert als Haftungsmasse zur Verfügung.11 Das BGB geht auch an anderen Stellen von einer solchen Vermögenseinheit aus. Gemäß §  311c BGB erstreckt sich eine vertragliche Verpflichtung zur Veräußerung einer Sache im Zweifel auf das Zubehör der Sache (§  311c BGB). Auch für das dingliche Übertragungsgeschäft gilt, dass sich die Übertragung eines Grundstücks im Zweifel auf das Zubehör erstreckt (§  926 Abs.  1 S.  2 BGB). Diese Regelungen dienen dazu, wirtschaftliche Werte nicht ohne Grund destruktiv auseinanderzureißen und dadurch zu entwerten. Dieses dem BGB unterliegende Prinzip wird in den Regelungen zur zwangsweisen Verwertung, z. B. durch Zwangsvollstreckung in ein Grundstück, fortgeführt.12 Aufgrund der Regelun-

 Siehe Benno Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Sachenrecht, Bd.  3 (1899) 805; eine vergleichbare Rechtslage entsprach bereits vor der Schaffung des BGB im Ergebnis übereinstimmend einigen Partikulargesetzen, vgl. Robert Sauer, Zur Lehre von den Rechten des Hypothekengläubigers an dem Wirtschaftsinventar (1890) 28 ff., der sogar fast einen „weltrechtlichen Satz“ darin sieht (1); ebenso Hans Naumann, Das Recht des Hypothekengläubigers an den Versicherungsgeldern (1892) 1. 10   Eine gesetzlich angeordnete Erstreckung einer Hypothek auf Früchte oder wirtschaftlich zusammenhängende Rechte kennt auch das Sachenrechtsgesetz Chinas. Vgl. §  182 und §  197 chin. SRG. 11  Vgl. Naumann, Hypothekengläubiger (Fn.  9) 1; Rudolph Heyden, Erstreckung der Hypothek auf die Abbruchsmaterialien (1897) 1. 12   BGH 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789 (2790). 9

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gen über den Haftungsverband kann so z. B. in der Zwangsversteigerung vom Ersteigerer die wirtschaftliche Sachgesamtheit erworben werden.13 2. Funktionsweise Allerdings kann eine solche Erweiterung der Hypothekenhaftung zu genau den Interessenkonflikten führen, die den Gesetzgeber vor der Einführung eines allgemeinen, besitzlosen Pfandrechts abschreckten. So hat der Hypothekengläubiger zwar ein Interesse am Erhalt des Wertes der Haftungsmasse, die seine Forderung gegenüber dem Grundstückseigentümer absichert. Dem steht allerdings das Interesse der Grundstückseigentümer und Dritter an der wirtschaftlichen Verkehrsfähigkeit dieser Gegenstände entgegen. Das BGB hat den Interessenkonflikt im Grundsatz so aufgelöst, dass der Eigentümer zwar das Haftungsobjekt der Hypothek nicht in einer die Sicherheit des Hypothekars gefährdenden Weise tatsächlich verschlechtern darf (§§  1133–1135 BGB), im Übrigen aber über das Grundstück ebenso frei verfügen kann, wie wenn die Hypothek nicht bestünde.14 Verpflichtungen des Eigentümers gegenüber dem Gläubiger, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten, sind sogar nichtig (§  1136 BGB). Der Eigentümer eines Grundstücks braucht z.  B. keine Zustimmung des Hypothekengläubigers, wenn er Sondereigentum an den Wohnungen seines Grundstücks begründet. Dem Interesse des Grundpfandgläubigers am Erhalt des Sicherungswertes wird dann dadurch Rechnung getragen, dass das Grundpfandrecht kraft Gesetzes sowohl am Grundstück als auch an den neu entstandenen (realen oder ideellen) Teilen als Gesamtrecht und damit in der Summe an dem gesamten, in seiner Substanz unveränderten Haftungsobjekt fortbesteht (Gesamtgrundpfandrecht).15 Bei beweglichem Mobiliar und bei Forderungen ist die Interessenlage komplexer. Schon weil die Belastung mit der Hypothekenhaftung nicht durch ein Register oder einen Pfandbrief erkennbar ist, haben auch Erwerber dieser Gegenstände (z.  B. die Erwerber der Landmaschinen oder geernteten Getreides) ein Interesse daran, nicht irgendwann überraschend dem Zugriff des Hypothekengläubigers ausgesetzt zu sein.16 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in den Haftungsverband einbezogenen Gegenstände nicht im Grundbuch eingetragen 13   Harm P. Westermann/Karl-Heinz Gursky/Dieter Eickmann, Sachenrecht, 8.   Aufl. 2011, §  95 Rn. 9. 14   BayObLG 14.10.1958 – 2 Z 119–127/58, BayObLGZ 1958, 273 (278 f.). 15   BGH 09.02.2012 − V ZB 95/11, NJW 2012, 1226; vgl. auch OLG Stuttgart 19.03.1954 – 7 W 38/54, NJW 1954, 682; BayObLG 14.10.1958 – 2 Z 119–127/58, BayObLGZ 1958, 273; vgl. zur Grundschuld OLG Oldenburg, 17.11.1988 – 5 W 60/88, NJW-RR 1989, 273; Roland Böttcher, Zulässigkeit und Probleme von Gesamtrechten an Grundstücken, MittBayNot 1993, 129 (130). 16   Vgl. dazu Koblitz, Welche Rechte hat der Ersteher eines im Wege der Zwangsvollstreckung versteigerten Grundstücks bezüglich beweglicher Beilaßstücke?, Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (1891) 536 ff.; Heck, Grundriß (Fn.  8) 369 f.

Vermögenshaftung nach dem Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld 221

und auch nicht im Hypothekenbrief verzeichnet sind. Es war gerade dieser Mangel an Offenkundigkeit, der den Gesetzgeber in der Vergangenheit davon abhielt, eine Mobiliarhypothek einzuführen.17 Die Regelungen über den Haftungsverband schaffen vor diesem Hintergrund durch ein komplexes (gesetzlich zwingendes18) System einen Ausgleich zwischen diesen Interessen,19 indem sie die Voraussetzungen regeln, unter denen bewegliche Sachen oder Forderungen in den Haftungsverband einbezogen und auch wieder ausgeschieden werden. Nach der Lösung des Gesetzes werden Zubehör und Erzeugnisse nicht automatisch von einer späteren Haftung erfasst. Vielmehr ist lediglich von einer potentiellen Haftung auszugehen, die sich erst dann realisiert, wenn die Hypothek berechtigterweise geltend gemacht wird.20 Die Geltendmachung erfolgt nach den Regeln über die Zwangsvollstreckung (§  869 ZPO i. V. m. ZVG). Erst mit der Beschlagnahme (§§  20, 146, 148 ZVG) haften die zu diesem Zeitpunkt dem Grundstück zurechenbaren Gegenstände. Bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme können deshalb Zubehör und Erzeugnisse im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft aus dem Haftungsverband wieder ausgeschieden werden oder aber auch neu einbezogen werden. Vor diesem Zeitpunkt entgehen Gegenstände dem Damoklesschwert der Hypothekenhaftung regelmäßig dadurch, dass sie in das Eigentum eines Dritten übergehen oder im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verwertet werden (§§  1121, 1122 BGB). Der Hypothekengläubiger hat an diesen Gegenständen demnach nur ein „latentes Verwertungsrecht“.21 3.  Rechtswirkungen in der Zwangsvollstreckung Muss ein Gläubiger die Hypothek in Anspruch nehmen, so erfolgt dies grundsätzlich nach den Regeln der Zwangsvollstreckung, wenn der Eigentümer diese

17  Vgl. Baumann, Sachenrecht (Fn.  4) 152 f.; vgl. auch Wolfgang Wiegand, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2009) Vorbem. zu §§  1204 ff. Rn. 1–11; vgl. die Vorträge auf dem 32. DJT, ablehnend Karl Geiler, Vortrag zur Frage: Empfiehlt sich die Einführung einer Mobiliarhypothek?, in: Verhandlungen des 32. Deutschen Juristentags (1922) 185 ff., befürwortend George Melchior, Vortrag zur Frage: Empfiehlt sich die Einführung einer Mobiliarhypothek?, in: Verhandlungen des 32. Deutschen Juristentags (1922) 203 ff.; siehe auch den Überblick bei Klaus Melsheimer, Sicherungsübereignung oder Registerpfandrecht (1967) 19 ff. 18  Diese kann durch Vertrag nicht mit dinglicher Wirkung modifiziert werden. BGH 30.11.1995 – IX ZR 181/94, NJW 1996, 835 (836); Klaus Reischl, in: juris PraxisKommentar BGB, Sachenrecht, Bd. 3, 6.  Aufl. 2012, §  1120 Rn. 15; a. A. Hans Wolfsteiner, in: Staudinger, Kommentar zum BGB (2009) §  1120 Rn.  42. 19   Horst Konzen, in: Soergel, Sachenrecht 3, Bd. 16 (2001) §  1120 Rn.  1; Dieter Eickmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6.  Aufl. 2013, §  1120 Rn.  2. 20   Heck, Grundriß (Fn.  8) 370. 21   Westermann/Gursky/Eickmann (Fn.  13) §  95 Rn.  11; siehe dazu auch das Gleichnis aus der Odyssee bei Heck (Fn.  8) 372.

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nicht durch Zahlung ablöst (§§  1147, 1142 BGB).22 Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück zur Durchsetzung einer Hypothek erfolgt im Regelfall 23 durch Zwangsversteigerung24 und/oder durch Zwangsverwaltung.25 Von der Zwangsvollstreckung sind grundsätzlich alle Gegenstände erfasst, auf die sich die Hypothek erstreckt, also auch alles das, was zum Haftungsverband gehört.26 Folglich wird bei einer Zwangsverwaltung nicht nur der Boden zwangsbewirtschaftet, sondern auch die landwirtschaftlichen Gerätschaften, Ställe, Tiere etc., soweit sie zum Haftungsverband gehören, um durch die Erträge und durch eventuelle Miet- oder Pachteinnahmen die gesicherte Forderung zu tilgen. Bei einer Versteigerung wiederum werden auch die landwirtschaftlichen Geräte versteigert, soweit sie zum Haftungsverband gehören (§§  90 Abs. 2, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG). Ein Zugriff auf die Miet- oder Pachteinnahmen ist nur im Wege der Zwangsverwaltung möglich (§  21 Abs. 2 ZVG). Die Haftung abgetrennter (früherer) Grundstücksbestandteile kann grundsätzlich auf zwei Wegen verwirklicht werden. Der Hypothekengläubiger kann direkt die einzelne bewegliche Sache pfänden (Mobiliarpfändung). Er kann aber auch die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen betreiben, welche mit der Beschlagnahme beginnt und über den Haftungsverband auf das bewegliche Vermögen erstreckt wird. Durch die Mobiliarpfändung erlangt der Hypothekengläubiger sofort ein Pfändungspfandrecht; 27 die Beschlagnahme bewirkt zunächst nur ein Veräußerungsverbot.28 Die Möglichkeit der Verwertung einzelnen Mobiliars kann den Eigentümer vor dem Verlust seines Grundstückes bewahren, insbesondere wenn es nur um die Vollstreckung von Kleinbeträgen geht.29   Siehe zum Streit, ob die Grundpfandrechte einen Zahlungs- oder Duldungsanspruch begründen, Staudinger/Wolfensteiner (Fn.  18) Einl. zu §§  1113 ff. Rn.  36 ff. 23   §  966 ZPO nennt neben der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung noch die Eintragung einer Sicherungshypothek. Da der Hypothekengläubiger aber bereits eine Hypothek hat, spielt diese Vollstreckungsart bei der Vollstreckung wegen Grundpfandrechten grundsätzlich keine Rolle, vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht (Fn.  4) §  40 Rn. 50. 24   §  869 ZPO i. V. m. §§  15 ff. ZVG. 25   §  869 ZPO i. V. m. §§  146 ff. ZVG. 26   §  865 Abs. 1 ZPO. Allerdings werden für die einzelnen Vollstreckungsarten Einschränkungen vorgenommen, so dass etwa bestimmte Forderungen nur im Wege der Zwangsverwaltung eingezogen werden können. §§  21 Abs. 2, 148 ZVG; vgl. dazu Jürgen F. Baur/Rolf Stürner, Sachenrecht, 17.  Aufl. 1998, §  39 Rn. 14, 15. 27   §  804 Abs. 1 ZPO; vgl. RG 21.12.1912 – V 361/12, RGZ 81, 147 ff.; Friedrich Mattern, in: Reichsgerichtsräte-Kommentar (RGRK), Bd. 3, 12.  Aufl. 1996, §  1122 Rn. 23, §  1123 Rn. 14; Voraussetzung ist danach, dass eine Vollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs durchgeführt, dessen Befriedigung dadurch herbeigeführt und sichergestellt werden soll. Eine Vollstreckung in diese Gegenstände wegen der Hypothekenforderung selbst ist nicht möglich. Zulässig ist diese Form der Verwertung, weil auch der dingliche Anspruch des Grundpfandrechtsgläubigers vollstreckungsrechtlich als Geldforderung gilt, siehe Urs Peter Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4.  Aufl. 2012, §  803 Rn. 7. 28   §  23 ZVG. Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 30. 29  jurisPK-BGB/Reischl (Fn.  18) §  1120 Rn. 2. 22

