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German Pages 467 [468] Year 2018
Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
Werkprofile
Philosophen und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts Herausgegeben von Frank Grunert und Gideon Stiening Wissenschaftlicher Beirat: Wiep van Bunge, Knud Haakonssen, Marion Heinz, Martin Mulsow, Merio Scattola (†) und John Zammito
Band 10
Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
Empirismus und Popularphilosophie zwischen Wolff und Kant Herausgegeben von Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth und Gideon Stiening
Abbildung S. 5: Porträt Johann Georg Heinrich Feder, gemalt von Leopold Matthieu (Zuschreibung), um 1772, Gleimhaus Halberstadt
ISBN 978-3-11-048449-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-048943-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-048762-6 ISSN 2199-4811 Library of Congress Control Number: 2018935457 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Johann Georg Heinrich Feder (1740‒1821)
Inhalt Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) Empirismus und Popularphilosophie zwischen Wolff und Kant 1 Sören Schmidtke Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit« Johann Georg Heinrich Feders Leben 19
1 Erkenntnistheorie und Psychologie Paola Rumore Feder und die Psychologie seiner Zeit 39 Udo Thiel Feder und der Innere Sinn 55 Andree Hahmann Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes 87 Giuseppe Motta Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik 105 Kiichiro Fukuda Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant 123
2 Ethik und Theologie Achim Vesper Zwischen Hume und Kant Moralbegründung in Feders Untersuchungen über den menschlichen Willen 141 Nele Schneidereit Feder über das moralische Gefühl 167
VIII Inhalt Frank Grunert »[S]elbst Schuld« Zum Begriff der Glückseligkeit bei Johann Georg Heinrich Feder 189 Gideon Stiening »Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft« Feders Zeitschriftenprojekt Philosophische Bibliothek und seine Rezension der Kritik der praktischen Vernunft 209 Stefan Klingner Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder 235
3 Rechtstheorie und Pädagogik Dieter Hüning Feders Naturrecht Die Rechtsphilosophie des gesunden Menschenverstandes 255 Frank Zöllner »Überflüssig und unnütz«? Johann Georg Heinrich Feders Beitrag zum Urheberrecht 273 Jutta Heinz Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer« Johann Georg Feders Neuer Emil im Kontext der pädagogischen Debatten der Zeit 295 Udo Roth Ein »christlicher Emil«? Feders pädagogisches Konzept im Kontext seiner praktischen Philosophie 317
4 Popularphilosophie in der Kontroverse Stefanie Buchenau Menschlich denken Feders anthropologisch-philosophisches Programm 331
Inhalt IX
Dirk Werle Feders Abhandlung über den Ruhm 349 Hans-Peter Nowitzki Die Akademisierung der Popularphilosophie Johann Georg Heinrich Feders Lehrwerke in der universitären Lehre 363
5 Anhang Zeittafel 389 Bibliographie 395 Personenregister 455
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) Empirismus und Popularphilosophie zwischen Wolff und Kant
Post aus Königsberg Gegen Mitte März des Jahres 1779 erhält Johann Georg Heinrich Feder, seit über zehn Jahren Professor für Philosophie an der Universität Göttingen und auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Produktivität sowie seines wissenschaftspolitischen Renommées,1 einen Brief aus Königsberg. Absender des Schreibens ist sein Kollege Immanuel Kant, der zwar schon seit einigen Jahren keine nennenswerten philosophischen Arbeiten mehr publiziert hat, als Autor der ebenso bissigen wie spritzigen Träume eines Geistersehers aus dem Jahre 1766 in der Göttinger Philosophie aber noch immer hoch geschätzt wird. Nicht nur der Freund und Kollege Christoph Meiners zitiert wie Feder selber2 gerne aus diesem Kabinettstück zeitgenössischer Metaphysikkritik,3 auch der junge Privatdozent Michael Hißmann schätzt die kantischen Träume und besitzt gar ein eigenes Exemplar.4 Noch 1790 heißt es im dritten Band der Philosophischen Bibliothek: Was in eben dieser Schrift von meiner frühen Aufmerksamkeit auf die Kantischen Schriften gesagt ist, bestätige ich gern mit dem Bekenntnisse, daß die kleine Schrift: Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, auf die Entwicklung und Bestimmung mancher meiner Ideen gewiß mehr Einfluß gehabt hat, als manches dicke Buch.5
1 Siehe hierzu auch die Einschätzung von Max Dessoir: Geschichte der neueren Psychologie. Berlin 2 1902, S. 251. 2 Siehe hierzu Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen, Gotha 1769, S. 414. 3 Feder hat auch eine ausnehmend positive Rezension der Träume verfasst, vgl. Erlanger gelehrte Zeitung 21 (1766), 24. St., S. 308f. 4 Vgl. hierzu Michael Hißmann: Psychologische Versuche, ein Beytrag zur esoterischen Logik [EA 1777]. In: ders.: Ausgewählte Schriften. Hg. von Udo Roth u. Gideon Stiening. Berlin 2013, S. 129ff., spez. S. 131, sowie Verzeichniß der von weyl. hiesigem Profesor Hißmann hinterlassenen Bücher, meist philosophischen und historischen Inhalts. Göttingen 1785, S. 22f. [Nr. 261]. 5 Philosophische Bibliothek 3 (1790), S. 225; vgl. auch eine ähnlich wertschätzende Formulierung in Johann Georg Heinrich Feder: Über Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787, S. IIIf.: »Verschiedene seiner frühern Schriften, und besonders seine Träume eines Geistersehers sc. hatte ich vorlängst mit ausnehmendem Vergnügen und gewiß nicht ohne
https://doi.org/10.1515/9783110489439-001
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening Feder weiß also schon, als er 1779 den gesiegelten Brief erbricht, wer da schreibt: ein – wenn auch nicht eben umtriebiger, so doch sicherer – Kombattant des in und über Göttingen hinaus seit zehn Jahren in die europäische Philosophie, Wissenschaft und Kunst hinein wirksamen deutschsprachigen Empirismus.6 Kant bittet in seinem – verloren gegangenen7 – Schreiben für seinen nach Göttingen drängenden Schüler und Freund Christian Jakob Kraus um Unterstützung. Kraus und Kant erhofften sich vom Göttinger Starphilosophen offensichtlich Protektion für eine Anstellung an der in den 1770er Jahren bedeutendsten deutschen Universität,8 die in diesem Zeitraum zugleich ein Zentrum europäischer Geistesarbeit ausmachte.9 Kraus, selbst mit Neigungen zum Skeptizismus und Empirismus,10 wollte Königsberg zu diesem Zeitpunkt gerne verlassen und Kant arbeitet schon seit etwa zehn Jahren an einem Netz von Getreuen und Vertrauten an allen deutschsprachigen Universitäten, das er in den 1780er Jahren in den wissenschaftspolitischen Kontroversen um seine Philosophie dann auch tatsächlich aktivieren konnte.11 Doch scheinen die Königsberger den Einfluss Feders auf die Besetzungspraxis in Göttingen überschätzt zu haben; nicht einmal der eigene Privatdozent Hißmann hatte zu diesem Zeitpunkt Aussicht auf eine feste Anstellung. Zudem machte Kraus einen wenig überzeugenden Eindruck: Gedrückt von Hypochondrie und tiefen Selbstzweifeln vermochte er seine Zeitgenossen kaum für sich einzunehmen. Mit
Nutzen gelesen.« Wiederholt wird dieses Lob noch 30 Jahre später in: Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig u. a. 1825, S. 115–129, spez. S. 117. 6 Die Mär von einer durch Kant und den Kantianismus veranlassten Verhinderungsgeschichte eines deutschsprachigen Empirismus (so Kurt Röttgers: J. G. H. Feder. Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 [1984], S. 420–441) kann mittlerweile als widerlegt gelten, vgl. hierzu u. a. Falk Wunderlich: Empirismus und Materialismus an der Göttinger Georgia Augusta –Radikalaufklärung im Hörsaal? In: Aufklärung 24 (2012), S. 65–90. 7 Feder hat nach eigenen Angaben einen Großteil seiner Briefschaften vernichtet, so auch den Brief Kants oder auch solche von Tetens; vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 108. 8 Siehe hierzu u. a. Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995; Ulrich Hunger: Die Georgia Augusta als hannoversche Landesuniversität. Von ihrer Gründung bis zum Ende des Königsreichs. In: Ernst Böhme u. Rudolf Vierhaus (Hg.): Göttingen. Geschichte einer Universitätsstadt. Göttingen 2002, Bd. 2, S. 139–213, hier S. 168ff.; Hans Erich Bödeker, Philippe Büttgen u. Michel Espagne: (Hg.): Die Wissenschaft vom Menschen in Göttingen um 1800. Göttingen 2008; André de Melo Araùjo: Weltgeschichte in Göttingen. Eine Studie über das spätaufklärerische universalhistorische Denken 1756–1815. Bielefeld 2012. 9 Vgl. hierzu u. a. die zeitgenössische Einschätzung bei Johann Kaspar Riesbeck: Briefe eines reisenden Franzosen. Hg. von Heiner Boehncke u. Hans Sarkowicz. Berlin 2013, S. 490. 10 Siehe hierzu die allerdings tendenziöse Schrift von Kurt Röttgers: Kants Kollege und seine ungeschriebene Schrift über die Zigeuner. Heidelberg 1993. 11 Zu Kants wissenschafts- und hochschulpolitischen Aktivitäten vgl. Werner Euler u. Gideon Stiening: »... und nie der Pluralität widersprach«? Zur Bedeutung von Immanuel Kants Amtsgeschäften. In: Kant-Studien 86 (1995), S. 54–69.
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
Aufschneidereien suchte er diesen Eindruck offenbar zu kompensieren; berühmt wurde bei seinem Aufenthalt in Göttingen daher vor allem der folgende Auftritt: Eines Abends war er in einem Garten bei Göttingen in der Gesellschaft mehrerer Professoren, unter denen sich auch namentlich Feder befand. Das Gespräch kam auf die Tages-Philosophie und Kraus erwähnte, daß Kant in seinem Pulte ein Werke (die Critik der reinen Vernunft) liegen habe, welches den Philosophen gewiß noch einmal großen Angstschweiß kosten werde. Die Herren lachten darüber und meinten: von einem Dilettanten in der Philosophie sey so etwas wohl schwerlich zu erwarten!12
Es lässt sich anschaulich vorstellen, wie hier die Göttinger Geistesaristokratie um Heyne, Schlözer, Meiners, Sprengel und Feder in einem Göttinger Garten spöttelnd über den im fernen Königsberg seit langem schweigenden Kant herfällt.13 Der kollegialen Höflichkeit gegenüber und der relativen Wertschätzung für Kant scheint dieses ungewöhnliche Ereignis allerdings keinen Abbruch getan zu haben. Feder beantwortet das Empfehlungsschreiben Kants vom Februar 1779 nämlich in der folgenden Weise: Liebster Herr Professor, Göttingen, den 28. März 1779 Herzlich erfreut hat mich Ihr Brief, den ich aber erst vor etlichen Tagen erhielt, und das neue Beyspiel in ihm, daß die Philosophie auch die Herzen ihrer wahren Verehrer mit einander vereinigt. Sie können versichert seyn, daß ich mit Ehrfurcht und Liebe für Sie erfüllt war, ehe Sie noch etwas von mir wußten. Sie haben guten Antheil an meinem Muthe auf dem Katheder eben so zu philosophiren, wie man im Leben philosophirt, wenn es irgend geschieht. Also nehmen Sie meinen Dank und ewige Freundschaft zugleich von mir an. Herrn Kraus habe ich geschrieben, was ich ihm für Hofnung geben kann. Er muß ein halbes Jahr für sich hier aushalten können; dann ist es wahrscheinlich, daß er wenigstens nicht länger ohne Unterstützung bleiben werde. Mehr versprechen darf ich nicht. Mein Ansehn in Göttingen ist in Absicht auf solche Empfelung in einer so manchfaltigen ehrwürdigen Concurrenz, daß sich nicht viel darauf rechnen läßt. Ich umarme Sie von ganzer Seele. Ihr ergebenster Freund und Diener IGHFeder14
Vor dem Hintergrund der einige Jahre später einsetzenden, erbitterten Kontroverse zwischen Kant und Feder, die den Göttinger seine Reputation als Forscher und Leh-
12 Johannes Voigt: Das Leben des Professors Christian Jakob Kraus. Königsberg 1819 [= Christian Jakob Kraus: Vermischte Schriften. Hg. von Hans von Auerwald. Königsberg 1809–1819, Bd. 8], S. 87. 13 Zur höchst unterschiedlichen Bewertung dieser Passage vgl. Karl Vorländer: Immanuel Kant. Der Mann und das Werk. Hamburg 31992, Bd. 1, S. 247; Röttgers: Kants Kollege (s. Anm. 10), S. 31f., sowie Manfred Kühn: Kant. Eine Biographie. München 2007, S. 247. 14 Zitiert nach Immanuel Kant: Briefwechsel. In: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff. (im Folgenden AA Band, Seitenzahl), hier AA X, S. 252f.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening rer sowie – wie seine Autobiographie zeigt – seine Seelenruhe kosten sollte,15 ist diese ›Umarmung von ganzer Seele‹ doch immerhin bemerkenswert. Zwar gehört diese Grußformel zu den Topoi empfindsamer Epistolographie; auch korrespondiert sie konfliktfrei mit der Superioritätsgeste im Göttinger Garten, weil empfindsame Tugend Konkurrenz nicht ausschloß – und doch dokumentiert sie anschaulich, dass die beiden Professoren der Philosophie ein angelegentlich kollegiales Verhältnis pflegten,16 innerhalb dessen die Hierarchie gleichwohl klar abgemessen war: Es ist der immerhin 16 Jahre jüngere Feder, der sich zu dem Königsberger Kollegen wohlwollend herablässt und die Chancen des Kollegenschülers als eher gering taxiert. Es ist zugleich die Höflichkeit der Geistesprominenz einer europäischen ›Spitzenuniversität‹, die sich gegenüber dem in seiner Produktivität offenbar schon erschöpften Provinzkollegen ausdrückt. Feder schien im Jahre 1779 durchaus Anlass zu dieser – in der äußeren Form gemäßigten – Überheblichkeit zu haben. Während Kant seit 1770 kaum Nennenswertes publiziert hatte,17 konnte der Göttinger Ordinarius auf ein Jahrzehnt geradezu rauschhafter Produktivität zurückblicken, deren Ergebnisse zudem von der interessierten Öffentlichkeit außerordentlich wohlwollend aufgenommen worden waren.18 Nicht nur hatte er seit 1769 in immerhin fünf, je überarbeiteten Auflagen sein opus magnum der theoretischen Philosophie, jene Logik und Metaphysik herausgegeben,19 die den Auftakt zu einer empiristischen Dekade in der deutschsprachigen Philosophie bildete. Feder hatte dieses weitgehend allgemeinverständliche – keineswegs popularphilosophische – Werk zudem ins Lateinische übersetzt, um den auch akademischen Anspruch zu dokumentieren. Selbst dieser Text erlebt noch in den 1780er Jahren mehrere Auflagen.20 Darüber hinaus hatten seine für Gymnasien 15 Siehe hierzu Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 115–129. 16 Anders Marino: Praeceptores germaniae (s. Anm. 8), S. 171. 17 Siehe hierzu u. a. Wolfgang Carl: Der schweigende Kant. Die Entwürfe zu einer Deduktion der Kategorien 1781. Göttingen 1987. 18 So hatte Feders Philosophie maßgeblichen Einfluss auf die philosophischen Überzeugungen des Illuminatenbegründers Adam Weishaupt, der die Texte und Positionen des Göttingers für die europaweit einzig angemessenen philosophischen Auffassungen der 1770er Jahre hielt; vgl. hierzu Martin Mulsow: Steige also, wenn du kannst, höher und höher zu uns herauf. Adam Weishaupt als Philosoph. In: Walter Müller-Seidel (Hg.): Die Weimarer Klassik und ihre Geheimbünde. Würzburg 2003, S. 22–66. 19 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen, Gotha 1769, 21770, 31771, 41774, 51778; zu diesem Werk vgl. u. a. Erich Pachaly: Feders Erkenntnistheorie und Metaphysik in ihrer Stellung zum Kritizismus Kants. Leipzig 1906; Jan Rachold: Die aufklärerische Vernunft im Spannungsfeld zwischen rationalistischmetaphysischer und politisch-sozialer Deutung. Eine Studie zur Philosophie der deutschen Aufklärung (Wolff, Abbt, Feder, Meiners, Weishaupt). Frankfurt a. M. u. a. 1999, S. 201–210, sowie die Beiträge von Udo Thiel und Giuseppe Motta in diesem Band. 20 Vgl. hierzu Johann Georg Heinrich Feder: Institutiones Logicae et Metaphysicae. Göttingen 1777, 2 1781, 31787, 41797.
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
wie Hochschulen verfassten Lehrbücher der theoretischen und praktischen Philosophie, der Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte21 und das Lehrbuch der Praktischen Philosophie,22 einen Siegeszug durch die Vorlesungssäle der deutschsprachigen Universitäten angetreten; selbst Kant las lange Jahre nach Feders Grundriß.23 Mehr noch: Seit den frühen 1770er Jahren hatte Feder mit einer Fülle popularphilosophischer Aufsätze in namhaften Zeitschriften den Aufklärungsdiskurs und dessen Durchdringen in die gesellschaftliche Praxis befördert.24 Er schrieb über die Problematik der Todesstrafe ebenso wie über das Schlafwandeln, über das Eigentum an Drucksachen wie über die Zensur, über das moralische Gefühl wie über den Ehrtrieb; dabei erscheinen diese Texte in den bedeutendsten Journalen der Zeit, so im Hannoverschen Magazin, im Deutschen Museum, im Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur, im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde, in der Berlinischen Monatsschrift und im Stats-Anzeiger. Schon 1769 hatte Christian Gottlob Heyne ihn zur Mitarbeit an den bereits in den 1760er Jahren berühmt-berüchtigten Göttingischen Gelehrten Anzeigen aufgefordert,25 und Feder zeigte sich als Redakteur sowie als Rezensent ebenso fleißig wie ehrgeizig.26 Letztlich sah Feder sich gegen Ende der 1770er Jahre philosophisch und institutionell gefestigt genug, ein lange geplantes, praktisches Seitenstück zu John Lockes Essay concerning human understanding zu beginnen, die 1779 mit dem ersten Band erscheinenden Untersuchungen über den menschlichen Willen. Er beabsichtigte damit, am Begriff des Willens ein »eigenes System« für eine praktische Anthropologie zu entwickeln. Mit seinen Untersuchungen schreibt sich Feder folglich in die in den 1770er Jahren prosperierende Debatte über eine Anthropologie als Fundamentalwis-
21 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte. Coburg 1767, 21769; zur Bedeutung dieses Kompendiums in philosophiehistoriographischer Hinsicht vgl. Mario Longo: The Göttingen School and Popularphilosophie. In: Gregorio Piaia u. Giovanni Santinello (Hg.): Models of the History of Philosophy. Bd. 3: The Second Enlightenment and the Kantian Age. Dordrecht 2015, S. 515–695, spez. S. 517ff., sowie den Beitrag von Hans-Peter Nowitzki in diesem Band. 22 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie. Göttingen 1770, 21771; 3 1775, 41776. 23 Vgl. Michael Albrecht: Johann Georg Heinrich Feder. In: Helmut Holzhey u. Vilem Murdoch (Hg.): Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. 1. Halbbd. Basel 2014, S. 249–255, spez. S. 254f., sowie den Beitrag von HansPeter Nowitzki in diesem Band. 24 Dass diese Praxisorientierung dem historischen und systematischen Begriff von Aufklärung entspricht, lässt sich besser als in Philosophiegeschichten nachlesen bei: Georg Schmidt: Wandel durch Vernunft. Deutsche Geschichte im 18. Jahrhundert. München 2009, S. 251ff. 25 Vgl. hierzu Thomas Habel: Gelehrte Journale der Aufklärung. Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts. Bremen 2007. 26 Vgl. hierzu die Werkbibliographie am Ende dieses Bandes.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening senschaft ein.27 Nicht eben bescheiden beschließt der Göttinger Philosoph das Vorwort des Bandes: In Ansehung der Schreibart möchte ich freylich lieber um Nachsicht bitten, als um strenge Beurtheilung. Was aber die Sachen anbelangt: da bitte ich um strenge Prüfung. Denn es kömmt auf Wahrheiten an, die mir höchst wichtig sind.28
Kurz: Feder strotzte um 1780 nur so vor intellektueller Energie, Erfolgen und Zukunftsplänen. Die europaweite philosophische Entwicklung der 1770er Jahre schien ihn darin mit Nachdruck zu bestätigen.29 Noch die im März 1782 unterzeichnete Vorrede des zweiten Teils der Untersuchungen über den menschlichen Willen zeigt deutlich an, dass sich Feder mit der Entwicklung einer »Spezial-Psychologie« als einer solchen, die als allgemeine zugleich die empirischen Besonderheiten der Handlungsmotivationen des Menschen wie »Diät, Erziehung Temperament und Klima« zu berücksichtigen beabsichtigt, auf den Feldern europäischer Spitzenforschung wähnt.30 1783 aber war es mit dieser Stellung des Göttinger Philosophen im intellektuellen Millieu der deutschsprachigen und europäischen Philosophie, der Wissenschaften und der Künste schlagartig vorbei. Feder selbst sprach Jahrzehnte später von einer »Amputation, die meinem Autor- und Docenten-Ruhme […] in der Philosophie widerfuhr«.31 Wie konnte es dazu kommen?
Die Rezension Am 19. Januar 1782 erscheint in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen, einer der renommiertesten Zeitschriften der Aufklärung, eine der ersten Rezensionen der
27 Zu diesen wissenschaftlichen Entwicklungen siehe u. a. Wolfgang Proß: Herder und die Anthropologie der Aufklärung. In: Johann Gottfried Herder: Werke. Hg. von dems. Bd. 2. Darmstadt 1987, S. 1128–1216; Hans-Peter Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit. Berlin, New York 2003; Stefan Borchers: Die Erzeugung des ›ganzen Menschen‹. Zur Entstehung von Anthropologie und Ästhetik an der Universität Halle im 18. Jahrhundert. Berlin, New York 2011 sowie Stefan Hermes u. Sebastian Kaufmann (Hg.): Der ganze Mensch – die ganze Menschheit. Völkerkundliche Anthropologie, Literatur, Ästhetik. Berlin, Boston 2014. 28 Beide Zitate aus Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Bd. 1. Göttingen, Lemgo 1779, Vorrede [unpag.]. 29 Vgl. hierzu u. a. Gideon Stiening u. Udo Thiel: Einleitung: Johann Nikolaus Tetens und die Tradition des europäischen Empirismus. In: dies. (Hg.): Johann Nikolaus Tetens (1736–1807). Philosophie in der Tradition des Europäischen Empirismus. Berlin, Boston 2014, S. 13–24. 30 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 28), Bd. 2. Göttingen, Lemgo 1782, S. VI u. S. XXII. 31 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 129.
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
Kritik der reinen Vernunft.32 Die Reaktionen auf die 1781 erschienene Kritik waren weitgehend ausgeblieben, und nun begann die öffentliche Wahrnehmung ausgerechnet mit diesem Verriß aus Göttingen. Wie üblich erschien auch diese Rezension anonym, und sie fuhr schweres Geschütz auf: Dieses Werk, das den Verstand seiner Leser immer übt, wenn auch nicht immer unterrichtet, oft die Aufmerksamkeit bis zur Ermüdung anstrengt, zuweilen ihr durch glückliche Bilder zu Hülfe kömmt, oder sie durch unerwartete gemeinnützige Folgerungen belohnt, ist ein System des höhern, oder, wie es der Verf. nennt, des transcendentellen Idealismus.33
Die entscheidende systematische Kritik, neben dem schwerwiegenden Hinweis auf die ermüdende sprachliche Erscheinungsform, ein Vorwurf, der seit Meiers Ästhetik und Sulzers Hume-Übersetzung mehr als nur eine Äußerlichkeit betraf,34 zielt auf jenen, dem Rezensenten auffälligen Idealismus berkeleyscher Provenienz, der die Grundlagen dieser »Kritik« konstituiere. Der Vorwurf eines strengen, d. h. außenweltlosen Idealismus und Egoismus ist zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Schon seit dem frühen 18. Jahrhundert wird gegen Erscheinungsformen eines solchen Idealismus mit allen Mitteln angeschrieben.35 Zumal die empiristischen Anthropologen der 1770er Jahre wie Johann Nikolaus Tetens,36 Ernst Platner, Franz von Irwing oder Dietrich Tiedemann bemühen sich um Widerlegungen dieses, dem lockeschen Empirismus entstammenden Sachproblems mithilfe des Nachweises eines Außenweltrealismus durch das Vermögen der Empfindung; auch Feder liefert hierzu seinen Beitrag.37 In der ebenso als umfangreich wie dunkel wahrgenommenen Kritik der reinen Vernunft wollte der Rezensent also eine weitere Erscheinung dieses offenbar schwer
32 Vgl. hierzu und zum Folgenden u. a. Frederic C. Beiser: The Fate of Reason. German Philosophy from Kant to Fichte. Cambridge 1987, S. 172–177; Klaus Petrus: »Beschriene Dunkelheit« und »Seichtigkeit«. Historisch-systematische Voraussetzungen der Auseinandersetzung zwischen Kant und Garve im Umfeld der Göttinger Rezension. In: Kant-Studien 85 (1994), S. 280–302; Martin Mulsow: Die möglichen Grenzen möglicher Erfahrung. In: Das Achtzehnte Jahrhundert 36.1 (2012), S. 17–32. 33 Anon.[Garve]: Rezension der Kritik der reinen Vernunft. In: ZGAS 1782, 3. St., S. 40–48, hier S. 40. 34 Vgl. hierzu u. a. Gideon Stiening: Von Despoten und Kriegern. Literarische Reflexion auf den sensus communis politicus bei Christoph Martin Wieland und Johann Karl Wezel. In: Christoph Binkelmann u. Nele Schneidereit (Hg.): Denken fürs Volk. Popularphilosophie vor und nach Kant. Würzburg 2015, S. 35–56. 35 Vgl. hierzu Dietmar Heidemann: Kant und das Problem des metaphysischen Idealismus. Berlin, New York 1998, S. 15–46. 36 Johann Nikolaus Tetens: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Hg. von Udo Roth u. Gideon Stiening. Berlin, Boston 2014, S. 201ff. 37 Siehe hierzu u. a. Feder: Grundriß (s. Anm. 21), S. 111ff.; ders.: Logik und Metaphysik (s. Anm. 2), S. 112ff.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening zu überwindenden »Bergeleysischen und Humeischen« Idealismus erkannt haben,38 der vor allem die Leistungen und Überzeugungen des gesunden Menschenverstandes unberücksichtigt lasse. So könne das Werk des Königsberger Philosophen zwar ex negativo die begründungstheoretischen Problemlagen der Metaphysik anschaulich dokumentieren, es verfehle aber letztlich jenes Denken, das nach den schon längst erfolgten Widerlegungsdebatten an der Zeit gewesen wäre: Das ganze Buch kann allerdings dazu dienen, mit den beträchtlichsten Schwierigkeiten der speculativen Philosophie bekannt zu machen und den auf ihre eingebildete reine Vernunft allzu stolz und kühn sich verlassenden Erbauern und Verfechtern metaphysischer Systeme manchen Stoff zu heilsamen Betrachtungen vorhalten. Aber die Mittelstrasse zwischen ausschweifenden Skepticismus und Dogmatismus, den rechten Mittelweg, mit Beruhigung, wenn gleich nicht mit völliger Befriedigung, zur natürlichsten Denkart zurückzuführen, scheint uns der Verf. nicht gewählt zu haben.39
Die insgesamt wenig ambitioniert, eher gequält wirkende Rezension, die neben dem erheblichen Unverständnis für die Innovationsleistungen Kants das ebenso bohrende wie überflüssige Interesse an der Widerlegung eines metaphysischen Idealismus dokumentiert, wurde von Christian Garve verfasst. Bekanntermaßen war er von Feder bei seinem Besuch in Göttingen, im Frühjahr 1781, zu dieser Rezension aufgefordert worden, die er mehr aus Höflichkeit begann, denn aus größerem Interesse.40 Kant spielte in der von Garve, den Göttingern und den Berlinern beherrschten epistemischen Situation der 1770er und noch der frühen 1780er Jahre keine Rolle. Garve beendet die Arbeit an der Rezension allerdings erst nach seinem Aufenthalt in Göttingen und schickt sie am 18. Oktober 1781 – keineswegs an Feder, wie man bisher annahm,41 sondern – an Michael Hißmann, und zwar mit der Bitte, den zu lang geratenen Text zu kürzen: Diese [d. i. die Rezension der Kritik der reinen Vernunft] folgt nun mit. Sie ist nicht recht passend für Ihre Zeitung, weder in Absicht der Länge noch der Methode noch des Stils. Demohnerachtet schike ich sie Ihnen, weil ich keine Lust habe mehr etwas an ihr zu ändern, u. weil ich wünsche, daß Sie sie ganz lesen. Hätte ich jemanden gefunden, oder wäre ich selbst aufgelegt 38 So Tetens: Philosophische Versuche (s. Anm. 36), S. 201. 39 Anon.: Rezension der Kritik der reinen Vernunft (s. Anm. 33), S. 47. 40 Zur Geschichte und Bedeutung dieser Rezension vgl. u. a. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 117–119; Pachaly: J. G. H. Feder (s. Anm. 19), S. 31ff.; Reinhard Brandt: Feder und Kant. In: Kant-Studien 80 (1989), S. 249–264; Zwi Batscha: J. G. H. Feder zwischen Aristokraten und Demokraten. In: ders.: »Despotismus von jeder Art reizt zur Widersetzlichkeit«. Die Französische Revolution in der deutschen Popularphilosophie. Frankfurt a. M. 1989, S. 57–125, spez. S. 63ff.; Marino: Praeceptores Germaniae (s. Anm. 8), S. 169ff., sowie Lutz Hennig Pietsch: Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin, New York 2010, S. 90ff. 41 Vgl. hierzu u. a. Gerd Irrlitz: Kant-Handbuch. Leben und Werke. Stuttgart, Weimar 22010, S. 265f., sowie alle in Anm. 40 genannten Arbeiten.
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
gewesen, einen neuen Auszug aus diesem Auszug zu machen: so würde ich jenen Weisen in seine Bibliothec gegeben haben, der mir sehr darum anlag, u. den kürzern schikte ich Ihnen. Aber ich bin der metaphysischen Grillen satt, ich habe keine Zeit mehr, u. ich will Sie nicht länger warten lassen. Ich hätte freylich selbst nur ausstreichen dürfen: aber ich habe noch zu viel väterliche Liebe für mein Kind, es selbst zu verstümmeln. Wenn diese grausame Operation geschehen muß, so will ich sie lieber ihrer Hand überlaßen, die zugleich fest u. zärtlich seyn wird. Schließen Sie das was nicht gedruckt werden soll, in Hacken ein, damit es doch noch leserlich bleibt; u. nach geendigtem Druck haben Sie die Güte, das ganze Mscript an R. Funke in Magd[eburg]. zu schiken, der es weiter an mich expediren wird.42
Erneut wird überdeutlich, dass Garve das kantsche Werk für schlechte, eigentlich längst überholte Metaphysik erachtet, die einer weiteren kritischen Beschäftigung nicht wert ist. Kein Wort auch ist in diesem die Rezension begleitenden Brief an Hißmann davon die Rede, dass der kantische Text dem Rezensenten ›zu schwer‹ gewesen sei, wie Garve später, 1783, entschuldigend an Kant schrieb.43 Hißmann und Feder dürften die ursprüngliche Einschätzung der Kritik der reinen Vernunft als schlechte Metaphysik geteilt haben, was vor allem Feder übel bekommen sollte. Ob tatsächlich Hißmann selber, wie von Garve gewünscht, oder doch Feder die Kürzungen vorgenommen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. In jedem Falle hält Feder auch später seinen Kopf hin, denn Kant war keineswegs gewillt, diese Kritik seiner Kritik unkommentiert zu lassen; erst diese öffentliche Reaktion Kants führte zu den oben schon angedeuteten weitreichenden Konsequenzen für Feder, zu jener mehrfachen ›Amputation‹. In den 1783 erschienenen Prolegomena heißt es nämlich: Er [d. i. der Rezensent der Kritik der reinen Vernunft] scheint gar nicht einzusehen, worauf es bei der Untersuchung, womit ich mich (glücklich oder unglücklich) beschäftigte, eigentlich ankam, und es sei nun Ungeduld ein weitläuftig Werk durchzudenken oder verdrießliche Laune über eine angedrohete Reform einer Wissenschaft, bei der er schon längstens alles ins reine gebracht zu haben glaubte, oder, welches ich ungern vermute, ein wirklich eingeschränkter Begriff daran schuld, dadurch er sich über seine Schulmetaphysik niemals hinauszudenken vermag; kurz, er geht mit Ungestüm eine lange Reihe von Sätzen durch, bei denen man, ohne ihre Prämissen zu kennen, gar nichts denken kann, streut hin und wieder seinen Tadel aus, von welchem der Leser ebensowenig den Grund sieht, als er die Sätze versteht, dawider derselbe gerichtet sein soll, und kann also weder dem Publikum zur Nachricht nützen, noch mir im Urteile der Kenner das mindeste schaden.44
Kants Eindruck ist kaum von der Hand zu weisen: Der Göttinger Rezensent hatte in der Tat die Grundzüge der kantischen Kritik weitgehend verkannt und ›übellaunig‹ und durchaus blasiert die Studie für überflüssig erklärt. Einzig auf den Idealismus 42 Christian Garve an Michael Hißmann, 18. Okt. 1781. In: Michael Hißmann: Briefwechsel. Hg. von Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening u. Falk Wunderlich. Berlin, Boston 2016, S. 140f. 43 Brief Christian Garves an Immanuel Kant, 13. Juli 1783. In: AA X, S. 328–333, spez. S. 329. 44 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: AA IV, S. 373.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening bzw. Egoismus-Vorwurf geht Kant näher ein, weil er ihn offenbar besonders stört. Der vollkommen irrigen Einschätzung seines Werkes begegnet er in den Prolegomena deshalb mit einer Skizze seines Verständnisses eines »kritischen Idealisms«. Doch damit nicht genug. Kant hatte offenbar erkannt, dass er zur Durchsetzung seiner grundstürzenden Neuerungen eine härtere Gangart in der Auseinandersetzung mit der seit den 1760er Jahren gängigen und vorherrschenden Philosophie wählen musste. Er zeigte sich daher nicht zimperlich, als er im Zusammenhang mit der vom Rezensenten unerwähnten »eigentlichen Aufgabe«, dem Beweis der Möglichkeit der »synthetischen Erkenntniß apriori«, dem Rezensenten jegliches Verständnis seiner Schrift absprach: Der Recensent verstand also nichts von meiner Schrift und vielleicht auch nichts von dem Geist und dem Wesen der Metaphysik selbst, wofern nicht vielmehr, welches ich lieber annehme, Recensenteneilfertigkeit, über die Schwierigkeit, sich durch so viel Hindernisse durchzuarbeiten, entrüstet, einen nachtheiligen Schatten auf das vor ihm liegende Werk warf und es ihm in seinen Grundzügen unkenntlich machte.45
Entweder Dummheit oder Böswilligkeit attestiert Kant hier dem Rezensenten – und damit, gemäß den Kriterien seines im gleichen Jahr erscheinenden Aufklärungstextes: Gegenaufklärung, wenigstens aber Unaufgeklärtheit. Doch selbst bei dieser – ungeheuren – Zuweisung von Unfähigkeit oder Vorsatz will es der Königsberger Philosoph nicht bewenden lassen. Vielmehr bietet er dem an sich schon hinreichend gedemütigten Rezensenten eine Wette an: Um aber diese meine Vertheidigung zugleich an das Interesse des philosophirenden gemeinen Wesens zu knüpfen, schlage ich einen Versuch vor, der über die Art, wie alle metaphysische Untersuchungen auf ihren gemeinschaftlichen Zweck gerichtet werden müssen, entscheidend ist. Dieser ist nichts anders, als was sonst wohl Mathematiker getan haben, um in einem Wettstreit den Vorzug ihrer Methoden auszumachen, nämlich eine Ausforderung an meinen Recensenten, nach seiner Art irgend einen einzigen von ihm behaupteten wahrhaftig metaphysischen, d. i. synthetischen und a priori aus Begriffen erkannten, allenfalls auch einen der unentbehrlichsten, als z. B. den Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz, oder der nothwendigen Bestimmung der Weltbegebenheiten durch ihre Ursache, aber, wie es sich gebührt, durch Gründe a priori zu erweisen.46
Kant ist also darum bemüht, die durch die müde Rezension entstandene Beweislast einer möglichen Bedeutung seiner Kritik für jedes zukünftige Geschäft der Metaphysik überhaupt umzukehren und auferlegt dem Rezensenten die Widerlegung eben jenes zentralen Beweises, den die Kritik schon erbracht hatte. Zur regelkonformen Austragung dieses akademischen Wettstreites bedarf es jedoch der entscheidenden
45 Ebd., S. 377. 46 Ebd., S. 378.
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Voraussetzung, »aus dem Incognito zu treten«,47 d. h. sich namentlich als Rezensent öffentlich zu bekennen. Weder Garve noch Feder werden dieser Aufforderung zum offenen, vor aller Öffentlichkeit ausgetragenen Wettstreit tatsächlich nachkommen, auch wenn sich Garve in einem ausführlichen Brief an Kant als Rezensent zu erkennen gibt48 und Feder als Bearbeiter des Manuskripts von Schütz nach Königsberg denunziert wird.49 Allerdings ist es nur Feder, der den Nimbus des blasierten Kant-Verkenners nicht wieder los wird. Zwar wird auch Garve in den folgenden Jahren seine Kritik an der Transzendentalphilosophie wiederholen und noch ausweiten, diese Insistenz wird seinem hohen Ansehen in der öffentlichen Meinung jedoch keinen Abbruch tun. Es ist vielmehr Feder, den nicht nur seine Kollegen, sondern auch die Göttinger Studenten in den 1780er Jahren durch Nicht- und Verachtung abstrafen.50 Diese eigentümliche Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Verantwortung für die misslungene Rezension ist u. a. darauf zurückzuführen, dass Garve in seinem Schreiben an Kant die Hauptlast für die argumentative Perspektive der Rezension seinem – immerhin ungenannt bleibenden – Göttinger Freund und Kollegen aufbürdet. Schon Kant, dessen umfangreiches Antwortschreiben anschaulich davon zeugt, dass er mit einem Prominenten korrespondiert, geht auf diese Exkulpationstaktik bereitwillig ein: Ietzt genieße ich des noch reineren Vergnügens in Ihrem geehrten Schreiben deutliche Beweise einer pünctlichen und gewissenhaften Redlichkeit und einer menschlichen theilnehmenden Denkungsart anzutreffen, die jenen Geistesgaben den wahren Werth giebt. Das letztere glaube ich nicht von Ihrem Göttingischen Freunde annehmen zu können, der, gantz ungereitzt, seine ganze recension hindurch (denn ich kan sie, nach der Verstümmelung, wohl die seinige nennen) nichts als animositaet athmete.51
Spätestens mit dieser alleinigen Zuweisung der Verantwortung für die in der Folge noch berühmt werdende Rezension war das akademische ›Todesurteil‹ über den Philosophen und Hochschullehrer Feder gesprochen. Zwar ist es nach den Forschungsergebnissen Zwi Batschas unmöglich geworden, Feders Aufgabe seiner Göttinger Professur im Jahre 1797 ausschließlich auf die mit dieser Rezension anhebende und von dem ›Göttinger‹ noch bis in die frühen 1790er Jahre fortgesetzte Kontroverse mit Kant zurückzuführen. Vielmehr sind es Feders zeitweilige Sympathien mit den Zielen der Französischen Revolution, wie u. a. den Prinzipien der Volkssouveränität und der allgemeinen Rechtsstaatlichkeit, die ihn in Hannover als
47 Ebd., S. 379. 48 Vgl. Garve an Kant (s. Anm. 43), passim. 49 Christian Gottfried Schütz an Immanuel Kant, 10. Juli 1784. In: AA X, S. 392–394. 50 Siehe hierzu Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 119ff. 51 Immanuel Kant an Christian Garve, 7. Aug. 1783. In: AA X, S. 336f.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening Universitätsprofessor untragbar werden lassen.52 Und dennoch blieb die eine Rezension für die Philosophiegeschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts die entscheidende, seinen philosophiehistorischen Status bestimmende Publikation.
Feders Stellung in der Philosophiegeschichtsschreibung: Zur Lage der Forschung Noch für die jüngsten Beiträge zur Forschung gilt: Johann Georg Heinrich Feder gehörte zwar seit den späten 1760er Jahren zu den ebenso prägendsten wie umstrittensten Philosophen und Publizisten der europäischen Aufklärung, und zwar sowohl innerhalb weiter Teilbereiche der Fach- oder Schulphilosophie als auch im Zusammenhang literarischer und popularphilosophischer Diskurse der sich entwickelnden und an Dynamik gewinnenden Öffentlichkeit. Wie schon angedeutet, nahm er entscheidenden Einfluss auf wichtige Debatten, Kontroversen und Forschungsentwicklungen seiner Zeit, beispielsweise durch seine Lehrbücher der Philosophie oder durch seine popularphilosophischen Beiträge zu sozialpolitischen Themen der Zeit. Diese Texte wie auch seine Lehre in Göttingen hatten bedeutende Wirkung auf die seit den späten 1780er Jahren prekärer werdende Entwicklung der Aufklärung.53 Als zeitweiliges Mitglied der Freimaurer sowie der Illuminaten suchte Feder – einem Anliegen der Aufklärung gemäß –, seine auf gesellschaftliche Praxis ausgerichtete philosophische Theorie tatsächlich und tatkräftig in die empirische Praxis zu überführen.54 Von diesem immensen Einfluss auf die akademische und populäre Philosophie sowie die kontroverse Debattenkultur der Spätaufklärung ist aber zumeist nur eben jene skizzierte Auseinandersetzung mit Immanuel Kant in Erinnerung geblieben. Hierbei machten ältere Philosophiehistoriker von ihrer normativ überlagerten Parteinahme für Kant keinen Hehl: Benno Erdmann und Karl Vorländer hielten Feder aufgrund seiner sich in der Kontroverse mit Kant offenbarenden Unkenntnis der
52 Siehe hierzu die ebenso ausführliche wie überzeugende Argumentation bei Batscha: J. G. H. Feder zwischen Aristokraten und Demokraten (s. Anm. 40), S. 97ff. 53 Siehe hierzu u. a. Mulsow: Weishaupt als Philosoph (s. Anm. 18), und Albrecht: Feder (s. Anm. 23). 54 Vgl. hierzu neben den oben zitierten Arbeiten von Mulsow: Weishaupt als Philosoph (s. Anm. 18) sowie ders.: Die möglichen Grenzen (s. Anm. 32), Johanna Oehler: »Abroad at Göttingen«. Britische Studenten als Akteure des Kultur- und Wissenstransfers 1735–1806. Göttingen 2016, S. 226f.
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Transzendentalphilosophie für »zu Recht vergessen«.55 Noch Max Wundt erklärte die Angriffe auf Kants Philosophie für unerhörte Anmaßung.56 Auch wenn neuere Forschungen solch unwissenschaftliche Sichtweisen vermeiden, gilt ihr Interesse an Feder doch zumeist ausschließlich dieser Kontroverse mit Kant.57 Noch das in den 1980er Jahren an einzelnen Aufsätzen sichtbar werdende Interesse am Popularphilosophen und Empiristen Feder konnte eine nachhaltige, auf weitere Werkbereiche ausgreifende Auseinandersetzung nicht initiieren, sondern blieb weitgehend von der Rezensionskontroverse und deren Kontexten gefesselt.58 Dabei ist weder Feders Auseinandersetzung mit Kant auf die Rezension der Kritik der reinen Vernunft beschränkt, sondern vielmehr bis in die 1790er Jahre an allen Kritiken und weiteren Schriften zu verfolgen, noch lässt sich Feders gesamtes Werk und dessen Wirkung auf die Kontroverse mit Kant reduzieren. Vielmehr umfassen seine Arbeiten nahezu alle Felder der theoretischen und praktischen Philosophie sowie Fragen ihrer pragmatischen, d. h. lebensweltlichen Bedeutung, deren Rolle als Klugheitslehren der Göttinger Philosoph stets zu berücksichtigen suchte. Wie oben angedeutet, tritt er früh schon mit einem Grundriß der philosophischen Wissenschaften (1767) an die Öffentlichkeit. Feders Logik und Metaphysik (1769), die im Kern eine an Locke orientierte Psychologie ausführt, wird zu einem der berühmtesten Handbücher der 1770er Jahre, an das viele der in diesen Jahren entstandenen Psychologien und Anthropologien anschließen, so diejenigen Platners, Meiners’, Hißmanns, Wezels und Tetens’. Noch Feders opus magnum, seine 1779 bis 1793 publizierten vierbändigen Untersuchungen über den menschlichen Willen, wird trotz der durch seine Kontroverse mit Kant abnehmenden Reputation von den Zeitgenossen weithin wahrgenommen und rege rezipiert. All diese Texte sind aber weder in ihrer systematischen Kontur noch in ihrer philosophiehistorischen Bedeutung noch gar im ideengeschichtlichen Kontext der Philosophie, der Wissenschaften und der Künste zwischen 1770 und 1800 angemessen rekonstruiert worden.59 Kants skizzierte Reaktionen in den Prolegomena wie 55 Vgl. Benno Erdmann: Kant’s Kriticismus in der ersten und zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1878; Karl Vorländer: Immanuel Kant. Der Mann und das Werk. Hamburg 31992, S. 415. 56 Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945, S. 291; vergleichbar Götz von Selle: Die Georg-August-Universität zu Göttingen 1737–1937. Göttingen 1937, S. 176ff. 57 Vgl. hierzu die Darstellungen bei Brandt: Feder und Kant (s. Anm. 40), S. 249–264; Marino: Praeceptores Germaniae (s. Anm. 8), S. 169ff. sowie Pietsch: Topik der Kritik (s. Anm. 40), S. 90ff. 58 Walter C. Zimmerli: »Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jhr. In: Studia Leibnitiana XV (1983), S. 58–71; Kurt Röttgers: J. G. H. Feder. Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 420–441 sowie Brandt: Kant und Feder (s. Anm. 40). 59 Erste darstellende Ansätze finden sich bei Albrecht: Feder (s. Anm. 23), S. 251–253, der immerhin den Grundriß der philosophischen Wissenschaften, die Untersuchungen über den menschlichen Wil-
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening auch Lichtenbergs berühmtes Diktum von der Göttinger »WassersuppenPhilosophie«60 haben zu Berührungsängsten nicht allein in der Philosophie-, sondern auch in der Literatur- und Wissenschaftsgeschichtsschreibung geführt. Dabei hatte schon Wolfgang Röd zu Recht ausgeführt: »In Wirklichkeit macht erst der Vergleich mit Autoren wie Feder klar, was Kant für die deutsche Philosophie der Epoche bedeutete.«61 Die für einen solchen Vergleich erforderliche detaillierte Beschäftigung mit Feders Werken unterblieb aber bislang. Dies gilt nicht nur für eine über Handbuchniveau nicht hinauskommende hermeneutische Aufarbeitung,62 sondern auch für die Präsenz der Texte des Göttinger Aufklärers, die in den letzten Jahrzehnten selten und nur in einigen Auszügen neu aufgelegt wurden.63 Feders Hauptwerke aber, seine Logik und Metaphysik sowie seine Untersuchungen über den menschlichen Willen blieben bislang ohne hinreichende editorische Aufbereitung. Die allererst sich neu entwickelnde Forschung zur Popularphilosophie der deutschen Spätaufklärung64 wie auch ideengeschichtliche Betrachtungen der Konstellations- und Netzwerkforschung beginnen, Feder und seine Texte neuerlich zur Kenntnis zu nehmen.65 Auch die literatur- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen zur Anthropologie der Spätaufklärung66 und die sich vorsichtig entfaltende Geschichtsschreibung der Philosophie zwischen Wolff und Kant67 bieten ein sich entwickelndes Forum für eine konzentrierte Analyse, Interpretation und Diskussion der philosophischen, wissenschaftlichen und publizistischen Leistungen Johann Georg Heinrich Feders. Die Bedeutung Feders für die Forschungen zu maßgeblichen Literaten und Wissenschaftlern des Zeitraums wie Tetens, Forster, Wieland, Herder, Lichtenberg oder Soemmerring, mit denen er in z. T. engem Kontakt stand,68 kann len, Über Raum und Caussalität, die Grundlehren zur Kenntniß des Menschlichen Willens sowie die Grundsätze der Logik und Metaphysik kurz vorstellt. 60 Georg Christoph Lichtenberg an Georg Forster, 24. Dez. 1787. In: ders.: Schriften und Briefe. Hg. von Wolfgang Promies. München 1968–1992, Bd. 4, S. 722. 61 Wolfgang Röd: Die Philosophie der Neuzeit 2. Von Newton bis Rousseau [Geschichte der Philosophie, Bd. 8] München 1984, S. 278f. 62 So letztmalig Albrecht: Feder (s. Anm. 23), S. 249–255. 63 Siehe hierzu Batscha: Despotismus (s. Anm. 40), S. 298–333 (ein Aufsatz und Auszüge aus der Autobiographie), sowie Johann Georg Heinrich Feder: Über den Unterricht verschiedener Religionsgenossen in gemeinschaftlichen Schulen. Hg. von Dirk Fleischer. Nordhausen 2013. 64 Vgl. hierzu Christoph Binkelmann u. Nele Schneidereit (Hg.): Denken fürs Volk. Popularphilosophie vor und nach Kant. Würzburg 2015. 65 So bei Wunderlich: Empirismus und Materialismus (s. Anm. 6), S. 65–90. 66 Vgl. hierzu Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch (s. Anm. 27), sowie Anne Pollok: Facetten des Menschen. Zur Anthropologie Moses Mendelssohns. Hamburg 2010. 67 Vgl. hierzu u. a. Falk Wunderlich: Kant und die Bewußtseinstheorien des 18. Jahrhunderts. Berlin 2005, S. 90ff. 68 So stand Feder in regem Briefwechsel mit Johann Nikolaus Tetens, einem der bedeutendsten deutschsprachigen Anthropologen der 1770er Jahre, vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 108.
Zur Einführung: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821)
aufgrund des unzureichenden Forschungsstandes zu Feder bislang kaum angemessen gewürdigt werden. Der vorliegende Band soll hierfür erste Ansätze konturieren und neue Forschungsperspektiven eröffnen.
Aufbau und Beiträge des Bandes Das drängendste Desiderat der Forschung besteht in der angemessenen Erfassung der zentralen philosophischen Texte Johann Georg Heinrich Feders. Dazu zählen zunächst eingehende Rekonstruktionen der Erkenntnistheorie, Psychologie und Anthropologie, die Feder in seinen frühen Texten ausführte. Wenn der Göttinger Philosoph noch in seiner späten Lebensbeschreibung festhält, dass es die Philosophie „mit dem Menschen zu tun hat; alles, was sie behandelt, geschieht am Ende immer in Beziehung auf ihn“,69 dann muss diese anthropologische Fundierung alles wissenschaftlichen und pragmatischen Denkens ernst genommen und auf ihre Leistungsfähigkeit hin überprüft werden. Nach einem detaillierten biographischen Überblick, mit dem Sören Schmidtke den Band eröffnet, widmet sich daher die erste Sektion der Erkenntnistheorie und Psychologie des Göttinger Philosophen, die dessen empiristische Fundierung der Erkenntnis- und Bewusstseinstheorie rekonstruiert und deren mittelbare und unmittelbare Kontexte und Quellen in den Blick nimmt. Paola Rumore liefert hierfür eine ebenso kontextuell weitgespannte wie detaillierte Analyse des federschen Verständnisses von Psychologie, das den Grundlagencharakter dieser Wissenschaft und deren Verhältnis zur Logik präzise erfasst. Udo Thiel vertieft und erweitert diese analytische Perspektive auf Feders Psychologie durch eine Betrachtung des Vermögens des »inneren Sinnes«, dessen Begriff Feder von seinen frühesten Publikationen an bis in seine späten Veröffentlichungen hinein stets differenzierter ausarbeitet. Dabei weist Thiel die Ausdifferenzierung des Selbstgefühls als einer Art des inneren Sinnes für die Ausformung einer kritischen Metaphysik der Seele bei Feder minutiös nach. Andree Hahmann wendet seinen Blick anschließend der federschen Raumtheorie zu, die dieser in seiner umfangreichsten Auseinandersetzung mit Kant, seiner Schrift Über Raum und Caussalität von 1787, entwirft. Dabei zeigt Hahmann anschaulich, dass Feder auch in dieser Schrift den Idealismus-Vorwurf in der Rezension der Kritik der reinen Vernunft wiederholt und damit kenntlich werden lässt, dass ihn die kantische Erwiderung in den Prolegomena nicht überzeugte. Im anschließenden Beitrag kann Giuseppe Motta die Perspektive auf das Verhältnis zwischen Kant und Feder umkehren: Motta weist nämlich in sieben Schritten nach, dass Kant durchaus mehr als lediglich Verachtung für die Überlegungen des Göttinger Kollegen aufbrachte; vielmehr ließ er sich
69 Ebd., S. 248.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening zu einer Präzisierung der transzendentalen Ästhetik und Teilen der transzendentalen Logik anregen. Kiichiro Fukuda erweitert diese Perspektive möglicher Einflussnahmen der federschen Kritik auf den Gang der argumentativen Darstellung in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Auch Fukudas Überlegungen konzentrieren sich vor allem auf den Idealismus-Vorwurf in der Rezension der Kritik der reinen Vernunft, der Kant offenbar am meisten herausforderte. Das zweite bedeutende Forschungsfeld, dem sich Feder zeitlebens widmete und das sich u. a. in seinem schon zitierten opus magnum niederschlug – die praktische Philosophie –, wird in zwei Sektionen behandelt. Der erste Teil führt die Ethik und Theologie Feders aus. Achim Vesper eröffnet diese Sektion mit einer umfassenden Analyse und Interpretation der Untersuchungen über den menschlichen Willen, die Feder zwischen 1779 und 1793 herausgibt. Vesper kann in seinen Kontextualisierungen nachweisen, dass Feder in den 1770er Jahren in der Tat von Hume ausgehend eine eigenständige Moralphilosophie zu entwickeln suchte, spätestens im 4. Band seines opus magnum jedoch erhebliche Konzeptionsänderungen vornahm, die offenkundig auf die Kant-Kontroverse zurückzuführen sind. Nele Schneidereit beschäftigt sich anschließend mit einem weiteren zentralen Text Feders zur praktischen Philosophie, der zunächst 1776 im Deutschen Museum als Aufsatzsammlung, 1792 aber noch einmal als Raubdruck in Monographieform erschienenen Abhandlung Über das moralische Gefühl. Präzise loziert Schneidereit diese ganz der epistemischen Situation der 1770er Jahre zugehörige Konzeption in den Kontext zwischen britischer moral sense-Theorie und Wolffianismus. Vor allem Feders moraltheoretischer Intellektualismus, der das moralische Gefühl stets einer Verstandesleistung nachordnet, weist auf den – bei aller Hume-Lektüre – anhaltenden Einfluss des Rationalismus hin. Auf der Grundlage dieser textanalytischen Vorarbeiten kann Frank Grunert anschließend eine systematisierende Sicht auf das zentrale Theorem der praktischen Anthropologie Feders werfen: die Glückseligkeit. Dabei eröffnet sich nicht allein, wie an diesem Begriff nachzuweisen ist, dass Feders gesamte Anthropologie in ihrem Fokus auf das entscheidende Handlungstelos des Glücks praktisch fundiert ist. Grunert gelingt es zudem, die objektiven Antinomien des bei Feder paradigmatisch herausgearbeiteten Eudämonismus nachzuzeichnen, deren Wirkungen allerdings – wie der Interpret anschaulich dokumentiert – nicht auf das 18. Jahrhundert beschränkt sind. Gideon Stiening betrachtet in diesem Zusammenhang Feders Zeitschriftenprojekt Philosophische Bibliothek und sucht die wissenschaftspolitischen Interessen Feders und Meiners an dieser zwischen 1788 und 1791 mit dezidiert antikantischem telos erscheinenden Zeitschrift durch eine Interpretation der federschen Rezension der Kritik der praktischen Vernunft mit seiner wissenschaftstheoretischen Position zu korrelieren. Stefan Klingner schließt an die Ergebnisse Stienings unmittelbar an mit einer Analyse der natürlichen Theologie Feders, die der Göttinger Empirist vor allem in seinen Lehrbüchern entfaltete. Klingner zeigt in seiner Rekonstruktion, dass Feders Versuch der Vermittlung zwischen einer rati-
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onalistischen Ontotheologie und einer kritischen Ethikotheologie mangels begrifflicher und systematischer Instrumente scheitern musste. Die zweite Abteilung der analytischen Darstellung und kritischen Auseinandersetzung mit Feders praktischer Philosophie befasst sich mit dessen Rechtstheorie und Pädagogik. Dieter Hüning eröffnet den Themenkomplex mit einer engagierten Rekonstruktion und Kritik der federschen Überlegungen zum Naturrecht. Dabei kann Hüning aufzeigen, dass Feders Grundlegung aller Normativität auf den gesunden Menschenverstand, dem common sense, zu substanziellen Begründungsproblemen für die Geltung normativer Ordnung überhaupt führt. Der Rückgriff auf den Willen Gottes und eine – unbestimmt bleibende – recta ratio liegen daher im Horinzont dieser Rechtstheorie. Jutta Heinz und Udo Roth befassen sich anschließend mit Feders lebenslang verfolgter und stets erweiterter bzw. modifizierter Pädagogik. Heinz kann dabei in einem ebenso weitgespannten wie systematisch präzisen Kontextrahmen die federschen Überlegungen zwischen Locke, Rousseau und Johann Peter Miller lozieren und dadurch die gewichtigen Interessen Feders an einer spezifisch religiösen Erziehung plausibel machen. Roth ergänzt diese Sicht durch Einblicke in Feders pädagogische Praxis und deren von ihm stets gesuchter Grundlegung in einer überzeugenden Theorie. Überhaupt erweist sich die Pädagogik in den beiden Beiträgen als der systematische Ort, an dem Feders allgemeines Verständnis des Verhältnisses von Theorie und Praxis seine paradigmatische Realisation erfährt. Die letzte Sektion befasst sich mit eben diesem Problemkomplex. Denn mit Feders Verständnis des Verhältnisses von Theorie und Praxis kann einerseits an bestehende Forschungsfragen angeschlossen, und andererseits wird mit dem Fokus auf Feders Texte Neuland betreten werden. Zwar gilt der Göttinger Philosoph in der Geschichtsschreibung als Popularphilosoph.70 Was genau dies im Selbstverständnis des Hochschullehrers und Publizisten Feder bedeutete, war allerdings bislang unklar und damit nicht allein seine Stellung im Feld der popularen Philosophie, sondern auch deren allgemeine Kontur im Verhältnis zwischen akademisch gebundener und ungebundener Ausprägung. Stefanie Buchenau eröffnet diese Sicht auf Feder mit einer Interpretation seiner anthropologischen Position, die in den Kontext der spätaufklärerischen Theorie von der Natur des Menschen loziert wird. Ausgehend von Feders eklektizistischer Methode weist Buchenau die Stellung dieser Anthropologie zwischen einem revidierten Wolff und einem systematisierten Moritz nach. Dirk Werle zeigt anschließend an einem beispielhaft popularphilosophischen Text, dem Essay Vom Werthe des Nachruhms, dass der Göttinger Philosoph sowohl im Hinblick auf die Entwicklung seines eigenen Werks als auch in Bezug auf den
70 Vgl. Zimmerli: »Schwere Rüstung« (s. Anm. 58) sowie Konrad Cramer u. Günter Patzig: Die Philosophie in Göttingen 1734–1987. In: Hans-Günther Schlotter (Hg.): Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität zu Göttingen. Göttingen 1994, S. 86–91.
Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening zeitgenössischen Kontext paradigmatische Problemlagen einer pragmatischen Anthropologie löst. Und Hans-Peter Nowitzki zeigt abschließend, dass Feder den Pragmatismus des popularphilosophischen Denkens nicht auf seine publizistische Tätigkeit zu beschränken trachtete, sondern die Besonderheiten des Theorie-PraxisVerhältnisses populärer Philosophie mit Gründen in die Universität übertragen wollte. Diesem Zweck dienten auch und vor allem seine erfolgreichen Lehrbücher, die Nowitzki en detail charakterisiert. Abgerundet wird auch dieser Band der Werkprofile durch eine Zeittafel, eine von den Herausgebern erstellte Bibliographie der Werke von Johann Georg Heinrich Feder und der bisher erschienenen Forschungsliteratur sowie ein Personenregister. Der vorliegende Sammelband geht auf eine Tagung zurück, die im März 2014 mit großzügiger Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung und des WielandForschungszentrums am Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar stattfinden konnte. All diesen Institutionen gilt unser Dank. Für die wertvollen praktischen und administrativen Hilfen vor, während und nach der Tagung sei an dieser Stelle Frank Zöllner und Sören Schmidtke (Jena und Oßmannstedt) ganz herzlich gedankt. Zu danken ist darüber hinaus Dr. Oliver Bach (München), der sich erneut mit Geduld und Umsicht des Typoskripts angenommen hat. Schließlich gilt ein besonderer Dank dem Verlag Walter de Gruyter, der sich für unseren Sammelband zu Johann Georg Heinrich Feder mit großem Engagement einsetzte. Oßmannsstedt und München, im Oktober 2017
Sören Schmidtke
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit« Johann Georg Heinrich Feders Leben
Feders Autobiographie Leben, Natur und Grundsätze1 Die wichtigste Quelle über Johann Georg Heinrich Feders Leben stammt von ihm selbst. Bereits in den ersten Jahren seiner Göttinger Zeit begann er mit autobiographischen Aufzeichnungen.2 Im Jahre 1801 brachte Feder seine Notizen in eine erste geschlossene Form, die er in den Jahren bis zu seinem Tod 1821 sukzessive erweiterte. An eine Veröffentlichung nach seinem Tod dachte Feder von Anfang an. Die Geschichte seines Lebens sollte nicht nur seinen Nachkommen, sondern auch anderen zur »Belehrung und Ermunterung« dienen. Feders Sohn Karl August Ludwig (1790–1856) hat diesem Wunsch entsprochen und die Aufzeichnungen in dem von Feder konzipierten Aufbau nebst einigen Ergänzungen 1825 herausgegeben. Handelt es sich bei Feders Lebensbeschreibung um eine typische Gelehrtenautobiographie des 18. Jahrhunderts? Laut Günter Niggl befand sich diese seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im Umbruch.3 Die Gelehrtenautobiographie gehört zum Typus der Berufsautobiographie, die sich in der Frühen Neuzeit aus frühen autobiographischen Formen der privaten Familienchroniken entwickelte. Einst an die Leichenpredigt angelehnt, verlor sie ihren reinen berufsbezogenen Zuschnitt und erhielt mehr und mehr individuelle Züge. Die Autoren stellten zunehmend ihre Person, ihr Handeln und Wirken in Bezug auf das Zeitgeschehen aus ihrer individuellhistorischen Perspektive dar.4 Bei Feder findet sich dies in Ansätzen. Formal, in der Makrostruktur, orientiert auch er sich mit seiner Autobiographie noch an der älteren Gelehrtenautobiographie. Wie die Leichenpredigt baut sich die klassische Gelehrtenautobiographie aus Lebenslauf, Charakteristik und Werkverzeichnis auf. Feders Leben, Natur und Grundsätze ist a prima vista noch nach dieser traditionellen Gliederung gestaltet, 1 Karl August Ludwig Feder (Hg.): J. G. H. Federʼs Leben, Natur und Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus aufzunehmen geneigt sind. Leipzig, Hannover u. Darmstadt 1825. Im Folgenden als LNG zitiert. 2 Ebd., S. XIII. 3 Günter Niggl: Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung. Darmstadt 1989, S. 21. 4 Ebd., S. 76, 80.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-002
Sören Schmidtke was sich allein schon am Titel ablesen lässt. Mikrostrukturell weicht sie jedoch von diesem Muster ab. Schon im ersten Teil seiner Lebensbeschreibung verbindet Feder die einzelnen Lebensstationen und -situationen eng mit seiner eigenen Gefühlswelt und reflektiert dabei zugleich über sein Umfeld und sein eigenes Handeln. Mit der ausführlichen Schilderung seiner privaten und beruflichen Lebensumstände verfolgt Feder nicht nur einen apologetischen und verständniswerbenden Zweck, sondern auch das historisch-interessierte Ziel, die »Denk- und Lebensart jener Zeit, von der die gegenwärtige sich schon so sehr entfernt hat«,5 nachzuzeichnen. Die Französische Revolution und Besatzungszeit lässt Feder dann überdies erstmals sein Leben und Wirkungsumfeld ins Verhältnis mit der Zeitgeschichte setzen, wobei er versucht, diese mit selbsterlebten Anekdoten zu illustrieren und zu kommentieren.6 In den gedruckten Leichenpredigten und frühen Gelehrtenautobiographien bestand die Charakteristik zumeist nur aus dem gestochenen Porträt oder einer kurzen Beschreibung des Äußeren des Verstorbenen bzw. des Autors. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Selbstcharakteristik um die Darstellung der eigenen Empfindungswelt erheblich erweitert und führte zur Verschmelzung von Lebenslauf und Charakteristik, womit die Charakteristik zum Hauptthema wurde. Bereits den ersten Teil der Lebensbeschreibung nutzt Feder zur persönlichen Introspektion und Reflexion. Er unterteilt die Bereiche zwar noch getreu der Gattungstradition, doch nimmt er auch schon die Charakteristik in den Dienst seines pädagogischen Ziels, dem Leser seine philosophischen Erkenntnisse näher zu bringen. Er unterteilt die Charakteristik in zwei Kapitel. Das erste benennt er »Eigenheiten meines Körpers und Geistes, nebst einigen Bemerkungen über meine Gemüthsart«. Hierin zeichnet Feder gattungskonform ein Bild von sich selbst. Er gibt Auskunft über seine Krankheitsgeschichte, seine Verdauung, seine Wetterfühligkeit, seine Geldangelegenheiten u. v. m. Auch eine Beurteilung seiner kognitiven Stärken und Schwächen sowie die Art des Umgangs mit seinen Mitmenschen beschreibt Feder mit schonungsloser Offenheit. Dieses Kapitel trägt somit noch Züge der spezifisch pietistischen Autobiographie, die Ende des 17. Jahrhunderts August Hermann Francke entwickelte, indem er die Autobiographie in die Form der Bekenntnisschrift brachte und sich hauptsächlich auf die Darstellung rücksichtsloser Selbstbeobachtung und Bußerfahrung beschränkte.7 Im zweiten Kapitel, »Meine wesentlichsten philosophischen Grundsätze, Ansichten und Überzeugungen« betitelt, legt Feder nun im Kern seine »letzten philosophischen Bekenntnisse« dar, von denen er in der Vorerinnerung spricht.8 Er spielt damit indirekt auf die Lebensbeschreibungen von Augustinus9
5 LNG (s. Anm. 1), S. 10. 6 Niggl: Autobiographie (s. Anm. 3), S. 134f. 7 Ebd., S. 7–9. 8 LNG (s. Anm. 1), S. XIV. 9 Augustinus von Hippo: Confessiones (397–401).
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(354–430), von Jean-Jacques Rousseau10 (1712–1778) und den Konfessionscharakter der pietistischen Autobiographie an, verwebt aber nicht wie diese seine philosophischen Bekenntnisse allein mit seiner Lebensgeschichte, sondern widmet ihnen programmatisch einen eigenen Teil mitsamt einem staatsrechtlichen Glaubensbekenntnis. In den einzelnen Unterkapiteln zur Logik, Metaphysik und Praktischen Philosophie variiert Feder sein Darstellungsverfahren. Von der ersten Person Singular wechselt er in die dritte Person Singular, dann in die erste Person Plural, um sich schließlich im Imperativ unmittelbar an den Leser zu wenden. Ausgehend von seinen persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen verallgemeinert er diese und gibt dem Leser in expliziter Anrede Ratschläge.11 Das zweite Kapitel gewinnt damit gemäß seines Untertitels die Form der direkten Belehrung. In der Lebensbeschreibung geht Feder ab 1805 von der zusammenhängenden Erzählung seines Lebens zur Form von relativ knapp gefassten jährlichen Berichten über. 1805 starb Feders zweite Frau und er selbst rechnete von nun an jederzeit mit seinem eigenen Tod.12 Nach mehreren Arbeitsphasen, in denen er das bereits Vorhandene nur geringfügig ergänzte, war seine Autobiographie spätestens 1810 im Wesentlichen abgeschlossen. Er hielt sein Leben für weitgehend auserzählt, seine »philosophischen Bekenntnisse« waren im Großen und Ganzen niedergeschrieben, und auch die gewünschten Beilagen waren zusammengetragen. Der Berichtstil erlaubte Feder eine zwanglose Fortsetzung seiner Autobiographie, ohne Gefahr zu laufen, darüber zu versterben und das Werk ungeordnet zurückzulassen. Neben den essentiellen Motiven des autobiographischen Schreibens, der Information und Rechtfertigung, gesellt sich mehr oder minder stark der Anspruch, selbst künstlerisch, d. h. literarisch, tätig zu sein. Mit dem angehängten Otium senile betont Feder auch diese Seite. Das aus 2.567 lateinischen Versen bestehende Werk ersetzt das übliche Werkverzeichnis und ist laut Kurt Wöhe die Niederschrift seiner Lebensweisheit.13
Kindheit und Jugend Geboren wurde Feder am 15. Mai 1740 in Schornweisach, einem fränkischen Dorf rund 25 Kilometer westlich von Erlangen. Er wurde in eine Pfarrersfamilie hineingeboren. Wie sein Vater Martin Heinrich Feder (1693–1749), der der Pfarrer von Schornweisach war, waren alle seine männlichen Vorfahren in direkter väterlicher 10 Jean-Jacques Rousseau: Les Confessions. Genf 1782–1789. 11 LNG (s. Anm. 1), beispielhaft S. 253–258. 12 Ebd., S. 193. 13 Kurt Wöhe: Johann Georg Heinrich Feder. Eine Untersuchung zur Geschichte des Philanthropinismus. Leipzig 1928, S. 24.
Sören Schmidtke Linie bis zum Urururgroßvater Seelsorger gewesen.14 Auch Johann Georgs älterer Bruder Christian Friedrich (1726–1808) wird später das Pfarramt bekleiden. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr blieb die Familie in Schornweisach, wo Feder seinen ersten Unterricht vom Vater, vom Bruder und in der Dorfschule erhielt. Im Winter 1749 wurde der Vater auf die Nachbarspfarre in Gutenstetten versetzt, starb aber kurz darauf am 23. Dezember an seinem 56. Geburtstag. Feders Mutter Eleonore Amoena Eva blieb nahezu unversorgt mit fünf unmündigen Kindern zurück. Es folgten Jahre der äußersten Bescheidenheit. 1750 erreichte die Mutter, dass Feder, wie auch schon sein älterer Bruder, an der Hochfürstlich Brandenburgisch-Culmbachischen Teutschen und Lateinischen Stadtschule15 in Neustadt an der Aisch unterrichtet wurde. Mit Beginn des Rektorats Johann Jakob Schobers (1667–1717) im Jahre 1696 erhielt die Schule eine dezidiert pietistische Ausrichtung.16 In den 1730er Jahren organisierten die Francke-Schüler Johann Adam Steinmetz (1689–1762) und Georg Sarganeck (1702–1743) sowie der Herrnhuter Paul Eugenius Layritz (1707–1788) die Neustädter Stadtschule nach dem Vorbild des halleschen Pädagogiums.17 Unter dem Einfluss der Reformpädagogen bekam die Hochfürstliche Schule zunehmend ein ständeübergreifendes Profil, sodass Söhne aus dem Gewerbe- und Handwerksstand zusammen mit Pfarrers-, Patrizier-, Bauern- und Tagelöhnerkindern lernten. Durch die Vermittlung Franckes und Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) entwickelte die Schule auch überregionale Anziehungskraft auf insbesondere adlige Schüler aus den benachbarten Herrschaften.18 Zu Feders Schulzeit setzten Superintendent Johann Christian Lerche (1691–1768) und Rektor Georg Christoph Oertel (1715–1790) das pietistische Erbe fort, das auf den Pfarrerssohn bald einen tiefen Eindruck machte. »Mit diesem Aufenthalte auf der Neustädter Schule fängt die Geschichte meiner e r n s t e r e n u n d a n h a l t e n d er e n R e l i g i o n s g e f ü h l e an.«19 Oertel wurde Feder bald zum väterlichen Freund und beeinflusste seine Charakterbildung, verstärkte seine Religiosität 14 Feders Vater, Martin Heinrich Feder, publizierte 1739 eine detaillierte Familiengenealogie. Martin Heinrich Feder: Historia Genealogica Sev Descriptio Genealogico-Historica Familiae Federianae. E Docvmentis Domesticis Et Aliis Monvmentis Collecta. In Gratiam Posteriorvm Liberis Federianis E Linea Langenaviensi et Schrieshemiensi Relictis. s. l. 1739. In den Beilagen zu Feders Autobiographie gibt Karl Ludwig Feder einen aktualisierten Stammbaumauszug daraus. Vgl. LNG (s. Anm. 1), S. 295. 15 1772 verlieh der Landesherr Karl Alexander Markgraf von Brandenburg-Ansbach-Bayreuth der Schule den Namen Friderico Alexandrina. Als Friedrich Alexander-Gymnasium besteht die Schule bis heute fort. 16 Vgl. zum pietistischen Hintergrund: Marianne Doerfel: Das Gymnasium in Neustadt/Aisch: Pietismus und Aufklärung. In: Max Liedtke (Hg.): Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens. Band 1, Bad Heilbrunn 1991, S. 405–424. 17 Ebd., S. 405f. 18 Ebd., S. 409. 19 LNG (s. Anm. 1), S. 23.
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und legte die »wichtigsten Grundlagen [s]einer gelehrten Kenntnisse«20. Die reguläre Schuldauer betrug auf der Neustädter Schule sieben Jahre in fünf Klassenstufen, wovon die Prima drei Jahre beanspruchte. Unterrichtet wurden unter anderem Deutsch, Religion, Geschichte, Französisch, Italienisch, Chaldäisch und Hebräisch. Ergänzt wurde das Fächerangebot durch »Recreations-Übungen«, in denen die Schüler mit Botanik, Heraldik, Artillerie und Chronologie bekannt gemacht wurden und sich auch handwerklich und sportlich betätigen sollten.21 In der Quarta begann der Lateinunterricht, der in der Tertia und Sekunda zwölf Wochenstunden umfasste. Griechisch lernte Feder ab der Sekunda zwei Stunden in der Woche anhand des Neuen Testaments. 1752 wechselte der Theologe Andreas Raab (1720–1783) von Kloster Berge nach Neustadt und wurde Konrektor an der Hochfürstlichen Schule. Er unterrichtete Mathematik, Physik sowie Logik und Metaphysik nach Layritz und dem Wolff-Schüler Ludwig Philipp Thümmig (1697–1728). Besondere Vorliebe entwickelte Feder für pietistische Lieder, das Lateinische, insbesondere Seneca, und die Philosophie. Am 28. April 1757 beendete Feder mit seiner letzten Examensrede de praestantia et utilitate lingua graecae in griechischen Versen die Schulzeit.22 Bereits acht Tage später immatrikulierte sich Feder an der Friedrich-Universität in Erlangen mit der Absicht, Theologie und Schulwissenschaften gleichermaßen zu studieren, um »durch jene im Nothfalle zu einem Amte zu gelangen«23. Als Feder nach Erlangen ging, war die Universität erst knapp fünfzehn Jahre alt. In mehreren Stufen gegründet, entstand in Erlangen die erste protestantische Universität im Fränkischen Raum, und zwar mit dem Ziel, die akademische Ausbildung der Untertanen im eigenen Land sicherstellen zu können.24 In der Anfangszeit lehrten sechzehn ordentliche Professoren auf 20 Lehrstühlen in vier Fakultäten. Zu Feders Studienzeit hatte die Friedrich-Universität mit einer dauerhaften strukturellen Unterfinanzierung zu kämpfen, die die Lehrqualität erheblich einschränkte und die Universität bis an den Rand der Auflösung führte.25 Daher blieb die Zahl der Studenten in diesen Jahren konstant bei 200.26 Feder hörte zuerst Dogmatik bei Joachim Ehrenfried Pfeiffer (1709–1787) und Kirchengeschichte bei Caspar Jakob Huth (1711–
20 Ebd., S. 17. Oertel publizierte 1789 eine biographische Schrift zu Feders Jugendzeit. Georg Christoph Oertel: Vita et fata Iohannis Georgii Henrici Federi. Nevstadii ad Aissvm 1789. 21 Doerfel: Das Gymnasium in Neustadt/Aisch (s. Anm. 16), S. 408, und LNG (s. Anm. 1), S. 20f. 22 Georg Christoph Oertel: Examen solenne scholae neapolitanae ad Aissvm. Norimbergae [1757], S. 19f. 23 LNG (s. Anm. 1), S. 32. 24 Anja Beyer: Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen 1740–1810. Köln u. a. 1992, S. 22–35. 25 Alfred Wendehorst: Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743– 1993. München 1993, S. 33–36, S. 44. 26 Ebd., S. 34, und Franz Eulenburg: Die Frequenz der deutschen Universitäten. Von ihrer Gründung bis zur Gegenwart. Leipzig 1904, S. 175.
Sören Schmidtke 1760).27 Doch Feder zog es mehr zur Philosophie. »Die langweilige Art der theologischen Studien machte mir die philosophischen um so angenehmer.«28 In der Philosophie wurde Simon Gabriel Suckow (1721–1786) sein Lehrer. Der Mecklenburger galt als einer der besten Dozenten an der Universität. Der spätere Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791), dem Feder öfters beim Klavierspielen zuhörte, wollte Suckow gar neben Bach und Klopstock stellen.29 Bei Suckow hörte Feder Logik, Metaphysik, Moral sowie Naturrecht und schätzte seine ungewöhnlich »genaue[n] und scharfsinnige[n]« Bestimmungen und Beweise.30 Feders umfangreiche Sprachkenntnisse ermöglichten es ihm, seinen Kommilitonen Unterricht zu geben und damit seine Mutter bis zu ihrem Tod am 10. April 1760 zu unterstützen. In losen Studentenorden schulte er sich im deutschen und lateinischen Stil, so unter anderem mit Gottlieb Christoph Harleß (1738–1815), der sich nur wenige Tage vor Feder an der Universität eingeschrieben hatte. Ferner übte er sich im Disputieren, nahm an einem Duell teil und predigte nach zwei Jahren erstmals öffentlich.31 Am 30. Juli 1759 verteidigte Feder seine Arbeit sex dies intra quos opus creationis absolutum quales fuerint? vor dem Mathematikprofessor Johann Ernst Basilius Wiedeburg (1733–1789) u. a. gegen Statius Müller (1725–1776), was ihm allgemeine Anerkennung einbrachte.
Hofmeister Im Herbst 1759 verließ Feder die Universität mit dem Ziel eine Lehrstelle anzutreten. Er erhielt eine Zusage für eine Anstellung am Pädagogium in Halle, mit dessen Direktor er bereits verhandelte. Inzwischen hatte jedoch sein alter Lehrer Oertel eine Hofmeisterstelle für ihn vermittelt, der Feder schließlich den Vorzug gab. Seine beiden zwölf- und vierzehnjährigen Schützlinge, die Söhne des Freiherrn von Woellwarth zu Polsingen,32 begleitete Feder zunächst auf das Gymnasium in Neustadt, bevor er anderthalb Jahre später in Ansbach allein den Unterricht übernahm. Auf diese Weise absolvierte Feder seine pädagogischen Lehrjahre. Fast ohne erzieherische Erfahrung zog er die schöne Literatur zu Hilfe. Er las François Fénelons Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1699) und Antoine-François Prévosts Mémoires et Aventures dʼun homme de qualité qui sʼest retiré du monde (1728–1731), um
27 LNG (s. Anm. 1), S. 32f. 28 Ebd., S. 36. 29 Ebd., S. 42. 30 Ebd., S. 36. 31 Ebd., S. 12, 35, 37 und 41. 32 Karl Christian Friedrich Freiherr von Woellwarth (1746–1810) und Franz Bernhard Wilhelm Freiherr von Woellwarth (1748–1771).
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
sich ein Bild von den Aufgaben eines Hofmeisters zu machen. Rousseaus Emile ou De lʼéducation (1762), den er erst etwas später las, lehrte ihn vor allem Geduld. Neben seiner erzieherischen Arbeit nutzte Feder die Zeit, in den für ihn bis dahin unbekannten Gesellschaftskreisen seine Umgangsformen auszubilden und seine Weltund Menschenkenntnis zu erweitern. Unterdessen hatte der Ältere der WoellwarthBrüder den Offiziersdienst angetreten.33 Seine Erfahrungen als Hofmeister wird Feder später unter anderem in seinem Werk Der neue Emil oder Von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen von 1768 und 1775 verarbeiten.34 Feder will darin vor begangenen Fehlern warnen und das Gute und Nützliche von Rousseaus Emile in Deutschland verbreiten helfen. Zugleich kritisiert er den Zug »des allzu Idealischen«.35 Feder versucht ein realistisches Bild von der Stellung eines Hofmeisters zu zeichnen, gibt praktische Empfehlungen und macht Vorschläge, wie der Erziehung in der gegenwärtigen Gesellschaft aufgeholfen werden könnte.36 1764 begleitete Feder den ihm verbliebenen Zögling mit einem anderen Verwandten37 an die Universität Erlangen. Hier traf er seinen früheren Kommilitonen Harleß wieder, der 1765 eine außerordentliche Professur an der Philosophischen Fakultät erhielt. Feder erreichten in dieser Zeit verschiedene Stellenangebote, die er allesamt ausschlug.38 Stattdessen ersuchte er um die Magisterwürde und verfasste die Dissertation Homo natura non ferus, in der er sich mit der Philosophie Rousseaus auseinandersetzt und den Menschen als soziales Wesen gegen Rousseaus paradoxen Primitivismus verteidigt. Um auch die facultas docendi zu erhalten, musste er seine Arbeit in zwei Sektionen unterteilen, die er alsdann an zwei aufeinander folgenden Tagen verteidigte.39 Sein Freund Harleß hatte inzwischen die Professur für Beredsamkeit am Gymnasium Academicum in Coburg erhalten und vermittelte dort kurz darauf Feder den Ruf auf die Professur für Metaphysik und orientalische Sprachen. Feders Schüler
33 LNG (s. Anm. 1), S. 42–46. 34 Anonymus [Johann Georg Heinrich Feder]: Der neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen. 1. Theil. Erlangen 1768. 2. Theil. Erlangen 1775; vgl. hierzu auch die Beiträge von Jutta Heinz und Udo Roth in diesem Band. 35 LNG (s. Anm. 1), S. 84. 36 Im Neuen Emil lässt Feder den Hofmeister die private Erziehung durch einen Hofmeister und die öffentliche Erziehung durch Höhere Schulen und Universitäten miteinander vergleichen und als Lösung die »Landakademie« als einen möglichen dritten Weg darlegen. Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Der neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen. 1. Theil. Erlangen 31774, S. 268–287. 37 Ludwig Christian Freiherr von Woellwarth (1749–1802). 38 LNG (s. Anm. 1), S. 49 und S. 51f. 39 Ebd., S. 52–54.
Sören Schmidtke hatte sich derweil für die Offizierslaufbahn entschieden. So nahm Feder die Berufung an und reiste am 5. November 1765 gen Coburg ab.40
Coburg Das Casimirianum sollte laut Stiftungsurkunde von 1605 ausdrücklich eine Mittelstellung zwischen Schule und Akademie einnehmen41 und war daher in zwei Sektionen unterteilt, die jeweils in zwei Jahren zu durchlaufen waren. Im Paedagogium sollten die Schüler auf eine akademische Ausbildung vorbereitet werden. Im Publicum wurden darauf theologische, philosophische, juristische und medizinische Vorlesungen gehalten.42 Feder, der in beiden Sektionen lehrte, unterrichtete Moral und Metaphysik, zudem Latein, Hebräisch, deutsche Grammatik, Geschichte und Geographie. Die orientalischen Sprachen tauschte er bald gegen Logik ein.43 In Moral und Logik legte er Lehrbücher von Joachim Georg Darjes (1714–1791) zu Grunde,44 darin seinen Vorgängern folgend. Im Naturrecht las er wie Suckow nach Gottfried Achenwalls (1719–1772) Kompendium Ius naturae in usum auditorum (1755). Seine Kenntnis der philosophischen Literatur war nach eigenem Bekunden zu dieser Zeit noch sehr eingeschränkt. Er las nun Lehrbücher von Samuel Christian Hollmann (1696–1787), Christian August Crusius (1715–1775) und Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d’Argens (1703–1771) sowie Johann Jakob Brucker (1696–1770), Diogenes Laertius (3. Jh. n. Chr.) und den Extrait du Dictionnaire von Pierre Bayle (1647– 1706).45 In seiner Hofmeisterzeit in Erlangen hatte Feder seinen Zöglingen zur Vorbereitung eine Einführung in die Philosophie gegeben. Diesen »erste[n] Versuch«46 baute er 1766/67 zum Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen
40 Ebd., S. 54–56. 41 Bewiddung und Ordnung, Wie es in unserm Gymnasio zu Coburg, ingleichen zu Gotha, und andern Stadt-Schulen, mit Lectionibus, Disputationibus, und sonsten zu halten [vom 3. Juli 1605]. In: Reinhold Vormbaum (Hg.): Evangelische Schulordnungen. 2. Bd., Gütersloh 1863, S. 1–11, hier S. 3f. 42 Leges und Ordnung des Gymnasiums zu Coburg. In: ebd. S. 11–27, hier S. 24–27. 43 LNG (s. Anm. 1), S. 61f. 44 Introdvctio in artem inveniendi sev Logicam theoretico-practicam qva Analytica atqve Dialectica proponuntur in vsvm et ivssv avditorivm svorvm methodo iis commodo. Ienae 1742, und ders.: Erste Gründe der philosophischen Sitten-Lehre auf Verlangen und zum Gebrauche seiner Zuhörer entworfen. Jena 1750. 45 LNG (s. Anm. 1), S. 59f. 46 Ebd., S. 50.
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
Geschichte47 aus und widmete ihn seinen zwei Woellwarth-Zöglingen. Der Grundriß ist aus der Unterrichtspraxis für die Lehre geschrieben. Feder betont, dass das Werk nur einen »Vorschmack« und »vorläufigen Begrif« der Philosophie und ihrer Geschichte vermitteln will. Er lege nun diesen Entwurf vor, weil es ihm selbst in dieser Hinsicht an einer gehörigen Grundlage gefehlt habe.48 Feder schloss mit seinem Grundriß eine Lücke in der Lehrbuchliteratur seiner Zeit, das schnell zum Standardwerk wurde. So nahm beispielsweise auch Immanuel Kant (1724–1804) für seine Vorlesung über die Philosophische Enzyklopädie Feders Kompendium zur Grundlage.49 Feder erhoffte sich von seinem Grundriß nichts weniger als die Berufung nach Göttingen.50 Um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, schickte er seinen Grundriß an Christian August Crusius und Johann August Ernesti (1707–1781) in Leipzig sowie an Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) und Hollmann in Göttingen. Crusius, der im Grundriß eine Abkehr von Wolffs Lehrmethoden sah, versprach eine Empfehlung. Ernesti scheint Feders populäre Darstellungsmethode gefallen zu haben und schlägt dem Kurator der Universität Göttingen, Gerlach Adolph von Münchhausen (1688–1770), Feder für eine frei gewordene Professur vor. Feders Kalkül, die WolffKritiker für seine Berufung in eine Phalanx zu bringen, sollte aufgehen. Doch zunächst heiratete Feder am 15. Mai 1767, seinem 27. Geburtstag, Sophie Häublein.51
Göttingen Indes kam der gewünschte Ruf aus Göttingen. Wie die Erlanger Universität war auch die Göttinger Georgia Augusta zu dieser Zeit eine junge Universität. 1732 gegründet und 1737 inauguriert, befand sie sich am Ende der sechziger Jahre noch mitten im Aufbau. Konzipiert wurde sie als Reformuniversität nach dem Vorbild der 40 Jahre zuvor gegründeten Universität Halle. Um aber eine Lähmung durch andauernde inneruniversitäre Kontroversen wie in Halle zu vermeiden, wurde der Theologischen Fakultät keine Aufsichtsfunktion eingeräumt und die Lehre de jure von der Zensur
47 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte zum Gebrauch seiner Zuhörer herausgegeben. Coburg 1767; vgl. hierzu auch den Beitrag von Hans-Peter Nowitzki in diesem Band. 48 Ebd., Bl. A6af. 49 Heiner F. Klemme: Kants Philosophie des Subjekts. Systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zum Verhältnis von Selbstbewußtsein und Selbsterkenntnis. Hamburg 1996, S. 103f. 50 LNG (s. Anm. 1), S. 61. 51 Ebd., S. 66.
Sören Schmidtke befreit.52 Von Anfang an lag die Leitung der Universitätsgründung bei Münchhausen, der auch ihr erster Kurator wurde. Der Kurator führte aus dem Ministerium in Hannover die Oberaufsicht über die Universität. Die starke Stellung des Kurators, der in nahezu allen Angelegenheiten die letzte Entscheidungsgewalt innehatte, war gewollt, um reibungslos das angestrebte Profil durchzusetzen und damit im Wettbewerb mit den etablierten deutschen Hochschulen bestehen zu können. Die Göttinger Universität sollte in erster Linie die Versorgung des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg mit gut ausgebildeten Staatsbediensteten gewährleisten. Die universitäre Lehre hatte nach den Vorstellungen Münchhausens vor allem die Vermittlung von nützlichem Wissen, das praktisch angewandt werden kann, zu leisten.53 Daher beherrschten Geschichte, Jurisprudenz und die sich in einzelne Fächer ausdifferenzierenden Staatswissenschaften das Lehrangebot.54 Pragmatisch war auch Münchhausens Maßstab bei der Besetzung der Professuren. Im Falle der Philosophie bedeutete dies für Münchhausen eine Ablehnung des Wolffianismus, deren »schulmäßige und more geometrico demonstrierende Anlage […] der Gewinnung nützlicher Wahrheiten abträglich zu sein [scheint]«.55 Zudem schaute Münchhausen auf die Hörerzahlen. Seine Berufungspraxis zeigt, dass er Wolff-Kritiker und Eklektiker bevorzugte.56 Von diesen versprach er sich eine gewisse Zugkraft, wobei er in Feders Fall bis zu dessen Kant-Kontroverse auch Recht behalten sollte. Göttingen war in dieser Zeit zur viertgrößten deutschen Universität aufgestiegen. An vier Fakultäten lehrten 41 Professoren im Durchschnitt 650 Studenten.57 Nachdem Münchhausen ausführliche Erkundigungen über Feder hatte einholen lassen, schien ihm dieser der geeignete Mann. In der Tat passte Feder gut in das Konzept Münchhausens. In Distanz zum Wolffianismus hatte Feder im Grundriß unter Beweis gestellt, dass er fremdes Wissen anschaulich vorstellen konnte, um den gesunden Menschenverstand zu schulen. Als Feder Metaphysik nach Böhm und Moral nach Darjes lesen wollte, wurde ihm zu verstehen gegeben, dass er doch besser seinen Grundriß dazu nähme.58 Pointiert lässt sich sagen, dass Feder in Göttingen in erster Linie philosophisches Wissen unbeschwert von Schulstreitigkeiten vermitteln sollte, das dann im beruflichen Alltag mehr oder minder unwillkürlich Anwendung finden
52 Rudolf Vierhaus: 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung. In: Bernd Moeller (Hg.): Stationen der Göttinger Universitätsgeschichte 1737–1787–1837–1887–1937. Eine Vortragsreihe. Göttingen 1988, S. 9–26, hier S. 20f. 53 Ernst Gundelach: Die Verfassung der Göttinger Universität in drei Jahrhunderten. Göttingen 1955, S. 2. 54 Vierhaus: 1737 (s. Anm. 52), S. 23. 55 Falk Wunderlich: Empirismus und Materialismus an der Göttinger Georgia Augusta – Radikalaufklärung im Hörsaal? In: Aufklärung 24 (2012), S. 65–90, hier S. 81. 56 Ebd., S. 80–82. 57 Eulenburg: Die Frequenz der deutschen Universitäten (s. Anm. 26), S. 148, 165 und 319. 58 LNG (s. Anm. 1), S. 72.
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
konnte. Zudem war die Göttinger Philosophie zu der Zeit wie erstarrt. Hollmann galt als zu alt, Andreas Weber (1718–1781) war unbeliebt, Johann Beckmann (1739–1811) las nicht mehr und Metaphysik wurde nur gegeben, weil sich der Mathematiker Kästner dazu bereit erklärt hatte.59 Feder war über die Berufung so erfreut, dass er das Angebot gar nicht mehr nachverhandelte und zunächst auch vergaß, Reisegeld zu verlangen. Im März 1768 ging Feder mit einer Besoldung von 500 Reichstalern, einer Zulage von 200 Reichstalern und schließlich doch noch mit Reisegeld versehen nach Göttingen.60 Mit seinem Antrittsprogramm De sensu interno,61 in dem er Locke zum ersten Mal verwendete, lud er zu seiner Antrittsvorlesung De eo quod philosophia concedendum sit genio in seculi. Neben einem Publikum über Platons Phaedon gab Feder im ersten Semester wöchentlich sechs Stunden Logik und Metaphysik vor ca. 80 Hörern sowie fünf Stunden Praktische Philosophie vor 15 Hörern. Später las er auch noch Naturrecht, lateinisch über Cicero und bot Disputationsübungen an. In seiner Autobiographie urteilt Feder über sich: Aber ich selbst war für Göttingen noch nicht reif. Ohne festes System, schwankte ich zwischen Wolfischem Dogmatismus und einem Scepticismus, den Naturanlagen und Lectüre erzeugt, tiefere Einsichten noch nicht geläutert und in die rechten Gränzen gebracht hatten.62
Feder ging nun daran, sich ein philosophisches Programm zu erarbeiten. Geleitet von dem Vorsatz, »a n w e n d b a r e Philosophie aus den natürlichsten, oder nicht füglich zu bestreitenden, Vorstellungsarten zu entwickeln, das Wahre und Gute, was sie enthielten, durch vernünftige Gründe jedweder Art zu befestigen«,63 wurden ihm die Psychologie und die Philosophiegeschichte wichtiger denn je. Das »redliche Suchen nach Wahrheit«64 hieß für Feder, sich »vor den Blendwerken einseitiger Vorstellung zu bewahren«. Um zu gründlichen Einsichten zu gelangen, sei »die Vergleichung verschiedener Vorstellungsarten, das Studium mehrerer Systeme, erforderlich«.65 Feder begründete seine Methode psychologisch: die »irenischeclectische Forschung nach Wahrheit«, die er später bei Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) bestätigt gefunden habe, läge in seinem Naturell.66 Zu Beginn seiner Göttinger Zeit schulte sich Feder an den englischen Empiristen, insbesondere an 59 Ebd., S. 71. 60 Ebd., S. 68f. 61 Johann Georg Heinrich Feder: De sensu interno. Exercitatio philosophica. Prima ad orationem qua munus professoris philosoph. p. o. in inclita Georgia Augvsta ad diem XXX. Aprilis capessiturus est invitaturus. Göttingen 1768. 62 LNG (s. Anm. 1), S. 71f. 63 Ebd., S. 79f. 64 Ebd., S. 251. 65 Ebd., S. 60. 66 Ebd., S. 80.
Sören Schmidtke Locke und Reid. Am common sense orientiert, entwickelte er seinen Leitbegriff vom gesunden Menschenverstand, mit dem er verschiedene Elemente von Wolffs Rationalismus und Skeptizismus zusammenführt sowie seine Philosophie psychologisch fundiert. Feders »toleranter Eklektizismus«67 ist auf Ausgleich bedacht; er will verbinden und nicht trennen. Karl Leonhard Reinhold (1757–1823) macht ihm das später zum Vorwurf, indem er davon spricht, dass die Lehrbücher der Zeit »mehr historisch als philosophisch, mehr erzählend als untersuchend«68 verfahren. Jedoch ist es genau dies, was Feders Erfolg in den Jahren zwischen 1767 und 1782 ausmachte. »[D]as entscheidende Dogmatisiren und Absprechen, ohne entschiedene Einsicht und eigene Überzeugung, war nie meine Sache«69, schreibt Feder rückblickend. Die Fokussierung Feders auf die Vermittlung philosophischer Geschichte und empirischer Psychologie70 kam den Lehranforderungen, Feders Wesensart und dem Zeitgeschmack seiner Hörer und Leser gleichermaßen entgegen. Sein Vortragsstil gefiel und seine Hörerschaft wuchs von Jahr zu Jahr: »Ich war – in der Mode, etwas Neues, und ohne bedeutende Gegner«71. Gleiches gilt auch für Feders Lehrbücher, die die Grundlage für seine Bekanntheit außerhalb Göttingens bildeten. Noch in seinem ersten Göttinger Jahr ging Feder an die Ausarbeitung von Logik und Metaphysik, das 1769 erstmals erschien und sieben Auflagen erfuhr.72 1770 folgte das Lehrbuch zur praktischen Philosophie,73 1777 die Institvtiones Logicae Et Metaphysicae74 und im Jahre 1782 die Grundlehren zur
67 Walther Ch. Zimmerli: ›Schwere Rüstung‹ des Dogmatismus und ›anwendbare Eklektik‹. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia Leibnitiana 15 (1983), S. 58–71, hier S. 64. 68 Karl Leonhard Reinhold: Versuch einer Beantwortung der von der Königl. Ak. der Wissensch. zu Berlin aufgestellten Frage: ›Was hat die Metaphysik seit Wolff und Leibnitz gewonnen?‹ In: Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften (Hg.): Preisschriften über die Frage: Welche Fortschritte hat die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht? Von Johann Christoph Schwab […], Karl Leonhard Reinhold […] und Johann Heinrich Abicht […]. Berlin 1796, S. [171]–254, hier S. 174. 69 LNG (s. Anm. 1), S. 76. 70 Vgl. Erich Pachaly: J. G. H. Feders Erkenntnistheorie und Metaphysik in ihrer Stellung zum Kritizismus Kants. Borna, Leipzig 1906, S. 14–16. 71 LNG (s. Anm. 1), S. 77f. 72 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen und Gotha 1769. Weitere rechtmäßige Ausgaben erschienen 1770, 1771, 1774, 1778, 1786 und 1790. 73 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Göttingen 1770. Drei weitere rechtmäßige Ausgaben erschienen 1771, 1773 und 1776. 74 Johann Georg Heinrich Feder: Institutiones logicae et metaphysicae. Göttingen 1777. 1794 entschied sich Feder, das Kompendium überarbeitet auch in deutscher Sprache zu veröffentlichen; ders.: Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794.
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens75, die ebenfalls mehrere Auflagen erfuhren und wiederholt nachgedruckt wurden. Aus der Vorlesungspraxis heraus geschrieben, waren Feders didaktische Kompendien über Jahre an vielen Gymnasien und Universitäten im Deutschen Reich als Standardwerke im Gebrauch. Die meiste Zeit seiner Göttinger Jahre verbrachte Feder mit der Ausarbeitung der vierteiligen Untersuchungen über den menschlichen Willen, deren Bände von 1779 bis 1793 erschienen.76 Als praktisches Seitenstück zu John Lockes Essay concerning human understanding (1690) konzipiert, sah Feder die Schrift als sein wichtigstes Werk an, deren dargelegte Grundsätze er an sich selbst und anderen erprobt habe.77 Erste kleinere publizistische Arbeiten hatte Feder bereits in seiner Hofmeisterzeit in Erlangen für die Erlanger gelehrte Zeitung angefertigt und dies auch in seinen Coburger Jahren fortgesetzt.78 Später schrieb er für eine Reihe von Zeitschriften zu vielfältigen Themen. Es finden sich neben Rezensionen Aufsätze über das Militär, die Erziehung, die Todesstrafe, Staatsklugheit, den Ursprung der Sprachen, die Ehe, Verlagseigentum, den Traum u. v. m. 1769 konnte ihn Christian Gottlob Heyne (1729–1812) für die Mitarbeit an den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen gewinnen. Dort erschien am 19. Januar 1782 in den Zugaben eine Rezension zu Kants Kritik der reinen Vernunft (1781),79 in deren Folge eine Kontroverse zwischen Feder und Kant entstand, die insbesondere für Feder ungeahnte Auswirkungen haben sollte. Im Sommer 1781 hatte sich Christian Garve (1742–1798) bereit erklärt, Kants Werk zu besprechen. Der von Garve abgelieferte Text erschien Feder, dem die Redaktion oblag, zu lang, sodass er ihn auf ein Viertel zusammenstrich und durch Zusätze die Verständlichkeit zu verbessern suchte.80 Feder hat dabei die grundsätzlichen Kritikpunkte nicht verändert, sondern lediglich etwas schärfer herausgestellt. Die Nachzeichnung der Kantschen Gedankengänge wird dabei der Schrift durchaus gerecht, 75 Johann Georg Heinrich Feder: Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens. Göttingen 1782. Zwei weitere rechtmäßige Ausgaben erschienen 1785 und 1789. 76 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältnis zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüter zu erkennen und zu regieren. 4 Bde. Göttingen und Lemgo 1779–1786. 77 LNG (s. Anm. 1), S. 94; vgl. hierzu auch den Beitrag von Achim Vesper in diesem Band. 78 Ebd., S. 51. 79 Anonymus [Johann Georg Heinrich Feder und Christian Garve]: Rezension: Critik der reinen Vernunft. Von Imman. Kant. 1781. In: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen. 3. Stück, den 19. Januar 1782, S. 40–48. 80 In seiner Autobiographie gibt Feder ausführlich Auskunft über die Entstehungsbedingungen der Rezension. LNG, S. 117–120. Kant erfährt erst später durch einen Brief Christian Gottfried Schützʼ (1747–1832) von den Hintergründen. Vgl. Schütz an Kant (Jena, 10. Juli 1784). In: AA X, S. 392–394, hier S. 392.
Sören Schmidtke doch die Garve-Federsche Rezension gesellt sie, hierin Kants Intention verkennend, allein zum höheren Idealismus Berkeleys,81 wonach die ganze Welt nur Vorstellung sei. Kant reagierte 1783 in seinen Prolegomena (1783). Seine Replik gipfelte darin, dass er Garve und Feder schlichtweg die Kompetenz absprach, sein Werk überhaupt begreifen zu können: »Der Rezensent verstand also nichts von meiner Schrift und vielleicht auch nichts von dem Geist und Wesen der Metaphysik selbst […].«82 Feder meldete sich 1787 nach einem gründlichen Studium der Kritik mit seinem Werk Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie83 erneut zu Wort. Weiterhin hält er den Idealismusvorwurf aufrecht. Kant befinde sich im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand.84 Auch den Vorwurf, dass Kant nicht den rechten Mittelweg zwischen Dogmatismus und Skeptizismus gefunden habe,85 hält Feder weiter für gültig. Feder konkretisiert, dass ihm die Methode Kants zu dogmatisch sei, die Resultate dagegen zu skeptisch.86 Diese Punkte verteidigte er noch in seiner Autobiographie, kam zurückblickend aber auch zu dem Schluss, dass es sich mehr um einen Wortstreit gehandelt habe und es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gebe.87 Die Allgemeine Literatur-Zeitung lobte vor allem den sachlichen Stil Feders, der von allem »Anschein persönlich beleidigender Äußerungen« entfernt geblieben sei, und empfiehlt das Werk »allen Liebhabern unparteyischer Untersuchung«.88 Feder sah sich dennoch zunehmend der Kritik der Kant-Anhänger ausgesetzt, die ihn in ihrer Heftigkeit und persönlichen Zuspitzung überraschte, tief verletzte
81 Rezension: Critik der reinen Vernunft (s. Anm. 79), S. 41. 82 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: AA IV, S. 377. 83 Johann Georg Heinrich Feder: Über Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787; siehe hierzu auch den Beitrag von Andree Hahmann in diesem Band. 84 Feder: Raum und Caussalität (s. Anm. 83), S. 61–63 und 114–118. Vgl. auch Lutz-Henning Pietsch: Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin und New York 2010, S. 120–122. 85 Rezension: Critik der reinen Vernunft (s. Anm. 79), S. 47. 86 Feder: Raum und Caussalität (s. Anm. 83), S. XXIX. 87 LNG (s. Anm. 1), S. 123. Bereits in Raum und Caussalität kritisierte Feder Kants »selbst geschaffne Kunstsprache«. Vgl. Feder: Raum und Caussalität (s. Anm. 83), S. XXXIIIf. 1793 deutete Feder die Kontroverse mit den Kantianern dann zunehmend als Wortstreit. An Reinhold schreibt er, dass man sich »mehr in der Sprache als in der Sache selbst« unterscheide (Feder an Reinhold [Göttingen, 25. Februar 1793]. In: Ernst Reinhold (Hg.): Karl Leonhard Reinholdʼs Leben und litterarisches Wirken, nebst einer Auswahl von Briefen Kantʼs, Fichteʼs, Jacobiʼs und andrer philosophirender Zeitgenossen an ihn. Jena 1825, S. 376–378, hier S. 377). 88 Anonym: Rezension: Über Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie von Joh. Georg Heinrich Feder. In: Allgemeine Literatur-Zeitung 1, Nr. 24 (1788), Sp. 249–254, hier Sp. 250.
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
und die er nicht verstehen konnte,89 suchte er doch mehr den Ausgleich als die Konfrontation. Wenn er in seiner Autobiographie von den Keimen einer »Revolution auch in der Philosophie«90 spricht, bedient er sich zwar eines starken Ausdrucks, trifft aber im Kern die Sache, denn hier arbeitete sich auch eine jüngere Philosophengeneration bissig an der bis dahin etablierten und führenden Generation ab. Die Folge war, dass Feder die Hörer wegblieben und er ebenfalls in der Achtung seiner Kollegen sank.91 Seine zusammen mit Christoph Meiners (1747–1810) gegen die Kantianer herausgegebene Zeitschrift Die philosophische Bibliothek (1788–1791) erlebte nur vier Ausgaben.92 Insbesondere Meiners und Michael Hißmann (1752–1784) waren Feders engste Göttinger Freunde. Alle drei einte ihr Streben nach einer Neuausrichtung der zeitgenössischen Philosophie als einer ›Philosophie für die Welt‹, sodass sie zusammen als die ›Göttinger Popularphilosophie‹ in die Fachgeschichte eingegangen sind.93 In seinem Leben lernte Feder auf Reisen nach Hamburg, Berlin und Leipzig zahlreiche berühmte Gelehrte seiner Zeit persönlich kennen oder stand mit ihnen Kontakt.94 Den Großteil seiner umfangreichen Korrespondenz mit nahezu allen namhaften deutschen Aufklärern seiner Zeit vernichtete Feder zum Leidwesen der Forschung schon frühzeitig. 1782 wurde Feder zum Hofrat ernannt und fand im gleichen Jahr unter dem Namen Marc Aurel Aufnahme in die Göttinger Freimaurerloge Augusta zu den drei Flammen. Dabei zog Feder die Möglichkeit an, unvoreingenommen mit Menschen unterschiedlicher Religionen und unterschiedlichen Standes in Verbindung zu treten. Nachdem Feder einige Zeit in der mittleren Führung aktiv war und auch Kontakt mit Illuminaten hatte, befremdeten ihn die Elemente der Geheimbündlerei zunehmend. Nach Ausbruch der Französischen Revolution besuchte er keine Versammlungen mehr.95 Im Sommer 1786 wurde Feder einer der Prinzenlehrer der drei Söhne des britischen Königs und hannoverschen Kurfürsten Georg III. (1738–
89 LNG (s. Anm. 1), S. 124–126 und S. 128f. 90 Ebd., S. 124. 91 Ebd. 92 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Gideon Stiening in diesem Band. 93 Zimmerli: ›Schwere Rüstung‹ des Dogmatismus und ›anwendbare Eklektik‹ (s. Anm. 67), S. 59– 61. 94 Zu ihnen gehören u. a.: Johann Joachim Spalding (1714–1804), Johann Georg Sulzer (1720–1779), Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803), Johann Bernhard Basedow (1724–1790), Christian Felix Weiße (1726–1804), Johann Heinrich Lambert (1728–1777), Moses Mendelssohn (1729–1786), Johann Nikolaus Tetens (1736–1807), Matthias Claudius (1740–1815), Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819), Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811), Ernst Platner (1744–1818) und Gottfried August Bürger (1747–1794). 95 LNG (s. Anm. 1), S. 142–149.
Sören Schmidtke 1820),96 die er in der Sittenlehre unterrichtete.97 In seiner Autobiographie betont Feder, dass sich unter seiner Hörerschaft auch etliche spätere Staatsmänner und Mitglieder aus regierenden Häusern befanden.98 Münchhausens Rechnung war also aufgegangen. Ab Mitte der neunziger Jahre gab es Bestrebungen der Universitätsleitung und des Hannoverschen Ministeriums, Feder aus Göttingen abzuberufen. So war zunächst geplant, Feder zum Hofbibliothekar zu machen. Dies zerschlug sich, doch Feder registrierte, dass, »einige Personen meine Versetzung der Universität zuträglich erachteten; so sorgfältig man auch diese Absicht verbarg.«99 Die genauen Hintergründe sind unbekannt. Wie erwähnt, hatte Feders Ansehen unter den Kollegen und Studenten seit der Kant-Kontroverse arg gelitten. Er selbst spricht von der »Amputation« seines Autor- und Dozenten-Ruhmes.100 Ebenso wurde seine differenzierte Haltung zur ersten Phase der Französischen Revolution und deren Auswirkungen auf das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg von Sympathisanten wie Gegnern mit Argwohn beobachtet. Feder begrüßte es, »solche große, für die Menschheit so ersprießliche, Veränderungen«101 noch miterleben zu können. Zugleich registrierte er jedoch schon am Anfang das ›fehlende Maß‹ der Revolutionäre.102 1793 erregte Feders Kritik an der Leibeigenschaft in seinem Aufsatz Über Aristokraten und Demokraten in Teutschland das Missfallen der Obrigkeit, obwohl er darin deutlich seine royalistische Treue bekundete.103 Während seines zweiten Prorektorats ein Jahr später kam es unter der Studentenschaft um das Absingen der Marseillaise und des Ah! Ça ira zu Unruhen, die die Studenten bis vor sein Haus führten. Feder, dem an einer besonnenen Lösung gelegen war, verlor dabei auf allen Seiten an Reputation. 104
96 Das waren der spätere König Ernst August I. von Hannover (1771–1851), August Friedrich, 1. Duke of Essex (1773–1843) und Adolph Friedrich, 1. Duke of Cambridge (1774–1850). 97 Vgl. LNG (s. Anm. 1), S. 102–104. 98 Ebd., S. 78f. 99 LNG (s. Anm. 1), S. 130. 100 Ebd., S. 129f. 101 LNG (s. Anm. 1), S. 134. 102 Ebd. 103 Johann Georg Heinrich Feder: Über Aristokraten und Demokraten in Teutschland. In: Neues Göttingisches historisches Magazin (1793), S. 544–557, hier S. 545, 557 und LNG (s. Anm. 1), S. 137. 104 LNG (s. Anm. 1), S. 141f. und Feder an Reinhold (Göttingen, 23. Juli 1794). In: Karl Leonhard Reinholdʼs Leben und litterarisches Wirken (s. Anm. 87), S. 379–381, hier S. 381. Zu den Hintergründen vgl. auch Zwi Batscha: Die politischen Theorien des Göttinger Philosophen J. G. H. Feder im Revolutionszeitalter. In: Jahrbuch des Instituts für deutsche Geschichte Tel Aviv 15 (1986), S. 139– 164, hier S. 153–160.
Vom »redlichen Suchen nach Wahrheit«
Hannover Im Jahre 1796 machte man ihm schließlich den Antrag, Direktor des neu zu gründenden Georgianums in Hannover zu werden, nachdem er bereits bei der Konzeption zu Rate gezogen worden war. Die aus einer Pagenschule hervorgehende Lehranstalt sollte adlige Universitäts- und Offiziersanwärter ausbilden.105 Mit 1.200 Reichstalern bot man ihm ein deutlich höheres Jahresgehalt als in Göttingen. Feder sagte zu und verließ nach 27 Jahren die Universität Göttingen zu Ostern 1797. In Hannover ließ man ihm beim Aufbau der Schule, die 40 Schüler in drei Klassen unterrichten sollte, relativ freie Hand. Gelehrt wurden Religion, Geographie, Mathematik, Geschichte, Naturkunde, Deutsch, Französisch, Englisch und Latein. Dazu kamen die ›galanten Fächer‹ Tanzen, Zeichnen, Schönschreiben, Fechten und Reiten. In der Oberstufe wurde der Unterricht um eine vormilitärische Ausbildung ergänzt.106 Feder unterrichtete vor allem Naturkunde und, in der obersten Klasse, Moral und Logik. Die äußeren Umstände machten die Leitung des Georgianums zunehmend schwieriger. Feder vermochte zwar noch, das Institut bei stetig schrumpfendem Budget durch die unsicheren Zeiten der französischen und preußischen Besatzungen zu führen, 1810 jedoch musste der Schulbetrieb dann endgültig eingestellt werden. 1799 und 1804 wurde Feder zusätzlich interimsweise Leiter der Hannoverschen Hofbibliothek. Als Früchte dieser Arbeit publizierte er 1805 zwei LeibnizBriefauswahlausgaben.107 Im September 1800 übertrug man Feder die Aufsicht über den Reliquienschatz der Schlosskirche. 1816 berief man ihn zum Direktor der Hannoverschen Hofschule in beratender Funktion. Mit dem Alter häuften sich die Ehrungen. Feder wurde zum Geheimen Justizrat und zum Ritter des Guelphenordens ernannt. Durch seinen französischen Freund Michel Ange de Mangourit (1752–1829) wurde er Mitglied der Société Polytechnique und der Académie Celtique in Paris. In Göttingen nahm ihn die Sozietät der Wissenschaften als Mitglied auf, und die Juristische Fakultät verlieh ihm 1820 den Ehrendoktor.108 Doch auch die Abschiede mehrten sich. Feder überlebte nahezu alle seine alten Freunde und Wegbegleiter. Seine 105 Johann Georg Heinrich Feder: Über die Errichtung des Georgianums und dessen gegenwärtigen Zustand. In: Beyträge zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens in den Braunschweig-Lüneburgischen Churlanden. Hg. von Johann Christoph Salfeld. Bd. 4., H. 3. Hannover 1802, S. 257–[270], hier S. 258. Zur Geschichte des Georgianums vgl.: B[ernhard von] Poten: Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge. Bd. 2. Berlin 1891, S. 6–15. 106 Ebd., S. 13f. 107 Johann Georg Heinrich Feder: Lettres choisies de la correspondance de Leibnitz. Publiées pour la première fois par I. G. H. Feder. Hannovre 1805 ; ders.: Commercii epistolici Leibnitiani typis nondum vulgati selecta specimina. Edidit notulisque passim illustravit Ioannes Georgius Henricus Feder. Hannover 1805. 108 LNG (s. Anm. 1), S. 175, 184, 209 und 215–217.
Sören Schmidtke zweite Frau starb schon 1805.109 Von seinen sieben Kindern überlebte Feder drei. Zu seinem 79. Geburtstag 1819 resümierte Feder: Wie natürlich, denke ich jetzt oft, meist täglich, an meinen Tod; und dabey zurück in mein verflossenes Leben; immer voll d e m ü t h i g e n D a n k e s . Sterbe ich jetzt, in dieser Gemüthsfassung, in diesen Verhältnissen: so sterbe ich als einer der glücklichsten Menschen. […] Im Ganzen kann ich auch mit dankbarer Zufriedenheit auf den sittlichen Werth meines Lebens zurückblicken. Ich darf glauben, auf manches Gemüth wohlthätig eingewirkt zu haben; bin auch einigen guten Menschen zur Gründung ihres äußeren Wohlstandes behülflich gewesen. Aber freilich – auch manchen, manchen Flecken sehe ich, den ich wegwünschen möchte. Da dieß nicht möglich ist: so soll es denn auch – das ist doch das Natürlichste, Vernünftigste dabey – zur Unterhaltung der Demuth, Bescheidenheit, und Billigkeit in der Würdigung Anderer, mitwirken.110
Am 22. Mai 1821 verstarb Feder im Alter von 81 Jahren in Hannover.
109 Nachdem Feders erste Frau Sophie 1772 verstorben war, heiratete er 1773 Margarethe Dorothea Möller, geb. Best. 110 LNG (s. Anm. 1), S. 214f.
1 Erkenntnistheorie und Psychologie
Paola Rumore
Feder und die Psychologie seiner Zeit Die Psychologie als Grundlage der Philosophie »Mit dem Menschen hat es die Philosophie zu tun«. Mit dieser lapidaren Feststellung bestimmt Feder in der posthum erschienenen Darstellung seiner »wesentlichen philosophischen Grundsätze, Ansichten und Überzeugungen« den Gegenstand und Zweck seines Philosophierens.1 Den Menschen als Schwerpunkt der philosophischen Untersuchung zu fassen, entspricht insgesamt dem Zeitgeist des sogenannten »dritten Menschenalters der deutschen Aufklärung«, das schon 1945 in Wundts epochemachendem Werk über die deutsche Schulphilosophie als eine Zeit beschrieben wurde, die sich durch die Hinwendung der Philosophie zum Gebiet des Menschlichen auszeichnet. Im Zeitalter der Spätaufklärung, setzt Wundt fort – vielleicht etwas vereinfachend –, wird die Philosophie zugunsten einer auf neuen Grundlagen gedachten Anthropologie von der strengen Logik und Metaphysik der Schule befreit.2 Obgleich der langsam fortschreitende Untergang der wolffschen Schulphilosophie schon gegen Mitte des 18. Jahrhunderts spürbar wurde, vollzog sich die Neugestaltung der Denkweise im Sinne einer anthropologieorientierten Philosophie nach wie vor auf deren Grundlagen. Ein Zeugnis für den anhaltenden Einfluss der dogmatisch-rationalistischen Grundsätze findet man noch bei Johann Christoph Adelung, der in seiner 1787 verfassten Geschichte der Philosophie für Liebhaber bemerkt, dass »in den neusten Zeiten fast jeder Philosoph von Kopf und Scharfsinn sein eigenes eklektisches System [hat], worin doch die Leibnitzsch-Wolfischen Hypothesen bald mehr bald weniger zum Grunde liegen«.3 Mit dieser Bemerkung schildert Adelung die unruhige Situation der Philosophie an den deutschen Universitäten seiner Zeit, namentlich an der Universität Göttingen, wo man sich am stärksten um eine gründliche Revision der Philosophie (nach dem programmatischen Titel von Christoph Meiners Werk) bemühte.4 Eine solche Revision sollte die Philosophie von den Fesseln des Dogmatismus befreien und das Selbstdenken befördern, was mit gutem 1 Feder’s Leben, Natur und Grundsätze. Hg. von Karl August Ludwig Feder, Leipzig, 1825, Kap. II, S. 248. 2 Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945 [ND Hildesheim 1964], S. 265f. 3 Johann Christoph Adelung: Geschichte der Philosophie für Liebhaber. Leipzig 1787, Bd. 3, S. 425; Michael Albrecht: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, S. 592. 4 Vgl. hierzu Christoph Meiners: Revision der Philosophie. Erster Theil. Göttingen, Gotha 1772.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-003
Paola Rumore Grund als die bedeutendste unter den tragenden Grundideen der deutschen Spätaufklärung galt.5 Innerhalb dieses Prozesses spielte Feder unleugbar eine entscheidende Rolle, da er eine relativ neue Lösung für die alten Probleme des dogmatischen Philosophierens vorschlug. In einer zumindest für das deutsche Publikum neuen Auffassung der Psychologie sah er nämlich die Möglichkeit, eine fruchtbare Synergie von Rationalismus und Empirismus zu erzeugen, durch die der allzu abstrakte Charakter der rationalistischen und dogmatischen Philosophie abgeschwächt wurde und der konkrete einzelne Mensch ins Zentrum der philosophischen Untersuchung trat. In diesem Sinne kann man Feder als den Wegbereiter der gelungenen Versuche einer Verknüpfung von Philosophie und Psychologie betrachten, die sich in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Deutschland durchsetzte und zu deren Vertretern insbesondere Christoph Meiners, Michael Hißmann und Karl Philipp Moritz zählten. Die zentrale Rolle der Psychologie innerhalb der philosophischen Reflexion stellt Feder in der schon erwähnten Selbstdarstellung deutlich heraus, die erst im Jahr 1825 von seinem Sohn Karl August Ludwig herausgegeben wurde. Er verfasste diese Schrift vermutlich im hohen Alter, als er, mitgenommen durch den Streit um die kantische Philosophie, fast am Ende seiner wissenschaftlichen Karriere stand. Seinen Standpunkt zur Natur und Rolle der Philosophie präsentiert er darin mit einer Kühnheit, die in seinen akademischen Schriften vollkommen fehlt: Wenn nicht das Erste der Zeit nach, so doch gewiß dem Range nach das Wichtigste, ist die Unterscheidung des äußeren und inneren Menschen. Denn wie groß auch der Einfluß des Äußeren auf das Innere bisweilen scheinen mag: so ist das Resultat der genausten Untersuchung doch immer, daß das Unveränderlichste, Entscheidenste, Höchste, im Inneren ist.6
Eben von diesem Inneren geht die Philosophie aus, denn sie ist »eine durch unbefangenes, gründliches Nachdenken entstehende Aufklärung und Anordnung der Vorstellungen und Gesinnung, zur Erzeugung einer menschenmöglichen, festen, richtigen (der Natur gemäßen) Denkart und Handlungsweise«.7 Mit diesen Worten stellt Feder fest, dass die Philosophie sich sowohl in ihrem theoretischen, als auch in ihrem praktischen Teil auf die Psychologie stützen muss. Die Seelenlehre – die Psychologie – ist nämlich »[d]er der Philosophie eigenthümlich gehörige Theil der Anthropologie«, d. h. der Wissenschaft vom Menschen: »Sie enthält einige allge-
5 Vgl. Norbert Hinske: Die tragenden Grundideen der deutschen Aufklärung. Versuch einer Typologie. In: Raffaele Ciafardone (Hg.): Die Philosophie der deutschen Aufklärung. Stuttgart 1990, S. 407–458. 6 Feder’s Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 248; zweite Hervorhebung P.R. 7 Ebd., S. 247.
Feder und die Psychologie seiner Zeit
meine Grundlehren, und als besondere Theile die Logik, Aesthetik und Praktische Philosophie oder Moralphilosophie (im weitern Sinn)«.8 Unter Psychologie versteht er eine Wissenschaft nach dem Vorbild der Versuche über den menschlichen Verstand bzw. über die menschliche Natur, die Locke und Hume vorgelegt hatten, d. h. eine beschreibende Untersuchung der Tätigkeit und der Wirkungen des gesunden Menschenverstands. In diesem Sinn, als Grundwissenschaft, enthält sie die Voraussetzungen der übrigen philosophischen Wissenschaften: der Logik, der Metaphysik und der Sittenlehre. Feders philosophisches Hauptwerk – die zwischen 1779 und 1793 erschienene vierbändige Untersuchung über den menschlichen Willen – wurde von verschiedener Seite nämlich als das Gegenstück zu Lockes Essay auf praktischem Gebiet bezeichnet.9 In der berühmten Geschichte der Psychologie von Friedrich August Carus, die 15 Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Bandes von Feders Untersuchung über den Willen erschien, wird dieses Werk als »die erste vollständigere und systematischere Spezialpsychologie«10 gepriesen. Carus kennzeichnet Feders psychologische Untersuchung aus einem zweifachen Grund als eine Spezialpsychologie: zum einen, weil sie sich in diesem Fall einem besonderen Bereich der menschlichen Natur zuwendet (dem praktischen Gebiet des Willens); zum anderen, weil sie auf das Individuum, d. h. auf den besonderen und konkreten Einzelmenschen, abhebt. In diesem ›Spezialgebiet‹ des Individuums und seines Denkens, Wollens und Fühlens laufen die rationalistische und die empiristische Seele Feders zusammen.11 Nach eigener Aussage gelangte Feder früh zu der festen Überzeugung, dass die gesamte Philosophie sich auf die Psychologie, d. h. auf die Untersuchung des schon erwähnten Inneren des Menschen, stützen müsse. So ist es kein Zufall, dass er sich in seinen ersten akademischen Schriften vorzugsweise mit psychologischen Themen beschäftigt: von der Inauguraldissertation Homo natura non ferus (1765), die er noch in Erlangen verfasste, über das Programm De simplici animae natura (1765) und die beiden bereits in Coburg verteidigten Dissertationen De morte voluntaria bis hin zur Exercitatio philosophica de sensu interno (1768). Dennoch verlieh Feder dieser Überzeugung in den akademischen und didaktischen Werken, die den Hauptteil seiner Schriften ausmachen, nur sehr vorsichtig Ausdruck. Man muss auf die als posthum gedachte Selbstdarstellung warten, um eine deutliche und entschlossene Formulierung dieser philosophischen Auffassung zu finden.
8 Johann Georg Heinrich Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794, Kap. I, § 2: »Eintheilung der Philosophie«; Hervorhebung P.R. 9 Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, S. 185; vgl. dazu auch Feder’s Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 94f. 10 Friedrich August Carus: Geschichte der Psychologie. Leipzig 1808, S. 682. 11 Robert Sommer: Grundzüge einer Geschichte der deutschen Psychologie und Aesthetik. Würzburg 1892 [ND Hildesheim 1975), S. 313ff.
Paola Rumore Die Psychologie als Grundwissenschaft des gesamten philosophischen Systems zu fassen, bringt aber den Versuch mit sich, sie von der Metaphysik zu befreien. Wie Robert Sommer treffend feststellte, bildet bei Feder die Psychologie »ein[en] Hauptteil der Philosophie, nicht ein bloßes Viertel der Metaphysik«.12 Genau in einem solchen Verständnis der Psychologie als Hauptteil der Philosophie verwirklicht sich einer der wichtigsten Aspekte von Feders originellem Versuch, eine fruchtbare Verbindung zwischen der wolffischen und der britischen Philosophie zu schaffen, d. h. zwischen dem Erbe der deutschen Tradition, mit dem er dank seines Erlangener Lehrers Suckov bestens vertraut war, dem lockeschen Empirismus und der Schule des common sense. Die Schlüsselrolle, die Feder bei der Verknüpfung dieser weitreichenden philosophischen Traditionen zukommt, deren Zusammenführung in jenen Jahren in Deutschland vorangetrieben wurde, wird an seiner Auffassung der Psychologie besonders deutlich. Diese zentrale Rolle erweist sich vor allem in seiner Konzeption der Beziehung der Psychologie zur Logik und zur Metaphysik innerhalb des Rahmens seines allgemeinen Systems der philosophischen Wissenschaften.
Psychologie und Logik Zum Verhältnis zwischen Psychologie und Logik ist vorauszuschicken, dass Feder sich bereits in seiner ersten systematischen Darstellung der Philosophie von der Auffassung Wolffs distanziert, wonach die Psychologie dem Gebiet der metaphysischen Wissenschaften zugeordnet werden muss. Im Grundriß der philosophischen Wissenschaften nebst der nötigen Geschichte von 1767 – eine philosophische Enzyklopädie, die nur aus editorischen Gründen den Titel Grundriß trug – erwähnt Feder Locke und Wolff als seine ständigen Vorbilder auf dem Gebiet der Logik. In Locke erblickt Feder ein »Original-Genie«: Er habe die durch Descartes und Gassendi eingeleitete Emanzipation der Philosophie von der aristotelischen Scholastik vollendet und »die Natur und Geschichte der menschlichen Erkänntnis metaphysisch untersucht«.13 Mit dem Adverb metaphysisch, das allem Anschein nach im Gegensatz zu logisch verwendet wird, kennzeichnet Feder hier die Eigentümlichkeit von Lockes Verfahren. Seine Wissenschaft vom Denken ist keine bloße allgemeine Logik, sondern eine genetische Untersuchung der Vorstellungen und der Erkenntnisvorgänge überhaupt. Durch eine solche ›metaphysische‹ Erforschung der Natur des menschlichen Verstandes ist Locke zum zentralen Problem der Schranken der menschlichen Erkenntnis vorgedrungen, womit er eine ›skeptische‹ Vernunft entgegen den An 12 Ebd. 13 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte. 2. Aufl. Coburg 1769, S. 78 (§ 10).
Feder und die Psychologie seiner Zeit
sprüchen der alten Logik und der Metaphysik in ihr Recht gesetzt hat. Aufgrund seiner Methode hat Locke »das Glück den Dogmatikern zu gefallen, und der Liebling der Skeptiker« zu sein14. Das andere Vorbild in der Logik bildet nach Feder Christian Wolff, dem er ein zweifaches Verdienst zuschreibt. Erstens hat Wolff ausgeführt, »was man schon vor ihm angefangen hatte, nemlich die Kraft zu denken aus der Natur des geometrischen Nachdenkens abzunehmen«; zweitens hat er uns »ordentlich und deutlich zu denken, theoretisch und praktisch, gelehrt«.15 Aus dem Zusammentreffen dieser philosophischen Orientierungen leitet Feder zwei Überzeugungen ab, die nur wenige Jahre später eine zentrale Rolle in seinem System spielen werden. Es handelt sich zum einen um die These, dass der Grund der Logik in der Erkenntnis des Erkenntnisvermögens (d. h. des Vermögens, Dinge zu erkennen und dem Erkannten nachzudenken) zu finden sei (§ 1); zum anderen um die Anerkennung des empirischen Ursprungs jeder menschlichen Vorstellung, sowohl der aus den äußerlichen Sinnen stammenden als auch derjenigen, die dem inneren Sinn (Selbstgefühl) zuzuschreiben sind.16 Wie bei Locke, führt die ausschließlich empirische Abstammung der Ideen auch bei Feder zu einem scharfen Widerstand gegen jede Form von Innatismus (§§ 3–4). Von Wolff nimmt Feder die Idee auf, dass jede ›ordentliche und deutliche‹ philosophische Untersuchung nach der deduktiven bzw. geometrischen Methode geführt werden soll. Diese Thesen, die in dem frühen Kompendium nur skizzenhaft umrissen sind, stellt Feder in den vielfältigen deutschen und lateinischen Darstellungen seiner Logik und Metaphysik, die er in den darauf folgenden 25 Jahren unermüdlich verfasste, mit aller Deutlichkeit dar. Es handelt sich um das Lehrbuch Logik und Metaphysik, das zwischen 1769 und 1790 sieben Mal in vermehrten und ergänzten Ausgaben erschien, um die Institutiones Logicae et Metaphysicae aus dem Jahr 1777 (17974) und schließlich um die Grund-sätze der Logik und Metaphysik von 1794. All diese Werke verfasste Feder während seines Aufenthalts in Göttingen, und obwohl sie explizit für »Anfänger in der Weltweisheit« gedacht waren, enthalten sie eine fortschreitende Bestimmung und Klärung seiner philosophischen Position, die sich an den Prinzipien einer vagen Eklektik inspirierte.17 Die Eklektik beschreibt Feder als den Ausdruck einer wie-
14 Ebd., S. 78f. 15 Ebd., S. 79. 16 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Udo Thiel in diesem Band. 17 In seinem Beitrag zur Geschichte der populären Revision der Aufklärung in Göttingen (»Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia leibnitiana XV/1, 1983, S. 58–71, hier S. 59) erwähnt Walther Ch. Zimmerli das Urteil Johann Eduard Erdmanns über Feder: »Eine anwendbare Philosophie aus den natürlichsten oder nicht füglich zu bestreitenden Vorstellungen in irenischeklektischer Lehrart abzuleiten, weder Lockianer noch Wolffianer noch Crusianer noch Kantianer, wohl aber mannigfaltige Vorstellungsarten zu verarbeiten und zur Stärkung seiner individuellen Geistesbetriebsamkeit sich zu assimilieren – das ist, mit seinen eigenen Worten beschrieben, das
Paola Rumore derentdeckten Freiheit im Philosophieren, die sich nach dem langsamen Zerfall der Hegemonie des Wolffianismus durchsetzte.18 Die erste deutliche Formulierung der schon im Grundriß keimhaft angedeuteten These, wonach der Grund der Logik in der Untersuchung des Erkenntnisvermögens zu finden ist, begegnet im Vorbericht von der Philosophie in der vierten Auflage von Feders Logik und Metaphysik (1775): Wenn man ohne an besondere Einrichtungen gebunden zu seyn, jemanden die ganze Philosophie zu lehren hätte: so wäre vielleicht keine Ordnung zuträglicher, als wenn man, unter Anleitung der Erfahrung, von den Betrachtungen über die menschliche Seele, ihre verschiedene Modificationen und Fähigkeiten anfienge, und, durch Ziehung der nächsten Folgerungen aus jedweder Erfahrung, den Grund zur Seelenlehre legte.19
Der Ausgangspunkt der Philosophie ist nach Feder die Psychologie, insoweit sie den eigentlichen Beginn jeder Überlegung über unsere Erkenntnis der Welt bildet. Die Seelenlehre, die Feder hier im Auge hat, ist aber der empirische Teil der Psychologie, der erst durch Wolff in das System der philosophischen Wissenschaften eingeführt wurde. In der sogenannten Deutschen Metaphysik von 1719 und in der Psychologia empirica von 1732 beschreibt Wolff diese neue Wissenschaft mit denselben Worten, die Feder mehrere Jahre später in seiner Erläuterung der Seelenlehre benutzen wird: »Per experientiam stabiliuntur ea«, schreibt Wolff, »quae de anima humana traduntur; ea autem experimur, quae ad perceptiones nostras attenti cognoscimus«20; im empirischen Teil der Psychologie müssen wir »erzählen, was wir durch die tägliche Erfahrung von [der Seele] wahrnehmen«.21 Die empirische Psy Ziel, das er sich Vorgesetzt hat« (Johann Eduard Erdmann: Grundriß der Geschichte der Philosophie. Berlin 1866, Bd. 2, S. 279). 18 »Der Triumph der Wolfischen Philosophie war eine Zeit lang so groß, daß von vielen diejenigen kaum mehr für ächte Philosophen gehalten wurden, die sich nicht dazu bekennen wollte. Doch fängt dieses Vorurtheil schon an abzunehmen. Es hindert wenigstens diejenigen, die wahre Freunde der Weisheit sind, nicht, die Schriften eines Hollmanns, eines Crusius, eines Darjes und andere Eklektiker unserer Zeit, mit eben der Aufmerksamkeit zu lesen, als die Wolfischen; und die Nachwelt wird ihre Verdienste nicht verkennen«, Feder Grundriß (s. Anm. 13), S. 43 (§ 56). 19 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. 4. vermehrte Auflage. Hanau und Leipzig 1775: Vorbericht von der Philosophie, S. 6. 20 Christian Wolff: Psychologia empirica, methodo scientifica pertractata, qua ea, quae de anima humana indubia experientiae fide constant, continentur et ad solidam universae philosophiae practicae ac theologiae naturalis tractationem via sternitur. Frankfurt a. M., Leipzig 1732 [ND der Ausgabe von 1738: Hildesheim 1968], § 2. 21 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, den Liebhabern der Wahrheit mitgetheilet. Halle 1719 [Deutsche Metaphysik, ND der Ausgabe von 1751: Hildesheim 1983], § 191); ders.: Discursus praeliminaris de philosophia in genere. Frankfurt a. M., Leipzig 1728 [kritische Ausgabe, hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996], § 111: »Est scientia stabiliendi principia per experientiam, unde ratio redditur eorum, quae in anima humana fiunt«.
Feder und die Psychologie seiner Zeit
chologie ist vor allen Dingen eine beschreibende Wissenschaft; sie erzählt bzw. beschreibt die Veränderungen, die man in der Seele wahrnimmt, d. h. unsere Vorstellungen und ihre Verbindungen. So verstanden bildet die empirische Psychologie eine logica naturalis, die man dem künstlichen Teil der Logik (logica artificialis, die sich mit den tres operationes mentis beschäftigt) voranstellen muss. Schon Wolff unterscheidet zwischen einer natürlichen bzw. beschreibenden und einer künstlichen, vorschreibenden (befehlenden) Logik. Doch gehören bei Wolff die logica naturalis und die empirische Psychologie zu zwei getrennten Bereichen. Als metaphysische Wissenschaft beschränkt sich die empirische Psychologie nicht auf die Beschreibung dessen, was man in der Seele wahrnimmt; sie sucht vielmehr die ratio, den Grund solcher Veränderungen in der metaphysischen Beschaffenheit der denkenden Substanz. Dagegen versteht Feder die empirische Psychologie als eine bloß beschreibende Logik, die dem praktischen Teil der Logik vorauszusetzen ist, wo man lernt, »wie man recht denken, Wahrheit erkennen, und Irrthümer vermeiden solle«.22 »Logica [...] in duas commodissime partes dispesci posse videtur; quarum prima intellectus naturam explicet, altera de recto intellectus in cognoscenda veritate usu praecipiat«.23 Den ersten Teil nennt Feder prima philosophia (eine Benennung, die er nicht wie Wolff mehr für die Ontologie benutzt); der zweite bildet dagegen das Organon der Wissenschaften. Klarer könnten Feders Worte kaum sein: »Ich glaube dadurch, daß ich die Logik mit empirischer Psychologie anfange, und überhaupt viel von letzterer in die Logik bringe, die meisten Schwierigkeiten dergestalt abgeholfen zu haben, daß ich ohne Bedenken die Metaphysik folgen lassen darf«.24 Dank seiner empirischen Psychologie, die sich weitaus mehr an Lockes als an Wolffs Vorbild orientiert, gelangt Feder zu einer beobachtenden Erkenntnis der menschlichen Natur, die er interessanterweise mit einem klaren Hinweis auf Wolffs Begriff der historischen Erkenntnis, d. h. der cognitio ex datis, als »vorläufige historische Erkenntniss« kennzeichnet.25 Trotzdem wird aber die nicht-metaphysische Natur der empirischen Psychologie im Lehrbuch von 1775 in polemischer Auseinandersetzung mit den Wolffianern behandelt: Die Philosophie beschäftiget sich nicht blos in einem ihrer Theile [d. h. in der Metaphysik] mit der Seele. Hier ist meine Absicht, vermittelst solcher Erfahrungen, die jeder Mensch hat, oder gar bald sich verschaffen kann, denjenigen Grund zur Seelenlehre zu legen, auf welchen die speciellern Betrachtungen der Logik gebaut, und wodurch die subtilern Untersuchungen der
22 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 20. 23 Johann Georg Heinrich Feder: Institutiones Logicae et Metaphysicae. Göttingen 1777, S. 7. 24 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 7f. Anm. 25 Ebd., S. 21. Vgl. Wolff: Discursus praeliminaris de philosophia in genere (s. Anm. 21), § 3.
Paola Rumore Metaphysik vorbereitet werden können; von welchen letztern eben auch in der Logik eine vorläufige historische Erkenntnis hier und da unentbehrlich seyn kann.26
Im Unterschied zu Wolff verschafft bei Feder die empirische Psychologie keine Erkenntnis der Seele als res cogitans, als ein einfaches und endliches Ding, das als solches eine Sache der Metaphysik ist und bleibt; sie versteht vielmehr die Seele als human understanding und legt eine Erkenntnis vor, die sich auf eine beschreibende Vermögenstheorie beschränkt und die darauf verzichtet, zu einer metaphysischen Erklärung der seelischen Vorgänge zu gelangen. Dieser Stellungnahme sowie dem expliziten Hinweis auf Locke als Vorbild einer neuen Auffassung der Logik begegnet man in der Vorrede der Institutiones logicae et metaphysicae von 1777, die man als Feders Discursus praeliminaris de philosophia in genere lesen kann. »Non ea metaphysicaes constitutio recte se habere potest, qua omnis psychologia una cum conceptibus intellectus humani generalissimis [...] metaphysicis capitibus accenseatur«; als Einleitung in die Philosophie muss die Logik in ihrem psychologischen Teil »diligenter scrutare et explicare [...] vim atque originem conceptum istorum generalium.«27 Aus diesen Gründen vollzieht Feder die radikale Trennung der Psychologie von der Metaphysik: »Psychologiam a Metaphysica separandam adeo iudicemus«; »Psychologia [...] praecipua philosophiae pars censeri potest«28; »Psychologia enim, si recte instituatur [...] experientiam sequi ducem debet. [...] Valde itaque diversa est Metaphysices ac genuinae psychologiae ratio«.29 Daher ist es irreführend, die Psychologie als eine metaphysische Wissenschaft zu betrachten, denn als apriorische Erkenntnis kann diese keine Gewissheit liefern, neque ullus etiam in vita usus. Die einzige gewisse Erkenntnis kommt dagegen aus der neuen Psychologie, die ipsa experientia nititur. Auf diesem Weg kommt Feder zu einer Auffassung der psychologischen Logik, »quae doctrina est de intellectu humano eiusque legitimo uso«, in der er die Lehre der Existenz der Seele, ihrer Gemeinschaft mit dem Körper, den Ursprung der Vorstellungen, die Vermögenstheorie und alle Themen untersucht, die unter einem empirischen Gesichtspunkt behandelt werden können.30 In diesen Untersuchungen 26 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 21. 27 Feder : Institutiones logicae et metaphysicae (s. Anm. 23), S. VII. 28 Ebd., S. XIVf. 29 Ebd., S. XVIf. 30 Ebd., Synopsis, S. XXIVf.: »Premissis, tanquam in philosophicarum disciplinarum prima, ad reliquas viam parante, observationibus quibusdam generalibus, de philosophiae notione, originibus, partibus, usu atque adminiculis, itemque de logices notione, usu et scriptoribus; deinde de anima, eis existentia, cum corpore harmonia, eorum, quae in ipsa accidunt, principiis, et psychologiae auctoribus. Ipsius logicae pars prima explicat intellectus humani indolem, et quidem varia ad cognitiones facultates, seu cognitionis nostrae caussas. […] Quarum facultatum diligentior considereratio ducit ad disquisitionem de organis animae internis, deque ingeniorum diversitate eiusque
Feder und die Psychologie seiner Zeit
finden sich verschiedene Spuren des rationalistischen Einflusses, den die wolffische Tradition von Anfang an auf Feder ausgeübt hat. So z. B. die Trennung zwischen oberen und unteren Erkenntnisvermögen, die Feder später durch die dreiteilige Gemütsauffassung der dritten Kritik Kants ersetzte; ferner die Unterscheidung zwischen einer formalen und einer materiellen Betrachtungsweise der Vorstellungen, die Feder jedoch noch im Rahmen des leibnizschen Paradigmas der Klarheit und Deutlichkeit denkt.31 Diese Form von Psychologismus ante litteram überlebt bei Feder sogar die »neue[n] mit Revolutionen verknüpften Erscheinungen« auf der philosophischen Bühne, insbesondere die kantische Philosophie, die bekanntlich eine radikale Widerlegung jeder psychologisch fundierten Logik vorgenommen hat.32 Mit einer gewissen Resignation stellt Feder in den Grundsätzen von 1794 fest: »Gegen die Verbindung der empirischen Psychologie, so weit sie das Vorstellungsvermögen betrifft, mit der Logik haben sich zwar neuerlichst auch, und zum Theil bedeutende Stimmen erhoben. Allein Gründe, die mich von der Unschicklichkeit dieser Verbindung überzeugen konnten, sind mir nicht bekannt geworden.«33 Kants Gründe hatte Feder bis dahin nicht verstanden. Die empirische Psychologie bleibt für ihn die wesentliche Voraussetzung der Logik; sie bietet ihr nötige Vorkenntnis und feste Grundlage. Die Betonung des empirischen Charakters der Wissenschaft, von der die Philosophie herrühren soll, führt zu einem weiteren schon erwähnten Bruch Feders mit der rationalistischen Tradition, nämlich mit der Überzeugung, dass man in der Seele Gedankeninhalte finden könne, die ganz unabhängig von dem Verhältnis zwischen Leib und Seele entstünden. Im Anschluss an Locke sieht Feder die Sinne als die unverzichtbare Quelle jeder Seelenveränderung an. Das gilt sowohl für die Vorstellungen, die sich mittels der fünf Sinne auf äußere Gegenstände beziehen, als auch für diejenige, die aus dem Vermögen stammen, das Locke Reflection nannte und das Feder als innern Sinn (sensus internus) oder als innere Empfindung bezeichnet. Der innere Sinn drückt sich bei Feder in verschiedenen Fähigkeiten aus, worunter das Selbstgefühl, das Gefühl des Wahren, des Schönen und des moralisch Guten zu zählen sind.34 »Unter dem Selbstgefühle«, schreibt Feder in seinen Grundsätzen,
caussis.« Vgl. auch die analytische Beschreibung der Inhalte in den späten Grundsätzen (s. Anm. 8), S. 19–21. 31 Über den Paradigmawechsel in der Auffassung der ›materiellen und formalen‹ Betrachtung der Vorstellung vgl. Paola Rumore: Materie und Form der Vorstellung: Kant und sein historischer Hintergrund. In: Christoph Böhr, Heinrich P. Delfosse (Hg.): Facetten der Kantforschung. Ein internationaler Querschnitt. Festschrift für Norbert Hinske zum 80. Geburtstag. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, S. 121–141. 32 Feder: Grundsätze (s. Anm. 8), Vorrede, S. 6*. 33 Ebd., S. 17*. 34 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 31f.; dem moralischen Gefühl widmet Feder die Schrift Über das moralische Gefühl. Kopenhagen, Leipzig 1792 (schon im Deutschen Museum, Bd. 1
Paola Rumore »versteht man die unmittelbare Gewahrnehmung seiner Existenz, seiner innersten Zustände und Eigenschaften. Vermöge dieses Selbstgefühls liegt in jedweder Empfindung oder Vorstellung, die wir bekommen, zugleich das Bewußtseyn, daß wir diese Empfindung oder Vorstellung haben«, d. h. eine Art Apperzeption.35 Dagegen drückt der sensus veri, der bei Feder sensus communis oder common sense genannt wird, die Fähigkeit aus, die Vorstellungen unmittelbar als wahr oder falsch zu erkennen, ohne auf eine diskursive Schlussfolgerung zu rekurrieren36; ähnlich verfahren das Gefühl des Schönen und das moralische Gefühl mit der Schönheit bzw. dem Guten. Am wichtigsten aber ist Feders Feststellung, dass die Seele mittels des inneren Sinns die Fähigkeit gewinne, ihren Zustand und die Verbindungen ihrer Vorstellungen unmittelbar wahrzunehmen. Dies ist gewissermaßen die Bedingung bzw. der Königsweg, wodurch der Mensch zu seinem Inneren kommt – d. h. zum wahren Mittelpunkt der gesamten philosophischen Forschung. »Wenn wir also unter der Seele denjenigen Theil von uns verstehen: in welchem wir uns unserer und anderer Dinge ausser uns [...] bewußt sind; so wird schwerlich jemand die Existenz der Seele in Zweifel ziehen« – mit diesem Passus führt Feder in seinem Lehrbuch von 1775 den Begriff der Seele ein.37 Feders Aussage zeigt unleugbar eine fast wörtliche Ähnlichkeit mit dem berühmten Passus, den Wolff an den Anfang seiner Deutschen Metaphysik stellt: »Wir sind uns unserer und anderer Dinge bewußt, daran kann niemand zweifeln, der nicht seinen Sinnen völlig beraubt ist.«38 Trotz der augenfälligen Ähnlichkeit verbirgt sich hinter diesen beiden Stellen etwas ganz Unterschiedliches. Wolff und Feder gehen nämlich zwei verschiedene Wege, um die Existenz der Seele aus dem Bewusstsein abzuleiten. In der Literatur hat man lange über den ersten Paragraphen von Wolffs Deutscher Metaphysik diskutiert, insbesondere über seinen irreführenden Hinweis auf die Sinne. Man könnte diese Stelle in Richtung einer empirischen (Sinnen-)Erkenntnis der Existenz der Seele bei Wolff interpretieren. Doch herrscht heute eine fast vollkommene Übereinstimmung unter den Kritikern dahingehend, dass Wolff mit der Formulierung etwas gemeint hat wie »niemand, der sui compos ist,« oder »niemand, der einen gesunden Menschenverstand besitzt«. Lange Zeit hat man auch über die Verwandtschaft von
[1776], S. 15–40, S. 103–115, S. 287–306 u. S. 479–503; Zur Untersuchung über das moralische Gefühl. Erster Anhang. Vom Gefühl des Schönen im Verhältnisse zum moralischen Gefühl. In: Deutsches Museum, Bd. 2 [1776], S. 712–730). 35 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 32. Über Feders Verständnis des Selbstgefühls vgl. den Beitrag von Udo Thiel in diesem Band; zudem auch Udo Thiel: Varieties of Inner Sense. Two Pre-Kantian Theories. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 79 (1997), S. 58–79, und Falk Wunderlich: Kant und die Bewußtseinstheorien des 18. Jahrhunderts. Berlin 2005, S. 90–92. 36 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 32. 37 Ebd., S. 23. 38 Wolff: Deutsche Metaphysik (s. Anm. 21), § 1.
Feder und die Psychologie seiner Zeit
Wolffs sogenanntem Argument des cogitamus und Descartes cogito ergo sum (besser wäre: sum qua cogitans) diskutiert.39 Bekanntlich ist das cogito von Descartes kein Resultat einer diskursiven Schlussfolgerung, sondern eine unmittelbare Einsicht, eine Evidenz, die wir in ihrer Klarheit und Deutlichkeit mittels des lumen naturale sehen. Im Gegensatz dazu bedient sich Wolff eines deduktiven Schlusses: »1. Wir erfahren unwidersprechlich, daß wir uns unserer und anderer Dinge selbst bewußt sind. 2. Es ist uns klar, daß derjenige ist, der sich seiner und anderer Dinge bewußt ist. Und daher ist es uns 3. gewiß, daß wir sind« (§ 5). Das deduktive Verfahren erlaubt Wolff, die Folge seines Syllogismus vom privaten Bereich der Einzelnen (egoismus logicus) auf den intersubjektiven Bereich der vernünftigen Wesen auszudehnen. Dieser Syllogismus bildet den gewissen Beweisgrund für die Wahrheit der Behauptung »wir sind« (§§ 6–7). Ganz anders verfährt Feder. Der Übergang vom Bewusstsein zur Behauptung der Existenz der Seele – bzw., mehr in Richtung Lockes, zur Behauptung der eigenen Existenz als Person, als eines Ichs – folgt einem anderen Weg, nämlich dem Weg des sensus internus. »Vermöge dieses Selbstgefühls«, schreibt Feder, »liegt in jedweder Empfindung oder Vorstellung, die wir bekommen, zugleich das Bewußtseyn, daß wir diese Empfindung oder Vorstellung haben«, und »[a]us demselben entsteht der durch die Absonderung deutlich gewordene Gedanke von unserer Person (unserm Ich)«.40 Das Bewusstsein seiner selbst zählt Feder zu den Grundwahrheiten, die man durch den inneren Sinn erreicht: Durch den inneren Sinn ist man imstande, die Zustände des Gemüts wahrzunehmen; gleichzeitig aber ist er als ein sensus communis zu verstehen, demjenigen vergleichbar, den Feder in Thomas Reids Inquiry into the human mind on the principles of common sense (1764) angetroffen hatte – eine Schrift, die seit 1782 auch in deutscher Übersetzung vorlag. Kurz nach der Veröffentlichung von Reids Essays on the intellectual powers of man (1785) bespricht Feder das Werk in den Göttingischen Anzeigen und ein Jahr später in detaillierterer Form sogar in seiner (mit Meiners herausgegebenen) Philosophischen Bibliothek.41 Den Einfluss Reids auf Feder hat Manfred Kuehn in seinen wegbereitenden Studien eingehend erforscht;42 eine Erwähnung seiner wichtigen Resultate erübrigt sich hier.
39 Wichtige Beiträge zur erwähnten Diskussion bilden Thierry Arnaud: Le critère du métaphysique chez Wolff. Pourquoi une Psychologie empirique au sein de la métaphysique. In: Archives de philosophie LXV (2001), S. 35–46, spez. S. 44; ders.: Où commence la »Métaphysique allemande« de Christian Wolff? In: Olivier-Pierre Rudolph u. Jean-François Goubet (Hg.): Die Psychologie Christian Wolffs. Systematische und historische Untersuchungen. Tübingen 2001, S. 61–73; Pietro Kobau: Essere qualcosa. Ontologia e psicologia in Wolff. Torino 2004, S. 37–46. 40 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 19), S. 32. 41 Göttingische gelehrte Anzeigen, Bd. 63, 1787, S. 626–630; Philosophische Bibliothek, Bd. 1, 1788, S. 43–62. 42 Manfred Kuehn: The Early Reception of Reid, Oswald, and Beattie in Germany, 1768–1800. In: Journal of the History of Philosophy 21 (1983), S. 479–496; ders.: Scottish Common Sense in Germa-
Paola Rumore Anzumerken ist lediglich, dass Feder in Reids Schriften dieselben philosophischen Ansprüche sieht, die er in seinem eigenen Denken erhebt, d. h. die Verteidigung »der natürlichen Denkart gegen übertriebene Subtilitäten der speculativen Philosophie, und daraus entstehende verkehrte skeptische und dogmatische Vorstellungsarten«.43 Durch die Aufwertung der Grundwahrheiten, zu der man durch den sensus communis gelangt – der nach Feder, im Unterschied zu Reid, kein besonderes Seelenvermögen bildet –, vermag er der Gefahr der ignavia rationis zu entgehen. Diese glaubt er sowohl in jeder Art Skeptizismus (mehr bei Bayle als bei Hume) als auch im dogmatischen Verfahren jeder Schulphilosophie zu finden, die den Anspruch des Selbstdenkens aufgibt. Im Jahr 1788 veröffentlicht Feder in der Philosophischen Bibliothek die Auszüge aus Reid’s Essays, die er im Jahr zuvor in der Besprechung in den Göttingischen Anzeigen angekündigt hatte. In Feders Sicht stellt die Lehre von den Grundwahrheiten den Kern von Reids Denken dar. Er fasst sie mit folgenden Worten zusammen: 1) Alles, was ich innerlich wahrnehme, oder wovon ich Bewußtseyn habe, ist wirklich. 2) Die Gedanken, Gefühle, deren ich mir bewußt bin, gehören einem Subjecte an, welches ich mein Ich oder meine Seele nenne. [...] 4) So weit mein Bewußtseyn und meine Erinnerung zurück geht, bin ich immer ein und dieselbe Person, ein Ich gewesen.44
Die Nähe zu den erwähnten Stellen in Feders Lehrbüchern ist unübersehbar. Die Gewissheit seiner selbst als Person (als ein Ich) ist jetzt ein Erfahrungssatz und kein abstrakter Satz mehr, wie bei Locke und Berkeley. Er bildet eine Grundwahrheit, insofern er eine Aussage des Gefühls ist: »Strenger kann der Begriff von einer Grundwahrheit nicht gefordert werden. Denn es ist eben so wenig möglich, etwas zugleich zu fühlen und nicht zu fühlen, also sich zu irren bey der reinen Aussage eines Gefühls; als Begriffe auf eine Weise zu verbinden oder zu trennen, wie sie sich nicht denken lassen.«45 Die Behauptung seiner selbst als Person ist eine Aussage des sensus communis, den Feder als den Grundsatz seiner Psychologie und demzufolge seiner gesamten Philosophie versteht. »Die Quellen aller Begriffe vom Empfinden, Denken und Wollen, und also auch von allen Subjecten deren wesentliche Eigenschaften hierauf sich beziehen [...] ist der innere Sinn, oder das Bewußtseyn von unserem Innersten.«46
ny, 1768–1800: A Contribution to the History of Critical Philosophy. Kingston, Montréal 1987; ders.: The German Aufklärung and British Philosophy. In Stuart Brown (ed.): British Philosophy and the Age of Enlightenment (Routledge History of Philosophy V). London, New York 1996, S. 253–272. 43 Göttingische gelehrte Anzeigen, Bd. 63, 1787, S. 626. 44 Philosophische Bibliothek, Bd. 1, 1788, S. 46f. 45 Ebd., 1788, S. 54f. 46 Feder: Grundsätze (s. Anm. 8), Pneumatologie, § 31, S. 237.
Feder und die Psychologie seiner Zeit
Psychologie und Metaphysik Ist die Psychologie als eine beschreibende, natürliche Logik zu verstehen, so unterscheidet sie sich grundlegend von der metaphysischen Psychologie. Unter letzterer versteht man nach dem Beispiel von Wolffs rationaler Psychologie eine Wissenschaft, die durch ein Verfahren a priori die Eigenschaften des denkenden Wesens bestimmt.47 Schon bei der Benennung dieser Wissenschaft bezieht sich Feder auf eine Tradition, die Wolff von der philosophischen Bühne verbannt hatte. Es handelt sich dabei um die Verbindung eines zum Teil auf die deutsche aristotelische Tradition, zum Teil auf die eklektische Schule von Thomasius zurückführenden philosophischen Erbes. Diese Verbindung erkannte Feder bei Samuel Christian Hollmann (1696–1787), den er für ein philosophisches Vorbild hielt: Hollmann ist das Muster eines vernünftigen Zweiflers, so gelehrt als scharfsinnig. Er entdecket die Quellen der verschiedenen Meinungen und vieler Irrthümer, in der Zweydeutigkeit der unbestimmten Ausdrücke; ist bescheiden und vorsichtig, deutlich und angenehm im Vortrag. Wenn es in der Philosophie nöthig wäre, sich von jemanden zu nennen; so würde ich mich zu dem Namen dieses Philosophen bekennen.48
Hollmann war eine kuriose Gestalt. Seine Karriere hatte er in Greifswald (1722) und ab 1723 in Wittenberg zu der Zeit begonnen, als der Streit zwischen Wolff und den pietistischen Theologen tobte. Später wurde er von Münchhausen an die Göttinger Georg-Augustus-Universität berufen, doch erst, nachdem Wolff in Marburg Hollmanns Bewerbung definitiv abgelehnt hatte.49 Ursprünglich dem Kartesianismus nahe und ein aktiver Gegner des Wolffianismus,50 hatte er in seiner Jugend Sympa 47 Wolff: Discursus praeliminaris de philosophia in genere (s. Anm. 21), § 112: »In Psychologia rationali ex unico animae humanae conceptu derivamus a priori omnia, quae eidem competere a posteriori observantur et ex quibusdam observatis deducuntur, quemadmodum decet Philosophum.« 48 Feder: Grundriß (s. Anm. 13), S. 44. Zum Begriff des »vernünftigen Zweiflers«, der sich durch das ganze 18. Jahrhundert zieht, und seiner Verwandtschaft mit der Eklektik vgl. Werner Schneiders: Vernünftiger Zweifler und wahre Eklektik. Zur Entstehung des modernen Kritikbegriffes. In: Studia leibnitiana XVII/2 (1985), S. 143–161, spez. S. 149. 49 Vgl. Konrad Cramer: Die Stunde der Philosophie. Über Göttingens ersten Philosophen und die philosophische Theorielage der Gründungszeit. In: Jürgen von Stackelberg (Hg): Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737: eine Vortragsreihe aus Anlass des 250jährigen Bestehens der Georgia Augusta. Göttingen 1988, S. 101–143. 50 Über das Thema der vorherbestimmten Harmonie hatte Hollmann eine lange Auseinandersetzung mit Georg Bernhard Bilfinger geführt, der seiner Zeit Wortführer Wolffs in Sankt Petersburg war: Commentatio philosophica de harmonia inter animam et corpus praestabilita. Wittenberg 1724; Observationes elencticae in controversia Wolffiana. Frankfurt, Leipzig, 1724; Georg Bernhard Bilfinger, Samuel Christian Hollmann: Epistolae amoebaeae de harmonia praestabilita une junctim editae. Frankfurt a. M., Leipzig (eigentlich Tübingen) 1728.
Paola Rumore thien für den Materialismus gehegt, die er in einer 1748 anonym publizierten, erfolgreichen Lettre zur Widerlegung des Homme machine durchaus nicht verbarg.51 Mit Hollmann, der im Jahr 1780 eine beeindruckende Pneumatologiae, Psychologiae et Theologiae naturalis, paulo uberior pertractatio veröffentlicht hatte, nennt Feder den alten vernünftigen und metaphysischen Teil der Seelenlehre Pneumatologie und nicht – wie Wolff – ›rationale Psychologie‹. In der Pneumatologie beschäftigt man sich mit dem transzendenten Begriff der Geister oder denkenden Substanzen, die hier also durch einen vernünftigen Schluss untersucht werden, statt durch eine bloße Aussage des Gefühls (wie im Fall der Psychologie, die Feder immer als empirische Seelenlehre begreift). In Feders Untersuchung des denkenden Wesens tritt der rationalistische Rest seiner Philosophie besonders deutlich hervor, ebenso wie eine wichtige Distanznahme von Reid, der meinte, die skeptischen Folgen der Erkenntnistheorien seiner Zeit seien ihrem ideal system geschuldet. Feder ist und bleibt davon überzeugt, dass unsere Seele hauptsächlich mit Vorstellungen und Ideen zu tun habe. Was dagegen den genannten rationalistischen Rest angeht, ist festzuhalten, dass Feders Pneumatologie sich völlig in den Bahnen von Wolffs rationaler Psychologie bewegt. Danach ist die Seele eine einfache, unverwesliche Substanz, deren Schicksal in den Händen Gottes liegt. Im Unterschied zu Wolff verzichtet Feder zugunsten einer unzureichend begründeten Form von Influxionismus auf den Parallelismus zwischen Seele und Leib und auf die Idee einer vorherbestimmten Übereinstimmung überhaupt.52 Den Glauben an die Unsterblichkeit, d. h. die Hoffnung eines künftigen Lebens, stützt er nach dem Beispiel von Crusius auf einen bloßen praktischen Anspruch. Als besonders interessant erweisen sich in diesem Zusammenhang Feders Bemerkungen über den Materialismus, d. h. über die Annahme einer materia cogitans, aus der laut Feder viele Locke-Interpreten Schlüsse zogen, die weit über Lockes ursprüngliche Absichten hinausgingen.53 Es ist anzunehmen, dass Feder durch seine Umgebung – Hollmann, Meiners und Hißmann – dazu bewogen wurde, sich dem Materialismusproblem mit besonderer Aufmerksamkeit zuzuwenden und vorsichtig zwischen groben und feineren Materialisten zu unterscheiden.54
51 Lettre d’un Anonyme pour servir de Critique ou de Refutation, au livre intitulé l’Homme machine. In: Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen, Mai 1748. Über die Zueignung des anonymen Briefes vgl. Johann Georg Zimmermann: Das Leben des Herrn von Haller. Zürich 1755, S. 229. 52 Feder: Grundsätze (s. Anm. 8), Einleitung, II (Grundlehren von der menschlichen Seele überhaupt), §§ 8f.; Kosmologie, §§ 72–74; Theologie, § 113. 53 Feder: Grundsätze (s. Anm. 8), Theologie, Hauptstück IV; Pneumatologie, §§ 33–35. 54 Feder: Grundsätze (s. Anm. 8), Einleitung, II (Grundlehren von der menschlichen Seele überhaupt), § 7, S. 9f.: »Einige halten die Seele für weiter nichts als eine auf der Organisation beruhende und dem Ganzen derselben zukommende Kraft, oder einen Inbegriff solcher Kräfte. Diese nennt man grobe Materialisten a). Vergeblich berufen sie sich auf Gefühl und Bewußtseyn. Sie haben diese so wohl als die begründetesten Folgerungen aus mancherley psychologischen Erscheinungen viel-
Feder und die Psychologie seiner Zeit
Die Auseinandersetzung über die Erkenntnis der Seele, die im Deutschland der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit großer Intensität geführt wurde, bildete auch im Kreis Feders einen Schwerpunkt der philosophischen Diskussion. Neben den Versuchen Meinersʼ und Hißmanns, die Seelenvorgänge in einem mehr oder minder radikalen materialistischen Sinn zu erklären, findet Feder bei Hollmann eine interessante Behandlung dieser metaphysischen Frage. Schon am Anfang der 20er Jahre hatte Hollmann nämlich eine Dissertation mit dem vielsagenden Titel De stupendo naturae mysterio. Anima humana sibi ipse ignota (1722) publiziert. In dieser Schrift behauptete er, es sei für den Menschen unmöglich, zu einer vernünftigen, demonstrativischen Erkenntnis der Natur der Seele und ihrer Unkörperlichkeit zu gelangen. Hollmanns Behauptung, dass eine solche Erkenntnis höchstens den Grad der Wahrscheinlichkeit erreichen könne, wurde oft im Sinne einer materialistischen, teilweise sogar atheistischen Neigung verstanden. Trotzdem legte Hollmann fast 50 Jahre nach dieser ersten Veröffentlichung eine neue unveränderte Auflage seiner Schrift vor. Er hatte seine Meinung über das Thema nicht geändert.55 Hollmanns Grundidee – man kann keine Idee von einem immateriellen Wesen haben, weil es per definitionem nicht durch die Sinne empfunden werden kann – war ein Lieblingsargument der in Göttingen einflussreichen Gegner der geistigen Natur der menschlichen Seele und der denkenden Wesen überhaupt.56 Aufgrund seiner Lehre vom inneren Sinn wendet Feder die skeptischen Folgen von Hollmanns Auffassung ab. Dank der ursprünglichen Vorstellung von sich selbst, zu welcher die Seele durch den inneren Sinn gelangt, kann man sich selbst und andere nichtkörperliche Dinge vorstellen. Unter Bezugnahme auf Reid sowie auf Mendelssohns Phädon erkennt Feder in dieser ursprünglichen Erfahrung der Seele den Ansatzpunkt jeder Überlegung über endliche und unendliche denkende Substanzen, d. h. über die menschlichen Seelen, die Geister und Gott. So versteht man, wieso bei Feder die Pneumatologie mit der Theologie zusammentrifft: Die natürliche Theologie wird hier, zumindest in ihrem theoretischen Teil, ein Zweig der Pneumatologie. Bemerkenswert ist Feders Abhandlung der Pneumatologie aber nicht nur aufgrund des darin erkennbaren rationalistischen Erbes, sondern auch unter einem weiteren Gesichtspunkt. Das vorsichtige Voranschreiten Feders auf dem Feld der metaphysischen Psychologie lässt seine allgemeine Haltung klar zutage treten. Es unterstreicht seine Bescheidenheit und gemäßigte Skepsis, die ihn oft auf eine ge mehr wider sich b). Wenn die Seele als ein vom sichtbaren Körper verschiedener und trennbarer Theil der menschlichen Natur betrachtet, aber doch zusammengesetzt aus absolut trennbaren Theilen, also für materiell gehalten wird: so heißt dieß der feinere Materialismus.« 55 Vgl. Cramer: Die Stunde der Philosophie (s. Anm. 49), S. 134. 56 Über die Formen einer ›Radikalphilosophie‹ in Göttingen vgl. Falk Wunderlich: Empirismus und Materialismus an der Göttinger Georgia Augusta – Radikalaufklärung im Hörsaal? In: Aufklärung 24 (2012), S. 65–90 (über Feders nur moderate Neigung zum Materialismus, im Unterschied zu seinem Schüler Christoph Meiners vgl. insbesondere S. 82–84).
Paola Rumore fährliche Äquidistanz zu den entgegengesetzten philosophischen Parteien führt. In der mehrfach erwähnten Selbstdarstellung gibt Feder selber zu, dass er als junger Professor ganz wehrlos nach Göttingen kam: »Ohne festes System, schwankte ich zwischen Wolfischem Dogmatismus und einem Skepticismus, den Naturanlagen und Lectüre erzeugt, tiefere Einsichten noch nicht geläutert und in die rechten Gränzen gebracht hatten«.57 Dies war nicht nur sein eigener Eindruck. Nach Feders Erzählung bemerkte ein Student aus Königsberg, der dort an den Vorlesungen Kants teilgenommen hatte, »daß ich mich zu lange bey der Anführung fremder Meinungen aufhielte, und nicht bestimmt genug entschiede. Das war wohl wahr. Aber das entscheidende Dogmatisieren und Absprechen, ohne entschiedene Einsicht und eigene Überzeugung, war nicht meine Sache; und an dieser Überzeugung und Einsicht fehlte es mir in vielen Puncten damals gar sehr«.58 Diese Einstellung hat sich in den Jahren danach nicht geändert, im Gegenteil. Das gravierende Erlebnis der kantischen Revolution bestätigte ihn in seinem Misstrauen gegenüber den Vernunftsystemen und in dem Bedürfnis, seine bescheidene Einstellung gegenüber den entgegengesetzten Meinungen zu bewahren: »Gerade heraus meine Verlegenheit zu gestehen, und zuzusehen, ob jemand da ist, der helfen kann.«59 Eben darin besteht nach Feder die erste und fundamentale Vorschrift hinsichtlich eines angemessenen Gebrauchs unserer Vernunft.
57 Feder’s Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 71f. 58 Ebd., S. 76. 59 Ebd., S. 59.
Udo Thiel
Feder und der Innere Sinn Während seiner gesamten philosophischen Karriere, von seiner wichtigsten frühen Schrift, dem Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (Coburg 1767), bis hin zu den späteren Kant- und Reinhold-kritischen Arbeiten der 1780er und 1790er Jahre beschäftigt sich Feder mit der Frage nach dem inneren Sinn. Obwohl der Begriff des inneren Sinnes auf den ersten Blick dennoch keine zentrale Position in seinen Schriften zu haben scheint und Feder keine ausgeführte Theorie des inneren Sinnes vorlegt, kommt diesem Begriff, wie sich zeigen wird, durchaus eine wichtige systematische Bedeutung als Grundlage seines philosophischen Denkens zu. Feders Aussagen zum inneren Sinn sind in seinen über mehrere Jahrzehnte verteilten Schriften nicht immer identisch, aber sie sind durchaus konsistent, und zentrale Aspekte bleiben konstant. Neben mehreren kleineren Schriften ist die wichtigste Textgrundlage ohne Zweifel sein Hauptwerk in der theoretischen Philosophie, die Logik und Metaphysik von 1769, und die zahlreichen späteren Auflagen und Fassungen dieses Werks. Von letzteren sind die Grundsätze der Logik und Metaphysik (Göttingen 1794) von besonderer Bedeutung. Denn hier geht Feder, anders als noch in der 7. Auflage der Logik und Metaphysik (Göttingen 1790), auch, mit Bezug auf Themen, die für den inneren Sinn von Bedeutung sind, auf den kritischen Kant ein.1 Die Bedeutung, die der innere Sinn für Feders Denken hat, lässt sich auch daran ablesen, dass er dem Thema eine eigenständige Schrift widmet, seine Göttinger Antrittsvorlesung, die 1768 als 35seitige gelehrte Abhandlung unter dem Titel De sensu interno publiziert wurde. Noch fast 20 Jahre später, in seiner gegen Kant gerichteten Schrift Ueber Raum und Caussalität, beruft sich Feder auf diese Antrittsvorlesung, und zwar als Nachweis dafür, dass er selbst, wie der Kant der Kritik der reinen Vernunft, immer schon ein »kritischer« Philosoph gewesen sei.2 Zwar mag das
1 In der Vorrede zu den Grundsätzen der Logik und Metaphysik weist Feder darauf hin, dass die (seit 1777 erschienenen) lateinischen Versionen seiner Logik und Metaphysik nicht den Erfolg gehabt haben, den er sich erhofft hatte, und daher diese Fassung des Werkes, mit dem Zusatz »Grundsätze« im Titel, wieder auf Deutsch erscheine (Johann Georg Heinrich Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794, S. III–IV). Schon in der Vorrede geht Feder ausführlich auf Kant und auf sein Verhältnis zu ihm ein und bemüht sich dabei offensichtlich um eine ausgewogene Einschätzung (S. V–XIII). 2 »Was Kant die Kritik der R.V. nennt, ist immer die einzige Art von Metaphysik gewesen, die ich schätzen konnte und zu lehren gesucht habe. Beym Antritt meines hiesigen Lehramts 1768 schrieb ich ein Progr. de Sensu interno. Im Eingang desselben unterschied ich zuerst zwey Arten gewöhnlicher Metaphysik, die synthetisch demonstrative und die analytisch dogmatische. Und nachdem ich meine Bedenklichkeiten gegen beide geäußert, erklärte ich mich für eine dritte Art, die ich mit dem Namen Metaphysica indagatrix unterschied, vermuthlich, weil ich mit dem Namen analytischskeptisch damals Anstoß zu erregen befürchtete […]. Nur dieß wollte ich bemerklich machen, daß
https://doi.org/10.1515/9783110489439-004
Udo Thiel hier ausgedrückte Verständnis von »kritischer« Philosophie im Sinne einer »analytisch-skeptischen« Metaphysik entgegen Feders Einschätzung nicht Kants transzendentalem Verständnis von kritischer Philosophie entsprechen, aber der Hinweis legt bereits nahe, dass Feders philosophisches Projekt von Anfang an sowohl »rationalistische« als auch »empiristische« Tendenzen in der Philosophie seiner Zeit zu überwinden suchte und damit einen potentiellen Anknüpfungspunkt für Kant darstellte. Dies lässt sich nicht zuletzt durch eine Analyse von Feders Konzeption des inneren Sinnes erweisen. Wir werden auf diesen Aspekt gegen Ende des Beitrags zurückkommen, wenn die systematische Funktion des inneren Sinnes reflektiert wird. Zunächst geht es jedoch um Fragen, wie Feder den inneren Sinn bestimmt, welche Arten des Selbstbezugs darunter zu verstehen sind, welche Gegenstände der innere Sinn hat und wie dieser sich von anderen Arten des Selbstbezugs unterscheidet. Es liegt auf der Hand, dass schon diese Analyse systematische Aspekte und Fragen aufwirft. Dabei wird sich zeigen, dass sich Feder in seinen späten Schriften bei aller Kritik an Kant und Reinhold durch diese Denker auch in einem konstruktiven Sinne inspirieren lässt und deren Ansätze in seine Konzeption einzubauen versucht. Der Begriff des inneren Sinnes ist ein traditionelles Konzept, das jedoch im Laufe der Zeit wichtige Umdeutungen erfahren hat.3 In De sensu interno bezieht sich Feder auf die ältere und neuere Vorgeschichte von Auffassungen zum inneren Sinn, um seine eigene Position zu verorten. Er geht auf Aristoteles, die »Scholastiker«, Descartes und natürlich Locke ein. In der für Feder neueren Geschichte spielen sein Göttinger Kollege Samuel Hollmann und der Wolff-Kritiker Andreas Rüdiger eine wichtige Rolle. Aber auch Francis Hutcheson und Johann Heinrich Lambert werden zitiert. Ein weniger bekannter, aber für Feders Konzeption sehr wichtiger Referenzautor ist der heute hauptsächlich wegen seiner reformpädagogischen Schriften und Aktivitäten bekannte Johann Bernhard Basedow.
ich […] ohne diesen Namen zu gebrauchen, kritisch zu philosophieren wenigstens immer die Absicht hatte« (Johann Georg Heinrich Feder: Ueber Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787, S. VIIf.). Vgl. auch Johann Georg Heinrich Feder: De sensu interno. Göttingen 1768, S. 5–7. 3 Daniel Heller-Roazen hat einen informativen Überblick zur Geschichte der Lehren vom inneren Sinn von der Antike bis zum 20. Jahrhundert vorgelegt: Daniel Heller-Roazen: Der Innere Sinn. Archäologie eines Gefühls. Frankfurt a. M. 2012. (Das englische Original mit dem Titel The Inner Touch: Archeology of a Sensation ist 2007 in New York erschienen). Heller-Roazen beschäftigt sich ausführlich mit antiken Konzeptionen, die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts kommt nur am Rande vor, Feder wird nicht erwähnt.
Feder und der Innere Sinn
Die »Bestimmung der innerlichen Sinnen« und »die innerlichen Gegenstände« Feder bestimmt den inneren Sinn zunächst negativ durch den Gegensatz einerseits zu den äußeren Sinnen und andererseits zum Verstand. Der innere Sinn hat erstens nicht äußere Gegenstände zum Gegenstand und ist zweitens kein Denkvermögen oder Reflexionsvermögen. In der Frühschrift De sensu interno wird der innere Sinn als ein Vermögen anschaulicher Erkenntnis dessen bezeichnet, was durch die äußeren oder körperlichen Sinne nicht zugänglich sei. Er betreffe nur das, was den Geist und seine Beschaffenheit unmittelbar affiziere.4 Durch den Begriff des anschaulichen Erkennens hebt Feder, positiv gewendet, die sinnliche Natur dieses Vermögens hervor. Und dadurch wird wiederum die Unmittelbarkeit des Zugangs zu dem, was durch es gegeben ist, betont. Auf dieser Grundlage kann Feder auf der unten noch zu besprechenden Unterscheidung bestehen zwischen dem, was durch dieses Vermögen im Modus der Unmittelbarkeit gegeben ist, und dem, was der Verstand daraus erschliessen mag. Durch die Betonung des Geistes und seiner Beschaffenheit wird schließlich, drittens, die ›Innerlichkeit‹ dieses Sinnes hervorgehoben.5 Dementsprechend heisst es in späteren Auflagen der Logik und Metaphysik: Was unter dem innern Sinn und den innern Empfindungen zu verstehen sey; kann man theils daraus abnehmen, daß diese Erkenntnißart sowol der äussern Empfindung, als auch der sogenannten höhern, auf Räsonnement und allgemeine Begriffe sich gründenden, Erkenntniß, und der ihr eigenen Deutlichkeit, entgegengesetzt wird; theils aus den besondern Arten der innern Empfindung, und der darauf sich beziehenden Fähigkeiten des innern Sinns.6
In diesem Zitat wird der negativen Charakterisierung des inneren Sinnes in Bezug auf den äußeren Sinn und den Verstand hinzugefügt, dass der innere Sinn den Inbegriff von mehreren geistigen Fähigkeiten ausmacht. Diese Fähigkeiten bestehen darin, dass sie nicht nur den jeweiligen »Zustand« der Seele »undeutlich zu erkennen« in der Lage seien, sondern auch »die Verhältnisse ihrer Vorstellungen aus dem
4 »Sensum internum dicamus facultatem intuitive cognoscendi ea, quae sub corporis sensum non cadunt, adeoque animi sui constitutionem, quaeque animum immediate adficiunt« (Feder: De sensu interno [s. Anm. 2], S. 24). 5 Vgl. zum Gegensatz zum äußeren Sinn insbesondere die Formulierung in Grundsätze der Logik und Metaphysik: »Unter dem innern Sinn wird verstanden das Vermögen dasjenige, was im Innersten sich darstellt, so wie es sich gegenwärtig vorstellt, wahrzunehmen« (Feder: Grundsätze [s. Anm. 1], S. 18f.). Feder erklärt: »Der Ausdruck Innerstes soll hiebey einen Gegensatz auf alles dasjenige, was mit äußern Sinnen wahrgenommen werden kann, bezeichnen« (ebd., S. 19). 6 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Göttingen, Gotha 1771, S. 31; Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Wien 1783, S. 30; Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Göttingen 1790, S. 28f.
Udo Thiel Eindrucke, den sie zusammen bewirken«.7 Das »Undeutliche« dieser Erkenntnisart ist offensichtlich der bloß sinnlichen, unmittelbaren und nicht-begrifflichen Bezugnahme auf den Zustand der Seele und die »Verhältnisse ihrer Vorstellungen« geschuldet. Die Frage, ob dem inneren Sinn, wie den äußeren Sinnen, physische Organe oder »Organisation« zu Grunde liegen, scheint für Feder nicht zentral zu sein. Ihm kommt es auf die Analyse der Funktion und Leistung des inneren Sinnes an. Allerdings wendet er sich nachdrücklich gegen Versuche, eine »Organisation« für den inneren Sinn ganz auszuschließen, wie er sie später bei Karl Leonhard Reinhold vorzufinden meint. In der Tat schreibt Reinhold: »Die Receptivität des Vorstellungsvermögens muss auf zweyerley sehr verschiedene Arten afficieret werden: von aussen, d. h. durch etwas vom blossen Vorstellungsvermögen verschiedenes; und von innen durch ihre eigene Spontaneität.«8 Diese »bestimmte Fähigkeit der Receptivität […], von innen afficiert zu werden […] [heisst] – der innere Sinn«.9 Ähnlich wie Kant schreibt Reinhold dem inneren Sinn eine gewisse Priorität in dem Sinne zu, dass jede äußere Empfindung, insofern »beym Auffassen« des gegebenen »Stoffes die Receptivität auch von innen afficiert werden« müsse, damit der Stoff »zu etwas dem Gemüthe angehörigen« wird, gleichzeitig auch eine »innere Empfindung« sei.10 Darüber hinaus gibt es für Reinhold aber auch »blosse innere Empfindungen, das heisst solche, die unmittelbar blos durch die von der Spontaneität afficierte Receptivität entstanden sind«.11 Eine organische Grundlage oder eine »Organisation« lässt Reinhold nur für die äusseren Sinne zu. Man dürfe daher Sinnlichkeit überhaupt nicht durch Organisation bestimmen, weil man damit erstere auf die äussere Sinnlichkeit reduzierte. Man »raubt« damit »der Sinnlichkeit die eine wesentliche Hälfte ihres Vermögens, nämlich den inneren Sinn«.12 Feder sieht jedoch »nicht ein«, wie Rein-
7 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 6), 1790, S. 29f. Vgl. Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), wonach die »allgemeine Erklärung vom innern Sinn« diesen als »das Vermögen der Seele« bestimme, »ihren Zustand, und die Verhältnisse ihrer Vorstellungen unmittelbar gewahr zu nehmen« (S. 32). Fast wörtlich ebenso Feder: Logik und Metaphysik 1783 (s. Anm. 6), S. 31. 8 Karl Leonhard Reinhold: Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens. Prag, Jena 1789, S. 365. 9 Ebd., S. 368. 10 Ebd., S. 368f. Vgl. Immanuel Kant: »Alle Vorstellungen, sie mögen nun äußere Dinge zum Gegenstand haben, oder nicht, […] [gehören] an sich selbst, als Bestimmungen des Gemüts, zum inneren Zustande« (Kritik der reinen Vernunft, A 34 / B 50). 11 Reinhold: Versuch (s. Anm. 8), S. 369. 12 Ebd., S. 370. Wenn man die Sinnlichkeit in dieser Weise auf den äußeren Sinn einschränke, was laut Reinhold bei den »Spiritualisten« der Fall ist, so bleibe einem »nichts anderes übrig, als denjenigen Stoff zu Vorstellungen, der dem äussern Sinn nicht gegeben werden kann, durch den Verstand empfangen zu lassen, und so […] dem Verstande auch ein leidendes Vermögen zuzuschreiben« (ebd., S. 374). Auf der anderen Seite erklären dagegen die Materialisten »den Verstand selbst für eine blosse Modifikation der Sinnlichkeit« (ebd., S. 375).
Feder und der Innere Sinn
hold mit dieser »Definition des innern Sinnes bestehen könne«, die diesen »durch die Receptivität des Vorstellungsvermögens […] [erkläre], in so fern es durch die eigne Spontaneität desselben afficirt wird«.13 Er verstehe zwar, dass Reinhold bei »den Grundlehren von der Sinnlichkeit, von der Organisation nichts hören […] [wolle]; weil sie nur empirische Modificationen des äußern Sinnes seyn«. Aber zur Frage, »ob nur bey den äußern Empfindungen, nicht auch bey den innern, Organisation zum Grunde liegt«, sei »bey genauerer Hinsicht auf die Erfahrung, doch so leicht nicht wegzukommen«.14 Feder will sich nicht festlegen, worin die »Organisation« besteht, aber, dass es eine solche gebe, hält er für wenigstens sehr wahrscheinlich: So scheint mir doch dieß unleugbar, daß, im Traum und in vielen anderen Fällen, innere Anschauungen und Empfindungen durch den bloßen Mechanismus des Körpers und die daraus entstehenden Reize und Eindrücke entstehen können. Also nicht durch die Spontaneität des Vorstellungsvermögens, außer in so weit diese bey jeder Empfindung und Anschauung, auch der äußern, mitwirkt. Also sehe ich nicht ein, wie der Charakter des innern Sinnes in der Abhängigkeit von der bloßen Spontaneität gesetzt werden könne.15
Feder gesteht hier immerhin zu, dass bei der inneren und äußeren Empfindung die »Spontaneität des Vorstellungsvermögens« eine Rolle spiele, »mitwirkt«. Die ›Mitwirkung‹ wird jedoch nicht im Einzelnen erläutert. Entsprechend der Vorstellung vom inneren Sinn als Inbegriff unterschiedlicher Fähigkeiten unterscheidet Feder schon in De sensu interno und später in Logik und Metaphysik zwischen mehreren Arten des inneren Sinnes. Der Terminus ›innerer Sinn‹ wird dann auch oft im Plural gebraucht. In der ersten Auflage von Logik und Metaphysik von 1769 spricht Feder von einer gewissen Uneinigkeit unter den Philosophen, die bezüglich der Anzahl und der genauen Bestimmung der inneren Sinne bestehe:
13 Feders Rezension von Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens erschien in der von ihm und Christoph Meiners herausgegebenen Philosophischen Bibliothek 3 (1790), S. 142–194, hier S. 173. 14 Ebd., S. 173f. 15 Ebd., S. 174f. Vgl. hierzu auch Feders entsprechende Ausführungen zum Selbstbewusstsein in Ueber den Begriff von Substanz. Hier hält er »es doch für sehr wahrscheinlich, daß auch unser Selbstbewußtseyn, so wie es in diesem Leben modificirt […] ist mit auf organischen Gründen beruhe. Denn man hat Beyspiele, daß in Krankheiten auch dieß Selbstbewußtseyn geschwächt und in unnatürliche Zerrüttung gebracht werden kann« (Johann Georg Heinrich Feder: Ueber den Begriff von Substanz. In: Philosophische Bibliothek 2 (1789), S. 1–40, hier S. 38).
Udo Thiel Man ist aber über die Zahl und genauere Bestimmung der innerlichen Sinnen noch nicht einig. Außer dem Selbstgefühl redet man am meisten vom moralischen Gefühle, von dem Gefühl des Wahren, dem Sensus communis, und dem Gefühle des Schönen, oder dem Geschmacke.16
Der Ausdruck »redet man am meisten« deutet darauf hin, dass sich Feder auf eine bereits feststehende Tradition für diese Einteilung des inneren Sinnes beruft, ohne dass diese Tradition dann explizit benannt wird. Freilich hat Feder schon in De sensu interno für die genannten Gefühle Referenzautoren angegeben. Feder bleibt schließlich bei dieser Einteilung des inneren Sinnes, und er erwähnt eine Uneinigkeit über »Zahl und genauere Bestimmung der innerlichen Sinnen« nicht mehr. Vielmehr stellt er schlicht fest: Dieses [die ›besondern Arten der innern Empfindung‹ und die entsprechenden Fähigkeiten] sind nemlich, ausser dem Selbstgefühle, das Gefühl des Wahren, des Schönen und des Moralischguten.17
Was hat es zunächst mit der Trias des Wahren, Schönen und (moralisch) Guten als Gegenständen von Gefühlen, die Arten des inneren Sinnes zugeschrieben werden, auf sich? Feders Formulierung legt, wie erwähnt, nahe, dass er sich auf eine Tradition beruft. In der Tat geht die Trias wenigstens auf den Neuplatonismus des 15. Jahrhunderts zurück, als man Platons Ideenlehre mit Hilfe dieser Trias zusammenzufassen suchte und diese auf Gott bezog.18 Im 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde sie im Kontext der platonistischen Schule von Cambridge und der von dieser beeinflussten Denker zum Thema. Das Schöne, Wahre, Gute wird nach Analogie der Symmetrie, Proportion und Harmonie des Kosmos miteinander verbunden, etwa bei Shaftesbury in seinen Chararcteristics of Men, Manners, Opinions, Times.19 Feder erwähnt in De sensu interno zwar den Cambridger Platoniker Ralph Cudworth, bezieht sich hinsichtlich der Trias jedoch weder auf den Neuplatonismus noch auf Shaftesbury.20 Bezeichnend für Feders Konzeption des Wahren, Guten, Schönen ist,
16 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Göttingen, Gotha 1769, S. 116. Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25–30. 17 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 31f.; 1783, S. 30; 1790, S. 29. 18 Gerhard Kurz gibt einen knappen Überblick über die Entwicklung dieser Trias von der Antike bis zur Gegenwart und behandelt sie hauptsächlich als ein Thema für Kunst und Ästhetik. Gerhard Kurz: Das Wahre, Schöne, Gute. Aufstieg, Fall und Fortbestehen einer Trias. Paderborn 2015. Kurz verweist auf Marsilio Ficinos Lehre, dass Gott, insofern er die Wirklichkeit aller Dinge sei, das Gute genannt werde, insofern er sie vergeistigt, das Schöne, insofern er die menschliche Erkenntnis zu ihnen leitet, das Wahre (S. 22f.). Auf die Lehre vom inneren Sinn und auf die Aufnahme und Umwandlung der Trias in diesem Kontext geht Kurz jedoch nicht ein. 19 Vgl. ebd., S. 24f. 20 Feder nennt Cudworths The True Intellectual System of the Universe (London 1678) als Quelle für Diskussionen zur Frage, ob die Sinnlichkeit bloß passiv und ob alles Denken sinnlich sei (Feder: De sensu interno [s. Anm. 2], S. 20f.).
Feder und der Innere Sinn
dass diese nicht mehr im Sinne metaphysischer Ideen verstanden, sondern ›verinnerlicht‹ und auf das empfindende Subjekt bezogen werden. Für Feder sind Wahres, Gutes und Schönes Gegenstände von unterschiedlichen Arten des Fühlens, die den inneren Sinn charakterisieren. In Deutschland hatte Moses Mendelssohn bereits in einer frühen Schrift argumentiert, dass die Trias sowohl durch Vernunft als auch durch Geschmack zu erkennen sei. Wir besitzen neben der Vernunft einen bon sens, vermittelst dessen »wir ohne deutliche Schlüsse das Wahre, Gute und Schöne gleichsam fühlen«.21 Aber auch Mendelssohn ist für Feder in De sensu interno kein Referenzautor.22 Feder nennt jedoch ein Werk, in dem ein Jahr vor der Publikation von De sensu interno diese drei Arten des inneren Sinnes als Grundlage für die Struktur der gesamten Philosophie hervorgehoben werden, nämlich Friedrich Justus Riedels einflussreiche Theorie der schönen Künste und Wissenschaften.23 In der Einleitung zu diesem als Kompilation und Lehrbuch der Ästhetik konzipierten Werk schreibt Riedel, dass der Mensch drei Endzwecke habe, »die seiner geistigen Vollkommenheit untergeordnet sind, das Wahre, das Gute und das Schöne«. Für jeden habe »ihm die Natur eine besondere Grundkraft verliehen, für das Wahre den sensus communis, für das Gute das Gewissen und für das Schöne den Geschmack«. Diese drei Grundkräfte bilden jedoch eine Einheit, denn sie alle »sind Aeste der Empfindung«.24 Diesen Ästen der Empfindung entsprechen drei Arten von »inneren Gefühlen«.25 Auf diesen inneren Gefühlen baue sich die gesamte Philosophie auf:
21 Moses Mendelssohn: Verwandtschaft des Schönen und Guten (1757–1760). In: ders.: Ästhetische Schriften. Hg. von Anne Pollok. Hamburg 2006, S. 133. Vgl. hierzu die Ausführungen von Kurz: Das Wahre, Schöne, Gute (s. Anm. 18), S. 33f., dessen Hinweis auf Mendelssohn ich hier folge. 22 In Logik und Metaphysik verweist Feder mehrfach auf Mendelssohns Phädon (1767). Vgl. beispielsweise Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 55, 278, 352, 415, 481. Diese Verweise beziehen sich jedoch nicht auf den inneren Sinn. 23 Friedrich Justus Riedel: Theorie der schönen Künste und Wissenschaften, ein Auszug aus den Werken verschiedener Schriftsteller, Jena 1767 (2. Aufl. Jena und Wien 1774). Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 32. Kurz erwähnt in seinem historischen Abriss, dass Riedel sich die Trias »für eine neue Systematisierung der Philosophie zu nutze macht« (Kurz: Das Wahre, Schöne, Gute [s. Anm. 18], S. 35), ohne jedoch Feder zu nennen und den auch hier offensichtlichen Bezug zur Lehre vom inneren Sinn herauszustellen. 24 Riedel: Theorie (s. Anm. 23), S. 6. 25 »Das innere Gefühl der Seele, wodurch sie ohne VernunftSchlüsse von der Wahrheit, oder Falschheit einer Sache unmittelbar überzeugt wird, ist der sensus communis […] Das innere Gefühl der Seele, wodurch sie ohne VernunftSchlüsse von dem, was gut und böse ist, unmittelbar überzeugt wird, ist das Gewissen […]. Das innere Gefühl der Seele, wodurch sie ohne VernunftSchlüsse blos durch das sinnliche Wohlgefallen, das Schöne da findet, wo es seyn mag, ist der Geschmack« (Riedel: Theorie [s. Anm. 23], S. 7).
Udo Thiel Das höchste Principium der Philosophie ist die Empfindung. Jene theilt sich, wie ihre Quelle, in drey Arme, in die Philosophie des Geistes, des Herzens und des Geschmacks. Die erste beschäftigt sich mit dem Wahren, die zwote mit dem Guten und die dritte mit dem Schönen.26
Der innere Sinn wird von Riedel demnach zum grundlegenden Prinzip der Philosophie erhoben, ein Gedanke, der auch bei Feder wirksam ist, der, wie noch zu zeigen sein wird, den inneren Sinn jedenfalls in bestimmter Hinsicht zum »höchsten Principium« der Metaphysik macht. Es überrascht nicht, dass Riedel selbst in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift, die er ebenso wie später Feder und Christoph Meiners die ihre ›Philosophische Bibliothek‹ nennt, eine überaus positive Rezension von Feders De sensu interno publiziert. »Verständige Männer«, heisst es dort »haben es längst erkannt, daß die wahre Philosophie die Philosophie der Empfindung ist«. Dabei verdiene es besonders die innere Empfindung, »daß sie immer noch genauer untersucht wird, als es bisher geschehen ist«. Feder stelle in seiner Abhandlung »eine Reihe von Begriffen« vor, die man »dereinst das vollständige System der innern Empfindung wird nennen können«.27 Obwohl die Trias bei Feder zu Gegenständen des (innerlichen) Fühlens wird, betont er wie Riedel die Unterschiedenheit dieser Gefühle voneinander.28 Gemein ist ihnen wie erwähnt, dass es um »die im Innern entstehenden Vorstellungen […] [geht]; und also auch diejenigen Gefühle, welche diese Vorstellungen, einzeln oder in gewissen Verbindungen mit einander, hervorbringen oder hervorzubringen scheinen«.29 Sie unterscheiden sich in Bezug auf ihren Gegenstand. In der ersten Auflage von Logik und Metaphysik wird das Gefühl des Wahren wie bei Riedel mit dem auf Aristoteles zurückgehenden Ausdruck ›sensus communis‹ bezeichnet, in späteren Auflagen kommt der auch ganz anders zu verstehende englische Terminus »common sense« hinzu.30 Feder bestimmt dieses Gefühl ähnlich wie Riedel als »das Vermögen, Wahrheit oder Unwahrheit, unmittelbar ohne Räsonnement, und daher 26 Ebd., S. 8. In der deutlich konziseren, auf zwei Seiten reduzierten Einleitung zur zweiten Auflage seines Werkes konzentriert sich Riedel ganz auf das Thema dieser Dreiteilung und spricht nun von »drey Fähigkeiten oder innere Sinne.« (Riedel: Theorie, 2. Aufl. [s. Anm. 23], S. 7). Riedel soll bereits 1765 eine Dissertation mit dem Titel De sensu communi, veri, boni et pulchri verfasst haben, zu der ich noch keinen Zugang erlangen konnte. Feder erwähnt dieses Werk nicht. Vgl. hierzu Waldemar Fromm: An den Grenzen der Sprache. Freiburg i. Br. 2006, S. 216. 27 Philosophische Bibliothek. Hg. von Justus Riedel. Erstes Stück, Halle 1768, S. 20–25, hier S. 20f. Riedel publiziert auch eine längere Rezension der ersten Auflage von Feders Logik und Metaphysik, in: Philosophische Bibliothek, Drittes Stück, Halle 1769, S. 125–163. 28 Feder verweist für die jeweiligen Gefühle auf unterschiedliche Referenzautoren. Für das Gefühl des Wahren bezieht sich Feder auf Rüdiger und Lambert (Feder: De sensu interno [s. Anm. 2], S. 7, S. 11 u. S. 27), für die Gefühle des Schönen und moralisch Guten auf Hutcheson (ebd., S. 13 u. S. 30). 29 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 19. Vgl. die etwas anderen Formulierungen in Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31, und 1790 (s. Anm. 6), S. 29f. 30 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 116. Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31; 1790 (s. Anm. 6), S. 29.
Feder und der Innere Sinn
auch oft nur undeutlich, wahrzunehmen«.31 Das Gefühl des Schönen, auch »ästhetisches Gefühl (Geschmack)« genannt, ist das Vermögen die »(in Vorstellungen liegende) Schönheit« unmittelbar und ohne Nachdenken zu bemerken.32 Und das Gefühl des (moralisch) Guten, auch »moralisches (sittliches) Gefühl« genannt, sei schließlich das Vermögen, »das Schändliche, Löbliche, was recht, was unrecht ist, also unmittelbar zu bemerken«.33 Gemein ist den drei Gefühlsarten demnach, wie auch dem Selbstgefühl, die Unmittelbarkeit des Bezugs auf den jeweiligen Gegenstand, er findet »ohne Nachdenken«, »ohne Räsonnement« statt, wie Feder hervorhebt. Was hat es nun mit dem Selbstgefühl auf sich, von dem in Riedels Theorie der schönen Künste und Wissenschaften nicht als eine Art des inneren Sinnes die Rede ist? Schon die zitierte Formulierung Feders, dass es »ausser dem Selbstgefühle« noch die Gefühle des Wahren, Schönen und Guten gebe,34 deutet darauf hin, dass dem Selbstgefühl als vierte Art des inneren Sinnes eine besondere Stellung zukommt. Im frühen Grundriß gibt es eine Formulierung, die nahelegt, dass das Selbstgefühl gar nicht eine Art des inneren Sinnes ausmache, sondern diesem gewissermaßen noch vorgelagert sei: Wir haben ein Vermögen, dessen, was ausser uns und in uns auf eine gewisse Art vorgeht, uns bewust zu werden; dies ist das Empfindungs-Vermögen, der Sinn; wobey noch genauer die äussere und innere Sinnen, und das Selbstgefühl können unterschieden werden.35
Nach diesem Zitat scheint das Selbstgefühl eine eigenständige Art unmittelbaren Selbstbezugs zu sein. Es kann sich allerdings auch um eine ungenaue Formulierung handeln, denn schon in De sensu interno und dann in Logik und Metaphysik von 1769 und den späteren Auflagen und Fassungen dieses Werks wird das Selbstgefühl
31 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31; 1790 (s. Anm. 6), S. 29. Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 27 u. S. 29f. 32 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31; 1790 (s. Anm. 6), S. 29. Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 30–32. In Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16) spricht Feder wie Riedel vom »Gefühle des Schönen, oder dem Geschmacke« (S. 116). In: Feder: Grundsätze (s. Anm. 1) wird der Ausdruck »ästhetisches Gefühl (Geschmack)« benutzt (S. 19). 33 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31; 1790 (s. Anm. 6), S. 29. Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 32f. Zum Ausdruck »moralisches (sittliches) Gefühl« vgl. Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 19. Zu diesem Thema hat Feder auch eine längere, allerdings kritische Abhandlung verfasst. Johann Georg Heinrich Feder: Über das moralische Gefühl. In: Deutsches Museum 1776, Bd. 1, S. 15–40, S. 103–115, S. 287–306 u. S. 479–503. Als Monographie wurde diese Schrift in Kopenhagen und Leipzig 1792 publiziert. 34 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 116; 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 30, 1790 (s. Anm. 6), S. 29. 35 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften. Coburg 1767, S. 53.
Udo Thiel als eine Art des inneren Sinnes vorgestellt.36 Dabei kennzeichnet Feder das Selbstgefühl als erste, fundamentalste und wichtigste Form des inneren Sinnes. Das Selbstgefühl ist wie die Gefühle des Wahren, Schönen und Guten durch Unmittelbarkeit und Undeutlichkeit charakterisiert, bezieht sich aber im Gegensatz zu diesen Gefühlen auf »alle innere Zustände des Thuns und Leidens, des Denkens, Wollens und Fühlens«.37 In De sensu interno spricht Feder vom »sensus sui ipsius«, dem er den deutschen Ausdruck »das Selbstgefuehl« zur Erklärung hinzufügt.38 Als Quelle für diesen Ausdruck gibt Feder hier Johann Bernhard Basedows Philalethie von 1764 an.39 Und in der Tat führt Basedow den Terminus »Selbstgefühl« explizit als Ausdruck für den inneren Sinn ein: Zwey unserer Denkarten, oder der Nebenkräfte unsers Verstandes, haben wir betrachtet, nemlich den äusserlichen Sinn, der den Namen des Sinnes in meinem Vortrage behalten soll, und den innerlichen Sinn, den ich künftig das Selbstgefühl nennen will.40
Basedow betont, dass Selbstgefühl und äußerer Sinn »weiter voneinander unterschieden sind« als die verschiedenen äußeren Sinne voneinander, wie etwa Gesicht und Gehör. Dass er beide als »Nebenkräfte unsers Verstandes« bezeichnet, soll dem sinnlichen Charakter beider Vermögen nicht widersprechen.41 Feder verwendet den Terminus »Selbstgefühl« zwar mit ausdrücklichem Hinweis auf Basedow, identifiziert das damit Gemeinte aber, wie wir sahen, nicht wie Basedow einfach mit dem inneren Sinn, sondern verwendet den Terminus für eine bestimmte Art desselben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Gefühl von den eigenen Zuständen eine Voraussetzung für die speziellen Gefühle des Wahren, Guten, Schönen ist. Das Selbstgefühl kommt als viertes diesen drei Gefühlen als notwendige Bedingung hinzu. Laut obigem Zitat aus Grundsätze der Logik und Metaphysik sind Gegenstand des Selbstgefühls »alle innere[n] Zustände des Thuns und Leidens, des Denkens, Wollens und Fühlens«. Ähnlich erklärt Basedow das Selbstgefühl oder, in 36 Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25; Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 116; 1771 (s. Anm. 6), S. 3f. 37 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 19. 38 Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25. 39 Ebd., S. 12. In Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 19, verweist Feder für den Terminus ›Selbstgefühl‹ auf Michael Ignaz Schmidt: Die Geschichte des Selbstgefühls. Frankfurt a. M., Leipzig [i. e. Würzburg] 1772. Feder gibt 1773 als Publikationsdatum an. Moses Mendelssohn, der mit Thomas Abbt über Basedow korrespondierte, verwendet »Selbstgefühl« mehrmals in seinem Phädon von 1767. Wie oben (Anm. 22) erwähnt, nennt Feder Mendelssohns Schrift zwar mehrmals in Logik und Metaphysik, aber nicht im Zusammenhang des Selbstgefühls. Zu Mendelssohns Begriff des Selbstgefühls vgl. Björn Pecina: Mendelssohns diskrete Religion. Tübingen 2016, S. 208–211. 40 Johann Bernhard Basedow: Philalethie. Neue Aussichten in die Wahrheiten und Religion der Vernunft. 2 Bde. Altona 1764, Bd. 2, S. 5. 41 »Der Sinn und das Selbstgefühl sind zwey Verstandeskräfte, welche weiter voneinander unterschieden sind, als Gesicht und Gehör« (Basedow: Philalethie [s. Anm. 40], Bd. 2, S. 6).
Feder und der Innere Sinn
seinem Verständnis, den inneren Sinn. Für Basedow sind die eigenen Ideen, Vorstellungen und die damit verbundene Lust oder Unlust Gegenstände des Selbstgefühls. Es sind diese innerlichen Gegenstände nemlich, unsre eigenen Ideen, Vorstellungen, Begriffe oder Gedanken; ferner die damit verknüpfte Lust oder Unlust; das darauf folgende Begehren oder Verabscheuen; und die Verbindungsarten zweyer oder mehrerer Ideen, z. E. Zweifel, Vermuthung, Beyfall oder Verwerfung.42
Feder bestimmt den inneren Sinn (als Selbstgefühl) in Abgrenzung nicht nur von Verstand und äußerem Sinn, sondern auch von der Erinnerung. Diese Unterscheidung ergibt sich bereits aus Feders Darstellung, wonach das Selbstgefühl sich auf Gegenwärtiges bezieht. So spricht Feder vom Selbstgefühl als von einer »Anschauung des Gegenwärtigen«. An derselben Stelle heißt es weiterhin: »Unter dem innern Sinn wird verstanden das Vermögen dasjenige, was im Innersten sich darstellt, so wie es sich gegenwärtig vorstellt, wahrzunehmen.«43 In der Abhandlung Über das moralische Gefühl von 1776 heißt es dementsprechend: »Innere Empfindungen werden nemlich die Gewahrnehmungen des gegenwärtigen Zustandes unsres Innersten, den äussern Sinnen auf alle Weise verborgenen Wesens genannt«.44 Feder hebt hier den Gegensatz zur Erinnerung auch explizit hervor: Und wenn sich sagen lässet, daß die Seele gewisse Verhältnisse der ihr gegenwärtigen Vorstellungen, ihre Uebereinstimmung oder ihren Widerspruch, unter sich oder mit ihren Trieben, unmittelbar, ohne Schluß, gewahr wird, so sind auch dieses Empfindungen des innern Sinnes, im Gegensaze auf das, was man von diesen Verhältnissen, als ehemals empfunden sich erinnert, oder sich einbildet, oder schliesset.45
Für Feder ist damit der Gegenstand des Selbstgefühls jedoch nicht hinreichend erklärt. Gegenstand des Selbstgefühls ist schon laut De sensu interno nicht nur ein jeweils gegenwärtiger Zustand oder eine innere Beschaffenheit, sondern auch die
42 Ebd., S. 4. Vgl. auch S. 1: »Zu dem Inbegriffe desjenigen Wesens, welches ein jeder sein Ich nennt, gehört auch eine Vorstellungskraft, welche nicht nur Farben, Töne und andre äusserliche Sachen sinnlich vernimmt; sondern auch das Innerliche, (als Wollust und Schmerz, das Begehren und Verabscheun, nebst seinen eigenen Gedanken, und den damit verknüpften Beyfall oder Zweifel,) innerlich empfindet.« 43 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 18f.; Hervorhebung U.T. 44 Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 33), Bd. 1, S. 18. 45 Ebd., S. 18f. Zum Verhältnis des inneren Sinns zur Einbildungskraft als dem »Vermögen sinnliche Vorstellungen selbstthätig in sich hervorzubringen«, lässt sich Feder nicht detailliert aus. Denn: »Wie Einbildungskraft und Innerer Sinn sich unterscheiden, wird hiebey leicht zu bemerken seyn« (Feder: Grundsätze [s. Anm. 1], S. 20f.).
Udo Thiel Existenz des eigenen Ich, das sich in diesen Zuständen befindet.46 Wie oben dargestellt ist der innere Sinn für Feder ein Inbegriff von verschiedenen »Fähigkeiten«, mittels derer die Seele sich auf sich selbst beziehen kann: »Der innere Sinn besteht in denenjenigen Fähigkeiten der Seele, wodurch sie sich selbst, und dasjenige was in ihr vorgehet, die Verhältnisse ihrer Vorstellungen, empfindet.«47 Hier ist zwar nicht explizit von der »Existenz« des Ich die Rede, aber doch davon, dass die Seele durch den inneren Sinn nicht nur empfindet, was in ihr vorgeht, sondern auch »sich selbst«. In späteren Auflagen von Logik und Metaphysik spricht Feder wieder explizit vom Gefühl der Existenz: »Unter dem Selbstgefühle versteht man die unmittelbare Gewahrnehmung [1] seiner Existenz, [2] seiner innersten Zustände und Eigenschaften.«48 Indem das Fühlen des eigenen Daseins als zum inneren Sinn (als Selbstgefühl) gehörig vorgestellt wird, gibt es demnach für Feder nicht nur ein Gewahrsein von den eigenen Zuständen, sondern auch ein Gewahrsein von der Existenz des Ich. Denn Feders These scheint zu sein, dass in jeder Empfindung das präreflektive Selbstgefühl als das Gefühl oder das Bewusstsein liege, dass wir diese Empfindung haben.49 Es liegt auf der Hand, dass ein solches Gewahrsein von der eigenen Existenz und den eigenen Zuständen notwendige Bedingung für die speziellen Gefühle des Wahren, Guten, Schönen ist. Dem Selbstgefühl kommt also als vierter innerer Sinn gegenüber den anderen drei Gefühlen eine fundamentale Bedeutung zu. Von dem unmittelbaren Selbstbezug durch den als Selbstgefühl verstandenen inneren Sinn unterscheidet Feder den Begriff oder den »deutlichen Gedanken vom Ich«.50
46 »Et prioris quidem denuo quaedam species est certissima sensus sui ipsius id est suae existentiae et intimae constitutionis conscientia (das Selbstgefühl)« (Feder: De sensu interno [s. Anm. 2], S. 25). 47 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 116. 48 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 30; 1790 (s. Anm. 6), S. 29. 49 In De sensu interno zitiert Feder Lockes Ausführungen zur reflection (in der französischen Übersetzung von Pierre Coste) als eine historische Quelle für Theorien vom inneren Sinn (Feder: De sensu interno [s. Anm. 2], S. 11). Das Ich oder die Seele selbst ist jedoch nicht Gegenstand der reflection oder des inneren Sinnes, wie Locke diesen vorstellt. Die reflection, von Locke auch »internal Sense« genannt, sei »that notice which the Mind takes of ist own Operations, and the manner of them, by reason whereof, there come to be Ideas of these Operations in the Understanding« (John Locke: An Essay concerning Human Understanding. Ed. by Peter H. Nidditch, Oxford 1975, II.i.4). Locke nimmt jedoch ein distinktes unmittelbares Wissen (»intuitive knowledge«) von der Existenz der eigenen Seele oder des Ich an (Essay IV.ix.3), worauf Feder jedoch hier gar nicht eingeht. Insofern ist Gustav Zarts Behauptung, Feders Begriffsbestimmung und Beschreibung des inneren Sinnes seien ganz »von Locke und Hutcheson abhängig«, fragwürdig (Gustav Zart: Einfluss der englischen Philosophen seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts. Berlin 1881, S. 145). 50 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 134; vgl. 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 31; 1790 (s. Anm. 6), S. 29.
Feder und der Innere Sinn
Selbstgefühl als Art des Inneren Sinnes und der »Deutliche Gedanke vom Ich« Wie oben erwähnt unterscheidet Feder den inneren Sinn (und damit auch das Selbstgefühl) sowohl von den äußeren Sinnen als auch vom Verstand. Zu diesem gehört das Vermögen der Reflexion, das Feder als eine Fähigkeit des Unterscheidens und Vergleichens darstellt. Ferner besitzen wir ein Vermögen, das manchfaltige, so in einer oder in mehrern Vorstellungen liegt, zu überdenken, das ist, zu unterscheiden und einzeln neben und nach einander uns vorzustellen. Dies wird das Vermögen zu reflectiren oder die Überlegungskraft genennt.51
Feder betont, dass man unterscheiden müsse zwischen dem, was unmittelbar sinnlich gegeben ist, und dem, was daraus durch Verstandestätigkeit erschlossen werden könne. »[E]s ist sehr nöthig«, schreibt er, »die unmittelbar von den Sinnen herrührende, und die von diesen abgesonderte Begriffe jedesmal wohl zu unterscheiden«.52 Dies gilt entsprechend auch für den Selbstbezug. Es sei zu unterscheiden zwischen dem durch Unmittelbarkeit charakterisierten Selbstgefühl und einem begrifflich vermittelten Selbstbezug, der Abstraktionshandlungen involviere. Diese Unterscheidung findet sich bei Feder durchgehend von De sensu interno bis in die nachkantischen Schriften.53 Den begrifflich vermittelten Selbstbezug bezeichnet Feder als »den deutlichen Gedanken vom Ich« oder »die Notion«, die das Ich, das hier mit der Seele gleichgesetzt wird, von sich selbst habe. Das Selbstgefühl ist notwendige Grundlage für den deutlichen Gedanken vom Ich, der durch Verstandesleistungen aus dem Selbstgefühl hervorgehe: Ein grosser Theil unserer Begriffe rühret aus den Empfindungen her, die wir vermöge des innern Sinnes haben. Daher hat die Seele die Notion von ihr selbst, den deutlichen Gedanken vom Ich, und von ihren Eigenschaften.54
Für das so verstandene Ich oder die Seele verwendet Feder auch den Begriff der Person.55 Ähnlich, wenn auch keineswegs in identischer Weise, hat Feders Refe 51 Feder: Grundriß (s. Anm. 35), S. 54. Vgl. Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 122f. Vgl. Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 24f.: »Im Innern beschäftigte Aufmerksamkeit heißt Ueberlegung (Reflexion); besonders wenn sie durch Begriffe […] geleitet und aufgeklärt wird.« 52 Feder: Grundriß (s. Anm. 35), S. 55. 53 Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25; Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 6), S. 134; Feder: Logik und Metaphysik 1790 (s. Anm. 6), S. 29. 54 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 134. Vgl. Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25. 55 Aus dem Selbstgefühl, sagt Feder, »entsteht der durch die Absonderung deutlich gewordene Gedanke von unserer Person (unserem Ich)« (Feder: Logik und Metaphysik 1771 [s. Anm. 6], S. 32;
Udo Thiel renzautor Johann Bernhard Basedow zwischen Selbstgefühl und Selbstbewusstsein unterschieden. Letzteres, von Basedow »Bewußtseyn unserer selbst« genannt, entspricht Feders »deutlichem Gedanken vom Ich«. Denn zu diesem Bewußtseyn gehöre »die abstracte Idee von dem Subjecte, welches durch das Wort Ich ausgedrückt wird, wenn man innerlich empfindet, daß man denke, sich etwas erinnere« usw.56 Diese abstrakte Idee vom Ich unterscheide sich durch das Merkmal der Identität von anderen abstrakten Ideen. Wir sähen das »gestrige und heutige Ich« als »eins und dasselbe« an. Das »Ich, welches sich erinnert; das Ich, welches itztund sieht, hört empfindet,« sei für uns »eins und dasselbe«. Das so aufgefasste Selbstbewusstsein sei eine »Verstandeskraft« und von dem Selbstgefühl, das Basedow mit dem inneren Sinn gleichsetzt, zu unterscheiden. Dabei ist daran zu erinnern, dass für Basedow das Selbstgefühl im Gegensatz zu Feder nicht ein Gefühl der Ich-Existenz einschließt, sondern sich nur auf die Zustände oder Vorstellungen des Geistes bezieht. Es ist daher, wofern ich das Wort, Bewußtseyn, recht verstehe, diese so genannte Verstandeskraft unterschieden von dem bloßen Selbstgefühle, oder innerem Sinne. Der innere Sinn wirkt sehr früh; sein Gegenstand sind unsere Vorstellungen. Das Bewußtseyn kömmt viel später; sein Gegenstand ist – Ich selbst.57
Auch für Feder gilt, dass der »deutliche Gedanke vom Ich« dem Selbstgefühl nachgeordnet ist. Für ihn ist in letzterem aber ein Ich-Bezug bereits enthalten, der als Grundlage für die Entstehung einer begrifflich vermittelten Ich-Vorstellung dient. Gelegentlich gesteht Feder zu, dass bei dieser Vielzahl von Begriffen für den Selbstbezug (innerer Sinn, Selbstgefühl, deutlicher Gedanke, usw.) die Gefahr bestehe, »irre zu werden«. Um dies zu vermeiden, »muß man aufs genauste zu unterscheiden suchen, was sehr leicht mit einander verwechselt wird«. Dazu gehöre, erstens, »dasjenige, was eigentlich Gefühl, oder Anschauung des Gegenwärtigen, in Beziehung auf ein angenommenes Object heißen kann; und das, was aus anderweitigen Wirkungen der Vorstellungsvermögen sich zugesellt«.58 Diese Erinnerung scheint jedenfalls den bereits erwähnten, von Feder betonten Unterschied zu inkludieren zwischen dem, was dem Gefühl selbst gegeben ist, und dem, was aus ihm geschlossen werden kann. Auch müsse, zweitens, von dem inneren »Gefühl selbst« irgendein »Urtheil über den Grund solcher innern Gefühle« unterschieden werden. Hier geht es offensichtlich um die Frage nach dem Ursprung bestimmter Gefühle, also ebenfalls, wenn auch in spezifischer Form, um die Unterscheidung zwischen
1783 [s. Anm. 6], S. 31; 1790 [s. Anm. 6], S. 29). Hierfür beruft sich Feder in den späteren Auflagen auf Michael Ignaz Schmidt: Die Geschichte des Selbstgefühls (s. Anm. 39). Feder: Logik und Metaphysik 1783 (s. Anm. 6), S. 32; 1790 (s. Anm. 6), S. 31. 56 Basedow: Philalethie (s. Anm. 40), Bd. 2, S. 110. 57 Ebd., S. 112. 58 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 19.