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Außerdem erhält der Hypothekengläubiger eine bevorzugte Stellung gegenüber sonstigen Gläubigern. In die zum Haftungsverband gehörenden Gegenstände kann nämlich nur eingeschränkt zur Durchsetzung von sonstigen Forderungen vollstreckt werden (§  865 Abs. 2 ZPO).30 Zubehörstücke zum Grundstück (§§  97, 98 BGB), welche grundsätzlich zum Haftungsverband gehören, soweit sie im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen (§  1120 BGB), stehen dabei unter einem besonderen vollstreckungsrechtlichen Schutz. Ihre isolierte Pfändung wegen einer persönlichen Forderung durch einen Dritten ist nämlich absolut unzulässig, selbst wenn noch keine Beschlagnahme erfolgt ist (§  865 Abs. 2 S.  1 ZPO).31 Es wird sichergestellt, dass die wirtschaftliche Einheit nicht zerrissen und entwertet wird. Damit berücksichtigt das Vollstreckungsverfahren den auch im BGB verankerten Grundsatz, volkswirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, und geht sogar darüber hinaus; denn Zubehör ist unpfändbar, obwohl dessen Übertragung durch Rechtsgeschäft zulässig ist.32 Es steht zudem im Interesse aller Gläubiger, dass die Funktionsfähigkeit und Rentabilität eines Betriebes nicht eingeschränkt wird.33 In alle anderen zum Haftungsverband gehörenden Gegenstände kann dann nicht mehr aufgrund der persönlichen Haftung des Eigentümers wegen Drittforderungen vollstreckt werden, wenn das Zwangsvollstreckungsverfahren in das Grundstück mit der Beschlagnahme eingeleitet wurde.34 Dennoch erfolgte Pfändungen in einzelne Gegenstände, die zum Haftungsverband einer Hypothek gehören, können für unzulässig erklärt werden.35 Die Einbeziehung in den Haftungsverband wird

30   Die Einschränkung wird absolut und nicht nur zugunsten des Hypothekengläubigers (RG 15.10.1904 – V 127/04, RGZ 59, 91). Es kommt auch nicht darauf an, ob tatsächlich eine Hypothek bestellt ist. Alles was zum Haftungsverband einer Hypothek an einem Grundstück gehören würde, kann gemäß §  865 Abs. 2 ZPO nur begrenzt Gegenstand einer Einzelvollstreckung in bewegliches Vermögen sein, siehe BGH 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789 (2790); Udo Becker, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 10.  Aufl. 2013, §  865 Rn.  8 f. 31   §  865 Abs. 2 S.  1 ZPO. 32   BGH 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789 (2790). 33   Wolfgang Münzberg, in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung Bd. 8, 22. Aufl. 2004, §  865 Rn. 20. 34   §  20 f. ZVG, §  148 ZVG. 35  Neben der Erinnerung gemäß §  766 ZPO siehe jurisPK-BGB/Reischl (Fn.  18) §  1120 Rn. 44; Hans Brox/Wolf-Dietrich Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 9.  Aufl. 2011, Rn. 28.3; Stein/Jonas/Münzberg (Fn.  33) §  865 ZPO Rn. 36. Zur Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage nach §  771 ZPO Musielak/Becker (Fn.  30) §  865 Rn. 11; kritisch dazu Dieter Eickmann, in: Münchener Kommentar ZPO, 4.  Aufl. 2012, §  865 Rn.  65. Weitergehend, nämlich die Nichtigkeit annehmend: RG 12.02.1932 – II 404/31, RGZ 135, 197 (206); OLG München 18.10.1956 – 7 W 1248/56, MDR 1957, 428; Eberhard Wieser, Zur Pfändung von Gartenzwergen, NJW 1990, 1971; Kurt Stöber, in: Zöller, Zivilprozessordnung Kommentar, 26. Aufl. 2007, §  865 Rn. 11.

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demnach hinsichtlich der Rechtsfolgen ähnlich wie eine dingliche Belastung behandelt.36

II.  Rechtliche Ausgestaltung des Haftungsverbandes Für den Haftungsumfang kommt es im Grundsatz auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlagnahme an. Das Interessante am Haftungsverband ist, dass sich der Haftungsgegenstand von der Bestellung des Grundpfandrechts bis zur Beschlagnahme verändern kann. Es können drei Phasen unterschieden werden: 1.  der Zeitpunkt der Bestellung der Hypothek, 2. der Zeitraum zwischen Bestellung der Hypothek und der Inanspruchnahme der Hypothek durch Zwangsvollstreckung und 3. der Zeitpunkt der Einleitung der Zwangsvollstreckung durch Beschlagnahme. 1.  Zeitpunkt der Bestellung der Hypothek a)  Grundstück und seine wesentlichen Bestandteile Mit der Bestellung der Hypothek (z.  B. einer Briefhypothek gemäß §§  873, 1113, 1115, 1117 BGB) erstreckt sich die potentielle Hypothekenhaftung zunächst auf das Grundstück selbst inklusive aller seiner wesentlichen Bestandteile, also auch der darauf befindlichen Gebäude oder beim Wohnungseigentum der fest eingebauten Bestandteile (vgl. §§  93, 94 BGB).37 Damit vollzieht sich die Ent36   Heck, Grundriß (Fn.  8) 371; zur begrifflichen Unterscheidbarkeit von Belastungs- und Haftungsgegenstand MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1113 Rn. 11. 37   Fraglich ist die Behandlung von unwesentlichen Bestandteilen. Dabei handelt es sich um Sachen, die wegen ihrer Verbindung zwar als „Bestandteile“ des Grundstücks angesehen werden können, aber eben nicht wesentlich i. S. der §§  93, 94 BGB sind. Aus der Definition von wesentlichen Bestandteilen wird in der Literatur und Rechtsprechung nämlich geschlossen, dass es auch unwesentliche (einfache) Bestandteile geben müsse, vgl. Protokolle, 4–6; Motive, Bd.  3, 40–42; RG 26.06.1908 – II 51/08, RGZ 69, 117 (119 f.); RG 14.11.1938 – V 37/38, RGZ 158, 362 (368); OLG Frankfurt 07.04.1981 – 14 U 80/80, NJW 1982, 653 (654). Es ist allgemein anerkannt, dass an solchen Bestandteilen Sonderrechte entstehen können. Genaugenommen können sie nicht nur, sondern müssen es auch, da man es nicht in der Hand hat, woran Eigentumsrechte entstehen, die dann z. B. einzeln übertragen oder verpfändet werden können und in die isoliert vollstreckt werden kann, siehe Staudinger/Wiegand (Fn.  17) §  1204 Rn. 33; a. A. Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  7) §  93 Rn. 41 ff.; Wilhelm Kregel, in: Reichsgerichtsräte-Kommentar (RGRK), Bd. 1, 12.  Aufl. 1982, §  93 Rn. 48. Nach hier vertretener Ansicht werden unwesentliche Bestandteile – soweit man dieser Kategorie überhaupt rechtliche Relevanz beimessen will – jedenfalls nicht von der originären Grundstückshaftung erfasst. Die h.  A. sieht das anders, ist insoweit aber nicht konsequent, weil danach unwesentliche Bestandteile dann nicht mithaften sollen, wenn sie im Eigentum eines Dritten stehen, vgl. MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1120 Rn. 11, 14; Soergel/Konzen (Fn.  19) §  1120 Rn. 2; Frank Wenzel, in: Erman, BGB Kommentar, 13.  Aufl. 2011, §  1120 Rn. 1 f.; RGRK/Mattern (Fn.  27) §  1120 Rn. 4;

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scheidung des Gesetzgebers, dass im Interesse der Erhaltung wirtschaftlicher Werte und der Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse die mit einem Grundstück als wesentliche Bestandteile verbundenen Sachen nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§  93 BGB).38 Wird hingegen ein Bestandteil abgelöst und handelt es sich um eine bewegliche Sache, so wird an ihm ein gesondertes Eigentumsrecht begründet und es hängt von den Regelungen über den erweiterten Haftungsverband ab, ob er weiterhin haftet. Wird ein unbeweglicher Teil des Grundstücks abgespalten, also z.  B. das Grundstück geteilt, so bleibt die Hypothek auf dem abgetrennten Teil hingegen weiterhin bestehen.39 Zu beachten sind gesetzliche Sonderregelungen, die trotz des physischen Zusammenhangs die Zugehörigkeit zum Grundstückseigentum aufbrechen.40 b)  Erstreckung auf Zubehör Mit der Hypothekenbestellung wird auch das Zubehör zum Grundstück in den Haftungsverband einbezogen, obwohl es eigentlich vom Immobilieneigentum sachenrechtlich unabhängig ist, also auch Gegenstand isolierter Rechte sein kann. Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§  97 BGB). Voraussetzung ist danach, dass die Sache nach der Verkehrsanschauung als Zubehör angesehen wird.41 Was die räumliche ZusammengehöStaudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  7) §  93 Rn. 45. Es gibt aber keinen dinglichen Grundsatz, wonach unwesentliche Bestandteile der Hauptsache folgen. Natürlich können die Parteien eines rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgangs im empirischen Regelfall diese Absicht haben, wobei man zu diesem Ergebnis erst über eine Auslegung der Übereignungsabrede bzw. des zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäftes kommt, vgl. auch Heinz Pikart, in: Reichsgerichtsräte-Kommentar (RGRK), Bd. 2, 12.  Aufl. 1989, §  929 Rn. 16. Es kommt daher nach der hier vertretenen Auffassung stets darauf an, inwieweit sie durch die ergänzenden Bestimmungen zum Haftungsverband in die Haftungsmasse einbezogen werden. §  1120 BGB spricht insoweit zwar von sonstigen Bestandteilen. Man könnte deshalb auf die Idee kommen, dass nicht nur wesentliche, sondern auch sonstige Bestandteile erfasst werden. Allerdings erfasst §  1120 BGB den Fall der nachträglichen Abtrennung von solchen Bestandteilen, die vorher von der Grundstückshaftung erfasst wurden. Deshalb ordnet §  1120 BGB keine von §§  93, 94 BGB abweichende Bestandteilshaftung an. Eine Mithaftung unwesentlicher Bestandteile kommt demnach etwa in Betracht, wenn der Bestandteil Zubehör i. S. der §§  97, 98 BGB ist; gegen die Möglichkeit einer gleichzeitigen Bestandteils- und Zubehöreigenschaft RGRK/Kregel (Fn.  37) §  93 Rn. 45. 38   Es ist kraft Gesetzes ausgeschlossen, an wesentlichen Bestandteilen Sonderrechte zu begründen. Ein darauf gerichtetes Rechtsgeschäft oder ein Vollstreckungsakt sind, soweit die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil nicht zugleich aufgehoben wird, nichtig, siehe BGH 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789 (2790); a. A. Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  7) §  93 Rn. 33: Erinnerung gemäß §  766 ZPO. 39  Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 6. 40   Vgl. §  12 Abs. 2 ErbbauRG, §  3 Abs. 2 BBergG. 41   Amüsant dazu Eberhard Wieser, Die Pfändung von Gartenzwergen, NJW 1990, 1971, mit zahlreichen Beispielen.

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rigkeit angeht, hebt eine nur vorübergehende Trennung (z.  B. die Verbringung eines Traktors zur Reparatur) die Zubehöreigenschaft nicht auf. Der den Zubehörbegriff charakterisierende dienende Zweck wird im BGB für gewerbliches und landwirtschaftliches Inventar weiter konkretisiert (§  98 BGB). Danach dienen bei einem Gebäude, das für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist (z.  B. Fabrik, Mühle, Schmiede, Brauhaus), die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften dem wirtschaftlichen Zweck des Gebäudes als der Hauptsache. Dem Zweck eines landwirtschaftlichen Betriebes dienen das Gerät und das Vieh, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden, sowie der vorhandene, auf dem Gut gewonnene Dünger. Unerheblich ist, ob die Zubehörstücke nur durch ihren Verbrauch dem Betrieb dienen können, wie z.  B. Heizöl.42 Zum Zubehör von Wohneigentum gehören z.  B. Alarmanlagen, Satellitenempfangsanlagen, Einbauküchen und die zum Betrieb eines in den Räumen durchgeführten Gewerbes bestimmten Maschinen oder Ladeneinrichtungen, wie die Schankanlage einer Gaststätte, nicht aber Möbel.43 Nur Zubehörstücke im Eigentum des Grundstückseigentümers werden in den Haftungsverband einbezogen, nicht aber z.  B. solche im Eigentum des Pächters.44 Auch ein Eigentumsvorbehalt an einer Sache zugunsten eines Dritten, z.  B. eines Kreditgebers oder Verkäufers, verhindern deren Einbeziehung in den Haftungsverband. Allerdings haftet dann das Anwartschaftsrecht, soweit dieses dem Grundstückseigentümer zusteht.45 Anders als bei abgetrennten, vormals wesentlichen Bestandteilen haften auch diejenigen Zubehörstücke nicht, die im Eigentum eines Eigenbesitzers am Grundstück stehen.46

42   Vgl. OLG Düsseldorf 16.11.1965 – 4 U 139/65, NJW 1966, 1714 (im konkreten Fall im Ergebnis aber abgelehnt). 43  Vgl. Christian Armbrüster, in: Bärmann, Kommentar zum WEG, 12.  Aufl. 2013, §  1 WEG Rn. 139 m. w. N. 44   Für die Zubehöreigenschaft i. S. der §§  93, 94 BGB ist hingegen die Eigentumslage unerheblich, RG 24.01.1903 – V 362/02, RGZ 53, 350 (351); Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  7) §  97 Rn. 6, §  98 Rn.  3, 8. Allerdings kann im Einzelfall die fehlende Eigentümeridentität ein Indiz für eine nur vorübergehende Nutzung gemäß §  97 Abs.  2 BGB sein, Staudinger/Jickeli/Stieper (Fn.  7) §  97 Rn. 19. 45  Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 36; BGH 10.04.1961 – VIII ZR 68/60, BGHZ 35, 85; siehe dazu den Überblick zum Streitstand bei Jan Uhlenbruck, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers im Haftungsverband der Grundpfandrechte, Diss. Köln (1995) S.  26–45; vgl. zur Verfügung über das Anwartschaftsrecht Jan Wilhelm, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers im Hypotheken- und Grundschuldverband, NJW 1987, 1785. 46   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1120 Rn. 28.

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2.  Zeitraum zwischen Hypothekenbestellung und Beschlagnahme a)  Erstreckung auf abgetrennte Bestandteile und Erzeugnisse In der Zeit von der Bestellung der Hypothek bis zur Beschlagnahme kann sich die Beschaffenheit der Immobilie verändern. Werden Erzeugnisse (insbesondere Früchte) oder Bestandteile vom Grundstück abgetrennt, so bleiben diese gemäß §  1120 BGB trotzdem im Haftungsverband, obwohl sie durch die Abtrennung eigentlich sonderrechtsfähig werden und an ihnen, da es sich um bewegliche Sachen handelt, isoliert keine Hypothek bestellt werden könnte. Das Gesetz will durch diese Regelung den Bestandswert der Hypothek zum Zeitpunkt ihrer Bestellung möglichst erhalten. In den Haftungsverband einbezogen sind deshalb auch die Erzeugnisse (§  99 BGB), insbesondere die land- und forstwirtschaftlichen Früchte eines Grundstückes, z.  B. geerntetes Getreide.47 Der Hypothekengläubiger hat allerdings kein schützenswertes Interesse an einer steten Erhöhung des Hypothekenwertes. Das wäre die Folge, wenn über die Jahre jedes geerntete Erzeugnis oder jeder abgetrennte Bestandteil in den Haftungsverband aufgenommen würde, selbst wenn der Gegenstand durch Neuanschaffungen ersetzt würde. Außerdem würde dadurch die Verkehrsfähigkeit dieser Bestandteile eingeschränkt, weil ein Erwerber dieser Gegenstände jederzeit den Zugriff des Hypothekengläubigers befürchten müsste. In den Haftungsverband aufgenommen werden daher zunächst nur solche Erzeugnisse und Bestandteile, die mit der Abtrennung automatisch in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen (§  1120 BGB). Zugunsten des Hypothekengläubigers wirkt der sachenrechtliche Grundsatz, dass vom Grundstück abgetrennte Sachen trotz der Trennung Eigentum des Grundstückseigentümers bleiben (§  953 BGB).48 Hingegen führt ein durch die Trennung vom Grundstück bewirkter Erwerb durch dinglich oder persönlich Berechtigte, also den Nießbraucher oder den Pächter, nicht zu einer Erstreckung des Haftungsver Vgl. Christina Stresemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6.  Aufl. 2012, §  99 Rn.  2 f. 48   Allerdings gilt dies nur dann, wenn die einzelne Sache auch zuvor schon im Eigentum des Grundstückseigentümers stand (vgl. RGRK/Pikart (Fn.  37) §  953 Rn. 9). Geht man mit der Literatur von der Möglichkeit unwesentlicher Bestandteile an Sachen aus, die trotzdem fest mit der Hauptsache verbunden sind, und besteht an diesem unwesentlichen Bestandteil ein Eigentumsrecht eines Dritten, so geht der Bestandteil mit der Ablösung von der Hauptsache nicht in das Eigentum des Eigentümers der Hauptsache über. Missverständlich Johann Kindl, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, Ed. 27, Stand: 01.05.2013, §  953 Rn. 2, wonach §  953 BGB unwesentliche Bestandteile nur dann erfasst, wenn bereits zuvor der Haupteigentümer auch Eigentümer dieses Bestandteils war. §  953 BGB regelt diesen Fall einfach nicht, muss er aber auch nicht, weil sich durch die Abtrennung eines unwesentlichen Bestandteils an dessen Eigentumslage nichts ändert. Dass am Ende der Haupteigentümer also auch weiterhin Eigentümer des unwesentlichen Bestandteils bleibt, ist keine besondere Rechtsfolge des §  953 BGB. Es ist daher auch überflüssig, insoweit von einer Klarstellung durch §  953 BGB zu reden, so Jürgen Oechsler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6.  Aufl. 2013, §  953 Rn.  4 47

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bandes auf diese Sachen, da diese Sachen mit der Trennung im Eigentum der jeweils Berechtigten landen (§§  954, 956 BGB).49 Als wirtschaftlicher Ausgleich werden zugunsten des Hypothekengläubigers Pacht- und Mietforderungen des Grundstückseigentümers in den Haftungsverband aufgenommen. Von dieser Anknüpfung an die Regelungen über den Eigentumsanfall wird lediglich abgewichen, soweit Sachen durch die Trennung ins Eigentum des (gutgläubigen) Eigenbesitzers des Grundstücks fallen. Diese werden ebenfalls in den Haftungsverband aufgenommen, da sie der Gesetzgeber dem wirtschaftlichen Wertverbund des Grundstückes weiter zurechnet (§§  955, 872 BGB). Weitere Voraussetzung ist, dass die nachträglich abgetrennte Sache zum Zeitpunkt der Bestellung der Hypothek auch für die Hypothek haftete.50 Diese Voraussetzung ist vor allem für solche Sachen bedeutsam, für die eine von den §§  93, 94 BGB abweichende gesetzliche Sonderregelung besteht. So sind z.  B. gemäß §  3 Abs. 3 BBergG sogenannte bergfreie Bodenschätze, das sind unter anderem bestimmte Rohstoffe wie Aluminium, Eisen, Gold, Kupfer, nicht Bestandteil des Grundeigentums und werden daher auch nicht von der Hypothek erfasst, obwohl sie mit dem Boden des Grundeigentums fest verbunden sind.

49   §  21 Abs. 3 ZVG bestimmt zusätzlich, dass das Recht des Pächters auf Fruchtgenuss durch eine Beschlagnahme nicht berührt wird. Dadurch unterliegen die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgetrennten Früchte (auf dem Feld stehende Halmfrüchte), die danach vom Pächter abgetrennt werden, nicht der Beschlagnahme und können gemäß §  865 Abs. 2 ZPO weiterhin Gegenstand einer von einem Dritten betriebenen Fahrnisvollstreckung sein, selbst im Wege der in Durchbrechung von §§  93, 94 BGB gemäß §  810 ZPO erlaubten Beschlagnahme „am Halm“. Diese Sonderstellung wird zugunsten des Nießbrauchers nicht gewährt. Die unterschiedliche Behandlung erklärt sich vor allem mit Blick auf die Interessen des Hypothekengläubigers. Diesem stehen nämlich beim Pächter – anders als beim Nießbraucher – als wirtschaftlicher Ausgleich die Pachtzinsforderung als Bestandteil des Haftungsverbandes zu (§  1123 BGB). Der Hypothekengläubiger kann die Haftung der Früchte beim Nießbraucher dadurch herbeiführen, dass vor der Trennung Zwangsverwaltung beantragt wird, siehe Otto Strecker, in: Planck, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, Sachenrecht §§   1113–1296, Bd. 3, 5.   Aufl. 1938, §   1120, Anm.   2d; Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn.  22 f. 50   RG 12.02.1932 – II 404/31, RGZ 135, 197 (201); Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 19; Soergel/Konzen (Fn.  19) §  1120 Rn. 4; Planck/Strecker (Fn.  49) §  1120 Anm.  2c und Anm.  2e; MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1120 Rn. 19. Dies folgt letztlich auch aus einem Rückschluss aus dem Verweis auf die §§  954–957 BGB. Diese Regelung ist auch nicht etwa entbehrlich, so aber Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 18; Planck/Strecker (Fn.  49) §  1120 Anm.  2b; jurisPK-BGB/Reischl (Fn.  18) §  1120 Rn. 7. Es bedarf keines Rechtssatzes, wonach Bestandteile durch Lösung der Verbindung von der Haftung frei werden, da mit einer Hypothek nur ein Grundstück belastet werden kann. Deshalb besteht insoweit auch kein Grundsatz, dass bei einer körperlichen Abtrennung einzelner Teile von Grundstücken die an den Grundstücken begründeten dinglichen Rechte auch an den Teilen fortbestehen. Es ist schließlich auch unstreitig, dass natürliche Abschwemmungen, Abbrüche etc. nicht von der Hypothekenhaftung erfasst sind, so auch Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 6. Nach Planck/Strecker (Fn.  49) §  1120 Anm.  2b, liegt dagegen die Hauptaufgabe von §  1120 BGB konsequenterweise in der Begrenzung der Erstreckung.

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b)  Nachträgliche Aufnahme von Zubehör Wenn eine Sache während des Zeitraumes, in dem die Hypothek besteht, also erst nach der Bestellung, zum Zubehör wird, dann wird es automatisch in den Haftungsverband aufgenommen, vorausgesetzt sie steht auch im Eigentum des Grundstückseigentümers. Zubehörstücke können so allein aufgrund einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse in den Haftungsverband aufgenommen werden, z.  B. wenn ein zuvor privat genutztes Kraftfahrzeug nunmehr für die Zwecke des Betriebes genutzt wird. Sie werden dann nur unter den besonderen Voraussetzungen der Enthaftungstatbestände wieder aus dem Haftungsverband entlassen.51 Grundsätzlich ist daher der Zeitpunkt, zu dem eine Sache Zubehör zum Grundstück wird, unerheblich. Es kommt also für die Einbeziehung in den Haftungsverband nicht darauf an, ob die Sache vor oder nach der Hypothekenbestellung zum Zubehör wird.52 In beiden Fällen zählt sie – vorbehaltlich einer vorherigen Enthaftung – zu dem Haftungsverband, der bei einer Vollstreckung als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Der Zeitpunkt kann allerdings im Einzelfall bedeutsam werden, wenn das Rangverhältnis zu anderen Pfandrechten nach dem Prioritätsgrundsatz zu klären ist.53 c) Enthaftung Die zunächst in den Haftungsverband einbezogenen beweglichen Sachen können aus dem Haftungsverband auch wieder entlassen werden (§§  1121, 1122 BGB). Diese Möglichkeit bezweckt einen Ausgleich zwischen den Interessen des Eigentümers und Dritter, trotz der Belastung des Grundstücks die Einzelgegenstände verkehrsfähig zu halten und dem Interesse der Grundpfandgläubiger, den Wert des Haftungsobjektes zu sichern.54 Vor der Beschlagnahme werden Erzeugnisse und sonstige Bestandteile sowie Zubehör unter zwei kumulativen Voraussetzungen aus dem Haftungsverband entlassen: Sie müssen 1) veräußert werden, also in das Eigentum eines Dritten übergehen, und 2) vom Grundstück entfernt werden. Werden nicht veräußerte Gegenstände vom Grundstück verbracht, so hat der Hypothekengläubiger nach der Beschlagnahme einen Anspruch auf Rückschaffung der weggebrachten Gegenstände.55 Vor der Beschlagnahme kann er gegen die Verbringung nur ausnahmsweise vorgehen, soweit sie die Sicherheit der Hypothek gefährdet (§§  1133,  RGRK/Mattern (Fn.  27) §  1120 Rn. 17.   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1120 Rn. 30. 53  Vgl. Lutz Michalski, in: Erman, BGB Kommentar, 13.  Aufl. 2011, §  1209 BGB Rn. 1. So geht etwa nach der Rechtsprechung des BGH das gesetzliche Vermieterpfandrecht der hypothekarischen Zubehörhaftung vor, wenn die Sachen vor Eintragung der Hypothek i. S. des §  562 BGB eingebracht worden sind, s. BGH 18.12.1956 – VIII ZR 24/56, BB 1957, 94; Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1120 Rn. 39. 54   BGH 21.03.1973 – VIII ZR 52/72, BGHZ 60, 267 (270). 55  Soergel/Konzen (Fn.  19) §  1121 Rn. 7. 51