Feder und der Innere Sinn
dem unmittelbaren Gefühl einerseits und einem begrifflich vermittelten Bezug auf einen Gegenstand andererseits, anders gesagt um den Unterschied zwischen geltungsdifferenten Aussagen über den Grund innerer Gefühle und den Gefühlen selbst.59 Feder erläutert diese Unterscheidungen und ihre Bedeutung für ein Verständnis des inneren Sinns hier nicht weiter. Klar wird jedoch, dass das Selbstgefühl und mit ihm die Reflexion nicht nur als Grundlage für einen subjektiv »deutlichen Gedanken vom Ich« fungieren, sondern damit auch als notwendige Bedingung dafür, dass wir eine philosophische Seelenlehre entwickeln können. Denn durch Selbstgefühl und Reflexion ist uns laut Feder Grundlegendes von der Seele bekannt, auf dem eine solche Lehre aufbauen muss. Diese hat demnach ihren Ursprung in einem sinnlich aufzufassenden unmittelbaren Gefühl: Unterdessen ist es gewiß, daß wir nichts von denkenden Substanzen und ihren Eigenschaften wissen würden, wenn uns nicht durch das Selbstgefühl und die Reflexion über dasselbe einiges von der Natur unserer Seele bekannt wäre. Hierinne liegt also der Ursprung aller unserer pneumatologischen Begriffe, und hieraus schöpfen sie ihr Licht.60
Selbstgefühl – Bewusstsein – Selbstbewusstsein: Feder und Reinhold Feder bedient sich gelegentlich auch des Bewusstseinsbegriffs bei der Erörterung des Selbstgefühls. Allerdings bleibt das Verhältnis von Selbstgefühl zum Bewusstsein bei Feder terminologisch und begrifflich in den verschiedenen Schriften uneinheitlich und damit unklar. An einigen Stellen scheint er das Selbstgefühl geradezu mit dem Bewusstsein von Vorstellungen und von der eigenen Existenz gleichzusetzen. In seiner oben zitierten Definition der »Selbstgefühl« genannten Art des inneren Sinnes in De sensu interno heißt es, dieses sei das Bewusstsein (conscientia) von der eigenen Existenz und seiner inneren Beschaffenheit.61 Und 26 Jahre später, in Grundsätze der Logik und Metaphysik, schreibt Feder zum bereits erwähnten Ursprung der Begriffe der Pneumatologie als einer Wissenschaft, die sich mit der »Natur empfindender, denkender und wollender Subjecte« auseinandersetze, dass die 59 Außerdem betont Feder, ohne auf das Selbstgefühl Bezug zu nehmen, den Unterschied zwischen dem, »was das Wesen der Sachen ausmachet, und veränderliche[n] Bestimmungen, Mißbräuche, Grade der Vollkommenheit« (ebd., S. 19f.). 60 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 400. Vgl. ebenso Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 348; 1783 (s. Anm. 6), S. 30. Vgl. auch Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 33), S. 18: »Vermöge dieses innern Sinnes […] bilden […] [wir] uns daraus ferner die Begriffe, vom Denken und Wollen, von allen den Kräften und Eigenschaften unserer Seele.« 61 Feder: De sensu interno (s. Anm. 2), S. 25.
Udo Thiel Quelle all unserer Begriffe vom Denken, Empfinden, Wollen und der Subjekte dieser Tätigkeiten der innere Sinn »oder das Bewußtseyn von unserem Innersten« sei.62 An anderen Stellen scheint eine – freilich ungenau bleibende – Differenzierung angedacht zu sein. So heißt es in Über das moralische Gefühl, »[v]ermöge dieses innern Sinnes haben wir Bewußtseyn«.63 Hier scheint Feder zu sagen, dass wir durch den inneren Sinn das Bewusstsein erst erlangen. Dies legt nahe, dass der innere Sinn, bzw. das Selbstgefühl als grundlegende Art des inneren Sinnes, ursprünglicher als das Bewusstsein ist, das sich auf das Subjekt von Vorstellungen bezieht. Entsprechend heißt es in Logik und Metaphysik: »Vermöge dieses Selbstgefühls liegt in jedweder Empfindung oder Vorstellung, die wir bekommen, zugleich das Bewußtseyn, daß wir diese Empfindung oder Vorstellung haben.«64 Diese Formulierungen legen nahe, dass für Feder das Selbstgefühl dafür verantwortlich ist, dass wir bei jeder Empfindung das Bewusstsein nicht nur von dieser Empfindung, sondern auch von unserer eigenen Existenz haben. In späteren Schriften, beispielsweise in Grundsätze der Logik und Metaphysik und in seiner schon erwähnten Rezension von Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, bestimmt Feder das Verhältnis von Bewusstsein und Selbstgefühl anders und präziser. Dabei schließt er sich teilweise den terminologischen Vorgaben Reinholds an, für dessen Behandlung des Bewusstseinsbegriffs er bei aller Kritik auch viele Worte des Lobes hat.65 Reinhold habe »die Lehre vom Bewußtseyn ausführlicher, als irgend jemand vor ihm, bearbeitet«.66 Seine »Erörterung des Begriffes vom Bewußtseyn« zeichne sich durch besondere »Sorgfalt und Genauigkeit« aus und scheine ihm in der Tat »eine Bereicherung der bisherigen Lehre zu seyn«, so dass er glaube, »es könne ihm der Beyfall der geübtesten Denker hierbey nicht entgehen«.67 In Grundsätze geht es Feder dabei um das Verhältnis des Bewusstseins zu den Vorstellungen. Der Kontext ist die Frage nach »den ganz dunkeln Vorstellungen«.68 Bei diesen Erörterungen spielt wie schon bei Christian Wolff die Fähigkeit des Un-
62 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 237. 63 Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 33), S. 18; Hervorhebung U.T. 64 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 32; 1783 (s. Anm. 6), S. 30; 1790 (s. Anm. 6), S. 29; Hervorhebung U.T. 65 In seiner Rezension von Reinhold weist Feder ausdrücklich darauf hin, dass er sich, »so viel möglich, an die Ausdrücke des Verf.« binden möchte, »um kein Mißverständniß und keine Nebenstreitigkeit zu veranlassen« (Feders Rezension von Reinhold [s. Anm. 13], S. 167 Anm.). 66 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 41. 67 Feders Rezension von Reinhold (s. Anm. 13), S. 161 u. S. 164. 68 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 39. In der Rezension von Reinhold (s. Anm. 13, S. 164–169) bespricht Feder dieses Thema ausführlicher, allerdings naturgemäß mit einer Fokussierung auf Reinhold.
Feder und der Innere Sinn
terscheidens eine zentrale Rolle.69 »Dunkele Vorstellungen«, sagt Feder, sind Vorstellungen, die »nicht bemerkt, nicht unterschieden und nach ihrem Eigenthümlichen anerkannt werden«.70 Die Bestimmung des Verhältnisses von Vorstellungen zum Bewusstsein hängt für Feder nicht zuletzt davon ab, was man unter ›Bewusstsein‹ und ›Vorstellung‹ versteht. Und so heißt es weiter, erstens, »wenn Bewußtseyn von einer Vorstellung haben, oder sich derselben bewußt seyn, so viel heißt als wissen, daß man sie hat«, dann »sind dieß [die dunklen Vorstellungen] Vorstellungen ohne Bewußtseyn«.71 Wenn man aber, zweitens, Reinholds Satz des Bewusstseins akzeptiere, so bedeute dies, dass nur dann etwas vorgestellt wird, wenn die in diesem Satz zum Ausdruck gebrachte »gedoppelte Beziehung« auf das Subjekt und das Objekt »statt findet«.72 Daher ist in diesem Verständnis »das Bewußtseyn etwas von jeder Vorstellung unzertrennliches«.73 Wenn man aber, drittens, annimmt, dass »Bewußtseyn so viel heißt, als Unterscheidung eines vorgestellten Gegenstandes von andern, und Anerkennung seines Eigenthümlichen«, dann sei »das Bewußtseyn ein Act der Urteilskraft« und setze »das Daseyn mehrerer zur Unterscheidung und Verknüpfung geschickter Vorstellungen« voraus. Außerdem bedeutete dies, dass das Bewusstsein »verschiedene Grade der formalen Vollkommenheit (Klarheit, Deutlichkeit) zulasse«; und schließlich, dass es, »nach der Verschiedenheit seines Hauptgegenstandes, verschiedene Namen bekommen, Bewußtseyn des äußern, des innern Zustandes, des Körpers, des individuellen Daseyns (der Persönlichkeit) überhaupt, des Gegenwärtigen, Vergangenen etc. heißen könne«.74 In seiner Reinhold-Rezension insistiert Feder gegen Reinhold, »daß es Vorstellungen ohne alles Bewußtseyn geben könne und im menschlichen Gemüth wirklich gebe«.75 Der »Begriff vom Bewußtseyn« werde »zu sehr erweitert und geringhaltig […], wenn man bey jeder bloßen Anschauung […] Bewußtseyn annehmen will«. Be-
69 Vgl. zu Wolffs Analyse des Bewusstseinsbegriffs Udo Thiel: Zum Verhältnis von Gegenstandsbewußtsein und Selbstbewußtsein bei Wolff und seinen Kritikern. In: Jürgen Stolzenberg u. OliverPierre Rudolph (Hg.): Christian Wolff und die Europäische Aufklärung. Hildesheim 2007, Bd. 2, S. 377–390. Siehe auch Udo Thiel: The Early Modern Subject. Self-consciousness and Personal Identity from Descartes to Hume, Oxford 2011 (2. Aufl. 2014), S. 304–314. 70 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 39. Feder verweist hier auf so unterschiedliche Autoren wie Locke, Condillac, Leibniz, Sulzer und Platner (ebd., S. 40). 71 Ebd., S. 39f. 72 Feder fasst hier Reinholds Satz des Bewusstseins wie folgt zusammen. Bewusstsein sei für Reinhold »diejenige Veränderung des Gemüths, durch welche die bloße Vorstellung aufs Object und Subject bezogen, in Rücksicht ihres Stoffes dem Gegenstande und in Rücksicht ihrer Form dem Subjecte zugeeignet, mit dem von ihr verschiedenen Objecte und Subjecte verbunden wird« (Grundsätze [s. Anm. 1], S. 41). Feder bezieht sich hier auch auf seine eigene Reinhold-Rezension (s. Anm. 13), S. 164ff. 73 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 41. 74 Ebd., S. 40. 75 Feders Rezension von Reinholds Versuch (s. Anm. 13), S. 165.
Udo Thiel wusstsein, sagt Feder hier unter Hinweis auf den lateinischen Terminus ›conscientia‹, »deutet auf ein Wissen, also wohl nicht auf jeden Grad und jede Art der Afficirung und thätigen Aeußerung des Vorstellungsvermögens«.76 Schon hieraus wird klar, dass ein so verstandenes Bewusstsein nicht mehr mit dem Selbstgefühl gleichgesetzt werden kann. Dies wird noch deutlicher durch Feders hier ausführlichere Überlegungen zu den Graden des Bewusstseins. Auch in diesem Kontext zeigt er sich durch Reinhold in einem konstruktiven Sinne inspiriert. Bei seiner »Eintheilung des Bewußtseyns« will Feder, »damit […] nicht ungewiss bleibe«, inwieweit er »mit dem Verf. [Reinhold] einstimmig« sei, darstellen, wie er sich »die dabey vorkommenden Hauptbegriffe ordne«.77 Dabei wird auch das Selbstgefühl neu verortet, und zwar als eine bestimmte Art oder ein bestimmter Grad des Bewusstseins. Nachdem er zunächst vom Bewusstsein von äußeren Gegenständen handelt und dabei wieder die Unterscheidungsfähigkeit betont, geht es ihm schließlich darum zu sehen, wie es mit der Einteilung des Bewusstseins steht, »wenn, beym bloßen Gefühl, der eigene Zustand Gegenstand der Vorstellung ist«.78 Schon beim Bewusstsein von Gegenständen ist ein elementarer Selbstbezug involviert, den man allerdings noch nicht als solchen identifiziert, nämlich durch die »Unterscheidung des, von dem wahrnehmenden Subjecte und seinem Wahrnehmen verschiedenen, Gegenstandes«.79 Erst wenn »der eigene Zustand Gegenstand der Vorstellung ist«, spricht Feder von dem Grad des Bewusstseins, der »Selbstgefühl« zu nennen sei.80 Hier geht es um die »Unterscheidung seiner selbst, überhaupt als eines eigenen, durch das Selbstgefühl von allen andern sich unterscheidenden Gegenstandes«. Dieses gebe den Grund »oder wenigstens Stoff zu dem Urtheil: Ich bin«. Davon zu unterscheiden sei der nächst höhere Grad des Bewusstseins, der »Klares Selbstbewußtseyn« genannt wird. Hierbei handelt es sich um die »Unterscheidung seiner selbst, des die Vorstellung habenden Subjectes, als eines solchen«. Dies sei der »Grund oder wenigstens Stoff des Urtheils: Ich denke (im weitesten Sinn dieses Wortes), oder ich empfinde, sehe etc.«. Darauf folgt der Grad des Bewusstseins, den Feder »deutliches Selbstbewußtseyn« nennt. Dieser bestehe in der »Deutlichmachung eben dieses Bewußtseyns, durch Absonderung dessen, was den Inhalt der Vorstellung vom Denken (oder Wahrnehmen, Empfinden etc.) ausmacht, zum Gegenstande einer klaren und bestimmten Vorstellung«. Die »Formel des Urtheils« sei hier »Dieß in mir ist denken etc.«. Schließlich nennt Feder als höchsten Grad des Bewusstseins »Vollständiges Bewußtseyn«. Dieses zeichne sich aus durch die »Unterscheidung des
76 Ebd., S. 168. 77 Ebd., S. 170 u. S. 172. 78 Ebd., S. 172. 79 Ebd., S. 170. 80 Ebd., S. 172f. Die weiteren Zitate aus Feders Rezension in diesem Abschnitt beziehen sich auf S. 172.
Feder und der Innere Sinn
Gegenstandes, des vorstellenden Subjectes und des Vorstellens, zu so vielen klaren Vorstellungen, und deren Verbindung zu dem Urtheile: Ich denke dieß«. Feder meint, dass diese von ihm entworfene Struktur »größtentheils wenigstens« mit Reinholds Aussagen übereinstimme, die vielleicht dadurch »noch um etwas deutlicher« würden.81 Ob diese Einschätzung zutrifft, mag fraglich sein. Für Feder ist diese Struktur jedenfalls der Erfahrung entnommen. Es ist nach seinem Selbstverständnis prinzipiell empirisch identifizierbar, »wie die Grade des Bewußtseyns auf einander folgen und aufsteigen«, vom dunklen Bewußtsein des Gegenstandes, zum Selbstgefühl, zum klaren Selbstbewusstsein, zum deutlichen Selbstbewusstsein und schließlich zum vollständigen Bewusstsein.82 Was das Selbstgefühl betrifft, so gerät es hier zwar in eine Stufenleiter des Bewusstseins, von der Feder in früheren Schriften noch nicht in dieser Weise gehandelt hatte. Aber übereinstimmend mit diesen ist, dass das Selbstgefühl als fundamentaler Selbstbezug angesehen wird, der für andere, vermittelte Weisen des Selbstbezugs vorausgesetzt werden muss. Unklar bleibt dabei freilich der Status des Selbstbezugs, der schon beim Gegenstandsbezug involviert sei. Die frühere Unterscheidung zwischen dem bloßen Selbstgefühl und dem »deutlichen Gedanken vom Ich« wird hier jedoch durch die Unterscheidung des Selbstgefühls vom klaren und vom deutlichen Selbstbewusstsein präzisiert.
Der Innere Sinn und das Wesen der Seele Feder präzisiert den Inhalt des »deutlichen Gedankens vom Ich« weiter in metaphysischen Zusammenhängen. Hier geht er ebenfalls vom Bewusstsein aus. Denn zunächst argumentiert Feder, dass das Bewusstsein der Grund dafür sei, dass wir uns überhaupt eine Seele zurechnen. »Eine Seele schreiben wir uns zu, weil wir uns bewußt sind, Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken, Begierden zu haben.«83 Aber was ist die Seele? Feder nimmt die Humesche Auffassung ernst, wonach wir nichts von ihr wissen als bloß die unterschiedlichen Modifikationen oder Perzeptionen und sie daher für uns nichts anderes sei als ein Bündel oder eine »Sammlung« von Perzeptionen. Er schreibt in einer an Hume erinnernden Formulierung:
81 Ebd., S. 173. 82 Ebd. 83 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 9.
Udo Thiel Wenigstens ist das, was wir von unserer Seele wissen, nichts als eine Sammlung von Modificationen ihrer Kraft und Fähigkeit, wie diese sich in ihren Wirkungen und Empfindungen äussern.84
Und an anderer Stelle stellt Feder bezüglich der »aus dem Innern entstehenden Empfindungen und Wahrnehmungen« fest, dass wir »nur Beschaffenheiten, Zustände und Verhältnisse wahrnehmen«. Feder fragt: »Giebt sich etwa dem Selbstgefühl das absolute Wesen der Seele zu erkennen? Ist es nicht vielmehr immer nur unser gegenwärtiger Zustand, dieses gegenwärtige Denken, Wollen, Fühlen, was wir mittels des innern Sinnes wahrnehmen?«85 Schon die Formulierung der letzten beiden Fragen deutet allerdings darauf hin, dass Feder keine Bündeltheorie des Ich oder der Seele vertritt. Denn die Frage danach, ob das Selbstgefühl »das absolute Wesen der Seele zu erkennen« gibt, legt den Gedanken nahe, dass die Seele jedenfalls als eine Entität jenseits der Beschaffenheiten und Zustände anzusehen ist und dass nur ihre Natur uns durch das Selbstgefühl nicht bekannt gemacht wird. Und in der Tat haben wir bereits gesehen, dass für Feder die Existenz eines Ich oder einer Seele jenseits der bloßen Zustände und Perzeptionen schon durch das unmittelbare Selbstgefühl gegeben ist. Daher können wir uns eine Seele als Subjekt der Vorstellungen, Empfindungen usw. zuschreiben. Zunächst scheint die Seele für Feder aber auch nicht mehr als ein solches, nicht weiter bestimmtes »Subject unsers Bewußtseyns« zu sein.86 Die Seele sei einfach derjenige Teil von uns, »in welchem wir uns des Gegenwärtigen und Vergangenen, der Lust und der Unlust bewußt sind«.87 Damit ist offensichtlich noch nichts über die Natur dieses ›Seele‹ genannten Subjekts ausgesagt. Gelegentlich deutet Feder an, dass indem das Selbstgefühl die Existenz des eigenen Ich anzeigt, in einem bestimmten (allerdings sehr elementaren) Sinne bereits der Verstand involviert sei, ohne dass damit freilich die oben dargestellte Unterscheidung zwischen dem, was durch das bloße Gefühl gegeben ist, und dem, was aus dem so Gegebenen erschlossen wird, aufgehoben wäre. Dabei geht Feder genau genommen über den Begriff eines bloßen Subjekts hinaus und führt den der Substanz ein. Die gefühlten oder wahrgenommenen Zustände könnten nichts sein, argumentiert er, wenn der Verstand nicht im Sinne des Ding-Eigenschaft-Denkens den Substanzbegriff hinzufügte. Feder meint, dass diese inneren Zustände und Beschaffenheiten immer schon durch den Verstand modifiziert seien. »Oder sind unsere Ideen, was sie auch betreffen«, fragt er, »nicht modificirt durch die Natur unseres Verstandes, wenn man auch nicht sagen will bloße Modificationen desselben? Würden sie seyn, was sie sind; wenn unser Verstand nicht wäre, was er ist?« 84 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 109. 85 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 24f. 86 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 108. 87 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 21.
Feder und der Innere Sinn
Der Verstand lässt nicht zu, dass »wir bey den Begriffen von Beschaffenheiten, Zuständen und Verhältnissen […] stehen bleiben« und »nicht die Begriffe vom Absoluten, von der Substanz hinzuthun«. 88 Diese Begriffe seien schon in den erstern enthalten, oder so wesentlich damit verknüpft […], daß der Verstand, gegen sein wesentliches Grundgesetz, mit sich selbst in Widerspruch gerathen müßte, wenn er die einen ohne die andern behalten wollte. Ein Verhältniß setzt Etwas voraus, was im Verhältniß steht oder so gedacht wird; Zustände, Eigenschaften sind Namen, die auf Subjecte sich beziehen, welche in diesen Zuständen sich befinden und diese Eigenschaften an sich haben. Wir können unmöglich Eigenschaften, Bestimmungen, Abhängiges, Zukommendes annehmen, und zugleich leugnen, daß es irgend etwas gebe, dem die Eigenschaften zukommen, oder wovon das Abhängige abhängt.89
Auch die extremsten Zweifler kämen nicht darum herum, eine Substanz anzunehmen, da der Begriff des Zustandes einen solchen der Substanz fordere. Freilich ist mit dem Hinweis auf die notwendige Substantialität des Ich immer noch nichts über dessen Wesen ausgesagt, darüber, worin die Natur dieser Substanz besteht. Darauf weist Feder auch ausdrücklich hin. Wir könnten uns nicht rühmen zu verstehen, sagt er, was über die »Sammlung von Modificationen« hinaus das »Wesen der Seele« sei, d. h. was »die letzten Grundbestimmungen des Subjects« seien.90 Ganz skeptisch bleibt Feder aber schließlich nicht. Auch wenn wir »die letzten Grundbestimmungen« der Seele nicht erweisen könnten, die wichtigste und grundlegendste Bestimmung, die einfache Natur der Seele, lege schon das unmittelbare Selbstgefühl nahe: Innere Empfindung lehret uns, daß was der Seele, oder demjenigen wesentlichen Theile von uns, in welchem wir uns unserer und anderer Dinge bewußt sind, zugeschrieben werden kann, nur einem einzigen Subjecte zukomme.91
In diesem Zitat ist nur etwas über die Einzigkeit des Subjekts, nicht über die Einfachheit desselben ausgesagt. Und im Logik-Teil seiner Logik und Metaphysik schreibt Feder, die Frage, »ob das einige Subject, welches wir unsere Seele nennen, ein einfaches Wesen, oder ob es ausgedehnt seyn, aus Theilen bestehen könne, das lassen wir hier unausgemacht«.92 Er kündigt aber an, dass die Metaphysik versuchen mag, hier weiterzugehen, »so weit zu gehen, als dem Verstande möglich ist«.93 Und in der Tat argumentiert Feder dann, dass das Selbstgefühl zwar nicht direkt die
88 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 25. 89 Ebd., S. 25f. Vgl. ähnlich schon Locke: Essay (s. Anm. 49) II.xxiii.1f. 90 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 109. 91 Ebd., S. 110. 92 Ebd., S. 111. 93 Ebd., S. 109.
Udo Thiel Einfachheit des Ich oder der Seele erweise, aber diese Einfachheit (und damit die Immaterialität der Seele) doch nahe lege oder auf sie hindeute: Insbesondere in Ansehung unserer Seele ist das Selbstgefühl gewiß mehr für die Einfachheit der denkenden Substanz als wider dieselbe. Wenigstens, dünket mich, unterscheidet sich, vermöge desselben, die Seele genugsam von der ganzen Masse organisirter Materie, die ihren Körper ausmachet.94
Bisweilen spricht Feder sogar von einer »Beweisart« der einfachen Natur der Seele durch das Selbstgefühl: Will man sich die Einfachheit der Seele zu erweisen, auf das Selbstgefühl, auf die Empfindung seines einzigen Ichs beruffen: so verwerfe ich diese Beweisart auch nicht. Sie hat für manche vielleicht die meiste Ueberzeugung, zumal so wie sie von einigen ausgeführt worden.95
Der Gedanke, dass das unmittelbare Gewahrsein seiner selbst die einfache Natur des denkenden Subjekts oder der Seele nahelegt und sehr wahrscheinlich macht, ohne dass es eines weiteren ›Beweises‹ bedarf, findet sich vor Feder beispielsweise bei Thomas Reid, dem führenden Denker der schottischen Schule des Common Sense, dessen Werk einen beträchtlichen Einfluss auf Feder ausübte.96 Schon in Reids Inquiry into the Human Mind von 1764, in der es hauptsächlich um die äußeren Sinne geht, finden sich Ausführungen zum Ich und zum Ich-Begriff, die Feders Gedanken ähneln, wonach das Selbstgefühl eine einfache seelische Substanz nahe lege. In diesem Kontext argumentiert Reid gegen Humes Bündeltheorie des Geistes. Empfindungen könnten nicht ohne ein empfindendes Wesen oder einen Geist existieren. Dies sei so offensichtlich, dass der Versuch, es zu beweisen, ebenso absurd sei wie der, es abzustreiten.97 Damit lege schon die bloße äußere Empfindung die Existenz
94 Ebd., S. 403. 95 Feder: Grundriß (s. Anm. 35), S. 116. 96 Vgl. zum Einfluss der schottischen Schule und insbesondere Thomas Reids auf Feder Manfred Kuehn: Scottish Common Sense in Germany 1768–1800. Kingston, Montreal 1987, S. 74–85. Feder rezensiert Reids Essays on the Intellectual Powers of Man von 1785 in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen 1787 (21. April), no. 63, S. 626–630, und später noch einmal in seiner Philosophischen Bibliothek, Bd. 1, 1788, S. 43–62. In der Rezension in den Göttingischen Anzeigen verweist Feder auch auf Reids zuerst 1764 erschienenes Werk An Inquiry into to the Human Mind, also auf eine Schrift Reids, die vor der Publikation von Feders philosophischen Hauptwerken erschienen war. Eine deutsche Übersetzung von Reids Inquiry unter dem Titel Untersuchungen über den menschlichen Verstand erschien zwar erst 1782. Kuehn hat aber bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Feder schon in frühen Auflagen von Logik und Metaphysik mehrmals auf Reid verweist. Vgl. Feder: Logik und Metaphysik. Göttingen und Gotha 1770, S. 256. Vgl. auch Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 171, wo Feder Reids Inquiry empfiehlt. 97 »If any man should demand a proof, that sensation cannot be without a mind, or sentient being, I confess that I can give none; and that to pretend to prove it, it seems to me almost as absurd as to
Feder und der Innere Sinn
eines Geistes nahe (›suggests‹). Unsere Überzeugung davon, dass es einen solchen Geist gebe, beruhe daher nicht auf Vernunftgründen, sondern auf Urteilen, die unmittelbar aus der Empfindung hervorgehen.98 Der Geist, dessen Existenz uns durch bloße äußere Empfindung natürlicher Weise nahegelegt wird (durch eine »natural suggestion«), ist uns darüber hinaus unmittelbar als einheitlich und persistierend bewußt, obwohl die Empfindungen selbst nur eine vorübergehende Existenz haben.99 Anders als Reid beruft sich Feder aber auch auf Vernunftgründe für die einfache Natur der Seele. Dabei handelt es sich keineswegs um originelle Argumente, sondern um solche traditionell anti-materialistischer Natur. Im Grundriß von 1767 beginnt Feder das Argument mit dem Hinweis, dass »eine zusammengesetzte Substanz, eine Materie, […] aus mehreren Substanzen« bestehe. »Wenn also eine zusammengesezte Substanz dächte: so dächten mehrere Substanzen«. Und daraus ergeben sich die üblichen Probleme bezüglich der Einheit des Denkens.100 In den späteren Auflagen von Logik und Metaphysik benutzt Feder das Argument, dass die offensichtliche Einheit des Bewusstseins auf ein einfaches und unteilbares Subjekt des Bewusstseins schließen lasse. Hier sieht er dies als einen »Beweis für die Einfachheit der denkenden Substanz« an:101 Denn, können wir uns die Gewahrnehmung oder das Bewußtseyn wohl gedenken, als etwas, welches, wo es nur einmal vorhanden, dennoch vertheilt und ausgebreitet wäre? Ist es nicht vielmehr etwas ganz einfaches und untheilbares? Also kann es ja auch nicht anders vorhanden seyn, als in einem Subjecte welches selbst untheilbar, genau eins, einfach ist.
Feder fügt hinzu: Man wende diesen Beweisgrund auf jedewede Art des Denkens an; man erwäge, was für eine genaue Vereinigung des ganzen Gedankensystems das Geschäfte des Denkens überhaupt erfordert: die Vorstellung eines theilbaren, materiellen, oder irgend eines zusammengesetzten
deny it« (Thomas Reid: An Inquiry into the Human Mind. Ed. by Derek R. Brookes. Edinburgh 1997, Kap. 2, Sect. VI, S. 32). 98 »This sensation suggests to us both a faculty and a mind; and not only suggests the notion of them, but creates a belief of their existence; although it is impossible to discover by reason, any tie or connection between one and the other […] they are judgments of nature, judgments not got by comparing ideas, and perceiving agreements and disagreements, but immediately inspired by our intuition« (Reid: Inquiry [s. Anm. 97], Kap. 2, Sect. VII, S. 37). 99 »Our sensations suggest to us a sentient being or mind to which they belong; a being which hath a permanent existence, although the sensations are transient and of short duration« (ebd., Kap. 5, Sect. III, S. 60). Zur »natural suggestion« vgl. ebd., Kap. 2, Sect. VII, S. 38. 100 Feder: Grundriß (s. Anm. 35), S. 115f. 101 Feder: Logik und Metaphysik 1790 (s. Anm. 6), S. 325.
Udo Thiel Dinges, wird sich nie zur Vorstellung eines Subjects des Gedankens und der denkenden Kraft schicken.102
In Grundsätze der Logik und Metaphysik argumentiert Feder schließlich in einer an Kant erinnernden Formulierung, dass der Ich-Begriff »zum Theil a priori im Wesen des Verstandes enthalten ist«. Die Einschränkung »zum Theil« weist darauf hin, dass der Ich-Begriff für Feder doch »im innersten Bewußtseyn« seine »Urquelle« habe und aus dieser erschlossen werde.103 Feder stellt zunächst fest, dass wir »vorübergehende Zustände dieses oder jenes Fühlens, Denkens und Wollens« wahrnehmen. Auch hier fügt er dann das bereits erwähnte Argument ein, dass der Verstand aber »nicht Zustände, Bestimmungen, Beschaffenheiten denken kann, ohne ein Subject anzunehmen, welches so beschaffen, bestimmt, in solch einem Zustande ist: so entsteht nothwendig im Menschen der Begriff von ihm selbst, oder seinem Ich, als einem empfindenden, denkenden, wollenden Subjecte«.104 Im nächsten Schritt heisst es dann, dass dieser »Begriff von Einem empfindenden, denkenden, wollenden Subjecte […] die Vorstellung einer solchen Vielheit, wie im Begriff der Materie angenommen wird, schlechterdings« ausschließe.105 Feder erörtert auch Einwände gegen diese Argumentation, von denen hier nur derjenige erwähnt werden soll, den Feder gleichermaßen Kant und dem englischen Materialisten Joseph Priestley zuschreibt, zwei Denkern, die man üblicher Weise nicht auf derselben philosophischen Seite wähnt.106 Laut Feder besagt dieser Einwand, »daß aus der Einheit (Individualität) des Denkens, Wollens etc. nur Einheit des logischen Subjectes, so wie aus der Einheit des Bewußtseyns persönliche Einheit […] folge; nicht aber Einheit des metaphysischen Subjectes oder der Substanz«.107 Für das hier in kantischer Terminologie (»logisches Subjekt«) vorgebrachte Argument bezieht sich Feder dann sowohl auf Priestleys Disquisitions Relating to Matter and Spirit und auf Kants Kritik an der rationalen Psychologie.108 Feder selbst 102 Ebd. (für beide Zitate). 103 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 238. 104 Ebd., S. 237f. 105 Ebd., S. 240. 106 In der Tat stimmen Priestley und Kant in diesem Punkt aber überein. Vgl. zu Kant und Priestley Udo Thiel: Kant und der Materialismus des 18. Jahrhunderts. In: Violetta L. Waibel u. Margit Ruffing (Hg.): Akten des 12. Internationalen Kant-Kongresses »Natur und Freiheit« in Wien vom 21.–25. September 2015. Berlin, Boston (im Erscheinen). 107 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 242. 108 Feder verweist auf Priestleys Disquisitions Relating to Matter and Spirit (London 1777, S. 86ff.), und auf »Kant Crit. der R.V. 460ff. 769ff. 812ff.« (Feder: Grundsätze [s. Anm. 1], S. 243). Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass »Kant […] sich keineswegs, wie Priestley, für den Materialismus« erkläre. Vielmehr scheine es, so Feder, dass Kant »der entgegengesetzten Vorstellungsart, wenn sie sich nicht für Wissenschaft ausgiebt, den Vorzug einräumet« (ebd., S. 243). Zur Frage, ob letztere Einschätzung zutrifft, siehe Thiel: Kant und der Materialismus des 18. Jahrhunderts (s. Anm. 106).
Feder und der Innere Sinn
überzeugt der skizzierte Einwand letztlich nicht. Diese »Erinnerung […] macht die Einschränkung unserer Erkenntniß in Absicht auf das absolute Wesen der Dinge bemerklich«, aber sie hebe »die Beweiskraft jenes Argumentes nicht ganz auf«. Denn: »Warum sollten wir Vielheit voraussetzen im Grunde dessen, was sich uns als untheilbare Einheit zu erkennen giebt; und wo die Voraussetzung der Vielheit die Erscheinungen unbegreiflich macht?«109 Feder scheint demnach zwar von der einfachen und immateriellen Natur der Seele überzeugt zu sein, spricht wie gesehen gelegentlich sogar von einem »Beweis« für diese Auffassung und meint, man könne die Einwände gegen diese »mit guten Gründen beantworten«. Dennoch räumt er ein, dass »diese Eigenschaft der denkenden Substanz [Immaterialität] nicht mit völliger Evidenz dargethan werden« könne.110 Feder gesteht letztlich zu, dass Gewissheit in diesem Bereich nicht möglich sei, hält aber die Auffassung von der Einfachheit für »wahrscheinlicher« als die »entgegengesetzte« Meinung und meint, »Locke’s bekannter Skepticismus in dieser Sache geht doch wirklich zu weit«.111 Für Feder gilt offensichtlich trotz aller einschränkender Skrupel die »völlige Evidenz« betreffend, dass der »deutliche Gedanke vom Ich«, der im Selbstgefühl seinen Ausgang nimmt und auf Grund verschiedener Verstandesleistungen entwickelt wird, der Gedanke von einem geistigen Subjekt von einfacher, immaterieller Natur sei. Das »Selbstgefühl und die Reflexion über dasselbe« machen schließlich, wie wir bereits sahen, den »Ursprung aller unserer pneumatologischen Begriffe« aus.112 Zu diesen gehört auch der Begriff von der einfachen Natur der Seele oder der denkenden Substanz, von einer Substanz »ohne Größe und Gestalt«.113 109 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 242f. 110 Feder: Logik und Metaphysik 1790 (s. Anm. 6), S. 325f. 111 Ebd., S. 326f. Vgl. ähnlich, jedoch ohne den Hinweis auf Locke, schon Feders Logik und Metaphysik von 1769 (s. Anm. 16), S. 404. Freilich scheint sich Lockes Position entgegen Feders Aussage nicht wesentlich von dessen Position zu unterscheiden. Denn auch für Locke lässt sich das Wesen der Seele zwar nicht mit Gewissheit erkennen, aber er ist ebenfalls der Meinung, es sei die »more probable Opinion«, dass die Seele eine immaterielle Substanz sei (Locke: Essay [s. Anm. 49], II.xxvii.25). 112 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 400. 113 Vgl. zu Feders Rekonstruktion der Genese des Begriffs von der einfachen Natur der Seele Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 27–30. »Die positive Bestimmung […] [zum Begriff einer einfachen Substanz] entsteht endlich durch das innerste Selbstgefühl, und das Nachdenken über dasselbe« (S. 29). »Wenn die Einheit in der Mannigfaltigkeit ein eigner Punkt des Gefühls und der Unterscheidung wird: so entsteht endlich das Bewußtseyn, so entsteht die unterscheidende Wahrnehmung des denkenden Subjectes, des Einen, welches sich in seinen mannichfaltigen Aeußerungen gleichsam abspiegelt, in den Vorstellungen seiner vorhergehenden Zustände wieder erkennt; welches das Künftige mit dem Vergangenen und Gegenwärtigen verknüpft; seine Gefühle aufklärt, vergleicht und ordnet; des Einen, in welchem alle innere Eigenschaften und Zustände und Veränderungen […] vereinigt sind« (S. 29f.). Dieses Eine könne man doch nicht anders als Substanz nennen, die aber ohne Größe und Gestalt sei: diese seien hier weder im Gefühl noch durch den
Udo Thiel Unter der Voraussetzung der einfachen Natur des denkenden Subjekts, das dank dieser Natur nicht der Veränderung unterworfen ist, könnte für Feder die Frage nach dessen diachroner Identität unproblematisch sein. In der Tat meint er, es sei möglich, »die oft so spizfindig vorgebrachten Zweifel gegen den Erkenntnißgrund der Beharrlichkeit des Individuums zu zerstreuen«.114 Feder ist sich aber der langen Debatte über dieses Thema vom Mittelalter bis in seine Gegenwart bewusst. Und er konzediert, dass »man sich wegen der Unvollständigkeit unserer Begriffe von den Individuen, und auch von den Arten, leicht verwirren« könne. Dies belegten »der Streit der Scholastiker über das principium individuationis, und der beynahe noch spitzfindigere Streit über die personelle Identität, der seit Lockens Zeit eine Lieblingsmaterie der englischen Metaphysiker zu seyn scheint«.115 Schließlich geht es bei der Frage nach der diachronen Identität des Ich auch um moralisch-rechtliche Belange, für die ein bloßer Verweis auf die immaterielle Seelennatur wenig hilfreich wäre. Denn »demselben Ich«, dem wir eine Seele zuschreiben, eignen wir auch einen Körper zu.116 Auch für Feder reicht es nicht aus, sich bei der Frage nach der diachronen Identität nur auf die einfache und unveränderliche Natur der Seele zu berufen. Er schlägt zur Behandlung dieser Frage eine Unterscheidung »zwischen einer völligen und einer gewissen Identität« vor.117 Die »völlige« Identität bezeichnet er dabei auch als »absolute Identität«, für die »gewisse Identität« sei die »Beziehung auf unsere Begriffe und Absichten« relevant.118 Dies gelte für äußere Gegenstände und andere Personen ebenso wie für das eigene Ich. Wenn keine Bestandteile des neugeborenen Körpers im Körper des Greises übrig seien, so spiele dies für die »gewisse« oder relative Identität keine Rolle. Es reiche aus, »wenn es derselbe Mensch ist für uns und unsere Absichten; in allem Betracht für uns der Sohn, der Bruder, der Vater«. Der Skeptiker möge annehmen, daß in einem Körper »mehrere Seelen aufeinander folgen könnten«, ohne dass es der Mensch oder das denkende Subjekt bemerkte.119 Gegen diese Annahme spreche die Tatsache, dass wir ein »natürliche[s] Gefühl« von unserer Identität hätten, das aber gar nicht »Statt finden könnte, wenn mehrere denkende Subjecte in meinem menschlichen Körper auf einander folgten«.120 Zwar könne man dennoch »die Unmöglichkeit einer solchen unbemerkbaren
Verstand gegeben (S. 30). »Größe und Gestalt zum Begriff des denkenden Ich, ist Zusatz der Phantasie, nicht gegeben im Gefühl; und noch weniger dem Verstand einleuchtende Schlußfolge« (S. 30). 114 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 35. 115 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 310; 1790 (s. Anm. 6), S. 287. 116 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 9. 117 Feder: Logik und Metaphysik 1790 (s. Anm. 6), S. 286. 118 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 36 u. S. 39. 119 Ebd., S. 37f. 120 Ebd., S. 40. Der von Feder hier nicht weiter erläuterte Begriff eines »natürlichen Gefühls« von unserer diachronen Identität verweist einmal mehr auf die schottische Schule und Denker wie James Beattie, Lord Kames und Thomas Reid, die sich in ähnlicher Form auf ein natürliches Gefühl
Feder und der Innere Sinn
Seelenwechselung nicht offenbar darthun«. Das sei aber kein Grund, die »allen Menschen natürliche Vorstellungsart darum aufgeben« zu wollen.121 Denn selbst wenn wir die Annahme des Skeptikers akzeptierten, bliebe dies für die »gewisse Identität«, die im moralisch-praktischen Bereich eine Rolle spielt, ohne Belang. Es reiche aus, dass »unsere Seele für uns, und für andere Menschen, und überhaupt für alle Absichten für die sie bestimmt ist, immer dieselbe ist und bleibt«. Sogar »Strafen und Belohnungen im andern Leben«, meint Feder, erfordern keine »absolute Idendität des denken[den] Subjectes«.122 Die »gewisse Identität«, bezogen auf das eigene Ich und seine moralisch-rechtlichen Belange, erklärt Feder mit Locke auch durch die »Einheit des Bewußtseyns«. Feder sieht in Lockes Unterscheidung zwischen substantieller und personaler Identität, für die »die Einheit des Bewußtseyns genug« sei, eine Entsprechung zu seiner Unterscheidung zwischen absoluter und »gewisser« oder relativer Identität.123 Feder selbst argumentiert, dass »der Begriff von moralischer Einheit (moralischer Persönlichkeit) […] sich auf die moralischen Prädicate der Berechtigung und Verpflichtung« beziehe und dass »ein Subject gewisser Rechte und Pflichten […] eine moralische Person« heiße. Und diese »persönliche Einheit« bestehe »in der Einheit des Bewußtseyns«.124
von Identität berufen. Feder selbst weist in diesem Zusammenhang auf Beatties zuerst 1770 erschienenes Werk An Essay on the Nature and Immutability of Truth hin (Feder: Logik und Metaphysik 1790 [s. Anm. 6], S. 286). 121 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 40. 122 Ebd., S. 38f. Vgl. hierzu auch Feders kurze Abhandlung zur Frage, Ob zum Begriffe der Unsterblichkeit die Erinnerung an dieses Leben erforderlich; und aus was für Gründen dieselbe geschlossen werden könne? In: Hannoverisches Magazin, 11. Jahrgang vom Jahre 1773, Hannover 1774, S. 641– 654. Hier schreibt Feder, dass »die Begriffe von der Identität der Dinge und Personen keine allgemeine und absolute Bestimmtheit haben, sondern dieselbe allemal erst nach der besondern Anwendung und Beziehung beurtheilt werden muß. Wenn immerhin in gewisser Rücksicht gesagt werden kann, daß ein Mensch nicht mehr derselbe sey, weil sich seine Denkart so sehr geändert, weil er alles scheint vergeßen zu haben, was ihn sonst beschäftigte, was ihn auszeichnete: so kann er doch in mancher Absicht als derselbe angesehen werden, und […] noch genugsam derselbe seyn, um von einem gerechten Richter fürs Vergangene gestraft oder belohnt zu werden« (S. 645–646). Obwohl Feder hier argumentiert, dass Erinnerung an dieses Leben für gerechte göttliche Strafe nicht unabdingbar sei, meint er jedoch, dass sich Gründe anböten, »die Fortdauer des Bewußtseyns von den wichtigsten Stücken dieses Lebens im künftigen wahrscheinlich zu finden« (S. 646). 123 Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 39. Vgl. Locke: Essay (s. Anm. 49), II.xxvii.7 und 15. Zu Locke vgl. Thiel: The Early Modern Subject (s. Anm. 69), S. 97–150. 124 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 68.
Udo Thiel
Der Innere Sinn und Feders »kritische Metaphysik« Wie wir sahen, ist für Feder die Art des inneren Sinnes, die er ›Selbstgefühl‹ nennt, Grundlage der »Pneumatologie oder Geisterlehre«, einer Teildisziplin der Metaphysik.125 Der »allgemeine Begriff von denkenden Substanzen« gründet sich »auf den »natürlichen Schluß«, dass andere Substanzen, die uns »in ihren äußerlichen Beschaffenheiten und Handlungen« ähnlich sind, auch »ähnliche Kräfte in sich haben müssen«. Wir vermuten daher »in andern Menschen solche denkende Substanzen, dergleichen wir uns einer bey uns bewußt sind«. Durch weitere Abstraktionsleistungen gelangen wir schließlich zu einem transzendenten Begriff einer denkenden Substanz oder eines Geistes.126 Gottlob August Tittel fasst Feders Verständnis dieses Prozesses wie folgt zusammen: Der Pneumatolog suchet den allgemeinen Begrif von Geist in seiner ersten Quelle, dem Selbstgefühl auf – legt ihn bei weitern Untersuchungen zum Grunde – und führt ihn endlich zu dem allervollkommensten, dem höchsten der Geister hinauf.127
An anderer Stelle erklärt Feder, dass nicht nur die Pneumatologie, sondern letztlich die gesamte Metaphysik sich in gewisser Hinsicht auf dem inneren Sinn gründe. Hiernach kann die Philosophie »in Betracht des Gegenstandes« auf Grundlage des Gegensatzes von innerem Sinn und äußeren Sinnen strukturiert werden. Sofern die Philosophie sich mit dem beschäftigt, »was mit den äußern Sinnen sich wahrnehmen läßt«, ist sie »allgemeine Naturlehre und besondere Lehre vom Menschen (Anthropologie)«. Sofern sich die Philosophie mit dem beschäftigt, »was durch inneres Bewußtseyn, und durch Schlüsse aus allgemeinen Gründen vorstellig wird«, ist sie Metaphysik.128 Auch die praktische Philosophie beruhe auf innerer Erfahrung,
125 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 399f. Vgl. auch ebd., S. 134: Vermittelst der »geistischen Grundvorstellungen«, die wir aus dem inneren Sinn schöpfen und zu denen der »deutliche[] Gedanke[] vom Ich« gehört, »bilden wir uns unsere übrigen Begriffe von geistischen Naturen und Eigenschaften«. Vgl. Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 237. Die Pneumatologie wird bestimmt als »Allgemeine Untersuchungen und Lehren über die Natur empfindender, denkender und wollender Subjecte«. Die Quelle »aller Begriffe vom Empfinden, Denken und Wollen, und also auch von allen Subjecten deren wesentliche Eigenschaften hierauf sich beziehen – wir wollen sie kurz Geister nennen, in weitester Bedeutung dieses Wortes – ist der innere Sinn, oder das Bewußtseyn von unserem Innersten« (S. 237). 126 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 16), S. 399f. 127 Gottlob August Tittel: Erläuterungen der theoretischen und praktischen Philosophie nach Herrn Feders Ordnung. Frankfurt a. M. 1784, S. 189. 128 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 2.
Feder und der Innere Sinn
denn man müsse hier »vor allen Dingen sich selbst beobachten«, schreibt Feder.129 Damit bekommt der innere Sinn eine zentrale systematische Funktion zugesprochen. Wir haben eingangs darauf hingewiesen, dass Feder seine eigene Philosophie in Bezug auf Kant als »kritische« einschätzt und sich mit Hinweis auf seine Frühschrift De sensu interno als »analytisch-skeptischen« Metaphysiker bezeichnet. In der Tat lässt sich seine Metaphysik-Konzeption weder traditionell rationalistischen noch empiristischen Konzeptionen zuordnen. Einerseits hält Feder an metaphysischen Erörterungen fest. In den frühen Auflagen von Logik und Metaphysik wird der Nutzen der Metaphysik dadurch charakterisiert, dass »sie die Grundbegriffe, und allgemeinsten Grundsätze des menschlichen Denkens, aufkläret und erörtert«.130 Feder betont jedoch, dabei müsse man vermeiden, »in dunkele Labyrinthe sich zu verwirren«. Die Metaphysik dürfe »nicht die Quelle von Träumereyen« werden. Diese Gefahr bestehe aber, wenn man ihr »willkührliche Begriffe zum Grunde leget«. Darum sei darauf zu achten, dass »der Ursprung unserer allgemeinen Begriffe aus der Empfindung, und der Ursprung der wissenschaftlichen Begriffe aus der gemeinen Erkenntniß, fleißig entdecket« und »die Grenzen unserer Erkenntniß dabey bemerket werden«.131 In den nachkantischen Schriften wird diese Konzeption mit an Kant erinnernder Terminologie formuliert. Man dürfe unter Metaphysik nicht »eine apodiktisch demonstrative, anschauliche Erkenntniß von den Dingen an sich gewährende Wissenschaft« verstehen. »Denn von Dingen an sich giebt es keine Anschauungen«. Vielmehr sei Metaphysik nur als »systematisch[e] geordnete Untersuchung[]« über ihre Gegenstände zu verstehen, und zwar »in der Absicht auszumachen, was in Ansehung derselben dem menschlichen Verstande, wenn nicht Wissenschaft im strengsten Sinn, dennoch vernünftige Denkart und vernünftiger Glaube seyn könne (kritische Metaphysik)«.132 Der transzendentalphilosophische Ansatz bleibt Feder bei allen Inspirationen durch Kant und Reinhold gleichwohl fremd. Beispielsweise deutet er in seiner Kantkritischen Schrift Ueber Raum und Caussalität zwar an, dass die Raum-Vorstellung in einem gewissen Sinne als notwendige Bedingung des Selbstbewusstseins anzusehen sei, nämlich als eine notwendige Bedingung dafür, dass wir »uns selbst von Dingen außer uns […] mit der Deutlichkeit und dem Bewußtseyn unterscheiden konnten wie wir es nun können«.133 Sogleich wird dieses Verhältnis jedoch in einem empirisch-genetischen Sinne erläutert:
129 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Göttingen, Lemgo 1785 (2. Aufl.), Bd. 1, S. 12. Vgl. auch Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 33), S. 18. 130 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 242. 131 Ebd., S. 244f. 132 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 191. 133 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 2), S. 23.
Udo Thiel Da aber auch dieser Unterscheidung Niemand vom ersten Anfang seines Lebens und Empfindens an sich bewußt ist: so muß doch […] gefragt werden, ob sie nicht aus dem dunkeln Chaos der ersten sinnlichen Eindrücke konnte hervorgegangen, oder von der Denkkraft des menschlichen Geistes hervorgezogen worden seyn.134
Der innere Sinn spielt denn auch eine wichtige Rolle in Feders Kritik an Kants transzendentalem Idealismus. Da für Kant »der Raum weiter nichts ist als die Form unserer sinnlichen Anschauung, diese Anschauungen selbst aber nichts anders als abwechselnde Zustände einer Eigenschaft unsers Gemüths, des äußern Sinnes; so ist die Folge richtig, daß die von uns wahrgenommenen Dinge im Raum eigentlich nichts als Zustände oder Modificationen unserer selbst seyn«.135 Für Feder werden durch diesen Gedanken absurder Weise alle Wahrnehmungen auf solche des inneren Sinnes reduziert, was ein Kennzeichen des Idealismus sei.136 Im Gegensatz zu der frühen und berühmt-berüchtigten Garve/Feder Rezension von Kants Kritik der reinen Vernunft, in der Kants Idealismus in die Nähe Berkeleys gerückt wird, beurteilt Feder das Idealismus-Problem in späteren Schriften zwar differenzierter.137 Denn in Grundsätze der Logik und Metaphysik unterscheidet er ausdrücklich zwischen »Berkeleyschen Idealismus« einerseits und »Kantische[m] formale[m] oder transcendentale[m] Idealismus« andererseits.138 Feder übernimmt hier wie schon in Ueber Raum und Caussalität den von Kant selbst in seiner Replik auf die Garve/Feder Rezension zur Vermeidung von Missverständnissen vorgeschlagenen Ausdruck ›formaler Idealismus‹.139 Der Idealismus von der Art Berkeleys besteht für Feder in der Auffassung, »daß es falsch oder doch unerweislich sey, daß Materie und Körperwelt, wie wir sie uns denken, etwas ausser der Vorstellung wirklich vorhandenes sey«. Für Berkeley könnten »die sinnlichen Wahrnehmungen begreiflicher aus einem Verhältnisse unserer Seele zu Gott, dem Urheber ihres Daseyns, als aus einem Caussalverhältniß zwischen dem Vorstellungsvermögen und materiellen Gegenständen ausser demselben abgeleitet werden«.140 Dagegen besage Kants formaler oder transzendentaler Idealismus, »daß Materie und Körper,
134 Ebd., S. 23. 135 Ebd., S. 61f. 136 »Aber ein Hauptgrund der Afterweisheit ist von jeher dieß gewesen, daß man eine Erkenntnißart auf die andere reduciren, aus den andern erklären wollte; oder wo man dieß nicht konnte, eine um der andern willen verwarf. So will der Idealist alles auf Wahrnehmungen des innern Sinnes, Vorstellungen in uns reduciren; der Materialist alles auf Vorstellungen des äußern Sinnes« (ebd., S. 83; i. e. 101). 137 Die Garve/Feder-Rezension erschien anonym in der Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, Bd. 1, 1782, S. 40–48. 138 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 138. 139 Vgl. Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783). In: AA IV, S. 255–383, hier S. 375. 140 Feder: Grundsätze (s. Anm. 1), S. 138.
Feder und der Innere Sinn
so fern wir sie wahrnehmen, bloße Gedanken oder Vorstellungen im Gemüthe seyn, obgleich, weil wir sie im Raume, als der subjectiven Form unseres Vorstellungsvermögens, wahrnehmen, gesagt werden kann, daß sie ausser uns seyn«. Für Kant erforderten es jedoch »die Gesetze des Verstandes […] anzunehmen, daß wirkliche Dinge bey diesen Erscheinungen zu Grunde liegen, von denen wir aber auf keine Weise das mindeste zu erkennen im Stande sind«.141 Es ist aber offensichtlich, dass die Charakterisierung des transzendentalen Idealismus trotz dieses zudem sehr knapp gehaltenen Differenzierungsversuches problematisch bleibt, schon indem auch hier Kants Konzeption als die Auffassung dargestellt wird, dass »Materie und Körper […] bloße Gedanken oder Vorstellungen im Gemüthe« seien. Feder verweist auch hier auf seine Kant-Kritik in Ueber Raum und Caussalität. Unbeschadet dieser Distanz zu Kants Transzendentalphilosophie bleibt es dabei, dass bereits die frühen Auflagen von Logik und Metaphysik eine PhilosophieKonzeption entwickeln, die weder »rationalistisch« noch bloß »empiristisch« aufzufassen ist, indem der Metaphysik einerseits eine wichtige Funktion und ein »Nutzen« zugesprochen wird, andererseits aber die »Grenzen der Erkenntniß« in diesem Gebiet aufgewiesen werden.142 Mit seiner Konzeption einer auf Grundlage von Erfahrung und Selbstgefühl zu entwickelnden Metaphysik setzt sich Feder sowohl von Locke und Hume als auch von Leibniz ab.143 Das, was Philosophiehistoriker später als Gegensatz zwischen »Rationalismus« und »Empirismus« charakterisieren, versucht Feder mit seiner »analytisch-skeptischen Metaphysik« zu überwinden. Damit stellt seine Philosophie einen Ansatz dar, an den spätere kritisch orientierte Denker anknüpfen konnten. Zu diesen gehören beispielsweise der von Kant hochgeschätzte Johann Nikolaus Tetens, der Feders Logik und Metaphysik als Lehrbuch für seine Vorlesungen vom Wintersemester 1769 bis 1776 benutzte144, und auch Kant selbst, der mit Feders Schriften durchaus vertraut war.145 In Bezug auf die Begriffe vom inneren Sinn und vom Selbstgefühl, die für Feders Konzeption zentral sind, erweisen sich dessen Bestimmungen als überaus folgenreich. Der Begriff des Selbstgefühls wird durch den immensen Einfluss von Feders Logik und Metaphysik zu einem 141 Ebd., S. 139. 142 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 6), S. 242 u. S. 245. Vgl. hierzu auch Kuehn: Scottish Common Sense (s. Anm. 96), S. 85. 143 Vgl. zu Feders Kritik an Descartes, Spinoza und Leibniz in Feder: Ueber den Begriff von Substanz (s. Anm. 15), S. 12–22. Vgl. zum zu weitgehenden Skeptizismus Lockes in Feder: Logik und Metaphysik 1790 (s. Anm. 6), S. 326f. 144 Vgl. Michael Sellhoff: Einleitung. In: Johann Nikolaus Tetens: Metaphysik. Hg. von Michael Sellhoff. Hamburg: 2016, S. XLIV–XLIX. Sellhoff weist darauf hin, dass Feder sich in späteren Auflagen von Logik und Metaphysik wiederum auf Tetensʾ Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung (Leipzig 1777) bezieht (vgl. Feder: Logik und Metaphysik 1783 [s. Anm. 6], S. 31). 145 Vgl. zu Kants Feder-Kenntnis und zu einem möglichen Einfluss Feders auf Kant Giuseppe Mottas Beitrag in diesem Band.
Udo Thiel zentralen Begriff in der Philosophie des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die Werke von Tetens, Christoph Meiners, Michael Hißmann, Ernst Platner, Johann Christian Lossius und vielen anderen Denkern dieser Zeit legen vielfaches Zeugnis davon ab.146 Das Verhältnis von Feders Selbstgefühl-Begriff zu Kants Erörterungen über die Apperzeption, die er gelegentlich als das »Gefühl eines Daseins« beschreibt, bedarf weiterer Untersuchungen und dürfte sich als komplexer herausstellen als der bekannte einfache Gegensatz Transzendentalphilosophie vs. »Empirismus« erahnen lässt.147
146 Zum Begriff des Selbstgefühls im späten 18. Jahrhundert nach Feder siehe Udo Thiel: Varieties of Inner Sense. Two Pre-Kantian Theories. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 79 (1997), S. 58–79; ders.: Zwischen Empirischer Psychologie und Rationaler Seelenlehre. Tetens über das Selbstgefühl. In: Gideon Stiening u. Udo Thiel (Hg.): Johann Nikolaus Tetens (1736–1807). Philosophie in der Tradition des europäischen Empirismus, Berlin, Boston 2014, S. 89–102; Udo Thiel: Das »Gefühl Ich«: Ernst Platner zwischen Empirischer Psychologie und Transzendentalphilosophie. In: Aufklärung 19 (2007), S. 139–161. In der weiteren Entwicklung beginnt schon früh in einigen Kontexten, anders als bei Basedow, Feder und Tetens, eine evaluative Bedeutung von ›Selbstgefühl‹ zu dominieren. Dies ist der Fall in dem erwähnten Werk von Schmidt: Die Geschichte des Selbstgefühls (s. Anm. 39). Der Ausdruck wird schon oft wie auch heute im Sinne eines Selbstwert-Gefühls verwendet. Dabei verschwindet die ursprüngliche neutrale und epistemisch aufzufassende Bedeutung nie ganz. Im Eintrag ›Selbstgefühl‹ in Adelungs Wörterbuch heisst es, der Terminus beziehe sich auf »das Gefühl, die lebhafte, anschauende Erkenntniß, seines eigenen Zustandes, besonders seines moralischen« (Johann Christoph Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 4 Bde., 2. Aufl., Leipzig 1793–1801, Bd. 4, S. 49). Vgl. auch Campe, der ›Selbstgefühl‹ bestimmt als »das Gefühl, das Bewußtsein seines eigenen Zustandes, besonders seines sittlichen [...]. In engerer Bedeutung, das Gefühl seines Wertes, seiner Vorzüge etc.« (Joachim Heinrich Campe: Wörterbuch der Deutschen Sprache. 6 Bde. Braunschweig 1807–1813, Bd. 4, S. 406). 147 Kant: Prolegomena (s. Anm. 139), S. 334: »Die Vorstellung der Apperzeption, das Ich […] [ist] […] nichts mehr als Gefühl eines Daseins.« Vgl. zu diesem Thema bereits die Hinweise Giuseppe Mottas in seinem Beitrag zu diesem Band.
Andree Hahmann
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes In seiner postum herausgegebenen Autobiographie blickt Feder auch auf die Auseinandersetzung mit Kant zurück. Obwohl er es sich nach eigener Auskunft zur Maxime gemacht hatte, »gelehrte Streitigkeiten zu vermeiden«,1 konnten diese nicht immer verhindert werden. Aber keine hat einen so tiefen Eindruck auf ihn hinterlassen wie die über die kantische Philosophie. Feder erinnert sich an die Hochachtung, die er Kant und dessen Schriften entgegengebracht hat.2 Vor allem die 1766 erschienenen Träume eines Geistersehers waren ganz nach seinem Geschmack. Mit dieser Einstellung hat er sich auch der Kritik der reinen Vernunft zugewandt. Gleichwohl war der erste Eindruck dieses Werks nicht sehr überzeugend. Feder wunderte sich, warum Kant überhaupt noch die dogmatische Metaphysik, die laut Feder »bereits gemäßigt und geläutert genug schien, noch mit solcher Heftigkeit angegriffen« hat und überdies, wie dies mit einem solchen »scholastischen Apparat« geschehen sollte.3 Kurzum: Die Kritik der reinen Vernunft war in seinen Augen ein anachronistisches Machwerk, welches aus der Zeit und ihrem Geschmack herausfiel. Nun trifft es sich, dass eben zu dieser Zeit Garve in Göttingen ankam und sich mit der Bitte an Feder wandte, zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen beitragen zu dürfen.4 Nach einer ersten leichten Arbeit verlangte Garve nach einer wirklichen Herausforderung, weshalb Feder ihm die Kritik der reinen Vernunft vorschlug. Ein Fehler, den Feder rückblickend zutiefst bedauert, denn »hätte ich vermuthet, daß ein so großes Publicum für dieses, wie ich irrig voraussetzte, dem Ge-
1 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus anzunehmen geneigt sind, Leipzig, Hannover, Darmstadt 1825, S. 115. 2 Ob dies wirklich zutrifft, ist zweifelhaft. So verweist Pietsch auf die Erinnerungen des KantSchülers Kraus, der von einem Aufenthalt in Göttingen aus dem Jahre 1779 berichtet und auch davon, dass sich Feder gegenüber Kant mit Verachtung geäußert haben soll. Siehe Lutz-Henning Pietsch: Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin, New York 2010, S. 92. 3 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 117f. Von dem Produkt einer »scholastischen Vernunft« spricht bereits Hamann 1781 in Briefen an Herder. Siehe hierzu Pietsch: Topik der Kritik (s. Anm. 2), S. 26. 4 Zum hohen Ansehen der Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, was der Rezension ein besonderes Gewicht verliehen hat, siehe Gustav Roethe: Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen. In: Festschrift zur Feier des hundertfünfzigjährigen Bestehens der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Beiträge zur Gelehrtengeschichte Göttingens. Hg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin 1901, S. 567–688, spez. S. 571–573.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-005
Andree Hahmann nius der Zeit5 gar nicht angemessene Werk sich erklären werde: So hätte ich es freilich mit möglicher Anstrengung selbst beurtheilt; und vielleicht würde Manches anders gekommen seyn, als es gekommen ist«.6 Was hätte anders kommen sollen, berichtet Feder im Anschluss. Garve klagte recht bald über seine Aufgabe, denn ihm bereitete das Verständnis der Kritik ungemeine Schwierigkeiten. Nur wenig später reiste er aus Göttingen ab und hinterließ laut Feder eine Rezension, die nicht nur aufgrund ihres großen Umfangs den Ansprüchen der Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen nicht gerecht werden konnte, weshalb Feder es selber unternahm, diese zu kürzen und fertig zu stellen.7 Ein Vorgehen, was durchaus nicht unüblich war und keinesfalls niederträchtig, wie Feder später von Kollegen vorgeworfen wurde. Und das war nur der Anfang. Kant selbst äußerte sein Missfallen über diese Rezension in seinen Prolegomena,8 woraufhin Feder öffentlich aufgefordert wurde, seine Sache mit Kant auszutragen. Dies war der äußere Anlass für die rasche Abfassung seiner Schrift Ueber Raum und Caussalität. Etwas später folgte die Philosophische Bibliothek, die Feder zusammen mit Meiners herausgab. Aber beide Projekte verfehlten ihr Ziel. Feder hatte die Situation völlig falsch eingeschätzt, wie er später gestand: »[D]ie Keime zu einer Revolution auch in der Philosophie, und die verschiedenen Ursachen, die zu Gunsten der Kantischen Philosophie wirkten, wurden mir erst nach und nach bemerklich«.9 Eine unmittelbare Konsequenz seiner Auseinandersetzung mit Kant, so beklagt sich Feder, war, dass die Anzahl seiner Hörer rapide abnahm. Nur wenig später wurde ihm öffentliche Verachtung entgegengebracht. Kollegen, die ihm bis zu diesem Zeitpunkt wohlgesonnen waren, wandten sich von ihm ab. »Wirklich war ich soweit, daß ich mich nicht mehr stark genug glaubte, in einem Nachmittage einen Spaziergang hin und her zu machen, den ich nicht nur vorher unzählige Mahle, sondern auch nachher noch oft ohne die mindeste Ermüdung gemacht habe.«10 Er hatte die Lust an der Philosophie selber verloren,
5 Kurt Röttgers: J. H. G. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 432 weist darauf hin, dass Feder »vieles an den menschlichen Sitten und Neigungen durch den Geist der Zeit« erklärt. 6 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 118. 7 Johann Georg Heinrich Feder, Christian Friedrich Garve: Recensione [anonima] a Critick der reinen Vernunft von Imman. Kant. 1781. In: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 1 (1782), 3, 19. Januar, S. 40– 48. Siehe zur Rezension Benno Erdmann: Kant’s Kriticismus in der ersten und zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1878, S. 86–88. 8 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft will auftreten können. In: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff. (im Folgenden AA Band, Seitenzahl), hier AA IV, S. 372ff. Die Angabe von Stellen aus der Kritik der reinen Vernunft folgt dabei der Paginierung der Originalausgaben der ersten (A) und zweiten Auflage (B). 9 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 124. 10 Ebd., S. 124.
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
und zu gerne hätte er sein Lehramt der Philosophie niedergelegt, wenn er ein anderes Einkommen gewusst hätte. Sein Sohn merkt später hierzu an: »[N]ie [...] dürfte es einer Erscheinung im Gebiete dieser Wissenschaft wieder gelingen, so viel Aufsehen zu erregen, eine solche Erschütterung und Umstimmung der Gemüther zu bewirken, als die Critik der reinen Vernunft dieses gethan hat. Aber die dadurch meinem Vater widerfahrene ›Amputation seines Autor- und Docenten-Ruhmes‹ [...] war es wohl nicht, was sein Gemüth so stark anzugreifen [...] vermochte«,11 sondern der Umstand, dass selbst Freunde und Vertraute, sowohl öffentlich als auch hinter seinem Rücken, gegen ihn agierten, was mit dazu beitrug, dass er Göttingen schließlich verließ. Werfen wir einen Blick auf den Grund für diese Misere. Besonders erbost hat Kant der vermeintliche Idealismusvorwurf. In seiner Richtigstellung, die er als Anhang den Prolegomena zugefügt hat, betont er die Bedeutung, die der transzendentalen Ästhetik zum richtigen Verständnis des kritischen Projekts zukommt.12 Kant zieht eine scharfe Trennlinie zwischen seinem transzendentalen Idealismus und Berkeleys Idealismus. Der Unterschied soll insbesondere in ihrer Konzeption des Raumes deutlich werden. Berkeley soll den Raum als eine empirische Vorstellung erachtet haben,13 was dieser für Kant bekanntlich nicht sein kann. Kant unterstellt dem noch unbekannten Rezensenten, von der wesentlichen Absicht der Kritik, nämlich die Möglichkeit synthetischer Sätze a priori zu erweisen, rein gar nichts verstanden zu haben.14 Er fordert daraufhin seinen Rezensenten heraus:15 Sollte dieser wider Erwarten selber einen positiven metaphysischen Entwurf zur Hand haben, so ließe sich die Wahrheit desselben an der Probe der Antinomien messen.16 Mit diesem positiven Gegenentwurf, den Feder in seiner Schrift Ueber Raum und Caussalität präsentiert, hat Feder sein Schicksal jedoch besiegelt, wovon im Nachfolgenden am Beispiel seiner Diskussion des Raumes ein Zeugnis abgelegt werden soll.
11 Ebd., S. 125. 12 Kant: Prolegomena, AA IV, S. 374f. 13 Ebd., S. 374. 14 Ebd., S. 377: »Der Recensent verstand also nichts von meiner Schrift und vielleicht auch nichts von dem Geist und dem Wesen der Metaphysik selbst [...].« 15 Siehe auch einen anonymen Aufruf an Feder zur Stellungnahme aus dem Taschenbuch für die neueste Literatur und Philosophie von 1786: »Die stolzen Göttinger stehen beschämt in den Augen von ganz Deutschland.« Zitiert nach Pietsch: Topik der Kritik (s. Anm. 2), S. 90. 16 Kant: Prolegomena, AA IV, S. 379f.: »Nun hat er die Freiheit, sich einen von diesen acht Sätzen [den vier Antinomienpaaren: A.H.] nach Wohlgefallen auszusuchen und ihn ohne Beweis, den ich ihm schenke, anzunehmen, aber nur einen [...], und alsdann meinen Beweis des Gegensatzes anzugreifen. [...] Hierzu aber würde es, dünkt mich, nöthig sein, aus dem Incognito zu treten, weil ich nicht absehe, wie es sonst zu verhüten wäre, daß ich nicht statt einer Aufgabe von ungenannten und doch unberufenen Gegnern mit mehreren beehrt oder bestürmt würde.«
Andree Hahmann Ich werde in drei Schritten vorgehen. Erstens soll Feders eigene Konzeption des Raumes dargelegt werden. Zweitens greifen wir einige Punkte seiner Kritik an der kantischen Bestimmung des Raumes auf und stellen diese auch zur Erläuterung von Feders Position vor. Drittens soll die von Kant geforderte Probe an der Auflösung einer der Antinomien, und zwar in diesem Fall der sogenannten Teilungsantinomie, in Betracht gezogen werden. Dies verdeutlicht schließlich, dass Feders eigene Position entgegen seiner Auskunft noch in wesentlichen Punkten mit der wolffschen Metaphysik übereinstimmt.
Über die Natur des Raumes (vor und nach Kant) In seinem 1794 erschienenen Buch Grundsätze der Logik und Metaphysik fasst Feder seine Konzeption des Raumes in nur wenigen Worten zusammen: So soll die Vorstellung des Raumes mit der Vorstellung der Körperwelt in einer solchen Weise verknüpft sein, dass der menschliche Geist genötigt ist, den Raum als etwas außer ihm Vorhandenes vorzustellen. Dabei wird der Raum als unabhängig und grenzenlos gedacht. Feder hebt hervor, dass der gesunde Menschenverstand dem Raum nur ein positives Prädikat reserviert hat, und zwar Ausdehnung.17 Auf denselben gesunden Menschenverstand beruft sich Feder auch acht Jahre zuvor in der sechsten, erweiterten Auflage seiner Metaphysik (1786). Bemerkenswert ist aber, dass der gesunde Menschenverstand zu diesem Zeitpunkt sehr viel redseliger war und noch weitere Grundwahrheiten über den Raum preisgegeben hat. Genauso auffallend ist die Form, in der sich diese Wahrheiten präsentieren. Denn verkündet werden diese in der Gestalt der wolffschen Bestimmung des Raumes. Auf Wolff verweist Feder an dieser Stelle auch dezidiert.18 Danach soll sich das Wesen des Raumes im »ausser und neben einander«-Sein erschöpfen. Erfüllt ist dieser Raum nun, insofern die Dinge das Dasein anderer Dinge an ihrer Stelle verhindern. Der leere Raum wäre entsprechend nichts anderes als die Möglichkeit eines Dinges, 17 Johann Georg Heinrich Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794, S. 217 (§ 17): »Ausgemacht ist so viel hiebey, daß der menschliche Verstand genöthiget ist, sey es zufolge eines innern oder äußern Grundes, sich den Raum als etwas ausser uns vorhandenes, von uns und allen andern Dingen unabhängiges und grenzenloses vorzustellen, aber nur mit dem einzigen positiven Prädicat der Ausdehnung; wenn anders Ausdehnung ohne Kraft und Widerstand etwas Positives heißen kann.« 18 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Sechste vermehrte Auflage. Göttingen, Gotha 1786, S. 303 (§ 25). Den Raum definiert Feder in § 26, S. 304 wie folgt: »Wenn wir den Begriff nicht verlassen oder verändern wollen, den jedermann im gemeinen Leben beym Worte Raum denket, so können wir keine andere Erklärung davon geben, als daß da Raum sey, wo Dinge ausser und neben einander sind, oder seyn können; und zwar voller Raum, insofern das Daseyn gewisser Dinge das Daseyn anderer hindert, leerer Raum, insofern Dinge da seyn können.«
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
seinen Ort zu wechseln. Der Ort selber ist hingegen ein Teil des Raumes: nämlich die relative Bestimmung der Dinge, die den Raum ausmachen. Der Raum lässt sich nach Feder von den Dingen, die durch ihr Nebeneinandersein den Raum gründen, abstrahieren. Aus diesem Grund stellt man sich den Raum als etwas für sich selbst Bestehendes vor, d. h. als etwas, das auch dann Bestand hat, wenn das in ihm Befindliche nicht vorhanden wäre. Da er aber zuletzt auf diesen Dingen basiert, ist der Raum weder Substanz noch eine unmittelbare Beschaffenheit einer Substanz und auch keine substantielle Kraft.19 Seine umfassendste Diskussion des Raumes liefert Feder jedoch in der gegen Kant gerichteten Schrift Ueber Raum und Caussalität von 1787. Neben den bereits angeklungenen Bestimmungen des Raumes ist hier bemerkenswert, dass Feder in diesem Kontext den Raum als eine äußere Anschauung bezeichnet.20 Diese kann man nun auch rein nennen, wenn man damit nicht sagen möchte, dass sie losgelöst von jeder Erfahrung ist, sondern nur, dass sie auf keiner konkreten sinnlichen Vorstellung beruht. Der Raum ist mithin das, was übrig bleibt, wenn alles andere abgezogen – d. h. abstrahiert – worden ist. Beim Raum hat man es also nicht mit einer unmittelbaren Anschauung zu tun, sondern es handelt sich um eine abstrakte Vorstellung, die zuletzt aus der sinnlichen Erfahrung gezogen wurde. Also kann diese Vorstellung auch nicht a priori sein. Ebenso wenig kann es sich beim Raum um etwas in uns handeln, d. h. Feder bestreitet die transzendentale Subjektivität des Raumes. Seinen Charakter als äußere Anschauung gewinnt der Raum dadurch, dass er sozusagen die Bedingung der Möglichkeit alles bildlich Vorstellbaren ist. Und nur mit Blick hierauf soll es nach Feder erlaubt sein, den Raum als eine Form der Anschauung zu bezeichnen.21 Wie das im Einzelnen zu verstehen ist, wird weiter unten anhand seiner Lösung der Teilungsantinomie deutlicher werden.
19 Ebd., S. 305 (§ 26): »[...] was denn dieses Etwas sey, dieser Raum, der vorhanden seyn sollte, wenn kein Ding vorhanden wäre? Ein Leeres (*); nichts positives, weder eine Substanz, noch eine Beschaffenheit einer Substanz, keine Kraft.« Feder verweist an dieser Stelle auf Helvétius und zitiert diesen: »L’Espace consideré abstractivement est le pur néant.« (I. p. 59). Dieser Hinweis fehlt in den ersten vier Auflagen der Logik und Metaphysik und wurde von Feder erst in der fünften, erweiterten Auflage 1778 (auf S. 306) ergänzt. In der lateinischen Version Institutiones Logicae et Metaphisicae von 1781 (S. 171) findet sich der Hinweis auf De L’esprit. Der Sache nach stimmen alle vorhergehenden Versionen in der Bestimmung des Raumes überein. Feder hat also erst nach der erneuten Beschäftigung mit der Kritik der reinen Vernunft im Zusammenhang seines Buches Ueber Raum und Caussalität seine frühere Position revidiert. 20 Johann Georg Heinrich Feder: Ueber Raum und Caussalität. Zur Prüfung der kantischen Philosophie. Göttingen 1787, S. 3: »Raum ist ein Stück unserer äußern Anschauungen oder sinnl. Erkenntniß [...].« 21 Ebd., S. 6: »Raum ist also freylich Bedingung zu allen bildlichen, folglich zu allen bestimmten Vorstellungen von Gegenständen des äußern Sinnes.«
Andree Hahmann
Die Kritik der kantischen Konzeption des Raumes Werfen wir nun einen Blick auf Feders Kritik der kantischen Konzeption. Herausgreifen werde ich hierbei vor allem die Punkte, die ein Schlaglicht auf Feders eigenen philosophischen Hintergrund werfen. Dass die kritische Konzeption des Raumes genauso wie der Begriff der Kausalität im Zentrum der Kritik der reinen Vernunft stehen, sieht Feder klar und hebt dies bereits in der Einleitung hervor.22 Feder ist also mit Blick hierauf nicht zu kurzsichtig, wie Kant in den Prolegomena verkündet, um »einzusehen, worauf es bei der Untersuchung, womit ich mich [...] beschäftigte, eigentlich ankam«.23 Feders Missfallen erregt aber vor allem der dogmatische Charakter des kantischen Werks. Seiner Einschätzung nach soll Kant an den eigenen Maßstäben gemessen nicht kritisch genug verfahren sein. Feder hebt deshalb hervor, dass Kant nicht zu wenig, sondern zu viel von der dogmatischen Philosophie übriggelassen habe.24 Diese Einschätzung ist nun aber nicht nur mit Hinblick auf Feders eigene Nähe zur wolffschen Philosophie, die in der Bestimmung des Raumes bereits angeklungen ist, sonderbar. Wir werden später sehen, dass Feder auch in anderen wichtigen Punkten der wolffschen Philosophie und mithin der dogmatischen Metaphysik treu geblieben ist. Aus dem Blickwinkel eines konsequenten Empirismus, den Feder hier einnehmen möchte,25 hat Kant es sich vor allem zu Schulden kommen lassen, die alltägliche Sprache in Verwirrung zu stürzen.26 Der Vorwurf, die gewöhnliche Verwendung
22 Ebd., S. XV: »Und die beiden Hauptstücke, die ich ausgehoben habe, sind so vorzügliche und wesentliche Theile derselben, daß wer in diesen sich aufgeklärt hat, in den übrigen ohne viele Mühe fortkommen kann.« 23 Kant: Prolegomena, AA IV, S. 373. 24 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. VIII–IX. Feder kritisiert vor allem, dass Kant Gewissheit fordert, wo es die Sache nicht erlaubt. Ferner missfällt es ihm, dass Kant die »empirische Philosophie, d. h. diejenige, die sich lediglich auf Beobachtungen und die Uebereinstimmung aller oder der meisten menschlichen Erfahrungen, und Schlüsse nach der Analogie derselben gründet, und in Sachen der Natur auf Demonstration aus den Begriffen gänzlich Verzicht thut, so herabwürdiget« (S. IXf.). 25 Ebd., S. Xf.. 26 Die Verwirrung oder falsche Verwendung der Sprache ist einer der Hauptvorwürfe, die Feder gegen Kant erhebt. Siehe Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. XXIIIf. Ein Beispiel hierfür soll bereits der Name der kantischen Schrift selber sein. Feder fragt, warum Kant von einer Kritik spricht, wenn er doch eigentlich was anderes meint: »Es scheint ihm sehr zu misfallen, wann etwa jemand einmal den Namen Skepsis dafür gebraucht. Unterdessen ist es nicht nur der ursprünglichen, etymologischen Bedeutung des Wortes gemäß, sondern auch bisher unter den Philosophen gewöhnlich gewesen, unter einer gemäßigten Skepsis eben das zu verstehen, was Kant Kritik nennt« (S. XXIVf.). Feder zeigt im Nachfolgenden die Parallelen zur antiken Skepsis auf (S. XXV–XXVIII). Im ersten Band seiner Philosophischen Bibliothek geht Feder sogar soweit zu behaupten: »Daher
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
der Sprache zu missachten, findet sich in zahlreichen Variationen über das ganze Werk verstreut. Zumindest in der Einleitung hebt Feder jedoch hervor, dass dies allein nicht so schlimm wäre, ergäben sich hieraus keine Auswirkungen auf die Moralphilosophie und die natürliche Theologie. Beide hat Kant aber zu Gegenständen einer höheren und, wie wir wissen, praktisch dogmatischen Metaphysik verklärt.27 Feder erkennt also durchaus weitsichtig die allgemeine Stoßrichtung des kritischen Projekts. Eine Stoßrichtung, die sich in der Kritik der reinen Vernunft erst andeutet, da das kritische Projekt erst mit der Kritik der praktischen Vernunft und der Kritik der Urteilskraft seine vollendete Gestalt annehmen wird. Als ebenso hellsichtig kann Feders psychologische Erklärung für die Motivation des kantischen Projekts gelten; ein Projekt, das zumindest nach Feders Einschätzung von 1787, so ganz aus dem Rahmen der Zeit hinausfällt. Feder vermutet als eine Ursache hierfür, dass Kant selber zu einer Zeit anfing zu philosophieren, als die dogmatische Metaphysik in höchstem Ansehen stand.28 Diese Erklärung hat einiges für sich, wenn man etwa bedenkt, dass Kant sich so ausführlich mit einem eher drittklassigen Kritiker wie Johann August Eberhard auseinandergesetzt hat oder noch 1791 in der unvollendet gebliebenen Preisschrift die Vorzüge seiner Philosophie gegenüber der wolffschen und leibnizschen Metaphysik herausstreicht. Ein helles Licht auf Feders eigene Philosophie wirft, dass er Kant dafür tadelt, durch das Beispiel der Mathematik getäuscht worden zu sein, weshalb er einen zu
concentrirten sich meine Einwendungen gegen die Kritik dieses Philosophen gleich anfangs, und concentriren sich immer mehr dahin, daß er sich bey verschiedenen Gelegenheiten zu stark ausdrücke« (Philosophische Bibliothek. Hg. von J. H. G. Feder und Chr. Meiners. Erster Band. Göttingen 1788, S. 231). Siehe auch: Philosophische Bibliothek. Zweyter Band. Göttingen 1789, S. 230. Denselben Vorwurf der »Verwirrung der Sprache und der Grundbegriffe unseres Verstandes« (S. 13) macht Feder ebendort auch Spinoza. Der Vorwurf, dass Kant die gewöhnliche Bedeutung bzw. Verwendung der Sprache verkehre und die philosophische Geschichte entweder völlig missachte oder fehldeute, findet sich auch bei anderen frühen Kritikern Kants. Siehe etwa Johann Gottfried Herder: Metakritik der Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1799. Herder nimmt ebenfalls an der Bezeichnung ›Kritik‹ Anstoß: »›Kritik der reinen Vernunft‹ der Titel befremdet. Ein Vermögen der menschlichen Natur kritisirt man nicht; sondern man untersucht, bestimmt, begränzet es, zeigt seinen Gebrauch und Mißbrauch« (ebd., S. 26). Neben der Verwirrung oder falschen Verwendung der Sprache steht auch der Vorwurf der zu abstrakten Terminologie, den Feder ebenso wie andere Interpreten gegen Kant erhebt. Siehe hierzu Pietsch: Topik der Kritik (s. Anm. 2), S. 26. Röttgers spricht gar von einer sprachphilosophisch motivierten Kantkritik, zu der er neben Feder und Herder auch Jacobi und Hamann rechnet. Siehe Röttgers: J. H. G. Feder (s. Anm. 5), S. 422. 27 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. XII. Der praktischen Philosophie Kants, die von Feder als eine Moraltheologie behandelt wird, widmet sich Feder ausführlich in seiner Philosophischen Bibliothek, die er zusammen mit Meiners herausgegeben hat (Philosophische Bibliothek. Dritter Band. Göttingen 1790, S. 13–66). Besonders deutlich wird die kantische Wende hin zu einer praktisch dogmatischen Metaphysik von Kant in der späten Preisschrift betont. Der Sache nach ist diese aber bereits in der Kritik der praktischen Vernunft enthalten, wie Feder richtig bemerkt. 28 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. XVIII.
Andree Hahmann hohen Anspruch an die wissenschaftliche Erkenntnis stellt. Er fragt, warum ein aus der Erfahrung gewonnener Begriff des Raumes nicht als Grundlage für die Gesetze der Geometrie dienen könne. Feder wendet sich explizit gegen die Auffassung, dass die Erfahrung keine Notwendigkeit stiften könne. Ließe sich aber zeigen, dass auch aus der Erfahrung eine Form von Notwendigkeit gezogen werden kann, dann wäre zugleich eines der wesentlichen kantischen Argumente für die transzendentale Idealität des Raumes (und zwar, dass ein aus der Wahrnehmung gewonnener Begriff des Raumes nicht als Fundament geometrischer Wahrheiten dienen könne) als haltlos erwiesen.29 Ganz so hilflos, wie dieser Versuch hier erscheinen mag, ist Feder in dieser Frage nicht. So gesteht er zu, dass die Wahrnehmung keine letzten notwendigen Wahrheiten stiften kann. Damit soll aber nicht ausgeschlossen sein, dass sich irgendeine Form von Notwendigkeit aus dieser gewinnen lasse. Zur Erläuterung seiner Ansicht verweist Feder auf die menschliche Praxis. Man nimmt immer das als notwendig an, was sich nicht ändern lässt. Was sich aber nicht ändern lässt, ist in seinem bestehenden Zustand notwendig.30 Auf diesem subjektiven Unvermögen beruht laut Feder eine Form der subjektiven Notwendigkeit. Entscheidend ist nun aber, dass diese subjektive Notwendigkeit in eine objektive überführt werden kann, und zwar dann, wenn es unvorstellbar ist, dass irgendein empfindsames Wesen anders hierüber denken könnte. Es handelt sich mithin um eine Extrapolation der subjektiven Notwendigkeit.31 Hieraus wird nun deutlich, wie und auf welche Weise auch aus der Vorstellung des Raumes, die selber subjektiv und bedingt ist, notwendige Wahrheiten geschöpft werden können, nämlich deshalb, weil wir uns einiges auf keine Weise anders vorstellen können. Was man sich aber nicht anders denken kann, wird notwendig genannt.32 Selbst wenn man diesen Punkt zugestehen sollte, wäre damit bloß ein negativer Punkt gegen Kant etabliert. Überdies muss Feder aber auch den Ursprung der apo 29 Ebd., S. 32ff. Siehe dazu Kant: KrV, A 25/B 39; B 40f.; Kant: Prolegomena, AA IV, S. 280ff. (»Wie ist reine Mathematik möglich?«) 30 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 35 (§ 9): »Wir empfinden Nothwendigkeit; so oft wir empfinden, daß wir etwas nicht können [...].« Feder schließt damit an Lockes Überlegungen an, die allerdings in einem anderen Kontext (Lockes Diskussion der Kraft und der Freiheit) stehen. Siehe John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand. Hamburg 2000, Bd. 1, S. 276ff. (Zweites Buch, Kapitel XXI) 31 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 37f. (§ 9). In einem späteren Aufsatz widmet sich Feder dem Verhältnis von subjektiver und objektiver Wahrheit: Johann Georg Heinrich Feder: Über subjective und objective Wahrheit, und die Uebereinstimmung aller Wahrheiten unter einander. In: Philosophische Bibliothek. Erster Band. Göttingen 1788, S. 1–42. 32 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 38 (§ 9): »So oft wir nun das Gegentheil von etwas schlechterdings nicht denken können, ist dasselbe eine nothwendige Wahrheit oder Denkart.«
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
diktischen Gewissheit mathematischer Urteile aufdecken.33 Und diesen erkennt Feder darin, dass es die reine Mathematik mit Vorstellungen zu tun hat, die einer vollständigen Deutlichkeit und Bestimmtheit fähig sind. Das soll aber bei den Vorstellungen, mit denen es die Philosophie zu tun hat, nicht der Fall sein. Feder unterscheidet also verschiedene Klassen von Vorstellungen: Die mathematischen Vorstellungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie von allen Kräften oder wirksamen Eigenschaften der realen Dinge abstrahieren. Die wirksamen Eigenschaften sind jedoch wesentlich für reale oder wirkliche Dinge. Denn diese haben neben der Bewegung etwas Undurchdringliches an sich. Die Philosophie hat es also mit wirklichen Dingen zu tun, wohingegen die Mathematik sich auf bloße Vorstellungen konzentriert.34 Auf der Verschiedenheit der Gegenstände soll der Grund der ungleichen Evidenz der beiden Erkenntnisarten beruhen. Da es die Mathematik mit bloßen bzw. abstrahierten Vorstellungen zu tun hat, können diese auch zu einer vollständigen Deutlichkeit gebracht werden. Die Philosophie andererseits hat es zwar mit vollständigen und mithin wirklichen Dingen zu tun, deren Vorstellungen können von uns aber nur unvollständig eingesehen werden. Nach Feder beruht also die Evidenz der Geometrie bzw. Mathematik nicht auf subjektiven, apriorischen Anschauungen. Beide werden auch von ihrer Evidenz nichts einbüßen, wenn sie aus sinnlichen Vorstellungen abstrahiert werden.35 Ich möchte die Tragfähigkeit dieses Versuches unkommentiert lassen. Ich habe dieses Argument vor allem deshalb ausgewählt, um einen zentralen Aspekt von Feders Theorie, nämlich seine Konzeption der subjektiven Notwendigkeit, einzuführen. 33 Ebd., S. 41 (§ 11). 34 Ebd., S. 42 (§ 11): »Dieser Unterschied und diese Evidenz beruhen lediglich darauf, daß die reine Mathematik es mit Vorstellungen zu thun hat, die einer vollständigen Deutlichkeit und Bestimmtheit fähig sind, welches bey der Philosophie der Fall nicht ist, und nicht seyn kann. Die reine Mathematik abstrahirt nemlich von allen Kräften oder wirksamen Eigenschaften der Dinge; sie hat es weder mit (physischen) Körpern, noch mit Seelen zu thun; die die Gegenstände der Philosophie ausmachen.« 35 Ebd., S. 44ff. (§ 11). Feder bestreitet, dass die Sätze der Mathematik synthetisch sind. Ihm leuchtet diese Unterscheidung sowohl mit Blick auf die Mathematik als auch hinsichtlich der Philosophie nicht ein. Er betont stattdessen, dass mathematische Sätze genauso gut als analytisch betrachtet werden können: »Ist der Satz 12 = 5 + 7 nicht auch arithmetisch, und ist er nicht offenbar analytisch.« In diesem Beispiel unterstellt Feder, dass die Stellung der Aufgabe einen Einfluss auf die Entscheidung der Frage, ob es sich um einen analytischen oder synthetischen Satz handle, habe. Gleichwohl gesteht Feder an anderer Stelle ein, dass er die Unterscheidung in analytische und synthetische Sätze sehr brauchbar findet (J. H. G. Feder und Chr. Meiners: Philosophische Bibliothek, Zweyter Band, Göttingen 1788, 228f.: »Ich wenigstens kann mit bestem Gewissen versichern, daß, bey aller meiner herzlichen Bereitwilligkeit zuzulernen, und von einem jeden anzunehmen, was irgend wahr und gut, oder dem Wahren und Guten förderlich ist, in allen Eigenheiten der Kantischen Kunstsprache ich nichts gefunden habe, was ich mir hätte zu Nutze machen können, als die Unterscheidung der analytischen und synthetischen Sätze.«
Andree Hahmann Feders Stärken liegen in seinen historisch informierten Analysen sowie in der Aufnahme empirischer Erkenntnisse, die er in seine kritischen Überlegungen einfließen lässt, auch wenn er damit den apriorischen Charakter der kantischen Überlegungen verkennt. So diskutiert Feder historisch versiert, was überhaupt unter einem angeborenen Begriff zu verstehen ist.36 In Auseinandersetzung mit Platon, Leibniz und Locke stellt er heraus, dass es sich hierbei zumindest nach Ansicht der neueren Philosophen um wesentliche oder virtuelle Kräfte des Verstandes handeln muss. Feder stimmt dieser Annahme prinzipiell zu und findet das auch nicht sonderlich problematisch. Denn der Verstand muss eine Anlage zur Erfahrung haben. Die Frage ist aber, wie weit diese Anlage reicht. Warum sollte die Anschauung des Raumes selber a priori sein? Feder schlägt stattdessen vor, dem Verstand eine ideenbildende Kraft zuzusprechen, aufgrund derer er dann die Vorstellung des Raumes aus dem Chaos der ersten sinnlichen Eindrücke bildet.37 Man denke etwa an Kleinkinder, die tatsächlich Schwierigkeiten in der räumlichen Orientierung haben, was wiederum nahelegt, dass sie wohl erst lernen müssen, die Dinge räumlich zu sortieren und mithin zu sehen. Feder verweist auf das Beispiel Blindgeborener, die aufgrund günstiger Umstände Sehkraft erlangt haben. Er fragt, wieso unter der Voraussetzung, dass es sich beim Raum um eine apriorische Anschauungsform handeln sollte, die nun Sehenden solche Schwierigkeiten haben, sich räumlich zu orientieren. Nach Feder hat sich ihre Vorstellung des Raumes fundamental gewandelt, und zwar so sehr, dass man davon ausgehen muss, dass sie nicht dieselbe Vorstellung haben. Würde es sich beim Raum aber um eine transzendentale Anschauungsform a priori handeln, so wird laut Feder nicht ersichtlich, warum der ehemals Blinde die zuvor gefühlte Kugel und den gefühlten Kubus nicht sogleich erkennt oder warum er nun unfähig ist, Distanzen und den Umfang von Körpern richtig einzuschätzen und warum es ihm so erscheint, als ob die Gegenstände sein Gesicht unmittelbar berühren.38 Noch sehr viel später äußert sich Feder enttäuscht darüber, dass Kant auf dieses von Feder hier angeführte Beispiel überhaupt nicht eingegangen ist und der Erfahrung in dieser Frage keinerlei Bedeutung beimisst. Auch das verdeutlicht, dass Feder das kantische Vorgehen bereits im Ansatz missversteht bzw. dass der von Feder gewählte Zugang zu diesen Fragen grundverschieden vom kantischen ist. Denn im Gegensatz zu Kant misst Feder der Erfahrung auch in der Beantwortung metaphysischer Fragen sehr viel mehr Bedeutung zu. Er sieht sich selber in einer philosophischen Tradition, die bis in die Antike zurückreicht, weshalb er auch an vielen Stel-
36 Ebd., S. 12ff. (§ 5). 37 Ebd., S. 25 (§ 6): »Ihn herauszufinden, aus beiderley sinnlichen Eindrücken, diesen Inhalt des Begriffs vom Raume, nun ja dazu gehört freylich eine Ideen bildende Kraft, gehört menschlicher Verstand.« 38 Ebd., S. 57f. (§ 14).
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
len seine Argumente mit historischen Beispielen und Zitaten zu untermauern versucht. Besondere Bedeutung hat für ihn aber Locke, auf den er sich oft bezieht und den er mit leibnizschen bzw. wolffschen Vorstellungen zu versöhnen sucht. Ein gutes Beispiel hierfür liefert auch Feders Einwand gegen das weitergehende kantische Argument, dass man sich der Vorstellung des Raumes nicht entledigen könne. So gibt Feder zu bedenken, dass dies keine Rückschlüsse auf einen apriorischen Charakter erlaubt. Er weist stattdessen darauf hin, dass sich sehr viel in der Seele feststellen lässt, was notwendig für ihre Operationen ist, ohne deshalb angeboren sein zu müssen.39 Das wichtigste Beispiel hierfür sollen Begriffe sein, ohne die man nicht denken kann, die aber trotzdem erlernt werden müssen. Und eben diese Begriffe sind für den Verstand das, was der Raum für die Sinnlichkeit ist.40 Feder zufolge kommt dem Verstand wie gesagt eine besondere bildende oder besser bilderzeugende Kraft zu.41 Dieses Vermögen wird in der Einbildungskraft verortet. Diese kann ausgehend von der Wahrnehmung eines einzelnen Raumes mehrere andere Räume auf eine solche Weise hinzusetzen, dass sich die Vorstellung eines einheitlichen Raumes ergibt. Setzt man wie Feder voraus, dass die Vorstellung des Raumes an sich keinen bestimmten Inhalt hat, sondern als solche abstrakt und vollständig einsichtig ist, ergibt sich auch kein Problem, zu dieser Vorstellung weitere hinzuzufügen.42 Aus diesem Grund kann nach Feder auch der kantische Verweis auf die Unendlichkeit des Raumes nicht gegen einen empirischen Ursprung der Vorstellung sprechen. Denn unendlich ist der Raum für Feder, weil man ihm keine bestimmte Grenze setzen kann. Die Einbildungskraft extrapoliert die Grenzenlosigkeit des Raumes aus der Erfahrung, dass es am Ende unseres Gesichtskreises immer noch weiter geht. In dieser letzten Bestimmung deutet sich bereits eine wichtige Differenzierung hinsichtlich des Begriffes des Raumes an. So unterscheidet Feder verschiedene Hinsichten, in denen der Begriff ›Raum‹ verstanden werden kann, und zwar einmal objektiv, dann bildlich und schließlich symbolisch. Unter diese Bedeutungsdimensionen des Begriffes ›Raum‹ lassen sich nun die von Kant undifferenziert behandelten Aspekte des Raumes subsumieren. Auf diese Weise können Probleme und Widersprüche aufgelöst werden, ohne den Raum selber zu einer apriorischen Anschauungsform erklären zu müssen. Symbolisch soll zum Beispiel die bloße Ausdehnung nach einer Richtung verstanden werden. Der bildliche Raum hingegen ist das, was wir uns vorstellen, wenn man sich einen bestimmten Raum denkt. Dieser
39 Ebd., S. 26 (§ 7). 40 Ebd., S. 27 (§ 7): »Und Worte oder andere Zeichen, sind für die Verstandesbegriffe beynahe eben das, was der Raum für die sinnlichen Vorstellungen ist.« 41 Ebd., S. 25 (§ 6). 42 Ebd., S. 42 (§ 11).
Andree Hahmann ist begrenzt und hat eine bestimmte Größe genauso wie jedes Bild. Der objektive Raum wäre hingegen die vorgestellte Leere, in der die Dinge gedacht werden.43
Unendliche Teilbarkeit und einfache Substanzen Kommen wir jetzt zu der von Kant geforderten Probe der Wahrheit, der sich Feders Konzeption des Raumes unterziehen muss. Oder aus Feders Perspektive gefragt: Muss man transzendentaler Idealist werden, um die Vernunft von vermeintlichen Widersprüchen hinsichtlich der Vorstellung des Raumes zu befreien? Sehen wir uns hierzu das Problem an, welches der zweiten Antinomie, der sogenannten Teilungsantinomie zugrunde liegt.44 Feder erkennt in dieser Frage zwei Hauptschwierigkeiten. Erstens wird seiner Ansicht nach nicht hinreichend zwischen den Qualitäten der angewandten räumlichen Prädikate unterschieden. Zweitens soll der Erkenntnisanspruch zu hoch angesetzt werden. Das Problem besteht nun nach Feder darin, dass bestimmte Prädikate, die einzig für den ideellen, nicht erfüllten Raum gelten, auf reale Dinge angewandt werden. Hierin erkennt er eine prinzipielle Verwirrung, die diese Debatte überhaupt erst hervorgerufen hat. Hieraus folgt aber, dass sich das Problem auch auf begrifflichem Weg beheben lassen soll. Denn man hat Begriffe, die nicht sinnlich sind, d. h. sich nicht in Bildern denken lassen, versinnlicht. Andererseits werden Begriffe, die nur sinnlich in uns sind und mithin nur mit einem sinnlichen Bild verknüpft sind, rein begrifflich verwandt.45 Wie ist das gemeint? Das Problem selber entsteht dann, wenn man die unendliche geometrische Teilbarkeit des Raumes mit der realen Existenz der Dinge im Raum in Verbindung bringt. Geht man nämlich wie Feder davon aus, dass der Raum kein für sich bestehendes Ding ist, dann ist auch die Teilbarkeit des Raumes keine Teilbarkeit eines wirklich vorhandenen Dinges.46
43 Ebd., S. 54f. (§ 13). 44 Zur zweiten Antinomie bei Kant siehe Kristina Engelhard: Das Einfache und die Materie. Berlin, New York 2005. 45 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 18), S. 303 (§ 25): »Es ist einerley Unachtsamkeit, Begriffe, die sich nicht sinnlich, nicht unter Bildern, denken lassen, sinnlich haben zu wollen; und Begriffe, die nicht anders als mit einem Bilde verknüpfet, nicht anders als sinnlich, in uns vorhanden seyn können, ganz abstract und ohne Bild denken zu wollen.« 46 Ebd., S. 310 (§ 28): »Aber wenn ohne vorhandene Dinge Zeit und Raum nichts positives sind: so ist dann auch ihre Theilbarkeit nicht die Theilbarkeit eines wirklich vorhandenen Dinges. Wo nichts ist, läßt sich doch wahrhaftig nichts theilen.« Siehe Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 84ff. (102ff.: die wirklichen Seitenzahlen weichen vom Druck ab).
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
So nehmen sie unendlich viele Theile in jedem Körper an, weil sich in den leeren Raum so viele Theile hineindenken oder darin voraussetzen lassen, als man will; und folgern hernach aus dieser Unendlichkeit der Theile eines jeden Körpers, wenn es ihnen beliebt, allerley wahre oder scheinbare Absurda [...].47
Zu diesen absurden Folgerungen rechnet Feder etwa die Annahme, dass ein Teil so viel enthalten könne wie das Ganze usw. Feders Vorschlag in dieser Sache ist nicht sonderlich originell und findet sich in dieser und ähnlicher Form bei anderen zeitgenössischen Philosophen und Mathematikern.48 Es hängt alles daran, dass man strikt zwischen dem geometrischen Raum und dem Raum, den die realen Gegenstände einnehmen, unterscheidet. Nach Feder soll es sich beim Raum ja nur um ein besonderes Produkt unserer Erkenntnis handeln. Die Vorstellung des Undurchdringlichen im Raum wäre ein anderes Stück der Erkenntnis. Da beide Vorstellungsarten von einander strikt separiert werden, kann das eine dem anderen auch nicht widersprechen. Zur Vermeidung des Widerspruchs reicht es also aus, die Prädikate des einen nicht auf die Prädikate des anderen zu übertragen. Daraus folgt, dass die Annahme, dass auch das Reelle im Raum unbegrenzt teilbar wäre, unbegründet ist, und zwar auch dann, wenn der Raum selber unendlich teilbar sein sollte.49 Gegen Kant wendet Feder nun ein, dass die von diesem in den Antinomien gemachte Voraussetzung, wonach die äußere Form der Anschauung oder die Art und Weise, wie uns die Dinge äußerlich erscheinen, auch von den Dingen, die im Raum sind, gelten muss, unbegründet ist. Kant setzt somit in seiner Annahme des transzendentalen Realismus voraus, dass die Dinge oder die Prädikate der materiellen Dinge tatsächlich mit denen des Raumes übereinstimmen. Anders gesagt, Kant ist der Auffassung, dass der geometrische Raum mit dem Raum der Dinge kongruiert, sodass die Gesetze der Geometrie auch für die Dinge im Raum gelten bzw. auf diese angewandt werden können.50 Diese Annahme ergibt sich freilich aus dem kantischen Anliegen, die Realität der Geometrie bzw. Mathematik zu erweisen, ein Vorhaben, wofür Feder das Verständnis fehlt. Mit Blick auf Feders eigene Konzeption und seine Stellung zur rationalistischen Tradition ist hingegen ein anderer Punkt vielsagend. Denn in seiner Erwiderung will Feder nicht ausschließen, dass auch einfache Substanzen über Kräfte verfügen, 47 Ebd., S. 85 (103: siehe oben). 48 Zur Fragestellung der Verbindung des Einfachen mit der unendlichen Teilbarkeit des Raumes siehe Andree Hahmann: Die Reaktion der spekulativen Weltweisheit: Kant und die Kritik an den einfachen Substanzen. In: Kant-Studien 100.4 (2009), S. 454–475 sowie ders.: Kritische Metaphysik der Substanz. Kant im Widerspruch zu Leibniz. Berlin, New York 2009. 49 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 5 (§ 2). 50 Ebd., S. 86 (104, § 22) verweist an dieser Stelle auf Prolegomena, Seite 59f. Dort soll es heißen: »Alle Sätze der Geometrie, die vom Raum gelten, müssen daher auch von den Dingen im Raum gelten [...].«
Andree Hahmann einen Raum einzunehmen. Diese Position hat Kant zwar selber in der Monadologia physica vertreten, in der Kritik der reinen Vernunft und den späteren Schriften zur Naturphilosophie aber insofern revidiert, als die Existenz für sich bestehender einfacher Substanzen als Zentren dieser raumerfüllenden Kraft zurückgewiesen wird. Kant bestreitet, dass eine Substanz überhaupt dieses Innere haben könne, da es sich hierbei lediglich um eine prinzipiell in Anlehnung an die Form der inneren Erfahrung gewonnene Konzeption handelt, die als solche daher niemals zu einer rein begrifflichen Bestimmung der Substanz gewonnen werden kann. Er kommt daher in der Kritik der reinen Vernunft in direkter Auseinandersetzung mit der leibnizischen Konzeption der Substanz zu dem Schluss, dass es sich bei diesem gesuchten Inneren der Materie um eine »bloße Grille« handeln müsse.51 Feder merkt hingegen an, dass die menschliche Erkenntnisfähigkeiten nicht ausreichten, um das Wesen oder das Innere einer einfachen Substanz vollständig zu durchschauen.52 Denn dort, wo man sich keine Bilder mehr von den Sachen machen kann, wird man auch keine anschaulichen Vorstellungen mehr fassen können. Man kann sich aber kein Bild von einer einfachen Substanz machen, also kann man auch nicht sagen, ob diese im Raum sei oder einen Raum erfülle. Ebenso wenig kann man die bildliche Vorstellung des Raumes auf Gott oder die Seele anwenden.53 Feder insistiert also darauf, dass keine Vorstellungsart über ihre Grenzen ausgedehnt werden darf. Wo aber keine bildliche Vorstellung hinreicht, dort gibt es auch keinen Raum. Das soll aber im Umkehrschluss nicht besagen, dass es über das bildlich Vorstellbare hinaus nicht auch Dinge geben könnte, die nur mit dem Verstand erfassbar sind. Diese intelligiblen Dinge, wie etwa die einfachen Substanzen, können durchaus durch eine intellektuelle Erkenntnis erreicht werden. Da diese nicht ausgedehnten Dinge aber irgendwo sein müssen, werden auch sie im Raum sein.54
51 Kant: KrV, A 277/B 333. Siehe zur Entwicklung dieser Fragestellung Andree Hahmann: Die Substanz vor und nach Kant. In: Mario Egger (Hg.): Philosophie nach Kant – Neue Wege zum Verständnis von Kants Transzendental- und Moralphilosophie. Berlin, Boston 2014, S. 357–382. 52 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 98 (§ 23): »Dennoch zweifle ich, daß ein Widerspruch erweislich sey in dem Satz, daß es einfache Substanzen geben könne, die einen Raum einnehmen. Einen Raum einnehmen heißt so viel als eine Ausdehnung unzugänglich für andere Substanzen, undurchdringlich machen. Sind wir nun wohl im Stande zu beweisen, daß eine einfache Substanz, die schlechterdings nicht auflösbar wäre, in mehrere einer eigenen Subsistenz fähige Subjecte, nicht eine Kraft besitzen könne, einen Raum so zu erfüllen, ihn unzugänglich und undurchdringlich zu machen? Haben wir hiezu Einsicht genug in das Grundwesen der Substanzen und Kräfte? Gewiß nicht.« Eine ausführliche Diskussion des Substanzbegriffes bietet Feder in seiner Philosophischen Bibliothek: Johann Georg Heinrich Feder: Ueber den Begriff von Substanz. In: Philosophische Bibliothek. Zweyter Band. Göttingen 1789, S. 1–40; zur Bestimmung der Substanz als dem Einfachen, was einer Zusammensetzung zugrunde liegen müsse, siehe insbesondere S. 28f. 53 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 99 (§ 23). 54 Ebd., S. 100f. (§ 23).
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
Wenn man das Einfache aber nicht aus der Erfahrung gewinnen kann, welche andere Grundlage kann es hierfür geben? Das leisten nach Feder »Nominaldefinitionen; oder, wenn man lieber will [...] reine Verstandesbegriffe [...], die freylich einigermaßen Anschauung zum Grunde haben, und auf Erfahrungsgegenstände anwendbare Folgen geben, aber doch immer selbst gemachte verfeinerte, erhöhte Begriffe sind«.55 Dass es nämlich das Einfache geben muss, folgt aus der Existenz des Zusammengesetzten.56 Dieser Schluss ist bereits von Leibniz, auf den sich Feder hier genauso wie auf Wolff beruft, dazu benutzt worden, um die Existenz einfacher Substanzen aufzuzeigen.57 Auch Kant hat diese Annahme bis in seine 1770 veröffentlichte Inauguraldissertation vertreten. Dass dieser reine Verstandesschluss jedoch unbegründet ist, kann mit Hinblick auf die kantische Kritik an der traditionellen Metaphysik und ihrem auf der Ontologie gegründeten Erkenntnisanspruch als eines der wesentlichen Ergebnisse der Kritik der reinen Vernunft gelten, wie Kant selber in der späten Preisschrift einschärft. Dass Feder an dieser Stelle denselben Beweis bedenkenlos wiederholt, erhärtet trotz der zugegebenermaßen vielen guten Punkten in Feders Auseinandersetzung mit Kant schließlich den Verdacht, dass Kants Urteil über seinen Rezensenten doch nicht ganz unbegründet sein könnte.