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1134 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Zubehörstücke entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft von dem Grundstück verbracht werden (§  1135 BGB). Die bloße Veräußerung oder die bloße Entfernung vom Grundstück lassen die Haftung demnach nicht automatisch entfallen.56 Unter bestimmten Voraussetzungen ist gemäß §  1122 BGB eine Enthaftung auch ohne Veräußerung möglich. Diese Möglichkeit der Enthaftung dient dazu, das Wirtschaften mit dem Grundstück und seinen Erzeugnissen nicht zu stark zu beeinträchtigen. Danach erlischt die Haftung von Erzeugnissen (insb. Früchten) und (früheren) Bestandteilen auch ohne Veräußerung, wenn 1) die Verbringung vor der Beschlagnahme erfolgt ist, 2) die Verbringung nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt und 3) die vorherige Trennung vom Grundstück innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erfolgt ist (§  1122 Abs. 1 BGB). So ist z.  B. das Ernten und Wegschaffen der reifen Früchte zum Zwecke der Veräußerung als ordnungsmäßige Wirtschaftsweise des Landwirts anzusehen.57 Für Zubehörstücke gilt, dass sie auch dann von der Haftung frei werden, wenn die Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft aufgehoben wird (§  1122 Abs. 2 BGB).58 Es ist dann nicht einmal mehr Voraussetzung, dass sie vom Grundstück verbracht werden. Die zusätzliche Voraussetzung der ordnungsgemäßen Wirtschaft dient dem Schutz des Hypothekengläubigers, um ein Wegschaffen dieser vermögenswerten Gegenstände im Ernstfalle zu verhindern.59 Die Zubehörfunktion kann aber z.  B. aufgehoben werden, indem der Benutzer der Hauptsache die Widmung dahingehend ändert, dass das Zubehörstück statt andauernd nur noch vorübergehend dem Zweck der Hauptsache dienen soll. 60 Wird also ein dem bisherigen landwirtschaftlichen Betrieb dienendes Kraftfahrzeug (z.  B. ein Pickup) nur noch privat 56  Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1121 Rn. 16. Bei einem gesetzlichen Eigentumserwerb durch Verbindung, Vermischung, Verarbeitung findet eine Enthaftung gemäß §§  949, 950 BGB statt, Erman/Wenzel (Fn.  37) §  1120 Rn. 4; RGRK/Mattern (Fn.  27) §  1120 Rn. 15, soweit die neuen Gegenstände nicht als (nicht vom Grundstück entferntes) Zubehör weiter haften. 57   Vgl. BGH 07.12.1992 – II ZR 262/91, NJW 1993, 1791. 58   Diese Regelung begründet eigentlich nicht erst die Möglichkeit eines Freiwerdens durch Aufhebung der Zubehöreigenschaft, da §  1121 BGB ja die Haftung prinzipiell davon abhängig macht, dass überhaupt ein Zubehörstück vorliegt. Außerdem hätte der Hypothekengläubiger auch kein schützenswertes Interesse, auf solche Stücke, die nach der Begründung der Hypothek zum Zubehör werden und vor dem Haftungsfall aber ihre Zubehöreigenschaft wieder verlieren, als Haftungsgegenstand zugreifen zu können. Anders als die Eigenschaft als Erzeugnis oder ehemaliger, weil entfernter Bestandteil, kann sich diese Qualifizierung im Zeitablauf verändern. §  1122 Abs. 2 BGB bewirkt damit eigentlich eher eine Begrenzung dieser „natürlichen“ Enthaftung. 59   Protokolle, 557 ff. 60   Vgl. BGH 25.05.1984 – V ZR 149/83, NJW 1984, 2277 (2278) – Kapellenglocke wird nicht mehr zum liturgischen, sondern nur noch gelegentlichen Eventgeläut eingesetzt.

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genutzt, so ist die Zubehöreigenschaft durch Entwidmung aufgehoben. 61 Dagegen erfolgt z.  B. eine Betriebsstilllegung nicht im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaft, weil sie nicht auf einen ordnungsgemäßen Weiterbetrieb gerichtet ist. Deshalb wird, obwohl die Zubehöreigenschaft aller früheren Zubehörstücke mangels Existenz eines gewerblichen Betriebes dadurch an sich aufgehoben wurde, die fortwährende Haftung durch eine Betriebsstilllegung nicht eingeschränkt. 62 d)  Erstreckung auf Forderungen In gewissem Umfang werden in den Haftungsverband auch Forderungen einbezogen (§§  1123–1130 BGB). Erfasst sind zunächst solche Miet- und Pachtforderungen, die dem Eigentümer zustehen. 63 Diese treten an die Stelle der Haftung der Nutzungen und Früchte, welche – wie dargestellt – dem Mieter bzw. Pächter gebühren. 64 Voraussetzung ist, dass diese Forderungen noch bestehen und zwar (zumindest wirtschaftlich) zugunsten des Eigentümers. 65 Ausnahmsweise werden nach der Rechtsprechung auch Miet- und Pachtforderungen, die an sich dem Nießbraucher zustehen, in den Haftungsverband aufgenommen, wenn der Nießbrauch der Hypothek nachrangig ist. 66 Wird über diese Mietund Pachtforderungen vor der Beschlagnahme verfügt oder werden diese durch den Schuldner beglichen, so fallen sie automatisch aus dem Haftungsverband wieder heraus. Der Hypothekengläubiger ist dadurch geschützt, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums im Voraus getätigte Tilgungen ihm gegenüber unwirksam sind (§  1124 Abs. 2 BGB). 67 Darüber hinaus werden bestimmte Versicherungsforderungen in den Haftungsverband einbezogen, die die Sachsubstanz des Grundstücks und seiner Gegenstände sichern sollen (siehe §§  1127–1130 BGB). Diese Regelungen erklären sich dadurch, dass die Versicherungsforderung als Surrogat der Sachen angesehen wird, welche daher als Haftungsobjekte dem Hypothekengläubiger zur Verfügung stehen müssen. 68 Außerdem handelt der Grundstückseigentümer   Vgl. dazu jurisPK-BGB/Reischl (Fn.  18) §  1120 Rn.  30 ff.   BGH 21.03.1973 – VIII ZR 52/72, BGHZ 60, 267 (269 f.); Soergel/Konzen (Fn.  19) §  1122 Rn. 3; a. A. Staudinger/Wolfensteiner (Fn.  18) §  1122 Rn.  4. 63   §§  1123, 1124 BGB. 64  Soergel/Konzen (Fn.  19) §  1123 Rn. 1; OLG Düsseldorf 15.06.1971 – 13 U 213/70, NJW 1971, 2081. 65   BGH 04.02.2005 – V ZR 294/03, NZM 2005, 433 (434); Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1123 Rn. 8; vgl. zur Erfassung von Mietzinsen aus Untermietverträgen, wenn der Hauptmietvertrag wegen Vereitelung der Gläubigerrechte nach §  138 BGB nichtig ist, OLG Celle 08.03.2012 – 2 U 102/11; KG Berlin 21.04.2008 – 8 U 140/07. 66   BGH 04.02.2005 – V ZR 294/03, NZM 2005, 433 (434); Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1123 Rn. 10. Die Rangordnung bestimmt sich gemäß §  1209 BGB. 67   Vgl. dazu BGH 23.07.2003 – XII ZR 16/00, NZM 2003, 871; KG Berlin 20.12.2012 – 8 U 67/12, ZfIR 2013, 213. 68  RGRK/Mattern (Fn.  27) §  1127 Rn. 1. 61

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nach der Belastung mit der Hypothek nicht mehr nur im Eigeninteresse. Dies zeigt sich z. B. darin, dass der Hypothekengläubiger sich gegen bestimmte Verschlechterungen des Grundstücks wehren kann. 69 Versichert er die von der Hypothek erfassten Stücke, so sorgt er daher auch für fremdes Interesse.70 Nicht einbezogen – auch nicht in analoger Anwendung der Vorschriften – sind hingegen Schadensersatzansprüche gegen Dritte, die das Grundstück schädigen, obwohl auch die Durchsetzung dieser Ansprüche letztlich dem Erhalt der Sache dient.71 3.  Zeitpunkt der Beschlagnahme Mit der Beschlagnahme zugunsten des Hypothekengläubigers72 realisiert sich das dingliche Sicherungsrecht. Die Verkehrsfähigkeit der in den Haftungsverband einbezogenen Gegenstände wird nahezu aufgehoben und der Einfluss des Eigentümers sowohl auf das Grundstück als auch die mithaftenden Mobilien und Forderungen auf ein Minimum reduziert.73 Die Sachen können nur noch unter engen Voraussetzungen durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten frei werden (Ausnahme in der Zwangsvollstreckung: §  23 Abs. 1 S.  2 ZVG).74

III. Bewertung Der Haftungsverband erstreckt die Hypothekenhaftung auf bewegliches Vermögen und Forderungen. Über den Umweg des Haftungsverbandes der Hypothek wird letztlich eine Art besitzloses (Quasi-)Pfandrecht an beweglichen Gegenständen und ein anzeigefreies (Quasi-)Pfandrecht an Forderungen75 geschaffen, solange diese in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer registrierten Immobilie stehen. Die Sachsubstanz des Grundstückes ist zwar nicht bedeutungslos, kann jedoch in Anbetracht der erheblichen Werte z.  B. ei  §§  1133–1135 BGB.   Naumann, Hypothekengläubiger (Fn.  9) 29. 71   Vgl. bereits Naumann, Hypothekengläubiger (Fn.  9) 30; OLG Düsseldorf 15.06.1971 – 13 U 213/70, NJW 1971, 2081. 72   §§  20 ff., 146, 148 ZVG. 73   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  19) §  1120 Rn. 3, 4. So verstößt z. B. die Aufteilung des beschlagnahmten Grundstücks in Wohnungseigentumseinheiten gegen das Veräußerungsverbot aus §  23 Abs. 1 S.  1 ZVG, §§  135, 136 BGB, BGH 29.03.2012 – V ZB 103/11, ZWE 2012, 270. 74   §  1121 Abs. 1, 2 BGB. Der Erwerber muss in Ansehung der Beschlagnahme gutgläubig sein – und die Sache selbst (oder durch einen Dritten) vom Grundstück verbringen (§  1121 Abs. 2 S.  2 BGB). Der gutgläubige Erwerb richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§  136, 135, 936 BGB, Staudinger/Wolfsteiner (Fn.  18) §  1121 Rn. 17. Es hilft dem Erwerber hingegen nicht, wenn er vor der Entfernung bei der Veräußerung die Hypothekenhaftung nicht kannte. 75   Vgl. §  1280 BGB. 69

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nes auf dem Grundstück befindlichen Gewerbe- oder landwirtschaftlichen Betriebes deutlich zurücktreten. Für die ausdrückliche Einführung einer vom Grundstück losgelösten Mobiliarhypothek konnte sich der deutsche Gesetzgeber – außer für bestimmte Sonderfälle – anders als der chinesische Gesetzgeber dagegen bisher nicht entscheiden.76 An Sachgesamtheiten, z.  B. einem Unternehmen, ist wegen des Spezialitätsgrundsatzes in Deutschland kein Pfandrecht bestellbar, sondern nur an einzelnen konkret umschriebenen Sachen.77 Da aber der Haftungsverband sich erst durch die Beschlagnahme materialisiert, ist die zusammen mit dem Grundstück haftende Sachgesamtheit veränderlich und nur über einen funktionalen Tatsachenzusammenhang mit dem Grundstück verbunden. Offenkundigkeitsprinzip und Spezialitätsgrundsatz bleiben zwar formal weiterhin gültig, soweit das Grundpfandrecht an die konkrete Immobilie gebunden bleibt, werden aber in ihrem Bedeutungsgehalt geschwächt, weil der rechtliche Haftungsumfang von den tatsächlichen, veränderlichen Nutzungsgewohnheiten des Grundstückseigentümers abhängt.78 Auch wenn Haftungs- und Belastungsgegenstand einer dogmatischen Unterscheidung zugänglich sind,79 kommt der Haftungsverband in seinen Rechtsfolgen einem Vermögenspfandrecht, durch die Zusammenfassung des Mobiliarbestandes eines Unternehmens für die Zwecke der Kreditsicherung und dessen einheitlicher Vollstreckungsverwertbarkeit einem be-

  Siehe dazu Fn. 17.  RG 17.01.1908 – VII 197/07, RGZ 68, 49 (54); Staudinger/Wiegand (Fn.  17) §  1204 Rn.  35 ff.; Jürgen Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.  6 , 6.  Aufl. 2013, §  1204 Rn.  1; Hansjörg Weber, Reform der Mobiliarsicherheiten, NJW 1976, 1601 (1603). 78   Es gibt auch weitere sondergesetzlich angeordnete besitzlose Pfandrechte, die sowohl den Spezialitäts- als auch Publizitätsgrundsatz stark aufweichen: §  1 PachtkredG, wonach der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks an dem ihm gehörenden Inventar einem Kreditinstitut zur Sicherung eines ihm gewährten Darlehens ein Pfandrecht i. S. des §  1204 Abs. 1 BGB ohne Besitzübertragung bestellen kann. Dies entspricht einer Mobiliarhypothek, die zudem aufgrund des wechselnden Bestandes einer Vermögenshypothek nahe kommt, BGH 08.01.1964 – VIII ZR 133/62, NJW 1964, 495 (496); vgl. dazu auch Georg Pick, Das Inventarpfandrecht, JR 1927, 43 ff., mit weiteren Nachweisen und Beispielen; Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht (Fn.  13) §  133; BGH 26.04.1961 – VIII ZR 41/60, NJW 1961, 1259; BGH 07.10.1970 – VIII ZR 207/68, NJW 1970, 2212; vgl. auch das LuftFzgG und das SchRG. Daneben bestehen gesetzliche Pfandrechte, z. B. §  1 DüngMSaatG - Gesetz zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung: dem Vermieterpfandrecht nachempfundenes gesetzliches Pfandrecht an den in der Ernte anfallenden Früchten der zum Betrieb gehörigen Grundstücke, auch – in Durchbrechung von §  93 BGB – wenn die Früchte noch nicht vom Grundstück getrennt worden sind; vgl. dazu OLG Düsseldorf 07.01.1959 – 9 U 200/58, NJW 1959, 1227; BGH 07.12.1992 – II ZR 262/91, NJW 1993, 1791; BGH 12.07.2001 – IX ZR 374/98, NZI 2001, 548; §  562 BGB – Pfandrecht des Vermieters an den eingebrachten Sachen des Mieters; §  592 BGB – Pfandrecht des Verpächters an den eingebrachten Sachen des Pächters sowie an den Früchten der Pachtsache; §  583 BGB – Pfandrecht des Pächters an den in seinen Besitz gelangten Inventarstücken. 79   MüKo BGB/Eickmann (Fn.  7) §  1113 Rn. 11. 76