Ergebnis Ich möchte in meinem Fazit Feders Beschluss der kantischen Konzeption des Raumes aufgreifen: Denn Feder wiederholt am Ende seiner Diskussion des Raumes noch einmal mit Nachdruck seinen bereits in der Rezension formulierten Idealismusvorwurf.58 Feder verweist darauf, dass der transzendentalen Ästhetik zufolge die anschauliche Vorstellung eines Körpers nichts enthält, was diesem Körper an sich
55 Ebd., S. 103 (§ 23). 56 Ebd., S. 105 (§ 23): »Oder, wie es Kant selbst hier vorträgt, da Zusammensetzung nur ein Verhältniß ist; so würde es beym Verhältniß nichts absolutes geben, wenn es beym Zusammengesetzten keine letzten Theile gäbe.« 57 Siehe Gottfried Wilhelm Leibniz : Monadologie, § 2: »Et il faut qu’il y ait des substance simples, puisqu’il y a des composés; car le composé n’est autre chose, qu’un amas, ou aggregatum des simples.« Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt (Deutsche Metaphysik). Hg. von Ch. Corr. In: Gesammelte Werke. Abt. 1 (Deutsche Schriften), Bd. 2, Hildesheim 1982, § 76; ders.: Philosophia prima, sive Ontologia. Hg. von J. École. In: Gesammelte Werke. Abt. 2 (Lateinische Schriften), Bd. 3, Hildesheim 1977, § 686; siehe ausführlich hierzu Hahmann: Kritische Metaphysik der Substanz (s. Anm. 48). 58 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 114 (§ 25): »Kant ist also Idealist; und gesteht dieß selbst ein.«
Andree Hahmann zukommen könnte; ist das nicht aber Idealismus?59 Was heißt es denn, dass die Dinge außer uns sind, wenn außer uns sein nur bedeuten soll, dass sie in einer besonderen Vorstellungsart existieren, die wiederum in uns ist?60 Wer das behauptet, so Feder, vertritt eine exzentrische Hypothese, die sich einstellt, sobald man seinen Erkenntnishunger nicht auf das gehörige Maß zu beschränken weiß und deshalb die gesunden Grenzen des gemeinen Menschenverstandes verlässt. Der schlimmste Vorwurf, den man dem Idealisten daher machen kann, ist der, den alltäglichen Gebrauch der Sprache zu missachten: Körper werden zu Vorstellungen in uns und der Raum wird zur Eigenschaft unseres Gemüts.61 Man sollte hingegen am gewöhnlichen Verständnis der Sprache festhalten und was verschieden ist, auch unterschiedlich benennen, d. h. der Gegenstand einer wirklichen äußeren Empfindung und die bloße Vorstellung hiervon sollten nicht mit demselben Namen belegt werden. Zu Recht unterscheidet laut Feder die alltägliche Sprache, auf die sich der gesunde Menschenverstand in dieser Frage berufen kann, zwei divergente Dinge, und dieser Unterschied kann nicht ›wegvernünftelt‹ werden.62 Denn unsere Sprache gesteht den Gegenständen der Empfindung eine Wirklichkeit zu, die bloßen Vorstellungen abgesprochen wird.63 Das Urteil hingegen, dass die Körper bloße Vorstellungen in uns sind, d. h. bloß in unseren Vorstellungen existieren, widerstreitet nach Feder der natürlichen und alltäglichen Auffassung der Dinge so sehr, dass Grundbegriffe und Grundsätze, die notwendig darauf führen, eben deswegen verworfen werden müssen. Kants kritisches Projekt ist mithin eine Reductio ad absurdum, und das allein sollte Widerlegung genug sein.64 Mit diesem Vorwurf macht Feder erneut deutlich, dass er im Prinzip kein Verständnis für die kantische Fragestellung hat. Das ist aber nicht deshalb so, weil Feder mit Konsequenz eine andere philosophische Richtung eingeschlagen hätte. Denn auch wenn sich eine gewisse empiristische Grundhaltung (die er selber an vielen Stellen betont) zeigt, handelt es sich hierbei doch um nicht viel mehr als eine Tendenz, wie sie sich bei zahlreichen Vorgängern und Zeitgenossen Feders feststellen lässt: Man siehe etwa auch Meier oder Tetens.65 Mit dem Siegeszug der kanti-
59 Ebd., S. 62 (§ 15). 60 Ebd., S. 63f. (§ 15). 61 Ebd., S. 115 (§ 25). 62 Ebd., S. 68 (§ 15). 63 Ebd., S. 69 (§ 15). 64 Ebd., S. 66f. (§ 16): »Hingegen scheint mir dieß Urtheil, daß die Körper bloße Vorstellungen in uns seyn, nirgends anders als bloß in unsern Gedanken existiren (§ 15), der Natur unsres Verstandes so entgegen zu seyn, daß Grundbegriffe und Grundsätze, die nothwendig darauf führten, eben deswegen verworfen werden müßten.« 65 Siehe Andree Hahmann: Tetens über die Freiheit als Vermögen der Seele. In: Gideon Stiening, Udo Thiel (Hg.): Johann Nikolaus Tetens (1736–1807) Philosophie in der Tradition des europäischen Empirismus. Berlin, Boston 2014, S. 199–215.
Feder über die letzten Gründe der menschlichen Erkenntnis des Raumes
schen Philosophie und der Zerstörung von Feders philosophischem Ruf zeichnet sich also keinesfalls eine »Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus« ab.66 Denn Feder hängt in weiten Teilen noch immer der rationalistischen Tradition an, was sich beispielsweise in der Bestimmung des Raumes oder seinem Beweis der Existenz des Einfachen gezeigt hat.67 Dass die Zeit reif für Revolutionen (»im Politischen wie im Denken«) gewesen sei, wie in Feders autobiografischer Schrift zu lesen ist,68 hat mithin lediglich dazu beigetragen, dass sich eine wahrhaft »consequente Denkungsart«69 gegenüber dem bloß populären seichten Geschwätz durchsetzen konnte.
66 Siehe dagegen Röttgers: J. G. H. Feder (s. Anm. 5). 67 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 20), S. 101f. (§ 23). 68 Röttgers: J. G. H. Feder (s. Anm. 5), S. 438, merkt hierzu an, dass der Empirismus selber sowohl politisch als auch ideenpolitisch überrannt wurde, und zwar durch die beiden Revolutionen in Frankreich (der politischen) und Deutschland (die »Denkungsart« betreffend). Mit Blick auf die oben dargestellten engen Anleihen Feders bei der wolffschen Schulphilosophie sollte man ihn jedoch nur mit Einschränkungen als Empiristen betrachten. In letzter Konsequenz würde ich somit, zumindest was Feder betrifft, Röttgers (S. 440) zustimmen: »Es hat keinen deutschen Empirismus gegeben [...].« 69 Kant: KpV, AA V, S. 6.
Giuseppe Motta
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik Die Fakten sind bekannt und wurden schon mehrmals in immer neuen Details erzählt: Dem ersten Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft zur Zeit der Ostermesse von 1781 folgte zunächst überhaupt keine philosophische Reaktion und Kant war von dieser Stille negativ überrascht.1 In einem Brief an Johann Schultz vom 26. August 1783 – ein Jahr also, in dem keine nennenswerte Rezension oder gar Kommentar des Werkes erschien – beschwerte Kant sich explizit darüber: Er habe einfach das Gefühl, seine ganze Arbeit sei schließlich »vergeblich« gewesen.2 Offensichtlich traute sich kein Zeitgenosse, etwas über die Kritik der reinen Vernunft zu schreiben oder Stellung zu nehmen. In diesem desolaten Panorama3 brillierte alleine – obzwar in einem eher schwarzen Licht – die Rezension von Christian Garve und Johann Georg Heinrich Feder, die im Januar 1782 in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen anonym erschienen war.4 Es handelte sich um eine umfangreiche, aber sicherlich nicht besonders akkurate oder sorgfältige Arbeit, die de facto eine Art Anwendung einiger Argumente der damals vor allem in Göttingen ganz genau bekannten und miterlebten Polemik der Philosophen des schottischen Common Sense gegen den Idealismus von George Berkeley und den Skeptizismus von David Hume auf die Kritik der reinen Vernunft war. Schon im ersten Satz dieser Rezension wird Kants Philosophie als ein System des Idealismus dargestellt, »der Geist und Materie auf gleiche Weise umfaßt, die Welt und uns selbst in Vorstellungen verwandelt«.5 Dementsprechend oberflächlich wird die »Transzendentale Ästhetik« von den beiden Rezensenten folgendermaßen zusammengefasst:
1 Man beachte dazu zum Beispiel Manfred Kuehn: Kant. A Biography. Cambridge 2001, S. 250f. 2 AA X, S. 350f. Siehe auch in den Prolegomena von 1783: AA IV, S. 380. Kants Schriften werden zitiert nach: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später Deutschen] Akademie der Wissenschaften. Berlin 1900ff. (im Folgenden zitiert als AA Band, Seitenzahl). 3 Der Philosoph, der vielleicht am besten hätte reagieren können und dem auch deswegen ursprünglich die Kritik gewidmet werden sollte, wäre laut Kant Johann Heinrich Lambert gewesen (man beachte dazu den Brief von Kant an Bernoulli vom 16. November 1781: AA X, S. 278). Dieser war aber schon lange tot, und zwar seit 1777. Johann Nikolaus Tetens hatte sich von der philosophischen Arbeit zurückgezogen und zeigte daher kein Interesse. Auch der alte Moses Mendelssohn schwieg: »[S]eit vielen Jahren bin ich der Metaphysik wie abgestorben« (Brief an Kant, 10. April 1783, AA X, S. 308). 4 Anonym, Rezension zu: Immanuel Kant, Critik der reinen Vernunft [1781]. In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, Zugabe zum 3. Stück, 19. Januar 1782, S. 40–48. 5 Ebd., S. 40.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-006
Giuseppe Motta Das ist für uns wirklich, was wir uns irgendwo und irgendwann vorstellen. Raum und Zeit selbst sind nichts Wirkliches außer uns, sind auch keine Verhältnisse, auch keine abstrahierte Begriffe, sondern subjektive Gesetze unseres Vorstellungsvermögens, Formen der Empfindungen, subjektive Bedingungen der sinnlichen Anschauung. Auf diesen Begriffen von den Empfindungen als bloßen Modifikationen unserer selbst (worauf auch Berkeley seinen Idealismus hauptsächlich baut), vom Raum und von der Zeit beruht der eine Grundpfeiler des Kantschen Systems.6
Kants wütende Reaktion auf diese und ähnliche Behauptungen ist bekanntlich in den 1783 erschienenen Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, enthalten, wo er u. a. explizit darauf hinweist, dass man ausgerechnet aus der transzendentalen Ästhetik den richtigen, nicht bloß idealistischen Charakter seiner Philosophie gewinnen hätte können und sollen.7 Im Jahr 1786, wenige Jahre also nach dieser polemischen Auseinandersetzung zwischen Garve/Feder und Kant, erschien in Göttingen die sechste Auflage der Logik und Metaphysik von Feder, eines der damals bekanntesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Bücher zu diesen beiden fundamentalen Domänen der Philosophie.8 Kant, der damals die fünfte Ausgabe aus dem Jahr 1778 besaß, wusste ganz genau, dass Feder in eben dieser Zeit ein neues, gegen ihn gewendetes polemisches Werk verfasste: das zu Beginn des Jahres 1787 in Göttingen erschienene Ueber Raum und Caussalität. Zur Prüfung der kantischen Philosophie.9 Er nahm in diesem Zusammenhang Kontakt mit der Berlinischen Monatsschrift auf, um einen Aufsatz gegen Feder zu verfassen.10 Dazu kam es aber nicht. Seine – zum Teil vorsorglichen – Reaktionen wurden alle in der zweiten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft von 1787 aufgenommen und dort systematisiert. In einer kleinen Studie von mir, die nur auf Italienisch veröffentlicht wurde,11 habe ich zu zeigen versucht, dass sich Kant an den zwei einzigen Stellen der Kritik der reinen Vernunft von 1787, in denen er explizit auf George Berkeley hinweist – nämlich in der dritten Anmerkung zur »Transzendentalen Ästhetik« (B 69–71) und am Anfang der »Widerlegung des Idealismus« (B 274) – weniger mit den Thesen des irischen Idealisten auseinandersetzt als vielmehr die Auseinandersetzung mit Feder über die Natur von Raum und Zeit fortsetzt.
6 Ebd., S. 41. 7 Siehe dazu die Rekonstruktion von Andree Hahmann in der Einleitung seines Beitrags zu diesem Band. Sonst auch: Konstantin Pollok: Einleitung in die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Hamburg 2001, S. XXIII–XXXIX. 8 Erste deutsche Ausgabe: Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Göttingen 1769. Erste lateinische Ausgabe: Institutiones logicae et metaphysicae. Gottingen 1777. 9 Man beachte in dem Sinne Johann Berings Brief an Kant vom 21. September 1786 (AA X, S. 465f.) und Ludwig Heinrich Jakobs Brief von 25. Oktober desselben Jahres (AA X, S. 468). 10 Siehe Johann Erich Biesters Brief an Kant vom 11. Juni 1786 (AA X, S. 457). 11 Vgl. hierzu Giuseppe Motta: Das Phantom des Berkeleyschen Idealisms. Su alcuni riferimenti a J. G. H. Feder nella Critica della ragion pura. In: Studi Kantiani 2012, S. 59–69.
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Dass sich Kant vor allem in der III. Anmerkung zum § 8 der Ästhetik in einer Debatte mit gewissen neueren Kritikern der Kritik befand, lässt sich von Ausdrücken wie »[…] so will das nicht sagen, daß«, »So sage ich nicht«, »Es wäre meine eigene Schuld, wenn« ableiten. Dass diese Stellen nicht an andere, spätere Rezensionen seines Buches gerichtet waren wie zum Beispiel an die von Dietrich Tiedemann oder an die von Hermann Andreas Pistorius, lässt sich aus der genauen Untersuchung dieser anderen Schriften ableiten. Man kann in dieser Hinsicht auch zeigen, dass der Text Paraphasen bzw. Quasi-Zitate aus den Paragraphen der Logik und Metaphysik von Feder enthält, in denen sich der Philosoph aus Göttingen über die Natur von Raum und Zeit geäußert hatte. In § 26 der Ontologie schließt Feder zum Beispiel aus, dass der Raum »[…] weder eine Substanz, noch eine Beschaffenheit einer Substanz […]«12 sei. So nimmt Kant in B 70 polemisch Bezug auf eine Theorie, nach welcher Raum und Zeit »[…] nicht Substanzen, auch nicht etwas wirklich den Substanzen Inhärirendes […]« sei. Feder beschreibt darüber hinaus in den §§ 26 und 27 Raum und Zeit als leer: Und daher kommt es, daß wir uns den Raum als Etwas gedenken, so vorhanden seyn könnte, vorhanden seyn würde, wenn auch keine Dinge vorhanden wären. Es läßt sich auch ein Leeres, eine Möglichkeit der Zeit ansetzen, wann noch keine Dinge waren, und keine Veränderungen auf einander folgten.13
Kant bezieht sich in B 71 polemisch auf eine Theorie, nach der Raum und Zeit »auch übrig bleiben, wenn gleich alle existierende Dinge aufgehoben werden«. Vergleicht man die III. Anmerkung des § 8 der Kritik der reinen Vernunft von 1787 mit den §§ 26f. der Metaphysik von Feder, dann werden solche rekurrierende Hinweise ziemlich offensichtlich.14 Aus einer transzendental-philosophischen – und nicht nur historischen oder text-analytischen – Perspektive lässt sich behaupten, dass Kant sich in seiner Reaktion auf Feder auf Gedanken und Überlegungen bezieht, die er schon ausgiebig in der A-Fassung der »Paralogismen« entwickelt hatte. Thematisiert wurde dort ein logisches Quadrat, dessen Eckpunkte 1. »transzendentaler Realism«, 2. »transzendentaler Idealism«, 3. »empirischer Realism« und 4. »empirischer Idealism« darstellen. Der transzendentale Realist (1) bzw. Feder macht nach Kant aus den »Modificationen unserer Sinnlichkeit an sich subsistirende Dinge und daher bloße Vorstellungen zu Sachen an sich selbst«.15 Er fällt somit in einen »empirischen Idealism« (4), der entweder skeptischer oder dogmatischer Natur sein
12 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Fünfte, vermehrte Auflage. Göttingen 1778, S. 305 (Metaphysik, § 26). 13 Ebd., S. 304 und S. 307 (Metaphysik, § 26 und § 27). 14 Man beachte über Feders Auffassung von Raum und Zeit den schon oben erwähnten Aufsatz von Andree Hahmann in diesem Band. 15 KrV A 491/B 519.
Giuseppe Motta kann. Der transzendentale Idealist (2) bzw. Kant selbst ist dagegen zugleich ein empirischer Realist (3). Dieser neue Idealismus betrifft nämlich nur die Form der Gegenstände. Er thematisiert, abstrahiert aber zugleich auch von der Unterscheidung zwischen bloßen Vorstellungen und Dingen an sich und garantiert somit allein das fundamentale »Kriterium der Wahrheit«, welches zu einer neuen – zugleich nicht empiristischen und nicht rationalistischen – Definition der Objektivität als Form bzw. als Gesetz führt. In diesen zum Teil verwickelten, jedoch schon klassisch gewordenen Reflexionen aus den A-Paralogismen ist der Nukleus der Kritik Kants an Feder in der zweiten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft enthalten. Nach dieser kurzen Zusammenfassung des Inhalts meines Aufsatzes für die Studi Kantiani des Jahres 2012 komme ich zum wesentlichen Teil dieser Überlegungen, die keine weitere Erörterung der Reaktionen Kants auf Feders Kritiken enthält, sondern sich vielmehr – was mir auch viel wichtiger zu sein scheint – mit dem Einfluss Feders auf Kant, und zwar im Hinblick auf die Verfassung der ersten Auflage der Kritik beschäftigt. Vorgeschlagen wird somit ein großer Sprung in die Vergangenheit: von den Jahren 1781/1787 zu den frühen 1770er Jahren und somit von der sechsten Auflage der Logik und Metaphysik (im Jahr 1786) zu der ersten, zweiten, dritten und vierten Auflage des Werkes, die in den Jahren 1769, 1770, 1771 und 1774 erschienen sind. Der Fokus meiner Perspektive verschiebt sich also von der bekannten und schon mehrmals ausführlich erörterten Feder-Kant-Polemik der 1780er Jahre zu den allerersten, weniger bekannten und nicht herausgearbeiteten Auswirkungen der Logik und Metaphysik von Feder auf Kants Entwurf eines neuen Systems der Philosophie in der Entstehungsphase der Kritik der reinen Vernunft. Ein erster, vorläufiger Sachverhalt, den man diesbezüglich aufgreifen sollte, ist folgender: Das Sommersemester 1770 war das erste Semester Kants an der Albertina als ordentlicher Professor. Von diesem Zeitpunkt an hielt Kant ununterbrochen Vorlesungen bis in die späten 1790er Jahre, d. h. seine Logik-Vorlesung im Sommersemester und seine Metaphysik-Vorlesung im Wintersemester. Nach Angaben des gedruckten lateinischen Vorlesungsverzeichnisses der Albertina las Kant sowohl im Sommersemster 1770 als auch im Wintersemester 1770/71 über Feders erstmals 1769 in Göttingen erschienenes Handbuch zur Logik und Metaphysik, und zwar entsprechend im Sommersemester über Logik, im Wintersemester über Metaphysik. Die lateinischen Angaben aus dem Index lectionum der Albertina sind in dieser Hinsicht klar und unmissverständlich.16 Nichtsdestotrotz erklärt Werner Stark die für Kant
16 Man kann über das Sommersemester 1770 Folgendes lesen: »Immanuel Kant, Log. et Metaph. Prof. Publ. Ordin. designatus muneris sibi demandati officia aggreditur praelectione publica hora VII-VIII habenda, qua Logicam et Metaphysicam, una cum succinta Historia Phil. percensebit, secundum compendium Federi […].« Über das Wintersemester 1770/71 findet man: »Logicam et
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
ungewöhnliche Angabe von Feders Handbuch für »ein Versehen« eines »verwirrten« Schreibers oder Druckers. Diese Verwirrung des Schreibers ist laut Stark mit hoher Wahrscheinlichkeit aus drei Gründen entstanden: erstens wegen des Stellenaustauschs zwischen Johann Friedrich Buck und Kant im Jahr 1770; zweitens wegen der damals neuen Richtlinien in der Verfassung der Vorlesungsverzeichnisse in Preußen; und schließlich drittens wegen der Tatsache, dass auch Kants Vorgänger Buck im SS 1771 eine Metaphysik-Vorlesung nach Feder ankündigte.17 Starks Hypothesen über den verwirrten Zustand des Schreibers der Albertina können aber nicht überzeugen und seine Behauptung, »[m]ithin ist die Angabe ›Feder‹ [im Vorlesungsverzeichnis] als falsch anzusehen«, bleibt meines Erachtens unbegründet. Sie widerspricht zudem dem Grundprinzip jeder philologischen Analyse: Lectio difficilior potior. Soweit wir aus den wenigen Dokumenten, die wir haben, schließen können, hat sich Kant zu Beginn der 1770er Jahre intensiv mit Feder beschäftigt, und zwar mit seiner Logik, mit seiner Metaphysik und schließlich auch mit dem Grundriß der philosophischen Wissenschaften in seinen Vorlesungen über die philosophische Enzyklopädie. Man kann aus diesen Informationen durchaus schließen, dass der Eindruck des Buches bzw. der Bücher Feders auf Kant wie auf seine Kollegen der Albertina und auf die deutschsprachige Philosophie im Allgemeinen in mehreren Hinsichten wichtig und bedeutend war und dass es deshalb nützlich sein kann, die Elemente dieses Einflusses zu erörtern. In der vorliegenden Untersuchung soll daher versucht werden, einige Grundelemente dieses (bisweilen allgemeinen, bisweilen spezifischen)
Metaphysicam praelucente Federo docebit D. BUCK priuat. dieb. Iou. et Ven. h. III. Easdem scientias docebunt P. KANT et M. WLOCHATIUS nec non M. IOHSWICH et M. WEYMANN vero h. X. et h. IV. et M. IAESCHKE duce Crusio h. III priuatim. Metaphysicam ad ductum Federi tradet P. KANT, publice h. VII.« 17 Vgl. hierzu Werner Stark: Nachforschungen zu Briefen und Handschriften Immanuel Kants. Berlin 1993, S. 325: »Das Vorlesungsverzeichnis wird jeweils von einem Schreiber (entweder dem des zeitigen Rektors oder einem der wenigen ›ministeriales‹ der Universität) aufgrund von einzeln eingereichten Notizzetteln der Dozenten zusammengestellt. Zum Winter 1770/71 wird Kants Kolleg über Metaphysik in auffällig überflüssiger Weise doppelt angekündigt, damit ist ein Indiz [für] eine gewisse Verwirrung gegeben, die auf drei Umstände zurückgeführt werden kann: 1.) Kant wird Frühjahr 1770 durch Stellentausch mit Johann Friedrich Buck ordentlicher Professor für Logik und Metaphysik. Buck macht diese von ihm seit 1758 besetzte Stelle frei und rückt zur ›Mathematik‹. 2.) Erstmals im Winter 1770/71 ist das Vorlesungsverzeichnis nach den aus Berlin gekommenen neuen Richtlinien angelegt: nicht mehr nach dem Rang der Professoren gegliedert, sondern nach Disziplinen unter Angabe des Lehrbuches geordnet. 3.) Buck kündigte auch im Sommer 1771 an, nachmittags von 3–4 ›Logicam et Metaphysicam‹ ›duce Cel. Federo‹ ein Privatkolleg zu halten. Es handelt sich zweifelsfrei um Feders erstmals 1769 in Göttingen erschienenes, deutschsprachiges Handbuch mit dem Doppeltitel ›Logik und Metaphysik im Grundriß‹. Daß Kant je in einem Semester beide – für ihn inhaltlich wie didaktisch scharf getrennte Disziplinen – zu lesen beabsichtigte, ist kaum anzunehmen. Mithin ist die Angabe ›Feder‹ als falsch anzusehen; ihr liegt eine Verwechslung zugrunde.«
Giuseppe Motta Einflusses von Feder auf Kant zu Beginn der 1770er Jahre offenzulegen und in Ansätzen zu beschreiben. Vor der Auflistung und Thematisierung dieser »Elemente« sei hier ein zweiter einleitender Punkt kurz aufgegriffen. Man kann – und vielleicht sollte man sogar – versuchen, das Verhältnis Feder-Kant in den Kontext des viel breiteren Einflusses der schottischen Philosophie des Common Sense in Deutschland zu integrieren. Denn, wie Manfred Kuehn zu Recht betont, »there are parallels between the Scots and Feder in his first works as well as in his last ones«.18 Ohne diesen Einfluss zu leugnen oder ihn selbst zu thematisieren, soll hier lediglich die einfache Tatsache festgestellt werden, dass Kant in den Jahren der Entstehung der ersten Kritik (also ungefähr zwischen 1769 und 1775) die Logik und Metaphysik von Feder (vermutlich in allen frühen Ausgaben des Werkes: 1769, 1770, 1771, 1774) sehr gut kannte, und dass er sich daher auch von diesem Werk in der Ausfertigung und in der Gestaltung mancher Grundgedanken seines entstehenden Werkes beeinflussen ließ.
Element I Ein erstes, noch unspezifisches und daher sicherlich nicht als Quelle geltendes Element der Korrelation zwischen Feder und Kant besteht in der gemeinsamen Überzeugung, »die Philosophie beschäftiget sich nicht bloß in einem ihrer Theile mit der Seele«.19 Seelenlehre, Logik und zugleich auch Metaphysik sollen für Feder genauso wie für Kant als miteinander verknüpft und als grundsätzlich unzertrennlich betrachtet werden. Die psychologisch-erkenntnistheoretische Umdeutung der Logik, die schon die Systeme der Logik der thomasianischen Tradition zutiefst prägte, wird nun von Feder wie auch von Kant zusätzlich für die Behandlung der einzelnen Themen der Metaphysik als unverzichtbar betrachtet. Zum Teil halten zwar Feder und Kant an gewissen klassischen Teilungen und Strukturen im System der Philosophie fest. Man denke einerseits an die Gliederung von Feders Monadenlehre in eine »Metaphysische Körperlehre«, eine »Pneumatologie«, eine Lehre »von dem vollkommensten Wesen« und eine »Kosmologie« (nach dem klassischen Muster: Ontologie, Psychologie, Theologie, Kosmologie), andererseits an die gleiche Teilung der Transzendentalen Logik in der Kritik der reinen Vernunft. Die unterschiedlichen Teile des Systems der Philosophie fallen aber – für Feder genauso wie für Kant – ineinander, was zu einem internen Kollaps des alten Systems der Metaphysik führt. Ganz allgemein kann man behaupten, dass das Zitat von Condillac, welches die 18 Manfred Kuehn: Scottish Common Sense in Germany. 1768–1800. A Contribution to the History of Critical Philosophy. Kingston, Montreal 1987, S. 76. 19 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Zweyte, vermehrte Auflage. Göttingen 1770, S. 117 (Logik, § 3).
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Metaphysik Feders eröffnet, wohl auch als Epigramm der Kritik der reinen Vernunft hätte dienen können: Il faut distinguer deux sortes de métaphysique. Lʾune, ambitieuse, veut percer tous les mystères – lʾautre plus retenue, proportionne ses recherches à la foiblesse de lʼesprit humain ; et aussi peu inquiete de ce qui doit lui echapper, quʼavide de ce, quʼelle peut saisir, elle sait se contenir dans les bornes, qui lui sont marquées. La première fait de toute la nature une espece dʼenchantement, qui se dissipe, comme elle – Avec lʼautre on acquiert peu de connoissances ; mais on evite lʼerreur, lʼesprit devient juste & se forme toujours des idées nettes.20
Element II Das Hauptthema jeder philosophischen Untersuchung ist nach Feder also »die Unvollkommenheit selbst und die engen Schranken unserer natürlichen Erkenntnis«.21 Das Besondere in seiner Untersuchung der Grenze unseres Verstandes ist diesbezüglich weniger in einem allgemein verbreiteten Skeptizismus zu sehen als in der skeptischen Auffassung der Inhalte der drei Teile der sogenannten metaphysica specialis. Manche Aspekte der transzendentalen Dialektik Kants werden somit ziemlich genau vorbereitet. Paola Rumore berichtet in ihrem Aufsatz für diesen Band (Feder und die Psychologie seiner Zeit) über die deutlich skeptische Prägung der gesamten Pneumatologie in Feders Metaphysik. Hier soll eher ein anderer Aspekt seines Skeptizismus hervorgehoben werden, und zwar die auffallende Tatsache, dass die Grundthemen der Körperlehre und der Kosmologie in Feders Hauptwerk meistens antinomisch – wenn auch ohne expliziten Rekurs auf das Wort ›Antinomie‹ – behandelt werden. So behauptet Feder: »Es ist sonderbar, daß ein Theil der Philosophen just das denket, wovon der andere behauptet, daß es sich nicht denken lasse.« Das schreibt er in § 35 der »Monadologie«, dessen Titel lautet: »Die Metaphysiker streiten über die Grundbegriffe des einfachen und zusammengesetzten Dinges.«22 Manche Philosophen behaupten zum Beispiel, alle Dinge haben Teile; andere dagegen, sie haben keine Teile. Ähnlich kontradiktorische Gedanken prägen die Thesen- und Antithesen zur Unendlichkeit und Endlichkeit der Teile der Substanz,23 der Entstehung und der Nichtentstehung aus dem Nichts,24 der Freiheit und der Unfreiheit des Menschen25 sowie des Schicksals und des Zufalls in der Welt.26 Bei all solchen Kontrover-
20 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 306 (Metaphysik). 21 Ebd., S. 10 (Vorbericht, § 5). 22 Ebd., S. 377 (Metaphysik, Monadologie, § 35). 23 Ebd., S. 379 (Metaphysik, Monadologie, § 36). 24 Ebd., S. 384 (Metaphysik, Monadologie, § 37). 25 Ebd., S. 411f. (Metaphysik, Pneumatologie, § 51).
Giuseppe Motta sen, so Feder in der vierten Ausgabe seines Hauptwerkes, »scheint es mir am besten, mein Urtheil zurück zu halten«.27 Man beachte in diesem Zusammenhang erstens, dass die Antinomie laut Kant selbst dasjenige war, was ihn »aus dem dogmatischen Schlummer zuerst aufweckte und zur Critik der Vernunft selbst hintrieb« (so Kant in einem berühmten Brief an Garve von 1798);28 dass zweitens die Antinomie in Kants Schriften vor 1770 selbst als Wort nie vorkommt; und schließlich, dass wir drittens – mit Benno Erdmann,29 Heinz Heimsoeth,30 Norbert Hinske31 und Brigitte Falkenburg32 – konstatieren können, dass der eigentliche Antinomiegedanke erst in der Dekade zwischen 1770 bzw. 1769 (nach Adickes Datierung mancher Reflexionen) und 1781 konzipiert worden ist, also in der sogenannten schweigenden Dekade. Weder Erdmann, der Feder übrigens für »heute mit Recht vergessen« erklärte,33 noch Heimsoeth noch gar Hinske oder Falkenburg – und unter diesen Namen kann man ein ganzes Jahrhundert KantForschung zusammenfassen – erwägen Feder als mögliche Quelle des AntinomieGedankens,34 wohingegen mir offensichtlich scheint, dass die Logik und Metaphysik von 1769 eine extrem großzügige, vielfältige und sehr präzise Beschreibung der (wenn auch nicht so genannten) vier Antinomien Kants enthält.
26 Ebd., S. 355–358 (Metaphysik, Kosmologie, § 70). 27 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Vierte, vermehrte Auflage. Göttingen 1774, S. 366 (Metaphysik, Pneumatologie, § 51). 28 Immanuel Kant: Brief an Christian Garve, 21. 9. 1798 (AA XII, S. 257f.). 29 Benno Erdmann: Einleitung. In: Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Leipzig 1878, S. LXXXVI. 30 Heinz Heimsoeth: Atom, Seele, Monade: historische Ursprünge und Hintergründe von Kants Antinomie der Teilung. Wiesbaden 1960, S. 266. Man beachte auch ders.: Transzendentale Dialektik: ein Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. 2. Vierfache Vernunftantinomie, Natur und Freiheit, intelligibler und empirischer Charakter. Berlin 1967, S. 135. 31 Norbert Hinske: Kants Begriff der Antinomie und die Etappen seiner Ausarbeitung. In: KantStudien 56 (1966), S. 493. 32 Brigitte Falkenburg: Kants Kosmologie: Die wissenschaftliche Revolution der Naturphilosophie im 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2000, S. 142ff. 33 Benno Erdmann: Kantʾs Kriticismus in der ersten und in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft: eine historische Untersuchung. Leipzig 1878, S. 10. Zitiert in Kurt Röttgers: J. G. H. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 421. 34 Über einen möglichen Einfluss von Beattie auf Kant in diesem Punkt siehe Kuehn: Scottisch Common Sense in Germany (s. Anm. 18), S. 187–191.
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Element III Ich komme somit zum dritten Element der Korrelation zwischen Feder und Kant, das einen ganz anderen Aspekt der kritischen Philosophie betrifft. 1768, also ein Jahr vor der Logik und Metaphysik, stellt sich Kant in dem Artikel Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume den rationalistischen, d. h. »begrifflichen« und »logischen« Auffassungen des Raumes entgegen. Das Hauptziel der Schrift besteht darin, eine einfache Definition des Raumes zu geben, welcher unabhängig von allen in ihm enthaltenen Substanzen ist. Eine Korrelation zwischen Raum und Zeit wird in diesem Text nicht angedeutet: Selbst das Wort »Zeit« ist hier nicht enthalten.35 Ganz im Gegenteil dazu zerfällt die SECTIO III (De principiis formae mundi sensibilis) der Dissertatio von 1770 (d. h. zwei Jahre später) in zwei auch inhaltlich eng korrelierende Paragraphen: § 14 De tempore und § 15 De spatio.36 Unzählig sind die Werke sowohl aus der newtonschen als auch aus der leibnizschen Tradition, in denen Raum und Zeit als eng korreliert betrachtet werden.37 Nichtsdestotrotz ist Feders Logik und Metaphysik von 1769 das erste Werk innerhalb einer deutschsprachigen Metaphysik, in dem Raum und Zeit nicht nur inhaltlich nahezu parallel betrachtet werden, als könnte und sollte man sie exakt mit denselben Sätzen beschreiben, sondern auch ostentativ als zwei Teile eines einzelnen, selbständigen Kapitels vorkommen: »Metaphysik, Erstes Hauptstück, Zweiter Abschnitt, Abtheilung II. Von der Verbindung der Dinge nach Zeit und Raum, § 25 Vorerinnerung, § 26 Über die Begriffe des Raumes und des Ortes, § 27 Über den Begriff der Zeit, § 28 Erinnerung wegen einiger Lehren von Zeit und Raum.«38 In der Dissertatio von 1770 scheint Kant, wenn auch mit ganz anderen Zwecken, diesen architektonischen und systematischen Mustern eines einzelnen, symmetrisch zweigeteilten Kapitels über Zeit und Raum gefolgt zu sein.
35 Vgl. AA II, S. 375–383. 36 AA II, S. 398–406. 37 Die zwei Begriffe wurden zum Beispiel schon in den zwei klassischen systematischen Werken der Philosophie des 18. Jahrhunderts eng assoziiert, und zwar in § 95 (über die Ähnlichkeit zwischen Zeit und Raum) von Christian Wolffs Vernünfftigen Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, Auch allen Dingen überhaupt (Halle 1720) und in Christian August Crusius’ Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten (Leipzig 1745), dessen § 48 lautet: »Der Raum und die Zeit sind die beyden Hauptbegriffe in dem Begriffe der Existenz. Die beyden Hauptaxiomata von der Existenz.« 38 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 359–366.
Giuseppe Motta
Element IV Das vierte Element betrifft die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Urteilen einerseits und zwischen Urteilen a posteriori und Urteilen a priori andererseits. In Feders erster Auflage der Logik und Metaphysik von 1769 finden wir keinen Hinweis in diesem Sinne. In § 53 (Hauptstück II, Abschnitt I) der zweiten Auflage der Logik und Metaphysik (von 1770) definiert Feder aber den Unterschied zwischen »analytischen« und »synthetischen« Beweisen einerseits und zwischen »a posteriori« und »a priori« Beweisen andererseits in einer Weise, die – sicherlich nicht als ursprünglich oder inspirierend, wohl aber – als nahe und als gleichsam parallel zu der kantischen, ganz fundamentalen Unterscheidung der zwei Formen von Urteilen betrachtet werden kann. Feder schreibt in zwei eng korrelierten, d. h. assoziierten und vom Rest der Argumentation deutlich abgehobenen Absätzen: Ein Beweis heißt a n a l y t i s c h , wenn man von dem zu erweisenden Satze anfängt, und mit allgemeinern, einfachern, Sätzen ihn endiget. Umgekehrte Ordnung giebt einen s y n t h e t i s c h e n Beweis. Erfahrung kann einen Beweis hergeben, so wie allgemeine Erkenntniß. Aus der Erfahrung heißt auch a posteriori, und aus allgemeinen Erkenntnissen a priori, beweisen.39
In § 54 der dritten Auflage der Logik und Metaphysik (von 1771) schreibt Feder ausführlicher und explizit über Beweise a priori (»aus den Begriffen«), die wohl synthetisch sein können. Also von synthetischen Beweisen a priori: Wenn die Wahrheit einem nicht einleuchtet: so ist ein B e w e i s nöthig. Es ist aber alsdenn entweder nur E n t w i c k e l u n g d e r B e g r i f f e nöthig, um mit Hülfe der dabey entstehenden allgemeinen, schon erkannten, oder leicht zu erkennenden, Wahrheiten die Richtigkeit des angegebenen Verhältnisses des Subjectes zum Prädicate offenbar zu machen; oder es gehöret eine besondere E r f a h r u n g dazu, eigene, oder von andern glaubwürdig bezeugte. Ein Beweis der ersten Art heißt daher ein B e w e i s a u s d e n B e g r i f f e n (A PRIORI); der von der andern Art aber, aus der E r f a h r u n g , der eigenen Empfindung oder dem Zeugnisse (A POSTERIORI). Wenn der Beweis aus den Begriffen in der Ordnung die Sätze vorträgt, wie sie aus der Entwicklung der Begriffe des zu erweisenden Satzes nach und nach entstehen bis man zu den Sätzen kommt, die das zu erweisende einleuchtend machen: so heißt er ein a n a l y t i s c h e r , bey umgekehrter Ordnung aber, ein s y n t h e t i s c h e r Beweis.40
Man beachte hierbei, dass die in allen Aspekten fundamentale (wenn auch inhaltlich etwas unterschiedliche) Frage nach der Möglichkeit von synthetischen Urteilen a priori bei Kant höchst wahrscheinlich erst in einigen Reflexionen zwischen 1771 und 1776 definiert wird. So führt Kant zum Beispiel in R. 4634 aus: 39 Feder: Logik und Metaphysik 1770 (s. Anm. 19), S. 213 (Logik, § 53: Von den Beweisen). 40 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. Dritte, vermehrte Auflage. Göttingen 1771, S. 126f. (Logik, § 54: Von den Beweisen).
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Wir haben […] urtheile a posteriori, welche synthetisch seyn, aber auch urtheile a priori, die doch synthetisch seyn und darum von keiner Erfahrung abgeleitet werden können, weil sie so wohl eine wahre allgemeinheit, mithin nothwendigkeit enthalten, als auch lauter Begriffe in sich fassen, welche aus der Erfahrung nicht haben geschopft werden können.41
Der Unterschied zwischen einem synthetischen/analytischen Beweis (wie bei Feder) und einem synthetischen/analytischen Urteil (wie bei Kant) ist zwar sehr relevant;42 beeindruckend bleibt jedoch die doppelte Korrelation, die Feder zwischen synthetischen-analytischen bzw. a priori-a posteriori-Beweisen definiert.
Element V Aus den skeptischen Annahmen, die ich hier oben in Element II in enger Verbindung mit Kants Antinomien-Lehre gebracht habe, ergibt sich nach Feder die Tatsache, dass wir »die Grundbeschaffenheit der Dinge«, »die einfachen Kräfte der Natur« und »die Grundkräfte« überhaupt nicht kennen.43 Wir begreifen zum Beispiel nicht, »wie eine Monade in die andere wirket«.44 Nichtsdestotrotz ist Feder davon überzeugt (das bezeugt der Titel des § 64 der Logik), dass »bei der sinnlichen Erkenntniß […] Wahrheit und Grund zur Wissenschaft« ist.45 Immer wieder behauptet Feder (und er entwickelt den Gedanken konsequenterweise), dass »die sinnliche Erkenntniß […] eine zuverläßige Erkenntniß seyn […] und Wissenschaft gründen [kann]«.46 Die ständig wiederholte und äußerst enge Korrelation zwischen einer grundsätzlichen Möglichkeit und einer genauso grundsätzlichen Unmöglichkeit der Erkenntnis der Gegenstände der Erfahrung führt bei Feder mit der Zeit zu der Koexistenz einer optimistischen und einer pessimistischen Einsicht bezüglich der Erkennbarkeit der Gegenstände der Erfahrung. Man kann nun m. E. diese gewollte, wohl aber sicherlich problematische Disharmonie der Einstellungen bei Feder im Sinne einer Vorandeutung der späteren (wenn auch viel komplexeren und viel
41 AA XVII, S. 617. Manfred Kuehn sieht in diesem fundamentalen Punkt der Entstehung der Frage nach den synthetischen Urteilen a priori eher einen direkten Einfluss von Thomas Reid: »Both, to speak generally, base their theories of empirical knowledge on a synthetic a priori element« (Kuehn: Scottisch Common Sense in Germany [s. Anm. 18], S. 175). 42 Dazu vor allem neulich von R. Lanier Anderson: The Poverty of Conceptual Truth. Kantʼs Analytic/Synthetic Distinction and the Limits of Metaphysics. Oxford 2015, S. 7. 43 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 388 (Metaphysische Körperlehre, § 40). 44 Ebd., S. 386 (Metaphysik, Monadologie, § 39). 45 Ebd., S. 220 (Logik, § 64). 46 Ebd., S. 221.
Giuseppe Motta schwierigeren) Trennung von erkennbaren Erscheinungen und nicht erkennbaren Dingen an sich bei Kant interpretieren.47
Element VI Auch in Bezug auf Kants Gestaltung der Tafel der Kategorien (und den Entsprechungen der vorhergehenden Urteile) in den 1770er Jahren kann man einige Konkordanzen zwischen Feders Logik und Metaphysik und der Kritik der reinen Vernunft feststellen. Reinhard Brandt beschreibt in diesem Sinne die »beachtliche Nähe« zwischen Feders Beschreibung der drei Stufen der induktiven Erkenntnisgewinnung und Kants Beschreibung der drei Stufen der Einverleibung einer Erkenntnis in den Verstand zum Zweck der Festlegung der drei Urteilsformen der Modalität. Diese werden in Kants »Analytik der Begriffe« als die drei Stufen der Aufnahme im Denken gekennzeichnet: Weil nun hier alles sich gradweise dem Verstande einverleibt, so daß man zuvor etwas problematisch urtheilt, darauf auch wohl es assertorisch als wahr annimmt, endlich als unzertrennlich mit dem Verstande verbunden, d. i. als nothwendig und apodiktisch, behauptet, so kann man diese drei Functionen der Modalität auch so viel Momente des Denkens überhaupt nennen.48
In der dritten Auflage der Logik und Metaphysik (von 1771) schreibt Feder Folgendes: Wenn unserer Seele eine Bemerkung zu widerholten malen aufstösset: so entsteht in uns das Bewusstseyn, daß sie nicht diesem einzelnen Falle anklebend, sondern gemeinschaftlich ist. Das gemeinschaftliche das mehrmalen vorkömmt, druckt sich ein, und bleibt, indem das Individuelle verschwindet. Je gewöhnlicher die Fälle sind, wo dieselbe Bemerkung vorkömmt, desto weniger wird sie in die Länge mit irgend einem einzelnen Falle verknüpft seyn. Und wenn denn kein Fall dagegen erscheint: so wird die Bemerkung mit dem dunkeln oder klaren und
47 Manfred Kuehn fasst Feders Einstellung in diesem Punkt mit den folgenden Worten zusammen: »After having established the reality of external objects […], Feder goes on to show that the qualities of objects are real in the same sense. It is quite clear to him that we cannot perceive things as they are in themselves, ›for we sense only a modification of ourselves, even though we usually say that we sense an object‹ [Logik und Metaphysik, zweite Auflage, 1770, S. 233]. But this only means that ›the true qualities of objects, which cause our sensations, are not revealed through sensation, and that through sensation we only know what an object is for our organs [of sensation]‹ [Logik und Metaphysik, zweite Auflage, 1770, S. 234]. Since appearance is the only possible reality for us, we must also be allowed to attribute those qualities which constantly recur to the objects themselves« (Kuehn: Scottish Common Sense in Germany (s. Anm. 18), S. 79f.). 48 KrV A 76/B 101.
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
deutlichen Bewustseyn der Allgemeinheit verknüpfet. Endlich kann sie dem Gedanken-System, dem ganzen Denken so einverleibt seyn, daß an ihren Ursprung gar nicht mehr gedacht wird.49
Man findet darüber hinaus in Feders Logik und Metaphysik Sätze, die als Vorandeutung der Funktion selbst der kantischen Kategorien gelten können: Der Hauptsatz des zureichenden Grundes – das behauptet zum Beispiel Feder in § 23 der Metaphysik – prägt ursprünglich den menschlichen Verstand: Dieser Satz heißt auch bisweilen der G r u n d s a t z v o n d e r R e g e l m ä ß i g k e i t d e r F o l g e n . In den ältesten Denkmaalen des menschlichen Verstandes findet sich derselbe (a); und die tägliche Erfahrung lehret, daß, so bald ein Mensch anfängt seine Vernunft zu gebrauchen, er zufolge dieses Grundsatzes urtheilet und frägt. Es muß daher dieser Grundsatz entweder dem menschlichen Verstande ursprünglich eingeprägt, oder eine leichte Folge seyn aus der Uebereinstimmung alles dessen, was die menschliche Erkenntniß gründet.50
Der »Grundsatz von der Regelmäßigkeit der Folgen« ist ein vernünftiger Grundsatz, den wir für als allgemein richtig halten müssen: Es ist also auch dieß ein vernünftiger Grundsatz, daß wir bey dem, was wir nicht für absolut nothwendig halten können, nach G r u n d und U r s a c h e fragen, woher und warum es geworden ist.51
Durch den gleichen Grundsatz (des Satzes vom Grunde) wollten schon Leibniz, Wolff und die sogenannten Schulphilosophen des 18. Jahrhunderts – vor allem Alexander Baumgarten – die Sachen in ihren Wesen, d. h. die Dinge, wie sie wirklich sind, begreifen.52 In seiner weder empirisch/skeptischen noch allgemein rationalistisch/positiven Auffassung des Grundsatzes ist Feder jedoch näher an der spä-
49 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 40), S. 86 (Logik, § 36. a). Brandt zitiert die vierte in diesem Punkt aber identische Auflage von 1774 (S. 88). Siehe dazu Reinhard Brandt: Die Urteilstafel. Kritik der reinen Vernunft A 67–76; B 92–101. Hamburg 1991, S. 83 Anm. 50 Feder: Logik und Metaphysik 1770 (s. Anm. 19), S. 375 (Metaphysik, § 23: Von der Caussalverbindung). Erst in der dritten Auflage der Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 40) findet sich die Fußnote (a): »S. z. B. Plato in Timeo Op. Edit. Ficini pag. 1076. Aristot. Phys. II. 4. Cicero fin. l, 6« (S. 299). 51 Feder: Logik und Metaphysik 1770 (s. Anm. 19), S. 377 (Metaphysik, § 23: Von der Caussalverbindung). 52 Auf den Begriff des Grundes stützt Baumgarten seine gesamte Ontologie und Metaphysik. Der »Grund« (ratio) wird in der zweiten Sektion der Metaphysica (über das connexum) als dasjenige definiert, woraus man erkennt, warum etwas ist. Durch die Bestimmung des Grundes werden vor allem die Sachen in ihrem Wesen, d. h. die Dinge, wie sie wirklich sind, begriffen. Der »Zusammenhang« (nexus) ist hier die Verbindung, vermöge deren etwas als Grund bzw. als begründet erkannt wird (siehe: Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. Vierte Auflage, Halle, 1757 (EA 1739). Auch in: AA XV und XVII. Siebte Auflage, Halle 1779. ND Hildesheim 1982).
Giuseppe Motta teren, nämlich transzendentalen Auffassung Kants als an den klassisch ontologischen Definitionen der Schulphilosophie.53 Betrachtet man schließlich die ganz spezifische Gestaltung der kantischen Kategorientafel, dann können weitere Sätze und Definitionen in Feders Logik und Metaphysik gezeigt werden, die für Kant möglicherweise hilfreich gewesen sind. Man beachte beispielsweise, dass Feder sehr deutlich den (wohl klassischen) Unterschied zwischen »absoluten« und »nicht-absoluten«, d. h. »kategorischen« und »syn-kategorischen«, schließlich also »nicht-modalen« und »modalen« Sätzen betont: K a t e g o r i s c h heisset ein Satz, wenn darinne absolut, gerade zu, schlechthin, etwas bejahet oder verneinet wird. Synkategorisch aber, wenn solches mit einer gewissen Einschränkung oder genauern Bestimmung geschieht […] Es gehören insbesondere […] dazu diejenigen Sätze, in welchen zugleich auch mit angezeigt wird, ob das Prädikat dem Subjecte nothwendig oder zufälliger Weise zukomme, oder entgegen sey.54
Auch die Trennung zwischen Urteilen der Qualität und Urteilen der Quantität, die Kant relativ spät, um die Mitte der 1770er Jahre, in seinen Reflexionen über die Gliederung der Kategorien thematisiert, wird von Feder aus einer strikt logischen Perspektive in § 35 seiner Vernunftlehre klar dargestellt.55
Element VII Ein letztes, etwas verstecktes, m. E. aber sehr interessantes Element dieser Auflistung von möglichen Parallelen zwischen Feder und Kant betrifft den Punkt, den Kant in § 16 der B-Deduktion der Kategorien als »de[n] höchste[n] Punkt« der ganzen transzendentalen Philosophie bezeichnet: die synthetische Einheit des Selbstbewusstseins.56 Im zweiten Abschnitt des ersten Hauptstücks der Logik, nach der zweiten Auflage der Logik und Metaphysik (1770), definiert Feder das »Selbstgefühl« als »die unmittelbare Gewahrnehmung seiner Existenz, das ist der in seiner P e r s o n (seinem I c h , S e l b s t ) beysammen sich findenden Beschaffenheiten (coexistierenden Modificationen)«. Er fügt Folgendes hinzu:
53 Über Ähnlichkeiten und Unterschiede in diesem Punkt zwischen Feder und der Philosophie des Common Sense siehe die ausführlichen Betrachtungen Kuehns (Scottish Common Sense in Germany [s. Anm. 18], S. 81–85). 54 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 158f. (Logik, § 35: Kurze Anzeige der vornehmsten Arten von Urtheilen und Sätzen). 55 Ebd., S. 156f. 56 KrV B 134.
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Vermöge dieses Selbstgefühls liegt in jedweder Empfindung oder Vorstellung, die wir bekommen, zugleich das Bewußtseyn, daß w i r diese Empfindung oder Vorstellung haben. Aus demselben entsteht der durch die Absonderung deutlich gewordene Gedanke von unserer Person (unserm Ich).57
Wir wissen nunmehr, in welch extrem komplizierten und schwierigen Kontext Kant die Einheit des Selbstbewusstseins innerhalb der Kritik der reinen Vernunft thematisiert. Man beachte diesbezüglich Folgendes: In der ersten Auflage des Werkes definiert er das »Objekt« als das, dessen »Begriff eine […] Notwendigkeit der Synthesis ausdrückt«.58 Aller Notwendigkeit, die somit die Objektivität selbst definiert, liegt demnach »eine transzendentale Bedingung zum Grunde«,59 welche schließlich nichts anderes als die Einheit des Bewusstseins sei. Thematisiert wird somit in der Deduktion die transzendentale Bedingung aller Notwendigkeit und somit der Objektivität überhaupt. Im ersten Abschnitt der Ontologie nach der dritten Auflage von 1771 definiert Feder das Notwendige ganz klassisch, als das, »wovon das Gegenteil unmöglich ist«. Er fügt aber kurz danach hinzu: Auch scheint es dienlich den U r s p r u n g unserer Begriffe von Nothwendigkeit zu untersuchen; damit daraus erhelle, wo wir ihn mit Grunde, und nach der genauen Bestimmung, die man ihm im allgemeinen giebt, anwenden können.60
Oder nach der vierten Auflage von 1774: Je wichtiger der Begriff von Nothwendigkeit ist: desto mehr ist daran gelegen, daß wir die Gründe desselben in den Quellen unserer Erkenntniß untersuchen; da zumal die Erfahrung lehret, welche skeptische Verwirrung diese Untersuchung wenn sie unvollständig bleibt, verursachen kann.61
Für Feder wie später für Kant müssen wir eine (wenn auch nicht transzendentale) Bedingung der Notwendigkeit im Subjekt bestimmen. Darüber schreibt er in gleichen Worten in der dritten und in der vierten Auflage:
57 Feder: Logik und Metaphysik 1770 (s. Anm. 19), S. 127 (Logik, § 9: Von der Empfindung und den Sinnen). In der ersten Auflage von 1769 findet man nur eine Definition des inneren Sinnes: »Der i n n e r e S i n n besteht in denjenigen Fähigkeiten der Seele, wodurch sie sich selbst, und dasjenige was in ihr vorgeht, die Verhältnisse ihrer Vorstellungen, empfindet« (S. 116). 58 KrV A 106. 59 Ebd. 60 Feder: Logik und Metaphysik 1771 (s. Anm. 40), S. 257 (Metaphysik, Ontologie, § 7: Nothwendig, zufällig, veränderlich, unveränderlich). 61 Feder: Logik und Metaphysik 1774 (s. Anm. 27), S. 260f. (Metaphysik, Ontologie, § 9: Nothwendig, zufällig, veränderlich, unveränderlich).
Giuseppe Motta Allernächst haben wir denselben [den Begriff der Notwendigkeit] nun von den Empfindungen des Selbstgefühls. Wir empfinden gar oft, daß es uns unmöglich ist etwas zu empfinden oder nicht zu empfinden, etwas zu denken, zu glauben, zu wollen oder zu verrichten.62
Interessanterweise überträgt Feder anschließend die im Selbstgefühl erörterte Notwendigkeit auch auf die Definition der Relation der Sache. Abgesehen von der deutlich empiristischen – und daher nicht transzendentalen – Prägung seines Arguments, wird somit der synthetische Charakter der Definition der Notwendigkeit im Selbstgefühl thematisiert: Was die Dinge, ausser uns und ihre Verknüpfung anbelangt: so lehret uns unsere Empfindung zwar nur, was da ist, und nicht, was da nicht sein könne. Aber die Übereinstimmung unserer Empfindungen und Erfahrungen, die unsere Begriffe und Grundsätze erzeuget, kann verursachen, daß wir uns gewisse Verhältnisse, gewisse Verknüpfungen der Dinge, Eigenschaften und Umstände nicht anders als nothwendig vorstellen können, weil nicht die geringste Veranlassung da ist, das Gegentheil von dem, was wir beständig bemerket haben, für möglich zu halten. Das Beständige, wird also unter diesen Umständen in unserer Erkenntniß zum Nothwendigen.63
Wir finden hier also zwar keine Definition oder Vorbestimmung der synthetischen Einheit der Apperzeption; wohl aber eine Reihe von Elementen, die zu einer solchen Definition in ihrer ganz spezifischen Artikulation und Funktion führen können.
Schluss Die Parallelen zwischen Feder und Kant, die ich hier unter sieben Titeln zusammengefasst habe, können angenommen, vertieft, aber auch in Frage gestellt werden. Dieselben Parallelen könnten andererseits auch durch die Auflistung von weiteren mehr oder weniger wichtigen (bisweilen auch skurrilen) Affinitäten ergänzt werden. So teilt Feder zum Beispiel in § 61 der Logik die Idealisten in »diejenigen, welche überhaupt leugnen, daß die Dinge [...] wirklich vorhanden, o d e r doch daran zweifeln, o d e r wenigstens glauben, daß man wohl daran zweifeln könne«, ein.64 Das erinnert unmittelbar an die ähnliche Anordnung von Kant in der Widerlegung des Idealismus.65 Auch Feders Beschreibung der Vernunft als einen »Seefahrer, der den
62 Ebd. dritte Ausgabe 1771 (s. Anm. 40), S. 257; vierte Ausgabe 1774 (s. Anm. 27), S. 261. Über Feders »justification of common sense« siehe Kuehn: Scottish Common Sense in Germany (s. Anm. 18), S. 84. 63 Ebd., dritte Ausgabe 1771 (s. Anm. 40), S. 257f.; vierte Ausgabe 1774 (s. Anm. 27), S. 261. 64 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 215 (Logik, § 61). 65 KrV B 274f.
Elemente des Kritizismus in Feders Logik und Metaphysik
Ocean durchkreuzet«, während »das Gefühl sich immer nahe an das Ufer hält«,66 kann dem Kant-Leser nicht besonders fremd klingen. Im § 42 der Metaphysik Feders findet man eine Beschreibung des zufälligen Charakters unseres Empfindungsvermögens unter anderem auf dem Beispiel gegründet, dass das, was uns rot scheint, uns auch schwarz scheinen könnte,67 was an Kants berühmte Beschreibung der schwankenden Merkmale des Zinnobers (rot-schwarz) in der A-Deduktion erinnert.68 Ich denke nun – ganz unabhängig von diesen und weiteren Makro- oder MikroKonkordanzen –, dass die Logik und Metaphysik von Feder zu den Hauptquellen in der Entstehungsphase der Kritik der reinen Vernunft gehört und als solche auch stets hätte behandelt werden sollen. Ich bin in dieser Hinsicht der Meinung, dass dies vor allem deswegen nie geschehen ist, weil man das Verhältnis der beiden Philosophen fast ausschließlich auf die – ebenfalls sehr interessanten – Streitigkeiten der 1780er Jahre reduziert hat. Diese Polemik hat ihren langen Schatten bis in die frühen 1770er Jahre zurückgeworfen. Aber natürlich auch das extrem geringe Interesse der KantInterpreten und der Historiker des 18. Jahrhunderts an Feders Philosophie im Allgemeinen, Feders empörte Äußerungen gegen die Kritik der reinen Vernunft69 und die allgemeine (gar nicht falsche) Annahme, dass Feders Empirismus und Kants Apriorismus im Grunde nicht kompatibel sind, haben zu dieser, in mehreren Hinsichten erstaunlichen Verdrängung der Logik und Metaphysik als einer wichtigen Quelle der Kritik der reinen Vernunft beigetragen.
66 Feder: Logik und Metaphysik 1769 (s. Anm. 8), S. 232 (Logik, § 69). 67 Ebd., S. 392 (Metaphysik, § 42). 68 KrV A 100. 69 Siehe dazu erneut den Beitrag von Andree Hahmann in diesem Band.
Kiichiro Fukuda
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant Die erste Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft wurde im Jahr 1781 bei Johann Friedrich Hartknoch veröffentlicht. Der Inhalt dieses 856 Seiten starken Buchs erforderte so große Anstrengungen, dass die erste bemerkenswerte Rezension erst 1782 in Göttingen erschien. Der Autor dieser anonymen Rezension war Christian Garve. Dieser damals außerordentlich bekannte Popularphilosoph teilte Kant 1783 in einem Brief mit, dass er die Rezension geschrieben habe, diese jedoch vom Herausgeber der Göttingischen Anzeigen für gelehrte Sachen größtenteils bearbeitet wurde. Eine wichtige Botschaft der Rezension war die, dass die kantische Philosophie nichts anderes als Idealismus sei. Er ist nach der Rezension ein »Idealismus, der Geist und Materie auf gleiche Weise umfaßt, die Welt und uns selbst in Vorstellungen verwandelt«. »Alle unsere Erkenntnisse entspringen aus gewissen Modifikationen unserer selbst, die wir Empfindungen nennen.«1 Unter diesem Idealismus versteht Kant eine Lehre, die die ganze Sinnenwelt zum bloßen Scheine macht.2 Kant kritisiert in den Prolegomena die Rezension sehr scharf und versucht, das Missverständnis der damaligen Philosophen aufzulösen. Es ist allgemein bekannt, dass der Abschnitt von der »Widerlegung des Idealismus« zur »Analytik der Grundsätze« in der zweiten Ausgabe der KrV (1787) hinzugefügt wurde. Die Vorrede und die Einleitung wurden auch in der zweiten Ausgabe der KrV umgeschrieben: Durch diese [Kritik] kann nun allein dem Materialism, Fatalism, Atheism, dem freigeisterischen Unglauben, der Schwärmerei und Aberglauben, die allgemein schädlich werden können, zuletzt auch dem Idealismus und Skeptizismus, die mehr den Schulen gefährlich sind, und schwerlich ins Publikum übergehen können, selbst die Wurzel abgeschnitten werden.3
Diese aus der zweiten Vorrede gezogene Stelle ist von wesentlicher Bedeutung für meinen Aufsatz. Der Materialismus, der Fatalismus, der Atheismus, der Unglaube, die Schwärmerei und der Aberglaube sind typische Kampfbegriffe der deutschen
1 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Hg. von Karl Vorländer. Hamburg 1976, S. 167. 2 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff. Im Folgenden AA Band, Seitenzahl), hier AA VI, S. 292. Die Angabe von Stellen aus der Kritik der reinen Vernunft folgt dabei der Paginierung der Originalausgaben der ersten (A) und zweiten Auflage (B). 3 KrV, B XXXIV.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-007
Kiichiro Fukuda Aufklärung.4 Der Idealismus und der Skeptizismus sind jedoch genau die Begriffe, die die Philosophen der schottischen Aufklärung intensiv diskutierten. Die 1758 von Thomas Reid und anderen begründete Philosophical Society (Aberdeen) machte sich David Hume zum Gegner und tadelte sein System und seinen Skeptizismus mit großem Nachdruck. Es ist bemerkenswert, dass Kant nach der Veröffentlichung der ersten Ausgabe der KrV von einigen Philosophen in Göttingen »Skeptiker« genannt wurde. Der Skeptizismus ist nach Kant in der Geschichte der Metaphysik die Vorstufe der kritischen Philosophie. Dieser ist für den Auftritt der kritischen Philosophie unentbehrlich. Die kritische Philosophie setzt eine Einstellung ihrer Beziehung zum Skeptizismus überhaupt voraus. Die Bedeutung dieser Vorstufe wurde auch häufig in Kants Vorlesungen über die Metaphysik diskutiert. Trotzdem wurde er z. B. von Johann Georg Heinrich Feder als ein ebensolcher Skeptiker wie Hume gebrandmarkt. In den folgenden Erörterungen sollen Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant und die 1788 in der Kritik der praktischen Vernunft gezeigte Verteidigung gegen diesen Vorwurf dargestellt werden.
Richard Popkin schreibt: »Scepticism was a most important philosophical view at the beginning of the eighteenth century. […] The major philosophers from Descartes to Locke and Leibniz had struggled to provide answers to the skeptical challenges.«5 Kant bezeichnet im »Kurzen Abriß einer Geschichte der Philosophie« Pyrrho als »ersten großen Zweifler«.6 Dieser Philosoph der Antike wird von ihm fast immer im Kontrast zu den Dogmatikern erwähnt. Aber im 18. Jahrhundert wurde ›dogmatisch‹, ›Dogma‹ von den Schulphilosophen ohne Beziehung zu den Skeptikern gebraucht, und zwar in einem ganz positiven Sinn.7 Der Dogmatismus hat bei Kant zwei verschiedene Bedeutungen. Man findet dessen positive Bedeutung, wenn eine dogmatische Erkenntnis aus sicheren Prinzipien a priori besteht. Der Dogmatismus dagegen hat eine negative Bedeutung, wenn er mit der Beziehung zum Skeptizismus verwendet wird. Dieser zweite Dogmatismus ist die »Anmaßung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen (der philosophischen), nach Prinzipien, so wie sie die Ver-
4 Diese Begriffe außer »Unglaube« werden als Stichworte im Lexikon der Aufklärung. Deutschland und Europa. Hg. von Werner Schneiders. München 1995 erläutert. Es versteht sich doch von selbst, dass auch der Unglaube zum Interessengebiet der deutschen Aufklärung gehört. 5 Richard Popkin: Scepticism. In: The Cambridge History of Eighteenth-Century Philosophy. Ed. by Knud Haakonssen. Cambridge 2006, S. 426. 6 Immanuel Kant: Logik. In: AA IX, S. 30. 7 Giorgio Tonelli: Kant und die antiken Skeptiker. In: Heinz Heimsoeth, Dieter Henrich u. Giorgio Tonelli (Hg.): Studien zu Kants philosophischer Entwicklung. Hildesheim 1967, S. 93–123.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
nunft längst im Gebrauch hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen.«8 Diesem Dogmatismus fehlt die Kritik der Vernunft, d. h. die kritische Prüfung des Erkenntnisvermögens. Es ist erforderlich, Kants letzte Theorie über die Rolle des Skeptizismus in der Metaphysik zu beobachten. Die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin stellte 1791 eine Preisfrage an die Öffentlichkeit. Sie lautete: »Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolff’s Zeiten in Deutschland gemacht hat?« Der Aufsatz Kants wurde nach dessen Tod von Friedrich Theodor Rink 1804 aus den Handschriften herausgegeben. Kant stellt hier den Skeptizismus als das zweite Stadium der Metaphysik dar. Seine Beurteilung der philosophischen Rolle des Skeptizismus änderte sich nicht bis zu seinem letzten Gedankengang. Es ist bemerkenswert, dass Kant in seiner Einstellung zu dem in der Geschichte der Logik und Metaphysik behandelten Skeptizismus niemals Hume nennt. Was er im Kopf hat, sind die antiken Skeptiker wie diejenigen der Akademischen Schule und Pyrrho. Man muss deshalb diesen Skeptizismus von dem in der Kritik der reinen Vernunft erwähnten Skeptizismus nach Hume unterscheiden. Außerdem wird Hume nicht negativ beurteilt; er sei vielmehr »der geistreichste unter allen Skeptikern, und ohne Widerrede der vorzüglichste in Ansehung des Einflusses […], den das skeptische Verfahren auf die Erweckung einer gründlichen Vernunftprüfung haben kann«.9 Kant bezeichnet in seiner vorkritischen Zeit »zetetisch« als »forschend«.10 Das Lehnwort ›zetetisch‹ leitet sich von dem altgriechischen Verb ›ζητεῖν‹, das in Englisch ›to seek‹, ›to inquire for‹, ›to search after‹, ›to investigate‹ usw. bedeutet.11 Kant stellt es dem Adjektiv ›dogmatisch‹ gegenüber. Er legt den Begriff der Skepsis als Gegensatz zum Dogmatismus im negativen Sinn fest. Danach wird die im Allgemeinen bekannte Einstufung von Dogmatismus, Skeptizismus und Kritik gestaltet. Zieht man diesen Gedankengang Kants in Betracht, gehört die Kritik gar nicht zum Stadium des Skeptizismus, aber sie trägt in sich die skeptische Methode. Diese Methode wird erneut in der »transzendentalen Dialektik« (Logik des Scheins) der KrV entwickelt. Die Reflexion zur Metaphysik lautet: »Genetischer Theil: Sinnlichkeit und Vernunft. Zetetischer: a. Analysis, Principium Contradictionis. b. Synthesis. c. Antithesis. Sceptischer Theil«.12 8 KrV, B XXXV. 9 KrV, A 764/B 792 10 M. Immanuel Kants Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre von 1765–1766. In: AA II, S. 307. 11 Vgl. A Greek-English Lexicon. Compiled by Henry George Liddell and Robert Scott. Oxford 1968, S. 344. 12 Immanuel Kant: Reflexionen. In: AA XVII, S. 560; vgl. auch Reflexion zur Metaphysik: »Aber [durch] dergleichen Antinomie [wird ein] dient doch zu einer Sceptischen Methode, die richtigkeit
Kiichiro Fukuda In der Tat wird der Skeptizismus in der ersten Ausgabe der KrV nicht ganz abgelehnt. In dieser Hinsicht kann man die folgenden Zitate verstehen. »Der Natürliche Hang des Menschen in ansehung der Erkenntnisse ist zum Dogmatism. […] Skepticism ist ein gewählter Grundsatz, dem Dogmatismus Abbruch zu thun. […] Die Neigung hiezu ist nicht natürlich, sondern gekünstelt und kan nur aus dem Misfallen an der Usurpation des Dogmatismus entspringen.«13 Hieraus kann man auch den positiven Sinn des Skeptizismus ersehen. Den bedeutendsten Sinn des Skeptizismus lernt Kant durch Hume kennen. Jenes berühmte freie Geständnis von Kant erfahren wir in den Prolegomena. Die Erinnerung durch Hume unterbrach Kants dogmatischen Schlummer und gab ihm eine ganz neue Richtung im Feld der spekulativen Philosophie. Kant ist letztlich kein Skeptiker und kritisiert Humes These, dass die Kausalität nur eine subjektive Notwendigkeit (bloße Gewohnheit) ist. Hume verneint die strenge Möglichkeit der Kausalität, während Kant die Kausalität für ein synthetisches Urteil a priori hält. Aber Kant schätzt fast immer konsequent Humes skeptische Philosophie als bedeutsam ein. Seine hohe Schätzung ist vor allem in den Prolegomena auffällig. Hume wird nur sieben Mal in der KrV, aber in den Prolegomena nicht weniger als 18 Mal genannt. In ersterer ist die empirische Gültigkeit der Kausalität eines der wichtigen Ziele der Kritik; in letzterer findet man des Öfteren den Vorwurf gegen die Common Sense School, die Humes Skeptizismus verdammte. Wir haben den Eindruck, dass Kant im Wesentlichen Vorwürfe gegen Hume abwehrt.
Der Skeptizismus war eigentlich eine Herausforderung für die schottische Aufklärung im 18. Jahrhundert. Hume hält an dem Standpunkt des Skeptizismus fest. Aber er ist nicht »one of those sceptics, who hold that all is uncertain, and that our judgement is not in any thing possest of any measures of truth and falsehood«.14 Er sagt nur, »that all our reasonings concerning causes and effects are deriv’d from nothing but custom; and that belief is more properly an act of the sensitive, than of the cogitative part of our natures«.15 Sein Skeptizismus ist deshalb nicht ein »total scepticism«, sondern vielmehr ein »moderate scepticism«.
unserer Begriffe und voraussetzungen zu prüfen. Man zeigt die Hindernisse und [Sch] Wiedersprüche von beyden seiten und wird dadurch abgehalten, auf einer oder andern dogmatisch zu urtheilen, also blos sein Urtheil zu critisiren angetrieben« (ebd. AA XVIII, S. 277). 13 Ebd., S. 294. 14 David Hume: A Treatise of Human Nature. Second Edition. Ed. by Peter H. Nidditch. Oxford, 1978, S. 183. 15 Ebd.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
Thomas Reid lehnt mit seiner eigenen Auslegung den Skeptizismus Humes als unberechtigt ab. Humes Untersuchungen über die ersten Prinzipien der menschlichen Natur würden nach Reid den Menschen »into this abyss of scepticism« stürzen.16 Nach Reids Auffassung von der Philosophiegeschichte beginnt der moderne Skeptizismus mit Descartes; Malebranche und Locke entwickeln diese Richtung weiter; Berkeley versucht, die Welt der Geister zu retten, um den Skeptizismus zu vermeiden, und verzichtet auf die materielle Welt; Hume ertränkt letztlich auch die Welt der Geister »in one universal deluge«.17 James Beattie folgt dieser von Reid ausgebildeten Auffassung von der Philosophiegeschichte. Sein Essay on the Nature and Immutabilitys of Truth (1770) machte damals in England Furore und war ein Bestseller. Die erste deutsche Rezension erschien schon 1771 in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen. Sie wurde verfasst von Feder, genannt der »German Locke«. Beattie führte in die europäische Philosophie kein originales Prinzip ein, fand aber nicht nur in England, sondern auch in Deutschland viel Anerkennung. Mit dem Erfolg seiner Schrift bekam er vom Kingʼs College und der Oxford University den Doktortitel ehrenhalber.18 Während Reid hauptsächlich versuchte, das »Ideale System« von Hume zu widerlegen, attackiert Beattie in erster Linie dessen Skeptizismus und Klügelei, wie der Titel seiner Schrift zeigt. Descartesʾ Philosophie wird als die Grundlegung des Skeptizismus angesehen, obwohl Descartes nach Beattie kein Skeptiker im Bereich der Moralphilosophie war. Beattie hält ihn zugleich für einen Sophisten. Descartesʾ Ableitung der Existenz des Ichs, Gottes und der materiellen Welt besteht nach Beattie nur aus Zweideutigkeiten des Ausdrucks. Beattie nennt ihn »A verbal disputant!«.19 Der Beweis des ersten philosophischen Prinzips bei Descartes gründet sich auf die Voraussetzung, »that the thing to be proved is true«.20 Nach Beattie brauche man die Existenz des Ich und die Existenz der Außenwelt nicht zu beweisen. Sie seien ganz evident und selbst klar im »Common Sense«. Descartes und die anderen Metaphysiker würden aber ihre Begabung den ›wahnsinnigen Argumenten‹ widmen, um diese Existenzen unnötigerweise zu beweisen. Hume setze außerdem die Außenwelt sowie den Geist aus. Eindrücke und Ideen seien für ihn gegeben. Sein Skeptizismus sei aus Sicht der Schule des Common Sense gründlicher als Descartesʾ Skeptizismus; erst Hume entfalte die echte Konsequenz der cartesianischen Philosophie. 16 Thomas Reid: An Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense. Ed. by Derek R. Brookes. Edinburgh 1997, S. 23. 17 Ebd. 18 James Beattie: Selected Philosophical Writings. Ed. and introduced by James A. Harris. Exeter 2004, S. 1–3. 19 James Beattie: An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism. With a new introduction by Roger J. Robinson. Bristol 1996, S. 2. 20 Ebd., S. 236.
Kiichiro Fukuda Reid versucht intensiv, das »Ideale System« in den Untersuchungen zur Natur des Menschen zu widerlegen, weil dessen Konsequenz der Aussage des Common Sense eindeutig widerspricht. Dieses System ist für ihn ein ›metaphysischer Wahnsinn‹. Gemäß dem Common Sense sind wir z. B. davon überzeugt, dass der Duft der Rose eine tatsächliche Eigenschaft ist.21 Reid hält dabei das Ideale System für einen ›dummen Lehrsatz‹, nach dem das Aroma selbst gar keine Eigenschaft der Rose sei. Reid denkt auch, die Existenz der Außenwelt sei verschieden von der Wahrnehmung der Außenwelt. Er behauptet zugleich, dass die Tätigkeit der menschlichen Seele nicht unabhängig von dieser Außenwelt sei. Unsere Wahrnehmung von der Außenwelt enthalte bereits den Begriff des Gegenstandes und die Überzeugung seiner Existenz. Die Existenz der Außenwelt sei nicht etwas, was mittels der Vernunft geschlossen wird. Beattiesʾ Schwerpunkt liegt nun nicht in der Widerlegung des Idealen Systems, vielmehr in der Vernichtung des Skeptizismus. Irrtümer in der metaphysischen Theorie über die menschliche Natur sind »in some measure harmless«.22 Die metaphysische ideale Doktrin können die Menschen mithilfe des Common Sense vermeiden, und zwar, wenn die natürlichen Instinkte der Menschen stark und aktiv sind. Im Vergleich dazu ist der Skeptizismus nach Beattie die schädlichste Denkweise für den Menschen. »Every doctrine is dangerous that tends to discredit the evidence of our senses, external or internal, and to subvert the original instinctive principles of human belief.«23 Die Lehre des Skeptizismus beeinflusse die Begriffe von Gott und der Religion und führe zum Atheismus. Beattie nennt das Zeitalter »the age of avowed and dogmatical atheism«, obwohl es auch »the age of reason and philosophy« genannt wird.24 Der Skeptizismus ist nach Beattie nicht nur im Feld der Spekulation gefährlich, sondern beeinflusst auch die wichtigsten Wahrheiten der Ausübung sowie die Grundsätze der Moralität und der Religion.25 Genau deshalb sei er besonders gefährlich für die Schulen und das Publikum zugleich. Er sei »the enemies and plagues of mankind«.26 George Berkeley ist ein anderer bedeutender Antiskeptiker Englands. Das Ziel seiner Schrift Dialogues ist »to demonstrate the reality and perfection of human knowledge, the incorporeal nature of the soul, and the immediate providence of a Deity: In opposition to sceptics and atheists«.27 Diese Worte finden sich auf dem Titelblatt. Sein Hauptwerk Treatise hat ein ähnliches Ziel. Er untersucht in dieser 21 Reid: Inquiry (s. Anm. 13), S. 38–40. 22 Beattie: Essay (s. Anm. 19), S. 518. 23 Ebd., S. 523. 24 Ebd., S. 524. 25 Ebd., S. 6. 26 Ebd., S. 525. 27 George Berkeley: Three Dialogues between Hylas and Philonous. In: ders.: Philosophical Writings. Ed. by Desmond M. Clerke. Cambridge 2008, S. 151.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
Schrift die Gründe des Skeptizismus, des Atheismus und des Unglaubens. Aber sein Antiskeptizismus wird seltsamerweise selten thematisiert, obwohl bis jetzt tausende Aufsätze über sein Prinzip des esse est percipi verfasst worden sind; esse est percipi ist als philosophisches Thema ungleich interessanter. Nach dieser These gibt es überall nichts als Geister und Ideen, und unter diesen Ideen gebe es keine abstrakten. Nach dem von Berkeley heftig kritisierten Materialismus sei die »wahre«, außerhalb des Geistes existierende Materie gerade das, was vom Geist gar nicht wahrgenommen wird. Die Voraussetzung dieser unerkennbaren Materie sei nichts anderes als die Wurzel des Skeptizismus. Denn die sogenannte Materie oder die Körperwelt könne nicht so erkannt werden, wie sie außerhalb des Geistes existiert. Die Körperwelt, die wir sehen, hören und tasten, sei nach diesem Materialismus nur Phantom oder Chimäre. Wir seien niemals überzeugt, dass unsere Wahrnehmung der Körperwelt entspricht. Die von uns wahrgenommenen Ideen existieren nach Berkeley unabhängig von unserem Geist. Denn wir sind nicht Urheber derselben und noch nicht in der Lage, sie willkürlich zu bestimmen. Wir nehmen direkt solche Ideen wahr, und diese Ideen müssen von einem anderen Geist beherrscht werden. Daraus können wir auf die Existenz dieses Geistes, d. h. Gott, schließen. Berkeleys Idealismus des esse est percipi strebt nach der Beendigung des Skeptizismus und des Atheismus. Darüber hinaus strebt er nach der Vereinbarung mit dem Common Sense. Das Gespräch zwischen Hylas und Philonous endet mit der Aussage der Vereinbarung mit dem gemeinen Menschenverstand: You see, Hylas, the water of yonder fountain, how it is forced upwards, in a round column, to a certain height; at which it breaks and falls back into the basin from whence it rose, its ascent as well as descent, proceeding from the same uniform law or principle of gravitation. Just so, the same principles which at first view lead to scepticism, pursued to a certain point, bring men back to common sense.28
Berkeley ersetzt nicht die Materie durch die Ideen, sondern die Ideen durch die Materie. Der direkt von uns wahrgenommene Gegenstand ist für den Skeptiker nur ein Schein des Gegenstandes, aber Berkeley hält ihn für den Gegenstand selbst. Für Beattie ist die Außenwelt oder Körperwelt die sich selbst evidente und unzweifelhafte Existenz. Der Zweifel an derselben führt zum allgemeinen Skeptizismus. Für Berkeley ist der Begriff der Außenwelt etwas Widersprüchliches. Das Dasein des wahrnehmbaren Gegenstandes befindet sich für die Materialisten in dem Dasein des unabhängigen und unerkennbaren Gegenstandes in der Außenwelt. Hier entsteht auch der Skeptizismus. Für Beattie und Berkeley ist der Skeptizismus nicht
28 Ebd., S. 242.
Kiichiro Fukuda nur der Weg zum Atheismus, sondern er widerspricht auch dem gesunden Menschenverstand.29
Es ist nicht nur bei Kant-Forschern heutzutage allgemein bekannt, dass die schottische Philosophie des gesunden Menschenverstandes bei den deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts in hohem Maße Anerkennung fand.30 In diesem Zusammenhang möchte ich Feder und seinen »nachherigen Kollegen« an der Universität Göttingen, Christoph Meiners, aufgreifen. Beide verdächtigten Kant des Idealismus und Skeptizismus oder des skeptischen Idealismus. Der Begriff des Skeptizismus war damals im deutschen Ideengut und – wie auch bei Beattie und Berkeley – mit dem Atheismus verbunden. Das war ein Resultat des Einflusses der schottischen auf die deutsche Aufklärung. Die Georgia Augusta wurde 1734 von George II. August gegründet. Dieser, König von Großbritannien und Irland, war zugleich deutscher Kurfürst von BraunschweigLüneburg (Hannover). Die Universität blieb vor diesem Hintergrund im 18. Jahrhundert in enger Verbindung mit Großbritannien. Manfred Kuehn stellt ihre angelsächsische Einstellung als »the greatest importance in the transmission of British thought to Germany« dar.31 Diese Universität war außerdem ein Zentrum der Kontroverse mit Kants Philosophie, die nahezu alle deutschen Universitäten führten. Johann Bering, Professor für Philosophie in Marburg und einer der ersten universitären ›Kantianer‹, teilt Kant in einem Brief vom 21. September 1786 mit, dass eine ›Kabinets-Ordre‹ an die Philosophische Fakultät der Universität Marburg erlassen worden sei. Diese ›Ordre‹ untersagte die Vorlesungen über die kantischen Lehrbücher für den Winter 1786/87. Der Fakultät wurde zudem aufgegeben, binnen eines Vierteljahres zu berichten: »Was von des Kants Schriften überhaupt zu halten [sei], insbesondere ob solche zum Skepticißmo Anlaß gäben, mithin die Gewißheit der menschlichen Erkenntnis untergrüben?«32 Bering vermutet in Göttingen die 29 Vgl. ebd., S. 152: »If the principles, which I here endeavour to propagate, are admitted for true; the consequences which, I think, evidently flow from thence are that atheism and skepticism will be utterly destroyed, many intricate points made plain, great difficulties solved, several useless parts of science retrenched, speculation referred to practice, and men reduced from paradoxes to common sense.« 30 Vgl. Manfred Kuehn: Scottish Common Sense in Germany, 1768–1800. A Contribution to the History of Critical Philosophy. Kingston, Montreal 1987 sowie Annette Meyer: Von der Wahrheit zur Wahrscheinlichkeit. Die Wissenschaft vom Menschen in der schottischen und deutschen Aufklärung. Tübingen 2008. 31 Kuehn: Scottish Common Sense (s. Anm. 30), S. 70. 32 Immanuel Kant: Briefwechsel. In: AA X, S. 465.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
Quelle dieses Verbots. Er hatte nämlich präzise Informationen über den Inhalt der Vorrede zum Grundriß der Seelen-Lehre von Christoph Meiners. Kant erfuhr durch diesen Brief, dass Meiners in dieser Schrift behauptet, in der Kritik der reinen Vernunft nichts als Skeptizismus gefunden zu haben. Bering fordert Kant im Brief vom 28. Mai 1787 auf, auf Feders »Schrift« zu antworten.33 Diese Schrift ist Ueber Raum und Caussalität: zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Kant diese Schrift je gelesen hätte. Selbst Feder überliefert uns in seiner Selbstbiographie, dass auch er nicht wusste, ob Kant sie gelesen hat.34 Feders Vorwürfe gegen Kant waren gleichwohl vielen Zeitgenossen bekannt. Er behauptet in erster Linie, dass Kants Philosophie nichts anderes als Idealismus sei. Feder denkt auch, dass man in Kants Philosophie ein skeptisches Resultat finden kann: Ist es nicht der Sache und dem Ausdruck nach Skeptizismus, wenn er [Kant] unserem Verstande, in Ansehung der unsichtbaren Wesen und der Weltursache, schlechterdings alle Erkenntniß und alle Merkmale der Wahrheit abspricht, und nur um des praktischen Interesses willen das Glauben für nöthig erklärt?35
Eine andere Stelle weist darauf hin, dass Kants Philosophie in Ansehung ihrer wichtigsten Resultate allzu skeptisch ist.36 Er erwähnt dabei nur die Vernunftbegriffe als Ideen, die im Abschnitt »Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen« in der KrV thematisiert werden. Feders Auslegung dieses Abschnittes ist allerdings oberflächlich, denn er versteht die eigentliche Rolle der Vernunftbegriffe als »regulative Prinzipien des systematischen Verstandesgebrauchs im Felde der Erfahrung« nicht.37 Auch Christoph Meinersʾ Kritik an Kant besteht in einer Auslegung der kantischen Philosophie als Skeptizismus. Während er im Grundriß namentlich Charles Bonnet, Étienne Bonnot de Condillac und James Beattie positiv rezipiert, sagt er mit Bestimmtheit, wie schädlich Skeptiker wie Sextus, Berkeley, Hume oder Kant seien. Er weist dabei auf die Spitzfindigkeit der Räsonnements von Kant und die Dunkelheit seiner Sprache hin. »Spitzfindigkeit« und »Dunkelheit«! Das sind genau diejenigen Begriffe, die Beattie gerne benutzt, wenn er den englischen Skeptizismus kritisiert. Er findet die Philosophie des von ihm kritisierten Skeptizismus »subtile« und »obscure«. Auch »Wort-Streitigkeiten«,38 die Meiners in der Schulmetaphysik 33 Ebd., S. 488. 34 Vgl. J. G. H. Feders Leben, Natur und Grundsätze. Hg. von Karl August Ludwig Feder. Leipzig 1825, S. 120. 35 Johann Georg Heinrich Feder: Ueber Raum und Caussalität: zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787, S. XXVIII. 36 Ebd., S. XXIX. 37 Vgl. KrV, A 771/B 799. 38 Christoph Meiners: Grundriß der Seelen=Lehre. Lemgo 1786, Vorrede [unpag.].
Kiichiro Fukuda findet, entsprechen inhaltlich dem englischen Wort »a verbal disputant«.39 Die Metaphysik führe nach Meiners zu nichts als Zweifel und Dunkelheit. Er zitiert die folgende Stelle aus Beatties Essay: Diese Grübeleien [Zweifel und Dunkelheit] erschöpfen die Kraft des Geistes ohne Zweck, töten die Liebe zur wahren Gelehrsamkeit, ziehen die Aufmerksamkeit von den Angelegenheiten des menschlichen Lebens, und von allen den Werken der Kunst und Natur ab, die das Herz erwärmen, und die Einbildungskraft erhöhen.40
Ich möchte nochmals Beatties philosophische Kampfideen anführen. Beattie thematisiert hauptsächlich die Sophisterei und den Skeptizismus. Damit hatte er allem Anschein nach großen Einfluss auf Meiners. Meiners sagt in seiner Schrift nämlich, dass der Skeptizismus eine neue Form der antiken Sophistik oder Dialektik sei.41 Als er eine Aussage über den Skeptizismus der Neuzeit von Pierre Bayle trifft, stellt er noch den Skeptizismus und den »Unglauben« nebeneinander.42 Der Skeptizismus verbindet sich auch bei ihm mit dem Begriff des Atheismus. Seine kritische Stellung zum Skeptizismus führt grundsätzlich zum Hinweis auf die die Religion bedrohende Gefahr. Sowohl für Beattie als auch für Meiners ist die Philosophie nichts anderes als die Wissenschaft der menschlichen Natur. Diese Wissenschaft ist nach Beattie die interessanteste und wichtigste unter allen menschlichen Wissenschaften.43 Zu dieser Behauptung fügt er hinzu, dass es sehr wichtig sei, die Pflichten des Menschen zu kennen sowie die Wege, die den Menschen zur Glückseligkeit führen. Meiners nimmt fälschlicherweise an, dass Kants Philosophie die auf Tugend und Glückseligkeit bezogenen Wahrheiten in Zweifel zieht. Der von Meiners verstandene Skeptizismus bezieht sich ohne Zweifel auf die Praxis.
Hat Kant auf diesen Vorwurf des Skeptizismus aus Göttingen reagiert? Die Berlinische Monatsschrift war ein geeignetes Medium für Kant, um sich dieses Vorwurfes zu erwehren. Er hat in dieser Monatsschrift viele Beiträge veröffentlicht. Aber er hat der Leserwelt keine Schrift zur Beseitigung des Skeptizismus-Vorwurfs hinterlassen.
39 Beattie: Essay (s. Anm. 19), S. 2. 40 Meiners: Grundriß der Seelen=Lehre (s. Anm. 38), Vorrede [unpag.]. 41 Christoph Meiners: Grundriß der Geschichte der Weltweisheit. Lemgo 1789, S. 140. 42 Ebd., S. 274. 43 Beattie: Essay (s. Anm. 19), S. 14.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
Auch in seinen Briefen hat er keinerlei Antwort auf den Vorwurf gegeben. Kurz gesagt: Er hat dazu geschwiegen.44 Kant hat in einem Brief an Bering vom 7. April 1786 mitgeteilt: »Indessen wird doch, wenn ich bei Gesundheit bleibe, […] eine neue sehr umgearbeitete Auflage meiner Kritik, in kurzem (vielleicht nach einem halben Jahre) zum Vorschein kommen.«45 Er wollte Rücksicht »auf alle die Mißdeutungen oder auch Unverständlichkeiten« der KrV nehmen.46 Ungefähr zwei Monate später, am 26. Mai 1786, schreibt Ludwig Heinrich Jakob in einem Brief an Kant: »Ich bin eben jetzt damit beschäftigt, auf Ansuchen meines Verlegers eine zweite Auflage der Kritik, und mit ihr Aufhellung verschiedener Stücke derselben, deren Mißdeutung alle bisherigen Einwürfe hervorbrachte, zu veranstalten«.47 Es ist hier nicht klar, ob diese zweite Auflage den Inhalt der Kritik der praktischen Vernunft enthält. Aber Friedrich Gottlob Born spricht im Brief an Kant vom 8. November 1786 beiläufig über »den wichtigen Zusatz einer Kritik der reinen praktischen Vernunft«.48 Dieser Zusatz wurde von vielen Zeitgenossen erwartet. Kant schreibt im Brief an Schütz vom 25. Juni 1787 etwas Wesentliches, was diese Erwartung betrifft: Ich habe meine Kritik der praktischen Vernunft soweit fertig, daß ich sie denke künftige Woche nach Halle zum Druck zu schicken. Diese wird besser, als alle Kontroversen mit FEDER und ABEL […], die Ergänzung dessen, was ich der spekulativen Vernunft absprach, durch reine praktische, und die Möglichkeit derselben beweisen und faßlich machen.49
Die Kritik der praktischen Vernunft ergänzt nach Kant das, was der spekulativen Vernunft abgesprochen wird, und beweist die Möglichkeit der reinen praktischen Vernunft. Sie ist selbstverständlich nicht nur eine Ergänzung derselben, vielmehr der Beweis dafür, dass es reine praktische Vernunft gibt. Die KpV »soll bloß dartun, dass es reine praktische Vernunft gebe, und kritisiert in dieser Absicht ihr ganzes praktisches Vermögen«.50 Indem der Beweis der reinen praktischen Vernunft die Deduktion der moralischen Gesetze enthält, weist die Kritik des ganzen praktischen Vermögens auf die Dialektik der reinen praktischen Vernunft hin. Diese Kritik enthält nicht nur die »Ergänzung dessen, was ich [Kant] der spekulativen Vernunft
44 Christian Jakob Kraus, ein Schüler und Tischfreund Kants, teilt uns mit, dass Kant »bitterlich vom Göttinger Meiners gekränkt worden« ist und »sich von ihm eine Schutzschrift ausgebeten« hat. Vgl. Immanuel Kant in Rede und Gespräch. Hg. u. eingeleitet von Rudolf Malter. Hamburg 1990, S. 309. 45 Kant: Briefwechsel. In: AA X, S. 441. 46 Ebd. 47 Ebd., S. 450f. 48 Ebd., S. 471. 49 Ebd., S. 490. 50 Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA V, S. 3.
Kiichiro Fukuda absprach«,51 sondern auch die Aufklärung der Missverständnisse. »Sie [die KpV] enthält manches, welches die Mißverständnisse der theoretischen heben kann.«52 »In diesem Büchlein [KpV] werden viele Widersprüche, welche die Anhänger am Alten in meiner Kritik [KrV] zu finden vermeinten, hinreichend gehoben.«53 Der Vorwurf gegen Kant, dass er ein Skeptiker sei, ist offenbar eines der »Mißverständnisse« oder einer jener »Widersprüche«. Denn man findet in den letzten vier Abschnitten der Vorrede zur KpV eine neue Ansicht über die Quelle des Skeptizismus.54 Noch im zweiten Abschnitt der Vorrede erwähnt Kant bereits »einen Abgrund des Skeptizismus«.55
Kant ist davon überzeugt, dass die KrV allein den Skeptizismus widerlegen kann. Trotzdem zeigt er in der KpV noch einmal, was dieser Skeptizismus eigentlich sei. Er versteht dessen Problem anders als Feder, Meiners und die englischen Philosophen. Anders als diese verbindet er den Begriff nicht mit dem Atheismus. Er geht das Problem nicht in praktischer, sondern in spekulativer Absicht an. Kant versucht in der KrV zu beweisen, dass der Begriff der Kausalität a priori ist und dass die Beziehung der Ursache auf die Wirkung nur in der Erfahrung gilt. Die Gültigkeit des Begriffs muss ohne Hilfe einer empirischen Quelle begründet werden. Der Skeptizismus wird mit diesem Verfahren widerlegt, indem die eigentliche Quelle des Skeptizismus erklärt wird. Der Skeptizismus schadet nach Kant grundsätzlich der Wissenschaft. Die Krise der Wissenschaft besteht im Skeptizismus.56 Die wissenschaftliche Krise, die mit dem Skeptizismus hervorgebracht wird, interessieren Berkeley, Beattie, Feder oder Meiners nicht. Sie interessieren sich für die Krise der praktischen Vernunft, d. h. der Moral und der Religion. In der Vorrede der KpV wird Hume verteidigt. Sein Skeptizismus ist nach Kant von »dem allgemeinen Empirismus« befreit. Denn Hume macht den Empirismus 51 Brief von Kant an Schütz vom 25. Juni 1787. In: Briefwechsel. In: AA X, S. 490. 52 Brief von Kant an Ludwig Heinrich Jakob vom 11. September 1787. In: ebd., S. 494. 53 Brief von Kant an Carl Leonhard Reinhold vom 28. Dezember 1787. In: ebd., S. 514. 54 Der vierte Abschnitt vom Ende der Vorrede beginnt mit dem folgenden Satz: »Was Schlimmeres könnte aber diesen Bemühungen wohl nicht begegnen, als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte, daß es überall gar kein Erkenntniß a priori gebe, noch geben könne« (KpV. In: AA V, S. 12). Die diesem Satz gegebene Anmerkung der englischen Übersetzung zeigt, dass er sich auf Feder bezieht. Vgl. The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant: Practical Philosophy. Translated and ed. by Mary J. Gregor. Cambridge 1996, S. 631. 55 KpV. In: AA V, S. 3; vgl. auch ebd., S. 50–54. 56 Ebd., S. 103; dieselbe Behauptung findet man auch in der zweiten Ausgabe der KrV, B XXXIV.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
nicht derart allgemein, um auch die Mathematik darin einzuschließen. Im Gegenteil, er hält deren Sätze für analytisch. Wenn die mathematischen Sätze alle analytisch wären, könnten sie »von einer Bestimmung zur anderen um der Identität willen, mithin nach dem Satze des Widerspruchs« fortschreiten.57 Obwohl diese Ansicht über die Mathematik der Sache nach problematisch ist, werden die mathematischen Sätze für apodiktisch gehalten. Hume verzichte außerdem nicht auf den Begriff der Kausalität, sondern er zweifle nach Kant nur an dem Ursprung dieses Begriffs und der Anwendung des Begriffs auf »Dinge an sich selbst«,58 aber nicht an dessen »Unentbehrlichkeit«59 für die Naturwissenschaften. Hume ist für Kant deswegen kein ›allgemeiner Zweifler‹. Der Begriff der Kausalität hat in den Gegenständen der Erfahrung seine objektive Realität. Dieser Begriff stammt außerdem aus dem reinen Verstand. Die empirische Quelle des Begriffs wird in der KrV verneint, und deren unvermeidliche Folge, d. h. der Skeptizismus muss in Ansehung der Naturwissenschaften als ungültig betrachtet werden. Die Apriorität des Raums und der Zeit und die Möglichkeit der Mathematik als Wissenschaft der synthetischen Urteile a priori werden dort ebenfalls bewiesen. Auf diese Weise findet der totale oder allgemeine Skeptizismus keinen Raum. Diese Widerlegung kann sich nicht in der KpV, sondern inhaltlich nur in der KrV befinden. Die erstere braucht nicht noch einmal den Skeptizismus zu widerlegen, sondern nur auf das in der KrV dargestellte Resultat hinzuweisen. Diese Behauptung befindet sich auch in Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll. Kant macht den Begriff des Skeptizismus deutlicher: Unter dem Dogmatismus der Metaphysik versteht diese [KrV] nämlich: das allgemeine Zutrauen zu ihren Prinzipien ohne vorhergehende Kritik des Vernunftvermögens selbst bloß um ihres Gelingens willen: unter dem Skeptizismus aber das ohne vorhergegangene Kritik gegen die reine Vernunft gefaßte allgemeine Misstrauen bloß um des Mißlingens ihrer Behauptungen willen.60
Kant stellt hier den Skeptizismus als Misstrauen gegen die Vernunft dar. Der Skeptizismus ist nach Kant ein Verdacht gegen alle Erkenntnis a priori und führt »die allgemeine metaphysische Zweifellehre« herbei.61 Der allgemeine Skeptizismus wird in Kants ›Vorlesung zur Logik‹ mit dem akademischen Zweifel verglichen. Die Gelehrten dieser Schule sagen aus, dass nichts gewiss sei. Aber der Zweifel von Pyrrhon ist nach Kant mit der kritischen Skepsis 57 KpV. In: AA V, S. 52. 58 Ebd., S. 53. 59 Kant: Prolegomena. In: AA IV, S. 259. 60 Immanuel Kant: Über eine Entdeckung nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll. In: AA VIII, S. 226. 61 Ebd., S. 227.
Kiichiro Fukuda verwandt. Denn er sei »Zweifel des Aufschubs«.62 Im Gegensatz sowohl zum Akademischen Zweifel als auch zum Zweifel von Pyrrhon steht der Kritizismus. Dieser ist »das Prinzip eines rechtmäßigen Zutrauens auf seinen Vernunftgebrauch«.63
Es lohnt sich nun, abschließend den Anfang der ersten Vorrede der KrV anzusehen: Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann: denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.64
Das Ziel der Aufmerksamkeit soll doch das besondere Schicksal der Vernunft sein. Es ist die Metaphysik, der es am »Probierstein der Erfahrung« fehlt. Die Fragen der Metaphysik sind genau diejenigen, die alles Vermögen der Vernunft übersteigen. Wegen des Mangels an jenem „Probierstein“ ist es sehr schwierig, die zugrunde liegenden Irrtümer zu finden. Dieser Mangel verursacht viele Streitigkeiten, und die Metaphysik heißt nun »der Kampfplatz dieser Streitigkeiten«.65 Der Anfang der zweiten Vorrede erweckt einen anderen Eindruck. Diese Vorrede stellt diejenigen Wissenschaften vor, die den sicheren Gang gehen. Die von Kant vorgestellten Beispiele sind Logik, Mathematik und Physik. Während die Logik nur der »Vorhof der Wissenschaften« als »Propädeutik«66 ist, erwerben Mathematik und Physik neue Kenntnisse. Kant nennt die Namen von Mathematikern und Naturwissenschaftlern wie Thales, Galilei, Torricelli und Stahl. Er vergisst dabei nicht, Baco von Verulam (Francis Bacon) zu erwähnen. Denn Baco hat dazu beigetragen, den »Heeresweg der Wissenschaft« zu finden.67 Es gibt tatsächlich Wissenschaften, die keinen Raum für den Skeptizismus erlauben. In diesen Wissenschaften beherrscht die Vernunft nach Kant als »Richter« die Natur. Die Wissenschaften enthalten nämlich »Erkenntnisse a priori«. Dieses ist die erste Botschaft der zweiten Vorrede. Die Bezeichnung der Metaphysik als »Kampfplatz« findet man hier erst nach dem Lob der sicheren Wissenschaften. Was ist nun Kants Beweggrund zur zweiten Ausgabe der KrV? Es steht außer Zweifel, dass ihn der bekannte Vorwurf des Idealismus dazu veranlasst hat. Nicht 62 Immanuel Kant: Logik Dohna. In: AA XXIV, S. 745. 63 Ebd. 64 KrV, A VII. 65 KrV, A VIII. 66 KrV, B IX. 67 KrV, B XII.
Feders Vorwurf des Skeptizismus gegen Kant
nur Feder, sondern auch Jacobi hat ihm den Idealismus zum Vorwurf gemacht. Kant wollte deswegen dartun, dass seine Lehre nichts mit einem Idealismus zu tun hat. Doch gleichzeitig musste er den Vorwurf des Skeptizismus widerlegen. Der von ihm für schädlich gehaltene Skeptizismus ist verschieden von dem Skeptizismus, den Reid und Beattie attackieren. Nach diesen Philosophen wie auch Feder und Meiners führt der Idealismus notwendigerweise zum Skeptizismus und gegebenenfalls zum Atheismus. Es ist Kant, der die Verbindung des Idealismus mit dem Skeptizismus trennt, und unabhängig von diesen Themen den Atheismus vor allem im Bereich der Praxis in Betracht zieht. Er ist es, der das wissenschaftliche Wesen des Skeptizismus herausgearbeitet hat. Er hat behauptet, dass der allgemeine Empirismus der echte Ursprung des für die Naturwissenschaften gefährlichen Skeptizismus ist. Was ist ein ›allgemeiner Empirist‹? Wen betrachtet Kant in der KpV als solchen? Er sieht in erster Linie Locke und Hume als typische Empiristen an.68 Es ist nicht gewiss, ob Kant Locke für einen allgemeinen Empiristen hält. Hume weiß, dass der Begriff der Kausalität seinen Ursprung a priori haben muss. Aber er leitet diesen Begriff von der Erfahrung ab. Er erkennt zugleich an, dass dieser für subjektive Notwendigkeit (Gewohnheit) gehalten wird. Er bleibt bei der empirischen Ableitung. Hume scheint also ein allgemeiner Empirist zu sein. Dagegen wird Humes Empirismus in der KpV nicht für so allgemein gehalten wie in der ersten Ausgabe der KrV. Hume verwendet nach Kant den Empirismus nicht so allgemein, dass er die Mathematik in den Empirismus einschließen kann. Tatsächlich sagt Kant, dass die empirische Ableitung der eigentlich reinen Begriffe den wissenschaftlichen Erkenntnissen a priori (Mathematik und Naturwissenschaft) widerspricht. Während Humes Empirismus in der KrV in die Nähe des wissenschaftlichen Skeptizismus gerät, wird Hume in der KpV nicht als allgemeiner Skeptiker angesehen. Er ist zwar konsequenter Empirist, aber grundsätzlich kein allgemeiner Empirist.69 Feders allgemeiner Empirismus offenbart sich als echter Skeptizismus. Kant erwähnt Feders Empirismus kontinuierlich in den letzten vier Abschnitten der Vorrede der KpV, obwohl er seinen Namen nicht nennt. Außerdem findet man in der Anmerkung im zweitletzten Abschnitt wieder Kants implizite Behauptung, dass er kein Idealist sei. Feders Schrift Ueber Raum und Caussalität ist eine Art von Propagandatext zu seinem Vorwurf des skeptischen Idealismus bei Kant. Feder bezeichnet seine eigene Philosophie wieder und wieder als empirische Philosophie. Er versteht darunter »diejenige, die sich lediglich auf Beobachtungen und die Übereinstimmung aller oder der meisten menschlichen Erfahrungen und Schlüsse nach der Analogie derselben gründet«.70 Er versucht, in der Philosophie
68 Vgl. hierzu KrV, B 127. 69 Siehe hierzu KrV, B 127. 70 Feder: Ueber Raum und Caussalität (s. Anm. 34), S. IX.
Kiichiro Fukuda Kants »die Herabwürdigung der Erfahrungsphilosophie« zu finden.71 Kant sei »Freund der abstractesten und tiefsinnigsten Speculationen in schulgerechter Form«.72 Feder seinerseits leitet alles vom Begriff der Empfindung ab. Er bemüht sich, in der Empfindung nicht nur subjektive, sondern auch objektive oder absolute Notwendigkeit herauszufinden.73 Kant versucht durch ein Gleichnis, die empfundene Notwendigkeit zu erläutern: »Aus einem Erfahrungssatze Notwendigkeit auspressen zu wollen«, ist so unmöglich wie »ex pumice aquam« (aus Bimsstein Wasser) auspressen zu wollen.74 Der Schluss aus der Analogie »präsumiert« nach Kant Allgemeinheit und Notwendigkeit. Präsumtion bedeutet eine vermutete Voraussetzung, und ist nichts anderes als subjektive Notwendigkeit (Gewohnheit). Kant legt sich die Frage eines Blinden vor, was die Evidenz der Demonstration betrifft: »Nun muß man, wie der Blinde des Cheselden, fragen: was betrügt mich, das Gesicht oder Gefühl?«75 Diese Problematik trifft auf Feders Empirismus, weil sein Empirismus sich auf einer gefühlten Notwendigkeit gründet.76 Feder beschreibt in seiner Schrift, wie ein Blindgeborener mit Hilfe des Gefühls den Begriffs des Raums besitzen und wie er Geometrie lernen und lehren kann.77 Jene Frage erinnert uns eindeutig an diese Stelle bei Feder. Kant attackiert seinen Gegner manchmal ohne Namen zu nennen. Aber offenbar hat Kant jene Schrift von Feder gelesen, obwohl man nicht wissen kann, ob er sie nur durchgeblättert oder sorgfältig gelesen hat.
71 Ebd., S. XII. 72 Ebd., S. XIX. 73 Ebd., S. 35–37. 74 KpV. In: AA V, S. 12. 75 Ebd., S. 13. 76 Ebd. 77 Feder: Ueber Raum und Causalität, S. 57–61.
2 Ethik und Theologie
Achim Vesper
Zwischen Hume und Kant Moralbegründung in Feders Untersuchungen über den menschlichen Willen Zwar ist Feder in der theoretischen Philosophie vielfach in Erscheinung getreten, sein Hauptwerk besteht aber in einem Beitrag zur praktischen Philosophie.1 Seine von 1779 bis 1793 in vier Teilen erschienenen Untersuchungen über den menschlichen Willen behandeln die praktische Philosophie in fast erschöpfender Breite. Über das Motiv für die Ausarbeitung des Werks gibt Feder in der Einleitung Auskunft. Es besteht im Versuch, die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten in der Ethik aufzulösen. Dabei denkt er an die Meinungsverschiedenheiten über die Ziele des menschlichen Lebens, über den Grund der Geltung von moralischen Gesetzen und Rechtsgesetzen und über die moralische Qualität der menschlichen Natur. Obgleich diese Meinungskonflikte seit der Antike andauern, hält Feder sie für auflösbar: Nach seiner Meinung können sie durch eine Untersuchung des Willens, ausgehend von Beobachtung, entschieden werden. Laut Feder ist die »Selbstkenntniß eine sehr nöthige Wissenschaft« für den Menschen, weil die empirische Anthropologie zu einer Antwort auf die althergebrachten Streitfragen der praktischen Philosophie verhelfen kann.2 Im Folgenden soll Feders Position in der zeitgenössischen Debatte über Moralbegründung dargestellt werden; auch die Frage nach der Grundlage der Moral wird ihm zufolge durch eine verbesserte empirische Selbstkenntnis beantwortbar. Aufgrund seines Programms hält Feder die Aufnahme der Meinungen anderer für besonders wichtig: Weil die Ursachen des Willens nach seiner Annahme nur durch Selbstbeobachtung festgestellt werden können, müssen sich Generalisierungen auf die Übereinstimmung mit den Selbstbeobachtungen anderer stützen.3 Nach 1 Andere wichtige Werke Feders in der praktischen Philosophie sind sein Lehrbuch zur praktischen Philosophie (1771) und die Abhandlung Ueber das moralische Gefühl (1776). 2 Alle Zitate aus dem ersten Teil der Untersuchungen folgen der zweiten Auflage: Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Verschiedenheiten, Verhältnis zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. Erster Theil. Zweyte verbesserte Auflage. Göttingen, Lemgo 1785, S. 2. 3 »Durch alle Beobachtungen über sich selbst kann ein Mensch doch nur sein eigenes Naturell erforschen, nicht, was in andern Menschen vorgeht, nicht, was der menschlichen Natur überall zukömmt, entdecken. Aber wenn andere gleichfalls Beobachtungen über sich anstellen, und aufrichtig sie mittheilen; so entstehet allmählig Grund zu allgemeinen Folgerungen. Denn was in sehr vielen Fällen übereinstimmend sich findet, das kann in Ansehung der Fälle, von denen man die Erfahrung nicht hat, vermuthet werden, so lange bis die Erfahrung das Gegentheil beweiset« (ebd., S. 13).
https://doi.org/10.1515/9783110489439-008
Achim Vesper Feder kommt der eigenen Selbstbeobachtung zusammen mit der Selbstbeobachtung der anderen eine fundamentale Rolle für die praktische Philosophie zu. Erwünscht ist jedoch allein die Auskunft von Philosophen über die Ursachen ihres Willens, da gewöhnliche Menschen »sich davor hüten, die Geschichte ihres Herzens in allen Stücken aufrichtig mitzutheilen«, und in Vorurteilen befangen sind.4 Allgemein erfreuen sich unter den Philosophen nur solche Autoren seiner Anerkennung, die sich auf viele Beispiele in der Erfahrung stützen. Entsprechend soll gegen Wolff sprechen, dass »seine Grundsätze [...] nicht allemal aus genugsam vollständigen Inductionen abgezogen« sind, während Shaftesbury, Hutcheson, Smith, Helvetius und Hume empirisch reichhaltige Erklärungen des Willens bieten.5 Unter seinen philosophischen Quellen stechen zwei besonders hervor. Wie Feder selbst bekennt, ist Locke ein wichtiger Ideengeber: »Der erste Gedanke zu diesem Unternehmen entstand [...] durch meine Achtung für Locke’s Werk über den menschlichen Verstand. Ein ähnliches über den menschlichen Willen schien mir zu fehlen.«6 Inhaltlich übernimmt Feder von Locke vor allem die Zurückweisung der Auffassung, dass es angeborene Ideen gibt. Wie die Inhalte des Verstandes nach Locke sind die Inhalte des Willens nach Feder nicht angeboren, sondern stammen aus der Erfahrung. In der Moralphilosophie wird damit die Ansicht abgelehnt, dass moralische Urteile apriori durch rationale Intuition gebildet werden. Während nach Locke allein Fähigkeiten (sensation und reflection) angeboren sind, durch die sich der Verstand Inhalte verschafft, hält Feder Triebe für angeboren, durch die der Wille zu Inhalten kommt. Eine andere wichtige Quelle für Feder bildet Hume mit der in der Einleitung zum Treatise of Human Nature eingeforderten »science of man«; mit ihr spricht sich Hume für die Anwendung der »experimental method of reasoning« auf »moral subjects« d. h. für die Übertragung der erfahrungsbezogenen Methode aus den Naturwissenschaften auf die Erforschung des Menschen aus.7 Laut der Enquiry concerning the Principles of Morals soll sich auch die Suche nach der »foundation of ethics« und den »universal principles, from which all censure or approbation is ultimately derived«, an der experimentellen Methode orientieren und nicht deduktiv vorgehen:8
4 Ebd. 5 Ebd., S. 21. 6 J. G. H. Feder’s Leben, Natur und Grundsätze. Hg. v. Karl August Ludwig Feder. Leipzig 1825, S. 94. 7 Der Treatise trägt den Untertitel: »Being an Attempt to Introduce the Experimental Method of Reasoning into Moral Subjects«. 8 EPM 1.10 (Zitate aus Treatise und zweiter Enquiry folgen der Clarendon Edition und werden für den Treatise mit Buch, Teil, Abschnitt, Absatz, und für die Enquiry mit Buch und Absatz angegeben: [T]: David Hume: A Treatise of Human Nature. Hg. von David F. Norton and Mary J. Norton. 2 Bde. Oxford 2007; [EPM]: An Enquiry concerning the Principles of Morals. Hg. von Tom Beauchamp. Oxford 2007).
Zwischen Hume und Kant
Men are now cured of their passion for hypotheses and systems in natural philosophy, and will hearken to no arguments but those which are derived from experience. It is full time they should attempt a like reformation in all moral disquisitions; and reject every system of ethics, however subtile or ingenious, which is not founded on fact and observation.9
Auch Feders Vorhaben besteht darin, eine solche Reform in der praktischen Philosophie durchzuführen. Neben der methodischen gibt es aber auch eine weit reichende inhaltliche Übereinstimmung mit Hume. Das geht bereits aus Feders Ehradresse gegenüber Hume in der Einleitung der Untersuchungen hervor; Feder äußert dort eine besondere Wertschätzung der Enquiry und nimmt Hume vor dem Vorwurf des moralischen Skeptizismus in Schutz: Hume hat in dem Aufsatze von seinen schriftstellerischen Bemühungen, den er hinterließ, seinen Versuch über die Gründe der Moral für die beste seiner philosophischen Arbeiten selbst erklärt. Es ist eine Erklärung der Pflicht der Dankbarkeit, wenn ich hier bekenne, daß, bey der ersten Entwickelung und Anordnung meiner Begriffe, dies Buch mir mehr als irgend ein anderes zu Statten gekommen ist. Weit davon entfernt, den Skepticismus, dem er bey anderen Untersuchungen zu sehr sich überlassen hat, hier anzuwenden; scheint er vielmehr seinen Scharfsinn bisweilen zurück gehalten zu haben, durch die Furcht, den Werth der Tugend zweifelhaft zu machen.10
Wie das Zitat zum Ausdruck bringt, sieht sich Feder auch wegen inhaltlicher Anleihen bei Hume in der Schuld. Tatsächlich stimmt die Moraltheorie vor allem des ersten Teils der Untersuchungen mit Ansichten Humes in der Enquiry Concerning the Principles of Morals von 1751 überein.11 Angesichts dessen erscheint es seltsam, dass Hume trotz der Ehradresse in der Einleitung nur ein heimlicher Held der Untersuchungen ist und – anders als die fast allgegenwärtigen Cicero, Hutcheson oder Smith – kaum namentlich vorkommt.
9 Ebd. 10 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 23. Feder bezieht sich auf Humes Aussage in My own Life über die zweite Enquiry: »which, in my own opinion (who ought not to judge on that subject), is of all my writings, historical, philosophical, or literary, incomparably the best« (David Hume: My Own Life. In: ders.: Essays Moral, Political, and Literary. Hg. von Eugene F. Miller. Indianapolis 1987, S. XXXVI). Zu möglichen Gründen für diese Einschätzung Humes vgl. Annette C. Baier: Enquiry concerning the Principles of Morals: Incomparably the Best? In: Elizabeth S. Radcliffe (Hg.): A Companion to Hume. Malden, Oxford 2008, S. 293–320. 11 Die Forschung ist nicht darauf aufmerksam geworden, dass Feders Untersuchungen in die Rezeptionsgeschichte der zweiten Enquiry gehören. Auch Gawlick und Kreimendahl gehen lediglich auf eine Würdigung der praktischen Philosophie Humes in Feders Schrift Über das moralische Gefühl ein (vgl. Günter Gawlick u. Lothar Kreimendahl (Hg.): Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 115). Feder hat sich mehrmals publizistisch mit Hume beschäftigt und mit Rezensionen zu seiner Popularisierung in Deutschland beigetragen (vgl. die verzeichnete Literatur in: ebd., S. 208, sowie Manfred Kuehn: Hume in the Göttingische Anzeigen. 1739–1800. In: Hume Studies 1 [1987], S. 46–73).
Achim Vesper Feder bleibt in den Untersuchungen aber nicht durchgängig in den Spuren Humes. Im dritten Teil führt Feder eine von Hume abweichende Klugheitserwägung ein und erklärt, dass moralisches Handeln für den Gewinn von Glückseligkeit notwendig ist. Im vierten Teil nimmt Feder Revisionen vor, mit denen er wahrscheinlich auf Kant reagiert. Insgesamt lassen sich in den Untersuchungen drei verschiedene und einander teilweise widerstreitende Ansätze zur Begründung der Moral entdecken. In der Übersicht stellt Feder die Behauptungen auf, dass die Tugend auf (i) dem Gefallen an eigenem oder fremdem Nutzen, (ii) dem Streben nach innerweltlicher Zufriedenheit oder (iii) dem Streben nach innerem Frieden nach dem Tod beruht. Zwar spricht es für Feders intellektuelle Redlichkeit, dass er die Mängel seiner Vorschläge nicht übersieht und nach Verbesserungen sucht – unfreiwillig wird Feder aber auch zu einem Kronzeugen für die Schwierigkeiten einer empiristischen Moralbegründung. Im Folgenden gehe ich zunächst auf Feders basale anthropologische Annahmen ein (1), um mich dann seiner zunächst an Hume orientierten (2) und schließlich aus dem Begriff der Glückseligkeit abgeleiteten Moralbegründung (3) zuzuwenden.
Selbstliebe und Sympathie als Grundtriebe Innerhalb des ersten Buchs des ersten Teils verfolgt Feder das Ziel, die Grundtriebe des menschlichen Willens zu identifizieren. Zuvor kommt er in § 1 auf das Verhältnis von Wille und Verstand zu sprechen, das ihm zufolge in einer wechselseitigen Abhängigkeit besteht. Auf der einen Seite ist der Wille vom Verstand abhängig, weil es keine Willensäußerungen ohne durch Vorstellungen des Verstandes hervorgerufene Abscheu oder Begierde gibt. Auf der anderen Seite ist der Verstand vom Willen abhängig, weil der Verstand lenkbar ist und zum Beispiel die Aufmerksamkeit absichtlich auf bestimmte Gegenstände gerichtet werden kann. Allerdings ist die Abhängigkeit des Willens vom Verstand nach Feder stärker als die Abhängigkeit des Verstandes vom Willen, weil der Wille nicht ohne den Verstand, der Verstand aber ohne den Willen ausgeübt werden kann. Da es sich bei Verstand und Wille laut Feder um Äußerungen einer einheitlichen seelischen Kraft handelt, können die Arten des Willens entsprechend den Arten von Erkenntnis unterteilt werden. Die beiden Arten von Vorstellungen des Verstandes bestehen dabei in sinnlichen Vorstellungen, die »nur diejenigen Eigenschaften enthalten, die unmittelbar den Sinnen bey der Empfindung sich offenbaren«, und Verstandesbegriffen, die »diejenigen Beschaffenheiten und Verhältnisse zu erkennen geben, die [...] durch die Vergleichung mehrerer Dinge oder mehrerer Folgen sich entdecken«.12 Der Einteilung in ein oberes Erkenntnisvermögen mit
12 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 32.
Zwischen Hume und Kant
durch Beobachtung und Nachdenken gebildeten allgemeinen Begriffen und ein unteres Erkenntnisvermögen mit durch die Einwirkung auf die Sinnesorgane direkt entstandenen Einzelvorstellungen entspricht die Einteilung in ein sinnliches und ein vernünftiges Begehrungsvermögen. Entsprechend den beiden Erkenntnisvermögen ist das obere Begehrungsvermögen durch fortgesetzte Beobachtung und Nachdenken und das untere durch direkten Empfindungsbezug charakterisiert. Der durch Überlegung gebildete Wille übernimmt dabei die Funktion, angesichts der Vielzahl vorhandener Neigungen eine allgemeine Handlungsorientierung zu geben. Der Wille hat nach Feder immer einen empirischen Anteil, einen rein rationalen Willen gibt es ihm zufolge nicht. Auch in seiner kurzen Diskussion des Freiheitsproblems kommt zum Ausdruck, dass Feder den vernünftigen als einen reflektierten empirischen Willen versteht. Wie Locke und Hume verneint er die Vorstellung, dass Freiheit die Abwesenheit von Beschränkungen für den Willen und die freie Wahl von Handlungsmotiven voraussetzt. Alternativ kann ihm zufolge dem Menschen Freiheit zugeschrieben werden, wenn er entsprechend seiner durch Überlegung geordneten Neigungen zu handeln in der Lage ist. Demnach ist Freiheit in der Fähigkeit begründet, vorhandene Handlungsmotive durch Überlegung abzuwägen und das Resultat der Abwägung im Handeln umzusetzen: Wenn man sich also nicht begnügen will, für den Menschen überhaupt Freyheit zu behaupten, die darinn besteht, daß er mit innerer Kraft Vorstellungen, Beurtheilungen, Entschließungen und Handlungen nach Wohlgefallen bewirken kann; wenn der Wille frey heißen soll: so kann die Freyheit desselben darinn gesetzt werden, daß er nicht an einige wenige Antriebe gefesselt ist, sondern durch unzählich viele bestimmt werden kann. Dieß drückt auch der Name der Willkühr oder des Vermögens zu wählen aus. Dieß Vermögen zu wählen, obgleich immer nach Gründen, kommt dem Willen unleugbar zu.13
In anderen Worten verfügt der Mensch nach Feder über Freiheit, auch wenn er nicht von sich aus Bewegungsgründe zum Handeln hervorbringen kann. Stattdessen besteht Freiheit in der menschlichen Fähigkeit, unter vorhandenen Antrieben zu wählen und in Übereinstimmung damit zu handeln.14 Darüber hinaus liegt Feders Willenstheorie die Annahme zugrunde, dass es keine letzten objektiven Ziele des Wollens bzw. »letzte objektive Gründe des Wollens« gibt.15 Auch unabhängig von der Frage nach letzten Zielen relativiert Feder die Bedeutung von objektiven Gegebenheiten für das Wollen. Auch wenn die Eigenschaf 13 Ebd., S. 48. 14 An späterer Stelle definiert Feder Freiheit als »das Vermögen zu wählen, oder die Willkühr, die Fähigkeit unter mehreren reizenden, antreibenden Vorstellungen, eine vorzuziehen, und sich ihr zu überlassen« (Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Dritter Theil. Lemgo 1786, S. 154). 15 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 49.
Achim Vesper ten der Dinge zum Wollen beitragen, so sind die angeborenen menschlichen Triebe ihm zufolge der ausschlaggebende Faktor. Die subjektiven Elemente des menschlichen Wollens untergliedert Feder dabei anhand einer Trias von (1) feststehenden Trieben als Dispositionen zu Begierden, (2) zwischen Individuen variierenden Begierden als Dispositionen zu Neigungen und (3) den aktuellen Neigungen selbst. Die Ausführungen zu den allen Menschen durch Angeborenheit gemeinsamen Trieben haben dabei eine übergeordnete Bedeutung für seine Willenstheorie und Moralphilosophie. Wie Feder im dritten Kapitel des ersten Buchs darlegt, besteht der wichtigste angeborene Grundtrieb im »Trieb zur Selbstliebe« als »Bestreben nach eigener Wohlfahrt«, der sich wiederum in einen auf das Erlangen von episodischen hedonisch positiven Zuständen gerichteten »Trieb zum Vergnügen« und einen auf das Erlangen eines dauerhaften hedonisch positiven Zustands gerichteten »Trieb zur Glückseligkeit« unterteilen lässt.16 In diesem Zusammenhang stellt Feder fest, dass zwar die Triebe, aber keine Inhalte des Willens angeboren sind. Er behauptet, dass nicht die Ideen des menschlichen Selbst, seines Wohls, seiner Glückseligkeit oder seiner Vergnügen den Willen zur Tätigkeit bringen, sondern daß die nächsten Gegenstände des menschlichen Wollens solche inneren Zustände seyn, die einzeln den Namen des Wohlbefindens, bey einer gewissen Menge den Namen der Glückseligkeit erhalten; daß der Wille des Menschen so geartet sey, daß vermöge seiner wesentlichen Richtungen und Bestrebungen, Trieb zum Vergnügen, zur Glückseligkeit, Selbstliebe, wenigstens als Hauptanlagen demselben beygelegt werden müssen.17
Unterschieden wird die Selbstliebe dabei von Eigenliebe und Eigennützigkeit. Die Eigenliebe stellt eine pervertierte Form der Selbstliebe dar, weil ein Handelnder aus Eigenliebe nicht zum Wohlergehen anderer beitragen kann. Definitorisch erklärt Feder, dass der eigennützig Handelnde »auf eine gemein schädliche Weise durch die Vorstellung seiner Vortheile getrieben« wird.18 Anders als die Eigenliebe erklärt Feder die Selbstliebe mit einem Handeln zugunsten anderer für vereinbar. Im weiteren Verlauf des ersten Buchs versucht Feder herauszuarbeiten, dass die Selbstliebe nicht den einzigen angeborenen Trieb darstellt. An der Seite des Triebs zur Selbstliebe steht die Sympathie im Sinne des Mitfühlens mit den Zuständen anderer fühlender und vor allem menschlicher Wesen als weiterer angeborener Trieb des Menschen: Der Urheber der Natur hat dafür gesorgt, daß es uns wenigstens so leicht nicht ist, als es die Selbstsucht wünschen könnte, unempfindlich und unthätig zu bleiben, bey jedweden Zuständen und Angelegenheiten unserer Nebengeschöpfe, und sonderlich der Menschen. Fremde
16 Ebd., S. 84f. 17 Ebd., S. 85. 18 Ebd., S. 86.
Zwischen Hume und Kant
Empfindungen theilen sich uns mit, wenn sie sich unsern Sinnen, oder auch nur der Einbildungskraft lebhaft vorstellen. Dies ist die Sympathie oder das Mitfühlen [...].19
Die Teilnahme an fremden Empfindungen kommt in den Formen von Mitleid an unangenehmen Empfindungen anderer und positivem Mitgefühl an angenehmen Empfindungen anderer vor. Vermittelt wird die Sympathie gegenüber gegenwärtigen Personen durch die Sinne, gegenüber abwesenden oder literarisch imaginierten Personen dagegen durch die Einbildungskraft. Als wichtig betrachtet es Feder, dass es sich bei den sympathetischen Gefühlen um eine »zum Theil unwillkürliche Theilnehmung am Zustande anderer« handelt und sie sich wie der Schmerz unserer Kontrolle entziehen, auch wenn man sie zu einem gewissen Grad kultivieren kann:20 Daß die sympathetischen Gefühle nicht ganz von unserer Willkühr abhängen, daß sie nicht bloß daher rühren, daß wir aus Vorsatz oder Gewohnheit, die der Vorsatz erzeugt hat, uns an die Stelle des anderen willkührlich setzen, und durch Vorstellungen uns eben die Gefühle zu erregen suchen, in denen sich der andere befindet; dies setzt die Beobachtung gar bald außer Zweifel. So unwillkührlich als der Schmerz, den ein fallender Stein oder ein Schlag uns selbst verursachet, ist oft das Gefühl, das beym Schmerz eines andern uns ergreift.21
Wahrscheinlich besteht Feder darauf, dass die Sympathie nicht vollständig unter unserer Kontrolle ist, sondern auch unwillkürlich auftritt, weil der Trieb zur Sympathie nur dann für eine anthropologische Moralbegründung in Frage kommt, wenn sein Einfluss nicht durch Training geschwächt oder sogar ausgeschaltet werden kann.22 Außerdem diskutiert Feder zwei Kausalhypothesen für die Sympathie: Zwar lehnt er die Auffassung nicht vollständig ab, dass die Teilnahme am Zustande anderer auf materieller Einwirkung nach dem Modell der Übertragung von Schallsignalen oder von Ansteckung basiert;23 nach der von ihm favorisierten Kausalerklärung liegt der »physische Grund der Sympathie«24 jedoch »in der Imagination und der Wiedererweckung ehemals gehabter Empfindungen und Vorstellungen, nach den bekannten Gesetzen der Ideenassoziation«.25 Zusammengefasst präsentiert Feder die Meinung, dass der Wille vor allem von den beiden aufgrund ihrer Angeborenheit
19 Ebd., S. 88. 20 Ebd., S. 107. 21 Ebd., S. 96. 22 Vgl. aber ebd., S. 104ff. 23 »Sollte vielleicht, wenn es scheint, daß bloß durch das Gesicht oder das Gehör die Empfindungen und Gemüthsbewegungen anderer sich uns mittheilen, noch durch andere Wege, durch Ausdünstungen, die in uns übergehen, die Ansteckung, die Erweckung ähnlicher Bewegungen geschehen? Es ist dies eine Vermuthung, die [...] nichts weniger als schlechthin verwerflich scheinen kann« (ebd., S. 103). 24 Ebd., S. 99. 25 Ebd., S. 100.
Achim Vesper universalen Trieben von Selbstliebe und Sympathie beeinflusst ist;26 dabei soll seine deskriptive Theorie des menschlichen Willens aus dem ersten Teil des ersten Buchs auch das Fundament zur Moralbegründung liefern.
Moralischer Sentimentalismus Nach den Grundtrieben des menschlichen Willens im ersten Buch des ersten Teils wendet sich Feder im zweiten Buch spezifischeren Trieben zu. Vor den moralischen Empfindungen und Trieben erörtert er auf individuelles Vergnügen bezogene Triebe und auf gesellschaftliche Verhältnisse bezogene Triebe wie die nach Ehre, Herrschaft und Hochachtung. Unter dem Sammelbegriff der »Triebe von sehr vermischten Beziehungen« kommt er schließlich auch auf die moralischen Triebe zu sprechen, wobei das Anfangskapitel »Von den moralischen Empfindungen und Trieben überhaupt betrachtet« den Kern der Moralphilosophie im ersten Teil bildet.
. Kritik an moral sense-Theorien Einschlägig für die Moralbegründung sind die §§ 98 und 99, in denen sich Feder der Frage zuwendet, worauf moralische Unterscheidungen basieren. In den beiden Paragraphen verfolgt Feder ein negatives wie ein positives Ziel. § 98 ist dem kritischen Ziel einer Widerlegung von Auffassungen gewidmet, nach denen es einen spezifisch moralischen Sinn gibt, durch den einfache moralische Empfindungen hervorgerufen werden.27 Die Adressaten der Kritik sind Autoren wie Shaftesbury und Hutcheson, auf die sich Feder an anderen Stellen der Untersuchungen auch lobend beruft. Zwar ist Feder mit den Theoretikern des moral sense der Meinung, dass moralische Überzeugungen »nicht in leeren Einbildungen« bestehen;28 er verhält sich jedoch kritisch zu der Auffassung, dass es in Analogie zu einfachen Sinnesempfindungen einfache moralische Empfindungen gibt und in Analogie zu körperlichen Sinnesorganen ein Sinnesorgan für moralische Empfindungen vorhanden ist: 26 Feder nennt noch weitere angeborene Grundtriebe ohne vergleichbare systematische Relevanz, so den Trieb zur Tätigkeit, den Trieb auf die Zukunft und den Trieb nach dem Unendlichen (vgl. ebd., S. 108–118). 27 Diese Frage diskutiert Feder auch in Über das moralische Gefühl. 28 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 386. Feder denkt wahrscheinlich an Mandeville, der den Begriff der Tugend als inhaltsleer zu entlarven beabsichtigt. Bereits Hutcheson entwickelt seine moral sense-Theorie als Entgegnung auf Mandeville. Zu Mandeville sowie Hutchesons Kritik an Mandeville vgl. David Fate Norton and Manfred Kuehn: The Foundations of Morality. In: The Cambridge History of Eighteenth-Century Philosophy. Hg. von Knud Haakonssen. Cambridge 2006, Bd. 2, S. 941–986, hier S. 951–958.
Zwischen Hume und Kant
Dabey ist nun aber zu untersuchen, ob diese moralischen Erkenntnisse, Begriffe, Urtheile, oder Empfindungen, Gefühle, wie man sie nennen will, im Ganzen genommen, je für einfache Empfindungen und überhaupt für Wirkungen eines eigenen Sinns angesehen werden können: oder ob sie vielmehr allemal Folgen sind von dem Zusammenflusse mehrerer Empfindungen und Vorstellungen, die aus solchen Gründen entstehen, wovon keiner ein moralischer Sinn genannt werden kann; einem Zusammenflusse, der durch Unterricht, oder auch durch eigene Beobachtungen und Nachdenken bewirkt wird.29
Gemäß Feder sind moralische Empfindungen nicht einfach und kommen nicht durch einen spezifischen Sinn zustande. Nach Feder gibt es zwei Argumente, die typischerweise für die Existenz eines moralischen Sinns angeführt werden. Nach dem ersten Argument müssen moralische Urteile auf Empfindungen beruhen, weil moralische Urteile »plötzlich und vor allem Räsonnement« gefällt werden und auch »bey der Untersuchung und allem darauf folgenden Nachdenken nicht aus Vernunftschlüssen hergeleitet werden können«.30 Nach dem zweiten Argument müssen moralische Urteile auf Empfindungen beruhen, weil – wie Kinder – auch solche Menschen über moralisches Wissen verfügen, »denen weder Unterricht anderer, noch eigene Vernunftschlüsse sie verschaffen konnten«.31 Das erste Argument hält Feder nicht für schlüssig, weil moralische Urteile auch auf unbewussten Vernunftschlüssen basieren können; das zweite Argument wiederum weist Feder zurück, weil Menschen auch fälschlich die Vernunft abgesprochen werden kann und moralische Urteile auch zufällig wahr sein können. Dementgegen geht laut Feder aus den Eigenschaften des moralischen Diskurses hervor, dass der Gebrauch der Vernunft zur Bildung moralischer Urteile beiträgt. Zu sagen, »daß unrecht etwas sey, was sich nicht sagen, nicht beschreiben, sondern nur fühlen lasse«, gehört Feder zufolge nicht zu unserem Umgang mit moralischen Disputen.32 Dass Uneinigkeit über moralische Urteile argumentative Kontroversen auslöst, spricht gegen die Annahme eines Gewahrwerdens von moralischen Unterscheidungen durch einfache Empfindungen: Daraus auch, daß die Menschen, wenn sie gleich in noch so vielen Sprachen vom Empfinden, in Ansehung des Rechts und Unrechts, sprechen, dennoch, wenn sie darüber uneinig mit einander sind, nie, mit Abweisung der Vernunft, der bloßen Empfindung die Entscheidung überlassen: wie in Ansehung der Dinge, für die wir unstreitig eigene Sinne haben, oft geschieht und geschehen muß. Sondern sie berufen sich alsdenn schlechterdings auf die Gesetze, oder gründen sich auf die durch Erfahrung und Vernunft erweislichen Formen.33
29 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 387. 30 Ebd., S. 386. 31 Ebd. 32 Ebd., S. 393. 33 Ebd., S. 394.
Achim Vesper Teilnehmer moralischer Kontroversen begründen ihre Urteile, wie Feder hervorhebt, durch Überlegungen und vergangene Erfahrungen, anstatt sich auf einfache Empfindungen zu berufen. Mit diesen Argumenten hat Feder sein kritisches Ziel erreicht und Theorien zurückgewiesen, nach denen moralische Vorstellungen aus einem moralischen Sinn entstammen. Seines Erachtens wird das moralische Gefühl deshalb fälschlich für einfach gehalten, weil man sich nicht der komplexen Bedingungen seines Zustandekommens bewusst ist.34
. Tugend als komplexes Gebilde Während § 98 der Zurückweisung von moral sense-Theorien vorbehalten ist, enthält § 99 Feders eigene Position. Ihm zufolge beruhen moralische Begriffe und Urteile weder auf Vernunft noch auf Neigung allein; außerdem lässt sich die beteiligte Neigung nicht auf nur einen der beiden Triebe von Selbstliebe und Sympathie zurückführen. Seine eigene Auffassung entwickelt Feder anhand der Frage, »was die Ursache des Wohlgefallens an der Tugend, und des Missfallens an dem Laster sey«.35 Er geht von der Dialektik aus, dass sich auf der einen Seite nicht erklären lässt, »woher die Reize der Tugend entstehen«, wenn moralische Urteile aus Vernunft resultieren, und sich auf der anderen Seite nicht erklären lässt, weshalb über moralische Urteile gestritten wird, wenn mit moralischen Urteilen Empfindungen bekundet werden.36 In anderen Worten wendet sich Feder der Frage zu, wie der kognitive Anspruch moralischer Urteile in einen Zusammenhang mit dem für ihre Handlungswirksamkeit notwendigen Gefallensaspekt gebracht werden kann. Nach seiner Lösung wird eine Handlungsweise dann als tugendhaft betrachtet, wenn sie durch den Verstand als vorteilhaft beurteilt wird: »Die Tugend wird überhaupt als nützlich, als der Grund der eigenen Glückseligkeit und gemeinen Wohlfahrt, durch Unterricht und Erfahrung einem jeden vorgestellt.«37 Dabei ist mit einer Vorstellung des Verstandes immer eine Neigung des Willens verbunden, wenn der Inhalt der Vorstellung im Nutzen besteht. In erster Linie zielt die Tugend laut Feder 34 »Weil nun diejenige Erkenntnißart, bey der man sich keines Ursprungs aus andern Vorstellungen bewußt ist, zumal wenn sie mit Rührungen, mit Gemüthsbewegungen verknüpft ist, nach einem gewöhnlichen, und wenn nicht immer auf die genaueste Beurtheilung, dennoch immer auf Analogie sich gründenden Sprachgebrauch, Empfindung, Gefühl, genannt wird: so kann man es gelten lassen, daß, in eben solcher Bedeutung der Worte, dem Menschen ein moralisches Gefühl, ein moralischer Sinn zugeschrieben werde« (ebd., S. 386f.). Vgl. Norton u. Kuehn: The Foundations of Morality (s. Anm. 28), S. 976: »Feder argued that we do not have to postulate a special sense in order to account for our moral approval and disapproval. Although we are not usually aware of the multiple causes of our moral convictions, we can become aware of them.« 35 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 395. 36 Ebd. 37 Ebd., S. 397.
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auf den Vorteil für die eigene Person, »auf Beförderung des reinsten und dauerhaftesten Vergnügens«.38 Allerdings kommt die Auffassung von Selbstliebe als Grundlage der Moral schnell an eine Grenze, auch wenn »Vorstellungen von den Vortheilen der Tugend sehr oft ausdrücklich als Beweggründe gebraucht werden«.39 Feder weist darauf hin, dass zum einen die Tugend oft auch Opfer verlangt und zum anderen Handlungen auch ohne erwarteten oder auch nur hypothetischen Nutzen für die eigene Person mit Gefallen betrachtet werden. So führt er aus, dass »tugendhafte Handlungen und Charactere auch alsdann uns noch gefallen, wenn sie gar keine Folgen für uns haben, wenn sie uns in der Geschichte der entferntesten Zeiten, oder in Erdichtungen, die wir auch dafür halten, vorgestellt werden«, und fragt, »warum wir auch die Rechtschaffenheit eines Feindes, die uns schädlich ist, lieben oder doch bewundern und hochachten?«40 Laut Feder sprechen diese Sachverhalte dafür, »dass diese [von der Selbstliebe ausgehenden, A.V.] Vorstellungen von der Nützlichkeit der Tugend, nur für einen, nicht für den einzigen Grund der Neigung angenommen werden soll«.41 Er plädiert stattdessen für ein Verständnis, nach dem die Tugend ein komplexes Gebilde ist und die moralischen Neigungen »aus mehrern nicht ursprünglich und nothwendig darauf zielenden Trieben, eigennützigen und uneigenützigen zusammengenommen, [...] entstehen«.42 Seiner Ansicht nach kommt zur Selbstliebe als Grund für das Wohlgefallen an der Tugend die Sympathie hinzu, aufgrund deren auch Handlungen mit positiven Folgen nicht für uns, aber für andere gefallen. Dank der Sympathie hat »der Tugendfreund Wohlgefallen an der Tugend anderer Menschen [...], auch wenn sie ihm keinen Vortheil bringt«.43 Das Mitgefühl trägt zur Billigung oder Missbilligung von Handlungen bei und erstreckt sich sogar auf die Freude an moralisch verdienstvollen Handlungen in der Vergangenheit und in der erzählenden Literatur oder sogar auf Charaktereigenschaften, die für uns schädlich, aber für ihren Besitzer oder für Dritte vorteilhaft sind.44 Im Überblick spricht sich Feder für ein utilitaristisches Prinzip moralischer Bewertung aus, wobei der Vernunft eine Rolle in der Beurteilung des Nutzens zukommt. Die Gegenstände moralischer Bewertung bestehen ihm zufolge in Charaktereigenschaften oder Handlungsabsichten, wobei er für das eigene oder fremde Wohl nützliche Charaktereigenschaften als Tugenden, schädliche Charaktereigen-
38 Ebd. 39 Ebd. 40 Ebd., S. 398. 41 Ebd. 42 Ebd., S. 396. 43 Ebd., S. 399. 44 Allerdings können von schlechten Absichten begleitete nützliche Handlungen missfallen und von guten Absichten begleitete nutzlose Handlungen gefallen. Das erklärt Feder dadurch, dass eine schlechte Absicht auf einen schlechten Charakter und eine gute Absicht auf einen guten Charakter hindeutet (vgl. ebd., S. 401).
Achim Vesper schaften als Laster, nützliche Handlungen als moralisch geboten und schädliche Handlungen als moralisch verboten versteht. Allerdings lässt sich das Nutzenprinzip für moralische Bewertung bei Feder nicht aus seinem sentimentalistischen Rahmen herauslösen. Ihm zufolge löst die Vorstellung eines Nutzens nur deshalb eine Neigung aus, weil uns aufgrund von Selbstliebe der Nutzen für uns sowie aufgrund von Sympathie der Nutzen für andere gefällt. Das moralische Gefühl basiert auf der Wahrnehmung, dass eine Handlung oder eine Charaktereigenschaft das eigene oder fremde Wohl fördert, an dem alle Menschen aufgrund ihrer natürlichen Ausstattung ein Interesse haben. Feder begreift moralische Urteile als komplexe Gebilde, die auf einer Verbindung von Neigungen und Vernunft beruhen, wobei sich die Neigungen sowohl aus Selbstliebe als auch aus Sympathie ergeben.
. Feder als Parteigänger Humes Bei näherer Betrachtung wird klar, dass Feder sowohl die Grundzüge als auch Details seiner Argumentation von Hume übernimmt. Bereits Hume eröffnet seine zweite Enquiry anhand der Kontroverse, ob moralische Urteile auf Vernunft oder Gefühl beruhen.45 Auf der einen Seite spricht auch nach Hume die Tatsache, dass wir über moralische Urteile streiten, für eine Grundlage moralischer Urteile in der Vernunft;46 auf der anderen Seite spricht es auch nach Hume für eine Grundlage in Gefühlen, dass die Tugend gefällt und das Laster missfällt, weil Schlussfolgerungen nicht imstande sind, Gefallen oder Missfallen hervorzurufen.47 Die Antwort auf die in der Einleitung angeführte Kontroverse gibt Hume im ersten Appendix »Concerning Moral Sentiment«, wobei Hume den Konflikt zwischen Vernunft und Neigung für oberflächlich hält: One principal foundation of moral praise being supposed to lie in the usefulness of any quality or action; it is evident, that reason must enter for a considerable share in all decisions of this
45 »There has been a controversy started of late, much better worth examination, concerning the general foundation of MORALS; whether they be derived from REASON, or from SENTIMENT« (EPM 1.3). 46 »Moral distinctions, it may be said, are discernible by pure reason: Else, whence the many disputes that reign in common life, as well as in philosophy, with regard to this subject: The long chain of proofs often produced on both sides; the examples cited, the authorities appealed to, the analogies employed, the fallacies detected, the inferences drawn, and the several conclusions adjusted to their proper principles« (EPM 1.5). 47 »On the other hand, those who would resolve all moral determinations into sentiment, may endeavour to show, that it is impossible for reason ever to draw conclusions of this nature. To virtue, say they, it belongs to be amiable, and vice odious. This forms their very nature or essence. But can reason or argumentation distribute these different epithets to any subjects, and pronounce before-hand, that this must produce love, and that hatred?« (EPM 1.6).
Zwischen Hume und Kant
kind; since nothing but that faculty can instruct us in the tendency of qualities and actions, and point out their beneficial consequences to society and to their possessor.48
Auch nach Hume besteht die moralische Beurteilung in der Feststellung der Nützlichkeit durch die Vernunft. Obgleich die Vernunft für die Wahrnehmung von Nutzen notwendig ist, kann sie aber nicht das Gefallen am Nutzen hervorbringen. Laut Hume kann die Wahrnehmung eines Nutzens nur in Verbindung mit einem Gefühl ein Gefallen oder Missfallen an einer Charaktereigenschaft oder Handlung auslösen und zu moralischer Billigung oder Missbilligung führen: But though reason, when fully assisted and improved, be sufficient to instruct us in the pernicious or useful tendency of qualities and actions; it is not alone sufficient to produce any moral blame or approbation. Utility is only a tendency to a certain end; and were the end totally indifferent to us, we should feel the same indifference towards the means. It is requisite a sentiment should here display itself, in order to give a preference to the useful above the pernicious tendencies.49
Zwar wird durch den Verstand ein Nutzen zu einem bestimmten Zweck identifiziert, die Wertschätzung des Nutzens überträgt sich aber von der durch ein Gefühl gegebenen Wertschätzung des Zwecks. Dabei besteht der mit einem positiven Gefühl verbundene Zweck des Nutzens nicht nur im eigenen Wohl, sondern auch im Wohl anderer. Da auch den Interessen anderer dienende Charaktereigenschaften und Handlungen gelobt werden, kann das für die Wertschätzung der Tugend verantwortliche Gefühl nicht allein auf Selbstliebe zurückgeführt werden: Usefulness is agreeable, and engages our approbation. This is a matter of fact, confirmed by daily observation. But, useful? For what? For some body’s interest, surely. Whose interest then? Not our own only: For our approbation frequently extends farther. It must, therefore, be the interest of those, who are served by the character or action approved of; and these we may conclude, however remote, are not totally indifferent to us. By opening up this principle, we shall discover one great source of moral distinctions.50
Weil auch ein Nutzen für andere ohne Nutzen für die eigene Person gebilligt wird, muss es laut Hume neben dem Prinzip der Selbstliebe auch ein Prinzip des Wohlwollens (benevolence) bzw. der Sympathie als Quelle für moralische Unterscheidungen geben. Dabei behandelt Hume die Sympathie im Treatise als einen Mechanismus, durch den sich die mentalen Zustände anderer mitteilen und zur Übernahme der Einstellungen anderer führt.51 In der Enquiry verallgemeinert er dagegen das
48 EPM App. 1.2. 49 EPM App. 1.3. 50 EPM 5.16. 51 »The minds of all men are similar in their feelings and operations; nor can any one be actuated by any affection, of which all others are not, in some degree, susceptible. As in strings equally
Achim Vesper Prinzip der Sympathie zu einem Prinzip der Wertschätzung für den Nutzen für eine Gesellschaft oder die Menschheit insgesamt.52 Schon Hume stützt seine Argumentation für das Prinzip der Sympathie auf die Beobachtungen, dass auch ein Nutzen für vergangene Personen und ein imaginierter Nutzen für literarische Figuren gefällt, obwohl es keinen versteckten Nutzen für die eigene Person geben kann; wie er feststellt, kommt es sogar vor, dass ein Nutzen für andere gefällt, obwohl er mit Nachteilen für die eigene Person verbunden ist. Diese Argumentation übernimmt Feder ohne Abstriche. Mit Hume spricht er sich für eine Begründung von Moral in der mit Selbstliebe und Sympathie gleichförmig ausgestatteten menschlichen Natur aus.53 Die beiden Prinzipien sind dafür verantwortlich, dass sich moralische Bewertung auf den Nutzen bezieht und sowohl der eigene als auch der fremde Nutzen wertgeschätzt werden.54 Dabei schwankt auch Feder gelegentlich zwischen einem Verständnis der Sympathie als kausalem Mechanismus der Übertragung mentaler Zustände und einer Anteilnahme am Wohlergehen aller Menschen.55 Darüber hinaus passt es zu Feders Berufung auf die zweite Enquiry, dass Hume in ihr der Vernunft eine größere Bedeutung als im Treatise zuspricht. So ist der Enquiry zufolge die Beurteilung moralischer Sachverhalte der Beurteilung von Kunstschönem vergleichbar, für die im Gegensatz zur Beurteilung von natürlicher Schönheit ein Beitrag der Vernunft konstitutiv ist.56 Feder teilt
wound up, the motion of one communicates itself to the rest; so all the affections readily pass from one person to another, and beget correspondent movements in every human creature« (T 3.3.1.7). 52 Vgl. EPM 5.17: »That every thing, which contributes to the happiness of society, recommends itself directly to our approbation and good-will« sowie EPM App. 1.3: »This sentiment can be no other than a feeling for the happiness of mankind, and a resentment of their misery; since these are different ends, which virtue and vice have a tendency to promote. Here, therefore, reason instructs us in the several tendencies of actions, and humanity makes a distinction in favour of those, which are useful and beneficial.« 53 Vgl. Norton u. Kuehn: The Foundations of Morality (s. Anm. 34), die – allerdings mit Blick vor allem auf die künstliche Tugend der Gerechtigkeit – von einer two foundations-theory bei Hume mit den beiden Quellen von Selbstliebe und Sympathie sprechen. 54 Es ist strittig, inwieweit Hume für den Utilitarismus in Anspruch genommen werden kann. Zwar beruht moralische Wertschätzung nach Hume auf der Beurteilung von Nützlichkeit, anders als Bentham und Mill entwickelt er aber – wie auch Feder – keinen Kalkül für Nutzenvergleiche. Vgl. u. a. Herlinde Pauer-Studer: Kommentar. In: David Hume: Über Moral. Frankfurt a. M. 2007, S. 300– 305; Fredrick Rosen: Classical Utilitarianism from Hume to Mill. London, New York 2003, S. 29–57. 55 Das Verständnis von Sympathie als universale Anteilnahme am menschlichen Wohl bringt diese Passage zum Ausdruck: »Kein Mensch kann dem andern gleichgültig seyn, jeder ist Gegenstand des natürlichen Mitgefühls und Wohlwollens und der allgemeinen Begriffe von Gerechtigkeit und Billigkeit. Auf einen Theil der Menschheit eingeschränkt, wie wichtig uns derselbe auch als Gegenstand besonderer Pflichten ist, kämen sie immer in Gefahr mit Ungerechtigkeit sich zu vermengen« (Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Vierter Theil. Lemgo 1793, S. 244). 56 Vgl. EPM 1.9.
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mit Hume aber nicht nur die Moralbegründung, sondern auch die Kritik an den alternativen Theorien von ethischem Egoismus einerseits und moral sense-Theorien andererseits.57 Insgesamt ist deutlich, dass Feder mit dem ersten Teil der Untersuchungen die moralphilosophische Position Humes zu erneuern versucht.58 Dennoch ist Feders Auskunft, dass Hume nur »bey der ersten Entwickelung« seiner Moralkonzeption Pate stand, nicht gänzlich irreführend.59 Denn der dritte und vierte Teil der Untersuchungen enthalten Varianten der Moralbegründung, mit denen sich Feder von Hume entfernt.
Moral als Mittel zur Glückseligkeit Spätestens mit dem dritten Teil der Untersuchungen von 1786 wird deutlich, dass Feders Moralphilosophie über interne Spannungen verfügt. Zwar wiederholt Feder die Absicht, »die Gründe der Gerechtigkeit und Sittlichkeit, so wie sie in der menschlichen Natur liegen, mit möglichster Genauigkeit aufzusuchen«,60 und bekräftigt die Ansicht, dass der Mensch »vermöge des unabänderlichsten Grundgesetzes seiner Natur« nach Glückseligkeit strebt und daneben den Trieb fühlt, »nach anderer Menschen Bedürfnisse sich einzuschränken, und anderer Gut zu befördern«.61 Zugleich versucht Feder aber nachzuweisen, dass uns schon allein das Streben nach eigenem Wohlergehen einen Grund zu moralischem Handeln gibt. Unerwartet konkretisiert Feder den Begriff der Glückseligkeit anhand einer Güterlehre, nach der ein für die eigene Glückseligkeit notwendiges Gut durch moralisch verwerfliches Handeln verloren geht. Anhand einer – von ihm nicht als solche bezeichneten – Klugheitserwägung möchte Feder anscheinend den Zweifel ausräumen, dass die Sympathie eine zu schwache Ressource für das Befolgen moralischer Pflichten ausmacht, weil sie vor allem auf die Nahverhältnisse zwischen Personen bezogen und zudem für
57 Zur Ablehnung egoistischer Erklärungen bei Hume vgl. u. a. EPM 5.16f. und zur Kritik von moral sense-Theorien vgl. T 3.3.6.3. Mit ihrer Argumentation gegen den ethischen Egoismus knüpfen Hume und Feder an Hutcheson an. Zu Humes Kritik am ethischen Egoismus vgl. u. a. James Baillie: Hume on Morality. London, New York 2000, S. 147–152. 58 Brandt sieht Feder dagegen mit Kant in gemeinsamer Opposition zur empiristischen Moralphilosophie: »Beide halten im Urteil im Kontrast zu Hutcheson, Hume, Smith an der Möglichkeit eines rationalen Werturteils fest« (Reinhard Brandt: Feder und Kant. In: Kant-Studien 3/80 [1989], S. 249– 264, hier S. 254). Es ist jedoch falsch, aus Feders Kritik an moral sense-Theorien eine Ablehnung des moralischen Sentimentalismus insgesamt abzuleiten. Wie Hume kritisiert Feder moral senseAuffassungen auf der Basis alternativer sentimentalistischer Annahmen. 59 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 23. 60 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 3 (s. Anm. 14), S. VIII. 61 Ebd., S. 1.
Achim Vesper Verzerrungen anfällig ist.62 Nach Feder reicht die Kraft der Sympathie so weit, dass sie auch von primär auf Selbstinteresse bezogenen Akteuren nicht erfolgreich ignoriert werden kann.
. Innerweltliche Zufriedenheit Das im dritten Teil enthaltene vierte Buch über die Glückseligkeit geht von einer Unterscheidung von Scheingütern und wahren Gütern aus, wobei ein Scheingut »der Glückseligkeit im Ganzen mehr entzieht, als es ihr bringt, [und] besser entbehrt worden wäre«.63 Der falsche Glaube, das etwas ein Gut ist, hat nach Feder besonders schädliche Konsequenzen für die Lebensführung: »Nichts ist trüglicher, als der Schein von Glückseligkeit und Elend, nach welchem die Urtheile der meisten Menschen sich richten!«64 In diesem Zusammenhang bestreitet Feder eine einfache Äquivalenz der Begriffe des Guten und des Angenehmen: Es giebt freylich Arten von Vergnügungen oder angenehmen Gefühlen, mit deren Vorstellung die Vernunft in wohlgeordneten Gemüthern so widrige und abschreckende Vorstellungen, und so fest verknüpft hat; daß nicht wohl gefordert werden kann, daß sie dieselben unter der Idee von etwas Gutem irgend sich denken sollten.65
Wie Feder darstellt, können nicht alle Arten von Vergnügen als gut bezeichnet werden, da es beispielsweise episodische Vergnügen gibt, die ein späteres Missvergnügen verursachen. Stattdessen fällt ihm zufolge nur das unter den Begriff des Guten, »was an sich, das heißt in seiner natürlichen, eigenen Wirkung, bey einem angemessenen Verhalten, dem Menschen mehr angenehme als unangenehme Empfindungen verursacht«.66 Laut Feder ist etwas genau dann ein wahres Gut, wenn es sich langfristig positiv auf die Glückseligkeit auswirkt. Gesundheit, Liebe, Achtung durch andere oder auch zur Befriedigung von Naturbedürfnissen notwendige äußere Gegenstände sind Beispiele für Güter, die in der Regel mehr angenehme als un-
62 An anderer Stelle gesteht Feder Grenzen der Sympathie zu. Ihm zufolge folgt aus der von ihm befürworteten Kausalerklärung durch Ideenassoziation, »daß Personen von verschiedenem Alter, Geschlechte und Stande nicht völlig so gut mit einander sympathisieren, als diejenigen, die einander weniger unähnlich und ungleich sind« (Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1, [s. Anm. 2], S. 101). Außerdem hält er den Zugang zu den mentalen Zuständen anderer durch Sympathie für besonders irrtumsanfällig, weil er auf Imagination beruht: »Wenn aber nach jenem zuerst angezeigtem Grunde die Sympathie aus der Imagination entspringt: so ist begreiflich, wie leicht es kommen kann, daß einer die Empfindungen des andern weit verfehlt« (ebd., S. 103f.). 63 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 3 (s. Anm. 14), S. 110. 64 Ebd., S. 8. 65 Ebd., Tl. 3 (s. Anm. 14), S. 87. 66 Ebd., S. 109.
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angenehme Empfindungen bewirken.67 Auch wenn diese Güter keine dauerhaft angenehmen Zustände garantieren, machen sie ihr Eintreten immerhin wahrscheinlich. Außerdem behauptet Feder, dass unter allen Gütern innere wertvoller als äußere sind: »Die wichtigsten Güter und Uebel, von welchen die Glückseligkeit des Menschen am meisten abhängt, sind diejenigen, die er in sich selbst bewahret, und am meisten in seiner Gewalt hat.«68 Für den höheren Wert innerer Güter spricht ihm zufolge, dass sich Menschen in gleicher Umgebung in ihrer Glückseligkeit unterscheiden und wir durch Imagination den Einfluss der Umgebung auf unsere Glückseligkeit verändern können.69 Dagegen sind äußere Güter für Missbrauch anfällig und »dem Wechsel und der Vergänglichkeit so sehr unterworfen«.70 Anders als äußere zeichnet es innere Güter – etwa einen entwickelten Verstand – laut Feder aus, dass sie unter allen Umständen zur Glückseligkeit beitragen und deshalb für alle Menschen wertvoll sind. Daraus schließt Feder, dass nur innere Güter einen intrinsischen Wert haben: »Innere Güter also sind es, die den wahren Werth alles dessen, was außer der Seele ist, für jeden Menschen erst bestimmen. [...] Jene Güter allein haben einen entschiedenen Werth in sich selbst.«71 Unter allen inneren Gütern wiederum kommt dem tugendhaften Willen ein nochmals übergeordneter Wert für die eigene Glückseligkeit zu. Denn der Wille muss »um so mehr genannt werden [...], je mehr der Mensch mit diesem seinen Willen, so fern er ihn erkannt, immer zufrieden seyn kann, nicht nachher, wenn er gewirket hat, mit Reue und Mißfallen auf ihn zurückblicken muß«.72 Laut Feder genießt der tugendhafte Wille einen Vorzug gegenüber anderen Gütern, weil er durch Reuelosigkeit Zufriedenheit verschafft. Damit wendet er sich einem neuen Aspekt der moralischen Phänomenologie zu und behauptet, dass unmoralisches Handeln zu späterer Reue führt. Moralisches Handeln ist für alle nach Glückseligkeit strebenden menschlichen Wesen geboten, weil das übergeordnete Gut der Zufriedenheit durch Reue verloren geht. Feder erweitert seine Moralphilosophie, indem er eine Klugheitserwägung in die Moralbegründung einführt. Ihm zufolge verfügen alle Menschen über einen Grund für moralisches Handeln, der im Vermeiden von Reue als innerer Sanktion besteht. Feder ist der Ansicht, dass moralisches Handeln im eigenen Interesse liegt und wir schon aufgrund unseres Strebens nach Glückseligkeit den Forderungen der Moral nachkommen sollten. Wahrscheinlich ergänzt Feder seine Moralerklärung aus anthropologisch universalen Anlagen um eine prudentielle Erklärung, um auch jemandem wie Humes sensible knave einen Grund zur Tugend nachzuweisen, der nur 67 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 2), S. 109. 68 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 3 (s. Anm. 14), S. 14. 69 Vgl. ebd., S. 15ff. 70 Ebd., S. 17. 71 Ebd., S. 111. 72 Ebd.
Achim Vesper dann der Tugend folgt, wenn sie erkennbar seinem Selbstinteresse dient.73 Über den klugen Schuft sagt Hume, dass er tatsächlich keinen Grund zu tugendhaftem Handeln hat, wenn er für die Sympathie mit anderen einschließende moralische Gefühle taub ist: »If his heart rebel not against such pernicious maxims, if he feel no reluctance to the thoughts of villainy or baseness, he has indeed lost a considerable motive to virtue; and we may expect, that his practice will be answerable to his speculation.«74 Anders als Hume ist Feder der Meinung, dass auch eine ausschließlich egoistisch motivierte Person einen Grund hat, der Tugend gemäß zu handeln. Vielleicht entdeckt Feder bei Hume selbst das Potential für eine Entgegnung auf den Egoisten, bedenkt man den auf die Stelle über den sensible knave folgenden Ausblick am Ende des Treatise: Who can think any advantages of fortune a sufficient compensation for the least breach of the social virtues, when he considers, that not only his character with regard to others, but also his peace and inward satisfaction entirely depend upon his strict observance to them; and that a mind will never be able to bear its own survey, that has been wanting in its part to mankind and society?75
Ohne es näher auszuführen, geht Hume hier von einer engen Beziehung zwischen Tugend und Glückseligkeit aus. Er hebt hervor, dass die Tugend zum Ruhm beiträgt und inneren Frieden und Zufriedenheit befördert. Feder folgt dem Fingerzeig Humes, indem er von Reue als negativer innerer Sanktion bei untugendhaftem Handeln und dem Gewinn von Zufriedenheit bei tugendhaftem Handeln ausgeht. Allerdings hat in der Linie der Argumentation Feders auch der kluge Schuft ein Motiv zu tugendhaftem Handeln, das im Vermeiden von späterer Reue besteht. Nach seiner Vorstellung ist die Kraft der Sympathie so groß, dass sie nicht willentlich überwunden werden kann und sich spätestens in der Reue über eigene moralische Verfehlungen Bahn bricht. Man kann Feders Argumentation aber auch in Zweifel ziehen: Über das Gut der Zufriedenheit sagt Feder, dass es alle anderen Güter übertrumpft und daher nicht riskiert werden darf. Bei kritischer Betrachtung ist es aber nicht plausibel, dass Reuelosigkeit nicht in eine Güterabwägung einbezogen werden kann. Zum Beispiel kann man sich vorstellen, dass der mächtige Tyrann die innere Reue durch immer neue Vergnügen zu kompensieren in der Lage ist. Für ihn ist es rational, Reue als innere Sanktion hinzunehmen, wenn er aufgrund seiner Machtmittel ohne die Schranken der Tugend eine größere Summe an angenehmen Vergnügen erwerben
73 EPM 9.22. Zum sensible knave vgl. u. a. Stephen Darwall: The British Moralists and the Internal ›Ought‹. 1640–1740. Cambridge, New York 1995, S. 309–317. 74 EPM 9.23. 75 T 3.3.6.6.
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kann. Es ist nicht zu sehen, wieso die Reue nicht als Kaufpreis für andere Vergnügen rational akzeptabel sein sollte.
. Innerer Frieden nach dem Tod Im »Von der Tugend als dem höchsten Zweck bey der Bildung des Willens« betitelten dritten Abschnitt des 1793 publizierten vierten Teils beruft sich Feder auf eine Übereinstimmung unter Philosophen, soweit sie keine moralischen Skeptiker sind, nach der »unter allen Gütern [...] die Tugend den höchsten Werth habe«.76 Diese Position steht nach Feder auch denen offen, die den Wert der Tugend auf das Selbstinteresse zurückführen: Denn dieses gestehen auch diejenigen gerne ein, welche in ihren Untersuchungen über die menschliche Natur glauben gefunden zu haben; daß der allgemeinste Grundtrieb des Willens im Verlangen nach Wohlseyn und dem Abscheu vor Uebelseyn liege; indem sie die Tugend für die allerwesentlichste Bedingung und den wichtigsten Grund des dauerhaften Wohlseyns oder der Glückseligkeit erkennen [...].77
Es sollte Feder nicht entgangen sein, dass der Tugend nach dieser Argumentation nicht der höchste Wert zukommt, sondern ihr Wert dem der Glückseligkeit untergeordnet ist. Dessen ungeachtet ist Feder im vierten Teil besonders mit der Frage beschäftigt, ob seine eigene Position dem absoluten Wert der Moral gerecht wird, wobei er eine Reihe von Revisionen an seinem eigenen Ansatz vornimmt. Auch wenn Feder nicht auf Kant verweist, so ist es doch wahrscheinlich, dass er sich durch Argumente aus der Kritik der praktischen Vernunft unter Druck gesetzt sieht.78 Für Kants Kritik an Mitleidskonzeptionen der Moral sind zwei Argumente einschlägig: Gegen Mitleid als Quelle von Moral spricht nach Kant, dass (i) das moralisch Richtige und Falsche durch Mitleid unzuverlässig bestimmt wird und (ii) allein aus Mitleid ausgeführte Handlungen keinen moralischen Wert besitzen. Beide Behauptungen lassen sich in einer Passage der Kritik praktischen Vernunft auffinden, in der Kant der Neigung zum Pflichtmäßigen eine Rolle sowohl für die moralische Beurteilung als auch für die moralische Motivation abspricht:
76 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Tl. 4 (s. Anm. 55), S. 231. 77 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 3 (s. Anm. 14), S. 231f. 78 Feder ist mit der praktischen Philosophie Kants vertraut, wie u. a. aus seiner Rezension der Kritik der praktischen Vernunft (in: Philosophische Bibliothek 1 [1788], S. 182–218) und seinem Aufsatz Über die Kantische Moraltheologie (in: Philosophische Bibliothek 3 [1790], S. 142–194) hervorgeht. Vgl. Brandt: Feder und Kant (s. Anm. 58); Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, bes. S. 179–184, sowie als historische Quelle J. G. K Werdermann: Feder und Kant. Versuch zur Aufhellung einiger streitigen Punkte in den Gründen der Moralphilosophie. In: Berlinische Monatschrift 1 (1794), S. 309–338.
Achim Vesper Selbst eine Neigung zum Pflichtmäßigen (z. B. zur Wohlthätigkeit) kann zwar die Wirksamkeit der moralischen Maximen sehr erleichtern, aber keine hervorbringen. Denn alles muß in dieser auf der Vorstellung des Gesetzes als Bestimmungsgrunde angelegt sein, wenn die Handlung nicht blos Legalität, sondern auch Moralität enthalten soll. Neigung ist blind und knechtisch, sie mag nun gutartig sein oder nicht, und die Vernunft, wo es auf Sittlichkeit ankommt, muß nicht blos den Vormund derselben vorstellen, sondern, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, als reine praktische Vernunft ihr eigenes Interesse ganz allein besorgen. Selbst dies Gefühl des Mitleids und der weichherzigen Theilnehmung, wenn es vor der Überlegung, was Pflicht sei, vorhergeht und Bestimmungsgrund wird, ist wohldenkenden Personen selbst lästig, bringt ihre überlegte Maximen in Verwirrung und bewirkt den Wunsch, ihrer entledigt und allein der gesetzgebenden Vernunft unterworfen zu sein.79
Wie Kant hier deutlich macht, kommt einer Handlung nur dann Moralität zu, wenn sie aus Achtung vor dem Gesetz ausgeführt wird; außerdem ist das Mitleid anders als die vernünftige Überlegung ein unzuverlässiges Mittel, um das moralisch Richtige herauszufinden. Überraschenderweise scheint Feder beide gegen die Bedeutung der Neigung zum Pflichtmäßigen gerichtete Argumente zu akzeptieren. Zum einen schließt er sich der Meinung an, dass Neigungen eine Fehlerquelle für moralische Urteile bilden. Das kommt in seinen Ausführungen über den »Einfluß der Neigungen und Leidenschaften auf die Urtheile des Verstandes« zum Ausdruck: »Dadurch kann es geschehen, daß Menschen bey vielem pflichtmäßigen Eifer fürs Gute, keinen scharfen Richterblick auf die allzustarke Lieblingsneigung fallen lassen, bey den Scheingründen ihrer Rechtfertigung sich beruhigen, und so ihr moralisches Gefühl auf dieser Seite allmählig einschläfern und ihre Vernunft betäuben.«80 Entsprechend stellt er nun mit seiner Definition der Tugend als »die herrschende Neigung, nach bestmöglicher Erkenntniß, zu thun, was recht ist«, die kognitive Seite moralischer Urteile in der Erkenntnis von Nutzen und Schaden in den Vordergrund.81 Zum anderen stimmt Feder Kant darin zu, dass eine Handlung nur dann moralischen Wert erlangt, wenn sie aus dem Bewusstsein der Pflicht ausgeführt wird. Unter anderem sagt er, dass der moralische Wert den »innern Grund der Handlungen«82 betrifft und »nach der Reinigkeit und Erhabenheit der Beweggründe«83 zu
79 Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff. (im Folgenden AA Band, Seitenzahl), hier AA V, S. 1–163, spez. S. 118. 80 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 4 (s. Anm. 55), S. 260. 81 Ebd., S. 238. Bleibend ist der Unterschied zwischen Feder und Kant in ihren Auffassungen über den Inhalt des Prinzips moralischer Bewertung. So auch Brandt: Feder und Kant (s. Anm. 58), hier S. 254f.: »Die Differenz zwischen Feder und Kant liegt in der Bestimmung der Vernunft: Feder ist utilitaristisch orientiert und meint, über einen allgemeinheitsfähigen Begriff des jeweiligen Nutzens zu verfügen, auf den sich die Vernunft mit ihren moralischen Geboten beziehen kann.« 82 »Überhaupt aber muß bey dem Begriff der Tugend nicht bloß auf die Beschaffenheit des äußerlichen Verhaltens der Menschen gesehen werden, ob dasselbe gesetzmäßig, nützlich und anständig
Zwischen Hume und Kant
bestimmen ist, wobei nur das Pflichtbewusstsein ein angemessener Bewegungsgrund ist. Feder bekennt sich zu Kants Konzeption vom moralischen Wert und schließt sich der Meinung an, dass der wohltätigen Neigung wie auch der Klugheit entspringende Handlungsmotive keinen authentischen moralischen Wert besitzen: Daß der Gedanke Pflicht und Recht herrschende Triebfeder, höchster, über alle andere entscheidender Beweggrund sey, erfordert das absolute Wesen der Tugend. Dadurch erhebt sie sich über das Rechtverhalten aus knechtischer Furcht vor der Strafe oder selbstsüchtigem Lohndienste; so wie über das Rechtverhalten, welches auf blinden Naturtrieb, auf Mechanismus oder unaufgeklärte und eben daher unsichere Gefühle sich gründet.84
Nach Feder geht der absolute Wert der Tugend verloren, wenn diese auf Furcht vor Sanktionen oder auch auf dem Menschen dank seiner natürlichen Ausstattung zukommende Gefühle zurückgeführt wird. Anders als in den vorangegangenen Teilen des Werks scheint Feder nun davon auszugehen, dass eine Begründung von Moral durch Naturtriebe oder das Vermeiden von Sanktionen den Wert der Moral kompromittiert. Gleichwohl bleiben deutliche Meinungsunterschiede zwischen Feder und Kant vorhanden. Erstens behauptet Feder entgegen Kant, dass die Triebfeder für moralisches Handeln nicht in der Vernunft, sondern in einem sittlichen Trieb besteht. Aus Pflichtbewusstsein handelnde Akteure folgen nach Feders neuer Erklärung einem »Trieb zu allem, was recht ist«.85 Feder führt einen eigenen, aber im Unterschied zu den natürlichen Trieben von Selbstliebe und Sympathie künstlichen sittlichen Trieb ein, um der Autonomie der Moral gerecht zu werden. Zweitens bilden aus Pflichtbewusstsein handelnde Akteure nach Feder nur den Zielpunkt der moralischen Entwicklung. Auch wenn seiner Meinung nach das Motiv zu moralischem Handeln im Idealfall im Pflichtbewusstsein besteht, bedürfen moralische Akteure realistisch betrachtet einer motivationalen Hilfe: Aber kann die Tugend eines Menschen, bey diesem ihrem wesentlichen Grunde, der Hülfe anderer natürlichen Triebfedern ganz entbehren; des Gedankens an äußern, zeitlichen Vortheil oder Nachtheil, menschlichen Beyfall oder Tadel; aufmunternder Beyspiele und Ermahnungen; auch der Hoffnung eines Ersatzes in einem, künftigen Leben, für das, was sie hier der Pflicht aufopfert, duldet, entbehret? Oder sind ihr solche Aussichten und Hinsichten zu ihrer Unterstützung und Ermunterung noch bisweilen, noch oft nöthig?86
sey; sondern vielmehr auf den innern Grund der Handlungen. Denn der moralische Werth beruht hauptsächlich hierauf« (Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 4 [s. Anm. 53], S. 238). 83 Ebd., S. 253. 84 Ebd. 85 Ebd., S. 247. 86 Ebd., S. 253f.
Achim Vesper Geht man von einem realistischen Bild moralischer Akteure aus, so ist Feder zufolge deutlich, dass ein moralexterner Grund für moralisches Handeln im Streben nach innerweltlicher oder auch postmortaler Glückseligkeit erforderlich ist. Allgemein stellt Feder fest, dass »der allgemeinste unbezwingbare Grundtrieb des menschlichen Willens [...] immer der nach Wohlseyn« ist und tugendhaftes Handeln dem persönlichen Wohlergehen zugute kommt.87 So hält er es für gewiss, dass »die Tugend der sicherste und beste Weg ist selbst zum Besitze der äußern Güter«,88 auch wenn »die Wege der Tugend nicht die einzigen sind, die zur Erlangung und zum ruhigen Besitz der Glücksgüter führen«.89 Während die Tugend das beste Mittel für den Erwerb äußerer Güter darstellt, gibt es innere Güter, die ohne Tugend nicht erlangt werden können. Nach Feder handelt selbst der vollkommen Tugendhafte in Übereinstimmung mit der Tugend, weil er den Wert der Tugend für die inneren Güter von Zufriedenheit und innerer Freude kennt: »Denn er hat es empfunden und eingesehen, daß Zufriedenheit, daß innerer Friede von ihm weicht, wenn er diesen unabänderlichen Gesetzen seines inneren Richters, der Vernunft entgegen handelt.«90 Gegenüber dem dritten Teil schwächt Feder jedoch die Meinung ab, dass der Wunsch nach Zufriedenheit allen Akteuren einen Grund zum moralischen Handeln gibt. Vermutlich ist Feder zu der Erkenntnis gelangt, dass ein am Leiden anderer teilnahmsloser Akteur die Drohung, seine Zufriedenheit durch Reue zu verlieren, als leer betrachten wird.91 Nach Feders neuer Argumentation gibt es aber ein der Zufriedenheit übergeordnetes Gut, dass im inneren Frieden besteht: »Aber was ist der Besitz aller Glücksgüter und was ist aller Ruhm unter den Menschen gegen den innern Frieden, den nur allein die Tugend giebt?«92 Im Unterschied zum Begriff der 87 Ebd., S. 342f. 88 Ebd., S. 343. 89 Ebd. 90 Ebd., S. 281. 91 Man kann hier an Kants Kritik an Epikur denken, nach dem Glückseligkeit das höchste Gut ausmacht und durch Tugend erworben wird: »Der tugendhafte Epikur [fiel], so wie noch jetzt viele moralisch wohlgesinnte, obgleich über ihre Principien nicht tief genug nachdenkende Männer, in den Fehler, die tugendhafte Gesinnung in den Personen schon vorauszusetzen, für die er die Triebfeder zur Tugend zuerst angeben wollte.« Nach Kant lässt sich die Tugend gegenüber dem Skeptiker nicht dadurch rechtfertigen, dass sie zu einer ruhigen Seele verhilft. Diese Argumentation hält Kant für erfolglos, weil ein Akteur ohne moralisches Gefühl auch leugnen wird, dass unmoralisches Handeln durch negative moralische Gefühle der Zufriedenheit schadet: »Allein die Frage ist: wodurch wird eine solche Gesinnung und Denkungsart, den Werth seines Daseins zu schätzen, zuerst möglich, da vor derselben noch gar kein Gefühl für einen moralischen Werth überhaupt im Subjecte angetroffen werden würde? [...] [U]m ihn allererst tugendhaft zu machen, mithin ehe er noch den moralischen Werth seiner Existenz so hoch anschlägt, kann man ihm da wohl die Seelenruhe anpreisen, die aus dem Bewußtsein einer Rechtschaffenheit entspringen werde, für die er doch keinen Sinn hat?« (Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA V, S. 116). 92 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 4 (s. Anm. 55), S. 344.
Zwischen Hume und Kant
Zufriedenheit bezieht sich der Begriff des inneren Friedens auf das Fortleben der Seele nach dem Tod. Während das Streben nach innerweltlicher Zufriedenheit keinen ausreichend starken Grund für den Erwerb der Tugend darstellt, übertrumpft der Wunsch nach postmortalem inneren Frieden aufgrund seines überzeitlichen Charakters alle anderen Güter. Außerdem muss auch ein Akteur ohne sympathetische Gefühle um seinen inneren Frieden nach dem Tod besorgt sein, da er sich dem Einwirken Gottes und nicht seinen eigenen Gefühlen verdankt. Im inneren Frieden erkennt Feder einen ausreichend starken Grund für tugendhaftes Handeln, weil unmoralische Akteure fürchten müssen, nicht in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen zu werden. Feder greift auf Gott als externe Sanktionsinstanz zurück, weil diese den Akteuren einen gegenüber anderen Gründen ausschlaggebenden Klugheitsgrund gibt.93 Seine Argumentation führt Feder in einer Antwort auf die Frage zusammen, ob durch die Bezugnahme auf den postmortalen Zustand »niedrige, der Tugend unwürdige Triebe der Furcht oder Lohnsucht« ins Spiel gebracht werden.94 Dabei kritisiert er erneut die idealisierte Vorstellung von Subjekten, die allein durch Pflichtbewusstsein zu moralischem Handeln motiviert sind: Es ist immer ungründlich, wenn man das, was nach abgesonderten Begriffen denkbar, und höchstens bey einzelnen Subjecten, unter besondern innern und äußern Bedingungen, wirklich seyn kann, überall erwartet und fordert. Jene reine, erhabene Tugend, die zu jeder Pflicht fertig und bereit ist, einzig darum, weil diese Pflichten auf Wahrheit gegründet und auf das Beste im ganzen gerichtet ist – sey kein bloßes Ideal, habe reelle Möglichkeit und Wirklichkeit in einzelnen Individuen der Menschheit. Aber wie verhält sich die wirkliche Beschaffenheit der allermeisten Menschen, in allen auf einander folgenden Stufen des Alters, und unter den manchfaltigen äußern Verhältnissen zu diesem Ideal? Ist es nicht besser, die schwache Vernunft, indem ihr die innern Gründe der Pflicht, so weit es geschehen kann, erklärt und ehrwürdig gemacht werden, bis sie stark genug wird, diese allein sich bestimmen zu lassen, durch die schauderhaft großen Vorstellungen der Religion gegen die Leidenschaften zu verwahren [...]?95
Für ihre moralische Entwicklung ist es nach Feder wichtig, dass unmoralische Akteure um die Aufnahme in die Gemeinschaft mit Gott nach dem Tod fürchten müs-
93 Feder verwahrt sich allerdings dagegen, dass es sich um eine Klugheitsbegründung von Moral handelt, weil sich Klugheit ihm zufolge »bloß auf die äußern Angelegenheiten dieses Lebens« und die Geschicklichkeit, »sein Glück in der Welt zu machen«, bezieht (ebd., S. 402). Während Klugheit auf äußeres Wohl gerichtet ist, zielt Weisheit auf innere Güter und ist »nicht bloß auf dieses Leben« (ebd.) eingeschränkt. Es ist klar, dass Feder hier lediglich die Klugheit in der Wahl der Mittel zum Erwerb äußerer Güter von der Klugheit in der Wahl der Mittel zum Erwerb innerer Güter einschließlich des postmortalen inneren Friedens unterscheidet. 94 Ebd., S. 384. 95 Ebd., S. 385.
Achim Vesper sen.96 Der Nutzen des religiösen Motivs soll darin bestehen, dass aus Furcht vor dem Verlust von postmortalem inneren Frieden der moralischen Pflicht nachkommende Personen den Wert der moralischen Pflicht fortschreitend internalisieren und einen sittlichen Trieb ausbilden. Man kann jedoch fragen, wieso Gott moralische Pflichten durchsetzen sollte, die nicht von ihm festgelegt sind. Naheliegend ist der Gedanke, dass Gott moralischen Gesetzen deshalb zur Durchsetzung verhilft, weil sich ihr Inhalt seinem Willen verdankt. Feder zeigt sich zumindest offen für Erklärungen, die den Inhalt der Moral auf göttlichen Willen anstatt auf menschliche Anlagen zurückführen und nimmt damit eine Revision am Kern seines Projekts in Kauf: Er stellt seine ursprünglich zentrale These zur Disposition, dass die natürlichen menschlichen Anlagen die Grundlage für die Erklärung der Moral sowohl ihrem Inhalt als auch ihrem verpflichtenden Charakter nach bilden.
Schluss Es ist deutlich, dass Feder innerhalb der Untersuchungen einen Meinungswandel durchläuft. Wie stark dieser Meinungswandel ausfällt, lässt sich durch einen erneuten Vergleich mit Hume darstellen. In großen Teilen folgen die Untersuchungen Hume in der Erklärung der Tugend aus den Prinzipien der menschlichen Natur. Dabei besteht nach Hume ein Vorteil der naturalistischen gegenüber der theologischen Erklärung darin, dass sie mit dem wissenschaftlichen Fortschritt vereinbar ist und der Zuwachs von Wissen nicht die Stabilität der Moral bedroht.97 Das Ziel Humes besteht in der Etablierung einer säkularen Ethik, die auch nicht die mönchischen, auf das zukünftige Seelenheil bezogenen Tugenden privilegiert. Offenkundig versteht sich Feder zumindest zu Beginn der Untersuchungen als Teilnehmer an diesem Projekt; zu einem späteren Zeitpunkt gibt er jedoch das von Hume verfolgte Vorhaben einer säkularen Ethik auf und bezieht religiöse Überzeugungen in die Moralbegründung ein. Feder beginnt als Parteigänger Humes und geht im weiteren Verlauf des Werks zu zunächst auf innerweltliche, dann auf postmortale Glückse-
96 Anscheinend ist Feder von Kants Moraltheologie innerhalb der Postulatenlehre inspiriert. Anders als bei Kant bildet die Übereinstimmung von Glückseligkeit und Moral bei Feder aber nicht den Inhalt eines Postulats, sondern eine mit Wissensanspruch vertretene Überzeugung. 97 Diesen für Hume zentralen Sachverhalt beschreibt Schneewind wie folgt: »They [the moral sciences] enable us to understand why a descriptive natural science of causal connections, and a morality of useful and agreeable motives have nothing to fear from the advance of knowledge. Religion and the harmful morality associated with it, by contrast, are likely to lose their hold on us« (Jerome B. Schneewind: The Invention of Autonomy. A History of Modern Moral Philosophy. Cambridge, New York, S. 375).
Zwischen Hume und Kant
ligkeit bezogenen Klugheitstheorien über. Zwar stellt Feders Verwandlung vom Naturalisten zum Moraltheologen innerhalb eines Werks ein Kuriosum dar, man kann aber anhand Feders Positionswechseln die Schwächen empiristischer Moralbegründung kennenlernen. Dass sich Feders Ansichten in der Philosophie zu seiner Zeit in Deutschland nicht durchgesetzt haben, muss aber nicht an einer Verhinderung durch äußere Umstände liegen – es kann auch ihrer fehlenden Kohärenz geschuldet sein.98
98 Vgl. Kurt Röttgers: J. G. H. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 420–441.
Nele Schneidereit
Feder über das moralische Gefühl Das 18. Jahrhundert ist neben vielen anderen möglichen Beschreibungen ein Jahrhundert der Preisausschreiben. Eines der vielen Organe, die Preise auslobten, war das Stolpische Legat – eine heute noch bestehende holländische Stiftung, die der Großbürger Jan Stolp der Universität Leiden Mitte des 18. Jahrhunderts übereignet hat. Die Stiftung stellte alle zwei Jahre je im Wechsel Fragen zur »natürlichen Gotteslehre« und zur »geoffenbarten Sittenlehre«.1 Im Jahre 1772 wird die Frage veröffentlicht, »ob dem Menschen ein sittliches Gefühl angeschaffen ist, das sein Unterscheidungsvermögen des sittlich Guten steuert und das dazu anleitet, diesem nachzufolgen«.2 Die Frage also, ob der Mensch ein moralisches Gefühl hat, das zugleich als principium dijudicationis und als principium executionis in Fragen der Moral dienen kann. Den geistesgeschichtlichen Hintergrund der Preisfrage bilden die Schriften der englischen Moral Sense-Theoretiker, von denen viele seit Mitte des 18. Jahrhunderts in deutscher Übersetzung zugänglich waren und die Diskussion in Deutschland prägten. Johann Georg Heinrich Feder hatte sich im ersten Band seines erfolgreichen Lehrbuchs der practischen Philosophie von 1770 bereits zum moralischen Gefühl geäußert,3 und so reicht er eine gut 140 Seiten starke lateinische Abhandlung in Leiden ein, »der man aber nicht einmal das accessit zuerkannte«.4 Mir ist leider nicht bekannt, welche Abhandlung den Preis erhielt. 1776 jedenfalls veröffentlicht Feder die Abhandlung auf Deutsch,5 nebst einem im Lateinischen nicht enthaltenen Anhang Vom Gefühl des Schönen im Verhältnisse zum moralischen Gefühl, im Deutschen Museum in insgesamt vier, durch andere Texte voneinander getrennten Abschnitten. Im Jahr 1792 erscheint Über das moralische Gefühl als zusammenhängen-
1 Vgl. Ernst-Otto Onnasch: Über das Stolpische Legat. In: Michael Franz (Hg.): »… im Reiche des cavalieremente«? Materialien zum bildungsgeschichtlichen Hintergrund von Hölderlins, Hegels und Schellings Philosophiestudium an der Universität Tübingen. Tübingen 2005, S. 505–520, hier S. 505. 2 Ebd., S. 514. 3 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie. Bd. I. Lemgo 1770, I. Hauptteil, IV. Abschnitt, §§ 26–28. 4 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus anzunehmen geneigt sind. Leipzig 1825, S. 99. 5 Im Vorwort zur deutschen Publikation sagt Feder, sie sei ohne Änderungen gegenüber dem Original erfolgt. In der Biografie hingegen deutet er an, an den metaphysischen Grundlagen etwas verändert zu haben (vgl. ebd.).
https://doi.org/10.1515/9783110489439-009
Nele Schneidereit de Monographie. Es handelt sich bei dieser Publikation jedoch um einen Raubdruck.6 Feders Meinung zum moralischen Gefühl ist kurz und knapp gesagt, dass es ein solches jedenfalls nicht als Wirkung eines eigenen Sinns geben kann. Bevor ich auf Feders Argumente gegen die Moral Sense-Theorien und seinen eigenen Begriff moralischer Empfindungen eingehe, will ich einige systematische Aspekte der Diskussion um das moralische Gefühl bzw. den moralischen Sinn, den moral sense skizzieren. Daran werde ich kursorische Überlegungen zu den Gründen der Rezeption dieser Theorien im 18. Jahrhundert in Deutschland anschließen. In diesen systematischen und historischen Zusammenhang versuche ich meine Rekonstruktion von Feders Begriff des moralischen Gefühls und die frühe Version seiner Ablehnung des moralischen Gefühls als Effekt eines eigenen Sinns für das Moralische einzubetten. Es zeigt sich dabei, dass Feders Position im moderaten Sinne eklektisch ist,7 d. h. dass er bewusst eine Auswahl unter Versatzstücken verschiedener Theorien traf, wobei der Einfluss des Empirismus tatsächlich am stärksten ist.8 Es finden sich An-
6 Feder schreibt in seiner Biografie: »[Die] Abhandlung ist, ganz ohne mein Vorwissen, viele Jahre hernach in Dänemark besonders abgedruckt worden« (Feder: Leben [s. Anm. 4], S. 98). Feder erwähnt den Raubdruck eher mit Stolz als mit Bedauern über die späte Publikation, so dass man vielleicht davon ausgehen darf, dass er sie noch für aktuell hielt. Dafür spricht, dass er seine Haltung zu den Moral Sense-Theorien in seinem Hauptwerk, den Untersuchungen über den menschlichen Willen von 1779, beibehalten hat. 7 ›Eklektisch‹ ist im Zusammenhang der Philosophie des 18. Jahrhunderts spätestens seit Christian Thomasius im Gegensatz zu ›synkretistisch‹ kein pejorativer Ausdruck. Eklektische Philosophie wurde programmatisch als selbstbewusste, nicht autoritätshörige oder institutionengebundene Auswahl des Wahren aus der Tradition verstanden und betrieben, die nicht mit Synkretismus als unselbständige und unbewusste Vermischung zu verwechseln ist (vgl. Michael Albrecht: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte. StuttgartBad Cannstatt 1994, z. B. S. 20 u. S. 591). Zum Begriff Eklektik, seinen Bedeutungsgehalten sowie einer Abgrenzung zum Terminus einer eklektischen Philosophie vgl. Helmut Holzhey: Philosophie als Eklektik. In: Studia Leibnitiana XV (1983), H. 1, S. 19–29. Feder äußert sich in seiner Biografie ambivalent hinsichtlich des »Syncretismus«-Vorwurfs an seine Philosophie: »Ob es übrigens, überhaupt genommen, weniger Selbstthätigkeit, Denkkraft (vita propria) beweise, mannigfaltige Vorstellungsarten zu verarbeiten und zur Stärkung seiner individuellen GeistesBetriebsamkeit sich zu assimilieren, als seine eigene Vorstellungsart auszuspinnen, oder in eine einzige fremde, sehr künstlich verwickelte, will ich nicht entscheiden. Aber das weiß ich gewiß, daß ich mehr für mich gedacht als gelesen habe; und daß ich eben so wenig je Lockianer als Wolfianer, Crusianer oder Kantianer gewesen bin« (Feder: Leben [s. Anm. 4], S. 87f.). 8 Diese klare Zuordnung Feders zum Empirismus gegen die These der Allgemeinen Deutschen Biographie, dass Feder zeitlebens Wolffianer geblieben sei, findet sich bei Kurt Röttgers (vgl. Kurt Röttgers: J. G. H. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 420–441). Entschiedener als in der früheren Schrift Über das moralische Gefühl zeigt sich der Einfluss Lockes in Feders Untersuchungen über den menschlichen Willen (vgl. dazu den Artikel von Achim Vesper in diesem Band). Feder selbst gesteht in seiner Biografie, dass der Einfluss Wolffs im Lehrbuch noch zu stark gewesen sei (vgl. Feder: Leben [s. Anm. 4], S. 85). Das
Feder über das moralische Gefühl
klänge an Locke und Wolff9 sowie an Hutcheson und Smith. Feder hat sich zu dem Ineinanderweben unterschiedlicher Theorien gewissermaßen bekannt: »Aber daß ich furchtsam philosophire, und lieber nichts entscheide, wo ich Anstoß gegen heilsame Lehren befürchte, gestehe ich aufrichtig. Und sollte man je anders philosophiren, bey den bekannten unsichern Quellen, und der beständigen Ebbe und Fluth solcher Meynungen.«10
Moral Sense-Theorien und ihre Rezeption in Deutschland11 Eine Moralphilosophie muss zweierlei Anforderungen erfüllen. Sie muss erstens erklären, wie wir wissen können, was das moralisch Richtige ist (Möglichkeit moralischen Wissens/Urteilsbildung). Und sie muss zweitens klären, wie wir von dieser sittlichen Einsicht zur sittlichen Handlung kommen (Möglichkeit moralischer Motivation). An einer dieser beiden Stellen muss zudem geklärt sein, weshalb uns das als richtig Erkannte nicht gleichgültig ist (Normativität/Verpflichtung durch moralische Urteile). Die Frage nach der Möglichkeit der Erkenntnis des moralisch Richtigen lässt sich auf vielfältige Weise beantworten. Grob unterteilen lassen sich Ansätze, die moralische Urteile auf Vernunfteinsicht zurückführen und solche, die moralische Einsicht kategorial von der rationalen Erkenntnis nicht-moralischer Zusammenhänge unterscheiden. Zu dieser zweiten Gruppe gehören die Theorien des Moral Sense, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem bei dem Locke-Schüler Shaftesbury und in dessen Nachfolge bei Francis Hutcheson,12 der
Gleiche kann vermutlich für die zeitnah entstandene Abhandlung Über das moralische Gefühl gelten. 9 Reinhard Brandt spricht von einer »verharmloste[n] Wolffsche[n] Philosophie«, die Feder über die von Locke inspirierte »empirische Basis« »gestülpt« habe (vgl. Reinhard Brandt: Feder und Kant. In: Kant-Studien 80 (1989), S. 249–264, hier S. 252). In dem Teil meiner Ausführungen, in dem es um das moralische Gefühl als principium executionis bei Feder geht, findet sich ein Beispiel dieser Verharmlosung mit Feders Entkernung des Vollkommenheitsideals. 10 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 3), unpag. (Vorrede zur ersten Auflage, 1769/70). Vgl. auch oben Anm. 7. Gleichwohl scheint es nicht ganz zulässig zu sein, das »Bedürfnis nach einem ›Mittelweg‹« für »typisch für Feder« zu halten, wie Luigi Marino meint (vgl. Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, S. 170), denn Feder trifft eine bewusste und von ihm selbst als selbständig aufgefasste Auswahl unter den überlieferten Theoriestücken. 11 Eine Reihe von Hinweisen zu diesem Abschnitt habe ich von Michael Walschots erhalten. 12 Zum sowohl historischen als auch systematischen Verständnis dessen, was der Moral Sense bei Hutcheson bedeutet, vgl. den immer noch lesenswerten Artikel von William Frankena, der Hutchesons Position als Non-Kognitivismus auszeichnet, insofern moralische Urteile eine eigene Art der Reaktion auf wahrgenommene Qualitäten von Handlungen sind, die der Zeit nach zuerst gefühls-
Nele Schneidereit wiederum David Hume und Adam Smith beeinflusste,13 entstanden sind. Dazu gehört auch der Non-Kognitivismus des 20. Jahrhunderts.14 Der Grundgedanke dieser Theorien ist, dass moralische Urteile von eigener Art sind, die sich nicht auf die Prinzipien rationaler Erkenntnis nach dem Ideal mathematischer Demonstration reduzieren lassen, bzw. dass moralische Tatbestände genuin sind, sich also nicht aus anderen ableiten lassen oder aus einer Zusammensetzung nicht-moralischer Eigenschaften bestehen. Der Vorteil von moralphilosophischen Theorien, die die Prinzipien moralischer Urteilsfähigkeit statt auf Vernunft auf einen eigenen Sinn oder ein Gefühl zurückführen, ist vorderhand, dass sie nicht erklären müssen, wie man von der vernünftigen Erkenntnis des Richtigen zur moralischen Handlung kommt. Dies ist ein notorisches Problem rationalistischer Positionen in der Moralphilosophie. Allerdings wird es auch durch Moral Sense-Theorien oft nur unzulänglich geklärt, da diese das moralische Gefühl vor allem zur Begründung moralischer Einsicht heranziehen, dann aber immer noch erläutern müssen, wie wir vom Urteilen zum Handeln übergehen. Zunächst einmal besteht hier eher ein assoziativer Zusammenhang, der dadurch entsteht, dass bei Moral Sense-Theorien das Gefühl an der Urteilsfindung überhaupt beteiligt ist und Gefühle eher zu Handlungen anregen als Vernunfturteile. Was jedoch sehr viel einfacher gelingt als bei rationalistischen Theorien ist, die Normativität des moralischen Urteils zu erklären. Die Erkenntnis des Guten und Rechten ist mit dem (moralischen) Gefühl des Wohlgefallens/der Billigung unmittelbar verbunden bzw. die Erkenntnis des moralisch Guten und Rechten besteht in diesem Wohlgefallen selbst oder wird durch es erst bewirkt. Der Übergang vom Urteil zum Handeln ist hiermit aber noch nicht automatisch gewährleistet, wenngleich er dadurch erleichtert ist, dass uns das als moralisch gut Beurteilte nicht gleichgültig ist. Ein tatsächlicher Vorteil von Moral Sense-Theorien ist weiterhin, dass sie meist von einer genuinen Quelle des Moralischen ausgehen; moralisch Gutes also nicht einfach nur angenehm ist. Denn mit einer Theorie, die einen kategorialen Unterschied zwischen natürlichem und moralischem Guten (Hutcheson), mäßig ist, aber dennoch systematisch auf eruierbaren Gründen beruht (»propositions about the benevolent or malevolent motives and results of actions and characters«; vgl. William Frankena: Hutcheson’s Moral Sense Theory. In: Journal of the History of Ideas 16.3 (1955), S. 356–375, hier S. 376f.). Der Non-Kognitivismus Hutchesons ist also keinesfalls ein bloßer Expressivismus. 13 Zur historischen Genese und Entwicklung der Moral Sense-Theorien vgl. Wolfgang Schrader: Ethik und Anthropologie in der englischen Aufklärung. Der Wandel der moral-sense-Theorie von Shaftesbury bis Hume. Hamburg 1984. 14 Vgl. Jürgen Sprute: Der Begriff des Moral Sense bei Shaftesbury und Hutcheson. In: KantStudien 71.2 (1980), S. 221–237, hier S. 223; auf S. 237 konstatiert Sprute eine Ähnlichkeit Hutchesons zu non-kognitivistischen Positionen, die auch deskriptive Zugänge zu moralischen Urteilen zulassen wie Hare und Stevenson. Sprute betont schon für Shaftesbury das Zusammenwirken von Vernunft und Gefühlen im moralischen Urteil (ebd., S. 228f.). Das setzt sich bei dessen Nachfolger Hutcheson fort.
Feder über das moralische Gefühl
zwischen Natur und Freiheit (Kant) einführt, kann das Auseinanderfallen von Neigung und Sollen besser erläutert werden, durch das moralisch relevante Situationen meist gekennzeichnet sind. Der Nachteil von Moral Sense-Theorien ist, dass diese Theorien relativ ›teuer‹ sind, d. h. dass jedenfalls einige (wenige) Theoretiker des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts einen eigenen Sinn für das Moralische analog dem Sinn für das Schöne annehmen und dann eben auch die Existenz eines solches Sinns nachweisen müssen. Tun sie das nicht, so müssen sie doch immerhin von der nur dem moralisch Guten und Rechten eigenen Qualität ausgehen, die wahrgenommen und gebilligt wird. Nehmen sie keinen eigenen Sinn oder objektiv genuine Eigenschaften des Moralischen an, so haben sie eine schwer zu leugnende Tendenz zum Subjektivismus, was dann eben auch Relativismus und am Ende Skeptizismus in der Moral bedeutet. Da es sich bei Moral Sense-Theorien um Positionen des Moralischen Realismus handelt, wäre eine solche Konsequenz keinesfalls akzeptabel. Ganz verzichten können Moral Sense-Theorien daher nicht auf die starke Annahme eines eigenen Sinns bzw. genuin moralischer, objektiv feststellbarer Eigenschaften, doch handelt es sich bei den moralischen Urteilen in der Regel nicht um reine Gefühlsreaktionen, sondern um Vernunfturteile, deren normative und motivierende Kraft durch die (im Erkenntniszusammenhang primäre) Beteiligung der Wahrnehmung einer spezifisch moralischen Qualität entsteht. Hume und Smith schon gar nicht, aber auch Shaftesbury oder Hutcheson lassen sich daher nicht durchgehend als non-kognitivistische Positionen beschreiben. Moralische Urteile beruhen bei ihnen immer sowohl auf dem Moral Sense, verstanden als Vermögen der Billigung des Guten und Rechten, als auch auf Vernunft, verstanden als Erkenntnisquelle des Guten und Rechten, dessen Eigenheit jedoch nur durch Billigung erfasst wird. Eines eigenen Sinns für das Moralische bedarf es dabei nicht, wohl aber der Empfänglichkeit des inneren Sinns für die ureigene Qualität des Moralischen, die unmittelbar auf uns wirkt, aber (ex post) auf einen vernünftigen Grund zurückführbar ist. Shaftesbury wendet sich in seinen moralphilosophischen Schriften insbesondere gegen Hobbesʾ rein rationalistisches Weltbild, in dem der Mensch zu echter Tugend nicht fähig ist. Shaftesbury nimmt demgegenüber eine natürliche Neigung des Menschen zu Tugend und Wohlwollen gegen andere an. Seine Überlegungen zum moralischen Sinn prägten Hutcheson, der sie gegen die Polemik Mandevilles (in der Fable of the Bees) verteidigte und ihnen größere Systematizität verlieh. In seiner 1725 veröffentlichten Inquiry into the Original of Our Ideas of Beauty and Virtue stellt Hutcheson den moralischen Sinn als das Vermögen dar, moralische Güte in Handlungen wahrzunehmen, deren Nutznießer wir nicht sind. Moralische Güte bestimmt er als die »Idee einer gewissen in Handlungen erfaßten Qualität, die Billigung und Liebe für ihren Urheber hervorruft, und zwar seitens derer, die keinen Vorteil durch
Nele Schneidereit die Handlung erhalten«.15 Dieser innere Sinn für das Moralische in einer wahrgenommenen Handlung, die uns nicht unmittelbar betrifft, löst in uns das Gefühl des Wohlgefallens aus (moralisches Urteil), durch das dann Wohlwollen gegenüber dem Verursachenden und der Wunsch, so zu handeln wie er, in uns verursacht werden (moralische Motivation). Hutcheson ist bei der Einführung des moralischen Sinnes überaus vorsichtig (Dieter Henrich nennt sein Vorgehen »verlegen«16). Er wird über ein mit zahlreichen Beispielen angereichertes Negationsverfahren eingeführt, mit dem Hutcheson zeigen will, dass eine Reihe unserer Einstellungen nicht erklärbar wären, wenn wir ausschließlich aus Gründen der Selbstliebe handelten, also allein nach dem natürlichen Guten (dem Nützlichen und Angenehmen) strebten. Er folgert aus Beobachtung, dass es noch ein weiteres Prinzip menschlichen Strebens geben muss, nämlich das Wohlwollen gegen andere bzw. für die Allgemeinheit. Dieses natürliche Wohlwollen ist die »allgemeine Grundlage unseres Sinnes für das moralisch Gute oder Schlechte«.17 Unsere Empfänglichkeit dafür, ob eine Handlung aufgrund dieses Wohlwollens ausgeübt wird, nennt Hutcheson den moralischen Sinn, der also die Fähigkeit zur Erkenntnis des moralisch Guten in Absetzung vom natürlichen Guten bezeichnet. Welche Handlung das höchste Maß an moralischer Güte hat, entscheidet sich empirisch, hinsichtlich der besten Folgen für die Allgemeinheit, es handelt sich um das empirisch festgestellte moralische Kriterium des größten Glücks der größten Zahl.18 Dieses Kriterium folgt der empirisch angelegten vermögenstheoretischen Analyse der moralischen Urteilsfähigkeit und der Feststellung des zugrundeliegenden Prinzips des Wohlwollens aber immer nur nach. Gleichwohl schätzt Hutcheson die Bedeutung von Erfahrung für ein tugendhaftes Leben sehr hoch ein, denn das Vermögen der Wahrnehmung des spezifisch Moralischen ist zwar angeboren, bedarf aber der Kultivierung durch – idealiter religiöse – Erziehung, da es sich zunächst bloß um ein Vermögen handelt. Die Radikalität der Moral Sense-Theorien Shaftesburys und Hutchesons liegt in der Einführung eines vollkommen vom rational-naturalistischen Zugang zur Welt unterschiedenen Prinzips der Selbstlosigkeit, dessen Faktizität durch Empirie belegbar ist und für dessen Wahrnehmung sie eine gewisse Empfindlichkeit anneh-
15 Francis Hutcheson: Über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend. Übers. und hg. von Wolfgang Leidhold. Hamburg 1986, S. 13. 16 Hutcheson führe »[n]ur verlegen und mit viel Sympathie für den Versuch, die Sittlichkeit aus der Vernunft zu verstehen, […] den moral sense als die einzige Antwort auf das Problem der sittlichen Einsicht ein«. Zudem sei der Moral Sense bei Hutcheson nicht als »Sinn in der üblichen Bedeutung« zu verstehen (vgl. Dieter Henrich: Der Begriff der sittlichen Einsicht und Kants Lehre vom Faktum der Vernunft. In: Gerolf Prauss [Hg.]: Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln. Köln 1973, S. 223–254, hier S. 237f.). Vgl. auch Frankena: Hutcheson (s. Anm. 12). 17 Hutcheson: Über den Ursprung (s. Anm. 15), S. 65. 18 Vgl. ebd., S. 71.
Feder über das moralische Gefühl
men mussten, die sie Moral Sense nannten.19 Diese Radikalität ist in der stark von Wolffs Monismus geprägten Philosophie in Deutschland kaum wahrgenommen worden. Gleichwohl übten sowohl Shaftesbury als auch Hutcheson einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die deutschsprachige Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts aus, da man meinte, mit diesem Ansatz das Problem des Übergangs von moralischer Einsicht zu moralischer Handlung in den Griff zu bekommen, das mit Wolffs Psychologie nur unzureichend gelöst war.20 Im Kreis der Berliner Aufklärung wurde insbesondere Shaftesbury wirksam.21 Die zügige Rezeption der Gefühlsethiker in Deutschland Mitte des 18. Jahrhunderts ist durch zunehmende Zweifel am Rationalismus auch und gerade in der praktischen Philosophie zu erklären.22 An dem Problem der Verbindlichkeit, wie man also von der Erkenntnis zur vernünftigen Handlung kommt, zu der man sich zudem selbst verpflichtet, laborierte Wolff selbst mit dem Begriff »moralische Notwendigkeit«, der Wolffianer Alexander Baumgarten mit dem der »moralischen Nötigung«.23 Für diese Theorien war erforderlich, von
19 Hutcheson ist darüber überaus klar: »[A]s we immediately perceive the difference in kind […]; so we immediately discern moral good to be superior in kind and dignity to all others which are perceived by the other perceptive powers« (Francis Hutcheson: A System of Moral Philosophy in three Books. Written by the Late Francis Hutcheson, L.L.D., Published From the Original Manuscript by his Son Francis Hutcheson, M.D. Glasgow, London 1755, S. 61). 20 Shaftesburys Schriften wurden seit Ende der 1730er Jahre ins Deutsche übertragen. Eine von Hölty und Benzler edierte deutschsprachige Ausgabe seiner Werke erschien 1776–1779 in drei Bänden. Shaftesburys Inquiry Concerning Virtue übersetzte Spalding 1747 ins Deutsche. Hutchesons System of Moral Philosophy wurde 1756, bereits ein Jahr nach seiner postumen Erstpublikation 1755, von Lessing übersetzt. Seine heute bekanntere Inquiry übertrug Johann Heinrich Merk 1762 ins Deutsche. 21 Vgl. dazu vor allem Mark Georg Dehrmann: Das Orakel der Deisten. Shaftesbury und die deutsche Aufklärung. Göttingen 2008. 22 Gegen den Erklärungsmonismus des Rationalismus hatte sich bereits Crusius gewandt, indem er Wohlgefallen und die Bestimmung des Begehrungsvermögens (»praktische Lust«) voneinander unterschied und den Willen als eigenständiges Vermögen darstellte. Laut Henrich ist Kants Abwendung von der Philosophia practica universalis Wolffs nicht zuletzt auch dem Einfluss Crusiusʾ zuzuschreiben (vgl. Henrich: Begriff der sittlichen Einsicht [s. Anm. 16], S. 237). 23 Zur systematischen Verschiebung von Notwendigkeit zu Nötigung vgl.: Clemens Schwaiger: Alexander Gottlieb Baumgarten – ein intellektuelles Porträt. Studien zur Metaphysik und Ethik von Kants Leitautor. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, auch ders.: Christian Wolffs ›Philosophia practica universalis‹. Zu ursprünglichem Gehalt und späterer Gestalt einer neuen Grundlagendisziplin. In: Luigi Cataldi Madonna (Hg.): Macht und Bescheidenheit der Vernunft. Beiträge zur Philosophie Christian Wolffs. Gedenkband für Hans Werner Arndt [= Wolffiana I]. Hildesheim u. a. 2005, S. 219– 233. Zu systematischen Schwierigkeiten von Wolffs Lösung des Motivationsproblems vgl. Dieter Hüning: Christian Wolffs ›allgemeine Regel der menschlichen Handlungen‹. In: Jahrbuch für Recht und Ethik 12 (2004), S. 91–113, hier S. 102. Henrich zeigt, dass Kant »Mängel in der Analyse des Begriffs der Verbindlichkeit« bei Crusius und Wolff gleichermaßen sah und diese für die Probleme der »praktischen Weltweisheit« verantwortlich machte. Gegenüber beiden habe Kant Hutcheson
Nele Schneidereit einer Einheit des Natürlichen und des Guten auszugehen, durch die gewährleistet werden konnte, dass das als gut Erkannte (der Vollkommenheit Zuträgliche) in der Weise auf das Begehrungsvermögen wirkt, dass wir danach handeln wollen. Der von Wolff und Baumgarten beeinflusste Moses Mendelssohn schließlich versuchte, dem Problem durch ein spezifisches Vermögen der Billigung zu begegnen.24 Verstärkt wurden die Schwierigkeiten, das Problem des Übergangs von Wissen zu Handeln durch Nötigung und Rührung zu erklären, durch das zunehmende Bewusstsein davon, dass gerade die moralischen Grundsätze nur schwer erkennbar und dann schwer anwendbar sind, weil Situationen oft undurchschaubar sind oder Schnelligkeit erfordern. Nicht nur moralische Motivation war durch die Zweifel am verbindlichen Charakter moralischen Wissens schwer begründbar geworden, auch das moralische Wissen selbst erwies sich als demonstrativischer Gewissheit meistens unfähig. Zugleich war den Autoren klar, dass gerade das moralische Urteil oft schnell und ohne Zweifel gefällt werden muss. Mendelssohn war diesem Problem durch einen in moralischen Fragen alltagstauglichen »Bonsens« begegnet, der durch Erfahrung und Erziehung ausgebildet wird und der in den meisten Fällen das Räsonnieren ersetzen kann und muss.25 Anhänger des gesunden Menschenverstandes sind Autoren wie Mendelssohn gleichwohl nicht geworden – der Mensch bedarf der Übung, Anleitung und zuweilen auch milder Sanktionierung, um moralisch zu werden. Jedes moralische Urteil wäre bei ihnen prinzipiell demonstrativischer Gewissheit fähig, sofern es wahr ist. Die Theoretiker des Moral Sense hatten sowohl auf das Problem der moralischen Motivation als auch auf das der problematischen Erkennbarkeit moralischer Grundsätze eine Antwort, die darin bestand, moralische Erkenntnis unmittelbar mit der Wahrnehmung moralischer Billigung zu begründen, die dann erst Grundlage moralischer Reflexion ist, die auf die rationalisierbaren Grundsätze des Gebilligten geht, aber eben zugleich auch die Grundlage moralischer Motivation ist. Diese systematische Umstellung von rational-naturalistischer Erkenntnis auf eine unmittelbare Wahrnehmung von Wohlgefallen an Tugend, die nicht aus anderen Eigenschaften hergeleitet werden kann, wie sie sich bei den Moral Sense-Theoretikern findet, sind die moderaten Wolffianer meines Wissens in keinem Fall mitgegangen, obwohl sie die Attraktivität dieser Position sehr wohl erkannt hatten. Das gilt auch für Mendelssohn, dessen bon sens eher mit Wolffs Begriff einer ›Fertigkeit‹ zu vergleichen wäre, also einer Schnelligkeit des Urteils, die aus Übung entsteht, die aber immer rein rationale Gründe hat. Gleichwohl musste die Integration von Gefühlen vorgezogen (vgl. Dieter Henrich: Über Kants früheste Ethik. Versuch einer Rekonstruktion. In: KantStudien 54 [1963a], S. 404–431, hier S. 416). 24 In seiner späten Schrift Morgenstunden oder Vorlesungen über das Dasein Gottes (1785). 25 Vgl. Moses Mendelssohn: Abhandlung über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften [1763]. In: ders.: Metaphysische Schriften. Hg. von Wolfgang Vogt. Hamburg 2008, S. 23–90, hier S. 61.
Feder über das moralische Gefühl
zur Erklärung moralischer Motivation und von Alltagsmoral attraktiv sein. Meist wird das Gefühl hier aber als moral-erleichternde Beigabe (nötig für den neigungsnahen Durchschnittsmenschen oder in Situationen, die schnelles Handeln erfordern) und nicht als eigene Quelle moralischer Urteile ausgezeichnet. Zwar geht Feder das epistemische Problem in der praktischen Philosophie durch Umstellung auf den Empirismus anders an, in der Handlungstheorie jedoch macht er von der deutschen Tradition rationalistischer Rezeption der Moral sense-Philosophie keine Ausnahme, wie die nun folgende Darstellung seiner Theorie eines moralischen Gefühls zeigt.
Feder über das moralische Gefühl Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl sind der Ansicht, dass Feder einer der ganz Wenigen gewesen ist, der auf dem Kontinent eine Gefühlsethik vertreten habe,26 und Gustav Zart meint, dass der Haupteinfluss auf Feders praktische Philosophie nicht Locke, sondern Hutcheson zuzuschreiben sei.27 Manfred Kuehn schließlich vertritt die Auffassung, dass sich starke Parallelen zwischen Feder und der schottischen Common Sense-Philosophie finden.28 In gewisser Hinsicht sind alle drei Lesarten sicherlich zutreffend. Die stärksten Einschränkungen sind dabei hinsichtlich der von Kuehn beobachteten Nähe von Feder zur Common Sense-Philosophie zu machen. In der praktischen Philosophie jedenfalls kann keine besondere Nähe zwischen Reid, Oswald, Beattie und Feder geltend gemacht werden, da Feder ja gerade keine eigenständigen First Principles für das moralische Urteilsvermögen annimmt.29 Es sind jedoch auch mit Blick auf die These, dass Feder eine Gefühlsethik vertreten habe, Bedenken anzumelden oder jedenfalls Einschränkungen zu erwägen, wie ich im Folgenden zeigen werde. Eine Nähe von Feders Theorie des moralischen Gefühls zur Moral Sense-Philosophie Shaftesburys, Hutchesons und Humes ist nur
26 Vgl. Günter Gawlick u. Lothar Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 115. Die »einschlägigen Texte Feders als eines Anhängers der Gefühlsethik« erscheinen in den 1770ern, laut Gawlick u. Kreimendahl dem kurzen »Intervall«, in dem eine nicht auf Rationalität gegründete Sittenlehre in Deutschland »hätte Fuß fassen können« (vgl. ebd., S. 118 sowie ebd. Anm.). 27 Vgl. Gustav Zart: Einfluss der englischen Philosophen seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts. Berlin 1881, S. 150. Zart betont aber auch, dass die Argumente, die Feder »gegen Hutcheson und die Schotten richtete, […] schärfer und weitergehend als die irgend eines deutschen Philosophen vor ihm [sind]« (ebd., S. 131). 28 Vgl. Manfred Kuehn: Scottish Common Sense in Germany, 1768–1800. A Contribution to the History of Critical Philosophy. Kingston, Montreal 1987, S. 70–85. 29 Ganz deutlich nachzulesen in: Johann Georg Heinrich Feder: Rezension: Essays on the active powers of man. By Thomas Reid, 1788. In: Philosophische Bibliothek 2 (1789), S. 83–118, S. 112f.
Nele Schneidereit mit einem Verständnis dieser vereinbar, in dem das moralische Gefühl nicht Erkenntnisgrund oder an diesem Grund irgendwie mitbeteiligt ist – eine schwer mit dem Textbefund der entsprechenden Theoretiker zu vereinbarende Interpretation. Das moralische Gefühl ist bei Feder nämlich immer nachfolgender Effekt des zugrundeliegenden Vernunfturteils über das Gute und Rechte. Das effektuierte Gefühl ist bei Feder zudem nicht genuin tugendbezogen, sondern es handelt sich um eine zusammengesetzte Empfindung von nichttugendbezogenen Qualitäten. Am unproblematischsten ist die Behauptung Zarts, dass Feder in der praktischen Philosophie am stärksten von Hutcheson beeinflusst war. Allerdings ist auch das noch nicht die ganze Geschichte, denn Feders Bezug ist durchaus kritisch und seine Ausführungen zum moralischen Gefühl sind zudem in starkem Maße von Locke und Smith sowie nicht zuletzt von Wolff beeinflusst.
. Feders Interpretation der Moral Sense-Philosophie Feder kündigt in seiner Abhandlung Über das moralische Gefühl die Klärung folgender Fragen an, über die schon seit einem »halben Jahrhundert« gestritten werde: »Giebt es ein moralisches Gefühl? Wiefern hat es der Mensch von Natur? Was sind seine eigentlichen Gründe? Und was hat es also für einen Werth in Ansehung der Erkenntnis und Empfehlung der Pflichten?«.30 Im ersten Abschnitt erläutert Feder die Grundlagen der Frage, ob es ein moralisches Gefühl gibt. Gegenstand des zweiten Teils ist ein knapper historischer Abriss der Theorien des moralischen Gefühls. Der dritte Abschnitt stellt schließlich die systematische Kernfrage, ob das moralische Gefühl bloß Grund moralischer Billigung, also vernünftiger Erkenntnis des Guten immer nur nachfolgend ist, oder ob es selbst alleiniger Erkenntnisgrund des Guten und also von ganz anderer Art als Vernunfterkenntnis ist. Im vierten Abschnitt geht es um die Wechselwirkungen des Gefühls des Schönen und des moralischen Gefühls.31 In der Tat – hier ist Gawlick und Kreimendahl recht zu geben – hält Feder moralische Empfindungen für zentral, er unterscheidet allerdings zwischen dem moralischen Gefühl als Erkenntnisgrund des moralischen Urteils und dem moralischen Gefühl als Billigungsgrund des moralischen Vernunfturteils. Das moralische Gefühl kann entweder der rationalen Erkenntnis des moralischen Guten und Rechten nachfolgen und so die Normativität des als gut Erkannten erklären (»Empfehlung und 30 Johann Georg Heinrich Feder: Über das moralische Gefühl. Leipzig, Kopenhagen 1792 [1776], unpag. [S. V]). 31 Die §§ 89–99 des Abschn. II der Untersuchungen über den menschlichen Willen von 1779 sind wesentlich konziser als die lange und zum Teil redundante Abhandlung Über das moralische Gefühl. Gleichwohl werden die eingehenden Motive und Einflüsse eher in der längeren frühen Schrift deutlich, weshalb sie hier vornehmlich zur Darstellung kommt.