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schränkten Pfandrecht am Unternehmen nahe, 80 vergleichbar etwa mit der aus dem angelsächsischen Recht bekannten floating charge. 81 Der Haftungsverband der Hypothek und Grundschuld hat in Deutschland eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, weil dadurch die mit dem Grundstück verbundene Vermögensgesamtheit besichert werden kann. In China besteht dagegen von vornherein die ausdrückliche Möglichkeit einer besitzlosen Mobiliar­ hypothek ebenso wie einer offenen (floating) Hypothek an zukünftigen Vermögensgesamtheiten. 82 Interessanterweise steht diese neben dem Faustpfand­ recht an beweglichen Sachen, 83 während der deutsche Gesetzgeber beide bisher als Gegensatz verstand. 84 Jedenfalls scheint deshalb in China kein großes wirtschaftliches Bedürfnis nach einem ausdifferenzierten Regelungssystem für einen Haftungsverband zu bestehen, da die wertvollsten Mobilien auch direkt mit einer Hypothek belastet werden können. 81

80   Vgl. auch Franz Wieacker, Sachbegriff, Sacheinheit und Sachzuordnung, AcP 148 (1943), 57 (96). Über die wirtschaftliche Zusammenfassung der Betriebsmittel durch §§  97, 98 BGB, erhält die zu §  823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht entwickelte Rechtsfigur vom eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in gewissem Umfang eine rechtliche Verwurzelung im BGB. Über §  98 BGB wird zum Zubehör des Grundstücks letztlich das Unternehmenszubehör qualifiziert (dazu Thomas Grädler, Die Möglichkeiten der Globalen Belastung Von Unternehmen Im Deutschen Recht (2012) 105 ff., mit weiteren Nachweisen). Das Grundstück ist lediglich der Ankerpunkt für das Grundpfandrecht. Die Kritik an der Figur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs mit dem Hinweis, es fehle an einem hinreichenden Zuweisungsgehalt, Ernst von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Bd. 2 (1960) 49, 89 f.; den fehlenden Zuweisungsgehalt für irrelevant haltend Herber Buchner, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz (1971) 263 ff., ist hinsichtlich der funktionalen Verbindung der Betriebsmittel daher einzuschränken, siehe lediglich die Zuweisung der Erwerbsaussichten ablehnend BGH 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86 (98) – Fahrradgepäckträger II; BGH 09.03.1989 – I ZR 189/86, BGHZ 107, 117 (121) – Forschungskosten. Ebenso wie diese Rechtsfigur über §  823 Abs. 1 BGB im Interesse des Unternehmers einen gewissen Bestands- und Funktionsschutz des Unternehmens sicherstellt, siehe Karsten Schmidt, Integritätsschutz von Unternehmen nach §  823 BGB – Zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“, JuS 1993, 985 (988), wird über die Regelungen zur Sicherung des Haftungsverbandes im Interesse der Grundpfandgläubiger die Funktionsfähigkeit des Betriebes durch Integritäts- und Funktionsschutz der Betriebsmittel gesichert (§§  1133–1135 BGB; §  865 Abs. 2 ZPO). 81   So auch Grädler, Belastung (Fn.  80) 105; Heribert Hirte, Ein Plädoyer für die Vereinfachung des Rechts der Insolvenzanfechtung im Bereich der Globalsicherheiten unter gleichzeitiger Angleichung an die englische floating charge, in: Festschrift Klaus J. Hopt (2010) 144. Ausführlich zu den Rechtswirkungen der echten floating charge im deutschen Recht Manfred Wenckstern, Die englische Floating Charge im deutschen Internationalen Privatrecht, RabelsZ 56 (1992) S.  624, 651 ff. 82   §§  180, 181 chin. SRG; siehe dazu Jing LUO, Die Hypothek – eine rechtsvergleichende Betrachtung im chinesischen und deutschen Recht (2011) §  6 II, §  10. 83   §§  208 ff. chin. SRG, insb. §  212 chin. SRG. 84   Siehe dazu die Nachweise in Fn. 17.

Vom Rechtsideal zur Rechtspraxis Diskussionsbericht über Voraussetzungen und Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines chinesischen Gesetzkommentars zum Zivilrecht und die Möglichkeiten einer deutsch-chinesischen Kooperation* Hui HUANG (黄卉)

Die dritte deutsch-chinesische Tagung zum Zivilrecht vom 21. bis 23. August 2013 hat einen Zyklus von Veranstaltungen beschlossen, in dem die Zivilrechtswissenschaftler aus beiden Ländern über zentrale Bereiche der chinesischen Zivilgesetzbücher diskutiert und diese mit dem deutschen Recht verglichen haben. Die mitwirkenden Professoren sind übereingekommen, die Zusammenarbeit fortzusetzen und zu vertiefen. Im Zuge der Vorbereitung der dritten Tagung wurde über neue Wege einer Zusammenarbeit beraten und über die Möglichkeit gesprochen, einen Kommentar, so wie er in Deutschland üblich ist, auch für die chinesischen Zivilgesetzbücher zu entwickeln. Dabei ist voranzustellen, dass in der chinesischen Volksrepublik die einzelnen Gebiete des Zivilrechts nicht in einem Buch wie im deutschen BGB, sondern in gebietsspezifischen Büchern (Deliktsrecht, Sachenrecht, Vertragsrecht) kodifiziert sind bzw. kodifiziert werden. In China hat sich die Rechtswissenschaft bereits in der Vergangenheit an deutschen Kommentaren orientiert und Versuche unternommen, nach deren Vorbild eigene Kommentare herzustellen. Dabei ergeben sich jedoch große Schwierigkeiten. Die Tagungsteilnehmer haben angesichts des Interesses an solchen Kommentaren, aber auch angesichts der Schwierigkeiten am Ende der Tagung einen Runden Tisch veranstaltet, um zu prüfen, wie die zukünftige Zusammenarbeit gestaltet werden kann und wie bei der Vorbereitung und Entwicklung eines Kommentars zu den chinesischen Zivilgesetzen eine wissenschaftliche Unterstützung aussehen könnte. Der Runde Tisch wurde von Prof. Claudia Schubert und Prof. Hui HUANG gemeinsam moderiert. Prof. Franz Jürgen Säcker referierte zu dem Thema „Die Kommentierung von Gesetzen und die Funktion von Kommentaren für die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft“. Dabei ging es vor allem um formale * Dieser Bericht wurde unter Mitwirkung von Prof. Gu ZHANG, Prof. Shuanggen ZHANG, Prof. Qingyu ZHU, Prof. Xiangxiang WU und Prof. Hailong JI erstellt.

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Fragen wie den Aufbau eines Kommentars, die Zitierung von Gesetzen, Rechtsprechung und Literatur, die Organisation der Kommentierung durch die chinesischen Herausgeber sowie die Mitwirkung der Autoren. Danach haben Prof. Hartmut Oetker und Prof. Jan von Hein aus ihren Erfahrungen als Herausgeber, Organisatoren und Kommentatoren berichtet. Prof. Yu-Cheol SHIN gab einen Überblick über vergleichbare Kommentararbeiten in Südkorea. Prof. Philip Kunig lobte als Verfassungsrechtler angesichts seiner vielfältigen Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit China die Idee eines solchen zur Rechtssicherheit beitragenden Kommentars und bestätigte, dass ein solches Kommentarprojekt dem Interesse und Bedürfnis Chinas entspreche, und es sehr realistisch sei, zunächst im Zivilrecht mit einem solchen Vorhaben zu beginnen. Die chinesischen Kollegen äußerten sich begeistert über die Möglichkeit, einen eigenen Kommentar zum Zivilrecht unter Mitwirkung erfahrener deutscher Kollegen zu erarbeiten. Die vielfältigen und detaillierten Fragen der Organisation und der Zusammenstellung einer Arbeitsgruppe, der Arbeitsteilung sowie der finanziellen Unterstützung wurden im Detail besprochen. Zugleich wurde erörtert, ob in China bereits die Voraussetzungen für die Verwirklichung eines solchen Kommentarprojekts erfüllt sind. Die chinesischen Kollegen schilderten die gegenwärtigen Verhältnisse und die Schwierigkeiten für ein solches Kommentarprojekt. Daher wurde mit den deutschen Kollegen erörtert, ob in Deutschland ähnliche Probleme in der Anfangszeit bestanden und wie diese überwunden wurden. Im Verlauf des Gesprächs gewannen die Rechtswissenschaftler beider Länder einen positiven Eindruck von dem Projekt und beschlossen zu dem Zweck, einen Kommentar zu den chinesischen Zivilgesetzbüchern herauszugeben, zusammenarbeiten. Über das konkrete Vorgehen soll in einer weiteren Zusammenkunft beraten werden. Als Ergebnisse der dritten Tagung lassen sich bisher folgende Punkte zusammenfassen:

I.  Sind schrittweise Kommentierungen nach deutschem Vorbild für China geeignet? Wer deutsche Kommentare kennt, wird sich schwer von dem Gedanken verabschieden können, selbst einen vergleichbaren Kommentar zu entwickeln. Im neuen China haben bereits drei Generationen von Juristen in Deutschland Jura studiert. Diese Rechtswissenschaftler sind mit demselben Gedanken nach Hause gekommen, dass sie irgendwann einen eigenen Kommentar zu den Zivilgesetzbüchern schreiben werden. Diese Idee ist mit der sogenannten Vollendung des „sozialistischen Rechtssystems“1 durch umfassende Kodifikation immer   Am 10.03.2011 hat Bangguo WU, der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Natio-

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stärker geworden. Unter den zivilrechtlichen Juristen besteht große Übereinstimmung, dass der Höhepunkt der Gesetzgebungs- bzw. Normsetzungsarbeit in China überschritten ist und die kommende Arbeit darin besteht, das geschriebene Recht zutreffend und einheitlich zu interpretieren. Obwohl das Zivilrecht Chinas seit Ende der Qing-Dynastie unter deutschem Einfluss steht, hat es insbesondere seit 1949 auch rechtliche Elemente aus anderen Staaten aufgenommen. Eine einheitliche Rechtsanwendung ist daher mit großen Schwierigkeiten verbunden, besonders wenn man erwartet, dass die gerichtliche Praxis dem permanenten Wandel der sozialen Realität Rechnung trägt und sich rationalisiert. Bei vielen Zivilrechtsjuristen besteht übereinstimmend die Idee, dass ein Kommentar nach deutschem Vorbild, der die gesetzlichen Regelungen durch eine einheitliche Dogmatik unter Einarbeitung der Rechtsprechung zu einem konsistenten System zusammenfügt, das am besten geeignete Instrument ist, um den gegenwärtigen Aufgaben gerecht zu werden. Diese Situation hat Prof. Gu ZHANG in einem an die chinesischen Kollegen gerichteten Brief verdeutlicht: Das jetzige Zivilrecht Chinas sei eine Synthese aus rechtlichen Elementen, die in über einhundert Jahren aus verschiedenen Rechtskulturen übernommen wurden. Dies mache es erforderlich, dass die Rechtsanwender die historische Perspektive und die Einsicht in zukünftige Entwicklungen haben müssten, um die Rechtssätze zeitgerecht zu interpretieren. Darüber hinaus sei China ein zentraler Staat mit großer Fläche, in dem die Gesetzgebungsgewalt zentralisiert sei. Allerdings müsse dem Obersten Volksgericht Chinas die Kompetenz zur abstrakten Normfortbildung, unabhängig vom Einzelfall eingeräumt sein. Ende ein Zivilprozess mit der Entscheidung der zweiten Instanz, liege die endgültige Rechtsauslegung meist in der Hand des Obersten Volksgerichts der verschiedenen Provinzen. Dadurch entstehe ein Quasi-Wettbewerbsmarkt hinsichtlich der Rechtsauslegung zwischen den Gerichten auf der Ebene der Provinzen. Die gesellschaftliche Situation als auch die judiziellen Fähigkeiten der Richter in den verschiedenen Regionen seien unterschiedlich. Trotz der Kompetenzen des Obersten Volksgerichts, insbesondere zur abstrakten Normsetzung in Form der „judiziellen Auslegung“ (司法解释) 2 nalen Volkskongresses bei der zweiten Sitzung der vierten Tagung des 11. Nationalen Volkskongresses angekündigt, dass das sozialistische Rechtssystem chinesischer Prägung (中国特 色社会主义法律体系) im Wesentlichen ausgearbeitet worden ist. Das „System integriert auch Gesetze und verwaltungstechnische Verordnungen sowie Vorschriften. Für wichtige Bereiche wie die Wirtschaft, die Politik, die Kultur und das gesellschaftliche Leben gibt es bereits einen klaren gesetzlichen Rahmen. Dadurch hat man die rechtliche Grundlage für eine rechtmäßige Verwaltung des Landes, den Aufbau des sozialistischen Rechtsstaates sowie für eine langfristige Verwaltung und zur Erhaltung der Stabilität des Landes geschaffen.“ 2   Die judizielle Auslegung geht zurück auf den Entschluss über die Stärkung der gesetzlichen Auslegung, der 1981 vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses erlassen wurde. Dessen Punkt 2 schreibt vor, dass das Chinesische Oberste Volksgericht die Gesetze, Verordnungen auszulegen hat, wenn Probleme bei der Rechtsanwendung in der Rechtspre-

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und dem System von Leitentscheidungen (案例指导制度) 3 sei das Oberste Volksgericht nicht allein in der Lage, die Rechtsauslegung und Rechtsanwendung zu vereinheitlichen. Da ein Kommentar nach deutschem Muster qualifizierte, fachlich versierte Juristen zusammenbringe und das Ziel einer Vereinheitlichung des Rechts in Deutschland mittels der Kommentare gut realisiert sei, lohne es sich, dass auch China diese Technik übernehme, um eine einheitliche, für die lokale Rechtsprechung akzeptable Interpretation des Rechts anzubieten.