Feder über das moralische Gefühl
Billigung« desjenigen, dessen Folgen gut/am wenigsten schädlich sind32) oder aber es ist selbst der Erkenntnisgrund des moralisch Guten, das mit der rationalen Bewertung nützlicher/schädlicher Folgen gar nichts zu tun hat. So Feders systematischer Zugriff auf die Frage nach der Existenz eines moralischen Gefühls; er lehnt die zweite Position vehement ab, unterstützt hingegen die erste. Interessanterweise weist er den bekannten Vertretern der Lehre des moralischen Gefühls, Shaftesbury, Hutcheson und Hume, ausnahmslos auch die erste Variante zu.33 Allen vier Denkern gehe es um die Bestimmung des gemeinen Besten, und die sei »Sache des Verstandes«.34 Zwischen Shaftesbury und Hutcheson macht Feder keine systematischen Unterschiede aus, und auch der dieser beiden zu Hume ist in Feders Lesart eher subtil. Shaftesbury und Hutcheson verstünden es als eine »ursprüngliche Bestimmung unserer Natur«, dass wir dem moralisch Guten Beifall spenden, bei Hume hingegen fülle das moralische Gefühl die Lücke, die er zwischen der Feststellung des Nützlichen und Schädlichen und unserer Affizierung durch dieses Vernunfturteil sehe.35 Auf das Empfinden von Lust und Unlust als Quelle des moralischen Gefühls bei Hume geht Feder gar nicht eigens ein. Da Feder nicht der Ansicht ist, dass die genannten Autoren davon ausgingen, es gebe einen moralischen Sinn, kommt er selbst zu der Frage: »Wo kömmt denn nun die Meynung her, daß das moralische Gefühl ein von der Vernunft unabhängiges, oder ihr wohl gar entgegengeseztes Vermögen […] wäre; und von wem ist sie angenommen worden?«36 Feder macht Fehllektüren der genannten Autoren und daraus gezogene Fehlschlüsse verantwortlich für diese Meinung, für die er mit dem Enzyklopädisten Jean-Baptiste Robinet überhaupt nur ein Beispiel bringt. Robinet nehme an, dass es »für diesen moralischen Sinn ein eigenes Organ im Gehirn« gebe.37 Feder macht sich nicht einmal die Mühe, diese Position zu widerlegen, für so abwegig hält er sie. Er beendet den Paragraphen zu Robinet mit zwei langen Zitaten, von denen er offenbar – und übrigens nicht zu Unrecht – annimmt, dass sie für sich selbst und nicht gerade zum Vorteil von Robinets Theorie sprechen.
32 Vgl. Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 43. 33 Damit übergeht Feder relativ eindeutige Aussagen Shaftesburys und Hutchesons. Letzterer ist der Ansicht, dass gerade der Versuch, moralische Güte rational zu erklären, zu der These eines moralischen Sinns im Sinne einer »constant setled determination in the soul itself« führen müsse (vgl. Hutcheson: System [s. Anm. 19], S. 56–58). »And ʼtis pretty plain that reason is only a subservient power to our ultimate determinations either of perception or will. […] Reason can only direct to the means; or compare two ends previously constituted by some other immediate powers« (ebd., S. 58). 34 Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 50. 35 Vgl. ebd., S. 53f. 36 Ebd., S. 56. 37 Vgl. ebd., S. 58.
Nele Schneidereit Mit den Positionen, die das moralische Gefühl in Feders Lektüre für den nachfolgenden Effekt von Vernunfturteilen über das Gute halten, ist er nicht so schnell fertig. Er wägt das Für und Wider betreffend der Rolle des moralischen Gefühls sehr sorgfältig ab. Ohne sich selbst bereits zum Anwalt der Haltung von Shaftesbury, Hutcheson und Hume zu machen, verteidigt er sie sogar gegen die theologische Kritik, die in Deutschland in Basedow einen Vertreter gefunden hatte.38 Feder macht deutlich genug, dass er diese Kritik für unzureichend hält, da Sittlichkeit zwar Unterstützung durch Religion, in ihr aber keine Begründung finden kann.
. Feders Kritik der Moral Sense-Philosophie Zunächst einmal ist Feder also Verteidiger und auch Vertreter einer Gefühlsethik, von der er sich expressis verbis nur unterscheidet, indem er moralische Eigenschaften und das moralische Gefühl nicht für genuin, sondern für eine zusammengesetzte Empfindung hält, die auf dem »allgemeine[n] Vermögen zu erkennen und gerührt zu werden« beruhe.39 Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf Locke, Condillac und Bonnet, mit denen man inzwischen so weit gekommen sei, nicht bei jeder Erkenntnis, deren Ursprung nicht gleich klar ist, »alles so fort einer eigenen ursprünglichen Erkenntnißkraft, oder einem eigenen Instinkte zuzuschreiben«.40 Diese Verpflichtung auf ein empiristisch ausgerichtetes Programm veranlasst Feder, das moralische Gefühl nicht nur als Erkenntnis-, sondern auch als Billigungsgrund abzulehnen bzw. ein empiristisch umgestelltes Verständnis dieses Billigungsgrundes zu fordern. Feder sieht auch mindestens drei Gründe, weshalb es intuitiv nahezuliegen scheint, dass es einen Sinn für das Moralische und genuin moralische Eigenschaften geben müsse: – Alle Erkenntnis entstammt der Empfindung: Zunächst gesteht er als treuer Adept des lockeschen Empirismus zu, dass alle unsere Begriffe »von Empfindungen herkommen« und man daher bei aller Erkenntnis von einem gefühlsmäßigen Grund sprechen könne.41 Allerdings seien die meisten unserer Begriffe zusammengesetzt und beweisen dann keinen eigenen Sinn. So verhalte es sich auch mit unseren moralischen Begriffen, die aus verschiedenen, gegeneinander unabhängigen Empfindungen herrühren. – Kinder und Ungebildete fällen richtige moralische Urteile: Gegen das Argument, dass auch Ungebildete (gemeiner Menschenverstand) und bereits Kinder morali 38 Feder verweist auf Basedows Philalethie, Bd. 1, § 31. Dort findet sich eine religiös motivierte knappe Widerlegung Hutchesons. 39 Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 39. 40 Ebd., S. 7. 41 Vgl. ebd., S. 98.
Feder über das moralische Gefühl
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sche Urteile fällen können, es also doch einen angeborenen Sinn für Tugend geben müsse, wendet Feder ein, dass Kinder vielleicht einen Unterschied zwischen Recht und Unrecht diffus empfinden mögen, dass dieser aber meist bloß zufällig richtig erkannt werde und daher kein eigener Sinn der Grund für das moralische Urteil sei. Zudem würden Kinder schnell lernen, Sanktionen zu fürchten und daher aus Furcht das Rechte vom Unrechten unterscheiden und so sittliche Fertigkeiten ausprägen. Schnelligkeit und Fühlbarkeit vieler moralischer Urteile: Schließlich nennt Feder noch Gründe, weshalb auch die Unmittelbarkeit (»Geschwindigkeit«42) des moralischen Urteils, das zuweilen sogar in Form einer »physische[n] Verabscheuung« auftritt,43 keine guten Argumente für die Existenz eines eigenen moralischen Sinns seien. Denn dahinter stehe oft eine Gemengelage aus Gewohnheit, Vorurteil und früher Erziehung durch Sitten- und Religionslehrer, die bei eingehender Analyse erkannt würde. Selbst wenn durch die Analyse kein Vernunftgrund als Ursache des Urteils und der sie begleitenden Empfindung gefunden würde, sei das noch kein hinreichender Beweis, um die Empfindungen moralisches Gefühl zu nennen, sie zum Erkenntnisgrund des Guten und Rechten zu machen und sie einem moralischen Sinn zuzuschreiben.44
Wichtiger als die Widerlegung dieser einfachen Argumente für die Existenz eines moralischen Sinns ist Feder aber die argumentative Zersetzung der stärkeren, theorielastigeren Argumente der Moral Sense-Philosophen für das moralische Gefühl als natürliche und spezifisch moralbezogene Empfindung des Wohlgefallens am Guten und Rechten im Unterschied zum bloß Nützlichen. Die scharfe Trennung von moralischer und natürlicher Güte bei Shaftesbury und Hutcheson lehnt Feder ab. Zwar ist er gegen die Kyrenaiker und die Epikureer der Ansicht, »daß keinesweges die Vorstellung unsers Nuzens die einzige und beständige Triebfeder unserer Gemüthsbewegungen und Handlungen sey«,45 fordert aber dennoch, dass die Vorstellung des Nutzens als einer von mehreren Gründen des moralischen Beifalls berücksichtigt werde: »Es ist […] gewiß, daß aus der Vorstellung des Nuzens eben so wenig das Wohlgefallen an der Tugend sich völlig erklären lasse, als von den Gründen desselben der Einfluß dieser Vorstellung völlig ausgeschlossen werden kann.«46 Diese Theorie einer Vielfalt möglicher Einflüsse auf unser Wohlgefallen an Tugend ist der Grund,
42 Ebd., S. 116. 43 Ebd., S. 108. 44 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. Erster Theil. Göttingen, Lemgo 1779, S. 389. 45 Vgl. Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 72. 46 Ebd., S. 74.
Nele Schneidereit weshalb Feder Shaftesburys und Hutchesons Erklärungsansätze zum moralischen Gefühl als Billigungsgrund ablehnt. Feders These ist, dass das Wohlgefallen an Tugend kein Effekt der Wahrnehmung rein tugendspezifischer Qualitäten durch ein besonderes Vermögen sei, sondern dass es »nur auf einer gewissen Zusammenkunft und Vermischung anderer, einzeln auch dem, was nicht Tugend ist, zukommender, und unsern Willen reizender Eigenschaften beruhe«.47 Für diese These zählt Feder fünf Gründe auf, die den Kern seiner Argumentation gegen die Moral Sense-Theoretiker bilden. In erster Linie geht es dabei darum, das moralische Gefühl als eine zusammengesetzte Empfindung auszuweisen: – Erstens besitze Tugend die nicht tugendspezifische Eigenschaft »und Übereinstimmung«, die der Natur unseres Geistes angemessen sei. Laster und Torheiten beruhen auf »Irrtum und Widerspruch«, denen die Natur unseres Geistes widerstrebt.48 – Zweitens besitze Tugend die nicht tugendspezifische Eigenschaft des »Großen und Erhabenen«, der durchschnittliche Lasterhafte sei dagegen »klein und schwach«. Dennoch komme Größe und Erhabenheit auch besonderer Grausamkeit zu, sie sind also nicht tugendspezifisch.49 – Drittens sei das Vermögen der Sympathie ein Grund der Reizung durch Tugend, insofern wir durch dieses Vermögen an den inneren Zuständen anderer nacherlebend teilhaben. Feder macht einen dreifachen Einfluss der Sympathie auf unser Wohlgefallen an Tugend geltend: a) Harmonie/Disharmonie mit den kontextualisiert betrachteten Gefühlen anderer ist uns nicht gleichgültig; b) wir werden durch sittliche Beispiele selbst zu sittlichem Verhalten ermuntert; c) wir nehmen Anteil an den beobachtbaren Folgen einer Handlung (auch für den Handelnden selbst).50
47 Ebd. 48 Vgl. ebd., S. 75f. Damit widerspricht Feder in der Tat explizit Hutcheson, der in seinem System nicht nur das Streben nach eigenem Vorteil, nach Ehre oder nach der »conformity to the divine will or laws« als Erklärung moralischer Güte ablehnt, sondern auch die Erklärung durch die »conformity of affections and actions to truth, reason, true propositions, reason of things« (Hutcheson: System [s. Anm. 19], S. 56). 49 Vgl. Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 76ff. 50 Vgl. ebd., S. 80ff. An dieser wie an vielen weiteren Stellen zeigt sich ein starker Einfluss von Adam Smithʾ Theory of Moral Sentiments (1759), die in der Forschung bislang nicht viel Aufmerksamkeit erfahren hat, obwohl Feder oft direkt auf Smith verweist und der Begriff der Sympathie häufig zentral ist. Zudem lehnt Smith gegen seinen Lehrer Hutcheson die Vorstellung eines eigenen Sinns für das Moralische ab und ist der Ansicht, dass moralische Urteile dem Verstand und nicht dem Gefühl entstammen, wenngleich moralische Empfindungen auch bei ihm eine große Rolle spielen (nicht zuletzt das seiner Moralpsychologie zugrundeliegende Vermögen der Einfühlung in andere). Oft hervorgehoben wird dagegen, dass Feder ein früher und vorausblickender Leser des Klassikers Wealth of Nations (1776) gewesen ist.
Feder über das moralische Gefühl
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Viertens seien die allgemeinen Vorstellungen des Schönen, Guten und Nützlichen auf vielfältige Weise mit der Vorstellung von Tugend verbunden,51 weshalb sich das moralische Gefühl auch nie alleine zeige, sondern immer in Verbindung mit anderen Empfindungen. Fünftens strebe der Mensch nach Lob und Ehre, als »Wiederschein [sic] unserer Vollkommenheit und Tüchtigkeit«,52 aber auch aufgrund der Geselligkeit seiner Natur. Doch auch die bloße Empfindung der Lobeswürdigkeit des eigenen Charakters oder einer Handlung löse Wohlgefallen aus.53
Feder betont bei seinen Erläuterungen dieser fünf Gründe immer wieder, dass es nicht möglich sei, sie jeweils vollkommen von der Vorstellung des Nutzens zu trennen, auch wenn sie darin nicht aufgingen.54 Als Bestätigung seiner Theorie vermengter Ursachen des Wohlgefallens an Tugend sieht er das empirische Phänomen, dass niemand ganz ohne alle diese oder einige dieser Empfindungen sei. Gleichwohl ließen sich Unterschiede zwischen den Menschen, den Zeiten und den Kulturen so erklären, dass die inneren Sinne unterschiedlich stark ausgeprägt und gebildet bzw. nicht bei allen gleich empfindlich seien. Moralische Urteile und unser Wohlgefallen an Tugend sind allemal Folgen […] von dem Zusammenflusse mehrerer Empfindungen und Vorstellungen, die aus solchen Gründen entstehen, wovon keiner ein moralischer Sinn genannt werden kann; einem Zusammenflusse, der durch Unterricht, oder auch durch eigene Beobachtungen und Nachdenken bewirkt wird.55
Diese Haltung hat Feder auch in den beiden großen Schriften zur praktischen Philosophie von 1770 und 1779 vertreten. In der noch stärker vom Empirismus geprägten späteren, den Untersuchungen, bekennt Feder sich dazu, dass es diese Meinung sei, »die durch die mehresten Beobachtungen und genaueste Untersuchung bestätigt wird«.56 Er hält sie also für am ehesten mit der empiristischen Methode vereinbar. Gleichwohl ist Feders Theorie des moralischen Gefühls als zusammengesetzte Empfindung nicht allein dem Empirismus verpflichtet.
51 Vgl. Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 84. 52 Ebd., S. 88. 53 Feder spielt hier auf den bei Adam Smith so zentralen Unterschied von ›praise‹ und ›praiseworthiness‹ an, ohne auf die Grundlage dieses Unterschieds bei Smith – den ›judge within‹ und ›impartial spectator‹ – einzugehen. Vgl. das 2. Kap. des 3. Teils der Theory of Moral Sentiments (1759): »Of the love of Praise and Praise-worthiness; and of the dread of Blame and Blame-worthiness.« 54 Diese starke Betonung des Nutzens ist eine Veränderung gegenüber dem Lehrbuch von 1770, in dem darüber hinaus alle anderen der genannten Gründe begegnen, einen eigenen moralischen Sinn abzulehnen (vgl. Feder: Lehrbuch [s. Anm. 3], S. 68–70). 55 Feder: Untersuchungen (s. Anm. 44), S. 385. 56 Vgl. ebd., S. 394.
Nele Schneidereit
. Das Moralische Gefühl als Principium executionis Feder stellt in seiner Abhandlung Über das moralische Gefühl eine Theorie über Rolle und Status von Gefühlen für sittliche Einsicht und Handlungen vor. Urteile über das moralisch Gute werden empiristisch begründet, ebenso wie die Gefühle des Wohlgefallens, die auf diese Urteile folgen. Auch für den Übergang von Einsicht zu Handlung macht Feder weniger das komplex gewirkte moralische Gefühl verantwortlich, sondern stellt eine psychologische Erklärung der Affizierung des Begehrungsvermögens vor, bei der das Primat der rationalen Einsicht gilt. Während er hinsichtlich der Erkenntnistheorie klar dem Empirismus zuneigt, bleibt Feder handlungstheoretisch dem monistischen Programm des Rationalismus verbunden. In beiderlei Hinsicht ist jedoch Vorsicht geboten; auch das empirische Urteil über das Gute ist nicht frei von Residuen des wolffschen Vollkommenheitsideals, ebenso wenig wie die Theorie moralischer Motivation nicht auch im Sinne eines empiristischen Naturalismus zu verstehen sein könnte, insofern Feder das Vollkommenheitsideal nicht übernimmt, sondern durch die starke Bindung des Guten an das Nützliche ersetzt. In den folgenden abschließenden Bemerkungen will ich mich mit Feders Theorie moralischer Motivation auseinandersetzen, durch die verständlich wird, weshalb er die Frage nach der Existenz moralischer Gefühle für wichtig hält, mit der Auffassung des Moral Sense bei Shaftesbury und Hutcheson jedoch nicht einverstanden sein kann. Ziel der Ausführungen in Über das moralische Gefühl ist es, das moralische Gefühl selbst sowie alle Indizien, die für die Existenz eines eigenen moralischen Gefühls sprechen, zu widerlegen, indem die Zusammengesetztheit der Empfindungen nachgewiesen wird, die auf die rationale Beurteilung des Guten und Rechten folgen. Feders Abwehr eines genuinen moralischen Gefühls entspricht der Kritik des Innatismus bei Locke. Sowohl Shaftesbury als auch Hutcheson waren ebenfalls von Lockes Empirismus beeinflusst, und wenigstens Hutcheson hätte sich vermutlich dagegen verwahrt, seine Theorie moralischer Güte dem way of ideas zuzuordnen; Hutchesons Begründung des Moral Sense erfolgt ja aus der Verlegenheit heraus, das empirisch beobachtbare Wohlgefallen an der Selbstlosigkeit einiger Handlungen zu erklären. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass es noch andere Gründe als die empiristische Fundierung seiner eigenen Position geben muss, die Feder die Theorie des moralischen Gefühls ablehnen ließen. Oben hatte ich bereits angedeutet, dass der Grund in der radikalen Unterschiedenheit des moralischen vom natürlichen Guten bei Shaftesbury und Hutcheson liegt. Es ist vermutlich die Klarheit, mit der Feder die systematische Frage herausstellt, ob das moralische Gefühl Erkenntnis- oder bloß Billigungsgrund des moralisch Guten ist, die ihn verstehen lässt, wie viel daran hängt, dem moralisch Guten keine originäre Qualität zukommen zu lassen. Damit nämlich würde nicht nur das empiristische, sondern auch das rationalistische Fundament der Sittlichkeit gesprengt, insofern eine nicht-natürliche Ordnung von Erkenntnis und Handlungsori-
Feder über das moralische Gefühl
entierung eingeführt würde, die dem Naturalismus des späteren Empirismus ebenso zuwiderläuft wie dem Monismus des Rationalismus. Unabhängig von theoriestrategischen Erwägungen sieht Feder aber auch keinen systematischen Grund, weshalb Nützlichkeit und Annehmlichkeit niemals mit moralischer Güte in Verbindung stehen sollten. Feder führt daher einen Begriff des Guten ein, in den Motive der Nützlichkeit und Annehmlichkeit der Handlungsfolgen einfließen. Als ›gut‹ und ›recht‹ bestimmt er, was den Sinnen »unmittelbar« angenehm oder »nüzlich« ist, um das Angenehme zu befördern bzw. das Unangenehme zu vermeiden. »Schlechthin« und »vollkommen« gut ist das, was unangenehme Folgen eher vermeidet bzw. die meisten nützlichen und angenehmen Folgen befördert. Moralisch gut seien die »freyen Handlungen«, die das meiste Gute zur Folge haben. Das beziehe sich einerseits auf Glückseligkeit und Vollkommenheit des Handelnden selbst und andererseits auf die anderer.57 Ohne Hutchesons Unterscheidung des moralischen vom natürlichen Guten zu übernehmen, bestimmt Feder wie dieser das Gemeinnützige der Folgen einer Handlung als empirisches Kriterium der Güte einer Handlung. Dieser Begriff des Guten wird durch die von Hutcheson übernommene Lehre von den einerseits egoistischen, andererseits sozialen Grundtrieben des Menschen begründet.58 Diese Lehre ist für Feders praktische Philosophie insgesamt zentral. Er sieht jedoch keine Notwendigkeit, nur einen der beiden Triebe für moralrelevant zu halten, also davon auszugehen, dass es nicht angenehm sein dürfe, den sozialen Grundtrieben zu folgen. Daher ist er bemüht, die egoistischen Anteile sittlicher Handlungen gegen Hutcheson herauszustellen. Handlungstheoretisch hat Feder es damit sehr viel einfacher als die Moral Sense-Theorien, bei denen moralischen Handlungen in der Regel die cheap thrills der Annehmlichkeit fehlen. Er stützt sich dabei auf die tradierte rationalistische Einheit des Guten und des Natürlichen, die eine psychologische Theorie der natürlichen Neigung zum Guten zuließ, die nicht in Konflikt zum Angenehmen kommen konnte. Das Begehrungsvermögen wird durch die Erkenntnis des vielgestaltigen Guten affiziert, so dass eine Handlung in guter Absicht möglich wird. In Feders psychologischer Erklärung der Motivation zur moralischen Handlung kommt jedoch der bei Wolff und Baumgarten so wichtige Aspekt der Verpflichtung durch Erkennt 57 Vgl. Feder: Über das moralische Gefühl (s. Anm. 30), S. 14f. 58 Feder begründet diese Lehre nicht bzw. nur sehr schwach, während sie bei Hutcheson als ex negativo herausgearbeitete These firmiert, die das anders nicht erkläre Phänomen der moralischen Güte begründet. In Feders Lehrbuch heißt es zur Menschenliebe: »Daß allgemeine Menschenliebe in jedes Menschen Herzen gewissermaßen gegründet, so daß kein Mensch, als Mensch betrachtet, dem andern völlig gleichgültig, kann man wohl behaupten. Der Grund davon liegt in der Sympathie, und in dem Wohlgefallen, so der Mensch an seines Gleichen haben muß« (Feder: Lehrbuch [s. Anm. 3], S. 88). Darüber hinaus betont Feder Hochachtung und Liebe als besondere soziale Bindungen, die uns zu Wohlwollen gegen andere veranlassen.
Nele Schneidereit nis (Verbindlichkeit) nur noch andeutungsweise vor. Er braucht das Modell der Selbstverpflichtung durch moralische Notwendigkeit oder Nötigung aber auch nicht mehr, indem er seine Philosophia practica universalis59 von einem Begriff der Glückseligkeit, der sich mit Vollkommenheit einstellt (Wolff), umstellt auf einen, in dem Glückseligkeit sich mit recht diesseitiger Annehmlichkeit einstellt. Feder ersetzt die wolffsche Theorie der Selbstverpflichtung durch eine der relativ starken Reize tugendhafter Handlungen. Da Feder die Beteiligung des Gefühls an moralischer Einsicht bestritten hatte, handelte er sich wieder das notorische Problem ein, wie der Übergang von Einsicht zur Bestimmung des Willens und zur Handlung vorgestellt werden kann. In seinem Lehrbuch der practischen Philosophie bestimmt Feder Vorstellungen als Beweggründe, insofern sie »den Grund in sich enthalten von den Aeusserungen des Willens, dieselben erwecken und bestimmen«.60 Die Tugend hat bestimmte Reize, die uns zum tugendhaften Handeln bewegen. Alle die bewegenden Reize, alle Motive zu Handeln haben die Eigenschaft ›gut‹ gemeinsam: »[D]er Mensch begehret, was ihm gut scheint, was ihm angenehm ist oder nützlich scheint«.61 Das Gute ist bei Feder bestimmt als das Angenehme oder das zum Angenehmen Nützliche. Seine Erkenntnis führt unwillkürlich zum Begehren des Guten und also zur guten – moralischen – Handlung. Dass wir tugendhaft handeln wollen, erklärt Feder durch das Zusammenwirken verschiedener Grundtriebe unseres Willens, denen die Tugend entspricht. Zunächst sei Tugend nützlich und angenehm. Damit entspricht sie unserem Haupttrieb, der Selbstliebe, die uns allein zu den Handlungen geneigt sein lässt, deren Folgen angenehm und nützlich sind. Feder bestimmt tugendhaftes Handeln aber explizit nicht allein aus individuellem Nutzen. Tugend diene nämlich zweitens dem gemeinen Besten. Neben der Neigung zum eigenen Wohl bestimme uns die Sympathie als zweiter Grundtrieb dazu, das gemeine Beste anzustreben. Tugenden versteht Feder als Fertigkeiten, die durch (vornehmlich religiöse) Erziehung, Bildung (Kenntnis der Grundsätze des Guten und Rechten) und Übung entstehen. Tugend sei oft nützlich und angenehm, wo nicht, da verfüge sie über die Eigenschaften Größe, Erhabenheit, Wahrheit, Übereinstimmung und Schönheit,62 die dem menschlichen Gemüt gefallen, insofern sie alle unter den Begriff des Guten gehören. Hier zeigt sich ein recht deutlicher Widerschein des rationalistischen Vollkommenheitsideals, das Feder jedoch kaum explizit bemüht. Den Beifall, den wir 59 Ohne sich explizit auf Wolff zu berufen, spricht Feder in seinem Lehrbuch der praktischen Philosophie von einer dem Band zugrundeliegenden »Allgemeinen practischen Philosophie«, von deren (historisch betrachtet zunehmender) Wichtigkeit er überzeugt ist (vgl. Feder: Lehrbuch [s. Anm. 3], unpag. [Vorrede zur ersten Auflage 1769/70]). In der Tat beginnt er seine dazugehörigen Ausführungen dann ganz anders als Wolff und seine Schüler, nämlich vom Begriff des Willens her. 60 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 3), S. 8f. 61 Ebd., S. 10. 62 Feder: Untersuchungen (s. Anm. 44), S. 397.
Feder über das moralische Gefühl
dem erwarteten oder wahrgenommenen Angenehmen spenden, bestimmt Feder als moralische Empfindung, die dem Vernunfturteil über Nutzen und Schönheit stets nachfolgt. Das principium executionis ist also stets über rationale Vorstellungen des Guten vermittelt. Der Wille ist abhängig von Erkenntnis und von Vorstellungen.63 Diese Abhängigkeit sei nicht nur Grund der Möglichkeit, daß die Vernunft praktisch wird, Gesetzgeberin und Beherrscherinn der Sinnlichkeit; sondern diese Herrschaft der Vernunft wird aus eben dem Grunde gewiß und nothwendig, in dem Maße, wie die Vorstellungen und Einsichten der Vernunft an Umfang, Deutlichkeit und jedweder andern Vollkommenheit zunehmen.64
Wie die Wolffianer nach Baumgarten, so ist auch Feder der Ansicht, dass das Ästhetische die Eingängigkeit des Moralischen durchaus erhöhen könne. Rückschlüsse auf eine nur der Tugend eigene Schönheit ließen sich daraus aber nicht ziehen. Zudem sei es meist angeraten, die Attraktivität der Tugend durch Vermittlung ihres Nutzens zu erhöhen. Dieser sei oft nicht immer sofort zu erkennen, weshalb es der Unterrichtung von Kindern und Ungebildeten bedürfe. Schließlich gesteht Feder einen einzigen Fall zu, in dem es vernünftig ist, sich durch das Gefühl in Fragen der Moralität leiten zu lassen, nämlich dann, wenn wir die Grundsätze in einer Situation nicht klar erkennen können. In diesen Fällen müssten wir der Wahrscheinlichkeit folgen. Diese Einbeziehung von Gefühlen ähnelt in starkem Maße den Lösungen, die Wolffianer wie Mendelssohn oder Georg Friedrich Meier zu dem Problem vorgebracht hatten, dass wir in Fragen der Moral oft schnell und unter Unsicherheit urtei-
63 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Rezension: Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn M. Mendelssohn, von Jacobi. Neue verm. Ausgabe. Breslau (Löwe). 1789. In: Philosophische Bibliothek 3 (1790), S. 103–120, hier S. 109f. sowie ders.: Untersuchungen (s. Anm. 44), § 4. Feder wirft Wolff sogar vor, dieser habe nicht genug darauf geachtet, dass der Wille allein durch rationale Vorstellungen bestimmt werden könne (vgl. Feder: Über das moralische Gefühl [s. Anm. 30], S. 17). 64 Feder: Jacobi-Rezension (s. Anm. 63), S. 110. Bemerkungen wie diese bestätigen Brandts These, dass Feder »zeitlebens an der Metaphysik und ihren spekulativen Einsichten in das Wesen der Seele fest[hält]« (vgl. Brandt: Feder und Kant [s. Anm. 9], S. 250). Dem steht Jan Racholds These entgegen, dass Feder unter dem Einfluss des Empirismus Begriffe wie »›Natur des Menschen‹, ›Mensch‹, ›Wesen des Menschen‹ […] mehr und mehr als rationalistische Konstruktionen, die die real existierenden Individuen in ihrer sozialen, ethnischen, geschichtlichen Differenziertheit nur ungenügend erfaßten, durchschaut« (Jan Rachold: Die aufklärerische Vernunft im Spannungsfeld zwischen rationalistisch-metaphysischer und politisch-sozialer Deutung. Eine Studie zur Philosophie der deutschen Aufklärung [Wolff, Abbt, Feder, Meiners, Weishaupt]. Frankfurt a. M. 1999, S. 209). Entschärft wird dieser Gegensatz, wenn man sieht, dass Feder zwar einerseits betont, inwiefern Sozialisation und kulturelle Umstände starken Einfluss auf die sittlichen Überzeugungen der Individuen haben (das ist sogar einer der Gründe, ein universelles moralisches Gefühl abzulehnen), zugleich aber von einigen anthropologischen Bestimmungen ausgeht, die eine Metaphysik des menschlichen Wesens erfordern (Zwei-Grundtriebelehre, rationalistische Psychologie).
Nele Schneidereit len und handeln müssen.65 Keiner dieser Autoren – auch Feder nicht – gibt die intellektualistische Haltung auf, dass die Grundsätze der Moral aus der gegenständlichen Ordnung prinzipiell klar erkennbar und auch anwendbar sind. Der große Unterschied zu Feders Version der Motivation durch Erkenntnis des Guten ist, dass er das Gute vom Ideal der Vollkommenheit löst und so von der natürlichen Geneigtheit des Menschen zur Tugend selbst gemäß seinem Streben nach individuellem Vorteil ausgehen kann.66 So hat er auch viel weniger Schwierigkeiten mit der Erkennbarkeit des moralisch Richtigen, die die Wolffianer Mitte des Jahrhunderts umgetrieben hatten.
Feders praktische Philosophie im historischen Kontext Feders Theorie zum Status moralischer Gefühle für moralische Einsicht und Handlung kann auf zweierlei Weise in den historischen Kontext eingebettet werden. Einerseits kann sie als Versuch verstanden werden, mit den epistemischen Problemen umzugehen, die bereits die späten Wolffianer dazu zwangen, sich mit Popularisierung und Ästhetik auseinanderzusetzen. Die epistemischen Probleme geht Feder dabei gegenüber diesen nun empirisch an, ohne sich jedoch vollkommen von der Idee zu lösen, dass der Mensch wesenhaft dem Wahren, Schönen und Guten zugeneigt sei. Die Einheit von Erkenntnis und Praxis, die der Wolffianismus proklamiert hatte, kann Feder zudem verteidigen, indem er Nutzenstreben nicht für grundsätzlich unmoralisch hält. Damit bewegt Feder sich – aller wolffianischen Residuen zum Trotz – im Fahrwasser von Humes Naturalismus. Bei genauerer Betrachtung der federschen Theorie der Bewegursachen würde sich möglicherweise auch ihr viel eher humescher als wolffianischer Grund zeigen. Dagegen spricht jedoch, dass es Feder wichtig war, auch nicht-nutzenbezogene Empfindungen (Wahrheit, Schönheit, Sympathie) für moralrelevant zu halten. Unabhängig davon, welcher Tradition man Feders Monismus nun zuschlagen möchte, klärt sich der systematische Grund für seine vehemente Ablehnung aller Theorien, die neben der Naturerkenntnis eine zweite nicht-natürliche Erkenntnisquelle oder eigene Prinzipien des Willens einführen wollen. Moralische Tatsachen 65 Vgl. dazu Nele Schneidereit: Wahrscheinlichkeit und Evidenz. Zur Bedeutung von Alltagswissen für die Metaphysik Moses Mendelssohns. In: Christoph Binkelmann, Nele Schneidereit (Hg.): Denken fürs Volk. Popularphilosophie vor und nach Kant. Würzburg 2015, S. 41–59; dies.: Unwissenheit, Irrtum und Zweifel in G. F. Meiers Moralphilosophie. In: Frank Grunert, Gideon Stiening (Hg.): Georg Friedrich Meier. Philosophie zwischen populärer Reproduktion und theoretischer Innovation. Berlin, Boston 2015, S. 211–229. 66 So auch Marino über Feder: Praeceptores Germaniae (s. Anm. 10), S. 180.
Feder über das moralische Gefühl
sind bei Feder keine non-naturalistischen Tatsachen, sondern bestehen in einer Zusammensetzung moralunabhängiger Eigenschaften, die uns aufgrund unserer psychologischen Anlage und deren Prägung durch Sozialisation, Erziehung und Religion gefallen. An ganz unterschiedlichen Ecken wurde diese Lehrmeinung im Deutschland des 18. Jahrhunderts angekratzt. Crusiusʾ Voluntarismus, Jacobis Glaubensphilosophie und nicht zuletzt Kants Kritische Philosophie gingen von jeweils ganz anderen Grundideen aus. Wenn moralische Handlungen nämlich von der Art sind, dass sie von uns oft etwas fordern, was nicht angenehm ist, dann kann das Wohlgefallen an ihnen nicht durch unseren natürlichen Hang zum Angenehmen erläutert werden. Wenn das aber nicht möglich ist, dann muss bereits das Erkenntnisprinzip von einer Art sein, die diese Selbstlosigkeit zulässt. Die diesbezügliche Idee der Moral SensePhilosophen ist, dass das Wohlgefallen, das wir an moralischer Güte haben, keine rationalen Gründe hat. Es ist von ganz eigener Art, es dient nicht der Erhaltung, nicht dem Glück und nicht dem Vergnügen. 67 Allein so lässt sich ein Partikularismus in der Moral vermeiden, hatte Kant gegen die Glückseligkeitsethik erkannt. Henrich hat gute Argumente dafür, dass die Unableitbarkeit des Guten aus natürlichen Ursachen oder unserem Streben nach Glückseligkeit, das Moment ist, das Kant schon früh an Hutcheson gereizt hat, obwohl er wie die Wolffianer (und Feder) das Gefühl als Erkenntnisgrund des Guten nicht anerkennen wollte.68 Um das moralische Gefühl als Erkenntnisgrund des Guten, aber auch die starken Thesen der wolffschen Psychologie zu umgehen, führte Kant eine Umstellung durch, die darin bestand, das Gute als das Gesetzmäßige zu verstehen, es also aus dem moralischen Gesetz und vollkommen unabhängig von unseren Neigungen zu bestimmen. Die Erkenntnis des unbedingt Guten als unsere Pflicht hatte Kant durch das einzige intellektuell gewirkte Gefühl der Achtung erklärt.69 67 Die Widerlegung der Idee, dass eigenes Lustempfinden in irgendeiner Weise unsere moralischen Urteile beeinflusse, ist bei Hutcheson noch deutlicher als in der Inquiry in seinem System (1755 posthum) zu erkennen, das ja in deutscher Übersetzung bereits 1756 zugänglich war. Vgl. Hutcheson: System (s. Anm. 19), Chap. IV: »Concerning the Moral Sense, or faculty of perceiving moral excellence, and its supreme object«. 68 Dieter Henrich: Hutcheson und Kant. In: Kant-Studien 49.1 (1957/58), S. 49–69, S. 56. Vgl. auch Henrich: Begriff der sittlichen Einsicht (s. Anm. 16), S. 234: »Die kantische Moralphilosophie hat beide Momente [rationale Ethik und Moral-sense-Philosophie, N.Sch.] miteinander vereinigt. Von der rationalen Ethik hat sie das formale Kriterium des Guten und die Lehre vom Erkenntnischarakter der sittlichen Einsicht übernommen. Mit der Moral-sense-Philosophie hat sie die Unterscheidung der sittlichen von der theoretischen Einsicht gemein. Die Verbindung der beiden Elemente ist ihr Problem, von dem sie in der Zeit ihrer Entwicklung in Bewegung gehalten worden ist.« 69 Heiner Klemme hebt hervor, dass Kant Sulzer darin Recht gegeben hatte, »dass es einen Zusammenhang zwischen Begriffen und Empfindung (Gefühl) geben muss, wenn wir aus Grundsätzen moralisch handeln wollen« (Heiner Klemme: Johann Georg Sulzers ›vermischte Sittenlehre‹. In:
Nele Schneidereit Die Radikalität von dieser Absage von Kants Moralphilosophie an alle unsere Neigungen ist Feder aus systematischen Gründen unverständlich.70 Gegen Kants Bestimmung des unbedingten Guten versucht Feder in seiner Rezension der Kritik der praktischen Vernunft von 1788 die Ununterschiedenheit des Guten vom Angenehmen zu belegen.71 Diese Kritik ist konsequent, denn Feder ist überzeugt, dass wir ausschließlich aus Neigung handeln können, dass es aber möglich ist, vernünftige Neigungen zu haben, die als sittliche Beweggründe dienen.72 Aus diesem Grund ist ihm auch nicht verständlich, warum das moralische Gefühl wie bei Kant ein unangenehmes Gefühl wie die demütigende Achtung sein soll, wenn es doch gerade das Angenehme ist, das uns zum Handeln geneigt macht. Aus dieser Haltung folgte, dass Feder die Formalität der kantischen Moralphilosophie für konkrete sittliche Vorschriften als unzureichend ansah und dass er die Konstruktion einer Kausalität aus Freiheit ablehnt.
Frank Grunert u. Gideon Stiening (Hg.): Johann Georg Sulzer (1720–1779). Aufklärung zwischen Christian Wolff und David Hume. Berlin 2011, S. 309–322, hier S. 318). Die Idee mit dem Gefühl der Achtung von 1785 sei der von Kant gesuchte »Stein der Weisen«, mit dem er erst Verstand und Handlung verbinden hat können (vgl. ebd., S. 320f.). 70 Marino ist zuzustimmen, dass Feders Kritik der praktischen Philosophie Kants nicht bloß dem Furor des gedemütigten Menschen, sondern einer systematischen Überzeugung des Philosophen zugerechnet werden muss (vgl. Marino: Praeceptores Germaniae [s. Anm. 10], S. 179f.). 71 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Rezension: Critik der praktischen Vernunft. Von Immanuel Kant. Riga (Hartknoch). 1788. In: Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 182–218, hier S. 200–203. Zu Feders Kritik an Kants praktischer Philosophie vgl. Röttgers: Feder (s. Anm. 8), S. 425–431 sowie den Beitrag von Gideon Stiening in diesem Band. 72 Gegen Thomas Reids Moralphilosophie erläutert er explizit die Notwendigkeit, von »vernünftige[r] Selbstliebe« als einer Möglichkeit sittlichen Handelns unter anderen auszugehen (vgl. Feder: Rezension: Reid [s. Anm. 29], S. 111). Da Feder wusste, dass Reid gegen Hume schrieb, könnte man in diesem Unwillen, Nutzendenken aus der Moral auszuschließen, tatsächlich ein Bekenntnis zu Hume sehen.
Frank Grunert
»[S]elbst Schuld« Zum Begriff der Glückseligkeit bei Johann Georg Heinrich Feder
Mit der Behauptung, dass jeder Mensch »vermöge des unveränderlichen Grundgesetzes seiner Natur« nach »Glückseligkeit streb[e]«,1 gibt Johann Georg Heinrich Feder auf Anhieb sein besonderes Interesse am Glück als Thema und Ziel seiner philosophischen Arbeit zu erkennen. Feders eklektisch betriebene und auf Praktikabilität zielende Philosophie2 ist wegen ihrer programmatischen und methodischen Präferenzen bereits von sich aus ›eudämonismusaffin‹. Das von Feder bekundete Interesse an einer Theorie der Glückseligkeit ist in der Philosophie des 18. Jahrhunderts allerdings keine Frage eines bestimmten philosophischen Selbstverständnisses, und so steht Feder mit seinen Überlegungen zum Begriff der Glückseligkeit und seinen Bemühungen um eine konkrete Anleitung zur Erlangung und zur Bewahrung der Glückseligkeit in einem ausgesprochen breiten und differenziert betriebenen Diskurs.3 In der vielfach revidierten Tradition antiker – aristotelischer, 1 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. Dritter Theil. Lemgo 1786, S. 1. Ähnlich bereits in: ders.: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Göttingen, Gotha 1770, S. 46. 2 Vgl. zu Feder vor allem: Walter C. Zimmerli: »Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia Leibnitiana 15 (1983), S. 58–71; Reinhard Brandt: Feder und Kant. In: Kant-Studien 80 (1989), S. 249–264; Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, S. 169–187, 343–346; Udo Thiel [Art.]: Feder, Johann Georg Heinrich (1740–1821). In: Heiner F. Klemme u. Manfred Kuehn (Hg.): The Dictionary of Eighteenth-Century German Philosophers. Vol. 1. London, New York 2010, S. 308–315, sowie die Kurzbiographie von Guido Naschert: Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821). In: Aufklärung 24 (2012), S. 345–348. Zur philosophiehistorischen Verortung von Feder zwischen Wolff und Kant siehe die wegweisende Studie von Johan van der Zande: In the Image of Cicero: German Philosophy between Wolff and Kant. In: Journal of the History of Ideas 56.3 (1995), S. 419–442. 3 Trotz ihrer bemerkenswerten Prominenz ist die Eudämonismusdebatte der deutschen Aufklärung bisher noch nicht in einer dem Diskurs angemessenen Weise aufgearbeitet worden, gleichwohl liegen bereits wichtige Einzelstudien vor: Robert Mauzi: L’Idee du bonheur dans la littérature et la pensée françaises au XVIIIe siècle. Paris 1965; Ulrich Engelhardt: Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts (J. H. G. v. Justi). In: Zeitschrift für Historische Forschung 8 (1981), S. 3–39; Claudio Cesa: Armonia e felicità. Dall’illuminismo all’idealismo. In: Romeo Crippa (Hg.): Piacere e felicità, fortuna e declino. Atti del 3º Convegno tra studiosi di filosofia
https://doi.org/10.1515/9783110489439-010
Frank Grunert epikuräischer und stoischer –, aber auch christlicher Ethiken hielten die Philosophen der Aufklärung bei aller Kritik an Aristoteles an dessen Behauptung fest, dass das Glück »Endziel des uns möglichen Handelns«4 sei, und ließen auf diese Weise »Glück« bzw. »Glückseligkeit«5 zu einem Schlüsselbegriff des Zeitalters avancieren. In der deutschen Aufklärung reicht die Debatte – ungeachtet ihrer vielfältigen und weitreichenden Voraussetzungen6 – von Christian Thomasius, der in seinen Fundamenta iuris naturae et gentium »felicitas« zu einem pragmatischen normativen
Morale. Padova 1982, S. 79–104; Massimo Mori: Glück und Autonomie. Die deutsche Debatte über den Eudämonismus zwischen Aufklärung und Idealismus. In: Studia Leibnitiana 25 (1993), S. 27–42; Clemens Schwaiger: Das Problem des Glücks im Denken Christian Wolffs. Eine quellen-, begriffsund entwicklungsgeschichtliche Studie zu Schlüsselbegriffen seiner Ethik. Stuttgart-Bad Cannstatt 1995; Frank Grunert: Objektivität des Glücks. Aspekte der Eudämonismusdiskussion in der deutschen Aufklärung. In: ders. u. Friedrich Vollhardt (Hg.): Aufklärung als praktische Philosophie. Tübingen 1998, S. 351–368; Beatrix Himmelmann: Kants Begriff des Glücks. Berlin 2003; Darin McMahon: Happiness. A History. New York 2006; Cornel Zwierlein: Das Glück des Bürgers. Der aufklärerische Eudämonismus als Formationselement von Bürgerlichkeit und seine Charakteristika. In: Hans-Edwin Friedrich, Fotis Jannidis u. Marianne Willems (Hg.): Bürgerlichkeit im 18. Jahrhundert. Tübingen 2006, S. 71–113; Peter Buijs: De eeuw van het geluk. Nederlandse opvattingen over geluk ten tijde van de Verlichting, 1658–1835. Hilversum 2007; Clemens Schwaiger: Zur Theorie des Glücks bei Christian Wolff und Alexander Baumgarten. In: Jürgen Stolzenberg u. Oliver-Pierre Rudolph (Hg.): Christian Wolff und die europäische Aufklärung. Akten des 1. Internationalen Christian-Wolff-Kongresses, Halle (Saale), 4.–8. April 2004. Teil 5. Hildesheim, Zürich, New York 2010, S. 31–43, und zuletzt: Ji Young Kang: Die allgemeine Glückseligkeit. Zur systematischen Stellung und Funktionen der Glückseligkeit bei Kant. Berlin, Boston 2015. 4 Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1097b20. 5 Die Eudämonismusdebatte der deutschen Aufklärung wird durch den Begriff der »Glückseligkeit« dominiert, wobei in der Regel keine semantischen Unterschiede zu dem in der philosophiegeschichtlichen Diskussion üblicherweise gehandhabten Begriff »Glück« festzustellen sind. Insbesondere ist eine religiöse Konnotation, die sich mit der zweiten Hälfte des Kompositums verbinden ließe, nicht feststellbar, was sich nicht zuletzt durch den ansonsten unsinnigen Gebrauch der gängigen Unterscheidung zwischen ewiger und zeitlicher Glückseligkeit belegen lässt. In Fällen, in denen auf eine begriffliche Differenzierung zwischen Glück und Glückseligkeit Wert gelegt wird, wird die Zufälligkeit des Glücks von der Beständigkeit und (zumeist moralischen) Höherwertigkeit der Glückseligkeit abgegrenzt. Vgl. etwa die Ausführungen zu den Lemmata »Glück« und »Glückseligkeit« in Johann Georg Walch: Philosophisches Lexicon. Vierte Aufl. Leipzig 1775, Sp. 1792–1795 sowie Sp. 1795–1798, wo Walch »Glück« als »guten Fortgang unserer Thaten« sowie als erlangten »Vortheil« definiert und dabei das »ordentliche Glück« als den »natürlichen Effect kluger Thaten« von dem »außerordentlichen Glück« unterscheidet, das zufällig und ohne »von unserm Willen« abzuhängen, »mit dem Verlauf unserer Thaten« verknüpft ist (Sp. 1792). Demgegenüber wird »Glückseligkeit« moralisch dimensioniert und als »Begriff der wahren Güter« bestimmt, »deren ein Mensch nach der Natur in seinem Leben fähig ist, und durch deren Genuß sein Leben freudig und vergnügt gemacht wird«. Glückseligkeit ist in diesem Sinne der Genuss des »wahren Guten« (Sp. 1795). 6 Zur Periodisierung siehe Grunert: Die Objektivität des Glücks (s. Anm. 3), dazu kritisch: Zwierlein: Das Glück des Bürgers (s. Anm. 3).
»[S]elbst Schuld«
Prinzip macht,7 bis zu Immanuel Kant, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts ausdrücklich gegen eine solche normative Beanspruchung des Glücks vorgeht und die bis dahin unangefochtene philosophische Bedeutung der Glückseligkeit entschieden in Abrede stellt. Auf der Suche nach einem allgemeingültigen moralischen Gesetz hat bekanntlich Kant die Glückseligkeit für untauglich befunden, als Ableitungsbasis für ein allgemeines, von allen zufälligen Handlungsbedingungen unabhängiges Sittengesetz zu fungieren. Glück ist in seinen Augen lediglich eine »schwankende Idee«,8 es ist ein »unbestimmter Begriff«, weil »alle Elemente, die zum Begriff der Glückseligkeit gehören, insgesamt empirisch sind«, so »daß, obgleich jeder Mensch zu dieser zu gelangen wünscht, er doch niemals bestimmt und mit sich selbst einstimmig sagen kann, was er eigentlich wünsche und wolle«.9 Weil demnach der »materiale Bestimmungsgrund« des Glücks »von dem Subjekte bloß empirisch erkannt werden kann«, ist das Glück als Ableitungsbasis für ein allgemeingültiges Sittengesetz denkbar ungeeignet, denn dieses müsste »als objektiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten«.10 Allerdings ist diese philosophische Dequalifizierung des Glücks bei Kant noch nicht die ganze Wahrheit,11 denn er will die »Unterscheidung des Glückseligkeitsprinzips von dem der Sittlichkeit« nicht als »Entgegensetzung« verstanden wissen: »die reine praktische Vernunft«, so betont Kant, »will nicht«, dass man »die Ansprüche auf Glückseligkeit« aufgibt, sondern nur, dass man »sobald von Pflicht die Rede ist«, auf Glückseligkeit keine »Rücksicht« nimmt.12 Das Streben nach Glückseligkeit gehört auch für Kant zu den »natürlichen Neigungen«, die »an sich selbst betrachtet, gut, d. i. unverwerflich [sind], und es ist nicht allein vergeblich, sondern es wäre auch schädlich und tadelhaft sie ausrotten zu wollen«.13 Und tatsächlich kann – wie Kant mehrfach betont – das Streben nach Glückseligkeit im Hinblick auf die Sittlichkeit wenigstens zur indirekten Pflicht werden, und zwar »teils weil sie (wozu Geschicklichkeit, Gesundheit, Reichtum gehört) Mittel zur Erfüllung seiner Pflicht enthält, teils weil der Mangel derselben (z. B. Armut) Versuchungen enthält, seine Pflicht zu übertreten«.14 Diese Erläuterungen stellen selbstverständlich keine moralphilosophische Rehabilitierung der Glückseligkeit dar, sie ist weder Ergebnis noch Voraussetzung der Moral, doch wird sie als Verwirklichungshilfe der Moral etwa dort wirksam, wo das theoretische Sittengesetz 7 Vgl. Christian Thomasius: Fundamenta iuris naturae et gentium (Halle 1705). 2. Neudruck der 4. Aufl. Halle 1718 [ND Aalen 1979], S. 172. 8 Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 12. 9 Ebd., BA 46. 10 Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, A 45f. 11 Siehe dazu: Ji Young Kang: Die allgemeine Glückseligkeit (s. Anm. 3). 12 Kant: Kritik der praktischen Vernunft, A 166. 13 Immanuel Kant: Religion in den Grenzen der blossen Vernunft, B 69. 14 Kant: Kritik der praktischen Vernunft, A 166.
Frank Grunert sich mit der Empirie berührt. Dabei kommen bei Kant wieder Motive ins Spiel, die im Glückseligkeitsdiskurs der Aufklärung vor Kant eine Rolle gespielt haben, freilich ohne die signifikante Verbindung von Ethik und Glück, die für die vorkantische Philosophie charakteristisch war. Kants philosophische Bedenken gegenüber einer moralischen Inanspruchnahme des Glückseligkeitsbegriffs hat mit einer spezifischen Subjektivierung des Glücksbegriffs zu tun, die nach dem Verständnis der am Diskurs beteiligten Autoren zunächst für die deutsche Aufklärung gar nicht typisch ist. Diese Subjektivierung und damit die Relativierung des Glücks scheint sich erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem Einfluss englischer Theoretiker und unter den Auspizien eines kritisch revidierten Wolffianismus zu entwickeln. Für die Aufklärer bis einschließlich Wolff, inklusive seiner mehr oder weniger orthodoxen Anhänger, galt Glück viel eher als etwas Objektives, das als »wahres Glück« von den Zufälligkeiten eines bloß subjektiven und daher nur scheinbaren Glücks theoretisch wie praktisch abgehoben werden musste und tatsächlich auch konnte. Glück mochte zwar subjektiv empfunden werden, doch konnte sein eigentlicher Gehalt objektiviert werden, d. h. Glück lässt sich theoretisch erkennen und im Prinzip auch praktisch verwirklichen. Und daher war es eben auch möglich, eine relativ genaue und dem Anspruch nach erfolgversprechende Anleitung für die Erlangung des Glücks zu präsentieren – die genaue Beziehung zwischen rationaler Erkenntnis, tugendhafter Praxis und Glückseligkeit hat mit bemerkenswert schulbildenden, aber auch Gegenbewegungen auslösenden Effekten Christian Wolff vorgeführt.15 Wie auch immer die Antworten auf die Fragen nach dem Glück und seiner Erlangung im Einzelnen ausgesehen haben, Glückseligkeit hat in der deutschen Aufklärung nichts mit müheloser Beschaulichkeit zu tun, vielmehr ist sie in der Regel die Frucht einer bisweilen asketischen Anstrengung, die eine genaue Kenntnis und eine gewissenhafte Praxis der »Regeln des Glücks«16 erfordert. Die »Kunst glücklich zu seyn«17 besteht denn auch vornehmlich in der angemessenen Realisierung eines mehr oder weniger technischen Vermögens, »denn in Ansehung des Glücks ist grosse Klugheit vonnöthen, solches nemlich zu erlangen, zu beurtheilen, sich bey demselben wohl auffzuführen und zu mäßigen«.18 In diesem Sinne lässt auch Gottsched keinen Zweifel daran, dass der Weg zur Glückseligkeit mit Mühseligkeiten gepflastert ist: »Wenn man sich in der Welt glücklich machen will«, muss man – nach Auffassung von Gottsched – mit »viel Fleiß, Verstand, Ernst und einer langen Uebung« eine Reihe von »Hauptpflichten« beachten: So ist erstens geboten, in Gehorsam
15 Vgl. zu Wolff ausführlich Schwaiger: Das Problem des Glücks im Denken von Christian Wolff (s. Anm. 3), bes. S. 161–188. 16 Walch: Philosophisches Lexicon (s. Anm. 5), Sp. 1793. 17 Ebd., Sp. 1793. 18 Ebd.
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gegenüber dem Gesetz der Natur tugendhaft zu leben; zweitens muss man dazu einen »ernstlichen Vorsatz [...] in sich entzünden«; drittens soll man die Urteilsfähigkeit des eigenen Verstandes schärfen und viertens die »Herrschaft über seine Sinne und Einbildungskraft zuwege bringen«.19 Glück ist ein ernsthaftes Unterfangen, das übrigens auch dann nicht sinnenfroher wird, wenn sich die Anleitung zur Glückseligkeit selbst der epikureischen Tradition zurechnet; so hat die von Nicolaus Hieronymus Gundling formulierte und angeblich von Epikur übernommene Anweisung zur Erlangung der Glückseligkeit einen geradezu diätetischen Charakter: »[I]ß und trinck wenig, arbeite tapffer und behalte deinen Saamen«.20 Von »Arbeit« ist in diesem Zusammenhang durchaus häufiger, wenn nicht gar regelmäßig die Rede: Während sich bei Martin Musig der Christ durch »fleißiges Gebeth und Arbeit«21 erst für die äußerliche Glückseligkeit sittlich zu qualifizieren hat, legt Christoph Heinrich Amthor in seiner Anleitung zur Sitten-Lehre eine – ganz im Geist der ›protestantischen Ethik‹ vollzogene – Reformulierung der antiken Kardinaltugenden vor, indem er Glück als das Ergebnis von »Nüchternheit, Reinlichkeit, Arbeitssamkeit und« – immerhin! – »Tapfferkeit«22 auffasst. Der Vergleich mit dem Tugendkatalog Platons – Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung – macht auf Anhieb klar, dass hier jeweils ganz unterschiedliche gesellschaftliche Formationen in den Blick genommen werden. Die Erlangung des Glücks ist an Klugheit und nicht zuletzt an Disziplin gebunden, und die Lehre des Glücks ist ein Mittel zur sozialen Etablierung und Stabilisierung des Einzelnen als Bürger in einem bürgerlichen sozialen Umfeld. Die expliziten Anleitungen zum Glück sind, gerade weil diese soziale Selbstoptimierung sowohl gewünscht als auch sozio-ökonomisch notwendig ist, ausgesprochen zahlreich. Dazu gehören anonym erschienene Titel wie Die wahre Glückseeligkeit, nebst beygefügter Kunst, den besten und kürtzesten Weeg zu des Menschen zeitlicher Wohlfahrt zu finden, Frankfurt am Main 1732, oder Curieuse Gedancken Von Glücke der Menschen, das ist: Kurtze […] Ausführung, was das Glücke sey, und worinne es bestehe: samt den Mitteln, wie man glücklich werden, und dabey verbleiben könne, Stolberg 1730, und dazu gehört natürlich auch die selbst schon beträchtliche Anzahl von Klugheitslehren. Denn Klugheit ist die Fähigkeit, gesetzte Zwecke durch die realitätsgerechte
19 Johann Christoph Gottsched: Erste Gründe der gesammten Weltweisheit, Praktischer Theil. In: ders.: Ausgewählte Werke. Hg. von Philipp M. Mitchell. Fünfter Band, zweiter Teil. Berlin, New York 1983, S. 118. 20 Nicolaus Hieronymus Gundling: Philosophischer Discourse anderer und dritter Theil oder Academische Vorlesungen uber seine Viam ad Veritatem Moralem und Kulpisii Collegium Grotianum. Franckfurt, Leipzig 1740, S. 83. 21 Martin Musig: Licht der Weisheit, in denen Nöthigsten Stücken der wahren Gelehrsamkeit, zur Erkänntniß Menschlicher und Göttlicher Dinge. Erster Tomus (1709), 3. Aufl. Franckfurth, Leipzig 1726, S. 26. 22 Christoph Heinrich Amthor: Anleitung zur Sitten-Lehre. Kiel 1706, S. 41.
Frank Grunert Wahl angemessener Mittel zu realisieren, und der höchste der gesetzten Zwecke ist das Glück, so dass die Klugheitslehren des 18. Jahrhunderts bisweilen auch explizit praktische Glückseligkeitslehren darstellen. Wollte man von hier aus nun ein vorläufiges Résumé ziehen, dann ließe sich auf der Basis des vorgeführten Tableaus feststellen, dass die philosophische Beschäftigung mit dem Glück bzw. der Glückseligkeit im 18. Jahrhundert sich ihrem Gegenstand nicht nur begrifflich-theoretisch – also mit der theoretischen Frage, was Glück eigentlich sei – nähert, sondern immer auch den praktischen Anspruch erhebt, Anleitung zur Erlangung dieses Endziels zu geben. Dabei hat man insgesamt einen Menschen im Blick, der gesund und tugendhaft ist, die Wahrheit erkennen kann und dabei hinreichend wohlhabend und sozial anerkannt ist. Zumindest für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts dürfte daher Christoph August Heumanns Auffassung charakteristisch gewesen sein, für den ein »weiser Mann« nur so viel »äußerliche Glückseligkeit« anstreben sollte, wie er zum sorgenfreien und unschuldigen Genuss seiner die eigentliche Glückseligkeit ausmachenden »innerlichen GemüthsRuhe« bedarf. Er mag sich daher am besten mit »mittelmäßiger Ehre«, »mittelmäßigem Reichthum« und »mittelmäßigen Ergetzlichkeiten« zufrieden geben.23 Historisch, d. h. mentalitäts- und/oder sozialgeschichtlich ist dies sicher interessant, philosophisch aber nur mit Hilfe von speziellen Interessen erheblich, die sich aber – etwa mit dem Blick auf das theoretische Detail – vergleichsweise einfach generieren lassen.
Johann Georg Heinrich Feder steht mit seiner Theorie der Glückseligkeit also inmitten einer längst differenziert entfalteten Eudämonismusdebatte. Im produktiven Rückgriff auf zahlreiche Texte und Konzepte entwickelt er – jenseits von Wolff und Kant und im offenkundigen Anschluss an Hutcheson und Ferguson – einen Begriff von Glückseligkeit sowie eine Vorstellung von ihrer Erlangung und ihrer Bewahrung, die bzw. der insbesondere psychologische Einsichten fruchtbar zu machen sucht. Einschlägig sind hierbei Feders mehrfach aufgelegtes und 1770 zum ersten Mal erschienenes Lehrbuch der Praktischen Philosophie24 und der dritte Teil seiner
23 Christoph August Heumann: Der Politische Philosophus, Das ist, Vernunfftmäßige Anweisung zur Klugheit im gemeinem Leben. Franckfurt, Leipzig 1724, S. 6f. 24 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie. Göttingen, Gotha 1770. Das Lehrbuch ist insgesamt vier Mal aufgelegt worden, wobei die einzelnen Auflagen z. T. mehrfach von unterschiedlichen Verlagen nachgedruckt wurden. Vermutlich sind nur die bei Dieterich in Göttingen und Gotha erschienenen Ausgaben tatsächlich autorisiert, denn abgesehen von den von Trattner in Wien publizierten Ausgaben sind auf den Titelblättern der in Hanau und Leipzig bzw.
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für gewöhnlich als Hauptwerk apostrophierten Untersuchungen über den menschlichen Willen.25 Dieser dritte von insgesamt vier Teilen ist 1786 zum ersten Mal publiziert worden, der erste Teil war bereits im Jahr 1779 erschienen. Weil das komplette Werk erst 1793 abgeschlossen werden sollte, handelt es sich also in der Tat um ein opus magnum, mit dem sich Feder immerhin 14 Jahre beschäftigt hatte. Den hier in Rede stehenden dritten Teil der Untersuchungen übergab Feder, wie er in der Vorrede betont, »dem Publico mit dem frohen Gefühle [...], Wahrheiten, und nützliche Wahrheiten darinne vorgetragen zu haben«,26 wobei er ausdrücklich keinen Anspruch auf Originalität erhebt. Vielmehr gesteht er ein, dass die Frage, »ob es überall noch nöthig und schicklich sey«, über Glückseligkeit »aufs neue ausführlich zu schreiben«, ihn dann in Verlegenheit bringen würde, wenn vorausgesetzt wird, dass alles, »was in der Litteratur mit Nutzen soll aufgestellt werden« könne, immer absolut besser sein müsse »als alles Vorhergehende«.27 Dem hält er entgegen, dass »eine neue Darstellung des Alten, nach der Denkart, in der Sprache, in Beziehung auf die Zweifel und Streitigkeiten des Zeitalters, wenn nicht ebenso verdienstlich [ist], als die Erweiterung der Erkenntniß durch neue Entdeckungen, [sie] wenigstens doch auch von erheblichem Nutzen seyn« könne. Und dies gelte insbesondere für solche Wahrheiten, »die mit den Neigungen und Leidenschaften in unmittelbarem Zusammenhange stehen; und daher bey jedem Menschen, und in jedem Zeitalter am meisten durch Sophistereyen und Vorurtheile verdunckelt, und in ihren wohlthäti-
Frankfurt a. M. und Leipzig veröffentlichten Ausgaben keine Verlage genannt; Trattner war schon zeitgenössisch für seine rücksichtslose, d. h. autorunfreundliche Nachdruckpraxis bekannt (vgl. hierzu auch den Beitrag von Frank Zöllner in diesem Band): 2. Aufl. Göttingen, Gotha 1771; 3. Aufl. Göttingen u. a. 1773 sowie (vermutlich unautorisiert) Hanau, Leipzig 1775; 4. Auflage Göttingen 1776 sowie (vermutlich ebenfalls jeweils unautorisiert) Frankfurt a. M., Leipzig 1781, Wien 1785 sowie Frankfurt a. M., Leipzig 1789. Ohne Angabe einer Auflage hatte Trattner 1779 und 1791 zwei weitere Ausgaben des Lehrbuchs auf den Markt gebracht. Feder hat immer wieder Änderungen am Text vorgenommen, durch deren Vergleich Akzentverlagerungen, etwa durch die Umgruppierung von Argumenten, Erweiterungen oder sogar ganz neue Einsichten nachvollziehbar werden. Gravierend sind hierbei die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Auflage. Auf die sachlich relevanten Differenzen zwischen den einzelnen Auflagen wird im Folgenden Rücksicht genommen. 25 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1). Die Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens (zuerst Göttingen 1782, weitere Auflagen 1785 und 1789) stehen sachlich und werkgeschichtlich zwischen dem Lehrbuch und den Untersuchungen. Feder begreift sie selbst sowohl als eine verknappende als auch erweiternde Überarbeitung des Lehrbuchs. Hinsichtlich der Glückseligkeitslehre gibt es zu den Ausführungen im Lehrbuch kaum Unterschiede, soweit diese mit bemerkenswerteren Einsichten verbunden sind, werden sie in die nachfolgende Darstellung einbezogen; zu den bislang selten betrachteten Untersuchungen vgl. auch den Beitrag von Achim Vesper in diesem Band. 26 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. V. 27 Ebd., S. VII.
Frank Grunert gen Wirkungen aufgehalten werden«.28 Indem solchermaßen die Bescheidenheitsgeste des Unoriginellen methodisch eingeholt wird, erweist sie sich als rhetorisch: Die Qualität des Gedachten ist keine Funktion seiner Neuheit, sondern ergibt sich von selbst, wenn das Alte mit den Problemen der Gegenwart in Verbindung gebracht und mit Blick auf die Ansprüche des »Zeitalters« produktiv gemacht wird. Feders methodische Klärung bildet in nuce ein geradezu zeittypisch verbreitetes eklektisches Programm ab, das Hergebrachtes prüft und daraus – vor dem Hintergrund aktueller Problembestände – das Beste behält. Er begegnet damit schon vorab einer Kritik, die auch tatsächlich artikuliert worden ist. Denn in einer 1789 in der Allgemeinen deutschen Bibliothek erschienenen Rezension des dritten Teils der Untersuchungen wirft der anonyme Kritiker dem Autor sowohl einen Mangel an philosophischer Kreativität als auch ein beträchtliches Maß an Geschwätzigkeit vor. So behandele Feder die Gegenstände des dritten Teils – gemeint sind die Ausführungen zur Glückseligkeit einerseits und zum Recht andererseits – »nach seiner gewöhnlichen Manier«, d. h. er gehe »mehr mit einem allgemeinen unbestimmten Raisonnement über sie« hin, »als daß er sie durch tiefere Untersuchung zu erschöpfen, und in ein helleres Licht zu stellen«29 suche. Und kritisch fährt er fort: Am wenigsten hat uns in dieser Absicht dasjenige befriedigt, was im vierten Buche über die Glückseeligkeit gesagt wird, wo er, ohne einmal den Begriff der Glückseeligkeit näher zu entwickeln, sich weitläuftig über die verschiedenen Meynungen in Rücksicht der Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines glückseeligen Lebens, über die Kunst zu genießen, und über die verschiedenen Mittel zum glücklichen Leben zu gelangen einläßt. Daß sich über all diese Materien nicht viel Neues sagen ließ, konnte man zwar erwarten; indessen hätten doch die vielen wässerigen Deklamationen und langweiligen Anwendungen wegbleiben können, die zur Sache selbst gar nicht gehören.30
Auch wenn dieses zeitgenössische Urteil geeignet ist, die ohnehin nicht übertriebenen Erwartungen an die philosophische Qualität von Feders Überlegungen weiter zu dämpfen, so könnten sich Letztere doch – und zwar gerade in einer historischen Perspektive – als aufschlussreich erweisen. Immerhin gründet die Kritik des Rezensenten genaugenommen weniger in der – wiewohl begrifflich nicht hinreichend ausgewiesenen – Sache als vielmehr in Unzulänglichkeiten der Form. An der appellativen Rhetorik von Feders Ausführungen mag man philosophisch Anstoß nehmen, allerdings markiert sie einerseits die Einsicht in die Notwendigkeit einer praxisanleitenden Philosophie und andererseits das Vertrauen in deren Wirksamkeit – beides
28 Ebd., S. VIIf. 29 Anonymus. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 86.2 (1789), S. 447. 30 Ebd.
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ist nicht nur mentalitätsgeschichtlich, sondern auch philosophiehistorisch von Interesse.31
Feders Theorie der Glückseligkeit findet sich zunächst in seinem als Leitfaden zu seinen Vorlesungen konzipierten Lehrbuch der praktischen Philosophie, sie wird hier – und das gilt für sämtliche Auflagen – eher skizziert als tatsächlich ausgeführt. In seinen späteren Untersuchungen über den menschlichen Willen kommt er darauf zurück, baut seine Überlegungen konkretisierend sowie – offenbar mit Blick auf neuerworbene Erkenntnisse – ergänzend aus und bisweilen um.32 Dabei ist die im Lehrbuch gebotene Skizze, die ab der zweiten Auflage nur noch unwesentlich modifiziert wird, trotz ihrer markanten Kürze insofern charakteristisch, als sie bereits die entscheidenden Elemente von Feders Theorie der Glückseligkeit enthält. Er lässt es in allen Auflagen bei nur zwei Paragraphen bewenden: Der eine definiert den »Grundbegriff« und die sich daraus ergebenden »nächsten Folgen«, und der zweite ist mit den »Grunderfordernissen zum glückseligen Leben« befasst. Feder schließt seine knappen Ausführungen mit Literaturempfehlungen, die er bis einschließlich der dritten Auflage immer wieder erweitert: Während in der ersten Auflage lediglich die Sittenlehre von Hutcheson und Maupertuisʾ Essai de philosophie morale erwähnt werden,33 fügt Feder in der zweiten Auflage noch Ferguson und Epiktet hinzu.34 In der dritten Auflage wird eine wiederum erweiterte Liste geboten, die dann in der vierten Auflage nicht mehr modifiziert wird: Hinzu kommen hier die Théorie des sentimens agréables von Louis-Jean Levesque de Pouilly und die Nouvelle Théorie de l’homme, außerdem wird noch auf Antoninus35 und das erste Buch von Johann 31 Siehe dazu Walther Zimmerli, der mit Blick auf die Göttinger Popularphilosophie insgesamt – und damit Feder implizierend – einprägsam vom »seltene[n] Bild einer vom Katheder verkündeten Philosophie ›für die Welt‹« spricht, Zimmerli: »Schwere Rüstung« (s. Anm. 2), S. 59. 32 Lediglich der letzte Druck der vierten Auflage (Frankfurt a. M., Leipzig 1789) und die von Trattner 1791 veranstaltete Ausgabe sind nach Erscheinen des dritten Teils der Untersuchungen (1786) publiziert worden. Da unterstellt werden darf, dass es sich bei den genannten Ausgaben um nichtautorisierte Nachdrucke der vierten Auflage handelt (siehe Anm. 24), in deren Textgestalt Feder nicht eingegriffen hat bzw. gar nicht eingreifen konnte, stellen Feders Ausführungen in den Untersuchungen seine abschließenden, d. h. nicht mehr weiterentwickelten Überlegungen zur Glückseligkeitstheorie dar. 33 Vgl. Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 51. 34 Vgl. Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 58. 35 Mit Antoninus ist Mark Aurel gemeint, der sich nach seiner Adoption durch Antonius Pius selbst Marcus Aurelius Antoninus nannte. Diesen selbstgewählten Namen verwendet auch Johann Adolph Hoffmann als Autorenname für die von ihm besorgte Übersetzung der Selbstbetrachtungen von Mark Aurel. Die 1723 zum ersten Mal erschienene Ausgabe war offenbar ein steady-seller, die bis
Frank Grunert Adolph Hoffmanns Zwey Bücher von der Zufriedenheit hingewiesen, von dem Feder zweifellos Anregungen bezogen hat, dessen entschiedene religiöse Grundierung er aber zumindest nicht in dem von Hoffmann vorgegebenen Maße mitträgt.36 Weil nur grundlegende bzw. weiterführende Literatur angegeben wird, die in Feders eigenen methodischen und argumentativen Rahmen passt, fehlen Hinweise auf Christian Wolff oder seine unmittelbaren Anhänger. Obwohl die »Philosophen sowohl als andere Menschen in ihren Beschreibungen von der Glückseligkeit, und dem was dazu gehöret, häufig von einander abgehen«, ist Feder davon überzeugt, dass sich »ohne Mühe erkennen« lasse, worin »die Glückseligkeit nach dem durchgängigen Begriffe der Menschen« bestehe.37 Feder argumentiert anthropologisch: Jeder Mensch hat lebenslang »Empfindungen, Selbstgefühl, Bewustseyn von dem Zustande und Veränderungen seiner Seele und seines Leibes«, und diese Empfindungen sind entweder angenehm oder unangenehm. Die angenehmen Empfindungen, in denen sein Vergnügen und seine Zufriedenheit gründen, begehrt er, die unangenehmen Empfindungen werden verabscheut. Weil nun Glückseligkeit etwas ist, »was alle Menschen suchen und begehren«, kann – so schlussfolgert Feder – diese Glückseligkeit »nichts anders seyn, als ein Zustand angenehmer Empfindungen«.38 Diese Definition – Glückseligkeit als Zustand angenehmer Empfindungen – wird auch in der zweiten und dritten Auflage des Lehrbuchs im Prinzip beibehalten, nur die ohnehin eher rudimentäre anthropologische Herleitung unterbleibt, stattdessen wird mit der Formulierung, es sei »offenbar«, dass Glückseligkeit »nichts anders sey als ein Zustand angenehmer Empfindungen«,39 jenseits weiterer Argumente schlicht Evidenz behauptet. In der vierten Auflage des Lehrbuchs scheint Feder um einen konturenreicheren Glückseligkeitsbegriff bemüht zu sein. Mit der Feststellung, dass »alle Menschen das Wesen der Glückseligkeit in der Zufriedenheit und dem Vergnügen, in der Befreyung von Schmerz, und dem Genusse eines angenehmen Selbstgefühls und ergötzender Vorstellungen setzen«,40 nennt Feder zwar nähere Merkmale der Glückseligkeit, doch lässt er diese eklektisch zusammengestellte und mit Blick auf sachliche Unterschie 1755 fünf Mal aufgelegt wurde, siehe: Des Römischen Kaisers Marcus Aurelius Antoninus erbauliche Betrachtungen über Sich Selbst, Aus dem Griechischen übersetzet, Und nebst Kurtzen Anmerckungen, auch mit Seinem Leben Vermehret Durch Johann Adolph Hoffmann. Hamburg 1723, weitere Auflagen: 1727, 1735, 1748 und 1755. Auch in Zedlers Universal-Lexicon wird Mark Aurel unter dem Lemma »Antoninus (Marcus Aurelius)« geführt. Siehe: Zedlers Universal-Lexicon. Band 2. Halle, Leipzig 1732, Sp. 680–682. 36 Vgl. Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (3. Aufl. Hanau, Leipzig 1775, s. Anm. 24), S. 56. 37 Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 45f. 38 Ebd., S. 46. 39 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 53; Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (3. Aufl. Hanau, Leipzig 1775, s. Anm. 24), S. 51. 40 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (4. Aufl. 1776, s. Anm. 24), S. 51.
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de und Überschneidungen durchaus erklärungsbedürftige Reihung unerörtert. In den späteren Untersuchungen über den menschlichen Willen kommt er nicht darauf zurück, sondern erneuert seine ursprüngliche Definition, indem er sie durch ein – in der Diskurstradition übliches – temporales Moment ergänzt.41 Auch hier setzt Feder mit einem Hinweis darauf ein, dass die augenscheinliche Uneinigkeit bei den Grundbegriffen der Glückseligkeit nur dem Schein nach bestehe, tatsächlich – so befindet Feder nun – seien alle Menschen darin einig, »daß Vergnügen, Zufriedenheit und Dauer dieser Gemüthszustände die wesentlichen Bestandtheile der Glückseligkeit«42 sind. Dieser Befund ist wiederum evidenzbasiert, denn »das eigene Gefühl eines jeden, und das geringste Nachdenken würden sich widersetzen, wenn Jemand Vergnügen oder Zufriedenheit, und die Dauerhaftigkeit dieses angenehmen Gemüthszustandes für gleichgültig bey der Glückseligkeit erklären wollte«.43 Dabei führt Feder – im Unterschied zu den Ausführungen im Lehrbuch – nun die Differenzen der überlieferten Glückseligkeitskonzepte vor allem auf die unterschiedlichen Einschätzungen des Stellenwertes einzelner an der Glücksempfindung beteiligter Momente zurück: So wird von einigen Denkern die Bedeutung der positiven Empfindungen des Angenehmen betont, während andere – negativ – die Abwesenheit des Schmerzes hervorheben, ähnliche Differenzen gelten für die Einschätzung des sinnlichen Vergnügens gegenüber den »feinern, geistischen Vergnügungen« und der »Bestimmung und Würdigung der äußerlichen Güter und Hülfsmittel zur Glückseligkeit, der Reichthümer, Ehre, Gesundheit, Aufklärung des Verstandes und Stärke der Seele«.44 Die Einschätzungsunterschiede belegen Differenzen in der »Denkund Empfindungsart der Menschen«,45 die die Allgemeingültigkeit der festgestellten »Hauptbestimmungen des Grundbegriffs« zwar nicht in Frage stellt, zugleich aber auf das noch zu erörternde Gewicht des Denk- und Empfindungsvermögens verweist. Feder ist sich im Klaren darüber, dass seine relativ offene Glückseligkeitsdefinition im Lehrbuch der näheren Konturierung bedarf, und so fügt er »zur weitern Aufklärung« sechs (erste Auflage) bzw. sieben (Auflagen 2 bis 4) als »nächste Folgen« bezeichnete Anmerkungen hinzu, wovon insbesondere die ersten zwei von Interesse sein dürften. Begonnen sei hier mit der zweiten, die zwar weniger weit reicht als die
41 Dieses temporale Moment – die Bindung der Glückseligkeit an die Fortdauer des Glücks – vergisst Feder auch im Lehrbuch nicht (vgl. etwa Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie [1. Aufl. 1770, s. Anm. 1], S. 48), allerdings ist es hier noch nicht Bestandteil der Definition. 42 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 3. 43 Ebd., S. 4. 44 Ebd. 45 Ebd.
Frank Grunert erste, aber dennoch geeignet ist, einen aufschlussreichen Aspekt von Feders Glücksbegriff zu beleuchten.46 Feder hält unter Punkt 2 fest: Es folget aus dem Grundbegriffe, daß alles, was dem Menschen angenehme Empfindungen verschaffet, ihn vergnügt oder zufrieden macht, in so fern er dieses thut, zu seiner Glückseligkeit etwas beyträgt; und daß jede Stunde, jeder Augenblick, den der Mensch im Zustande angenehmer Empfindungen zubringt, an und für sich betrachtet, mit Recht glückselig oder glücklich genennt werde.47
Was sich hier vergleichsweise trivial anhört, ist vor dem Hintergrund der bestehenden Diskurstraditionen durch seine Offenheit bemerkenswert. Angenehme Empfindungen werden hier insgesamt als ein Beitrag zur Glückseligkeit gewürdigt, und zwar ohne weitere qualitative Hierarchisierungen, die lange Zeit üblicherweise mit Hilfe moralischer oder religiöser Rücksichten vorgenommen wurden. Zwar sind die sich anschließenden Überlegungen zu den Folgen, der Intensität und der Dauer von Vergnügungen geeignet, Einschränkungen vorzunehmen, doch sind diese Einschränkungen nicht normativer, sondern zunächst nur pragmatischer Natur. Zugelassen sind allgemein alle angenehmen Empfindungen, auch – und das wird später in den Untersuchungen über den menschlichen Willen ausdrücklich bestätigt – sinnliche Vergnügungen, wobei Feder auch sexuelle Lust einschließt.48 Die in der Diskurstradition typische Verbindung von Glückseligkeit und Moral fehlt allerdings bei Feder nur auf den ersten Blick, sie kommt spätestens dann wieder massiv ins Spiel, wenn in der Tugendlehre von der »Glückseligkeit des Tugendhaften« gehandelt wird. Denn hier wird die einhellige Behauptung der »Moralisten«, dass »die Tugend der Weg zur wahren Glückseligkeit sey«, und dass »man ohne sie nicht glückselig, und bey ihr nicht unglückselig seyn könne«, in vollem Umfang bestätigt. Dem Tugendhaften zahlt sich auch bei Feder aus, dass er »die Vortheile des Lebens« recht gebrauche, seine »Begierden vernünftig beherrsche« und dass sein gutes Gewissen genauso wie seine Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Zeiten der Not – »beym Unglücke« – wirkungsvolle Beruhigungsmittel abgeben.49 Schon mit der ersten Anmerkung zu dem von ihm definierten Grundbegriff der Glückseligkeit hatte Feder einen Akzent gesetzt, der in gewisser Weise limitierend wirkt und zugleich prononciert die Richtung angibt, in der er seinen Glückseligkeitsbegriff weiter entwickelt. Feder stellt als erste Folge bzw. Anmerkung folgendes fest: »Man muß die eigentliche Glückseligkeit, einen innern Zustand, nicht ver 46 In der ersten Auflage befindet sich diese ansonsten zweite Anmerkung an erster Position, die erste Anmerkung fehlt hier interessanterweise. 47 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 54f.; siehe auch: ders.: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 47. 48 Vgl. Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 88. 49 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 299f., vgl. auch ders.: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 286f.
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wechseln mit einer solchen Situation und äusserlichen Umständen, wobei ein Mensch die Mittel zum vergnügten Leben vorzüglich in seiner Gewalt hat.«50 Im dezidierten Gegensatz zu den Konzepten der früheren Aufklärung bis hin zu Wolff, für die äußere Glücksgüter immer einen integralen Anteil an der Glückseligkeit hatten, fokussiert Feder auf innere Zustände. Die Unterscheidung zwischen innerem und äußerem Zustand ist ihm deswegen wichtig, weil »die Verknüpfung von beyden nicht schlechterdings nothwendig ist«.51 Günstige äußere Umstände können daher allenfalls zur empfundenen Glückseligkeit beitragen, stellen aber mitnichten eine conditio sine qua non dar. Entscheidend ist vielmehr das Innere des Menschen, und zwar deswegen, weil das Innere – von Feder, und nicht nur von ihm – als etwas behauptet wird, das letztlich nicht von außen verfügbar und daher den Kontingenzen der äußeren Welt entzogen ist. Da der Mensch sein Inneres exklusiv in der eigenen Gewalt hat, bedeutet dies für die als inneren Zustand begriffene Glückseligkeit, dass der Mensch in der Lage ist, über eigenes Glück und Unglück selbst zu verfügen. Durch die Vorstellung, dass Glück nur von etwas abhängen darf, über das nur der Einzelne selbst verfügt, wird eine Art residuale Autonomie des Subjekts behauptet, die impliziert, dass die Glückseligkeit in letzter Konsequenz in der Verantwortung des Einzelnen verbleibt. Glücklich kann daher nur werden und sein, wer dafür sorgt, glücklich zu sein oder zu werden, wobei es reicht, sich dabei auf das zu konzentrieren, was der Einzelne selbst in der Hand hat. Diese postulierte Verfügungsautonomie wird bei Feder nachgerade zum Leitmotiv seiner Überlegungen zum Glücksbegriff und insbesondere zu den Möglichkeiten, die Glückseligkeit auch zu erlangen. In der einleitenden Passage zu dem sich anschließenden Paragraphen über die »Grundfordernisse zum glückseligen Leben« kommt Feder auf diesen Gedanken zurück und wird zugleich deutlicher: Daß der Besitz der äusserlichen Güter, daß alle Vortheile des äusserlichen Zustandes, einen Menschen allein noch nicht glückselig machen; daß innere Eigenschaften, eine gewisse Einrichtung des Gemüths, vor allen Dingen nöthig seyn; ist eine Folge aus dem Vorhergehenden, eine einstimmige Lehre der Weisen, und durch die Erfahrung genugsam bestätiget.52
Das entscheidende, weil weiterführende Stichwort ist hier: die Einrichtung des Gemüts. Zur Erreichung des Glücks geht es nicht um eine irgendwie erlebte Innerlichkeit, sondern um eine Kultivierung des Inneren als Voraussetzung für die Empfin 50 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 54. 51 Ebd. 52 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (4. Aufl. 1776, s. Anm. 24), S. 54. Anstelle von »inneren Eigenschaften« und bloßen »Grunderfordernissen« ist in der 1. und der 2. Auflage einprägsam von »subjectivischen Eigenschaften« und »subjectivischen Grunderfordernissen« die Rede. Vgl. Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 50, sowie ders.: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 57.
Frank Grunert dung von Glück. Hergestellt werden muss eine Disposition des Gemüts, damit dieses in der Wahrnehmung des Inneren und des Äußeren zum Glück befähigt wird. Dazu sind Vorkehrungen notwendig, die jeder und jede Einzelne treffen sollte. Feder führt dazu die folgenden neun »Grunderfordernisse zum glückseligen Leben« an: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
8. 9.
Innerliche Quellen des Vergnügens, welche unabhängig vom Schicksal, auch beym Unglücke nicht versiegen. Ausrottung oder Verhinderung der innerlichen Quellen des Mißvergnügens. Eine der Vernunft folgsame Einbildungskraft. Kunst sein Glück zu genießen. Daher Begnügsamkeit und Mäßigung der Begierden. Gewöhnung der Unempfindlichkeit gegen allen Verdruß und Schmerz, dem man sich vernünftiger Weise dadurch ersparen kann. Festgegründete und rege Vorstellungen des Trostes und der Beruhigung auf allerley harte Unglücksfälle, damit der nothwendige Schmerz uns nicht zu sehr hinreiße, nicht in wilde Leidenschaft des ewigen Trauerns oder in Verzweiflung ausarte. […] Kenntniß seiner selbst […]. Endlich ist aber auch Kenntniß der Dinge außer uns, und ihrer Verhältnisse auf uns; Kenntniß von den verschiedenen Arten der Güter, und ihrem wahren Werthe, nöthig.53
Diese Liste mobilisiert unverkennbar stoisches Gedankengut, das Feder mit seinem Hinweis auf Epiktet – Seneca hatte schon in seiner Jugend großen Eindruck auf ihn gemacht – ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt. Sichtbar wird hier ein Glücksverständnis, das überwiegend defensiv auf die Abweisung von schmerzhaften Zumutungen zielt. Es geht dabei nicht um die Abschaffung des objektiven Übels, sondern vielmehr um eine subjektive Neutralisierung seiner negativen Effekte durch einen innerpsychischen, letztlich auf Kompensierung angelegten Umgang mit dem Übel. Ein solches Vorgehen ist für Feder deswegen nötig und sinnvoll, weil die zum Glück führenden Vorkehrungen sich eben genau dann bewähren müssen, wenn das Unglück notwendig und unabweisbar ist und daher nicht mit der Hilfe von ver-
53 Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (4. Aufl. 1776, s. Anm. 24), S. 54f. Die zweifellos eine Wertigkeit ausdrückende Reihenfolge der »Grunderfordernisse« ist in der ersten Auflage des Lehrbuchs eine andere. Auffällig ist, dass der in den Auflagen 2–4 prominente Punkt 1 in der ersten Auflage vor den späteren Punkten 8 und 9 noch an dritter Stelle steht. Vgl. Feder: Lehrbuch der Praktischen Philosophie (1. Aufl. 1770, s. Anm. 1), S. 50f. In den Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens (s. Anm. 25) findet sich eine ähnliche, acht Punkte umfassende Liste von »Grunderfordernissen zur Glückseligkeit«. Der letzte Punkt bringt insofern einen neuen Aspekt in die Diskussion als hier von »gewissen Zuständen des Körpers« die Rede ist, die geeignet sein können, die Geisteskräfte so weit zu überwältigen, dass ihnen die Möglichkeit zur Realisierung der »innerlichen Grunderfordernisse zur Glückseligkeit« genommen wird. Insofern stellt Feder fest, dass »ein wenigstens durch nachtheilige Einflüsse die Kräfte des Geistes nicht überwältigender Körper zu den mit den unmittelbarsten allernächst verknüpften Gründen menschlicher Glückseligkeit ohne Zweifel gerechnet werden muß« (S. 98). Damit wäre eine physische Voraussetzung der Glückseligkeit benannt, die der Einzelne nicht vollständig in seiner Gewalt hat.
»[S]elbst Schuld«
gleichsweise trivialen Handgriffen beseitigt werden kann. Das führt zu einem Glücksbegriff, der zumindest dem Akzent nach weitgehend auf eine vom Einzelnen selbst herbeigeführte Immunisierung angelegt ist. Der positive Genuss einer erlebten Fülle des Angenehmen steht hier nicht im Vordergrund, er deutet sich allenfalls durch die Position vier der Liste an, wo von der Kunst, sein Glück zu genießen, die Rede ist.54 Die Auflistung dieser »Grunderfordernisse« ist noch nicht hinreichend aussagekräftig; zweifellos hat Feder sie in den Vorlesungen, denen sein Lehrbuch der praktischen Philosophie zugrundelag, inhaltlich weiter gefüllt. Weil er bei der ausführlichen Erörterung von »Gründen der Glückseligkeit« in seinen Untersuchungen über den menschlichen Willen wieder auf seine ursprünglichen »Grunderfordernisse« zurückkommt, liegt die Annahme nahe, dass Feder seine Überlegungen mit Hilfe der in der Lehre bereits erarbeiteten Materialien ausbaut. Dabei revidiert er die Reihenfolge, ergänzt zuvor unberücksichtigt gebliebene Aspekte und verleiht seinen Ausführungen in theoretischer wie praktischer Hinsicht nähere Konturen; dem Tenor des bisher Dargestellten bleibt er allerdings im Grundsatz treu.
Ausgangspunkt für Feders in den Untersuchungen über den menschlichen Willen entwickelte Theorie der Glückseligkeit ist eine zweifache Erkenntnis und eine daraus abgeleitete Problemstellung: Einerseits steht für Feder außer Frage, dass »jeder Mensch vermöge des unabänderlichsten Grundgesetzes seiner Natur« nach Glückseligkeit strebt, und andererseits sind nur »wenige Menschen [...] nach ihrem eigenen Urtheile glückselig! Keiner vielleicht in dem Grade, wie er es zu seyn begehrt«.55 Die sich daraus ergebende Problemstellung ist pragmatischer Natur: »Wie kann er denn zu einem mit den Grundgesetzen der Natur übereinstimmenden Verhalten gebracht werden?« Damit verbindet sich schließlich die konkrete Frage nach »Beweggründe[n]«, »Triebfedern« und – interessanterweise – auch nach »Zwangsmitteln«,56 die angewandt werden müssen, um dem Einzelnen den Genuss seiner naturgemäßen
54 Dass auch hiermit kein anstrengungsloser Genuss gemeint ist, wird durch die Erläuterung nachvollziehbar, die Feder diesem Punkt in den Grundlehren hinzufügt, denn hier macht er sogleich klar, dass die Kunst zu genießen sich erstens auf das »Gute« bezieht, »was man in seiner Gewalt hat«, wozu zweitens »ernstlicher Wille, Fähigkeit und Übung das Gute zu bemerken« erforderlich sind. Die Kunst zu genießen beruht insofern auch hier auf Disziplin. Feder: Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens (s. Anm. 25), S. 98. 55 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 1. 56 Ebd., S. 1f. Was Feder mit diesem bemerkenswerten Zwang zum Glück tatsächlich vor Augen hat, bleibt unklar. Er kommt im weiteren Verlauf seiner Ausführungen darauf nicht mehr zurück.
Frank Grunert Glückseligkeit zu verschaffen. Die von Feder erörterten »Gründe der Glückseligkeit« verstehen sich nicht als akademische Übung, sondern als konkrete, d. h. praktizierbare Anweisungen zur Erlangung und Bewahrung von Glückseligkeit. Feders Hinweis auf die Natur des Menschen, der Rekurs auf das eigene Urteil hinsichtlich des eigenen Glücks und Unglücks und schließlich die Frage nach Triebfedern und Beweggründen lassen von vornherein keinen Zweifel daran, dass es hier nicht um die Objektivität eines von außen kommenden, aber innerlich empfundenen Glücks geht, vielmehr gilt Feders Interesse – im genauen Anschluss an die im Lehrbuch gemachten Vorgaben – ausschließlich den subjektiv verfügbaren Dispositionen zur Erlangung und Bewahrung der Glückseligkeit. Im Vordergrund stehen dabei zwei eng miteinander verknüpfte Überlegungen, die Feder ganz offensichtlich direkt aus dem von ihm selbst angeführten57 und im 18. Jahrhundert ungemein verbreiteten Enchiridion Epiktets58 bezieht: Es ist dies zunächst die Vorstellung, dass Glück – bei Epiktet übrigens auch Freiheit – ausschließlich von dem abhängig ist, was der Einzelne unmittelbar in seiner eigenen Gewalt hat – dazu zählen bei Epiktet »Meinung, Trieb, Begierde, Widerwille« im Gegensatz zu »Leib, Vermögen, Ansehen, Ämter«; alles, »was unser Werk ist«, steht hier dem gegenüber, »was nicht unser eigenes Werk ist«.59 Feder schließt hier unmittelbar an und differenziert ganz im Sinne Epiktets zwischen dem in unserer Gewalt stehenden Inneren und dem in letzter Konsequenz kontingenten, zumindest für den Einzelnen weitgehend unverfügbaren Äußeren. In diesem Sinne ist für Feder »nichts unsicherer, als ein Gebäude für Zufriedenheit und Ruhe des Gemüths, wovon der Grund außer uns liegt!«60 Sowohl Epiktet als auch Feder verbinden dies nun 57 Vgl. Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie (2. Aufl. 1771, s. Anm. 24), S. 58. 58 Dies dokumentieren allein schon die einschlägigen Bibliothekskataloge. Vgl. dazu auch: Jochen Schmidt: Grundlagen, Kontinuität und geschichtlicher Wandel des Stoizismus. In: Barbara Neymeyr, Jochen Schmidt u. Bernhard Zimmermann (Hg.): Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. Bd. 1. Berlin 2008, S. 3–133. 59 Hier und im Folgenden zitiert nach der Ausgabe: Epiktet: Das Buch vom geglückten Leben. Aus dem Griechischen von Carl Conz. Bearbeitet und mit einem Nachwort von Bernhard Zimmermann. 9. Aufl. München 2014, S. 9. 60 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 8. Mit diesen Überlegungen kann Feder übrigens nicht nur an Epiktet, sondern auch an Adam Ferguson anschließen, der wiederum seinerseits auf Epiktet und Antonin verweist. In der 1772 erschienenen und von Christian Garve besorgten Übersetzung der Grundsätze der Moralphilosophie hält Ferguson es für »ein Glück, sich nur auf das zu verlassen, was in unsrer Gewalt ist« (Adam Ferguson: Grundsätze der Moralphilosophie. Leipzig 1772, S. 148). Siehe auch Francis Hutcheson, der in einem Inquiry into the Supreme Happiness of Mankind ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Glück und Verfügungsgewalt herstellt: »How far the several Sensations, Appetites, Passions and Affections are in our power« (Francis Hutcheson: A System of Moral Philosophy. vol. I. London 1755, S. 100). Eine Übersetzung dieses Bandes war bereits 1756 in Leipzig erschienen: Franz Hutchesons Sittenlehre der Vernunft, aus dem Englischen übersetzt. Leipzig 1756.
»[S]elbst Schuld«
mit der Vorstellung, dass über die vom Einzelnen selbst hergestellten Vorstellungen die Wahrnehmung des als gut oder schlecht erfahrbaren Äußeren und damit die Empfindung von Glück und Unglück gesteuert wird. Dies wird durch Epiktets Behauptung, »nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen von den Dingen« beunruhigten die Menschen,61 greifbar und findet ihre genaue Entsprechung in Überlegungen, die Feder in seinen Untersuchungen zum menschlichen Willen anstellt: Für ihn steht außer Frage, dass »alles […] allernächst auf unsern Gefühlen und Vorstellungen, also auf dem, was wir sind und in uns haben« beruht. Feder fährt fort: Denn die Dinge wirken nie für sich und unmittelbar auf unsern Gemüthszustand; sondern nur mittelst unserer Vorstellungen und Empfindungen. Und nicht so sehr werden – wenigstens in den meisten und wichtigsten Fällen – diese Empfindungen durch die unabänderliche Natur der Dinge und ihre nothwendigen Verhältnisse zu uns bestimmt; als durch den Gesichtspunkt, unter dem wir sie betrachten, die Fassung, in der wir ihren Eindruck aufnehmen, die Vorstellungen und Meynungen, Launen und Neigungen, die wir mitbringen, kurz durch unsere eigenen Beschaffenheiten und solche Verhältnisse zu den Dingen, die wir selbst wählen, oder doch in unserer Gewalt haben.62
Entscheidend für die Empfindung von Glück und Unglück ist also nicht die Objektivität des Gegebenen mit seinen angenehmen oder unangenehmen Erscheinungen; diese lassen sich im Ernstfall – so die Botschaft – doch nicht oder nur kaum ändern, sie mag daher bleiben was und wie sie will. In diesem Sinne empfahl Epiktet etwa, die Dinge nur so zu wünschen, wie sie sich ohnehin entwickeln, denn dann wird »dein Leben […] ruhig dahinfließen«,63 das Gegebene wird so zum Gewollten umgedeutet, das Objektive mit dem Subjektiven – faktisch auf Kosten des Subjekts – in Übereinstimmung gebracht. Die hier ohnehin nur rudimentäre Leistung des Subjekts wird bei Feder vollends eingezogen, denn er ist sich vorgängig gewiss, dass alle Übel ohnehin nur die Folgen »von den weisesten und gütigsten Einrichtungen« sind, »die entweder gar nicht, oder nicht ohne größere Übel zu veranlassen, verhindert werden konnten«. Insofern ist klar, dass der Wunsch, »in einer solchen Welt nicht auch leiden« zu wollen, nur »unbillig und unnatürlich« ist, was – wie Feder befindet – einem »weisen Gemüth« selbstverständlich nicht ansteht, denn dieses »klagt nicht über das, was natürlich ist«.64 Für die Empfindung des Glücks kommt es also nicht auf die Gunst äußerer Umstände an, vielmehr hängt es von der inneren Qualität einer in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit gestimmten Seele ab, ob dieselbe Situation als Glück oder Unglück empfunden wird. Diese Gestimmtheit der Seele ist nicht den Zufälligkeiten natürlicher Anlagen geschuldet, sondern beruht auf einer
61 Epiktet: Das Buch vom geglückten Leben (s. Anm. 59), S. 15. 62 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 15f. 63 Epiktet: Das Buch vom geglückten Leben (s. Anm. 59), S. 17. 64 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 56.
Frank Grunert durch »Grundsätze und anhaltende Uebung«65 erreichten Gewöhnung, von der in der Eudämonismusdebatte der Aufklärung bereits verschiedentlich die Rede war. Diese durch fortgesetzte Übung selbstständig betriebene Gewöhnung führt zu einer stabilen mentalen Disposition: Was man nun oft thut wird endlich zur Fertigkeit und Gewohnheit. Und so kann man, je nachdem man bey den alltäglichen Vorfällen sich stimmt und stimmen läßt, in nicht gar zu langer Zeit, die eine oder die andere Art von Beachtung und Beurtheilung der Dinge, von Ideenverbindungen und Launen sich angewöhnen; zum weinerlichen und klagsüchtigen Geschöpfe, oder zum gelassenen, heitern Mann sich ausbilden. Wie der Mensch sich – in Absicht seiner Einbildungen – gewöhnt, so ist er. Und dies ist gewiß nicht der unwichtigste Grund, mittels dessen er sein Glück oder seine Zufriedenheit sich selbst schafft.66
Weil dem angeblich so ist, sind wir, wie es tatsächlich an einer Stelle ausdrücklich heißt, »offenbar selbst Schuld an unserer Unglückseligkeit«.67 Feder bezieht diese markante Selbstverantwortlichkeit hier zwar auf die Unwilligkeit, das eigene Leiden durch Zerstreuungen – »nützliche Arbeiten, gute Gesellschaften, Spaziergänge, Reisen, Lectüre«68 – zu lindern, doch kann angesichts der Forderung, das eigene Glück durch Arbeit an den eigenen innerlichen Dispositionen zu befördern, kein Zweifel daran bestehen, dass Feder insgesamt die Schuld für Glück und Unglück dem Einzelnen zuschreibt. Die von Feder vorgebrachten und Trivialität durchaus nicht scheuenden »Gründe der Glückseligkeit«69 sind alle mit der Vorstellung von einer auf das Innere und seine Erlebnisqualität bezogene Verfügungsgewalt des Einzelnen verknüpft. Indem die Mahnung, sich auf das zu konzentrieren, was man selbst »in der Gewalt hat«, und diese, im genauen Sinne, nur dann realisiert werden kann, wenn sie auf das Innere des Menschen zielt, erweist sich die leitmotivisch eingebrachte und auf die
65 Ebd., S. 17. 66 Ebd., S. 68f. 67 Ebd., S. 43. 68 Ebd. 69 Dazu gehört etwa der Hinweis, den kleinen Vorteilen und den sich beiläufig ergebenden Gelegenheiten zum Vergnügen die gehörige Aufmerksamkeit zu schenken, wobei es etwa um die gezielte und Vergnügen schaffende Wahrnehmung der Vollkommenheiten einzelner Gegenstände geht: »Du hast einen Garten: laß dir nicht genug seyn, dies zu wissen; und gedankenlos, oder mit fremden Gedanken, in ihm herumzuirren. Zähle die Blumen, die ihn schmücken; entfalte die Reize einer jeden, genieße sie ganz« (S. 24). Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang zudem nicht nur der naheliegende Rat, sich sowohl in seinen Begehrlichkeiten als auch in seiner Empfindlichkeit gegen unvermeidliche Übel zu mäßigen, sondern auch die »Trostgründe beym unvermeidlichen Gefühl des Übels« (S. 48), wozu die religiös begründete Einsicht in die notwendige Endlichkeit des Übels (vgl. S. 52f.), der Vergleich mit dem noch größeren Elend anderer oder die Suche nach den guten Seiten des Übels (vgl. S. 48) ebenso zählen wie die kompensierende Erinnerung an vergangenes Wohl (vgl. S. 54f.).
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eigene Empfindlichkeit sowie die zu mäßigende Einbildungskraft bezogene »Gewalt«,70 tatsächlich als Gewalt an sich selbst, nämlich als Gewalt, die der Einzelne sich selbst antut. Die Empfindung des Glücks ist bei Feder eine Leistung des Individuums, das die Objektivität des gegebenen Übels zwar nicht abstreitet, gegen dieses aber auch keinen Streit führt, sondern seiner negativen Wirkung auf der subjektiven Ebene mit den Mitteln einer gezielten Selbstzurichtung begegnet. Die Objektivität des Unglücks wird durch die Subjektivität mentaler Anstrengungen wenigstens neutralisiert und im Extremfall in ein wahrgenommenes manifestes Glück umgedeutet.
Feders Konzept von Glückseligkeit – so viel lässt sich resümierend sagen – greift die in der deutschen Aufklärung lange geläufige Vorstellung vom Glück als Effekt von Selbstdisziplinierung auf und radikalisiert sie durch eine entschiedene Verinnerlichung. Die sich aufdrängende Frage, wie sich diese Position in der gesamten Eudämonismus-Diskussion der Aufklärung vorbereitet hat, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Dass Feder sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts ganz offensichtlich von den nachvollziehbaren Selbstreservierungsstrategien eines – philosophiegeschichtlich wirkungsmächtigen – früheren römischen Sklaven inspirieren ließ, ist aus der Perspektive einer historischen Wissenssoziologie nicht zuletzt deswegen von Interesse, weil dies als aufschlussreiches, noch weiter zu interpretierendes Krisenphänomen zu lesen ist. Zwar darf Feders Position nicht ohne weiteres auf die philosophischen Überzeugungen von Epiktet verkürzt werden, doch steht sicher außer Frage, dass Feder über verschiedene Rezeptionswege, wozu eben auch die schottische Moralphilosophie gehört, einen wichtigen Teil seiner Grundlagen von der praktischen Philosophie Epiktets bezieht. Damit ist Feder Teil einer lang anhaltenden und nicht nur auf die Vergangenheit begrenzten Rezeption der Stoa im Allgemeinen und des Enchiridion im Besonderen.71 Trotz seiner unbestreitbaren Prominenz kann man Epiktets Konzept mit guten Gründen für philosophisch fragwürdig halten. Diese Fragwürdigkeit wird historisch schlagend durch eine Passage illustriert, die sich im Vorwort zu Max Pohlenzʾ nach wie vor bedeutender Studie zur Stoa findet. Pohlenz hat das kriegsbedingt erst 1948 zum ersten Mal erschienene 70 Vgl. etwa Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Dritter Theil (s. Anm. 1), S. 14, 16, 21, 41, 61, 66f. 71 Vgl. dazu etwa Malte Hossenfelder: Einleitung. In: ders.: Antike Glückslehren. Kynismus und Kyrenaismus, Stoa, Epikureismus und Skepsis. Quellen in deutscher Übersetzung mit Einführungen. Stuttgart 1996, S. XX. Siehe auch Marcel van Ackeren: [Art.] Epiktet. In: Stefan Jordan u. Burkhard Mojsisch (Hg.): Philosophenlexikon. Stuttgart 2009, S. 184.
Frank Grunert Buch seinen lebenden und toten Schülern gewidmet und erinnert im Vorwort an einen »lieben jungen Freund«, mit dem er Epiktet gelesen habe. Dieser als Offizier an der Westfront dienende Schüler habe ihm im Herbst 1914 aus Frankreich folgendes geschrieben: Wenn mich die Vorstellung von Beschwerde und Gefahr schrecken will, dann halte ich es mit Epiktet: Ich prüfe sie auf ihren Inhalt, und wenn ich zu dem Ergebnis komme, daß dieser mein Inneres nicht berührt, dann sage ich: ›du bist nur eine Vorstellung, du gehst mich nichts an.‹ Dann gewinnt sie keine Macht über mich.72
Und Pohlenz fügt hinzu: »Es war sein letzter Brief. Bald darauf gab er als echtdeutscher Mann in stoischem Pflichtgefühl sein Leben für das Vaterland dahin.«73 Diese bereits zu Weihnachten 1943 geschriebenen Zeilen lassen sich als – selbstverständlich – unfreiwilliger historischer Kommentar zu Epiktet lesen, denn hier offenbart sich unmissverständlich der Skandal einer (pseudo)philosophisch überhöhten Wehrlosigkeit, die sich – am Ende selbstverschuldet – weigert, einer surtout widrigen Wirklichkeit wenigstens zu widersprechen. Die Selbstreservierung führt hier, d. h. im gegebenen Extrem, nicht ins Glück, sondern in den Tod. Außer dem Hinweis darauf, dass – trotz der historischen Abstände – auch Feders Position davon nicht unberührt bleibt, ist dem nichts hinzuzufügen.