II.  Wie ist das Umfeld für ein solches Kommentarprojekt? Über deutsche Kommentare ist in China nicht nur gesprochen worden. Zum Teil hat sich auch eine Kommentarpraxis entwickelt. Es gibt ähnliche Gesetzeskommentare, die Paragraph für Paragraph erläutern und in ihrer Form mit einem deutschen Kommentar vergleichbar sind und deshalb als Vorarbeit für das angestrebte Projekt angesehen werden können. Frau Prof. Xiangxiang WU, die als Zivilrechtswissenschaftlerin erstmals an den Tagungen teilgenommen hat, hat über die vorliegenden Kommentare anhand des Sachenrechtsgesetzes4 berichtet. Danach seien heute drei Arten von Kommentaren vorhanden. Herausgeber sind das Zivilrechtsbüro des Rechtskommitees des Ständigen Ausschusses beim Nationalen Volkskongress (Zivilrechtsbüro-NVGSA), das Oberste Volksgericht und Rechtswissenschaftler. Das Zivilrechtsbüro-NVGSA hat drei Bücher mit Erläuterungen des Chinesischen Sachenrechtsgesetzes in drei Verlagen herausgebracht, die trotz unterschiedlicher Titel inhaltlich nicht sehr verschieden seien.5 Eines der Werke trage den Titel „Erläuterung, Gesetzgebungschung entstehen. Seitdem übt das Chinesische Oberste Volksgericht das sogenannte judizielle Auslegungsrecht überwiegend durch eine abstrakte Normsetzung aus. 3   Das Chinesische Oberste Volksgericht hat am 26.11.2011 die Bestimmung über die Arbeitsweise der Leitentscheidungen und seither insgesamt 31 sognannte „Leitentscheidungen“ (指导性案例) erlassen. Im Schrifttum wird diskutiert, ob dadurch die abstrakte Normsetzung des Chinesischen Obersten Volksgerichts ersetzt wird, was im Moment noch nicht klar ist. 4   Das Sachenrechtsgesetz wurde vom Nationalen Volkskongress am 16.03.2007 erlassen und trat am 01.10.2007 in Kraft. 5  Die drei vom Zivilrechtsbüro-NVGSA herausgegebenen „Erläuterung zum Sachenrechtsgesetz“ sind: (1) Erläuterung, Gesetzgebungszweck und zusammenhängende Regelungen des Sachenrechtsgesetzes der VR China, Peking, University Press, März 2007; (2) Erläuterung des Sachenrechtsgesetzes der VR China(《中华人民共和国物权法释义》)Law Press, März 2007, das offiziell vom Rechtskommitee des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses herausgegeben wird, wobei der Vorsitzende des Rechtskommitees, Herr Kangsheng HU, als Chef-Herausgeber agiert; (3) Lektüre und Auslegung des Sachenrechtsgesetzes der VR China(《中华人民共和国物权法解读》), China Legal Publishing House, März 2007, bei dem Shengming WANG als Chef-Herausgeber, Hong YAO und Minglun YANG als Mitherausgeber agieren. Die drei Herausgeber sind die zuständigen Funktionäre des Zivilrechtsbüro-NVGSA.

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gründe und einschlägige Regelungen zum Sachenrechtsgesetz der VR China“. Der Buchtitel zeige genau die Struktur und den Inhalt der paragraphenweisen Erläuterung: Zunächst erfolge zu jeder Vorschrift eine kurze „Erläuterung“, dann werde der legislative Hintergrund mit den Überlegungen des Gesetzgebers dargestellt, schließlich würden die im Zusammenhang stehenden Vorschriften innerhalb und außerhalb des Sachenrechtsgesetzes – teilweise unter Bezug auf ausländische Regelungen – erläutert. Die Erläuterungsbücher des Zivilrechtsbüros-NVGSA haben – besonders unter den Zivilrechtslehrern – keine positive Aufnahme gefunden. Es wurde kritisiert, dass die Redakteure der Gesetzgebung es trotz ihrer privilegierten Stellung versäumt hätten, eine einheitliche Darstellung zu erarbeiten. Die Kommentare sähen vielmehr wie Flickenteppiche aus, ohne dass die Materialien zur Gesetzgebung systematisch aufgearbeitet würden. Das Chinesische Oberste Volksgericht veröffentlichte im März 2007 im Verlag des Volksgerichts eine Kommentierung mit dem Titel „Interpretation und Anwendung der Vorschriften des Sachenrechtsgesetzes der VR China“, an der die Forschungsgruppe des Sachenrechtsgesetzes des Obersten Volksgerichts mitgewirkt hat und die vom ehemaligen Vizevorsitzenden des Obersten Volksgerichts, Herrn Songyou HUANG, herausgegeben wurde. Das Buch ist sehr praxisorientiert. Die paragraphenmäßige Kommentierung besteht aus zwei Teilen: der theoretischen Erklärung und einer Darstellung der gerichtlichen Praxis. Die 33 Autoren einschließlich der Richter des Obersten Volksgerichts sind Vertreter der juristischen Praxis. Ein großer Teil von ihnen hat am Gesetzgebungsprozess teilgenommen. Ihre Darstellung sei daher für die Gesetzesanwendung besonders informativ und „bodenständig“. Zudem werden praktische Probleme und deren mögliche Lösung in der zukünftigen Rechtsprechung angedeutet. Daher ist dieses judizielle Kommentarbuch für die Richter, Schiedsrichter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Rechtswissenschaftler und Jurastudenten ein unverzichtbarer Stoff. Trotzdem ist zu bemängeln, dass es dem Buch im Vergleich zu den deutschen Kommentaren an einer Systematisierung im dogmatischen Sinn mangelt und eine einheitliche Auslegungsmethode zu wenig Berücksichtigung finde. Für die akademischen Kommentare ist vor allem das von Prof. Xianzhong SUN herausgegebene Buch „Chinesisches Sachenrecht: Erläuterung der Dogmatik und Auslegung des Gesetzes“ zu nennen, das im Juni 2008 bei Economy & Management Publishing House erschienen ist. An diesem Werk haben Prof. Shuanggen ZHANG, Prof. Shiyong TIAN, Prof. Hongliang WANG und Prof. Weixing SHEN als Autoren mitgewirkt, die auch bei der Tagung am Runden Tisch teilgenommen haben. Es wird Paragraph für Paragraph kommentiert, wobei die Erläuterungen zu jeder Vorschrift inhaltlich aus zwei Teilen bestehen: „Auslegung der Vorschrift“ und „Problemlösung“. Eine Besonderheit besteht darin, dass Paragraphen, die zusammen ein Rechtsinstitut regeln, als eine Ein-

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heit kommentiert werden, indem eine Vorbemerkung bzw. Einleitung der Institution vorangestellt wird. Die positiven und negativen Erfahrungen mit den vorhandenen Kommentaren sollen Ausgangspunkt des vorstehenden Kommentarprojekts sein und machen deutlich, in welcher Entwicklungsphase sich die chinesische Rechtswissenschaft und die Rechtsprechung befinden. Das Niveau der Rechtsordnung in China entspricht noch nicht dem über 200 Jahre gewachsenen Niveau des deutschen Rechtszustands. Das führt zu der Frage, ob die Voraussetzungen für die Herstellung eines wissenschaftlichen Großkommentars zu den chinesischen Zivilgesetzbüchern schon gegeben sind.

III.  Ist die Zeit reif für einen Kommentar zu den chinesischen Zivilgesetzbüchern? Die Wissenschaftler, die bei den deutsch-chinesischen Tagungen zusammen gekommen sind, gehören verschiedenen Law Schools in China an und haben ein Interesse daran, einen anspruchsvollen Zivilgesetzkommentar herzustellen. Ziel ist es, für den kommentierten Bereich des Zivilrechts eine auf innere Kohärenz setzende Dogmatik zu entwickeln und deren Zusammenhang mit der Rechtspraxis herauszuarbeiten, damit die Rechtsanwender auf der Grundlage der Dogmatik mit Hilfe der richtigen Auslegungsmethode unter Berücksichtigung der Leitentscheidungen vorgehen. Auf diese Weise wird der rechtsstaatlichen Aufgabe entsprochen, auf eine gesetzeskonforme Rechtsprechung hinzuwirken, die gleiche Fälle gleich entscheidet. Angesichts der Situation in der Rechtswissenschaft ist festzuhalten, dass ein solches Kommentarvorhaben an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Rechtswissenschaft stößt und es noch nicht vorherzusehen ist, ob der Plan nicht vielleicht zu ehrgeizig ist. Im Rahmen der Diskussion erinnerte Prof. Gu ZHANG an das Scheitern des Kommentarprojekts zum Chinesischen Sachenrechtsgesetz, das er 2005 unter Mitwirkung eines bekannten Verlags und 15 Zivilrechtlern, unter ihnen die anwesenden Professoren Shuanggen ZHANG, Qingyu ZHU, Shiyong TIAN, Hongliang WANG und Hui HUANG, begonnen hatte. Das Projekt wurde jedoch nach zwei Jahren beendet, weil die Arbeitsgruppe nicht genug Zeit in die Erarbeitung des Kommentars investieren konnte. Seit diesem Projekt sind fast 10 Jahre vergangen. Prof. ZHANG wollte damit die Bedenken bzw. Sorgen zum Ausdruck bringen, die alle anwesenden chinesischen Kollegen teilen, ob die Bedingungen für die Herstellung eines Kommentars zum Zivilgesetzbuch mit hoher Qualität schon gegeben sind. Prof. Hailong JI, der erstmals an der Tagung teilnimmt, hat den deutschen Kollegen erklärt, warum sich die chinesischen Kollegen für ein solches, allgemein hochgeschätztes und große Verdienste versprechendes Projekt nicht mit

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voller Kraft einsetzen können. Ursache sei hauptsächlich das unvernünftige akademische Bewertungssystem. Aus Gründen der Karriere sei die Arbeit an einem Kommentar für die Zivilrechtswissenschaftler, die circa 40 Jahre alt und fachlich gut für das Kommentarprojekt geeignet seien, sich aber noch in der Phase des beruflichen Aufstiegs befänden, sehr ungünstig. Zurzeit zählten als akademische Leistung in erster Linie die Veröffentlichungen in sogenannten CSSCI-Zeitschriften6 , deren Anzahl sehr begrenzt sei. Dagegen werden Veröffentlichung in Non-CSSCI (z.  B. ein Aufsatz in einem Tagungsband) oder die Herausgabe von Non-CSSCI-Publikationen, auch wenn sie über höhere Qualität verfügen, nur wenig berücksichtigt. Hinzu kommt, dass eine über Jahre ausgearbeitete Publikation mit einem in kurzer Zeit abgefassten Aufsatz gleichbewertet werden kann, wenn er trotz geringerer Qualität in einer CSSCI-Zeitschrift veröffentlicht wird. Das hindere die Wissenschaftler daran, sich mit grundlegenden, aber komplizierten Themen zu beschäftigen. Das Mitwirken oder Herausgeben eines wissenschaftlichen Großkommentars nach deutschem Modell ist eine Tätigkeit, die nur nebenbei erfolgen könne und viel Zeit in Anspruch nehme. Abgesehen davon werde die Leistung offiziell nicht wirklich anerkannt. Vor diesem Hintergrund werde es nicht einfach sein, eine Vielzahl guter Juristen zu rekrutieren, die sich im Konflikt zwischen Gemeininteresse und eigenem Interesse für das Erstere entscheiden und das Projekt bis zum Ende durchhalten. Ein weiterer Aspekt, der die Arbeitsbedingungen beeinflusst, ist die Frage, ob die Rechtswissenschaft und die Rechtspraxis genug Stoff liefern, um einen solchen Kommentar mit Fallmaterial zu füllen. Prof. Qinyu ZHU äußerte insoweit Skepsis. Auch wenn genug gute Kollegen beteiligt seien, sollten zunächst einige Vorarbeiten unternommen werden, indem zunächst grundlegende Rechtsbegriffe und -institutionen analysiert und in Bezug darauf die Rechtsgeschichte, Rechtstheorie und die Gesetze des chinesischen Zivilrechts dargestellt werden. Auf einer solchen Grundlage solle das Verständnis des chinesischen Zivilrechts und seiner Dogmatik aufbauen. Er stellt zur Diskussion, ob nicht zunächst Lehrbücher als Vorarbeiten für den Kommentar zu schreiben seien, die sich dann eignen, die grundlegenden Themen herauszuarbeiten. Dem stimmte Prof. Hui HUANG grundsätzlich zu, zumal die für den Kommentar erforderlichen Vorarbeiten wie das Herausbilden einer herrschenden Meinung und die fallgruppenorientierte Typisierung der Rechtsprechung in China noch am Anfang stünden. Dennoch ist Prof. HUANG der Meinung, dass das Kommentarprojekt mit solchen Vorarbeiten nicht im Widerspruch steht und sie sogar befördern kann, wenn das Kommentarprojekt gut strukturiert ist. Wenn das zu kommentierende Zivilgesetz feststehe, solle man den   CSSCI steht für Chinese Social Science Index, die im Jahr 2014 landesweit insgesamt 21 Zeitschriften für Jura aufnimmt. 6

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Kommentatoren nicht wie üblich einzelne Paragraphen zuweisen, eine Frist zur Abgabe der Kommentierungen setzen und die bearbeiteten Manuskripte zum Verlag schicken. Stattdessen könnte man, wie Prof. ZHU vorgeschlagen hat, zunächst die zentralen Normen identifizieren und kommentieren. Prof. Shuanggen ZHANG verwies dazu auf die chinesische Volksweisheit „Wate durch den Fluss, indem du den Weg ertastest“ (摸着石头过河), um diesen Vorschlag zu versinnbildlichen. Danach könnten anfangs ein oder mehrere Kollegen einen oder ein paar Paragraphen probeweise kommentieren; dann solle über das Ergebnis in Workshops diskutiert werden, damit allmählich die Regeln für eine Kommentierung – für ihren Aufbau, Inhalt, Umfang, aber auch für die Auswahl bzw. Rangfolge der Auslegungskriterien, das Gliederungsschema, die Paragraphenüberschriften, die Abkürzungen und Zitiermodi sowie die Auswahl der Quellen aus Schrifttum und Rechtsprechung – herausgearbeitet werden. Erst danach ließen sich die Paragraphen des zu kommentierenden Gesetzes entsprechend den Tätigkeitsschwerpunkten und Interessen der Kommentatoren endgültig verteilen. Dieser Vorschlag ist bei den chinesischen und deutschen Kollegen gleichermaßen auf Akzeptanz gestoßen. Das hat auch die Bedenken, die sich aus den Bedingungen für eine Wissenschaftskarriere in China ergeben, relativiert, weil dieses Vorgehen nicht dem Verfassen von Aufsätzen für CSSCI-Zeitschriften entgegensteht. Inzwischen ist unter den chinesischen Kollegen der Karrieredruck in Bezug auf das Kommentarprojekt auch kein zentrales Thema mehr, auch wenn das Problem nicht in kurzer Zeit beseitigt sein wird. Den chinesischen Kollegen ist als Nachkommen von Konfuzius der Satz: „Die Unmöglichkeiten kennen und beharrlich sein!“ (知其不可而为之) 7, mit der dahinter stehenden Wertung, Verantwortung zu tragen, vertraut. Ihr Verhalten ist davon geprägt. Das brachte Prof. Hailong JI durch seine Worte zum Ausdruck: „Ich investiere gern in dieses Kommentarprojekt, weil das Leben kurz ist und man daher etwas Sinnvolles tun soll, wenn sich glücklicherweise etwas findet.“

IV.  Welches chinesische Zivilgesetzbuch ist für das Kommentarprojekt geeignet? Die Kodifikation des chinesischen Zivilrechts, deren Anfang mindestens 60 Jahre zurückliegt, 8 ist noch nicht abgeschlossen. Es wurde jedoch eine Reihe 7   Der Satz stammt aus „The Analects of Confucius“, Kapitel „Verfassungsfrage“, und bedeutet vor allem, dass man einen festen Wille hat und trotz der Schwierigkeiten beharrlich arbeitet. 8   Das erste Zivilgesetzbuch im modernen Sinne in China ist vom Guomindang-Regime in den Jahren 1929–1931 kompiliert worden. In der Geschichte der Volksrepublik China wurde im Jahr 1954 zum ersten Mal versucht, das Zivilrecht zu kodifizieren, indem der Ständige

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von zivilrechtlichen Gesetzen nach der Struktur eines einheitlichen Zivilgesetzbuchs verabschiedet. Dazu gehören das Buch über die Allgemeinen Zivilrechtsgrundsätze von 1986, das Vertragsgesetz von 1999, das Sachenrechtsgesetz und das Deliktshaftungsgesetz von 2010,das Ehegesetz von 1981 und das Erbrechtsgesetz von 1985. Für das Kommentarprojekt sehen sowohl die chinesischen als auch die deutschen Kollegen das chinesische Vertragsgesetz als die beste Wahl an. Die Allgemeinen Zivilrechtsgrundsätze, das Ehegesetz und das Erbrechtsgesetz sind inzwischen veraltet und ihre Revision ist in Vorbereitung. Das Sachenrecht enthält zudem zu viele Elemente chinesischer Prägung wie die Mischung von privatem und öffentlichem Recht und den Gegensatz von Stadt und Land sowie das Staatseigentum an Grund und Boden, die den Rechtsvergleich erschweren. Das Deliktshaftungsgesetz ist einerseits zu neu, andererseits jetzt schon von Ziviljuristen im Hinblick auf die Gesetzgebungstechnik hart kritisiert. Dagegen sei das chinesische Vertragsgesetz nach der Meinung von Prof. Gu ZHANG nicht nur der Kern des Privatrechts, sondern auch dasjenige Gesetzbuch, in dem in China Rechtsinstitute wie die Willenserklärung und das Rechtsgeschäft verankert seien. Zudem enthalte es das Prinzip der Vertragsfreiheit, wobei die sich in der Entwicklung befindende sozialistische Marktwirtschaft dieses Prinzip vor allem mit den sozialistischen Elementen ausbalanciere. Das chinesische Vertragsgesetz hat deutsche Begriffe, Prinzipien und Institutionen zur Grundlage und verbindet diese – unter Einfluss von C. M. Schmitt­ hoff ’s Schrift „Export Trade: The Law and Practice of International Trade“ (12.  Aufl. 2012), der ein „Zurück zum Handelsgewohnheitsrecht“ vorgeschlagen habe – mit den positiven Erfahrungen des UN-Kaufrechts (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, CISG), den UNIDROIT-Prinzipien (Principles of International Commercial Contracts, PICC), den Principles of European Contract Law (PECL). Das chinesische Vertragsgesetz verfüge über eine moderne, gut gestaltete Struktur und habe daher hohe Stabilität. Sowohl die Legislative als auch die Rechtsgemeinschaft haben das Gesetz als erfolgreich bezeichnet. Darüber hinaus habe die Rechtsprechung in den letzten zehn Jahren schon viele wichtige Rechtsfälle und Rechtsanwendungsprobleme entschieden, was der Kommentierung dienlich sei. Ausschuss des Nationalen Volkskongresses eine Entwurfsgruppe organisierte, die im Dezember 1956 den ersten Entwurf, der aus vier Büchern (Allgemeiner Teil, Eigentum, Schuldrecht, Erbrecht) bestand und insgesamt 525 Paragraphen hatte. Im Juli 1964 entstand der zweite Entwurf, der aus drei Bücher (Allgemeiner Teil, Eigentum, Übertragen von Vermögen) mit insgesamt 262 Paragraphen bestand. In November 1979 wurde zum dritten Mal ein Kodifizierungsprozess in Gang gesetzt und drei Jahren später, im Mai 1982 wurde der vierte Entwurf mit 465 Paragraphen veröffentlicht, dem der Nationale Volkskongress leider aus verschiedenen Gründen nicht zugestimmt hat. Stattdessen wurden einzelne Zivilgesetze erlassen, die der Vorbereitung einer endgültigen Kodifikation dienen. Näher dazu Liming WANG, Rückblick und Ausblick der Kodifizierung des Zivilrechts in China(《中国民法典制定的回顾 与展望》), in: Law Forum(《法学论坛》)5 (2008).

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Die chinesischen Kollegen sind sich einig, dass vor allem eine einheitliche Theorie des Vertragsrechts entwickelt werden muss, um sie zum Ausgangspunkt eines Kommentars zum chinesischen Vertragsgesetz zu machen. Bisher steht keine ausgearbeitete Theorie des Vertragsrechts zur Verfügung. Man sollte Elemente aus dem deutschen allgemeinen Schuldrecht, dem Schweizer Schuld­ recht und dem anglo-amerikanischen Vertragsrecht usw. auswählen und miteinander verbinden. Das Herausarbeiten eines einheitlichen Vertragsrechtssystems wird nicht leicht sein, weil sich erst noch ein gemeinsames Rechtsbewusstsein und eine herrschende Meinung entwickeln müssen. Prof. Gu ZHANG wies darauf hin, mehr auf die Stellungnahmen des Chinesischen Obersten Volksgerichts zu achten und in einem ersten Schritt ein abgestimmtes Vertragssystem herauszuarbeiten, das von der Gerichtsbarkeit akzeptiert wird. Trotz der grundlegenden Entscheidung, dass sich der Kommentar an der Rechtspraxis orientieren müsse, ist zu erörtern, in welchem Maße dogmatische Elemente in den Kommentar aufzunehmen seien. Der Kommentar zum chinesischen Vertragsgesetz könne die Institute der Willenserklärung und des Rechtsgeschäfts in vollem Maße darstellen, sie können aber auch einem zukünftigen Kommentar zum Allgemeinen Teil des chinesischen Zivilgesetzbuchs zugeordnet werden. Wesentlicher Bestandteil eines Kommentars ist die einschlägige Rechtsprechung, die den einzelnen Paragraphen bzw. Paragraphengruppen zuzuordnen ist. Ohne Zweifel ist die vom Chinesischen Obersten Volksgericht „stammende“ Rechtsprechung unverzichtbar. Sie lässt sich in vier Gruppen einteilen: (a) die „Antwort-Entscheidungen“ (批复案例), die das Oberste Volksgericht auf Rechtsfragen im Weg der „judiziellen Auslegung“ mit gesetzesgleicher Wirkung abfasst, die von den unteren Volksgerichten in konkreten Fällen gestellt werden, (b) die seit 2011 von dem Obersten Volksgericht erlassenen „Leitentscheidungen“ (指导性案例), die nach den gesetzlichen Bestimmungen eine „Orientierungswirkung“ (参考效力) besitzen, (c) die „Gazette-Entscheidungen“(公报案例), die seit 1985 in der Amtlichen Sammlung des Obersten Volksgerichts (Gazette of the Supreme People‘s Court of the People‘s Republic of China) veröffentlicht werden, (d) die sonstigen Entscheidungen, die vor allem von den beiden Zivilsenaten, dem Chinesischen Institut der Rechtsanwendungswissenschaft (中国应用法学 研究), dem National Judges College (国家法官学院) des Obersten Volksgerichts bearbeitet und in deren Entscheidungssammlungen aufgenommen werden. Ob die Leitentscheidungen von allen 31 oder von ausgewählten oberstufigen Volksgerichten berücksichtigt werden, ob und wie die Leitentscheidungen von den knapp 400 mittelstufigen Volksgerichten beachtet werden, bedarf weiterer Forschung. Zu Recht hat Prof. Hongliang WANG vorgeschlagen, dass man Da-

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tenbanken wie „pkulaw.cn“, „Lawyee.net“ nutzen sollte. In jedem Fall ist es wichtig, dass die Kommentatoren diese Quellen einheitlich verwenden. Zu guter Letzt ist hinzuzufügen, dass die Zivilrechtswissenschaftler beider Länder die Rechtsvergleichung für wichtig halten. Besonders unter den chinesischen Kollegen ist jedoch umstritten, in welchem Umfang eine solche Rechtsvergleichung erfolgen soll. Die Kommentatoren sind normalerweise mit dem Recht eines Landes vertraut. Zudem stellt sich die Frage, wie Willkür bei der Auswahl der zu vergleichenden Ländern zu vermeiden ist.