72 Max Pohlenz: Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung. Göttingen 1948, [S. 5f.]. 73 Ebd.
Gideon Stiening
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft« Feders Zeitschriftenprojekt Philosophische Bibliothek und seine Rezension der Kritik der praktischen Vernunft Hieraus folgerte ich in meinem frühesten Systeme, und halte es noch immer für eine gute Folgerung: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.1
Wider die »Herabwürdigung der Erfahrungsphilosophie« Johann Georg Heinrich Feder war es ernst in seiner Auseinandersetzung mit der kantischen Philosophie; bitter ernst. In seiner Autobiographie, deren nachträglich legitimativer Charakter für seine Kritik an der Philosophie Kants überhaupt und für ihre spezifische Form kaum je verdeckt wird, heißt es in wünschenswerter Deutlichkeit: Weil ich voraussah, daß ich von mehreren Seiten würde angegriffen werden; so schien mir eine eigene Philosophische Bibliothek so nöthig, als bey den politischen Fehden eine stehende Armee.2
Feder konnte zum geschilderten Zeitpunkt, Ende der 1780er Jahre, tatsächlich voraussehen, von unterschiedlichen Seiten angegriffen zu werden, weil er 1782 jene berühmt-berüchtigte Rezension der Kritik der reinen Vernunft zu verantworten hatte,3 die Kants wütende Entgegnung in den Prolegomena hervorrief. Kant bezichtigte hier den Rezensenten einer oberflächlichen Lektüre und eines weitgehenden Unverständnisses.4 Zwar hatte Christian Garve den ursprünglichen Text dieser – wie stets anonym in den Göttinger gelehrten Anzeigen erschienenen – Rezension verfasst;
1 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus anzunehmen geneigt sind. Leipzig, Hannover, Darmstadt 1825, S. 252 (Feder zitiert Psalm 111,10). 2 Ebd., S. 123. 3 Anonymus [Christian Garve]: Rezension der Kritik der reinen Vernunft. In: ZGAS 1782, 3. St., S. 40–48, hier S. 40. 4 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: AA IV, S. 372–380.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-011
Gideon Stiening aber Feder hatte – wie er freimütig einräumte – der erheblich gekürzten Fassung den Vorwurf des subjektiven Idealismus berkeleyscher Provenienz hinzugefügt5 – und damit das Fass zum Überlaufen gebracht: Kant hatte sich nicht gescheut, dem Göttinger Rezensenten Ungeduld und verdrießliche Laune zu attestieren, ihm abschließend eine Wette angeboten und ihn aufgefordert, die Maske der Anonymität zu lüften.6 Ohne explizit darauf einzugehen, hatte Feder die Herausforderung angenommen und innerhalb kürzester Zeit eine monographische Kritik der Transzendentalphilosophie nachgelegt, die nicht nur den Vorwurf des subjektiven Idealismus wiederholte, sondern den Apriorismus Kants überhaupt als schlechte Metaphysik bloßzustellen suchte.7 Feder hatte aber – trotz einiger positiver Rezensionen8 – schnell erkannt, dass dem ›Spuk‹ einer neuen Metaphysik nicht mit einer Monographie allein abzuhelfen sein würde, sondern die Gründung einer Zeitschrift in den Blick genommen, weil diese Publikationssorte einen höheren Adressatenkreis versprach – zumal, wenn sie aus Göttingen kam.9 Aus diesem Zeitschriftenprojekt ging 1788 die zusammen mit seinem Freund und Kollegen Christoph Meiners gegründete, organisierte und selbst verfasste Philosophische Bibliothek hervor, die eindeutig und ausschließlich gegen den sich Ende der 1780er Jahre abzeichnenden Einflusszuwachs Kants und der kantischen Philosophie gerichtet war, der sich sowohl auf die universitäre Philosophie als auch auf die philosophisch interessierte Öffentlichkeit ausdehnte.10 Noch 30 Jahre später wird Feder diese Zeitschrift als »stehende Armee« in den politischen Fehden mit Kant bezeichnen. Feder setzt also gegen diesen ›Kriegsgegner‹ alles auf die eine Karte der Philosophischen Bibliothek – und verliert: Nach dem vierten Jahrgang muss die Bibliothek wegen mangelnden Absatzes eingestellt werden. Schon 1791 interessierten
5 Zu den eigentümlichen Vorgängen um diese Rezension vgl. die Ausführungen der Herausgeber in der Einleitung zu diesem Band. 6 Kant: Prolegomena (s. Anm. 4), S. 378f.; siehe hierzu auch Konstantin Pollok: Einleitung. In: Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Hg. von Konstantin Pollok. Hamburg 2001, S. XXIIIff. 7 Vgl. hierzu Johann Georg Heinrich Feder: Über Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787. 8 So u. a. Anonymus: Rezension zu Johann Georg Heinrich Feder: Über Raum und Caussalität. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 86 (1789), S. 355–380, hier S. 355f. 9 Siehe hierzu u. a. Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, S. 40ff. 10 Siehe hierzu u. a. Horst Schröpfer: Kants Weg in die Öffentlichkeit. Christian Gottfried Schütz als Wegbereiter der kritischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003 sowie Martin Bondeli: Der Kantianismus. In: Helmut Holzhey u. Vilem Mudroch (Hg.): Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. 2. Halbbd. Basel 2014, S. 1075–1082.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
sich kaum mehr Zeitgenossen für eine empiristische Kritik an Kants Transzendentalphilosophie. Wie konnte es dazu kommen? Feder selbst gibt in seiner Autobiographie zu erkennen, dass er schon Ende der 1780er Jahre durchaus erkannte, welch gefährlichem Gegner er entgegen trat, und dass dieser Schützenhilfe aus ungeahnten Richtungen erhielt; einige Zeilen nach dem Vergleich mit einer stehenden Armee heißt es: Übrigens hat mein, und gewiß auch manches Anderen, Nachdenken oft beschäftigt der Synchronismus der revolutionären Strebungen in der politischen und in der gelehrten Welt. Daß die eine dieser Revolutionen die andere erzeugt habe, wird keinem unterrichteten Zeitgenossen zu behaupten einfallen. Aber daß der politische Zustand der Zeit einigen Einfluß gehabt hat auf die Ereignisse unter den Philosophen, nicht nur in Ansehung dessen was, sondern auch in Ansehung der Art, wie man es zu behaupten gesucht hat, ist kaum zu verkennen.11
Nun muss man diese Insinuationen genau lesen;12 nicht etwa behauptet Feder, dass die kantische Philosophie die politische Revolution befördert oder gar verursacht habe, von diesem gegenaufklärerischen Konservativismus eines Friedrich Gentz13 oder eines Augustin Barruel14 grenzt sich Feder deutlich ab. Allerdings behauptet Feder, dass erst die Wirren des revolutionären Zeitalters, diese angebliche Umwertung aller Werte, eine erfolgreiche Rezeption der kantischen ›Verwirrungen‹ ermöglicht habe. Es muss – so Feders Anmutung – schon ein großes kulturpolitisches Durcheinander herrschen, bis Kants Philosophie überzeugend wirkt. Bei aller antirevolutionären wie antikantischen Verve verfährt Feder methodisch im Rahmen der von ihm schon in den 1770er Jahren praktizierten, gegen Ende des 18. Jahrhunderts von anderen Autoren forcierten Philosophiegeschichtsschreibung durchaus konsequent, die – wie Wilhelm Gottlieb Tennemann – sozial- oder politgeschichtliche
11 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 127. 12 Jedenfalls muss man die Passage genauer interpretieren als Zwi Batscha (J. G. H. Feder zwischen Aristokraten und Demokraten. In: ders.: »Despotismus von jeder Art reizt zur Widersetzlichkeit«. Die Französische Revolution in der deutschen Popularphilosophie. Frankfurt a. M. 1989, S. 57–125, spez. S. 64), der Feders Aussage in die Nähe der konservativen These vom Ausbruch der Revolution durch den Geist der Aufklärung rückt ‒ gerade diese Korrelation wird von Feder aber explizit zurückgewiesen. 13 Friedrich Gentz: Betrachtungen über die Französische Revolution. Nach dem Englischen des Herrn Burke neu bearbeitet mit einer Einleitung, Anmerkungen, politischen Abhandlungen. 2 Bde. Berlin 1793, Bd. 2, S. 183: »Der Philosoph formt Systeme, der Pöbel schmiedet Mordgewehre daraus. Es kann kein schrecklicher Schwerdth in den Händen eines ungebildeten Menschen geben, als ein allgemeines Princip.« 14 Abbé Barruel: Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus. Nach der in London 1797 erschienenen französischen Original-Ausgabe ins Teutsche übersetzt von einer Gesellschaft verschiedener Gelehrter. Bd. 1. Münster, Leipzig 1800, S. 16, 23ff. u. ö.
Gideon Stiening Kontextualisierung philosophischer Theorie für möglich und erforderlich hielten.15 Noch die ebenfalls einem methodischen Empirismus frönende Wissenssoziologie des 20. Jahrhunderts verfährt in dieser Weise und steht daher – ohne jedes Bewusstsein – in der Tradition Feders.16 Gleichwohl ist dieser Versuch einer realgeschichtlichen Depotenzierung Kants aus dem Geiste der Revolutionskritik des frühen 19. Jahrhunderts zugleich die Sicht eines eigentümlich Beteiligten, der sich noch aus einer zeitlich weit nachgeordneten Perspektive als Verlierer sah. Geschrieben hat Feder seine Autobiographie um 1815 und damit – was er ausdrücklich betont – zu einer Zeit, in der solche Autoren wie Jakob Friedrich Fries in der Philosophie endlich wieder Ordnung schafften: Ordnung gegen Kant.17 Die zweite Niederlage nach der von 1783, gegen die Feder sich noch u. a. mit seiner Zeitschrift gewehrt hatte, diese zweite Niederlage durch die Einstellung der Philosophischen Bibliothek 1791 war endgültig. Feder zeigte schwere psychosomatische Erscheinungen (Hypochondrie), die nur auf Spaziergängen mit dem Freund Christoph Meiners sowie einer Harzreise mit ihm, dem Naturforscher und Mediziner Friedrich Johann Gmelin und dem Universitätsprediger und ao. Prof. für Theologie Johann Gottlob Marezoll einigermaßen behoben werden konnten.18 Zumindest gelingt es Meiners, Feder von der Aufgabe seiner Professur abzuhalten. Das Mitleid mit Feder stellt sich beim Lesen der ausnehmend larmoyanten Passagen der Autobiographie allerdings nur mäßig ein; der Grund dafür liegt darin, dass man sich die beiden ›Göttinger‹ schon 1787 bei der Organisation ihrer Zeitschrift gut vorstellen kann, wie sie auf ihren Spaziergängen lustvoll planen, dem Metaphysiker aus Königsberg den Garaus zu machen. Sie hatten sich aber eindeutig und ganz erheblich überschätzt.19 Doch das ging einer Reihe weiterer Autoren zum gleichen Zeitpunkt nicht anders: Auch Georg Forster,20 Johann Gottfried Herder, der
15 Siehe hierzu Wilhelm Gottlieb Tennemann: Geschichte der Philosophie. 11 Bde. Leipzig 1798– 1819, Bd. I, S. XLV–LXI (Methodenlehre der Geschichte der Philosophie). 16 Vgl. hierzu u. a. Hubert Knoblauch: Wissenssoziologie. Konstanz 2005, S. 256ff. 17 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 123, Anm. *. 18 Beschrieben ist diese Reise in Christoph Meiners: Einige Bemerkungen über den Harz. Geschrieben im Oktober 1791. In: ders.: Kleine Länder- und Reisebeschreibung. Zweytes Bändchen. Berlin 1794, S. 7–79. 19 So auch Michael Albrecht: Johann Georg Heinrich Feder. In: Helmut Holzhey u. Vilem Mudroch (Hg.): Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. 1. Halbbd. Basel 2014, S. 249–255, spez. S. 255. 20 Vgl. hierzu Gideon Stiening: »Es gibt gar keine verschiedenen Arten von Menschen.« Systematizität und historische Semantik am Beispiel der Kant-Forster-Kontroverse zum Begriff der Menschenrasse. In: Rainer Godel u. Gideon Stiening (Hg.): Klopffechtereien – Missverständnisse – Widersprüche? Methodische und methodologische Perspektiven auf die Kant-Forster-Kontroverse. München 2012, S. 19–53.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
es allerdings zeitlebens nicht wahr haben wollte,21 oder Jakob Friedrich Abel22 verhoben sich an einer kritischen Auseinandersetzung mit Kant – doch nur Feder musste seinen Versuch mit dem Urteil der Nachwelt zahlen, er sei »mit Recht vergessen«.23 Die insgesamt schüttere, zumeist auf die frühe Rezension der Kritik der reinen Vernunft fokussierte Forschung hat diesen wissenschaftspolitischen Sachverhalt psychologisierend zu erklären versucht; so schreibt Zwi Batscha, Feder sei zwar ein glücklicher Mensch gewesen, habe aber die kantische Philosophie bis zu seinem Lebensende nicht verstanden.24 Diese Einschätzung, nach der Feder schlicht zu dumm gewesen sei, Kant zu verstehen, geht zurück auf eine ältere Forschung, die wenig Zweifel daran ließ, dass sie Feders – unbestreitbar verfehlte – Kritik für eine Art von Majestätsbeleidigung hielt.25 Eine methodisch reflektierte Ideen- und Philosophiegeschichte muss und kann sich solcher Urteile enthalten. Schon Luigi Marinos Urteil fiel allerdings deutlich differenzierter aus; bemerkenswert ist nämlich dessen Hinweis auf Feders Auseinandersetzung mit Kants praktischer Philosophie, weil hier deutlich würde, dass der Göttinger Philosoph keineswegs der unbedarfte Leser Kants gewesen sei, als den man ihn oft beurteilt hat. Weitere Forschungen aus den letzten Jahrzehnten wiesen in eine vergleichbare Richtung,26 so dass es durchaus sinnvoll ist, diesen Fingerzeigen auf Feders Kritik an Kants Ethik nachzugehen. Das Erkenntnisinteresse ist dabei ein ideen- und ein philosophiegeschichtliches: Das ideengeschichtliche Ziel besteht darin, die Formen und Inhalte der Kritik der eudämonistischen Aufklärung an Kant zu rekonstruieren; das philosophiegeschichtliche Interesse muss dagegen darin bestehen zu prüfen, ob 21 Vgl. hierzu Manfred Riedel: Historizismus und Kritizismus – Kants Streit mit G. Forster und J. G. Herder. In: ders.: Urteilskraft und Vernunft – Kants ursprüngliche Fragestellung. Frankfurt a. M. 1989, S. 148–170. 22 Siehe hierzu u. a. Lutz Hennig Pietsch: Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin, New York 2010, S. 123ff. 23 So schon Benno Erdmann: Kant’s Kriticismus in der ersten und zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1878, S. 10. 24 Batscha: J. G. H. Feder (s. Anm. 12), S. 63ff. 25 So u. a. Erdmann: Kant’s Kriticismus (s. Anm. 23), S. 87ff.; Karl Vorländer: Immanuel Kant. Der Mann und das Werk. Hamburg 31992, Bd. 1, S. 415; Götz von Selle: Die Georg-August-Universität zu Göttingen 1737–1937. Göttingen 1937, S. 176ff., sowie Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie. Tübingen 1945, S. 291f. 26 Walther Christoph Zimmerli: »Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia Leibnitiana XV (1983), S. 58–71; Kurt Röttgers: J. G. H. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 420–441; Reinhard Brandt: Feder und Kant. In: Kant-Studien 80 (1989), S. 249–264, sowie Jan Rachold: Die aufklärerische Vernunft im Spannungsfeld zwischen rationalistisch-metaphysischer und politisch-sozialer Deutung. Eine Studie zur Philosophie der deutschen Aufklärung (Wolff, Abbt, Feder, Meiners, Weishaupt). Frankfurt a. M. u. a. 1999.
Gideon Stiening diese Kritik kohärent ist, d. h. welche systematische Dignität sie entfaltet. Im Folgenden soll versucht werden, diese Frage anhand der umfangreichen Rezension zu Kants Kritik der praktischen Vernunft aus dem ersten Band der Philosophischen Bibliothek zu beantworten.
Die Philosophische Bibliothek als kritisches Organ Bevor zu dieser Analyse und Interpretation der philosophischen Kritik Feders an Kants Ethik überzugehen ist, sollen zunächst die vier Bände der Zeitschrift in ihrem Aufbau, der Autorenschaft und ihrer methodischen Kontur in den Blick genommen werden, um zu prüfen, mit welchen wissenschaftlichen Instrumenten Feder und Meiners dem Kantianismus wissenschaftspolitisch zu Leibe rückten. Dabei ist zunächst zu betonen, dass dieses Zeitschriftenprojekt im späten 18. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlich ist, und zwar weder im Hinblick auf den Versuch, eine größere Leserschaft für ein bestimmtes wissenschaftliches Thema zu erreichen, noch in Bezug auf die spezifisch antikantische Ausrichtung. Philosophische Journale und Zeitungen wurden gerade im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts so häufig wie nie zuvor gegründet;27 ihre Laufzeit betrug – wie bei Feder und Meiners – im Durchschnitt zwischen zwei und vier Jahren bei einer Auflage von 200 bis 500 Exemplaren.28 Gegenüber diesem Durchschnitt der philosophischen Zeitschriften war die Philosophische Bibliothek also keineswegs ein Mißerfolg; aber Feder war ›Durchschnitt‹ nicht gewöhnt; seit Anfang der 1770er Jahre hatte er sich im Zentrum europäischer Spitzenforschung gewähnt und wurde von vielen Kollegen darin bestätigt.29 Allerdings war die neue Göttinger Zeitschrift auch im Hinblick auf ihre antikantische Stoßrichtung nicht eben originell: Auch Johann August Eberhard gründete im selben Jahr 1788 mit dem Philosophischen Magazin ein Organ, das sich ausschließlich und explizit einer Kritik der kantischen Philosophie widmete – allerdings aus
27 Siehe hierzu Thomas Habel: Gelehrte Journale der Aufklärung. Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts. Bremen 2007. 28 Vgl. hierzu Hanspeter Marti: Vermittlungsinstanzen des aufklärerischen Gedankenguts und seiner Kritik. In: Helmut Holzhey u. Vilem Mudroch (Hg.): Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. 1. Halbbd. Basel 2014, S. 26–39, hier S. 31. 29 Vgl. hierzu jetzt Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth u. Gideon Stiening: »Mit dem Menschen hat es die Philosophie zu thun«. J. G. H. Feder – Von einer »Physik des Herzens« zur praktischen Anthropologie. In: Johann Georg Heinrich Feder: Ausgewählte Schriften. Hg. von Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth u. Gideon Stiening. Berlin, Boston 2018 [i.D.].
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
leibnizianischer Perspektive.30 Eberhard hatte gar den längeren Atem: Nachdem das Magazin 1792 eingestellt werden musste, gründete der Hallenser ein neues Organ, das Philosophische Archiv, das noch bis 1795 erschien.31 Die Frage nach der Autorschaft der Beiträge zur Philosophischen Bibliothek ist am einfachsten und gleichwohl signifikant zu beantworten; dazu schreibt Feder als Herausgeber im Vorwort des ersten Bandes: Wir machen uns nicht bloß als Herausgeber, sondern als Verfasser dieser Bibliothek bekannt; weil wir bis jetzt noch keine Ursache haben, auf Beyträge derjenigen zu rechnen, mit welchen in Gemeinschaft zu arbeiten uns Ehre und Vergnügen seyn würde.32
Diese Ankündigung wirkt nur auf den ersten Blick überraschend und leicht vermessen; liest man Falk Wunderlichs Abhandlung über den Göttinger Empirismus und Materialismus,33 dann lässt sich ermessen, warum die beiden Göttinger noch in den späten 1780er Jahren annahmen, dass sie dem wunderlichen Treiben des Transzendentalismus Einhalt gebieten könnten. Viele ihrer Freunde und Kombattanten – von Herder über Forster und Wieland bis zu Platner, Abel, Tittel, von Selle, Maaß und Schulze waren auf ihrer Seite gegen den ›metaphysischen Spuk‹ aus Königsberg. Feder und Meiners nahmen für sich aber in Anspruch, diese sich als Aufklärung über einen neuen obskurantistischen Apriorismus verstehende Bewegung schlicht anzuführen. Ihre Stellung im Geistesleben der 1770er Jahre legitimierte diese Annahme durchaus.34 Der Aufbau der Zeitschrift macht dieses Interesse an einer herausragenden Stellung in der antikantischen Bewegung der späten 1780er Jahre, aus der sich die Aufklärung gleichsam erneuern sollte, mehr als deutlich. Keineswegs wird die KantKritik als Anlass oder gar Grund benannt, keineswegs auch kann man ausschließlich kritische Darstellungen zu Kant oder kantischen Themen lesen. Vielmehr gibt es in vier Abteilungen systematische »Abhandlungen« (I) sowie ausführliche Rezensionen »Ausländischer Schriften« (II), und zwar solcher, die den beiden Aufklärern 30 Philosophisches Magazin I–IV. Halle 1788–1792; zu Kontur und Zielrichtung dieser Zeitschrift siehe Manfred Gawlina: Das Medusenhaupt der Kritik. Die Kontroverse zwischen Immanuel Kant und Johann August Eberhard. Berlin, New York 1996, S. 48ff.; zur philosophischen Substanz der Kontroverse vgl. Gideon Stiening: »Ein jedes Ding muß seinen Grund haben«? Eberhards Version des Satzes vom zureichenden Grunde im Kontext der zeitgenössischen Kontroverse um das principium rationis sufficientis. In: Hans-Joachim Kertscher u. Ernst Stöckmann (Hg.): Ein Antipode Kants? Johann August Eberhard im Spannungsfeld von spätaufklärerischer Philosophie und Theologie. Berlin, Boston 2012, S. 7–42. 31 Philosophisches Archiv I–II. Berlin 1792–1795. 32 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. VII. 33 Falk Wunderlich: Empirismus und Materialismus an der Göttinger Georgia Augusta – Radikalaufklärung im Hörsaal? In: Aufklärung 24 (2012), S. 65–90. 34 Vgl. hierzu u. a. Johann Kaspar Riesbeck: Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland. Hg. von Heiner Boehncke u. Hans Sarkowicz. Berlin 2013, S. 490.
Gideon Stiening als gewichtig und einflussreich erschienen bzw. dazu gemacht werden sollten, u. a. zu Thomas Reid, dessen common sense-Theorie Feder nachhaltig prägte,35 zu PierrePaul Leroy de Barincourt und dessen Souveränitätsschrift36 oder Jacques-AntoineHippolyte de Guiberts Arbeit zu Staatsrecht und Staatsklugheit,37 deren politische Theorien – auch in ihrer Aktualität nach 1789 – vorgestellt werden. Auch Jacques Henri Bernardin de Saint Pierres Bestseller Études de la nature wird ausführlich gewürdigt.38 Es werden aber auch Neuerscheinungen der europäischen Philosophie vorgestellt, die einer deutlichen Kritik verfallen; so wird Cornelis de Pauws Recherche philosophiques sur les Grecs von Meiners buchstäblich verrissen, auch weil der Verfasser sich schon bei seinen Publikationen über die Indianer als Rassist zu erkennen gegeben hatte.39 Darüber hinaus gibt es umfangreiche Rezensionen »Teutscher Schriften« (III) sowie Kurzanzeigen europäischer Philosophie (IV). Offenbar hatte Feder bei der Gründung seiner Zeitschrift vor allem die beiden Abteilungen mit Rezensionen ausländischer und deutschsprachiger Publikationen vor Augen; dazu hält er in der Vorrede des ersten Bandes fest: Bey den Recensionen in den hiesigen G[elehrten]. A[nzeigen]. an denen ich seit 1769 nach Vermögen Antheil genommen habe und ferner nehmen werde, ist man durch mancherley Gründe genöthigt, so auf Abkürzungen bedacht zu seyn, daß viele Bemerkungen, die beym Lesen eines Buches entstehen, und zum bessern Gebrauch desselben manchen nützlich seyn könnten, halb oder ganz unterdrückt und weggelassen werden müssen.40
Nie wieder sollte der Vorwurf unzulänglicher Kürzung einer Kant-Rezension erhoben werden. Zudem wollte Feder Platz für seine Gegenwehr. Vor allem die Abteilung der umfangreichen Rezensionen deutschsprachiger Texte ist auch insofern aufschlussreich, als zwar viele Autoren der ›eigenen‹ empiristisch-populärphilosophischen Aufklärungsfraktion dargestellt werden (so Schulze, Garve, Abel, Tittel u. v. m.), eine ausnahmslos antikantische Fraktionsbildung jedoch ausbleibt. 35 Siehe hierzu Brandt: Kant und Feder (s. Anm. 26), S. 259ff. 36 Pierre-Paul Leroy de Barincourt: Principe fondamental du droit des Souverains. Geneve 1788, rezensiert in: Philosophische Bibliothek 3 (1790), S. 67–83. 37 Jacques-Antoine-Hippolyte de Guiberts: De la force publique considerée dans tous ses rapports. Paris 1790, rezensiert in: Philosophische Bibliothek 4 (1791), S. 87–104. 38 Jacques Henri Bernardin de Saint Pierre: Études de la nature. Paris 1788, rezensiert in: Philosophische Bibliothek 4 (1791), S. 104–129; zu diesem europaweit berühmten Buch vgl. Torsten König: Naturwissen, Ästhetik und Religion in Bernardin de Saint Pierres Études de la nature. Frankfurt a. M. 2010. 39 Cornelis de Pauw: Recherches philosophiques sur les Américains, ou Mémoires intéressants pour servir à l’Histoire de l’Espèce Humaine. Avec une Dissertation sur l’Amérique & les Américains. London 1771; siehe hierzu auch Susanne Zantop: Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland (1770–1870). Berlin 1999, S. 66ff. 40 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. IV.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
Vielmehr wird auch hier deutliche, ja durchaus drastische Kritik geübt; so heißt es über Herders Ideen zur Philosophie und Geschichte der Menschheit: Wir haben diesen dritten Theil der Untersuchungen über die Geschichte des menschlichen Geschlechts mit noch größerm Vergnügen, als die beyden ersten gelesen. Die Sprache des berühmten Verfassers bildet und reiniget sich immer mehr von mystischem Schwulste, ohne an Reichthum neuer, und oft überraschend schöner Bilder zu verlieren.41
Mehr an ›Lob‹ wird allerdings nicht aufgebracht; im Folgenden nimmt Meiners, der Autor dieser Rezension, Herders Text im Hinblick auf die Stimmigkeit der empirischen Daten förmlich auseinander – ohne die geschichtsphilosophischen Interessen mehr als äußerlich zu tangieren. Kurz: Herder, der 1788 genügend Gründe gehabt hätte, sich an dieser Fronde gegen Kant zu beteiligen,42 wird von den beiden Göttingern als möglicher Kombattant im Kampf gegen den Kantianismus zurückgewiesen. Es geht Feder mit dieser Zeitschrift also keineswegs nur um ›Genugtuung‹ ob der harschen Kritik Kants in den Prolegomena; es geht offenbar vor allem um die Formierung einer Aufklärungsposition, die sich an der Kritik an Kant entzündet, gleichsam Selbstaufklärung der Aufklärung im Gewande der Widerlegung Kants betreibt. Dieses wissenschaftspolitische Ziel wird aber nicht um jeden Preis angestrebt, sondern nur auf der Grundlage gemeinsamer Prämissen. Herder hatte in diesem Zusammenhang, trotz all seines prätendierten Empirismus und seiner offenen Kant-Feindschaft, keinen Platz.
Empirische versus transzendentale Freiheit: Zur Kritik an Kants Ethik Feders philosophisches wie wissenschaftspolitisches Interesse lässt sich anschaulich an seiner kritischen Auseinandersetzung mit Kants Kritik der praktischen Vernunft ablesen: Die Rezension ist nicht nur aufgrund ihrer Länge, immerhin 37 Druckseiten,43 sondern auch ihrer spezifischen Methodik bemerkenswert, und zwar im Sinne einer Ungewöhnlichkeit gegenüber den Rezensions-Usancen der Zeit:44 In insgesamt 36 Abschnitten präsentiert Feder die aus seiner Sicht zentralen Thesen, Prämissen und Beweisgänge der Kritik und kommentiert diese sodann in einem 41 Ebd., S. 96. 42 Siehe hierzu Gideon Stiening: Dieser »große Künstler von Blendwerken«. Kants Kritik an Herder. In: Mario Egger (Hg.): Philosophie nach Kant. Festschrift für Manfred Baum. Berlin, Boston 2014, S. 473–498. 43 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 182–218. 44 Siehe hierzu Astrid Urban: Kunst der Kritik. Die Gattung Rezension in den Zeitschriften des späten 18. Jahrhunderts. Heidelberg 2004.
Gideon Stiening auch optisch, d. h. drucktechnisch abgesetzten Abschnitt; dieses Vorgehen wird wie folgt begründet: Um über dieses neue Product des Kantischen Genies – es ist mehr als eine bloße Umarbeitung der Grundlegung der Metaphysik der Sitten – und das Verhältniß desselben zu den Lehren anderer Philosophen, ein angemessenes Urtheil fällen zu können, ist es nöthig, die Hauptsätze, auf welche der Verf. baut, und durch die er fortführt, auszuheben, und einzeln mit Anmerkungen zu begleiten.45
Zunächst muss man festhalten, dass Feders Hinweis auf den Unterschied zwischen der Grundlegung von 1785 und der Kritik von 1788 zutreffend ist.46 Darüber hinaus liefert er auf der Grundlage dieser Feststellung einen philosophischen Kommentar zu den systematischen Essentials der Kritik der praktischen Vernunft – ein Verfahren, das auch Kant in seiner Rezension der herderschen Ideen angewandt hatte.47 Dabei prüft Feder in seinen Kommentaren die argumentationslogische Kohärenz und methodische Stringenz der kantischen Schrift ebenso wie er sie dazu nutzt, systematische Differenzen herauszuarbeiten und zu begründen. Dabei fallen diese unterschiedlich dimensionierten Kommentare mal mehr, mal weniger überzeugend aus; »Wassersuppen-Philosophie« aber ist nicht zu entdecken.48
. »Diese gibt es nicht« – Feders Kritik an Kants Apriorismus Ohne Umschweife steuert Feder auf die entscheidenden systematischen Differenzen zu Kants praktischer Philosophie und zu dessen Philosophie überhaupt zu. Durchaus zutreffend fasst er zunächst eine zentrale These Kants aus der Vorrede der Kritik der praktischen Vernunft zusammen, nach der überall keine Erkenntnis a priori anzunehmen behaupten hieße, dass es überhaupt keine Vernunft gebe.49 Er kommentiert diesen zentralen Differenzpunkt, den er schon in Über Raum und Caussalität herausgearbeitet hatte,50 vor dem Hintergrund seines prätendierten AntiApriorismus allerdings zunächst vorsichtig: »Kömmt nur darauf an, was Erkenntnis
45 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 182. 46 Vgl. hierzu u. a. Otfried Höffe: Einführung in die Kritik der praktischen Vernunft. In: ders. (Hg.): Immanuel Kant. Kritik der praktischen Vernunft. Berlin 2002, S. 1–23, hier S. 1ff. 47 Vgl. hierzu AA VIII, S. 43–66. 48 Georg Christoph Lichtenberg: Brief an Georg Forster vom 24. Dez. 1787. In: ders.: Schriften und Briefe. Hg. von Wolfgang Promies. 4 Bde. München 1968–1992, Bd. 4, S. 722. 49 Allerdings weist Kant darauf hin, dass es einen Widerspruch bedeutet, eine Vernunft a priori zu leugnen, weil dies mit den Instrumenten der Vernunft erfolgt; vgl. Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA V, S. 12. 50 Feder: Über Raum und Caussalität (s. Anm. 7), S. IXff.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
a priori heißen soll.«51 Dann aber wird Feder deutlich, denn hier geht es offensichtlich schon ums Ganze: Begriffe und Grundsätze vor aller Erfahrung, aller Empfindung, und unabhängig von ihnen? Diese gibt es nicht; und auch K[ant]. behauptet sie im Grunde nicht. Denn die Begriffe, die er a priori nennt, sind, nach seiner eigenen Erklärung, an sich selbst, ohne Verbindung mit Erfahrung, leere Denkformen ohne allen Inhalt.52
Es ist kaum zu bestreiten, dass Feder hiermit einen entscheidenden Differenzpunkt zu Kant erfasst hat: Sein epistemologischer Empirismus geht schon 1767 ‒ und wird es noch 1815 ‒ davon aus, dass nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu und damit Begriffe und Grundsätze stets in ihrer empirischen Genese, d. h. aus den Erfahrungen des Erkennenden zu rekonstruieren sind; für diese Überzeugung kann es keine Begriffe und Grundsätze vor aller Erfahrung geben. Allein deshalb führt er umfangreiche Untersuchungen über die unterschiedlichen empirischen Einflüsse auf die Konstitution des menschlichen Willens durch.53 Kant hatte aber schon in der Einleitung zur ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft zwischen Genesis und Geltung der Begriffe unterschieden und damit auf die Notwendigkeit eines nisi intellectus ipse verwiesen, das allerdings ohne den Dogmatismus der Metaphysik auskommen müsse und könne.54 Es ist eine der Anstrengungen der ersten Kritik, solcherart transzendentale Begriffe und Grundsätze in ihrer Geltung zu beweisen. Insofern ist Feders Hinweis, ›auch Kants Erkenntnisse a priori kämen ohne Erfahrung nicht aus‹, überaus schief, aber durchaus nicht vollständig von Unkenntnis getrübt. Feders Vereinnahmungsversuch ist nicht dumm, sondern intrigant. Der Rezensent macht in der Folge dieses Kommentars ein Interpretationsangebot an den Königsberger, das die grundlegenden Differenzen behutsam einzuebnen scheint: Heißt aber Erkenntniß a priori eine Verbindung von Vorstellungen zu Urtheilen und Schlüssen, nach Maaßgabe der subjectiven und objectiven Gründe der menschlichen Erkenntniß, in Beziehung auf gewisse Gegenstände und Ereignisse, die der Erfahrung nicht vorgekommen, noch künftig, oder vor unserer Erfahrung vorgegangen, oder sonst außer derselben befindlich sind: so macht freylich das Erkennen a priori das Wesen der Vernunft aus. Denn alles Vorhersehen und alles Schließen beruht darauf.55
51 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 183. 52 Ebd.; Hvhg. G.S. 53 Siehe hierzu Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. 4 Bde. Göttingen, Lemgo 1779–1793, hier Bd. 2. 54 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe hg. von Raymund Schmidt. Hamburg 31990, A 1. 55 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 184.
Gideon Stiening Aber diese Deutung ist natürlich ein vergiftetes Angebot, weil es spezifische Erkenntnisformen bzw. das empirische Allgemeine zum Apriori erhebt; was Kant ausdrücklich zurückgewiesen hatte: Die empirische Allgemeinheit ist also nur eine willkürliche Steigerung der Gültigkeit, von der, welche in den meisten Fällen, zu der, die in allen Fällen gilt, wie z. B. in dem Satz: alle Körper sind schwer, wo dagegen strenge Allgemeinheit zu einem Urteile wesentlich gehört, da zeigt sich diese auf einen besonderen Erkenntnisquell desselben, nämlich ein Vermögen des Erkenntnisses a priori. Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori und gehören auch unzertrennlich zueinander.56
Das ist nicht schwer zu verstehen und Feder hat diese Distinktion auch erkennbar verstanden, er hält sie nur für falsch.57 Tatsächlich geht es ihm mit seinem ›Angebot‹ nämlich um eine fundamentale Kritik an Kants Kritik der reinen Vernunft, wenn er im unmittelbaren Anschluss daran feststellt: Vielmehr schränkt eben diese Critik [der reinen Vernunft] das Vermögen der Vernunft, von Gegenständen außer der Erfahrung etwas zu erkennen, weit mehr ein, als es anderen eingeschränkt zu seyn scheint.58
Schon anhand dieses ersten Kommentars lässt sich ein gewichtiges Movens des federschen Furors gegen Kant erkennen: Kants Apriorismus ist auf der einen Seite, weil tatsächlich vor und unabhängig von aller Erfahrung, des Rationalismus verdächtig, so dass er Errungenschaften des europäischen Empirismus preiszugeben scheint. Hegel wird das – den zeitgenössischen Vorwurf des ›Prussian Hume‹ aufnehmend – zu Recht bestreiten.59 Auf der anderen Seite ist dieses Feld der Erkenntnis a priori bei Kant nach Feder extensional allzu begrenzt, weil er u. a. die Gegenstände der natürlichen Theologie für die theoretische Vernunft suspendiert, aber auch den dogmatischen Bezug auf die universelle Geltung des principium rationis sufficientis und des Satzes des Widerspruchs kassiert. Vor allem die Unmöglichkeit einer Referenz der spekulativen Vernunft auf »Gott und Unsterblichkeit«60 dürfte Feders Anstrengungen wider den Kantianismus befördert haben. Feder geht also gleich zu Beginn seiner Rezension aufs Ganze: Sowohl das Erfahrungsfundament aller Erkenntnis als auch die entscheidende Bedingung für ein 56 KrV B 4. 57 Was ihn u. a. mit Autoren wie Michel Foucault verbindet, vgl. hierzu Gideon Stiening: »Glücklicher Positivismus«? Michel Foucaults Beitrag zur Begründung der Kulturwissenschaften. In: http://www.germanistik.ch/publikation.php?id=Gluecklicher_Positivismus. 58 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 184. 59 Vgl. hierzu Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. In: ders.: Werke in 20 Bänden. Hg. von Karl Markus Michel u. Eva Moldenhauer. Frankfurt a. M. 1986, Bd. 8, S. 112–147. 60 KpV, AA V, S. 5.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
glückliches Leben, das sicher gegründete Wissen über die Existenz Gottes und die Gewissheit der eigenen Unsterblichkeit sind durch Kant gefährdet. Der Königsberger wird mithin als schlechter – weil gottloser – Metaphysiker vorgestellt.61 Auch wenn das theologische Urteil, zumal seine normative Komponente, schwer zu teilen ist, so lässt sich dennoch festhalten, dass Feder einen tatsächlichen Differenzpunkt zwischen seiner und der Position Kants benennt und dabei eine zentrale Überzeugungskonstellation der Spätaufklärung bedient: Die konfliktfreie Verbindung zwischen empiristischer Erkenntnistheorie und Methodologie einerseits sowie religiösen Überzeugungen andererseits hatte schon Locke vorgeführt, der auch deshalb zum bevorzugten Referenzautor einer den strengen Wolffianismus und seine rationale Theologie abstoßenden Spätaufklärung geworden war.62 Diese Konstellation gilt für Hamann, Jacobi und Herder ebenso wie für Ernst Platner oder Johann Georg Sulzer; auch deren häufig nur prätendierter Empirismus hinderte sie keineswegs, theologische Überzeugungen als reine Glaubensinhalte zu bestimmen. Man suchte wie Feder nach einer gediegenen Kombination aus Empirismus und Religion, und dabei störte Kant.
. Subjektive versus objektive Glückseligkeit Das gilt ebenfalls für Kants Zurückweisung der Glückseligkeit als Prinzip der Moral, die in der Tat nahezu jeden ›Aufklärer‹ des späten 18. Jahrhunderts aufwühlen musste, ›zermalmt‹ diese Kritik des Eudämonismus doch ein fundamentum inconcussum der vorkritischen Aufklärungsanthropologie.63 Der Mensch ist nämlich bei Feder ebenso wie bei Platner oder Sulzer dadurch bestimmt, dass er erstens aus Leib und Seele und deren Einheit besteht und zweitens nach Glück strebt und nur in diesem Streben gut werden kann. So bestimmt Platner in seiner frühen Anthropologie für Ärzte und Weltweise die Glückseligkeit des Menschen als die »ganze Absicht seines Daseyns«,64 und Sulzer setzt wie selbstverständlich voraus, dass »alle ver-
61 Dieser – bei Feder subkutane – Atheismusvorwurf wird in den Kontroversen der 1780er Jahre, insbesondere im Zusammenhang der Spinoza-Debatte, schon länger gegen Kant erhoben, so von Jacobi, Hamann und Herder, aber 1785 auch von Mendelssohn; vgl. hierzu u. a. Gert Irrlitz: KantHandbuch. Leben und Werk. Stuttgart, Weimar 22010, S. 35. 62 Im Hinblick auf die Unsterblichkeitsüberzeugungen wird das gezeigt in Stefan Klingner, Dieter Hüning u. Gideon Stiening (Hg.): Das Problem der Unsterblichkeit in der Philosophie, den Wissenschaften und den Künsten des 18. Jahrhunderts. [Aufklärung 29] Hamburg 2017. 63 Vgl. hierzu u. a. Massimo Mori: Glück und Autonomie. Die deutsche Debatte über den Eudämonismus zwischen Aufklärung und Idealismus. In: Studia Leibnitiana 25.1 (1993), S. 27–42 sowie Ji Young Kang: Die allgemeine Glückseligkeit. Zur systematischen Stellung und Funktion der Glückseligkeit bei Kant. Berlin, Boston 2015. 64 Ernst Platner: Anthropologie für Ärzte und Weltweise. Leipzig 1772, S. 12 (§ 43).
Gideon Stiening nünftigen Wesen nach einer vollkommenen Glückseligkeit trachten«.65 So hält auch Feder im dritten Teil seiner Untersuchungen über den menschlichen Willen fest: »Nach Glückseligkeit strebt jeder Mensch vermöge des unabänderlichen Grundgesetzes seiner Natur.«66 Feders Anstrengungen bestehen gerade darin, die seit den 1750er Jahren zunehmende Einsicht in die körperlichen Bedingungen und Realisationen der menschlichen Glückseligkeit in einer »Physik des menschlichen Herzens«67 so zu berücksichtigen, dass sowohl der materialistische Hedonismus eines La Mettrie als auch der moralische Egoismus eines Helvetius68 verhindert werden könnten. Feders ausführliche Reflexionen zu einer auf dem Trieb zu Geselligkeit69 basierenden Sympathie mit anderen Menschen, die mit der Selbstliebe gleichursprünglich in der Natur des Menschen angelegt sei,70 hatten hierin ihren Grund und Zweck. Zugleich ging es darum, die legitime Sinnlichkeit der »ursprünglichen Bestimmungen des menschlichen Herzens«71 mit der Übersinnlichkeit des höchsten Gutes und der Aussicht auf eine ewige Glückseligkeit zu verknüpfen, die einzig in der Glückseligkeit des Tugendhaften und der Hoffnung auf die Gnade Gottes möglich sind.72 Für eine solche Konzeption praktischer Philosophie, für die Feder paradigmatisch steht, weil sie vom Gros spätaufklärerischer Philosophen, Wissenschaftler und Künstler geteilt wurde,73 mussten die folgenden Sätze eine unerhörte Herausforderung darstellen: Alle materialen praktischen Principien sind, als solche, insgesammt von einer und derselben Art, und gehören unter das allgemeine Princip der Selbstliebe oder eigenen Glückseligkeit. […] Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subject auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjectiv nothwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objectiv ein gar sehr zufälliges praktisches Princip, das in verschiedenen Subjecten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abge-
65 Johann Georg Sulzer: Versuch über die Glückseligkeit verständiger Wesen. In: ders.: Vermischte philosophische Schriften. Aus den Jahrbüchern der Akademie der Wissenschaften zu Berlin gesammelt. 2 Bde. Leipzig 1773/81, hier Bd. 1, S. 323. 66 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 52), Bd. 3, S. 1; natürlich ließe sich die Liste problemlos verlängern, vgl. hierzu auch den Beitrag von Frank Grunert in diesem Band. 67 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Hanau, Leipzig 31775, S. 4. 68 Ebd., S. 90. 69 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 52), Bd. 1, S. 349ff. 70 Ebd., S. 88ff. 71 Ebd., S. 58. 72 Ebd., S. 298ff. 73 Vgl. hierzu Frank Grunert: Die Objektivität des Glücks. Aspekte der Eudämonismusdiskussion in der deutschen Aufklärung. In: ders. u. Friedrich Vollhardt (Hg.): Aufklärung als praktische Philosophie. Tübingen 1998, S. 351–368.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
ben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe. Principien der Selbstliebe können zwar allgemeine Regeln der Geschicklichkeit (Mittel zu Absichten auszufinden) enthalten, alsdann sind es aber bloß theoretische Principien (z. B. wie derjenige, der gerne Brot essen möchte, sich eine Mühle auszudenken habe). Aber praktische Vorschriften, die sich auf sie gründen, können niemals allgemein sein, denn der Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens ist auf das Gefühl der Lust und Unlust, das niemals als allgemein auf dieselben Gegenstände gerichtet angenommen werden kann, gegründet.74
Mit der Demonstration zur notwendig reinen Subjektivität der Prinzipien der Glückseligkeit mussten die Grundfeste der eudämonistischen und damit Feders Ethik erodieren. Nur wenn sich das natürliche Streben des Menschen nach Glückseligkeit normieren ließ, was Kant nicht in seiner pragmatischen Möglichkeit, wohl aber in seiner moralischen Notwendigkeit und damit Legitimität bestritt, konnten die volkserzieherischen Programme der Popularphilosophie und die Legitimationstheorien einer Literatur der Aufklärung aufrecht erhalten und ausgebaut werden. Nicht nur Feders gesamte Arbeit seit Mitte der 1760er Jahre stand also mit Kants Eudämonismuskritik auf dem Spiel; auch Wielands, Lessings oder Nicolais Lebenswerke erhielten Risse, weil eine der großen Anstrengungen dieser Aufklärer darin bestand, eine Ethik zu begründen, die eine Verbindlichkeit garantiert, welche nicht auf die Gottes- als Garantieinstanz zurückgreift, die Tugend um ihrer selbst willen zu realisieren für die Bedingung des weltlichen Glücksversprechens erklärt und doch keinen Atheismus propagiert.75 Kant aber wies dieser Aufklärung nach, dass ihr Ausgang bei der Glückseligkeit als Handlungstelos inkohärent, ja gefährlich bzw. mißbrauchlich verwendet werden konnte.76 In dieser Konfliktkonstellation dürfte einer der entscheidenden Gründe für den breiten Widerstand gegen Kants Philosophie zu finden sein, der bis weit in den 1790er Jahre anhielt.77 Feder rekonstruiert in seiner Rezension allerdings die ihn notwendig irritierende Kritik Kants zunächst vollkommen zutreffend:
74 Kant: KpV, AA V, S. 22 u. 25f. 75 Über diese Entwicklung zu einer säkularen Ethik informiert überzeugend Holger Glinka: Zur Genese autonomer Moral. Eine Problemgeschichte des Verhältnisses von Naturrecht und Religion in der frühen Neuzeit und in der Aufklärung. Hamburg 2012. 76 Siehe hierzu Kang: Die allgemeine Glückseligkeit (s. Anm. 63), S. 97ff. 77 Vgl. hierzu Allesandro Lazzari u. Martin Bondeli: Kants Gegner. In: Helmut Holzhey u. Vilem Mudroch (Hg.): Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. 1. Halbbd. Basel 2014, S. 1121–1151.
Gideon Stiening Die Maxime, seine eigene Glückseligkeit zu suchen, kann darum nicht für ein Gesetz gelten, weil jeder seine eigene, von der des andern verschiedene, und ihr so widerstreitende Glückseligkeit dabey zum Gegenstand hat – also kein allgemeines Gesetz dabey ist.78
Anschließend wird dieser Herausforderung aber mit der vollen Wucht des tief Irritierten entgegengehalten, dass auch Vernunft und Wahrheit letztlich subjektiv seien. Feder ist also für seine Gegenwehr gegen Kants Fundamentalkritik bereit, sich radikaler Skeptizismen zu bedienen, die er zuvor stets zurückgewiesen hatte.79 Auch diese Bereitschaft zum radikalen Zweifel in Konfliktlagen verbindet Feder mit vielen Autoren der Spätaufklärung, so u. a. Wieland oder Wezel, die grundsätzlich einen moderaten Skeptizismus vertraten, sich aber, wenn es ernst wurde, radikalisieren konnten.80 So kann Feder im unmittelbaren Anschluss mit der ganzen – nun wieder unskeptizistischen81 – Autorität des Aufklärungspatriarchen festhalten: Aber gleichwie bey aller Individualität und allen Abweichungen der Menschen in Ansehung ihrer Begriffe und Urtheile, sie sich doch bey gewissen gemeinen Begriffen und Grundsätzen vereinigen: so vereinigen sich auch, bey allem Egoism, der Selbstliebe, ihre Neigungen und Absichten dennoch bald bey einigen, und allmählig bey immer mehreren Punkten des gemeinen Besten. Und das ist eben der Zweck der Moral, die Menschen, wo möglich, dahin zu bringen, daß sie ihr Wohlseyn, ihre Zufriedenheit, ihr höchstes Gut, in Beförderung des gemeinen Besten, nach bestmöglicher Erkenntniß, und also in getreuer Ausübung ihrer Pflichten, sich vorstellen und suchen.82
Erneut lässt sich an dieser Kritik, die allein deshalb keineswegs überzeugend ausfällt, weil sie die kantischen Argumente nicht widerlegt, sondern ihnen schlicht und autoritativ eine alternative Konzeption entgegenhält, deren Leistung mit ihrer angeblich unhinterfragbaren Faktizität begründet wird, erkennen, wie grundlegend
78 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 189f. 79 Vgl. hierzu u. a. Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen, Gotha 1769, S. 221ff., hier vor allem Argumente gegen den »Erzzweifler Bayle«. 80 Siehe hierzu u. a. Cornelia Ilbrig: Aufklärung im Zeichen eines »glücklichen Skeptizismus«. Johann Karl Wezels Werk als Modellfall für literarisierte Skepsis in der späten Aufklärung. Hannover 2007 sowie Gideon Stiening: »Meine Begriffe von der menschlichen Natur«. Wielands Epistemologie und Anthropologie in Was ist Wahrheit? und in der Geschichte des Agathon (1766/67). In: Wieland-Studien 7 (2012), S. 75–104. 81 Gerade solche Passagen legen es nahe, Kants folgende Spitze auch und im Besonderen auf Feder zu beziehen: »Consequent zu sein, ist die größte Obliegenheit eines Philosophen und wird doch am seltensten angetroffen. Die alten griechischen Schulen geben uns davon mehr Beispiele, als wir in unserem synkretistischen Zeitalter antreffen, wo ein gewisses Coalitionssystem widersprechender Grundsätze voll Unredlichkeit und Seichtigkeit erkünstelt wird, weil es sich einem Publikum besser empfiehlt, das zufrieden ist, von allem etwas und im ganzen nichts zu wissen und dabei in allen Sätteln gerecht zu sein« (Kant: KpV, AA V, S. 24). 82 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 190.
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und konsequenzenreich Kant die Aufklärungsethiker getroffen hatte. Für Feder werden praktischer Skeptizismus und Egoismus nämlich durch die natürlichen Neigungen des Menschen überwunden, d. h. durch die menschliche Natur, die an ihr selbst moralisch ist und so die Moralität im Glücksstreben des Menschen, die auf das bonum commune ausgerichtet ist, garantiert werden kann. Hatte Kant schon 1784 gezeigt, dass ›Selbstliebe und Geselligkeit‹83 nur als zwei sich widersprechende Neigungen des Menschen zu denken sind,84 so bleibt Feder mit Grotius und Pufendorf davon überzeugt, dass Selbstliebe und Sympathie konfliktfrei und gleichursprünglich in der und als Natur des Menschen bestehen können.85 Begründet wird diese Gegenposition in einer späteren Textpassage wie folgt: Und nun wird eingesehen werden können, in wiefern der Begriff vom Guten von einem vorhergehenden Gesetze abgeleitet werden, nicht diesem zum Grunde dienen müsse. a) Bey allem Guten liegt ein Naturgesetz zum Grunde; in der Natur und den Verhältnissen der Dinge liegt der Grund des Angenehmen und Unangenehmen. b) Also auch bey der Achtung und Billigung, wozu das Wahre, Vernünftige, wenn es erkannt wird, uns bestimmt, liegt ein Naturgesetz zum Grunde, das Gesetz, vermöge dessen das Widersprechende nicht vorgestellt, also auch nicht gebilliget und begehrt werden kann; wohl aber das Einstimmige, Mögliche, Reelle. c) Vernunftgesetze liegen also insbesondere zum Grunde, bey den Vorstellungen vom höchsten Gut, und wahren Gütern. d) Aber bey allen positiven Vorschriften der Vernunft von bestimmtem objectiven Inhalt, mögen sie die Pflichten gegen uns oder gegen andere betreffen, liegen zum Grunde und müssen zum Grunde liegen Begriffe vom Guten. Das Verhältniß zum Wohl der Einzelnen oder des Ganzen ist die ratio legis; nach welcher die Tauglichkeit oder Verwerflichkeit aller Vorschriften und Gesetze beurtheilt wird, und werden muß.86
Wenigstens zwei Einsichten sind an dieser schroffen Gegenüberstellung kritischer und eudämonistischer Ethik zu gewinnen: Zum einen wird deutlich, dass Feders Moraltheorie eine spezifisch politische Komponente aufweist, weil sie die moralische Gesinnung des Einzelnen als Tugend an das gesellschaftliche bonum commune und damit an die ratio legis und den Staat bindet – ohne dies allerdings explizit zu reflektieren. Kants streng subjektive Glückseligkeitskonzeption lässt sich dage 83 Zu dieser Problemkonstellation in der Philosophie, den Wissenschaften und der Literatur des 18. Jahrhunderts vgl. Friedrich Vollhardt: Selbstliebe und Geselligkeit. Untersuchungen zum Verhältnis von naturrechtlichem Denken und moraldidaktischer Literatur im 17. und 18. Jahrhundert. Tübingen 2001 sowie Michael Kempe: Geselligkeit im Widerstreit. Zur Pufendorf-Kontroverse um die socialitas als Grundprinzip des Naturrechts in der Disputationsliteratur in Deutschland um 1800. In: Jahrbuch für Recht und Ethik 12 (2004), S. 57–71. 84 Vgl. hierzu Kants Demonstrationen zu einer ›ungeselligen Geselligkeit‹ in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, AA VIII, S. 15–39, spez. S. 20f. 85 Zu den unüberwindlichen Problemen dieser Vorstellung vgl. Gideon Stiening: Appetitus societatis seu libertas. Zu einem Dogma politischer Anthropologie zwischen Suárez, Grotius und Hobbes. In: Herbert Jaumann u. Gideon Stiening (Hg.): Neue Diskurse der Gelehrtenkultur. Ein Handbuch. Berlin, Boston 2016, S. 389–436. 86 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 202.
Gideon Stiening gen politisch nicht verwerten, allenfalls negativ, indem der Einzelne vor jeder staatlichen oder überhaupt vergemeinschaftenden Vernutzung seiner Bedürfnisse zu schützen ist. An Feders verstocktem Festhalten an einem politischen Eudämonismus lässt sich daher auch Kants Warnung vor der Ausrichtung der Staatszwecke auf ein – notwendig kriterienlos bleibendes87– Gemeinwohl anschaulich belegen: Eine Regierung, die auf dem Princip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder errichtet wäre, d. i. eine väterliche Regierung (imperium paternale), wo also die Unterthanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, sich bloß passiv zu verhalten genöthigt sind, um, wie sie glücklich sein sollen, bloß von dem Urtheile des Staatoberhaupts und, daß dieser es auch wolle, bloß von seiner Gütigkeit zu erwarten: ist der größte denkbare Despotismus.88
Diese kritische Analyse gilt aber auch für eine auf das bonum commune ausgerichtete politische Ethik, weil auch in ihr das Kriterium unbestimmt bleiben und daher das Postulat der Zurückstellung der eigenen für die Interessen des Allgemeinen bestimmungs- und so grenzenlos bleiben muss. Zum anderen ist diese Natur am Menschen unverkennbar lediglich aufgrund ihrer Geschöpflichkeit moralisch, woran spätestens erkennbar wird, warum dieser Empirismus in seiner praktischen Dimension der Theologie, wenigstens aber theonomer Argumente bedarf bzw. auf diese ausgerichtet ist. Denn nur die Gottesinstanz und ihre Schöpfungsleistung kann eine grundständige Moralität des natürlichen Menschen garantieren; an ihr selbst ist die Natur nur jenes ewig »verschlingende, ewig wiederkäuende Ungeheuer«, als dass der liebestolle Werther sie erfährt.89 Nur als Schöpfung kann sie eine normative Ordnung je schon enthalten, die nicht erst von Menschen herzustellen, sondern lediglich zu realisieren ist. Kants Kritik am Eudämonismus ist für diese Aufklärung nicht nur freudlos – so noch Schiller, der ebenso bekanntermaßen wie fälschlicherweise meinte, Kant gönne den Menschen nicht, glücklich zu sein90 –, sondern auch gottlos. Für Feder wird der Eudämonis-
87 Vgl. auch Immanuel Kant: Streit der Fakultäten. In: AA VII, S. 87: »Wohlfahrt aber hat kein Princip, weder für den, der sie empfängt, noch der sie austheilt (der eine setzt sie hierin, der andere darin); weil es dabei auf das Materiale des Willens ankommt, welches empirisch und so der Allgemeinheit einer Regel unfähig ist.« 88 Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. In: AA VIII, S. 290f. 89 Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther. In: ders.: Werke. Hamburger Ausgabe. Hg. von Erich Trunz. 14 Bde. Hamburg 1988, Bd. 6, S. 53. 90 Vgl. hierzu Friedrich Schiller: Über Anmut und Würde. In: ders.: Sämtliche Werke. Hg. von Gerhard Fricke u. Herbert G. Göpfert. München 91993, S. 466; zu diesem schillerschen Missverständnis vgl. Achim Vesper: Durch Schönheit zur Freiheit? Schillers Auseinandersetzung mit Kant (Brief 1 und die Folgen). In: Gideon Stiening (Hg.): Friedrich Schiller. Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Berlin, Boston 2018 [i.D.].
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mus-Kritiker Kant mithin zum Atheisten und ›Zermalmer‹ der menschlichen Lust in ihrer moralischen Bedeutung; dem hält er unmissverständlich entgegen: Die Idee von Gott wirkt ja, ihrer Natur nach, nicht bloß durch Furcht und Hoffnung, sondern auch durch Dankbarkeit, Ehrfurcht und Vertrauen, Gehorsam gegen seine Gesetze. Vernunft und alle Naturgesetze und alle guten Antriebe in der menschlichen Natur bekommen mehr Auctorität und Gewicht, wenn die theoretische Vernunft es nicht zweifelhaft läßt, ob sie das Werk des Zufalls, oder einer blinden Nothwendigkeit, oder der höchsten Weisheit und Güte seyn. Glaube an Gott und ein anderes Leben mäßiget die Anhänglichkeit an die Güter dieser Erde, und räumt dadurch ein Haupthinderniß der Tugend weg; ohne darum diese von Furcht vor Strafen abhängig oder lohnsüchtig und eigennützig zu machen.91
Erneut lässt sich festhalten, dass Feders Interpretationen nicht vollkommen falsch sind, wenngleich tendenziös. Feder hat sehr wohl erkannt, dass mit Kants Ethik seine schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich begründete wie weltanschaulich vertretene Position unmöglich würde. Dass er sich dagegen mit allen Mitteln wehrt, ist verständlich; dass er erneut falsche Urteile über Kants Philosophie fällt, weniger; in jedem Falle aber ist Feders ›Kritik‹ an Kant signifikant, und zwar nicht allein für das späte 18. Jahrhundert.92
. Feders Kritik an der Autonomie als »Selbstherrschaft des Willens« Diese Signifikanz beweist sich erneut an Feders Analyse des nach ihm 9. Hauptsatzes der Kritik der praktischen Vernunft, einen »Hauptpunkt des Systems unsers Verf.«. Tatsächlich geht es in diesem Abschnitt um Kants Begriff von Autonomie, den Feder ganz zu Recht als ein Zentrum der kantischen Ethik interpretiert.93 Zunächst rekonstruiert er wiederum durchaus nüchtern die kantische Argumentation: Ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maximen allein zum Gesetze dienen kann, muß ein freyer, das heißt von dem empirischen Gesetze der Caussalität unabhängiger seyn. Ein
91 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 215. 92 Vgl. hierzu die eigentümliche Kant-Kritik einer bestimmten Anthropologie-Forschung, wie beispielsweise bei Jörn Garber: Die Bestimmung des Menschen in der ethnologischen Kulturtheorie. In: Aufklärung 14 (2002), S. 161–204, spez. S. 202–204, oder auch Wolfgang Riedel: Erster Psychologismus. Umbau des Seelenbegriffs in der deutschen Spätaufklärung. In: Jörn Garber u. Heinz Thoma (Hg.): Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im 18. Jahrhundert. Tübingen 2004, S. 1–17. 93 Vgl. hierzu auch Onara O’Neill: Autonomy and the Fact of Reason in the Kritik der praktischen Vernunft. In: Otfried Höffe (Hg.): Immanuel Kant. Kritik der praktischen Vernunft. Berlin 2002, S. 81–98.
Gideon Stiening solcher Wille hat Autonomie; Heteronomie ist es hingegen, wenn die Neigungen und die mit ihnen in Verbindung stehende Materie des Gesetzes die Willkühr bestimmt. Darinnen besteht also die Freyheit des Willens, daß derselbe nicht bloß ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern mit Abweisung aller derselben, und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem Gesetze zuwider seyn können, bloß durchs Gesetz bestimmt werde.94
Erneut kann man festhalten, dass der kantische Gedanke insgesamt angemessen paraphrasiert wird, wenngleich am Ende der Passage der Bezug auf einen angeblichen »Abbruch aller Neigungen« überreizt wirkt. In seinem Kommentar zu dieser Stelle bleibt Feder zunächst auch eher zurückhaltend; er will sich vor allem mit dem Freiheitsbegriff befassen, den er in einem ersten Analyseschritt durch eine philosophiehistorische Kontextualisierung zu erläutern sucht: Er [d. i. der Begriff der Freiheit] ist keineswegs ganz neu, oder den sonst gewöhnlichen Begriffen entgegen gesetzt, sondern kann, an sich betrachtet [und d. h. hier unabhängig von der Begründung seiner Geltung], für einerley erklärt werden mit dem, was der Stoiker Freiheit nennt, und was sonst die höhere moralische Freyheit genannt wird.95
Diese Verbindung zum Stoizismus fällt gerade im Hinblick auf den Begriff der Autonomie ohne Zweifel wenig überzeugend aus, wenngleich sie auch von neueren Kant-Interpreten vertreten wird.96 Der entscheidende Grund für die historisierende Distanzierung besteht aber in Feders eigener Freiheitstheorie, die er unter Aufnahme der neuesten Naturforschungen als eine empirische, also auf Beobachtung und Erfahrung basierende ausweist. Diese Konzeption kommt zu dem Resultat, dass der Wille stets von einer Vielzahl von Vorstellungen, Empfindungen oder Gefühlen bestimmt wird, denen er mal mehr, mal weniger nachgeht. Entscheidend ist für Feder, dass der menschliche Wille niemals ohne solcherart empirische Motivationen aus reiner Selbstherrschaft Entscheidungen trifft. Zwar ist er in der Lage, sich gegen bestimmte Beweggründe zu widersetzen: Aber dieß kann doch im geringsten nicht die Meynung rechtfertigen, daß eine Willensäußerung gegen alle Vorstellung und ohne alle bestimmende Empfindung oder Vorstellung erfolgen könne. Sehr viele aufmerksame Beobachter, denen ich mich hierinn zugesellen darf, versichern, daß sie einer solchen Unabhängigkeit, einer solchen Selbstherrschaft des Willens sich bey sich selbst nie haben bewußt werden können. Und es läßt sich sehr leicht begreifen, wie diejenigen, die das Gegentheil, vermöge ihrer Erfahrung, behaupten wollen, in ihrem Urtheile
94 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 190f. 95 Ebd., S. 191. 96 Vgl. hierzu Reinhard Brandt: Die Bestimmung des Menschen bei Kant. Hamburg 2007, S. 139ff.; eine demgegenüber die Differenzen betonende Interpretation liefert Christoph Rapp: Kant und die Stoiker. In: Barbara Neymeyr, Jochen Schmidt u. Bernhard Zimmermann (Hg.): Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. 2 Bde. Berlin, New York 2008, Bd. 2, S. 1081–1104.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
sich dabey übereilet haben können, indem sie nämlich nur auf einiges, was in ihnen vorgieng, nicht, wie sie gesollt hätten, auf alles, was rege ward, Acht geben.97
Damit wird ersichtlich, wie der Göttinger Empiriker Kants Autonomie interpretiert, nämlich als radikal willkürliche Selbstherrschaft des Willens. Solcherart ›Dezisionismus‹, der Kant nicht trifft, muss aber bei Feder wegen seines uneingeschränkten Empirismus auf Widerstand stoßen. Vor allem reagiert Feder auf eine Konzeption von Freiheit kritisch, die ihm auch politisch problematisch erscheinen muss, weil diese Freiheit, selbst als nur äußere, bedingungslos ist und so nicht mehr – wie es Feder vorschwebt – auf das Gemeinwohl auszurichten bzw. durch es zu begrenzen ist. Überhaupt gehört der »Trieb zur Freyheit« für Feder durchaus nicht unter die höheren Naturzwecke des Menschen, weil diese vielmehr in den Trieben zur Selbstliebe und zur Geselligkeit zu finden sind. Wer aber dem Freiheitstrieb bedingungslos frönt, weil dieser nur außerhalb der Gesellschaft als absolute Bedingungslosigkeit zu finden ist, der vergeht sich nach Feder gegen die Natur: »Der Mensch, der ganz frey zu seyn begehrt, sträubt sich gegen die Natur vielmehr, als daß er einem wahren Naturtriebe folgte.«98 Erneut zeigen sich an Kants Autonomiekonzeption und dessen Kritik durch Feder eher die grundlegenden Differenzen beider philosophischer Systeme als ein trübes Unverständnis Feders. Denn der Stoizismus-Vorwurf hat vor allem polemische Intentionen: Feders Argumente zeigen die Richtung an, in die seine Kritik grundsätzlich zielt: Spätestens mit dem Begriff der »höheren moralischen Freyheit« wird ersichtlich, dass Kant zum voluntaristischen Wolf im transzendentalen Schafspelz erklärt werden soll; in der Aufnahme seiner Argumentation aus dem ersten Teil der Untersuchungen über den menschlichen Willen heißt es: Denn diese [d. i. die »höhere moralische Freyheit«] besteht in nichts anderm, als in der völligen Abhängigkeit des Willens von der durch die Vernunft erkennbaren Vorstellung der Pflicht, und der Unabhängigkeit von sinnlichen Reizen und Antrieben. So ist der Weise allein frey, und der lasterhafte Thor ist Sklave seines Körpers und seiner Leidenschaften.99
Diese Freiheit des stoischen Weisen aber hatte Feder schon 1779 als widersprüchlich und politisch problematisch verworfen, denn der »Weise, wie der Stoiker ihn sich dachte,« kann als uneingeschränkter Herrscher über seine Glückseligkeit gegenüber der äußeren Freiheit indifferent bleiben, weil es ihm gleichgültig sein könne, »ob er Sklav oder König seyn soll«.100 Feder bedient sich hier erkennbar einer Identifikation innerer und äußerer Freiheit, die er ansonsten durchaus zu unterscheiden weiß, und zwar aus programmatischen Gründen: Denn die seit Thomasius umstrittene, 97 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 53), Bd. 1, S. 47. 98 Ebd., S. 463. 99 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 190f. 100 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 53), Bd. 1, S. 466.
Gideon Stiening von Kant allererst hinreichend begründete Unterscheidung zwischen Recht und Ethik101 muss vom Eudämonismus untergraben werden, um die Glückseligkeit des Einzelnen mit dem bonum commune konfliktfrei vermitteln zu können. Christian Garve führt eben im Jahre 1788 vor, dass dies nur um den Preis der bedingungslosen Identifikation der ersteren mit der letzteren gelingen kann und soll.102 Noch Schiller wird ihm der Sache nach darin folgen.103
. Freiheit in der Erfahrung – Feders Kritik der Zwei-ReicheLehre Feder stört sich in der Folge noch in besonderer Weise an der eigentümlichen Konstruktion der kantischen Zwei-Reiche-Lehre, ein Einwand, auf den hier abschließend noch einzugehen ist. Denn erneut lässt sich an dieser Kritik dokumentieren, dass der Göttinger Empirist Kant sehr wohl verstanden hatte, mit diesem Modell von Ethik aber grundsätzlich nicht einverstanden war: Darin unterscheidet sich also K[ant] mit seinem Begriffe der Freyheit von andern, daß er diese Freyheit als aus der Erfahrung unmittelbar nicht erkennbar, sondern nur aus dem Daseyn und der Natur des moralischen Gesetzes erweislich, und zugleich als eine Abweichung vom Gesetze der Caussalität vorstellig macht. Allein die Freyheit, die aus dem Daseyn und der Natur eines moralischen Gesetzes erweislich ist, enthält keine Ausnahme oder Abweichung vom Gesetze der Caussalität; und ist unmittelbar aus der Erfahrung erkennbar.104
Wiederum ist es der programmatische Anti-Empirismus der kantischen Freiheitskonzeption, der Feders entschiedenen Widerspruch hervorruft und hervorrufen muss, hatte er doch eine solche empiristische Freiheitstheorie in seinen Untersuchungen über den menschlichen Willen entworfen, in denen »die Beobachtung allein« darüber zu entscheiden haben sollte, ob der menschliche Wille frei ist.105 Nachdem Feder – wie oben zitiert – den streng voluntaristischen Gedanken einer kriterien- und also bedingungslosen Selbstmacht des Willens verworfen hat, entwickelt er im ersten Βand seines opus magnum das folgende Alternativmodell: Wenn man sich also nicht begnügen will, für den Menschen überhaupt Freyheit zu behaupten, die darinn besteht, daß er mit innerer Kraft Vorstellungen, Beurtheilungen, Entschließungen 101 Siehe hierzu u. a. Günter Kruck, Bernd Dörflinger u. Dieter Hüning (Hg.): Das Verhältnis von Recht und Moral in Kants praktischer Philosophie. Hildesheim 2017. 102 Vgl. hierzu Christian Garve: Abhandlung über die Verbindung der Moral mit der Politik. Breslau 1788. 103 Vgl. hierzu Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: ders.: Sämtliche Werke (s. Anm. 90), Bd. 5, S. 588ff. 104 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 192f. 105 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 53), Bd. 1, S. 45.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
und Handlungen nach Wohlgefallen bewirken kann; wenn der Wille frey heißen soll: so kann die Freyheit desselben darinn gesetzt werden, daß er nicht an einige wenige Antriebe gefesselt ist, sondern durch unzählich viele bestimmt werden kann. Dieß drückt auch der Name der Willkühr oder des Vermögens zu wählen aus. Dieß Vermögen zu wählen, obgleich immer nach Gründen, kömmt dem Willen unleugbar zu.106
Für Feder ist die menschliche Freiheit damit weder dem Determinismus einer geschlossenen Naturkausalität ausgesetzt, noch ist sie willkürlich im Sinne einer vollständigen Unbestimmtheit, die dem – auch von dem Göttinger Empiristen geteilten – Grundgesetz der traditionellen Metaphysik, nihil sine ratione, widerspräche.107 Feder vertritt folglich eine Konzeption der moderaten Vereinbarkeit zwischen Natur und Freiheit, die beide einer empirisch beobachtbaren Kausalität in unterschiedlichem Maße ausgesetzt sind.108 Vor diesem Hintergrund muss Feder vor allem Kants Vorstellung stören, dass »der Wille […] als unabhängig von allen empirischen Bedingungen« gedacht wird und werden muss,109 um Freiheit und moralische Verantwortung kohärent entwickeln zu können. Diese – Kant sagt es selbst ‒ durchaus »befremdlich[e]« Annahme muss Feders entschiedenen Widerspruch hervorrufen: Nicht nur ist es von sehr vielen gründlichen Philosophen, die bekannt genug sind, und nicht brauchen genannt zu werden, unwiderleglich dargethan worden, daß wenn gleich alles aus entscheidenden Gründen erfolgt, die moralischen Begriffe von Pflicht, Verdienst, Schuld, Strafbarkeit, aufs völligste dabey bestehen: sondern ich sehe auch nicht ein, wie der Verf. nach seinen eigensten Begriffen und Grundsätzen von Sittlichkeit und sittlichem Gesetze auf eine Freyheit schließen könne, die dem Gesetze der Caussalität nicht unterworfen, und aus der Erfahrung unmittelbar nicht erkennbar seyn soll. Die Sittlichkeit beruht nach seinem System, wie sich aus dem Bisherigen schon ergeben hat, und aus dem Folgenden weiter erhellen wird, darauf, daß der Wille durch die Form des moralischen Gesetzes, oder durch die Vorstellung der Pflicht als Pflicht, bestimmbar ist, wenigstens Achtung dafür hat; unabhängig vom anderweitigen Interesse der Neigungen. Dieß zugegeben; was folgte nun daraus? Daß der Wille dabey nicht unter dem Gesetz der Caussalität stehe? Ist denn hier nicht die Vorstellung von Pflicht, nebst der Natur des Willens, Ursache; und die Achtung, wo nicht Neigung und Entschließung nach der Pflicht sich zu bestimmen, Wirkung? Und ist diese Caussalität nicht aus der Erfahrung erkennbar; so gut als irgend eine andere?110
106 Ebd., S. 47. 107 Vgl. hierzu auch die Argumentation bei Leibniz in Gottfried Wilhelm Leibniz: Die Theodizee. Übersetzt u. hg. von Arthur Buchenau. Hamburg 21968, S. 125 (§ 44). 108 Zu einer Typologie von Freiheitstheorien im Hinblick auf Kant vgl. Mario Brandhorst, Andree Hahmann u. Bernd Ludwig: Einleitung. In: dies. (Hg.): Sind wir Bürger zweier Welten? Freiheit und moralische Verantwortung im transzendentalen Idealismus. Hamburg 2015, S. 7–34, spez. S. 9ff.; nach diesem Modell entspricht Feders Konzeption in etwa der von Peter Bieri: Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens. München 2001. 109 Kant: KpV, AA V, S. 31. 110 Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 193.
Gideon Stiening Erneut ist Feders Einwand, der vor allem darum bemüht zu sein scheint, die eine Welt zu retten, in der Freiheit und Notwendigkeit zu denken möglich ist, keineswegs von dumpfer Unkenntnis charakterisiert, sondern von dem Interesse an der Apologie einer Freiheitstheorie, die den von ihm entworfenen empiristischen Prinzipien in Epistemologie und Methodologie Rechnung trägt. Feder hatte Kant wohl verstanden – und kein Moment von dieser Theorie des freien Willens und der moralischen Verantwortung stieß auf seine Zustimmung.111
. Feders Resümee: Rationalistisch, unbewiesen und mit Tendenzen zum Atheismus Am Ende seiner Rezension fasst Feder die entscheidenden Momente der kantischen Moralphilosophie noch einmal zusammen, indem er feststellt, dass »alles, worinn sich der Verf. von anderen Moralisten unterscheidet, auf drey Punkte hinausläuft«. Dazu gehören laut dem Rezensenten: 1. Das »Princip der Sittlichkeit«, in dem sich für Feder noch einmal der grundlegende Unterschied zwischen spätaufklärerischer Anthropologie und metaphysisch-rationalistischem Transzendentalismus kristallisiert: Aber hier [beim »Princip der Sittlichkeit«] kömmt aller Unterschied nur daher: daß Kant […] die reine Vernunft vor Augen hat; und die anderen den ganzen Menschen mit allen seinen Neigungen.112
2.
Klarer kann man den Unterschied, den die Anthropologen zwischen sich und Kant vermuteten, nicht formulieren und präziser nicht das Missverständnis – keineswegs das Unverständnis – fassen, das diese Aufklärung von der kantischen Philosophie öffentlich kultivierte: Reine Vernunft statt ganzer Mensch. Als zweiten gewichtigen Unterschied der kantischen Ethik von »allen anderen« philosophischen Theorien isoliert Feder die Theorie der Freiheit des Willens, die er rationalistisch interpretiert und damit als Gefahr aller empiristischen Errungenschaften in der Ethik, und damit jeder Ethik überhaupt verwirft: Denn dieß [d. i. die Bestimmung des freien Willens durch die menschlichen Vorstellungen] wissen und lehren wir alle; und wissen, daß dieß Attribut der Menschheit durch Übungen der Weisheit erhöht, und durch Befolgung sinnlicher Triebe geschwächt werde. Aber diese
111 Einzig Kants Überlegungen zur Heiligkeit des Willens können Feders nachdrückliche Zustimmung hervorrufen; hier heißt es: »Herrlich dieß alles, besonders das Letztere!« (ebd., S. 213). 112 Ebd., S. 216.
»Ganzer Mensch« statt »reiner Vernunft«
Freyheit soll α) eine Ausnahme von dem Gesetze der Caussalität seyn; und β) als eine solche aus dem Wesen der Sittlichkeit folgen. Dieß nun aber hat K[ant]. noch nicht bewiesen.113
3.
Erneut verwirft Feder vor allem Kants Zwei-Reiche-Lehre und bezweifelt ihren wissenschaftlichen Status; zumindest hält er diese Thesen für nicht hinreichend bewiesen. Und drittens sieht Feder das folgende Theoriemoment als signifikant für die kantische Philosophie an und formuliert damit zugleich seinen entscheidenden Einwand: Es geht erneut um Gott und Unsterblichkeit als Momente einer jeden praktischen Philosophie; dazu führt Feder aus: [D]ie Gründe des Glaubens an Gott und ein anderes Leben; die K[ant]. wie wir andern auch, für wesentliche Bedingungen zur Befestigung des Moralsystems, oder der prakt[ischen]. Vernunft hält. Nur a) leugnet er, daß die theoretische Philosophie hinreichende Gründe dazu enthalte; sondern findet diese lediglich in der sittlichen Natur des Menschen, oder in der praktischen Vernunft; b) scheint es, daß er nicht Beweggründe zur Tugend hergenommen wissen wolle; sondern nur als Voraussetzung sie betrachte, ohne welche die praktische Vernunft nicht consequent, oder nicht erklärbar seyn würde.114
Einmal mehr ist es der Vorwurf aus der Rezension zur Kritik der reinen Vernunft, nämlich die Unerkennbarkeit Gottes und der menschlichen Unsterblichkeit, die Feder in den Fokus seiner Kritik rückt. Mit der rein praktischen Funktion würden Gott und Unsterblichkeit zu schlichten Voraussetzungen der theoretischen Kohärenz und damit nach Feder entwürdigt. Erneut also bezichtigt er Kant damit des Atheismus und des Amoralismus – ein Vorwurf, den auch Jacobi zur gleichen Zeit in einigen Briefen erhebt.115 Zwar gesteht er Kant zu, Gott und die Unsterblichkeit für irgendwie wichtig zu halten, diese praktische Vernunft macht aber beidem und damit jeder möglichen Verbindlichkeit von Moral den Garaus. An solchen Stellen wird die Kritik düster; sie ist – wie durchgehend – keineswegs dumm und gerade deshalb gefährlich. Nicht nur, aber auch dieser Ausfälle wegen, die zeigen, dass eine angebliche ›Selbstaufklärung der Aufklärung‹116 sich als das »rasende Gefasel
113 Ebd., S. 217f. 114 Ebd., S. 218. 115 Vgl. hierzu u. a. Jürgen Stolzenberg: Was ist Freiheit? Jacobis Kritik der Moralphilosophie Kants. In: Walter Jaeschke u. Birgit Sandkaulen (Hg.): Friedrich Heinrich Jacobi. Ein Wendepunkt der geistigen Bildung der Zeit. Hamburg 2004, S. 19–36. 116 Vgl. eine der ambitioniertesten Arbeiten mit dieser These von Tanja van Hoorn: Dem Leibe abgelesen. Georg Forster im Kontext der physischen Anthropologie des 18. Jahrhundert. Tübingen 2004; Garber u. Thoma (Hg.): Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung (s. Anm. 92) oder noch Stefan Borchers: Die Erzeugung des ›ganzen Menschen‹. Zur Entstehung von Anthropologie und Ästhetik an der Universität Halle im 18. Jahrhundert. Berlin, New York 2011.
Gideon Stiening der Gegenaufklärung«117 entlarvte, wenn es um eine Kritik an Kant ging, lohnt sich die Beschäftigung mit Feders Kritik an Kant.
117 Klaus Laermann: Das rasende Gefasel der Gegenaufklärung. Dietmar Kamper als Syndrom. In: Merkur 39 (1985), S. 211–220.
Stefan Klingner
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder Die natürliche Theologie Feders – wie er sie in seinen Lehrbüchern Logik und Metaphysik und Grundsätze der Logik und Metaphysik darstellt1 – ist grundsätzlich durch die wiederholte Berufung auf den ›gemeinen Verstand‹ gekennzeichnet.2 Ihre Darstellung richtet sich dementsprechend nach den für Feders gesamte Philosophie gültigen Maßgaben eines durchgängigen Erfahrungsbezugs und der Tauglichkeit für eine auf Vermehrung von Glückseligkeit gerichtete Praxis. Kaum verwundern kann es daher, dass seiner natürlichen Theologie ausdrücklich physikoteleologische Argumente zugrunde liegen. Verwundern kann es auch nicht, dass bereits der Umfang ihrer Darstellung im Vergleich zu den anderen Teilen seiner Lehrbücher eher knapp ausfällt.3 Und schließlich kann es auch nicht verwundern, dass sie jeweils mit einem Verweis auf den Nutzen einer göttlichen Offenbarung endet. In Logik und Metaphysik beschließt Feder seine Darstellung der natürlichen Theologie mit einem Paragraphen, der mit »Sehnsucht der Vernunft nach einer
1 Als Textgrundlage dienen Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. 7. Aufl. Göttingen 1790 (1. Aufl. 1769) und Johann Georg Heinrich Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794. Die Angabe der Paragraphennummer bezieht sich im Fall von Logik und Metaphysik nur auf den Teil »Natürliche Theologie« (Feder: Logik und Metaphysik, S. 395–440), im Fall der Grundsätze der Logik und Metaphysik nur auf den Teil »Metaphysik« (Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik, S. 187–375). – Auf Verweise auf Feders Grundriß der philosophischen Wissenschaften wurde verzichtet, da Feder dort nur einen sehr knappen Überblick über die natürliche Theologie gibt (vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften. 2. Aufl. Coburg 1769, S. 126–142). Ebenfalls verzichtet wurde auf die Heranziehung seiner Institutiones logicae et metaphysicae (4. Aufl. Göttingen 1797, 1. Aufl.: 1777). Die Grundsätze der Logik und Metaphysik stellen größtenteils nichts anderes als die deutsche Fassung des lateinischen Lehrbuchs dar. Feder weist in deren »Vorrede« selbst darauf hin, dass größere inhaltliche Änderungen und ausführlichere Ergänzungen vor allem die »Logik« und »Ontologie« betreffen (vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik, S. IV). 2 Feder formuliert gleich am Anfang seiner Darstellung der natürlichen Theologie in Logik und Metaphysik programmatisch: »Um diesen wichtigen Theil der Philosophie seiner Würde und Absicht gemäß abzuhandeln, will ich versuchen, aus unstreitigen und dem gemeinsten Verstande faßlichen Begriffen und Grundsätzen zu philosophieren« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 1, S. 397). Vgl. auch Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 3, S. 401 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 93, S. 328 sowie § 109, S. 357 u. ö. 3 In Logik und Metaphysik stehen neben der reichlich 40seitigen natürlichen Theologie eine knapp 200 Seiten umfassende »Logik« und eine etwa 170 Seiten umfassende »Metaphysik«. In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik beanspruchen die »Logik« und die »Metaphysik« jeweils knapp 190 Seiten, von denen des Metaphysikteils beansprucht die natürliche Theologie immerhin knapp 50 Seiten.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-012
Stefan Klingner höheren Offenbarung«4 überschrieben ist. Wie in den anderen Teilen dieses Lehrbuchs ist Feder auch mit Blick auf die natürliche Theologie bemüht, der rationalistisch geprägten Schulphilosophie seiner Zeit gerecht zu werden. Er relativiert dabei ihren Geltungsanspruch aber in einem Maße, dass der Leserin und dem Leser unklar bleiben muss, ob die Argumente der natürlichen Theologie stichhaltig sind oder nicht. Zwar gebe sie, so Feder, »wichtige Wahrheiten«5 – aber diese seien nur das »mit Vernunft, aber ohne völlige Ueberzeugung, Vermuthete«.6 Und erst eine Offenbarung könne dieses von der Vernunft nur Vermutete ›bestätigen‹, ›vollenden‹, ›gewiss machen‹, ›außer Zweifel setzen‹.7 Im die Darstellung der natürlichen Theologie abschließenden Teil der erst in den 1790er Jahren erschienenen Grundsätze der Logik und Metaphysik scheint Feder dagegen in seinem Urteil zurückhaltender zu sein, wenn er schreibt, dass die »Nothwendigkeit und Gewißheit der Offenbarungen [...] aus dem [...] Bedürfnisse der Menschheit nicht gefolgert werden kann«.8 Allerdings fügt er sogleich hinzu, dass es doch nichts gebe, »was sie für möglich zu halten, abhalten müßte«.9 Gerade mit Blick auf die sehr eingeschränkte menschliche Erkenntnis von dem Wirken Gottes könne eine göttliche Offenbarung vielmehr für manche Menschen »große Wohlthat und Bedürfniß«10 sein. Auf wen dies zutrifft, wird mit Blick auf den vorletzten Absatz dieses Lehrbuches offensichtlich: auf diejenigen Menschen, die über schwierige philosophische Fragen nachzudenken »keinen besondern Beruf«11 haben – mithin den mehr oder minder gebildeten Pöbel. Im Folgenden wird nicht behauptet, dass Feder besonders Originelles zur zeitgenössischen philosophischen Diskussion um die natürliche Theologie und ihr Verhältnis zum Offenbarungsglauben vorgelegt hat. Aus seiner Bestimmung dieses Verhältnisses können aber Schlüsse gezogen werden, die für eine angemessene Einschätzung seiner Philosophie insgesamt hilfreich sein könnten. Da Feders Dar-
4 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 17, S. 439. 5 Ebd., S. 439. 6 Ebd., S. 440. 7 »Es scheint daher bey der Erkenntniß dieser wichtigen Wahrheiten allerdings eine höhere Bestätigung nöthig, um die Ueberzeugung so zu vollenden, daß ein kräftiger Entschluß, sein Leben darnach zu bestimmen, entsteht […]. Sollte ein solches höheres Licht vorhanden seyn, eine Offenbarung, die die Wünsche der Vernunft erfüllete, die das Gewisse in der vernünftigen Erkenntniß von Gott bestätigte, das mit Vernunft, doch ohne völlige Ueberzeugung, Vermuthete gewiß machte; die insbesondere die Lehre von der Einheit Gottes, von dem Ursprung der endlichen Wesen, von der Fürsehung, von der Seelen Unsterblichkeit, und der Bestimmung des Menschen aufklärte, und außer Zweifel setzte; […] eine solche Offenbarung wäre ja wohl anzunehmen« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], S. 439f., Hervorhebungen S.K.). 8 Ebd., § 117, S. 373. 9 Ebd. 10 Ebd., § 119, S. 374. 11 Ebd., S. 375.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
stellung der natürlichen Theologie wenig bekannt ist, wird zuerst ein sehr knapper Überblick über ihren Aufbau (1.) und über einige ihrer wesentlichen Inhalte (2.) gegeben. Im nächsten Schritt wird Feders Offenbarungsbegriff12 genauer gekennzeichnet (3.), um daran anschließend dessen bereits angedeutete Funktionen erläutern und in den Kontext von Feders Philosophie stellen zu können (4.). Abschließend wird im Sinne des Titels des vorliegenden Bandes nach der Stellung von Feders natürlicher Theologie »zwischen Wolff und Kant« gefragt und damit eine kritische Einschätzung ihrer Darstellung durch Feder und seiner Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung versucht (5.).
Aufbau von Feders Darstellung der natürlichen Theologie Feder handelt die »Natürliche Theologie« bzw. »Die Grundsätze der natürlichen Religion« jeweils im letzten Teil seiner beiden Lehrbücher ab.13 In Logik und Metaphysik bildet die natürliche Theologie einen eigenständigen Teil neben der »Logik« (bzw. »Vernunftlehre«) und der »Metaphysik« (bzw. »Grundwissenschaft«). In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik ist sie neben »Ontologie«, »Pneumatologie« und »Kosmologie« in den Metaphysikteil integriert. Für Feders Einordnung der natürlichen Theologie in das System der philosophischen Disziplinen ist damit der für die Gliederung zahlreicher zeitgenössischer philosophischer Lehrbücher übliche Rahmen bestimmend.14 12 Auf eine ausführlichere Besprechung von Feders Vernunftbegriff wird hier allerdings verzichtet. Zu Feders Bestimmung des Verstandes- bzw. Vernunftbegriffs s. z. B. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), S. 21f. Für eine Einordnung von Feders Vernunftbegriff in den Kontext der so genannten ›Philosophie der gesunden Vernunft‹ und der deutschsprachigen Aufklärungsphilosophie siehe Jan Rachold: Die aufklärerische Vernunft im Spannungsfeld zwischen rationalistisch-metaphysischer und politisch-sozialer Deutung. Eine Studie zur Philosophie der deutschen Aufklärung (Wolff, Abbt, Feder, Meiners, Weishaupt). Frankfurt a. M. u. a. 1999, bes. S. 204f. 13 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 1–17, S. 395–440 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 92–119, S. 327–375. 14 Für eine eigenständige Darstellung der natürlichen Theologie neben Logik und Metaphysik s. bereits Christian Wolff: Theologia naturalis, methodo scientifica pertractata. 2 Bde. Frankfurt, Leipzig 1736/37. Die Einordnung der natürlichen Theologie in die Metaphysik als deren abschließender Teil findet sich beispielsweise auch in Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. 8. Aufl. Halle 1741; Joachim Georg Darjes: Elementa metaphysices commoda auditoribus methodo adornata. 2. Aufl. Jena 1753, Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. 4. Aufl. Halle 1757 oder Ernst Platner: Philosophische Aphorismen. Erster Theil. Leipzig 1776. Für einen detaillierten Überblick über Aufbau und Inhalt der Lehrbücher der »deutschen« Schulphilosophie siehe Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945. Zur internen Gliederung der schulphilosophischen Meta-
Stefan Klingner Der Aufbau von Feders Darstellung der natürlichen Theologie ist in Grundzügen in beiden Lehrbüchern nahezu identisch und lässt sich etwa folgendermaßen gliedern: – In den ersten Paragraphen werden der Gottes- und Religionsbegriff allgemein bestimmt, gegen nicht-theistische Positionen abgegrenzt und die Annahme der Existenz Gottes mittels physikoteleologischer Argumente gerechtfertigt;15 – darauf werden die Eigenschaften Gottes aus dem physikotheologischen Gottesbegriff ›hergeleitet‹;16 – anschließend wird das Verhältnis zwischen Gott und Welt anhand der Fragen nach der Schöpfung aus nichts, der Vorsehung Gottes, dem Endzweck der Schöpfung, der Bestimmung des Menschen und dem Leben nach dem Tode dargestellt;17 – zuletzt geht Feder auf das Verhältnis von natürlicher Theologie und göttlicher Offenbarung ein, um Wert und Grenzen der natürlichen Theologie zu beurteilen.18 In Logik und Metaphysik folgt schließlich noch ein sehr knapper Abriss zur Geschichte der natürlichen Theologie,19 der in den späteren Grundsätzen der Metaphysik und Logik entfällt.
Inhalte von Feders natürlicher Theologie Auf eine detaillierte Auflistung der Unterschiede in der Darstellung der natürlichen Theologie in beiden Lehrbüchern und der Ergänzungen, die sie in dem späteren
physik und zu ihrer Herkunft vgl. Ernst Vollrath: Die Gliederung der Metaphysik in eine Metaphysica generalis und eine Metaphysica specialis. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 16 (1962), S. 258–284. 15 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 1–6 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 92–97. 16 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 7–11 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 98–101. 17 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 12–16 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 102–115. 18 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 17 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 116–119. 19 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), S. 441–448. Für diesen gilt sicher auch Max Wundts kritische Einschätzung von dem in Feders Grundriß der philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 1) gegebenen philosophiehistorischen Überblick: »Feder gibt eigentlich nur Namen und ganz Äußerliches, und über die Lehren so gut wie nichts« (Wundt: Die deutsche Schulphilosophie [s. Anm. 14], S. 306).
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
erfahren hat, kann hier verzichtet werden.20 Es wird ausreichend sein, Feders natürliche Theologie anhand vier wesentlicher Punkte näher zu kennzeichnen: ihrer physikoteleologischen Grundlage (2.1.), Feders Skepsis gegenüber der von der rationalistisch geprägten Schulphilosophie vertretenen Ontotheologie (2.2.), der Bestimmung des Endzwecks der Schöpfung als Glückseligkeit (2.3.) und des durch die wiederholt aufgerufenen ›Grenzen der Vernunft‹ relativierten Geltungsanspruchs zahlreicher Sätze der natürlichen Theologie (2.4.).
. Physikoteleologische Grundlage Der Ausgangspunkt für die natürliche Theologie ist für Feder der Begriff Gottes als ›verständige Weltursache‹, d. h. als ein von der Welt unterschiedenes personales Wesen, das die Welt erschaffen hat.21 Dieser Gottesbegriff wird mit dem bekannten physikoteleologischen Argument legitimiert, das zuerst eine Zweckmäßigkeit der Natur konstatiert, darauf die Bekanntschaft mit Zweckmäßigkeit auf die technische Vernunft der Menschen und ihre Produkte zurückführt und aus diesen beiden Prämissen auf einen Schöpfergott im Sinne des Theismus schließt.22 Sowohl der physikotheologische Gottesbegriff als auch der physikoteleologische Schluss werden dabei von Feder als unproblematisch beurteilt, da sie dem ›gemeinen Verstand‹
20 Die Darstellung der natürlichen Theologie in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik ist im Vergleich zu derjenigen in Logik und Metaphysik etwas weitläufiger und im Stil zurückhaltender. Außerdem berücksichtigt sie auch religionsphilosophische Überlegungen Kants, beschränkt sich dabei aber auf ein (kritisches) Referat des ›moralischen Arguments‹ (vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 96, S. 335–338) und vereinzelte, unkommentierte Hinweise auf einige Schriften Kants. 21 »[S]o scheint der Begriff von Gott, der mit größtem Rechte für den allgemeinen Begriff gehalten werden kann und für einen Grundbegriff, […] dieser zu seyn: daß Gott dasjenige Wesen, welches den Grund von dem Daseyn dieser Welt in sich enthält, oder die erste Ursache […]. Aber gleichwie aus den Gründen, die die Exsistenz Gottes beweisen, sogleich erhellet, daß diese erste Ursache eine von der Welt unterschiedene und eine verständige Substanz seyn müsse« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 2, S. 399f.). »Gott heißt, nach dem gemeinen Grundbegriff, so viel als eine verständige Ursache der Welt« (Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 92, S. 327). 22 »Der Grundsatz, der jeden Vernünftigen gar leicht zur Erkenntniß Gottes bringen kann, ist nemlich dieser: daß ein System der Dinge, das so unermeßlich viele Ordnung, Regelmässigkeit und Vollkommenheit enthält, das den Werken [...] verständiger Wesen so ähnlich ist, ein verständiges Wesen zum Urheber, Verstand und Weisheit zum Grunde haben müsse« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 3, S. 401). Vgl. auch Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 93, S. 328, wo das Argument aber gar nicht erst expliziert wird. Feder nennt dort lediglich »die Betrachtung der zweckvollen, trefflichen Einrichtungen, womit sie [= die Welt] angefüllt ist« (ebd., S. 328), und erklärt, dass das physikoteleologische Argument »sehr in die menschliche Denkart verwebt« (ebd., S. 328) sei. In der ersten Anmerkung verweist er zudem auf einige das Argument lobende Bemerkungen Kants (vgl. ebd., S. 329).
Stefan Klingner völlig entsprächen, Zweifel letztlich unsinnig seien und Gottesleugner somit nur Toren sein könnten.23 Er weist zwar auch darauf hin, dass aufgrund des Fehlens einer anschauenden Erkenntnis von Gott Zweifel am physikotheologischen Gottesbegriff und am physikoteleologischen Argument grundsätzlich möglich seien – allerdings helfe gründlicheres Nachdenken, diese Zweifel zu zerstreuen.24 Die aufgrund der zweckmäßigen Organisation der Natur angenommene ›verständige Weltursache‹ wird schließlich mit zumeist pragmatischen Argumenten als einzig, allmächtig, gütig und weise näher gekennzeichnet25, so dass für Feder die Physikotheologie völlig hinreichend ist, den für die Religion relevanten Gottesbegriff bereitzustellen.26 Die physikoteleologische Begründung und Bestimmung des Gottesbegriffs führt in Feders Darstellung somit geradewegs zu einem klassisch zu nennenden monotheistischen Religionsbegriff.
. Skepsis gegenüber der Ontotheologie Im Unterschied zu Darstellungen der natürlichen Theologie in anderen schulphilosophischen Lehrbüchern kommt den ontotheologischen Grundbestimmungen des Gottesbegriffs – etwa als ›notwendiges‹, ›selbständiges Wesen‹, als ›unendliches Wesen‹ oder als ›vollkommenstes Wesen‹27 – für Feders Begründung von Religion und Theologie keine tragende Rolle zu. Feder selbst weist ausdrücklich darauf hin, dass sich seine natürliche Theologie ausschließlich auf den physikotheologischen, aber nicht auf den ontotheologischen Gottesbegriff stütze, und verweist dabei auf die entsprechenden Passagen seiner »Ontologie« bzw. »Pneumatologie«.28 Bei der 23 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 3, S. 401f. und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 93, S. 328. In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik widmet Feder außerdem einen eigenen Paragraphen »atheistischen« Argumentationen, dessen zweite Hälfte eine Auflistung von den Atheismus begünstigenden »Gemüthsbeschaffenheiten« (ebd., § 97, S. 339) enthält. Diese sind »unsittliche Triebe und Neigungen«, »allzugroße[r] Hang zur Sinnlichkeit auch in den speculativen Vorstellungen«, »Launen und Vorstellungsarten, bey welchen das Uebel in der Welt mehr Eindruck macht, als das Gute«, »übermüthige[r] Stolz« und »mißverstandene Ansprüche auf Gründlichkeit im Denken« (ebd., S. 339). 24 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 6, S. 409 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 94, S. 331–334. 25 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 8, bes. S. 412 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 99f., S. 341–346. 26 »In den bisherigen Betrachtungen von Gott haben wir den Schöpfer nur als Baumeister betrachtet […]. Dieser Begriff ist ohne Zweifel ergiebig genug, um Religion darauf zu gründen, und unser Verhalten darnach zu bestimmen« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 22, S. 424). 27 Vgl. z. B. Wolff: Vernünfftige Gedancken (s. Anm. 14), §§ 928–933, Darjes: Elementa Metaphysices (s. Anm. 14), Bd. 2, S. 186–193 und Baumgarten: Metaphysica (s. Anm. 14), §§ 803–811. 28 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 7, S. 411 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 98, S. 341. – In Logik und Metaphysik wird der ontotheologische Gottesbe-
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
Lektüre dieser Passagen fällt auf, dass Feder in beiden Lehrbüchern in seinem Urteil darüber, inwiefern die spekulative – d. h. hier: ontologische bzw. pneumatologische – Gotteslehre gültige Bestimmungen des Gottesbegriffs gebe, eher zurückhaltend ist: Er stellt den ontologischen Gottesbeweis vor, hält ihn aber bereits in Logik und Metaphysik für nicht überzeugend und schließt sich in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik zudem ausdrücklich Kants Kritik an;29 er stellt auch die traditionellen metaphysischen Bestimmungen des Gottesbegriffs ausführlich vor, beklagt aber wiederholt deren Unerklärlichkeit.30 Es ist bezeichnend, dass der entsprechende Abschnitt in Logik und Metaphysik mit einem enigmatisch anmutenden »Es scheint« endet.31 Immerhin spricht Feder in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik der Beschäftigung mit dem pneumatologischen Begriff eines ›vollkommensten Geistes‹ ausdrücklich auch den Zweck zu, eine »speculative Grundlage zur natürlichen Theologie«32 abgeben zu können. Denn indem die pneumatologische Bestimmung des Gottesbegriffs den problematischen ontotheologischen Begriff eines ›unendlichen Wesens‹ per analogiam mit Merkmalen wie Geist, Verstand, Wille usw. auszeichnet, stellt sie Gott als ›verständiges Wesen‹ vor. Und diese Bestimmung trifft sich mit dem physikoteleologisch erzeugten Gottesbegriff der natürlichen Theologie, so dass spekulative und natürliche Theologie einander zu ergänzen scheinen. Für die Begründung von Religion ist die spekulative Theologie demnach zwar verzichtbar.
griff in den §§ 59–64 der »Pneumatologie« vorgestellt (vgl. Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], S. 355–371). In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik werden der Begriff eines »unendlichen Wesens« in der »Ontologie« und der an ihn anschließende Begriff eines »vollkommensten Geistes« in der »Pneumatologie« vorgestellt (vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], §§ 21–30, S. 220–236 und §§ 41–52, S. 250–266). 29 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), S. 357 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 23, S. 225. Feder reformuliert Kants Kritik folgendermaßen: »Die Wirklichkeit ist überall nicht als eine besondere Realität zu betrachten; ohne sie wäre alles nur Idee, kein Prädicat des gedachten Subjects Realität« (ebd., S. 225). 30 Feder nennt die folgenden Bestimmungen: ›vollkommenster Verstand‹ und ›vollkommenster Wille‹, ›Unveränderlichkeit‹, ›vollkommenste Seligkeit‹, ›Freiheit‹, ›Allmacht‹, ›Weisheit‹, ›Güte‹, ›Gerechtigkeit‹, ›Heiligkeit‹, ›Einfachheit‹, ›Allgegenwärtigkeit‹ und ›Einzigkeit‹ (vgl. Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], §§ 62–64 und – in leicht variierter Reihung – Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 26 und §§ 42–52). Mit Blick auf den ›vollkommensten Verstand‹ erklärt Feder beispielsweise: »[S]ich begreiflich zu machen, wie der vollkommenste Verstand dieses und jenes erkenne und unterscheide, […] übersteigt das Vermögen des menschlichen Verstandes« (Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 42, S. 253). Mit Blick auf die Bestimmung der ›Allmacht‹ schreibt er: »Die Allmacht aber begreifen oder ermessen wollen, kann nicht von der Vernunft kommen« (ebd., § 43, S. 254). Die Fragen nach der ›Einfachheit‹, ›Allgegenwärtigkeit‹ und ›Einzigkeit‹ Gottes bezeichnet Feder als »[d]unkle Fragen« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], S. 369). Die Aufzählung ließe sich fortführen. 31 Ebd., S. 371. 32 Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 41, S. 251.
Stefan Klingner Aber zumindest das zur Spekulation neigende Subjekt, das sich mit der Vagheit des physikotheologischen Gottesbegriffs einer ›verständigen Weltursache‹ nicht zufrieden geben kann oder will, scheint ruhigen Gewissens an sie verwiesen werden zu dürfen.
. Glückseligkeit als Endzweck Feders Bestimmung des Verhältnisses von Gott und der Welt als seiner Schöpfung richtet sich konsequent nach dem physikoteleologischen Ausgangspunkt seiner natürlichen Theologie. Daher stellt die Frage nach der Absicht Gottes, die Welt zu erschaffen, wiederum die Grundlage für die weiteren Bestimmungen dieses Verhältnisses dar. Beantwortet wird diese Frage von Feder allerdings nicht mit dem Verweis auf die Verherrlichung des Ruhmes Gottes,33 sondern mit dem auf die Glückseligkeit der Geschöpfe.34 Glückseligkeit versteht Feder in diesem Kontext als die »unendliche Menge aller nur möglichen Arten von angenehmer Empfindung und Seligkeit«.35 Diesem Zweck entsprechend habe der physikoteleologisch legitimierte Schöpfer die Welt und ihre Gesetzlichkeiten eingerichtet, so dass eine »systematische Glückseligkeit«36 trotz der von den Geschöpfen punktuell erfahrenen Übel immer erhalten bleibe. Diesem Zweck ebenfalls entsprechend habe der Mensch wiederum die unbedingte Pflicht, diesem von ihm erkennbaren ›Willen Gottes‹ gemäß zu handeln.37 Schließlich seien die Erfahrung von Übeln und die ›beweisbare‹ Güte des Schöpfers Gründe genug, an ein Leben nach dem Tod zu glauben.38 Feder stellt mit diesen an die teleologische Bestimmung des Weltbegriffs anschließenden Überlegungen sowohl den traditionellen Vorsehungsbegriff als auch populärphilosophische Vorstellungen von einem guten Leben und einem Weiterleben nach dem Tod auf eine physikoteleologische Grundlage.
33 Vgl. z. B. Wolff: Vernünfftige Gedancken (s. Anm. 14), § 1045 und Baumgarten: Metaphysica (s. Anm. 14), §§ 943–947. 34 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 13, S. 427f. 35 Ebd., S. 427. Zumindest in Logik und Metaphysik sind damit etwa auch Tiere inbegriffen. In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik ist Feder zurückhaltender, wenn er dort hervorhebt, dass die menschlichen Anlagen als »geschickte Mittel scheinen, um ihn [= den Menschen] einer, über den bloßen thierischen Genuß weit erhabenen Glückseligkeit, einer aus vernünftiger Thätigkeit nach selbst bestimmten Zwecken hauptsächlich entspringenden Glückseligkeit, fähig und theilhaftig zu machen« (Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 110, S. 358). 36 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), S. 429. 37 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 15, S. 433 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 111, S. 361f. 38 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 16, bes. S. 434f. und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 110f., bes. S. 359f.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
. Grenzen der Vernunft Der physikoteleologische Ausgangspunkt ist aus einem Grund zentral für Feders gesamte natürliche Theologie: An ihm hegt Feder selbst explizit keine Zweifel. Der Geltungsanspruch der die Existenz einer ›verständigen Weltursache‹ behauptenden Urteile sei frei von »skeptische[r] Sophisterey« und »dogmatische[r] Spitzfindigkeit«.39 Zwar ist Feder bemüht, in allen Punkten, die über das physikoteleologische Argument hinausgehen, im Sinne der christlich geprägten, traditionellen natürlichen Theologie zu argumentieren. Er relativiert dabei aber zahlreiche ihrer Lehrstücke, indem er wiederholt auf die ›Grenzen der (menschlichen) Vernunft‹ verweist. Belege dafür lassen sich in beiden Darstellungen finden: Bereits die Frage, ob die ›verständige Weltursache‹ monotheistisch bestimmt werden müsse, beantwortet Feder mit einer pragmatischen Überlegung: Der Polytheismus fände schlichtweg keine »Grenze der Vervielfältigung«.40 Ebenso hält Feder am traditionellen Begriff der Vorsehung als Erhaltung, Regierung und Mitwirkung Gottes fest,41 der sogar im physikotheologischen Gottesbegriff bereits enthalten sei.42 Allerdings werfe die Vorsehungslehre einige spekulative Fragen auf, wie diese Vorsehung genauer vorzustellen sei – und deren Beantwortung sei wiederum aufgrund der begrenzten menschlichen Erkenntnisfähigkeit unmöglich.43 Ähnlich argumentiert Feder auch bei seiner Beantwortung der Frage nach einem Leben nach dem Tode:44 Die Vorstel-
39 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 1, S. 397. In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik betont Feder allerdings, dass »hier nicht von geometrischen Beweisen, und höchster, speculativer oder anschaulicher, Gewißheit die Frage seyn könne« (Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 94, S. 331). 40 Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 99, S. 342. Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 11, S. 423. – Insofern Feder in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik selbst hervorhebt, dass vor allem »moralische Einheit« mit Blick auf die Bestimmung des Gottesbegriffs wesentlich sei (vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 99, S. 342), ist es verwunderlich, dass er am Vorrang physikoteleologischer Argumente für die Begründung von Religion und Theologie festhält. Dagegen hat etwa Kant mit ausdrücklichem Blick auf die ›moralische Einheit‹ des Gottesbegriffs den Monotheismus der Vernunftreligion ausschließlich mit ethikoteleologischen und pragmatischen Argumenten zu begründen versucht (vgl. dazu Stefan Klingner: Kant und der Monotheismus der Vernunftreligion. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 97 [2015], S. 458–480). 41 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 14 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 107–109. 42 Vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 107, S. 353 und (weniger ausdrücklich) Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 14, S. 430. 43 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 14, S. 432 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 109, S. 356f. 44 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 16 und Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 111–114.
Stefan Klingner lung von der »vollkommensten Güte«45 Gottes gebe zwar einen hinreichenden Grund für die Hoffnung auf ein postmortales Leben – und diese Hoffnung will Feder gern als »Vernunft in dunklen Begriffen«46 verstanden wissen. Allerdings zieht er sich schließlich auf eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung zurück, die für die Hoffnung der guten, gottgefällig lebenden Menschen ausreichend sein muss.47 Insofern Feder zufolge die »Lehre von der Einheit Gottes, von dem Ursprung der endlichen Wesen, von der Führsehung, von der Seelen Unsterblichkeit, und der Bestimmung des Menschen«48 zwar als vernünftig, aber als bloß vernünftig angenommen gelten können,49 ist ihr Geltungsanspruch nur noch dann als in irgendeiner Weise ›objektiver‹ auszuzeichnen, wenn auf eine »höhere Bestätigung«50 verwiesen wird. Und begründet ist dieser Verweis bei Feder durch die ›Grenzen der menschlichen Vernunft‹. Nach diesem Überblick darf Feder als gemäßigter Naturalist gekennzeichnet werden,51 der das physikoteleologische Argument zur Grundlage der natürlichen Theologie erklärt. Er ist insofern Naturalist, als er einen aus Vernunft begründeten Theismus vertritt, der sich nicht mit der deistischen Annahme einer verständigen Weltursache begnügt, sondern auch eine Vorsehungslehre umfasst. Als gemäßigt ist der von ihm vertretene Naturalismus zu bezeichnen, da Feder in zentralen Punkten der natürlichen Theologie die Möglichkeit sicherer Erkenntnis ausdrücklich zurückweist, indem er sich auf die ›Grenzen der Vernunft‹ beruft. Und genau an dieser Stelle wird die Relevanz des Offenbarungsbegriffs für Feders natürliche Theologie offenkundig.