V.  Wie soll die Zusammenarbeit gestaltet werden? Ein wichtiges Thema im Rahmen des Runden Tisches war auch die Ausgestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit. Prof. Säcker hat die Ausrichtung eines solchen Projekts dahingehend charakterisiert, dass es sich um ein gemeinsames Projekt handelt mit dem Ziel, dass die chinesischen Zivilrechtswissenschaftler einen Kommentar zum chinesischen Zivilgesetz auf Chinesisch schreiben. Daher müssten die chinesischen Kollegen selbst entscheiden, ob der Kommentar stärker wissenschaftlich oder stärker praxisorientiert sei und wer als Kommentator ausgewählt wird. Die deutschen Zivilrechtswissenschaftler werden als Projektpartner fachlich zur Verfügung stehen, indem man über die entsprechenden Probleme direkt oder in Form von Konferenzen diskutieren und beraten kann. Daran anknüpfend schlägt Prof. Schubert vor, dass die zukünftige Zusammenarbeit in Form von Workshops erfolgen könne, die eine intensivere, kommentarbezogene Diskussion der dogmatischen Fragen und der konkreten Probleme erlauben. Diesem Vorschlag wurde von allen Anwesenden zugestimmt. Anschließend wurde der Arbeitsrahmen grob festgelegt. Es wird jeweils eine deutsche und eine chinesische Arbeitsgruppe mit festgelegten Organisatoren bzw. Ansprechpartnern bestimmt. Die Workshops werden abwechselnd in beiden Länder veranstaltet. Zunächst soll ein Workshop in China (in Peking oder Shanghai) stattfinden. Vor jedem Workshop wird ein Thema bestimmt, zu dem die chinesischen Kollegen ihren deutschen Kollegen schriftlich einen Überblick zu Normsetzungen, Rechtsprechung und dem Stand der Wissenschaft geben und die zu diskutierenden Probleme vermitteln, damit sich die deutschen Kollegen darauf vorbereiten können. Die Veröffentlichung eines Kommentars zum chinesischen Vertragsgesetz als Ziel des Projekts wird entscheidend davon abhängen, dass eine hinreichende Zahl qualifizierter chinesischer Zivilrechtswissenschaftler zusammenkommt, die ein Arbeitsteam bilden. Prof. Shuanggen ZHANG hatte für den Runden Tisch eine Liste mit Fragen zur Bildung und effektiven Arbeitsweise eines solchen Arbeitsteams vorbereitet. Prof. Säcker hat darauf aus seiner Erfahrung als

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Herausgeber des Münchener Kommentars zum BGB berichtet. Danach müssten zunächst die chinesischen Herausgeber des Kommentars festgelegt werden, damit sie die Organisation der Kommentierung übernehmen und entscheiden, wer als Kommentator eingeladen werde, wann und wie die Arbeit beginnen und ablaufen solle. Gegebenenfalls müsse Kommentatoren gekündigt werden, wenn sie schlecht gearbeitet und die Abgabefristen mehrfach missachtet haben. An der Auswahl der Kommentatoren solle in Unterstützung des oder der Herausgeber ein Team aus ungefähr zehn Akademikern, Richtern oder Rechtsanwälten mitwirken, die fachlich geeignet sein müssen und am besten schon vorher zu den Rechtsfragen, die kommentiert werden sollen, veröffentlicht haben. Ergänzend schlug Prof. Oetker den chinesischen Kollegen vor, möglichst den Verlag zu kontaktieren, der auch Reisekosten trägt und eine redaktionelle Arbeit begleitet. Die vergangenen drei deutsch-chinesischen Tagungen haben eine stabile Basis für die Bildung des Kommentatorenteams gelegt, da sich etwa zehn Kollegen an dem Kommentar beteiligen wollen. Nach den bisherigen Absprachen haben Prof. Gu ZHANG, Prof. Shuanggen ZHANG, Prof. Qingyu ZHU und Prof. Hui HUANG inzwischen eine Leitungsgruppe gebildet. Sie müssen nun entscheiden, ob die Kommentatoren auch im deutschen Recht Kenntnisse haben müssen oder deutsch können sollen. Dafür spricht, dass die enge Zusammenarbeit mit deutschen Zivilrechtswissenschaftlern ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist, weil das chinesische Zivilrecht zu einem nicht unerheblichen Teil auf dem deutschen Zivilrecht basiert und sich die Technik der Kommentierung an das deutsche Modell anlehnen soll. Daher wäre es sowohl aus professionellen als auch aus kommunikativen Gründen günstig, wenn die chinesischen Kommentatoren Deutschkenntnisse haben. Gegen eine solche Bedingung sprechen allerdings zwei Gründe: Inzwischen gibt es zwar zahlreiche chinesische Zivilrechtler, die schon als Studenten oder Gastwissenschaftler in Deutschland waren und das deutsche Zivilrecht kennengelernt haben. Trotzdem gibt es nicht viele, die das Zivilrecht beider Länder gut beherrschen und auf Dauer zusammenarbeiten können. Zudem gibt es eine Reihe von Zivilrechtswissenschaftlern, die in Japan, Frankreich, Italien oder den USA waren, fachlich gut und mit der Kommentarliteratur vertraut sind. Daher wäre es schade, solche Kollegen auszuschließen. Nach einigen Diskussionen tendieren die chinesischen Kollegen dazu, dass die Kenntnis der deutschen Sprache zwar ein Vorteil und für die Auswahl wesentlich, jedoch kein Muss ist. Von zentraler Bedeutung für die Auswahl der Kommentierung ist die Eignung für diese Arbeit. Die Zahl der Kommentatoren steht noch nicht fest. Das chinesische Team wird wahrscheinlich angesichts des unterschiedlichen Hochschulsystems für die Kommentierung des chinesischen Vertragsgesetzes voraussichtlich aus circa 15–18 Kommentatoren bestehen, auch wenn das die Organisation schwieriger gestaltet. Angesichts der negativen Erfahrung aus dem erwähnten Kommen-

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tar-Projekt zum Sachenrechtsgesetz schlägt Prof. Hui HUANG vor, dass anfangs vielleicht nicht alle Kommentatoren festgelegt werden sollten, damit der Ein- und Austritt zum Team möglich bleibt. Daneben sollte erwogen werden, ob neben dem Kommentarprojekt, das eine feste Teilnehmerzahl haben wird, ein weiteres Forum aufgebaut wird. Diese Überlegung spielt vor dem Hintergrund eine Rolle, dass deutsche Kommentare von chinesischen Juristen hoch geschätzt und für das am besten geeignete Instrument gehalten werden, um die chinesische Rechtswissenschaft zu einer praxisorientierten Wissenschaft zu machen, in der sich die Rechtswissenschaft und Rechtsprechung gegenseitig unterstützen. Zugleich kann so auf eine gesetzeskonforme Rechtsprechung hingewirkt werden. Diese Überlegungen stehen aber noch am Anfang. Daher ist zu überlegen, ob das wertvolle Know-how mit der Rechtsgemeinschaft in China geteilt werden soll. Vielleicht werden aus demselben Projekt zwei Ergebnisse resultieren: der feste Plan, einen Kommentar zum chinesischen Vertragsgesetz herzustellen, und der Aufbau einer Plattform, die Kommentierungen im chinesischen Rechtsraum anhand der deutschen Kommentartechnik online vermittelt und darauf hinwirkt, dass die Rechtswissenschaft als praktische Wissenschaft wirkt und die Rechtsdogmatik der Rechtspraxis dient. Es ist denkbar, dass am Ende des Projekts nicht nur ein Kommentar steht, sondern auch eine Rechtsschule zur Kommentierung, die die gegenwärtige Rechtspolitik in China benötigt.

VI.  Praktische Schritte Jede große Idee lässt sich nur mit bodenständiger Arbeit verwirklichen. Am Runden Tisch wurde vereinbart, dass der erste Workshop in China veranstaltet wird. Kurz nachdem die chinesischen Kollegen in China zurück waren, haben sie festgelegt, dass das chinesische Vertragsgesetz Gegenstand der Kommentierung sein wird. Inzwischen ist ein Plan aus sechs Workshops entstanden, den Prof. Schubert vorgeschlagen hat. (1) Workshop I: Privatautonomie und ihre Außengrenzen, mit den Schwerpunkten Vertragsschluss und Anfechtung sowie Grenzen der Privatautonomie durch Verbotsgesetze und gute Sitten, (2) Workshop II: Binnenschranken der Privatautonomie und Leistungsstörungsrecht, mit den Schwerpunkten AGB-Kontrolle, Verbraucherschutz und Leistungsstörungsrecht, (3) Workshop III: Änderung und Beendigung des Schuldverhältnisses, einschließlich Übertragung subjektiver Rechte, mit den Schwerpunkten Erfüllung und Aufrechnung, Vertragsänderung und Kündigung/Rücktritt, und Abtretung von Forderungen,

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(4) Workshop IV: Zivilrechtliche Haftung und Sicherung der Haftungsmasse, mit den Schwerpunkten Struktur der vertraglichen Haftung, Verhältnis zum Deliktsrecht, und Sicherung der Haftungsmasse (action directe), (5) Workshop V: Besondere Schuldverhältnisse, mit den Schwerpunkten Kaufvertrags-, Schenkungs- und Werkvertragsrecht, (6) Workshop VI: Besondere Schuldverhältnisse, mit den Schwerpunkten Mietvertrags-, Darlehens- und Dienstvertragsrecht. Nach den bisherigen Vorbereitungen der chinesischen Gruppe wird der erste Workshop im zweiten Halbjahr 2015 stattfinden. Neben der organisatorischen Arbeit schreitet auch die inhaltliche Arbeit voran. Die redaktionellen Richtlinien für die Bearbeitung des Münchener Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind bald fertig ins Chinesische übersetzt und werden im Archiv für chinesisch-deutsches Privatrecht veröffentlicht, das von Prof. Shiyong TIAN, Prof. Hongliang WANG, Prof. Shuanggen ZHANG, Prof. Qingyu ZHU herausgegeben wird. Zugleich werden die redaktionellen Richtlinien für den chinesischen Kommentar zum Vertragsgesetzbuch entworfen, die im Rahmen des ersten Workshops vorgestellt werden sollen. Zudem werden zwei weitere Dokumente von mehreren Kollegen gemeinsam erarbeitet: das eine betrifft die dogmatischen Fragen des Vertragsschlusses, der Anfechtung und die Grenzen der Privatautonomie, die sich aus Verbotsgesetzen und den guten Sitten ergeben, das andere wird eine Probekommentierung zu §  7 des chinesischen Vertragsgesetzes – der Generalklausel über die guten Sitten (social ethics and public interest) – enthalten.9 Abschließend möchte ich die Hoffnung äußern, dass das deutsch-chinesische Kommentarprojekt erfolgreich durchgeführt wird und am Ende ein Kommentar zum Chinesischen Vertragsgesetz mit „deutscher Qualität“ das Licht der Welt erblickt. Unabhängig davon werden die Erfahrungen aus dem Projekt den kommenden Generationen den Weg ebnen.

9   §  7 chinesisches Vertragsgesetz lautet: „In concluding and performing a contract, the parties shall abide by the laws and administrative regulations, observe social ethics, and shall not disrupt the socio-economic order or damage the public interests.“ Allgemein ist in China anerkannt, dass diese Klausel eine Norm enthält, die wie §  138 BGB auszulegen ist.

Autorenverzeichnis Beil, Lydia, Wissenschaftliche Assistentin, Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Universität Freiburg i. Br. Busche, Jan, Prof. Dr., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtsschutz, Juristische Fakultät, Universität Düsseldorf Hein, Jan von, Prof. Dr., Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Juristische Fakultät, Universität Freiburg i. Br. HUANG, Hui, Prof. Dr., Direktorin des Zentrums für Deutsches Recht, VizeDirektorin des Zentrums für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, BeihangUniversität Peking, Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin (2005) JI, Hailong, Ass.-Prof. Dr., International School of Financial Law, Ostchina-Universität für Politik- und Rechtswissenschaft Shanghai, Promotion an der Universität Göttingen (2007) Köhler, Helmut, Prof. em. Dr., Juristische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München Körber, Torsten, Prof. Dr., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Kartellrecht, Versicherungs-, Gesellschafts- und Regulierungsrecht, Juristische Fakultät, Universität Göttingen LIU, Baoyu, Prof. Dr., Vize-Dekan der Law School, Beihang-Universität Peking Looschelders, Dirk, Prof. Dr., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung sowie Privatversicherungsrecht, Juristische Fakultät, Universität Düsseldorf Oetker, Hartmut, Prof. Dr., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht, Juristische Fakultät, Universität Kiel

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Autorenverzeichnis

Säcker, Franz Jürgen, Prof. em. Dr. Dr. Dres. h.c., Fachbereich Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Energie- und Regulierungsrecht Berlin Schubert, Claudia, Prof. Dr., Lehrstuhl für Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Juristische Fakultät, Universität Bochum Singer, Reinhard, Prof. Dr., Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Anwaltsrecht, Familienrecht und Rechtssoziologie, Juristische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin SUN, Weifei, Ass.-Prof. Dr., Ostchina-Universität für Politik- und Rechtswissenschaft Shanghai TIAN, Shiyong, Prof. Dr., China-Universität für Politik- und Rechtswissenschaft Peking; Bundeskanzlerstipendium der Humboldt-Stiftung (1999–2001, Universität Bonn) WANG, Hongliang, Prof. Dr., Tsinghua Universität Peking, Promotion an der Universität Freiburg (2004); Bundeskanzlerstipendium der Humboldt-Stiftung (2007–2008, Universität Freiburg) Wolf, Maik, Prof. Dr., Juniorprofessor für Bürgerliches Recht und Immaterialgüterrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin WU, Xiangxiang, Ass. Prof. Dr., China-Universität für Auswärtige Angelegenheiten Peking, Gastwissenschaftlerin an der Universität Göttingen (2008–2009) ZHANG, Shuanggen, Prof. Dr., Peking-Universität, Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin (2003) ZHU, Quingyu, Prof. Dr., Guanghua Law School, Zhejiang Universität Hangzhou, Gastwissenschaftler am Max-Plank-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (2008–2009)