Feders Offenbarungsbegriff Die schroffe Entgegensetzung von Vernunft und Offenbarung ist bekanntlich ein zentrales Thema der religionsphilosophischen Überlegungen zur Zeit der europäi-
45 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 16, S. 434. 46 Ebd., S. 435. 47 Vgl. ebd., S. 438. 48 Ebd., § 17, S. 440. 49 Vgl. ebd., S. 439f. 50 Ebd., S. 439. 51 In Anlehnung an einige Begriffsbestimmungen Wolffs wird der Naturalismus hier als diejenige religionsphilosophische Position verstanden, die die Frage nach der Möglichkeit einer natürlichen Theologie bejaht, zudem eine Vorsehungslehre vertritt und dabei die Frage nach der Möglichkeit einer (göttlichen) Offenbarung offen lässt (vgl. Wolff: Theologia naturalis [s. Anm. 14], Bd. 2, § 530). Für eine knappe Übersicht über die wolffschen Unterscheidungen zwischen Naturalismus, Deismus und Atheismus siehe Günter Gawlick: Christian Wolff und der Deismus. In: Werner Schneiders (Hg.): Christian Wolff 1679–1754. Interpretationen zu seiner Philosophie und deren Wirkung. Hamburg 1983, S. 139–147, bes. S. 139.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
schen Aufklärung.52 Dass im deutschsprachigen Raum erst mit Kants Philosophie die für die europäische Aufklärung wesentliche Metaphysikkritik aufgenommen und damit auch eine eigenständige Religionsphilosophie ermöglicht worden sei, ist ein ebenso geläufiges philosophiehistorisches Urteil53 – dem allerdings zumindest Feders natürliche Theologie entgegensteht. Feder hält ontologische, pneumatologische und kosmologische Überlegungen von seiner Darstellung der natürlichen Theologie fern, so dass diese argumentativ eher in der empiristischen Tradition des Konzepts einer natürlichen Religion zu stehen scheint. Der Verzicht auf die streng rationalistische Darstellung und eine spekulativ-metaphysische Grundlage der natürlichen Theologie lässt nur noch physikoteleologische Überlegungen zum Wesen Gottes und zu dessen Verhältnis zur Welt zu, deren Geltung durch Rekurs auf den ›gemeinen Verstand‹ oder Wahrscheinlichkeitsabwägungen gesichert wird. Die rationalistische Philosophie der Neuzeit hält dagegen den Geltungsanspruch zahlreicher Urteile über das Wesen Gottes und dessen Verhältnis zur Welt für ausschließlich mittels (menschlicher) Vernunft begründbar. Dass Gott gemäß dem traditionellen monotheistischen Gottesbegriff etwa als ein einziges, vollkommenstes, notwendiges Wesen bestimmt werden müsse, das Ursache der Welt und der Seelen/Monaden sei, könne die (menschliche) Vernunft ohne Verweis auf eine göttliche Offenbarung erkennen.54 Mit Blick auf die rationalistisch geprägte Schulphilosophie im Deutschland des 18. Jahrhunderts zählen etwa Wolff und Baumgarten zufolge gerade diese Bestimmungen nicht zur Offenbarung im strengen Sinn. So nennt Wolff in seiner Deutschen Metaphysik sieben Kriterien, anhand derer eine vermeintliche Offenbarung von der göttlichen unterschieden werden könne.55 Diese betonen besonders ihren Wundercharakter, und Wolff verweist an anderer Stelle auch ausdrücklich auf die Übernatürlichkeit und damit Unbegreiflichkeit ihres Inhalts.56 In seiner Theologia naturalis reduziert Wolff explizit den Inhalt der göttli-
52 Vgl. z. B. Saskia Wendel: Religionsphilosophie. Stuttgart 2010, S. 64–73. 53 Vgl. z. B. Janssen Peters: Religionsphilosophie und Aufklärung. In: Stephan Grätzel, Armin Kreiner (Hg.): Religionsphilosophie. Lehrbuch Philosophie. Stuttgart, Weimar 1999, S. 20–78, bes. S. 33. 54 Zur neuzeitlichen Onto- und Kosmotheologie siehe etwa Dieter Henrich: Der ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine Geschichte in der Neuzeit. Tübingen 1960, Wolfgang Röd: Der Gott der reinen Vernunft. Die Auseinandersetzung um den ontologischen Gottesbeweis von Anselm bis Hegel. München 1992 und Reinhard Hiltscher: Gottesbeweise. 2. Aufl. Darmstadt 2010, bes. Abschnitte 1.1 und 2.1.2. 55 Vgl. Wolff: Vernünfftige Gedancken (s. Anm. 14), §§ 1011–1019 und dazu Mario Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff: Vernunft und Offenbarung. In: Werner Schneiders (Hg.): Christian Wolff 1679–1754. Interpretationen zu seiner Philosophie und deren Wirkung. Hamburg 1983, S. 129–138, bes. S. 133. 56 Vgl. Christian Wolff: Anmerckungen über die vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Frankfurt a. M. 1724, § 381, bes. S. 570f. und dazu Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff (s. Anm. 55), S. 133f.
Stefan Klingner chen Offenbarung auf Übernatürliches.57 Als Beispiele solcher mittels (menschlicher) Vernunft per se nicht erkennbaren, übernatürlichen Inhalte bleiben dann nur noch Lehren wie die von der göttlichen Trinität, der Jungfrauengeburt oder der Menschwerdung Gottes übrig.58 Baumgarten schließt wiederum in seiner Darstellung der natürlichen Theologie in der Metaphysica eine Offenbarung, die auch allein durch (menschliche) Vernunft erkennbare Inhalte habe, zwar nicht aus,59 unterscheidet sie aber von der Offenbarung »in engerer Bedeutung«.60 Nur diese gebe denjenigen Teil der Inhalte religiösen Glaubens, der mittels (menschlicher) Vernunft nicht erkennbar sei und als mysteria sacra bezeichnet wird.61 Eine vergleichbare Differenzierung des Offenbarungsbegriffs gibt Feder nicht in Logik und Metaphysik. In den Grundsätzen der Logik und Metaphysik unterscheidet Feder dagegen gleich vier Bedeutungen: Als Offenbarung könnten im ersten, strengsten Sinn die ihrem Inhalt, ihrem Ursprung und ihrer Form nach übernatürlichen Erkenntnisse, im zweiten, weniger strengen Sinn die übernatürlich mittels Wundern bewirkten Erkenntnisse, im dritten, noch weiteren Sinn die nur zum Zweck ihrer größtmöglichen Verbreitung von Gott bewirkten, aber auch ›natürlich‹ zu erlangenden Erkenntnisse und im vierten, weitesten Sinn alle in irgendeiner Weise außergewöhnlichen und auf göttlichen Ursprung rückführbaren Erkenntnisse gelten.62 Da Feder diese vier Bedeutungen lediglich vorstellt und seine weiteren Überlegungen nicht auf einen Offenbarungsbegriff festlegt, bleibt der in den letzten Abschnitten seiner Lehrbücher verwendete Offenbarungsbegriff sehr weit gefasst. Gemeinsam sind offenkundig allen vier Bedeutungen die beiden trivialen Bestimmungen, dass eine Offenbarung auf einen göttlichen Ursprung zurückzuführen sei und auf eine außergewöhnliche, nicht der ›gewöhnlichen‹ Erkenntnisweise der menschlichen Vernunft entsprechende Art mitgeteilt werde. Feders Offenbarungsbegriff ist demnach nicht so eng gefasst, dass er mit Blick auf den Inhalt einer göttlichen Offenbarung lediglich mysteria sacra, also übernatürliche, der menschlichen Vernunft unbegreifbare Wahrheiten umfasse. Als notwendige Kriterien, die eine mutmaßlich göttliche Offenbarung erfüllen müsse, um 57 Vgl. Wolff: Theologia naturalis (s. Anm. 14), Bd. 1, §§ 450–468. 58 Vgl. dazu Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff (s. Anm. 55), S. 135, wo nicht nur die entsprechenden Stellen in Wolffs Theologia naturalis, sondern auch die in dessen Philosophia rationalis sive Logica, methodo scientifica pertractata (2. Aufl. Frankfurt a. M., Leipzig 1732) genannt werden. 59 Vgl. Baumgarten: Metaphysica (s. Anm. 14), § 987. 60 Ebd., § 989. Neben dieser Offenbarung ›in engerer Bedeutung‹ (revelatio strictissime dicta) und der genannten Offenbarung ›in enger Bedeutung‹ (revelatio strictius dicta, vgl. ebd., §§ 986–988) nennt Baumgarten noch eine Offenbarung ›in weiterer Bedeutung‹ (revelatio latius dicta, s. ebd., §§ 982–985) als Selbstoffenbarung Gottes in seiner Schöpfung, die alle Geschöpfe betrifft. Vgl. bereits ähnlich Wolff: Vernünfftige Gedancken (s. Anm. 14), § 1045. 61 Vgl. ebd., § 996. 62 Vgl. Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 116, S. 372f.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
überzeugend sein zu können, führt Feder nur noch ihre Vereinbarkeit mit allgemeinen Vernunftprinzipien und ihren Nutzen für die Sittlichkeit an.63 Somit könnten etwa auch die von der natürlichen Theologie selbst zu explizierenden Inhalte geoffenbart werden.
Funktionen von Feders Offenbarungsbegriff Genau diese Möglichkeit, die ein derart weit gefasster Offenbarungsbegriff bietet, nutzt Feder im letzten Paragraphen von Logik und Metaphysik auch, wenn die bereits anfangs genannte Funktion der göttlichen Offenbarung als »höhere Bestätigung« von »wichtigen Wahrheiten«64 von ihm gerade nicht bloß auf mysteria sacra, sondern ausdrücklich auf die Sätze der natürlichen Theologie selbst bezogen wird.65 Feder hegt offensichtlich Zweifel daran, dass das seiner ›Vernunft allein sich überlassende‹ sophistische, das ›tückische‹ skeptische oder das ungebildete, ›nur zum Glauben geschickte‹66 Subjekt durch seine physikoteleologisch begründete, sich auf den ›gemeinen Verstand‹ und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen berufende natürliche Theologie überzeugt werden könnte. Mit Blick auf Feders Bestimmung des Überzeugungsbegriffs in § 55 des Logikteils von Logik und Metaphysik ist das auch konsequent. Denn eine Überzeugung als Fürwahrhalten aufgrund einer »völlige[n] und deutliche[n] Erkenntniß«67 ist Feder zufolge durch Objektivität und Gewissheit ausgezeichnet.68 Die Gewissheit kann wiederum durch das Zeugnis anderer (»historische«), durch die eigene Erfahrung (»intuitive«) oder durch korrektes Schließen (»theoretische«) zustande kommen.69 Da die natürliche Theologie einerseits das Zeugnis heiliger Texte – zumindest vorläufig – ausblendet,70 andererseits einen Gegenstand hat, der sich einer anschauenden Erkenntnis entzieht,71 könnte eine von ihr zu erzeugende Gewissheit lediglich eine theoretische sein, die sich »auf Folgerungen aus den Begriffen vermittelst allgemeiner Grundwahrheiten [gründet]«.72 Da Feder allerdings seine natürliche Theologie gerade nicht auf spekulative, d. h. ontologische, pneumatologische oder kosmologische Überlegungen stützt, ist es ihr 63 Vgl. ebd., § 118, S. 374. 64 Vgl. Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 17, S. 439. 65 Vgl. ebd., S. 440. 66 Die in einfachen Anführungszeichen gesetzten Wendungen sind entnommen aus Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 17, S. 439. 67 Ebd., S. 119. 68 Vgl. ebd., S. 119f. 69 Vgl. ebd., S. 121. 70 Vgl. ebd., § 1, S. 398. 71 Vgl. ebd., § 6, S. 409. 72 Ebd., S. 121.
Stefan Klingner auch nicht möglich, »geometrische Gewißheit«73 zu beanspruchen.74 Denn Irrtümer können im Fall der physikoteleologisch begründeten natürlichen Theologie nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Sie kann legitim ›nur‹ beanspruchen, das »mit Vernunft, aber ohne völlige Ueberzeugung, Vermuthete«75 zu sein. Als Ideal bleibt ihr die von Feder so genannte »moralische« oder »gemeine« Gewissheit, die auf Gründe zurückgeht, »bey denen man nicht Ursache hat, einen Irrthum zu vermuthen«.76 Von etwas überzeugt zu sein, weil keine bekannten Gründe dagegen sprechen, ist eine pragmatische Haltung. Und genau diese liegt – nüchtern betrachtet – Feders Argumenten für ein Fürwahrhalten der traditionellen Lehrstücke natürlicher Theologie zugrunde. Es erscheint ihm mit Blick auf den Zweck von Religion qua moralischer Kultur schlichtweg nützlicher, am Glauben an die Existenz eines im Sinne des klassischen Monotheismus gedachten Gottes, an der Lehre einer Schöpfung aus nichts und der Vorsehungslehre sowie am Glauben an ein postmortales Leben festzuhalten, als »dem tückischen Zweifel und der sophistischen Vernunft«77 nachzugeben. Mit dieser ihr zugrunde liegenden pragmatischen Haltung entspricht Feders natürliche Theologie dann auch völlig seinem Philosophiebegriff. Denn Feder fordert mit Blick auf seine strikte Ablehnung von »Skepticismus und Dogmatismus«78 und angesichts der Grenzen der menschlichen Erkenntnis, dass das philosophierende Subjekt nicht nur »bescheiden in seinen Meynungen und schüchtern in seinen Behauptungen«, sondern zudem auch »zu williger Annehmung einer höhern Offenbarung geneigt«79 sei. Wie ebenfalls anfangs erwähnt, verweist Feder in den späteren Grundsätzen der Logik und Metaphysik nicht mehr auf eine solche, eher ›erkenntnistheoretisch‹ zu nennende Funktion des Offenbarungsbegriffs. Stattdessen beschränkt er sich auf einen Punkt, der in Logik und Metaphysik auch kurz genannt wird,80 in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik aber als einziger übrig bleibt: den Wert einer göttlichen Offenbarung für diejenigen, die »keinen besondern Beruf«81 zur Philosophie haben. Indem Feder zum Abschluss seiner Darstellung der natürlichen Theologie in
73 Ebd. 74 »Geometrische Gewißheit ist diejenige Gewißheit, die auf die Evidenz der Folge aus den für wahr angenommenen Begriffen und Grundsätzen sich gründet; dergleichen sich zwar in der Geometrie nicht allein, aber doch am häufigsten findet« (ebd.). 75 Ebd., § 17, S. 440, Hervorhebung S. K. 76 Ebd., S. 121. Vgl. auch ebd., S. 122. 77 Ebd., § 17, S. 439. 78 Ebd., S. 7. 79 Ebd., S. 8. 80 »Nicht zu gedenken, daß der größte Theil des menschlichen Geschlechtes nicht zum Philosophiren, sondern zum Glauben geschickt ist« (ebd., § 17, S. 439). 81 Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 119, S. 375.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
den Grundsätzen der Logik und Metaphysik auf Fichtes Versuch einer Kritik aller Offenbarung und Kants Religionsschrift verweist, schließt er sich wenigstens implizit an deren ausführlicher Kritik am Offenbarungsglauben an.82 Übrig bleibt damit eine bloß noch ›didaktische‹ Funktion des Offenbarungsbegriffs: Zwar mag das weise, philosophierende Subjekt der »Hülfe«83 einer göttlichen Offenbarung nicht zu bedürfen – allerdings dürfe es sich auch nicht anmaßen, sie anderen zu entziehen, indem der didaktische Wert einer als göttlich angenommenen Offenbarung für die moralische Kultur des mehr oder minder gebildeten Pöbels geleugnet wird. Feders Rückzug auf eine bloß noch didaktische Funktion von »geglaubte[r] Offenbarung und Volksreligion«84 mag als ein Anzeichen für eine Neubestimmung des Vernunftbegriffs durch die so genannte ›Philosophie des gesunden Menschenverstandes‹ gedeutet werden können, nach der eine ›elitäre‹ die »ursprünglich egalitäre Vernunftkonzeption eines Descartes, Locke, Leibniz und Wolff«85 ablöste. Mit ausschließlichem Blick auf Feders Darstellung der natürlichen Theologie ist zumindest festzuhalten, dass auch in den Grundsätzen der Logik und Metaphysik eine pragmatische Haltung bestimmend ist für die Legitimation des Offenbarungsbegriffs. Sie betrifft hier aber nicht mehr die erkenntnistheoretische Frage nach der Begründung des Geltungsanspruchs der Sätze der natürlichen Theologie, sondern (nur noch) die didaktische Frage, wie diese als wahr angenommenen und von Feder für die Moralität der Menschen als unentbehrlich angesehenen Sätze am zweckmäßigsten den nicht zum Philosophieren berufenen Subjekten vermittelt werden könnten.
82 Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Versuch einer Critik aller Offenbarung. 2. Aufl. Königsberg 1793 und Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, 2. Aufl. Königsberg 1794. Sowohl Kant als auch Fichte lassen ausschließlich die praktische Vernunft als legitimen Maßstab zur Beurteilung einer mutmaßlichen Offenbarung zu. Zu Kants Kritik am Offenbarungsglauben siehe Bernd Dörflinger: Offenbarung – nicht jedermanns Sache. Kants Kritik der historischen Religionen. In: ders., Gerhard Krieger, Manfred Scheuer (Hg.): Wozu Offenbarung? Zur philosophischen und theologischen Begründung von Religion. Paderborn u. a. 2006, S. 141–164 und zu Fichtes früher Religionsphilosophie siehe Hansjürgen Verweyen: Fichtes Religionsphilosophie. Versuch eines Gesamtüberblicks. In: Fichte-Studien 8 (1995), S. 193–224, bes. S. 196–201. 83 Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 119, S. 374. 84 Ebd., S. 375. 85 Rachold: Die aufklärerische Vernunft (s. Anm. 12), S. 216.
Stefan Klingner
Feders natürliche Theologie zwischen Wolff und Kant? Feders Darstellung der natürlichen Theologie ist nach den vorangegangenen Überlegungen durch drei Grundzüge ausgezeichnet: ihre physikoteleologische Argumentation, ihren traditionellen theologischen Inhalt und eine ihr zugrunde liegende pragmatische Haltung. Für die abschließende Einschätzung der Konsistenz und Relevanz einer solchen natürlichen Theologie und der mit ihr einhergehenden Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung sind einige kurze, vergleichende Seitenblicke auf die theoretischen Positionen Wolffs und Kants hilfreich. Im Anschluss an Wolff und die rationalistisch geprägte Schulphilosophie hält Feder an der herausragenden Bedeutung der natürlichen Theologie fest, da diese »die erhabensten Gedanken, zu denen die menschliche Seele sich aufschwingen kann«, sowie »diejenigen Grundsätze, auf welche die Sittenlehre der Vernunft erbaut wird, von welchen die allgemeine Wohlfahrth abhängt«,86 enthalte. Der Verzicht auf eine ontotheologische Grundlage bringt allerdings im Unterschied zu Wolffs Konzeption einer natürlichen Theologie eine erhebliche Relativierung ihres Geltungsanspruchs mit sich. Feders erkenntnistheoretischer Empirismus führt zu einer ausschließlich physikoteleologischen Grundlage seiner natürlichen Theologie, mit der die ihm durch die Schulphilosophie geläufigen Inhalte unter wiederholten Verweisen auf die ›Grenzen der menschlichen Vernunft‹ nur noch pragmatisch gerechtfertigt werden können. Die Schwierigkeiten, die Wolffs Rationalismus bei dem Versuch einer Bestimmung des Verhältnisses zwischen Vernunft und Offenbarung hat,87 entfallen damit für Feder. Indem er sich nicht Wolffs Rationalismus anschließt, stellen etwa die mysteria sacra kein grundsätzliches Problem mehr für ihn dar. Die Annahme einer göttlichen Offenbarung (sowohl im weiteren als auch im engeren Sinne) wird – wie auch die traditionellen Bestimmungen des Gottesbegriffs oder des Verhältnisses zwischen Gott und Welt – nur noch nach Maßgabe ihrer Widerspruchsfreiheit, ihres Erfahrungsbezugs und ihres Nutzens für ein auf Vermehrung von Glückseligkeit gerichtetes Leben beurteilt. Insofern ist seine pragmatische Haltung in Bezug auf die traditionellen Inhalte der natürlichen Theologie als konsequent zu bezeichnen. Allerdings kann Feders Einschätzung, dass die physikoteleologische Begründung und Bestimmung des Gottesbegriffs geradewegs zum klassischen monotheistischen Religionsbegriff führe, nur als inkonsequent beurteilt werden. Besonders
86 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), § 1, S. 397. 87 Vgl. dazu Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff (s. Anm. 55), wo besonders die Unvereinbarkeit von Wolffs Rationalismus und seinem Festhalten an der Lehre von den mysteria sacra herausgestellt wird.
Zum Verhältnis von Vernunft und Offenbarung bei Feder
Hume und (im Anschluss) Kant haben ausführlich die dürftige theoretische Grundlage aufgezeigt, die die Physikoteleologie für eine Rechtfertigung des klassischen monotheistischen Religionsbegriffs hergibt.88 Von einem empiristisch-pragmatischen Standpunkt gegen religionsphilosophische Positionen wie ›Atheismus‹, Deismus oder auch Polytheismus zu polemisieren,89 kann bei nüchterner Betrachtung kaum überzeugen. Statt für eine gewisse Toleranz in Dingen der natürlichen Theologie zu plädieren, die seinem philosophischen Standpunkt sicher angemessen wäre, beharrt Feder auf mit den Mitteln seiner Philosophie nicht mehr zu rechtfertigenden, aus der schulphilosophischen Tradition übernommenen Inhalten. Dies mag mit Blick auf den geistesgeschichtlichen Hintergrund seines Denkens oder eine mutmaßliche Furcht vor Zensur und ›Atheismusvorwürfen‹ verständlich sein. Sachlich gerechtfertigt ist es allerdings nicht. Im Unterschied zu Kant vermag Feder es wiederum nicht, aus der Kritik an der rationalistischen Begründung einer natürlichen Theologie einen ebenbürtigen Alternativentwurf zu entwickeln. Während Kant die natürliche Theologie in eine Ethikotheologie überführt und dabei auch ausdrücklich den Geltungsanspruch zahlreicher Sätze der traditionellen natürlichen Theologie relativiert, bleibt Feder nur der Verweis auf eine mutmaßlich göttliche Offenbarung. Dieser Punkt trennt seinen Entwurf dann auch wesentlich von denen Wolffs und Kants, die beide einen Rekurs auf eine göttliche Offenbarung im Rahmen der philosophischen Bestimmung des Gottes- und Religionsbegriffs ausdrücklich ablehnen. Sowohl Wolff als auch Kant entwickeln theoretische Optionen, den Geltungsanspruch einer ›natürlichen Theologie‹ rein rational, aus der Bestimmtheit der Vernunft und damit gerade ohne Verweis auf eine mutmaßlich göttliche Offenbarung zu begründen – trotz aller bekannten Unterschiede zwischen ihren Philosophien.
88 Vgl. David Hume: Dialogues concerning Natural Religion. 2. Aufl. London 1779, bes. Part II und IV–VIII und Immanuel Kant: Critik der Urtheilskraft. 2. Aufl. Berlin 1793, bes. §§ 85 und 90. Feder nennt in seinen beiden Darstellungen der natürlichen Theologie weder ausdrücklich Humes Dialogues noch ausdrücklich Kants dritte Kritik. Humes und Kants Kritik an der theologischen Umdeutung physikoteleologischer Argumente betrifft vor allem deren bloß subjektive Gültigkeit, die begrenzte Geltung von Analogieschlüssen und die theologische Dürftigkeit des aus ihnen zu gewinnenden Begriffs eines ›Designers‹ bzw. ›Weltbaumeisters‹. Zu Humes Kritik am sogenannten teleologischen Argument siehe John Leslie Mackie: The Miracle of Theism. Arguments for and against the Existence of God. Oxford 1982, S. 133–145 und zu Kants Kritik an der Physikotheologie siehe Bernd Dörflinger: Kant über das Defizit der Physikotheologie und die Notwendigkeit der Idee einer Ethikotheologie. In: Norbert Fischer, Maximilian Forschner (Hg.): Die Gottesfrage in der Philosophie Immanuel Kants. Freiburg 2010, S. 72–84. 89 Um Feders scharfen Ton zu illustrieren, ist es hier ausreichend, auf seine Bemerkung zu verweisen, dass »Zweifel wider die Existenz Gottes nur aus Hirngespinnsten, aus Unachtsamkeit, aus irrigen Voraussetzungen, oder aus Begierde zu zweifeln und zu widersprechen, entstehen« (Feder: Logik und Metaphysik [s. Anm. 1], § 3, S. 401f.) könnten. Vgl. auch Feder: Grundsätze der Logik und Metaphysik (s. Anm. 1), §§ 92 und 97.
Stefan Klingner Eine abschließende Einschätzung von Feders natürlicher Theologie und seiner Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung kann demnach nur wie folgt ausfallen: Feder legt eine an den ›gemeinen Verstand‹ appellierende und sich auf Wahrscheinlichkeiten berufende natürliche Theologie für den gebildeten Pöbel vor, die, um zu einer dem christlichen Monotheismus entsprechenden Überzeugung zu werden, des Verweises auf eine göttliche Offenbarung bedarf. Damit muss Feders Versuch einer überzeugenden Darstellung der natürlichen Theologie als gescheitert gelten: Eine einerseits nur physikoteleologisch begründete und pragmatisch argumentierende, andererseits an den traditionellen Bestimmungen des Gottesbegriffs und des Verhältnisses zwischen Gott und der Welt als seiner Schöpfung festhaltende natürliche Theologie, wie Feder sie vorgelegt hat, ist als Alternative weder zur rationalistischen Ontotheologie noch zur kritischen Ethikotheologie ernst zu nehmen. Die Annahme, dass Feder dies selbst gesehen hat und ihn uns unbekannte Umstände von einer Korrektur seiner Darstellung der natürlichen Theologie abgehalten haben, scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, Feder vor dem Vorwurf eines unangemessen naiven Umgangs mit dem Offenbarungsbegriff zu retten.
3 Rechtstheorie und Pädagogik
Dieter Hüning
Feders Naturrecht Die Rechtsphilosophie des gesunden Menschenverstandes »Der Mensch bedarf des Menschen sehr Zu seinem großen Ziele, Nur in dem Ganzen wirket er, Viel Tropfen geben erst das Meer, Viel Wasser treibt die Mühle. Drum flieht der wilden Wölfe Stand Und knüpft des Staates daurend Band.« So lehren vom Katheder Herr Pufendorf und Feder. Aus: Friedrich Schiller: Die Weltweisen
Feders philosophische Position − zwischen Wolffianismus, Eklektik und Empirismus Der Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sind einige Grundpositionen zur praktischen Philosophie im Allgemeinen und dem Verständnis der Naturrechtslehre im Besonderen, wie sie Johann Georg Heinrich Feder konzipiert hat. Ich stütze mich dabei vor allem auf seine beiden einschlägigen Werke: - auf das Lehrbuch der praktischen Philosophie, das 1776 in vierter Auflage erschien,1 - und auf die Grundlehren zur Kenntniß des Menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens, die im Jahre 1789 in dritter Auflage erschienen.2
1 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. 4. verm. und verb. Auflage. Göttingen 1776. 2 Johann Georg Heinrich Feder: Grundlehren zur Kenntniß des Menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtsverhaltens. 3. Aufl. Göttingen 1789. Die Grundlehren gehören zu Feders »sehr dürftigen« bzw. »nicht sehr tiefe[n], so doch geschickte[n] Lehrbücher[n], die dem Geiste der Zeit glücklich entgegenkamen und dadurch weite Verbreitung erhielten«, so jedenfalls das Urteil von Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945, S. 291 u. S. 306. Ähnlich lautet das Urteil Zwi Batschas über Feders Grundriß der Philosophischen Wissenschaften von 1767: Dieses Buch sei »über weite Teile oberflächlich geschrieben und eklektisch zusammengesetzt, ohne besondere inhaltliche Tiefe und ohne einen festen philosophischen Standpunkt« (Zwi Batscha: »Despotismus von jeder Art reizt zur Widersetzlichkeit«. Die
https://doi.org/10.1515/9783110489439-013
Dieter Hüning Es handelt sich bei der letzteren Schrift − wie Feder selbst im Vorwort erklärt − um einen »Abriß der Praktischen Philosophie«, der sich im Aufbau, nicht aber in der systematischen Konzeption von seinem Lehrbuch der Praktischen Philosophie unterscheidet.3 Das Buch umfasst vier Abteilungen: 1. Allgemeine Praktische Philosophie, 2. Tugendlehre, 3. Recht der Natur und 4. Staatsklugheit. Die praktische Philosophie zeichne sich − so Feder − vor der theoretischen Philosophie dadurch aus, dass sie in größerem Maße »die Beförderung der Weisheit und Glückseligkeit unter den Menschen« zum Gegenstand hat.4 Wegen des kompilatorischen Charakters seiner Lehrbücher ist es schwierig, Feders Philosophie philosophiegeschichtlich zu verorten. Das gilt z. B. für die Rolle, welche die britischen Autoren, inbesondere die Repräsentanten der schottischen Aufklärung bei Feder spielen. Während Kant in Sachen Metaphysik durch die Lektüre David Humes aus seinem ›dogmatischen Schlummer‹ erweckt wurde, kann man dies von Feders praktischer Philosophie nicht behaupten. Zwar beruft sich Feder sowohl auf Locke als auch auf Hume als denjenigen Autoren, an denen seine Lehre sich orientieren würde,5 aber die spezifischen Probleme, die mit einer empiristischen Grundlegung der Moralphilosophie verknüpft sind, werden von ihm nur unzulänglich thematisiert. Allerdings sollte der Einfluss der britischen Autoren auf Feder nicht überschätzt werden: Er ist philosophisch im geistigen Umfeld der wolffschen Schulphilosophie groß geworden, und diese Orientierung an der Schulphilosophie bildet den Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur praktischen Philosophie. Dem eklektischen Französische Revolution in der deutschen Popularphilosophie. Frankfurt a. M. 1989, S. 62). Wundt macht in seiner Studie mit Recht darauf aufmerksam, dass bei Feder »entschieden die psychologische Begründung« hervortritt: »wie selbstverständlich wird in allen Teilen von psychologischen Erörterungen ausgegangen, und jeder Satz scheint hinreichend begründet, wenn er psychologisch unterbaut ist« (Wundt: Die deutsche Schulphilosophie, S. 307). 3 Über das Verhältnis beider Schriften gibt Feder in der Vorrede zu seinen Grundlehren von 1789 (s. Anm. 2), S. III–V, Auskunft. Es handelt sich in erster Linie um kompositorische Differenzen: Zum einen betont Feder, dass er sich in den Grundlinien wegen ihres Charakters als »Abriß der Praktischen Philosophie« dort, wo es ihm im Hinblick auf den »mündlichen Vortrag« möglich schien, kürzer gefasst habe. »Hingegen habe ich die Summe der Hauptbegriffe und Grundsätze um vieles vermehrt.« Darüber hinaus habe er in Anlehnung an sein Hauptwerk, die Untersuchungen über den menschlichen Willen, »eine andere Ordnung der Lehrstücke befolgt«. 4 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 1. 5 Dies gilt insbesondere für Feders umfangreiches Hauptwerk, die vierbändigen Untersuchungen über den menschlichen Willen, in dessen erstem Band sich ein ausdrückliches Bekenntnis zu Humes Moralphilosophie findet, vgl. hierzu den Beitrag von Achim Vesper in diesem Band. Vesper macht allerdings darauf aufmerksam, dass Hume bei Feder eher die Rolle eines ›heimlichen Helden‹ spielt, weil explizite Bezugnahmen auf Hume selten sind. In seiner Autobiographie (Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig, Hannover u. a. 1825) erklärt Feder, dass er sein Hauptwerk, die Untersuchungen über den menschlichen Willen, in Anlehnung an Lockes »Werk über den menschlichen Verstand« verfasst habe (ebd., S. 94).
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Zeitgeist entsprechend sieht er zwischen dem wolffschen Rationalismus und dem britischen Empirismus, der insbesondere seinen eigenen moralpsychologischen Interessen entgegenkommt, keine unvereinbaren Positionen, sondern argumentatives Material, das er ohne größeres Problembewusstsein in seinen Schriften zusammenstellte. Michael Albrecht hat in seiner umfangreichen Monographie zur Eklektik allerdings bestritten, dass Feder derselben zugerechnet werden könne. Er wendet sich insbesondere gegen die von Walther Zimmerli vertretene Einschätzung, Feder vertrete so etwas wie »angewandte Eklektik«.6 Es sei zwar richtig, dass sich Feder von aller »sectirerische[n] Anhänglichkeit« distanziert, aber damit ist nach Albrecht kein Bekenntnis zur Eklektik verbunden: man könne also Sektiererei ablehnen, »ohne daß zugleich Eklektik befürwortet« wird.7 Albrecht macht jedoch auch darauf aufmerksam, dass Feder selbst den Begriff Eklektik ganz gedankenlos verwendet und auch sein eigenes Verhältnis zur Eklektik nicht thematisiert. Methodisch verfährt Feder in seinem Grundriß der philosophischen Wissenschaften,8 dessen zweite Auflage von 1769 Kant vermutlich seiner Enzyklopädie-Vorlesung zugrunde gelegt hat,9 durchaus eklektisch, d. h. er schließt sich keiner bestimmten Schule an, sondern verfährt nach der Maxime des Apostels Paulus »Prüfet alles, das Gute behaltet« (1 Thess. 5,21).10 Feder selbst beschreibt in seiner Autobiographie seine eklektische Vorgehensweise wie folgt: Ich suchte anwendbare Philosophie aus den natürlichsten, oder nicht füglich zu bestreitenden, Vorstellungsarten zu entwickeln, das Wahre und Gute, was sie enthielten, durch vernünftige Gründe jedweder Art zu befestigen.11
6 Walther Ch. Zimmerli: »Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia Leibnitiana 15 (1983), S. 58–71. 7 Michael Albrecht: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, S. 592, Anm. 128. 8 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte zum Gebrauche seiner Zuhörer. Coburg 1769. 9 Werner Stark: Nachforschungen zu Briefen und Handschriften Immanuel Kants. Berlin 1993, S. 321f. Kant selbst schreibt dazu in einem Brief an Ludwig Heinrich Jakob vom 28. Juli 1787 Folgendes: »Ich habe bis jetzt noch kein befriedigendes Lehrbuch finden können u. sehe mich daher gedrungen selbst eins zu schreiben. [...] Feder, über den ich bisher gelesen habe ist unsystematisch u. gänzlich unbrauchbar, so wie auch Ulrichs Compend. − Unter den Logiken scheint mir Wolf u. Baumgarten (die Ausgabe von Tollner) die Idee der Logik am richtigsten gefaßt zu haben u. ihm würde ich auch vornemlich folgen« (Immanuel Kant: Briefwechsel. In: Kants Gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften. Berlin 1900ff. [im Folgenden AA Band, Seitenzahl], hier AA X, S. 491). 10 Albrecht: Eklektik (s. Anm. 7), S. 57ff. 11 Ebd., S. 79f.
Dieter Hüning In diesem Zusammenhang beruft er sich auf Leibniz’ »irenisch-eclectische Lehrart«. Seine in popularphilosophischer Perspektive erfolgende Anknüpfung an die wolffsche Schulphilosophie macht er auch in seinem Lehrbuch der Praktischen Philosophie deutlich, wo er bekennt, er habe sich anfangs noch nicht getraut, »von Wolf so weit abzuweichen«.12 Dementsprechend urteilt Feder über Wolff, dass »seine Philosophie [...], seine Schicksale und Verdienste ihn in der Geschichte der Philosophie unvergeßlich machen, und von dem gemeinen Haufen der Philosophen unterscheiden«.13 Im darauf folgenden Paragraphen wird diese Einschätzung allerdings wieder relativiert, wenn Feder erklärt, dass das »Vorurtheil«, es handele sich bei Wolffs Lehre um »ächte Philosophie«, schon anfinge abzunehmen. Deshalb solle man die Schriften der ›noch lebenden Eklektiker‹ − genannt werden Hollmann, Darjes und Crusius − »mit eben derselben Aufmerksamkeit« lesen wie Wolffs Schriften und ihre Verdienste nicht verkennen. Während Schiller Feder in der Strophe des eingangs zitierten Gedichts Die Weltweisen die Ehre zuteil werden lässt, neben Pufendorf genannt zu werden, hatten andere Zeitgenossen den Eindruck, dass Feder nicht zu den tiefsinnigsten spekulativen Denkern zu rechnen sei. Ludwig Unzer formulierte in seinen Devisen auf Deutsche Gelehrte Dichter und Künstler von 1772 folgende Devise auf Feder: »Er sucht durch Einfalt zu gefallen, Läßt sich bescheiden sehn, und so gefällt er allen.«14 Lichtenberg meinte im Hinblick auf die Polemik der Göttinger gegen Kant, dass sich Feder »doch gewiß einige seiner sehr großen Blößen gegeben« habe15, überhaupt hätten die Göttinger nur eine »Wassersuppenphilosophie«.16 Und selbst nach der Lektüre von Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten sah Feder offenkundig keinen Anlass, seinen empiristisch modernisierten Wolffianismus aufzugeben. Die Lektüre seiner einschlägigen Schriften erweist sich als ermüdend, weil Feder in quasi buchhalterischer Weise alle möglichen Fragen der Ethik bzw. der Rechtsphilosophie thematisiert, aber nur selten eine eigenständige Position bezieht, durch die eine kritische und fruchtbare Sichtung der behandelten Positionen überhaupt erst möglich würde. Über den Zeitgeist, aus dem sich Feders Philosophie speist, hat bereits Hegel ein vernichtendes Urteil gefällt: Die Wolffische Philosophie hat nichts bedurft, als ihre steife Form abzuschütteln, so ist der Inhalt die spätere Populärphilosophie. Sie redet unserem gewöhnlichen Bewußtsein zu Munde, legt es als den letzten Maßstab an. [...] Die Deutschen trieben sich in dieser Zeit in ihrer Leibnizisch-Wolffischen Philosophie ruhig herum, in ihren Definitionen, Axiomen, Beweisen, als sie,
12 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 84. 13 Feder: Grundriß (s. Anm. 8), § 35. 14 Zitiert nach: Reinhard Brandt: Kant und Feder. In: Kant-Studien 80 (1989), S. 257. 15 Lichtenbergs Brief an Heyne vom 27. April 1788, zitiert nach: Luigi Marino: Praeceptores Germaniae. Göttingen 1770–1820. Göttingen 1995, S. 169. 16 Ebd., S. 175.
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nach und nach vom Geiste des Auslandes angeweht, in alle Erscheinungen eingingen, die dort erzeugt worden waren, den Lockeschen Empirismus hegten und pflegten und auf der andern Seite zugleich die metaphysischen Untersuchungen auf die Seite legten und sich um die Wahrheiten, wie sie dem gesunden Menschenverstand begreiflich sind, bekümmerten, − in die Aufklärung und Betrachtung der Nützlichkeit aller Dinge warfen, eine Bestimmung, die sie von den Franzosen aufnahmen. Die Nützlichkeit als das Wesen der seienden Dinge ist, daß sie bestimmt werden als nicht an sich, sondern für Anderes seiend, − ein notwendiges Moment, aber nicht das einzige. Die philosophischen Untersuchungen hierüber waren zu einer Mattigkeit der Popularität heruntergesunken, die nicht tiefer stehen konnte. Es ist steife Pedanterie und Ernsthaftigkeit. Die Deutschen sind Bienen, die allen Nationen Gerechtigkeit widerfahren lassen, ehrliche Trödler, denen alles gut genug ist und die mit allem Schacher treiben. Von fremden Nationen aufgenommen, hatte alles dieses die geistreiche Lebendigkeit, Energie, Originalität verloren, die den Inhalt bei den Franzosen über der Form vergessen machte.17
Feders Grundlegung der praktischen Philosophie: Eine empiristische Theorie der menschlichen Natur und des Willens Bevor ich auf Feders spezifisch naturrechtliche Überlegungen zu sprechen komme, ist zunächst das Fundament derselben, d. h. die Theorie des menschlichen Willens, die dem Naturrecht zugrunde liegt, kurz zu skizzieren. Vorab kann konstatiert werden, dass sich Feder in eine lange Reihe von Autoren einordnen lässt, die − wie Kant es ausdrückt − »praktische materiale Bestimmungsgründe im Princip der Sittlichkeit«18 annehmen. Er ist der Auffassung, dass die Frage, was das Rechte (»justum«) ist bzw. was Pflicht überhaupt (der Form nach) ist, nur durch Rückgriff auf die natürliche Materie des Willens bestimmt werden kann, insofern das, was »recht« ist, »darinne bestehe, daß dasselbe [...] das meiste Gute enthält oder hervorbringt, zur Summe der Glückseligkeit im Ganzen am meisten beyträgt« und dementsprechend die Pflichten »auf dieselbe Absicht, das Beste zu bewirken, sich beziehen müssen«.19 Dementsprechend sind der »Grund, die Absicht und die Grenze aller sittlichen Gesetze in den physischen Gesetzen, oder in den unabänderlichen Beschaffenheiten und Verhältnissen der Dinge in der Welt zu suchen«.20 Die normative Verbindlichkeit eines Gesetzes wurzelt deshalb in »der moralischen in der Natur des vernünftigen Willens gegründeten, innern Nothwendigkeit, das Bessere dem weniger Guten 17 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Bd. III. In: ders.: Theorie Werkausgabe. Hg. von Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel. 20 Bände. Frankfurt a. M. 1969–1970, Bd. 20, S. 263f. u. 308. 18 Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: AA V, S. 40. 19 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 47. 20 Ebd., § 47, 2.
Dieter Hüning vorzuziehen«.21 Insofern handelt es sich um eine Art ethischen Naturalismus, wenngleich der Naturbegriff bei Feder teleologisch aufgeladen ist. Für Feder gibt es in diesem Sinne keine reine, von empirischen bzw. anthropologischen Voraussetzungen unabhängige Moralphilosophie, die dann ihrerseits auf die Anthropologie angewandt werden könnte, sondern seine Morallehre fußt auf einem natürlichen, scheinbar empirisch rekonstruierbaren Fundament, so dass man von einer normativ ausbuchstabierten Anthropologie sprechen könnte:22 [D]ie Lehren von der weisen Einrichtung der menschlichen Triebe und Neigungen zur allgemeinen und eines jeden eigenen Glückseligkeit, die Vorschriften von den Pflichten und Rechten, der Tugend und der Klugheit, [können] nicht gründlich vorgetragen werden, wenn nicht vorher untersucht worden ist, von was für unabänderlichen Naturgesetzen und Antrieben der menschliche Wille abhänge; und was für wesentliche letzte Zwecke für unsere freyen Handlungen aus diesen Grundtrieben und allen unsern Verhältnissen entstehen.23
An dieser Stelle weist Feder selbst auf eine Schwierigkeit hin, denn »in der Frage vom ersten Gesetze der Natur [liege] eine Zweydeutigkeit«. Die bisherigen Ausführungen klangen so, als ob die Gesetze der physischen und der moralischen Welt zusammenfielen oder zumindest koinzidieren würden. Eine solche Identität der Gesetze der physischen und moralischen Welt hatte programmatisch − schon im Untertitel − Paul Henri Thiry d’Holbachs Système de la nature propagiert. Eine solche Nähe zur französischen Radikalaufklärung wollte Feder aber sicherlich vermeiden, weshalb er nun darauf verweist, dass das Gesetz der Natur, »welches alle Menschen natürlicher Weise zuerst anerkennen«, nur das physiologische »Gesetz der Selbstliebe« sein kann, das den »stärksten Willenstrieb« enthält.24 Die Anerkennung dieses Gesetzes ist die conditio sine qua non, denn »nimmer mehr wird der Mensch etwas sich zur Pflicht machen lassen, wovon er glaubt, daß es seinem wahren Wohlseyn zuwider ist«.25 Die andere, nämlich moralische Bedeutung des ›ersten
21 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 47, 3. 22 Deshalb muss z. B. die »philosophische Tugendlehre (Moral oder Sittenlehre in der eng. Bedeut.) [...] in Rücksicht auf alle Stücke und Gesetze des Rechtverhaltens, die gehörige Bestimmung zu geben suchen« (Grundlehren [s. Anm. 2], Tugendlehre, § 1). Dies kann sie jedoch nicht ohne »eine gründliche Kenntniß der natürlichen Neigungen und Triebe des Willens« (Grundlehren, Allg. prakt. Phil., § 1) leisten. 23 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), § 1. 24 In seinem Lehrbuch der praktischen Philosophie definiert Feder die Selbstliebe als »Eigenschaft des Menschen, daß er sein Vergnügen und seinen Nutzen zu befördern strebt« (Lehrbuch [s. Anm. 1], Allg. prakt. Phil., § 7). 25 Achim Vesper macht in seinem Beitrag in diesem Band darauf aufmerksam, dass sich Feder in dieser Hinsicht, in Bezug auf die Bestimmung des Verhältnisses von Tugend und Glückseligkeit, in Widersprüche verwickelt. Einerseits erklärt er, dass die Tugend »die allerwesentlichste Bedingung und den wichtigsten Grund des dauerhaften Wohlseyns oder der Glückseligkeit« ausmacht (Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Dritter Theil. Lemgo 1786,
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Gesetzes der Natur‹ macht dieses zum »Innbegriff aller Pflichten«. Es stellt die Forderung auf: »Daß man suche müsse durch sein Daseyn und alle seine Handlungen die Summe der Glückseligkeit im Ganzen möglichst zu befördern.«26 Wie sich diese beiden Bedeutungen des Gesetzes zu einander verhalten und ob aus den physischen Gesetzen moralische Forderungen abgeleitet werden können, was die Übereinstimmung beider Gesetze garantieren könnte − auf solche Fragen weiß Feder keine Antwort. Es ist insofern für das Niveau seiner Argumentation charakteristisch, dass dieses fundamentale Problem der praktischen Philosophie auf eine bloße begriffliche »Zweydeutigkeit« reduziert wird. Dieser Punkt ist wichtig, weil er die Weichen für Feders naturrechtliche Überlegungen stellt. Die Antwort auf die Frage nach der Legitimation staatlicher Herrschaft oder − präziser gefasst − die Frage nach den Bedingungen und Grenzen legitimen rechtlichen Zwangs wird hierdurch im Wesentlichen bestimmt: Nach Feders Auffassung ist nämlich derjenige Zwang legitim, der den äußeren Gebrauch der Willkür auf diejenigen Handlungen einschränkt, die mit den naturgemäßen Zwecken, welche die Natur dem Willen vorgibt, übereinstimmen. Zu diesen naturgemäßen Zwecken gehört aber insbesondere das Streben nach Glückseligkeit in Übereinstimmung mit dem gleichen Glücksstreben aller anderen. Naturrecht ist für Feder also die Lehre von denjenigen natürlichen Gesetzen für den menschlichen Willen, durch den dieser auf mögliche Zwecke in der Verfolgung der Glückseligkeit juridisch eingeschränkt werden kann und soll.27 Feders praktische Philosophie erweist sich also als Eudämonismus auf der Grundlage einer dem Anspruch nach empirischen Theorie der menschlichen Natur, die nach seiner Auffassung durch zwei Triebfedern − die Selbstliebe, die von der Eigenliebe bzw. von der Eigennützigkeit unterschieden werden muss,28 und die Sympathie29 − bestimmt wird. Trotz dieser weitgehenden psychologischen Determination des Willens durch »physische Gesetze, denen sich der Mensch nie gänzlich entziehen kann, wenn er gleich wollte«, und trotz des Umstandes, dass sein Wille »nothwendig dem stärksten Eindrucke der Vorstellungen vom Guten und Bösen«
S. 23). Andererseits spricht Feder im vierten Teil seiner Untersuchungen über den menschlichen Willen vom »absolute[n] Wesen der Tugend«, die sich als solche »über das Rechtverhalten aus knechtischer Furcht vor der Strafe oder selbstsüchtigem Lohndienste« erhebt (Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Vierter Theil. Lemgo 1793, S. 253). 26 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 47, S. 4. 27 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Frank Grunert in diesem Band. 28 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), Allg. prak. Phil., § 7, S. 13. Der neuzeitliche locus classicus für diese Unterscheidung findet sich bei Jean-Jacques Rousseau: Discours sur l’origine et les fondemens de l’inégalité parmi les hommes. In: ders.: Œuvres complètes. Tome III. Paris 1964, S. 156. 29 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), Allg. prak. Phil., § 8a, S. 15ff. Zu den Philosophen, »die diese Materie mit Einsicht bearbeitet haben«, zählt Feder Hutcheson, Hume, Adam Smith und Malebranche (ebd., S. 18f. Anm.).
Dieter Hüning folgen muss,30 kann dem Menschen die »moralische Freyheit«, d. h. das »Vermögen nach vernünftigen Vorstellungen und den eigenen besten Einsichten sich zu bestimmen«, nicht abgesprochen werden: Der Mensch bleibt bey dieser seiner Freiheit zwar immer den Grundtrieben unterworfen; aber nicht blinden, sondern von Vorstellungen der Ueberlegung geleiteten, und diesen Vorstellungen gewissermaßen unterworfenen Trieben. Und also nimmt die Freyheit zu, wie die Erkenntniß und ihr Einfluß auf den Willen zunimmt.31
Das »Vermögen zu wählen, oder Willkühr« betrachtet Feder daher als »die Fähigkeit unter mehreren reizenden, antreibenden Vorstellungen, eine vorzuziehen, und sich ihr zu überlassen. Und dies Vermögen heißt Freyheit, sofern es sich nach deutlichen Vorstellungen des überlegenden Verstandes bestimmt«.32 Die von der unstrittigen Möglichkeit der empirischen Freiheit zu unterscheidende Frage der Willensfreiheit möchte Feder nach Möglichkeit beiseite schieben.33 Weil es sich bei der »Frage von der (metaphysischen) Freiheit« des Willens um eine metaphysische Prinzipienfrage handelt, weil es bei dieser »aller verwickeltste[n] Streitfrage [...] am Ende auf die Frage vom letzten Grunde der Wesen, dessen Willkührlichkeit oder Nothwendigkeit, ankomme«, fordert Feder vor allem »Mäßigung« im Sinne von Urteilsenthaltung: »Denn auch bey dieser schwierigen Untersuchung ist es ein wesentliches Stück der menschlichen Weisheit, nicht über alles, was dabey in Frage kommt, völlig entscheiden zu wollen.« Feder ist der klassische weder-noch-Philosoph, der sich in Sachen Willensfreiheit »eben so wenig zu den entschiedenen Deterministen« noch »zu den Vertheidigern einer metaphysischen Freyheit, wie Crusius«, zählen lassen will.34
Glückseligkeitslehre Der Satz »Suche deine Glückseligkeit, dein wahres Beste[s]« ist für Feder »das erste Gesetz der Natur«35 und zugleich der »Grundsatz der praktischen Philosophie«.36 30 Ebd., Allg. prak. Phil. II, § 44, S. 113f. 31 Ebd., S. 114f. 32 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 3 (s. Anm. 25), V. Buch, I, S. 154 (§ 29). 33 In seinem Grundriß (s. Anm. 8), Zweyte Abtheilung, § 2, S. 230 erklärt Feder, es sei »sehr entbehrlich [...], diese metaphysischen Geheimnisse [bezüglich der Willensfreiheit, D.H.] zu verstehen.« 34 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 5), S. 95f. 35 Feder: Grundriß (s. Anm. 8), S. 245, § 12; ders.: Lehrbuch (s. Anm. 1), § 57a, S. 139: »[D]as Gesetz der vernünftigen Selbstliebe, oder der Satz: du sollst dein eigenes wahres Wohl suchen.« 36 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 139.
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Nun geht es in der praktischen Philosophie nicht nur um die Beschreibung der empirischen Bestimmungsgründe des Willens, die Feder in der »Selbstliebe« und dem »Trieb zur Glückseligkeit« bzw. zum »physischen Guten« sieht,37 den er zugleich für den ursprünglichen und wohl auch einzigen »Grundtrieb der Menschen« hält.38 Vielmehr kommt es darauf an, den moralischen Unterschied der Dinge, der Gemüthsarten, Neigungen und Handlungen, nach welchem einige für schön, ehrbar, recht, andere für häßlich, schändlich, ungerecht gehalten werden, und der von allen Menschen, bey denen sich die Natur nur einigermaßen entwickelt hat, anerkannt wird, zu bestimmen.39
Dieses moralische Unterscheidungsvermögen kann aber weder auf einen spezifisch moralischen Sinn zurückgeführt werden noch handelt es sich um bloße Modifikationen der Selbstliebe oder des Eigennutzes.40 Die Aufgabe von moralischen Gesetzen besteht − so hatte Feder schon in seinem Grundriß erklärt − darin, in dem »Menschen gewisse[,] seinem Grundtriebe gemäße Bewegungsgründe [zu] erwecken, um »seine Handlungen nach ihrer Vorschrift einzurichten«.41 Wir haben hier die schlichte Systematik der praktischen Philosophie Feders der Sache nach vollständig entwickelt: Das Handeln der Menschen wird psychologisch durch das Gefühl der Lust und Unlust bestimmt, der Inbegriff der Regeln der Lustvermehrung bzw. Unlustvermeidung ist die Glückseligkeit. Zur Harmonisierung der je individuellen Glücksbestrebungen ist es jedoch notwendig, den Willen einem »von Vorstellungen der Überlegungen geleiteten« Glückseligkeitskalkül zu unterwerfen. Die Vernunft ist in dieser Hinsicht in der Lage, die »Folgen der Handlungen« in Bezug auf die zu erwartende Lustvermehrung einzusehen.42 In dieser empirisch feststellbaren Fähigkeit, den Willen durch Verstandesüberlegungen zu lenken, besteht die moralische Freiheit (es ist die empirische oder Handlungsfreiheit im Sinne der Unabhängigkeit des Willens von der unmittelbaren Bestimmung durch sinnliche Antriebe der Lust und Unlust, nicht aber die Willensfreiheit).43 Die Moral 37 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 8. 38 Feder: Grundriß (s. Anm. 8), S. 233 (§ 4). 39 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), Allg. prakt. Phil., S. 42f. (§ 25). 40 Ebd., S. 44. 41 Feder: Grundriß (s. Anm. 8), S. 245 (§ 13). 42 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 125 (§ 50). 43 Eine solche Freiheit der klugen Abwägung (deliberatio) kann von jedem Deterministen anerkannt werden, sie findet sich z. B. bei Hobbes, d’Holbach, Hommel u. a. Kant kritisiert deshalb Autoren wie Wolff oder Baumgarten, die angenommen hatten, »daß der handelnde Mensch von aller Naturnothwendigkeit unabhängig sey, insofern seine Handlungen durch motiven geleitet, mithin durch Verstand und Vernunft determinirt würden; dies ist aber falsch. Der Mensch wird dadurch nicht vom Natur-Mechanismo befreit, daß er bey seiner Handlung einen actum der Vernunft vornimmt. Jeder Actus des Denkens, Ueberlegens ist selbst eine Begebenheit der Natur« (Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten Vigilantius. In: AA XXVII, 2.1, S. 503).
Dieter Hüning philosophie mit ihren verschiedenen Abteilungen ist die Lehre der entsprechenden allgemeinen Glückseligkeitsregeln und ihrer Einübung und Praktizierung durch die einzelnen, kurz von der »Bildung des menschlichen Willens zum Rechtverhalten«.44 Und wenn wir dieses Wohlverhalten üben, dann werden wir auch des beseligenden und beglückenden Beifalls des Allgütigen und Allweisen würdig halten können; und des Beifalls anderer, gleichen Naturgesetzen mit uns unterworfener, und danach empfindender und urteilender Wesen.45
Wir können konstatieren, dass es sich bei dieser Lehre vom menschlichen Willen um einen empiristisch verkürzten Wolffianismus handelt. Das Prinzip von Lust bzw. Unlust hatte auch Wolff zur Grundlage der Bestimmung der sinnlichen Antriebe gemacht. Aber Wolff war keineswegs dabei stehen geblieben, sondern hatte darauf aufbauend eine Moralphilosophie entwickelt, in welcher die rationale Beherrschung der Affekte eine zentrale Rolle spielte und insbesondere einen Begriff rationaler Moralität im Sinne einer Selbstbindung des Individuums an das natürliche Gesetz propagiert, womit er selbst einen wichtigen Schritt hin zu einer Ethik der Autonomie gemacht hatte. Bei Feder werden diese rationalistischen Elemente, die Wolffs Philosophia practica universalis entwickelt hatte, marginalisiert.
»Die gemeinen Räsonnements der Menschen« − Feders »Gesetz der vernünftigen Selbstliebe«46 und das Problem der Verbindlichkeit Feders Botschaft lautet also − und hierin sieht er ein zentrales Argument der ›gemeinen Moral‹ −, dass unsere Glückseligkeit zugleich unser moralisches »Wohlverhalten«, d. h. die Einschränkung unserer Freiheit auf solche Handlungen fordert, die mit der allgemeinen Glückseligkeit vereinbar sind. Hierin liegt nach seiner Auffassung der einzig mögliche Grund der »Verbindlichkeit« aller moralischen Vorschriften.47 Die angedeutete Psychologisierungstendenz wird auch bei Feders Begriff der Verbindlichkeit deutlich.
44 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 163 (§ 65). Eine Skizze der »Hauptgrundsätze« der ›gemeinen Moral‹ liefert Feder selbst am Ende seiner (anonymen) Rezension der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785). In: Rüdiger Bittner u. Konrad Cramer (Hg.): Materialien zu Kants ›Kritik der praktischen Vernunft‹. Frankfurt a. M. 1975, S. 140f. 45 Ebd., S. 142. 46 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 137ff. (§ 57a). 47 Dies hatte Feder schon in seiner Rezension von Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten hervorgehoben. Feder beklagt, dass Kant sich »vielfältig hart und unfreundlich«, insbesondere in
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Wir haben gesehen, dass das Fundament des federschen Naturrechts eine eudämonistische Theorie des Willens ist und rechtliche und moralische Regeln die Verallgemeinerung des Glückseligkeitsstrebens zum Gegenstand haben. Weil aber diese normativen Regeln nicht unmittelbar in der materialen Bestimmtheit des Willens enthalten sind, sondern die natürlichen Willensstrebungen der Leitung und Kontrolle des Verstandes bedürfen, bedarf es einer spezifischen Begründung der Verbindlichkeit solcher Regeln, deren Nichteinhaltung sanktioniert werden kann. Dieses Problem hatte sowohl in der neuzeitlichen Moralphilosophie wie in der Naturrechtslehre als Frage nach den obligationstheoretischen Aspekten der Normativität immer eine zentrale Rolle gespielt. Wie begründet Feder nun die Verbindlichkeit moralischer Gesetze? Und was bedeutet Verbindlichkeit überhaupt? In der vorhin zitierten Passage hatte es geheißen, dass die moralischen Gesetze in der Natur des Menschen liegende »Vorschriften« sind, die anzeigen, »was nothwendig ist«. Feder spricht diesen Gesetzen »moralische Nothwendigkeit« zu. Moralische Gesetze legen dem Willen eine Verbindlichkeit auf, in einer bestimmten Weise, gemäß der jeweiligen Vorschrift, zu handeln. Hierin besteht ihre moralische Nötigung bzw. Notwendigkeit. Dementsprechend erklärt Feder, daß der lezte Grund der Verbindlichkeit auf den vernünftigen Beweggründen, oder der moralischen in der Natur des vernünftigen Willens gegründeten, innern, Nothwendigkeit, das Bessere dem weniger Guten vorzuziehen, beruhe.48
Aber − und dies ist ein zentraler Aspekt, der u. a. Feders Abstand von der kantischen Ethik markiert − es liegt »hier keine absolute Nothwendigkeit [vor], sondern nur eine hypothetische; welche aus der Zusammenwirkung vernünftiger Einsichten und der Grundtriebe entsteht«.49 Die Entwicklung des neuzeitlichen Naturrechts ist nach Feder gekennzeichnet durch den Streit über den letzten Geltungsgrund des natürlichen Gesetzes. Feder greift die unterschiedlichen Begründungen, die in dieser Hinsicht vorgebracht worden sind, auf, ohne eine philosophisch begründete Entscheidung zu treffen. Man könne * zum Grunde der natürlichen Gesetze entweder die unabänderlichen Grundtriebe des Menschen und die Natur der Dinge überhaupt, * oder den göttlichen Willen, wie derselbe aus den Einrichtungen in der Natur,
Bezug auf das Prinzip der eigenen Glückseligkeit ausgesprochen habe und in dieser Hinsicht einen »polemischen Eifer« bei der Herabsetzung der ›gemeinen Moral‹ entfaltet habe; siehe [Feder]: Rezension der ›Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‹ (s. Anm. 42), S. 140f. 48 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), Allg. Pract. Phil., S. 73 (§ 47). 49 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 125 (§ 50).
Dieter Hüning *
oder aus dem Begriffe vom vollkommensten Wesen erkennbar ist, annehmen.50
Aber diese unterschiedlichen Begründungen sind eigentlich irrelevant, weil − wie auch immer die moralphilosopische Letztbegründung aussieht − »immer dieselben Folgen entstehen«: 1) Daß jeder Mensch sich selbst zu lieben, seine Glückseligkeit und Vollkommenheit zu suchen, berechtiget und verpflichtet sey; 2) Aber auch verpflichtet, auf andere zu sehen, und ihre Glückseligkeit neben der seinigen, so viel als möglich ist, zu befördern. 3) Daß also alle Menschen verpflichtet seyn, in solche Verhältnisse miteinander zu treten, bey welchen sie am meisten im Stande sind ihre Glückseligkeit wechseleitig zu befördern; der Geselligkeit sich also zu befleissigen. 4) Daß bey allen seinen Handlungen, den Bemühungen um seine Glückseligkeit so wohl, als um die Glückseligkeit anderer, der Mensch den ihm bekannten göttlichen Willen zur höchsten Richtschnur sich nehmen müsse.51
Über diese Fragen sei »oft mit vieler Hitze [...] gestritten [worden], welches die höchste oder erste von diesen Pflichten, welches das erste Gesetz der Natur sey«.52 Feder hat diese Streitigkeiten um den Geltungsgrund des Naturrechts nicht weiter thematisiert, so dass seine Überlegungen in dieser Hinsicht einer − für die Vorgehensweise Feders insgesamt typischen − Verweigerung der Beantwortung der obligationstheoretischen Fragestellung gleichkommen: »[N]immer mehr wird der Mensch etwas sich zur Pflicht machen lassen, wovon er glaubet, daß es mit seinem wahren Wohlseyn zuwider ist«.53 Die »allgemeinste Regel, so die Pflicht zu bestimmen«, lautet, »daß in aller Absicht das meiste Gute, daß wenigste Uebel dadurch entsteht« − nicht nur in England, auch in Deutschland gab es utilitaristische Rechtstheorien, die das Glück der größten Zahl bzw. das »meiste Gute« zum Rechtsprinzip glauben machen zu können: Dein eigenes Wohl erfordert es, das Wohl deines Neben-Menschen, das Beste der Gesellschaft, die Wohlfahrth des menschlichen Geschlechts, die Vollkommenheit des Ganzen erfordert es, es ist der Wille des Schöpfers: dieß sind die Gründe, die man angiebt, wenn man erweisen soll, daß etwas Pflicht ist, die Gründe aus welchen zusammen man das ganze System der Pflichten leicht herleitet.54
Feders Naturrechtslehre beruht auf den folgenden Prämissen:
50 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), Prak. Phil., S. 79 (§ 50). 51 Ebd., S. 79f. (§ 50). 52 Ebd., S. 80. 53 Ebd., S. 81 Anm. 54 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), § 57a.
Feders Naturrecht
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Aufgabe der Philosophie im allgemeinen und der praktischen Philosophie im besonderen ist die »Beförderung der Weisheit und Glückseligkeit unter den Menschen«, die praktische Philosophie ist die »Philosophie der Handlungen, des Lebens«, und beruht deshalb auf der »gründliche[n] Kenntnis der natürlichen Neigungen und Triebe des Willens, aus welchen die Handlungen entspringen«, das »Recht der Natur lehret, wozu ein Mensch durch die Naturgesetze berechtiget wird, den andern zu zwingen; [es] erklärt diejenigen Gesetze, ohne deren Beobachtung keine äusserliche Ruhe statt finden würde«. 55
Wovon handelt das Naturrecht? Im Lehrbuch der praktischen Philosophie heißt es entsprechend, dass die »Beförderung der Glückseligkeit [...] die letzte, erste, höchste Regel des Rechts und des Rechtsverhaltens« ist.56 Den Ausgangspunkt für die Darstellung von Feders Naturrechtslehre bildet die Frage nach der Bestimmung des Umfangs und des Gegenstandes der Naturrechtslehre. In der Vorrede zur ersten Auflage seines Lehrbuches der praktischen Philosophie erklärt Feder, dass für die Darstellung der Naturrechtslehre »der Ordnung des vortrefflichen Achenwallschen Lehrbuches gefolgt« worden sei, welchem er überhaupt seine »vorzüglichsten Einsichten in diesem Theile der Philosophie zu danken habe«.57 Bekanntlich hat auch Kant seinen Vorlesungen über das Naturrecht Achenwalls Jus naturae zugrunde gelegt. Aber aus dieser gleichen Benutzung des achenwallschen Lehrbuches folgt keineswegs die gleiche systematische Einsicht in die Begründungsprobleme der Naturrechtslehre. Feder verweist selbst darauf, dass es ihm »anfangs einige Ueberwindung« gekostet habe, »den Namen des Rechts der Natur auf das blosse äusserliche Zwangsrecht einzuschränken«. In der Tat hatte Feder zu Beginn seiner akademischen Laufbahn, in seinem Grundriß der Philosophischen Wissenschaften,58 noch eine traditionelle Konzeption des Naturrechts als des Inbegriffs aller moralischen Pflichten vertreten, sodass neben den Zwangspflichten auch die Pflichten gegen sich selbst und gegen Gott zum Naturrecht gehören, die Moraltheologie also ein integraler Bestandteil der Naturrechtslehre ist, mit welcher Feder dann auch seine Darstellung beginnt.59 55 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), § 1. 56 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), S. 147 (§ 59). 57 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), Vorrede zur ersten Auflage [unpag.]. 58 Feder: Grundriß (s. Anm. 8), S. 254f. (§ 18). 59 Vgl. hierzu die Ausführungen von Merio Scattola: Die Naturrechtslehre Alexander Gottlieb Baumgartens und das Problem des Prinzips. In: Aufklärung 20 (2008), S. 240ff. u. 252ff. Über die
Dieter Hüning Als Grund dafür, dass er die Einschränkung der Naturrechtslehre auf die Lehre der Zwangspflichten schließlich doch vorgenommen habe, wird aber keine systematische Notwendigkeit, sondern eine pragmatische Überlegung angeführt: nicht nur, weil nunmehr die meisten an diese Bedeutung gewöhnt sind; sondern vornehmlich auch deswegen, weil ich glaube, daß der wahre Zweck dieser Wissenschaft, derjenige, den Grotius sich dachte, und welcher aus dem Verhältnisse dieses Theils der praktischen Philosophie mit den übrigen sich ergibt, kein anderer ist, als Grundsätze, auf welche Völker oder einzelne Personen, die keinen gemeinschaftlichen willkührlichen Gesetzen gehorchen, sich berufen können, wenn sie ihr vollkommenes Recht, nicht sich, und ihrem Gewissen, sondern andern beweisen wollen.60
Betrachtet man die Naturrechtslehre aus diesem Gesichtspunkt, dann fallen alle Bedenklichkeiten hinweg, die daran hindern, »dem Begriffe zu folgen, der die Gränzen des allgemeinen Rechts enger ansetzet«.61 Wir können schon an dieser Stelle konstatieren, dass Feders Überlegungen über die Grenzbestimmung des Naturrechts nichts mit der rechtsphilosophischen Frage nach den Grenzen legitimen Zwangs zu tun haben.
Das Prinzip des Naturrechts Wir hatten gesehen, dass Feder letztlich sich der thomasianischen Tradition anschließt, indem er das Naturrecht als die Lehre der äußeren, erzwingbaren Pflichten betrachtet. Zum Abschluss soll untersucht werden, ob es nach Feders Auffassung naturrechtlich begründete Schranken legitimen Rechtszwangs gibt bzw. welche Handlungen Gegenstand rechtlichen Zwangs werden können. Nach dem von Feder in den Grundlehren aufgestellten »höchsten Grundbegriff und Grundsatz des Rechtsverhaltens« wird nur dasjenige »recht« genannt werden, »was das meiste Gute stiftet«. Um dies zu bewirken ist es »bisweilen erlaubt, Gewalt zu gebrauchen; alsdenn nemlich, wenn dadurch, nach unsrer besten Erkenntniß, das Böse in der Welt gemindert, das Gute vermehrt wird«.62 Man wagt gar nicht zu fragen: ›Quis judicabit?‹, d. h. wer entscheidet darüber, ob das Böse in der Welt gemindert bzw. das Gute vermehrt wird, und nach welchen Kriterien. Ist ein solcher
Schwierigkeiten der Schulphilosophie bei der Bestimmung der Aufgabe der Naturrechtslehre siehe Manfred Riedel: Moralität und Recht im vorkantischen Naturrecht. In: ders.: Metaphysik und Metapolitik. Studien zu Aristoteles und zur politischen Sprache der neuzeitlichen Philosophie. Frankfurt a. M. 1975, S. 237f. 60 Feder: Lehrbuch (s. Anm. 1), Vorrede zur ersten Aufl. [nicht paginiert]. 61 Ebd. 62 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), Naturrecht, S. 196 (§ 2).
Feders Naturrecht
unbestimmter Grundsatz der Legitimierung von Zwang nicht ein Grundsatz, der überhaupt alle gesetzlich bestimmbare Freiheit a priori unmöglich macht? Einer der Folgesätze besagt nach Feder, »daß man eine Ungerechtigkeit begehe, welche mit Gewalt verhindert werden darf, wenn man dem anderen nimmt, was sein ist. Suum cuique«.63 Aber wie ist der Fall zu bewerten, wenn durch meine Ungerechtigkeit zufälligerweise das Böse in der Welt gemindert bzw. das Gute vermehrt wird?64 So dass meine Ungerechtigkeit nur scheinbar wäre und sich in Wirklichkeit nach Feders ›höchstem Grundbegriff und Grundsatz‹ als eine erlaubte Zwangshandlung erweist.65 Und was bedeutet es, einem anderen etwas nehmen, »was sein ist«. Wenn Verhinderung des Bösen und Vermehrung des Guten der Maßstab des Rechtsverhaltens ist, weil dadurch die allgemeine Glückseligkeit am meisten befördert wird, müsste man dann nicht eher sagen, dass etwas nur dann das Seinige von irgendjemandem sein kann, wenn es von ihm zum Zwecke der Beförderung allgemeiner Glückseligkeit gebraucht wird? Anders formuliert: Der Begriff des rechtlichen suum muss unter der Voraussetzung des naturrechtlichen Prinzips der Beförderung der »Glückseligkeit im Ganzen« notwendigerweise völlig unbestimmbar bleiben. Darüber hinaus wird die Geltung des Grundsatzes von Feder unmittelbar wieder relativiert: »Für das Gewissen« ist »bey den eigenen freyen Entschließungen« der »Grundsatz des Rechtverhaltens [...] der einzige letzte Grundsatz des Zwangsrechts«, der »für jeden Menschen nothwendig immer bleibt«. Aber wenn es darum geht, »sein vollkommenes Recht vor Menschen [das bedeutet offenbar: vor Gericht, D.H.] zu beweisen, und Streitigkeiten abzuhelfen«, dann kann er »ganz allein nicht bleiben; weil die unmittelbare Anwendung desselben, auf einzelne Fälle, zu vielen Streitigkeiten ausgesetzt sein würde«. Offenbar ist Feder der Auffassung, dass der von ihm entdeckte schöne Grundsatz durch positiv-rechtliche Anwendungsbedingungen ergänzt werden muss.66 So müssen im Falle, »wo äusserste Lebensgefahr ist«, Ausnahmen von der Geltung des Grundsatzes des Rechtverhaltens zugelassen werden.67 Wir wundern uns deshalb auch nicht, wenn wir lesen, dass man nach seiner Auffassung »die Sclaverey nicht schlechterdings für unrechtmässig erklären kann«.68 Denn schon die Stoiker waren der Auffassung gewesen, dass zwischen
63 Ebd., S. 205. 64 Der klassische Fall für ein derartiges moralisches Dilemma ist die − zugegebenermaßen idealisierte − Sage von Robin Hood, der die Vasallen eines ungerechten Königs beraubt und das geraubte Gut an die Armen verteilt. 65 Es sind vermutlich derartige Überlegungen gewesen, die Kant in einer Nachlassreflexion (Nr. 8078, AA XIX, S. 612f.) thematisiert hat: »Denn ich könnte leicht beweisen, daß dem anderen meine Handlung nütze −, aber er ist dabei doch nicht frey.« 66 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), Naturrecht, S. 196 (§ 2). 67 Ebd., S. 202 (§ 4). 68 Ebd., S. 255 (§ 38).
Dieter Hüning Glückseligkeit und Sklaverei kein notwendiger Widerspruch bestehe. Zwar ist auch Feder der Ansicht, dass die Sklaverei »ganz offenbar gegen die Grundgesetze der Natur« ist, weil der Mensch kein »unvernünftiges Thier« ist und deshalb nicht »aller Rechte der Menschheit beraubt« werden kann.69 Wird die Sklaverei dagegen mehr als Dienstverhältnis betrachtet, in welchem der Sklave »zu allen ihm physisch und moralisch möglichen Diensten« gegenüber seinem Herrn verpflichtet ist, dann ließe sich nicht mehr behaupten, dass die Sklaverei »schlechterdings ungerecht« sei. Diese Auffassung Feders ist deshalb nicht überraschend, weil in seiner eudämonistischen Naturrechtslehre die rechtliche Freiheit und Unabhängigkeit der Person eben ihrer Bedürfnisbefriedigung, ihrem Wohlsein und ihrer Glückseligkeit untergeordnet ist. Die utilitaristisch motivierte Abwägung der Interessen bzw. der Vor- und Nachteile von Handlungen fungiert als Kriterium für die Beschränkung der individuellen Freiheit. Kant hielt diese utilitaristische Bestimmung der rechtlichen Grenzen der Freiheit für falsch. Ich möchte zum Abschluss meiner Betrachtung von Feders Naturrechtslehre eine vergleichsweise einfache Frage stellen. Die Frage nämlich, ob Feders Naturrecht und die von ihm propagierten Grundsätze dazu taugen, um ein System von juridischen Rechten und Pflichten in Bezug auf ihre mögliche Verbindlichkeit zu begründen? Wir hatten gesehen, dass Feder bei seinen Überlegungen auf die klassische Naturrechtstradition zurückgreift, mehrfach wird Cicero als Berufungsinstanz genannt. Nach dieser Tradition gründen alle natürlichen Gesetze auf der Vorstellung einer »notwendigen Zusammenstimmung aller möglichen Zwecke in Beziehung auf den Menschen als eines der Zwecksetzung fähigen Wesens«.70 Diesen Gedanken drückt die Tradition durch die Vorstellung des bonum commune aus. Eine menschliche Gesellschaft ist deshalb eine »Gemeinschaft der allgemeinen Teilnahme aller an den Zwecken aller«, sofern diese mit der Möglichkeit einer solchen vernünftigen Zweckgemeinschaft übereinstimmen. Innerhalb dieser durch das bonum commune regierten Gemeinschaft kommt den einzelnen Mitgliedern auch der Status von Rechtssubjekten, wenngleich − wie wir gesehen haben − nicht notwendig von freien Rechtspersonen zu. Im Rahmen dieser traditionellen Naturrechtslehre ein Recht zu haben, bedeutet nichts anderes als »die Befähigung eines jeden, sich in seinen gesetzmäßigen Zwecken zum Gegenstand der Zwecksetzung eines jeden anderen zu machen«. Die unmittelbare Konsequenz ist, wie Feder richtig betont, zunächst nur negativ, insofern jeder einzelne das Recht hat, in seinen legitimen Zwecksetzungen durch andere nicht gestört oder beeinträchtigt zu werden. Das Prinzip dieser aus dem natürlichen Gesetz hervorgehenden Unterlassungsforderungen ist das nemi-
69 Ebd., S. 253. 70 Julius Ebbinghaus: Der Begriff des Rechts und die naturrechtliche Tradition. In: ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Hariolf Oberer u. Georg Geismann. Bd 1: Sittlichkeit und Recht. Praktische Philosophie 1929–1954. Bonn 1988, S. 341.
Feders Naturrecht
nem laede. Eine Rechtsverletzung bzw. ein Unrecht71 liegt dann vor, wenn jemand in der Verfolgung seiner gesetzmäßigen Zwecke gestört wird. Liegt ein Unrecht vor, bin ich meinerseits berechtigt, dem Täter, der meinen gesetzmäßigen Zweck behindert hat, zu schaden, d. h. ihn an seiner Unrechtshandlung zu hindern. Nun war allerdings mit der neuzeitlichen Naturrechtslehre seit Hobbes und Rousseau ein anderer Begriff der rechtlichen Freiheit aufgetaucht: Gemäß diesem Begriff von rechtlicher Freiheit gibt es eine Befugnis des Menschen auf den beliebigen Gebrauch seiner freien Willkür, wozu notwendigerweise auch die rechtliche Verfügung über Gegenstände des beliebigen Gebrauchs gehört, und zwar jenseits aller subjektiven Zwecke, die den Menschen hierbei interessieren. Es ist der Gedanke der freien Willkür bzw. der Freiheit des Beliebens und des mit ihm verknüpften Eigentums im Sinne absoluter Sachherrschaft. Das Problem der rechtlichen Freiheit im Sinne der Willkürfreiheit führt zu dem spezifisch rechtsphilosophischen Problem, ob es möglich ist, dass »das freie Belieben der Menschen in bezug auf äußere Handlungen ohne jede Rücksicht auf deren Zwecke den Charakter der Gesetzlichkeit bekommen kann«.72 Es ist mit anderen Worten das Problem, ob es möglich ist, dass die Freiheit des Beliebens von jemandem auf der Grundlage eines allgemeinen Gesetzes mit der gleichen Freiheit aller anderen zusammenstimmen kann, ihre Zwecke mögen dabei so entgegengesetzt sein, wie sie wollen. Dieses Problem, nämlich die Frage, ob es für die freie Willkür überhaupt eine gesetzliche Befugnis geben könne, taucht aber bei Feder gar nicht auf. Und es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass sie bei ihm wegen seiner Anknüpfung an das traditionelle Naturrecht gar nicht auftaucht. Wir können zum Abschluss nur konstatieren, dass es kein Zufall war, dass Kants praktische Philosophie einen unvergleichlichen Siegeszug antrat. Seine moralphilosophischen Unterscheidungen fielen auf den vom Eudämonismus und von der Popularphilosophie ausgedörrten Boden der philosophischen Reflexion. Wie immer man Kants Ethik beurteilen mag, mit ihr verändert sich das Problembewusstsein der praktischen Philosophie auf radikale Weise: - Dass nicht nur der Eudämonismus, sondern überhaupt alle materialen ethischen Prinzipien ungeeignet sind, die zentrale rechtsphilosophische Frage nach den Bedingungen und Grenzen legitimen rechtlichen Zwangs zu beantworten, - dass auf der Basis des Prinzips der Glückseligkeit eine Theorie der juridischen möglichen Freiheitseinschränkungen, die nach allgemeinen Gesetzen möglich sind, begründet werden kann, mit diesem Wahn der neuzeitlichen Naturrechtslehre räumt Kant auf.
71 Feder: Grundlehren (s. Anm. 2), S. 205f. (§ 7). 72 Ebbinghaus: Der Begriff des Rechts (s. Anm. 70), S. 344.
Dieter Hüning Wir haben gesehen, dass Feder sich als Verfechter der ›gemeinen Moral‹ bzw. der Moral des gesunden Menschenverstandes versteht. Für diese moralphilosophische Konzeption ist es charakteristisch, dass die Probleme, die bei Fragen normativer Letztbegründung auftauchen, zwar nicht geleugnet, aber letztlich für irrelevant erklärt werden, so dass es bei der Begründung der Verbindlichkeit des moralischen Gesetzes entweder auf den Willen Gottes oder die Einsicht der menschlichen Vernunft zurückgegriffen werden kann. Feder behandelt solche unterschiedlichen normativen Begründungsstrategien von vornherein nicht im Hinblick auf ihren Wahrheitsanspruch. Ihn interessiert nur der Effekt solcher Begründungen: »Welcher Unvoreingenommene sieht nicht gleich, daß es [das egoistische Streben bloß nach dem eigenen Vorteil, D.H.] auf der Vermengung der niedrigen, nur nach dem Äußeren und Zeitlichen strebenden Klugheit und der höheren Klugheit, der nach dem Wesentlichen und Ewigen strebenden Weisheit beruht.« Wie ein Mensch sich die Begründung der ›höheren Klugheit‹ denkt, ist gleichgültig, wenn er sich nur zu ihr bekennt. Um sich auf die richtige Seite dieser ›höheren Klugheit‹ zu schlagen, bedarf es keiner spitzfindigen metaphysischen Abhandlungen, der ›gemeine Verstand‹ reicht zur Akzeptanz der ebenfalls ›gemeinen Moral‹ im Wesentlichen aus.
Frank Zöllner
»Überflüssig und unnütz«? Johann Georg Heinrich Feders Beitrag zum Urheberrecht Die Schriften des Göttinger Philosophieprofessors Johann Georg Heinrich Feder, allen voran seine Lehrbücher zur theoretischen sowie zur praktischen Philosophie, erfreuten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts reger Nachfrage. Seine Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse, erstmals 1769 publiziert, erschien bis 1790 in sieben Auflagen und daneben von 1777 bis 1797 in vier überarbeiteten lateinischen Ausgaben. Sein Lehrbuch der praktischen Philosophie, erstmals 1770 veröffentlicht, erschien bis 1776 in vier Auflagen und umgearbeitet unter dem Titel Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens von 1782 bis 1789 in drei weiteren Auflagen. Trotz dieser hohen Anzahl rechtmäßiger, durch den Verfasser autorisierter Drucke bemächtigten sich auch Nachdrucker seiner Werke1 – sehr zum Ärger, ja zur Empörung Feders über deren Dreistigkeit: »Ein gewisser […] Nachdrucker hat die Unverschämtheit gehabt, seinen Nachdruck meiner Compendien selbst hieher nach Göttingen zu schicken.«2 Der unrechtmäßige Nachdruck hatte wirtschaftliche Folgen, die sich mehr oder weniger direkt auswirkten. So reduzierte er z. B. den Verlegergewinn und damit in der Folge auch das Honorar des Autors.3 Zudem entzog er den Text des Buchs der Kontrolle des Verfassers. Hier waren unsauber gesetzte Texte möglicherweise noch zu verschmerzen; ärgerlich wurde es für den Verfasser, wenn sein Text gekürzt,
1 Zwei Beispiele seien hier erwähnt: Von seinem Lehrbuch der Praktischen Philosophie erschienen neben den vier von Feder selbst besorgten Auflagen, die allesamt bei Dieterich in Göttingen erschienen sind, noch ein Nachdruck der dritten Ausgabe mit dem Druckvermerk Hanau und Leipzig 1775, sowie zwei Nachdrucke der vierten Ausgabe aus den Jahren 1781 und 1789 mit den Druckorten Frankfurt a. M. u. Leipzig. Bei Trattner in Wien erschienen unrechtmäßige Ausgaben des Lehrbuches 1779, 1785 und 1791. Die zweite Auflage seiner Schrift Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren erschien zwischen 1785 und 1793 in der Meyerschen Buchhandlung in Lemgo. Zwischen 1792 und 1794 erschienen allein bei Trattner alle vier Bände dieser neuesten Ausgabe. 2 Johann Georg Heinrich Feder: Neuer Versuch einer einleuchtenden Darstellung der Gründe für das Eigenthum des Bücherverlags, nach Grundsätzen des natürlichen Rechts und der Staatsklugheit. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1 (1780), S. 1–37, S. 220–242 u. S. 459–466, hier S. 15. 3 Ebd., S. 13.
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Frank Zöllner vermeintlich korrigiert und dadurch entstellt wurde.4 Wie viele andere Schriftsteller passte auch Feder seine Publikationsstrategie diesen Umständen an. Er war bei einer neuen Auflage seiner Werke stets besorgt, seine Texte zu verbessern und zu erweitern. So wurden die Nachdrucke vorheriger Auflagen obsolet. Die ständige Arbeit am Text und die neuen Auflagen trugen ihm gelegentlich Kritik ein, die er an einigen Stellen seiner Schriften aufgriff und erwiderte.5 Ein Beispiel dafür ist die Anzeige des Neuen in der vierten Auflage seines Lehrbuchs der praktischen Philosophie von 1776. Hier begegnet Feder den Kritikern seiner Veröffentlichungspraxis mit einiger Schärfe und fragt: »Und muß ich mich denn abermal wegen dieser Veränderungen rechtfertigen oder entschuldigen?«6 Er verweist weiter auf die Vorrede zur dritten Auflage seiner Logik und Metaphysik aus dem Jahr 1771 und wiederholt seine damalige, dort angeführte Begründung: Die akademische Beschäftigung mit der Philosophie ist ein ständiger Lernprozess, neue Pfade werden beschritten, unklare Begriffe klären sich mit der Zeit. Dieser Prozess verlangt eine ständige Verbesserung des Textes. Seine Erkenntnisse erst zu veröffentlichen, wenn die philosophischen Überlegungen ausgereift sind, hält Feder besonders bei Lehrbüchern für ungeeignet, da dies der akademischen Unterrichtspraxis zuwiderliefe.7 Den Vorschlag, »[d]ie Zusätze und Veränderungen besonders abdrucken [zu] lassen«8, lehnt er
4 Auch Feder beklagt, dass die Ausgaben der Nachdrucker »wie dieß häufig der Fall ist – mit scheuslichen Druckfehlern verunstaltet« sind (Feder: Neuer Versuch [s. Anm. 2], S. 13). Bei Martin Luther, einer der ersten Autoren, die in großem Umfang nachgedruckt wurden, findet sich eine der frühesten Kritiken an der Entstellung seiner Texte durch die Nachdrucker. Siehe Eckhard Höffner: Geschichte und Wesen des Urheberrechts. 2 Bde. München 2010, Bd. 1, S. 30. 5 Christian Sigmund Krause schreibt hierzu: »Die Art, wie Hr. Feder bei der Gelegenheit die öftern Veränderungen in neuen Auflagen vertheidigen, deswegen vom Nachdruck abmahnen will, damit ein Schriftsteller durch solche neuen Auflagen das Publikum desto öfter und bequemer – schröpfen könne, scheint mir beiläufig auch nicht die billigste […]. Lehrt ein Verfasser über sein Buch, so kann er seine Verbesserungen mündlich zusezen; und liegt ihm ja so viel daran, dem ganzen Publikum gleich kund zu thun, wenn seine Kenntnisse um einige Paragraphen gewachsen sind, so würde ein billiger Mann dergleichen Zusäze einzeln als Anhang drucken, und sich nicht um einiger Blätter willen das ganze Buch von neuem, und oft noch theurer als vorher bezahlen lassen« (Christian Sigmund Krause: Über den Büchernachdruck. In: Deutsches Museum 8.1. (1783), S. 400–430 u. S. 487–514, hier S. 413f.). 6 Johann Georg Heinrich Feder: Anzeige des Neuen in der vierten Auflage. In: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Vierte und vermehrte Auflage. Göttingen 1776, unpag. [S. 2]. 7 Vgl. Johann Georg Heinrich Feders Vorbericht zur dritten Auflage. In: ders.: Logik und Metaphysik. Dritte vermehrte Auflage. Göttingen, Gotha 1771, Bl. *3a–[*6b]. In seinem Neuen Versuch greift er diesen Punkt auf und schreibt: »Bey Büchern, die zu Vorlesungen bestimmt sind, wird dieß gar leicht der Fall. Derjenige muß sehr niedrige Begriffe von den Wissenschaften, oder sehr grosse von sich haben; welcher sich überreden kann, daß man an Büchern, die den Inhalt einer ganzen Wissenschaft vorstellen sollen, nicht immer noch auszubessern und zuzusetzen findet, so lange man sich Mühe darum giebt« (Feder: Neuer Versuch [s. Anm. 2], S. 14f.). 8 Feder: Anzeige (s. Anm. 6), [S. 3].
»Überflüssig und unnütz«?
grundsätzlich ab. Feder wolle dem »diebischen Nachdrucker – denn dieses ist er nicht nur nach der Moral, sondern selbst nach den natürlichen Begriffen der äusserlichen Gerechtigkeit«9 – nicht behilflich sein, seine Schriften noch leichter nachzudrucken. Feder setzt in diesem Zusammenhang den Nachdrucker mit dem Dieb gleich – ein Vergleich, der in der Auseinandersetzung über den Büchernachdruck zu dieser Zeit weit verbreitet ist. Dieser Vergleich scheint ebenso einleuchtend wie naheliegend, doch kennzeichnet er ein grundsätzliches Problem, das seit Mitte des 18. Jahrhunderts rege diskutiert wird: Wem gehört der Inhalt eines gedruckten und gehandelten Buches? Ist die Gleichsetzung von sächlichem und geistigem Eigentum so einfach, wie es die Gleichsetzung von Nachdrucker und Dieb suggeriert? Auch Feder hat sich an dieser wegen der verschiedenen, weit auseinanderliegenden und berechtigten Interessen von Autor, Verleger, Leser, Nachdrucker und Staat heftig geführten Debatte beteiligt. Im Folgenden wird seine Position innerhalb der Debatte verortet.
Buchmarkt und Nachdruck im 18. Jahrhundert Der Nachdruck bekannter und erfolgreicher Schriften kam schon bald nach der Einführung des Buchdruckes auf. Luthers Schriften hätten vermutlich nicht eine ebenso große wie schnelle Wirkung entfaltet, wenn sie nicht von Beginn an auch durch Nachdrucke eine weite Verbreitung im Reich gefunden hätten. Auch im 18. Jahrhundert war der Nachdruck kein unbekanntes Phänomen, doch hatte er bislang keine allzu großen wirtschaftlichen Konsequenzen. Erst mit dem Auseinanderfallen des Buchmarktes in den süddeutschen Reichsbuchhandel und den norddeutschen Handel unter der Führung der sächsischen Verleger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte der Büchernachdruck zu spürbaren wirtschaftlichen Konsequenzen. Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war vielen Verlegern der Nachdruck ihrer Schrift zwar ein Ärgernis, er stellte aber keine ökonomische Bedrohung dar und wurde von vielen als eine Art Kavaliersdelikt betrachtet, von dem kein größerer Schaden für den deutschen Buchmarkt ausging.10 Seit Beginn des 18. Jahrhunderts war die Leipziger Buchmesse die führende Messe in Deutschland. Sie setzte sich schon seit dem 16. Jahrhundert gegenüber der internationaler ausgerichteten Frankfurter Buchmesse als der wichtigere Handelsort
9 Ebd., [S. 4]. 10 Reinhard Wittmann: Der gerechtfertigte Nachdrucker? Nachdruck und literarisches Leben im achtzehnten Jahrhundert. In: Giles Barber u. Bernhard Fabian (Hg.): Buch und Buchhandel in Europa im achtzehnten Jahrhundert. Hamburg 1981, S. 295.
Frank Zöllner für deutschsprachige Literatur durch.11 1730 waren z. B. im Frankfurter Messkatalog 100 neue Titel angeführt, im Leipziger Katalog hingegen 700.12 Mit dem Aufschwung des Messestandorts Leipzig stiegen auch die wirtschaftlichen Interessen und Möglichkeiten der dort ansässigen Verleger. Die Dominanz der Leipziger Verlagshäuser wurde bald zum Problem für den Buchhandel des gesamten Reichsgebiets. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war er noch als Tauschhandel organisiert gewesen, d. h. die Verleger tauschten ihre Produkte untereinander in der Regel 1:1, Bogen gegen Bogen. Für die süddeutschen Verleger war dieser Handel recht einträglich, da sie ihren heimischen Buchmarkt mit den gefragten Werken zeitgenössischer Autoren beliefern konnten, die vermehrt bei nord- und mitteldeutschen Buchhändlern zu haben waren. Die norddeutschen Verleger erhielten dagegen regelmäßig Werke, für die sie keine Abnehmer mehr fanden, da sie nicht mehr dem Geschmack ihres Publikums entsprachen. Also bemühten sie sich darum, den bisherigen, ihnen nachteiligen Handelsmodus zu ändern, um den Gewinn aus ihren Werken zu erhöhen und gleichzeitig ihre Lager nicht mit unrentablen Schriften zu füllen. 1764 löste Philipp Erasmus Reich, der führende Leipziger Verleger, demonstrativ sein Lager in Frankfurt auf und kehrte der dortigen Messe den Rücken. Viele sächsische und norddeutsche Verleger folgten seinem Beispiel. Verbunden mit der Abkehr von Frankfurt war die Einführung des Nettohandels unter den Buchhändlern. Die Leipziger Verleger boten ihre Verlagsartikel nicht mehr zum Tausch an, sondern nur noch gegen Bezahlung. Begleitet wurde die Umstellung mit einer Verminderung des Kollegenrabatts. Von da an bedeutete der Erwerb norddeutscher Verlagsprodukte für auswärtige Buchhändler ein hohes finanzielles Risiko. Regelmäßig übertrafen Transportund Reisekosten die gewährten Rabatte, sodass sie keinen Gewinn mehr erzielen konnten. Da der sogenannte Reichsbuchhandel – gemeint sind damit die ca. 70 bis 80 süddeutschen Verleger und Buchhändler13 – keine lukrative Möglichkeit mehr sah, seine Absatzgebiete mit den begehrten Titeln der sächsischen Verleger zu versorgen, begann man mit dem Nachdruck in großem Stil, um die Nachfrage der heimischen Märkte zu befriedigen und eigene Gewinne zu erzielen. Dabei wurden mehr wissenschaftliche als literarische Werke nachgedruckt.14 Als Reaktion auf den Nachdruck ihrer Werke erwirkten die Leipziger Verleger das kursächsische Buchhandelsmandat (1773). Es schützte die inländischen Buchdrucker gegen unrechtmäßigen Nachdruck. Da die Leipziger Buchmesse der wichtigste Handelsplatz gleichsam für nichtsächsische Verleger war, hatte das Mandat auch über die Landesgrenzen hinaus eine gewisse Wirkung.15 11 Hellmuth Kiesel u. Paul Münch: Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzungen und Entstehung des literarischen Markts in Deutschland. München 1977, S. 128. 12 Ebd., S. 129. 13 Wittmann: Der gerechtfertigte Nachdrucker (s. Anm. 10), S. 296. 14 Ebd., S. 311f. 15 Höffner: Urheberrecht (s. Anm. 4), S. 312f.
»Überflüssig und unnütz«?
Die Forschung bezeichnet aufgrund dieser Entwicklungen die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts als das eigentliche Nachdruckzeitalter.16 Der Nachdruck war zum Teil sogar staatlich geschützt, ja gefördert. Der Wiener Nachdrucker Thomas von Trattner erhielt mit der Ernennung zum Hofbuchdrucker 1752 durch Maria Theresia ein Nachdruckprivileg für die österreichischen Erblande, der berüchtigte Karlsruher Nachdrucker Christian Gottlieb Schmieder ein Privileg der Markgrafschaft Baden.17 Der Büchernachdruck nahm erst wieder mit der Nürnberger Schlussnahme von 1788 deutlich ab. Hier einigten sich die meisten süd- und norddeutschen Verleger auf den Konditionshandel, der u. a. höhere Rabatte gewährte und die Rückgabe nicht abgesetzter Bücher an den Originalverleger zuließ.18 Die Verleger konnten besser kalkulieren, die Gefahr eines wirtschaftlichen Misserfolges war dadurch gebannt. Kaiser Franz II. berücksichtigte die Problematik des Büchernachdruckes außerdem in seiner Wahlkapitulation von 1792.19 Sie hatte zwar nicht die Stellung eines Reichsgesetzes, band aber zumindest den Kaiser und die Kurfürsten und hatte für die Reichsstände damit eine gewisse Relevanz.20 Angesichts dieser Zustände auf dem Buchmarkt des Reichsgebiets verwundert es nicht, wenn sich an dem Thema eine umfangreiche publizistische Debatte entzündete, um über Recht und Unrecht des Nachdrucks zu diskutieren. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchten Juristen verstärkt, die Rechtsnormen des Nachdrucks grundsätzlich zu klären, ohne dabei auf positives Recht zurückgreifen zu müssen, da aufgrund der territorialen Zergliederung und der unterschiedlichen Rechtshoheiten eine Einigung innerhalb des Reiches nicht zu erzielen war.21 Eine naturrechtliche Begründung sollte dem widerstreitenden positiven Recht vorausgehen. Die Initiativen zum Schutz vor Nachdruck gingen dabei zumeist von den Buchhändlern aus, die ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sahen, weniger von den Autoren, die sich um ihr Urheberrecht sorgten.22 Eine dritte Partei bildeten die Staaten, die interessiert waren, die Rechtlichkeit des Nachdrucks innerhalb ihrer Territorialgrenzen zu klären. Neben den merkantilen Interessen ging es ihnen aus Staatsräson auch um Fragen z. B. der Zensur.23 Regionale herrschaftliche Erlasse, 16 Wittmann: Der gerechtfertigte Nachdrucker (s. Anm. 10), S. 298. 17 Ebd., S. 302. 18 Kiesel, Münch: Gesellschaft und Literatur (s. Anm. 11), S. 130. 19 In Artikel VII, § 1 der Wahlkapitulation heißt es hierzu: »Insonderheit wollen Wir den für Deutschland wichtigen Buchhandel nicht ausser Acht lassen, sondern das obgedachte Reichsgutachten auch darüber erstatten lassen, wie fern dieser Handlungszweig durch die völlige Unterdrückung des Nachdruckes, und durch die Herstellung billiger Druckpreise von dem iztigen Verfalle zu retten sey« (Wahlkapitulation des römischen Kaisers Franz des Zweiten nach dem kurmainzischen Originale zum Drucke befördert. Mainz 1792, S. 34). 20 Höffner: Urheberrecht (s. Anm. 4), S. 218. 21 Ebd., S. 305f. 22 Ebd., S. 6. 23 Ebd., S. 119.
Frank Zöllner die den Buch(nach)druck und – wie im Falle Leipzigs – die Zensur regelten, kamen schon im 16. und 17. Jahrhundert auf, z. B. die Basler Druckordnung von 1531, die Nürnberger Druckerordnungen von 1561 und 1633 oder das Kursächsische Mandat von 1686.24 Hier stand in der Regel der Schutz der heimischen Drucker im Vordergrund. Der Autor, der für den Staat keinen wirtschaftlichen Mehrwert bedeutete, wurde in diesen Ordnungen nicht berücksichtigt. Es bestand im 18. Jahrhundert allerdings die Möglichkeit, einzelne Titel durch ein herrschaftliches Privileg zumindest innerhalb der Landesgrenzen zu schützen. Privilegien hatten vor allem die Funktion, in den Wirtschaftskreislauf einzugreifen und den Binnenmarkt zu regulieren. Ein Privileg war dabei aber immer an den Druck gebunden, d. h. ohne die gedruckten Exemplare konnte es nicht greifen.25 Privilegien konnten demzufolge auch nur durch den Buchdrucker erworben werden, nicht vom Autor. Zudem galten sie nur für einen bestimmten Herrschaftsbereich. Wirksame, reichsweite Schutzmöglichkeiten bestanden nicht. Erst mit der Etablierung des Geniebegriffs im 18. Jahrhundert rückte das durch den Autor Erschaffene, also sein Werk, als sein Eigentum stärker in den Fokus der Untersuchungen.26 Aber erst Immanuel Kant stellte 1785 mit seiner Schrift Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdruks27 einen Zusammenhang zwischen Autor und Werk her, indem er das Werk als Rede des Autors an das Publikum begreift, das untrennbar an den Redenden gebunden ist. Im Nachdruckzeitalter schwoll die Zahl der Publikationen, die sich mit der rechtlichen Einordnung des Nachdrucks sowie Fragen der eigentumsrechtlichen Stellung des Buches befassten, enorm an. Bülow vermerkt für den Zeitraum 1773 bis 1794 34 Monographien und 44 Aufsätze, die sich mit dem Thema Büchernachdruck und dessen (juristischer) Bewertung auseinandersetzen.28 Einen ersten Höhepunkt erreichte die Debatte in den 1770er Jahren. Anlass der publizistischen Auseinandersetzung war Friedrich Gottlieb Klopstocks Subskriptionsanzeige seiner Schrift Die deutsche Gelehrtenrepublik.29 Klopstock wollte sein Werk ohne Verleger publizieren. Seine Idee war es, einen neuen Distributionsweg für Autoren zu erschließen, der sie
24 Ebd., S. 197–200. 25 Ebd., S. 244. 26 Ebd., S. 265–267. 27 Immanuel Kant: Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdruks. In: Berlinische Monatsschrift 3.1 (1785), S. 403–417. 28 Michael Bülow: Buchmarkt und Autoreneigentum. Die Entstehung des Urhebergedankens im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 1990, S. 15. 29 Der Subskriptionsplan erschien u. a. in der Hamburgischen Neuen Zeitung, dem Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten und dem Deutschen, sonst Wandsbecker Bothen (vgl. Christine Boghardt u. Martin Boghardt: Die zeitgenössischen Drucke von Klopstocks Werken. Eine deskriptive Bibliographie. Bd. 2. In: Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von Horst Gronemeyer u. a. Berlin, New York 1974ff., Abt. Addenda, Bd. III.2, S. 863–866).
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zu Eigentümern ihrer Werke macht, damit ihnen allein die Gewinne ihrer Schriften zukommen. Nachdem er sich ein Netz von Korrespondenten geschaffen hatte, das ihn bei der Subskribentensuche und der späteren Auslieferung unterstützen konnte, veröffentlichte er im Juni 1773 in einigen Zeitschriften die Ankündigung seines Werkes. Darin heißt es: Meine Absicht ist, zu versuchen, ob es möglich sei, daß die Gelehrten durch so eingerichtete Subskriptionen Eigentümer ihrer Schriften werden. Denn jetzt sind sie dies nur dem Scheine nach; die Buchhändler sind die wirklichen Eigentümer, weil ihnen die Gelehrten ihre Schriften, sollen sie anders gedruckt werden, wohl überlassen müssen. Es wird sich bei diesem Anlasse zeigen, ob man darauf hoffen könne, daß das Publikum den Gelehrten und diese sich untereinander (von dem letzten weiß ich schon jetzt nicht wenig) dazu beförderlich sein werden, daß sie zu dem wirklichen Besitze ihres Eigentums gelangen.30
Die Resonanz des Publikums war enorm. Als 1774 der angekündigte erste Band der Gelehrtenrepublik erschien, war ihm eine Auflistung der Subskribenten vorangestellt, die mehr als 3500 Personen umfasste.31 Der Buchhandel reagierte, noch bevor der tatsächliche Erfolg des Projekts öffentlich bekannt wurde. Seine Sorge, dass Selbstverlagsprojekte Schule machen und so zur ernstlichen Gefahr für den Buchhandel und seine ökonomischen Interessen werden könnten, war angesichts der umfangreichen Subskriptionsliste durchaus berechtigt. Kurz nach der Publikation der Klopstockschen Anzeige erschien anonym und ohne Druckort die Schrift Zufällige Gedanken eines Buchhändlers über Herrn Klopstocks Anzeige einer gelehrten Republik. Der Leipziger Verleger Reich, der rasch als Verfasser der Schrift bekannt wurde, warf ein, dass allein die Verleger über die zureichende Distributionsstruktur verfügten, die es ermöglichte, Schriften im ganzen Reich zu verbreiten. Zudem ließe es erst diese Struktur zu, auch anfänglich unrentable Schriften zu drucken, da sie sich durch erfolgreichere Publikationen absichern ließen. Bei Selbstverlag blieben Werke, die nicht genügend Subskribenten fänden, ungedruckt. Die Zahl der Publikationen ginge zurück, da nur noch Bücher gedruckt würden, deren Kosten von vornherein durch Subskription gedeckt wären. Wolle man den Verlegern helfen und auch den Autoren eine stärkere Teilhabe am Gewinn ermöglichen, so müsse man den Büchernachdruck verbieten. Ein reichsweites Nachdruckverbot würde den Verlegern und den Autoren helfen. So wäre über die Sicherung des Absatzes der Originalverleger auch eine bessere Honorierung der Autoren möglich.32 Den dritten wichtigen Beitrag dieser ersten umfangreichen Kontroverse, der den Büchernachdruck aus der Sicht des Publikums bewertete, lieferte der Hamburger Arzt Johann Albert Heinrich Reimarus mit seiner 1773 ebenfalls anonym publizierten 30 Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick. München 1991, S. 151f. 31 Ebd., S. 153. 32 Vgl. Höffner: Urheberrecht (s. Anm. 4), S. 325f.
Frank Zöllner Schrift Der Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller, der Buchhändler und des Publikums erwogen.33 Auch Reimarus spricht sich gegen die Selbstverlagsidee aus, da dadurch die Vielfalt der Neuerscheinungen eingeschränkt würde.34 Ein Nachdruckverbot, wie es Reich forderte, lehnte er jedoch strikt ab. Besonders für den Leser sei es wichtig, günstig Werke in Regionen zu erhalten, die durch den Originalverleger nicht beliefert würden. Ebenso gewönne das Publikum durch preiswerte Ausgaben der Werke,35 die im Nachdruck erschienen oder durch Originalverleger veranstaltet würden, um den Nachdruck zu verhindern.36
Johann Stephan Pütters Gutachten Im Umfeld dieser Kontroverse entstand auch Johann Stephan Pütters umfangreiches Gutachten Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft.37 Das Gutachten wurde vielfältig rezipiert, auch Johann Georg Heinrich Feder bezieht sich in seiner eigenen Abhandlung ausdrücklich auf Pütters Beitrag. In seiner Selbstbiographie (1798) gibt Pütter zur Entstehung der Schrift an: Da seit mehreren Jahren das Unwesen des Büchernachdrucks immer häufiger eingerissen war, wie auch meine Bücher verschiedentlich eben das Schicksal gehabt hatten, ohne daß die nachdrücklichen Verfügungen unsers Hofes das Übel hatten hemmen können; so hatte eine Anzahl der vorzüglichsten Teutschen Buchhändler sich vereinigt, mich um eine ausführliche rechtliche Darstellung dieses Unfuges zu ersuchen.38
Auch Pütter ist sich im Klaren darüber, dass es derzeit keine positivrechtliche Grundlage gibt, den Nachdruck zu untersagen. Er zielt daher ebenfalls auf eine naturrechtliche Begründung ab, die dem positiven Recht vorangeht. Zu Beginn seiner Abhandlung weist er daher darauf hin, dass »jene beyde[n] Gesetzbücher«,39 gemeint sind das römische Recht und das kanonische Recht, älter seien als der Buchdruck und somit auch keinen expliziten Schutz der Erstverleger vor Nachdruckern enthielten. So bleibe ihm nichts anderes übrig,
33 [Johann Albert Heinrich Reimarus:] Der Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller, der Buchhändler und des Publikums erwogen. Hamburg 1773. 34 Ebd., S. 7f. 35 Ebd., S. 25. 36 Ebd., S. 30. Vgl. Höffner: Urheberrecht (s. Anm. 4), S. 327f. 37 Johann Stephan Pütter: Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft. Göttingen 1774. 38 Johann Stephan Pütters Selbstbiographie zur dankbaren Jubelfeier seiner 50jährigen Professorenstelle zu Göttingen. Bd. 2. Göttingen 1798, S. 606. 39 Pütter: Büchernachdruck (s. Anm. 37), S. 3.
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als in der Natur der Sache so tief als möglich hineinzugehen, und dann theils allgemeine Grundsätze des Rechts der Natur oder auch jene analogische Folgerungen aus den gemeinen Rechten, theils das, was etwa gewisse stillschweigend angenommene Gewohnheits-Rechte aller oder mehrerer Europäischen Nationen an die Hand geben, darauf in Anwendung zu bringen.40
Pütter will daher das Wesen des Gegenstandes bzw. Rechtsgeschäfts untersuchen und daraus die entsprechenden Rechte ableiten.41 Hierfür bedient er sich naturrechtlicher Bestimmungen des Eigentums. Bücher sind aber keine rein materiellen Gegenstände wie andere Produkte, die problemlos unter den Eigentumsbegriff gefasst werden können. Sie bestehen neben den physischen Materialien (Papier und Tinte) noch aus einem weiteren Grundstoff. Pütter schreibt hierzu: »So kann, was bey anderen Fabriken überhaupt der erste Grundstoff (materia prima) heißt, hier füglich in gelehrten und bloß materiellen Grundstoff abgetheilt werden.«42 Mit dem physischen Buch (dem materiellen Grundstoff) kann der Eigentümer, wie auch bei anderen Dingen, die ihm gehören, verfahren, wie es ihm beliebt, d. h. er kann das Buch verschenken, verleihen, verkaufen und es zerstören. Diese Möglichkeiten kann ihm niemand nehmen. Dies gilt aber in der zeitgenössischen Rechtspraxis nur für gegenständliche und nicht für abstrakte Produkte. Um den immateriellen, gelehrten Stoff eines Buches eigentumsfähig zu machen, verwendet Pütter den Begriff der Arbeit, den er als Prozess der Wertschöpfung versteht.43 Durch seine geistige Tätigkeit hat der Gelehrte bzw. der Dichter einen Gegenstand geschaffen, der ihm allein zugehört. Pütter schreibt über die Werke: Diese sind gleich ursprünglich unstreitig ein wahres Eigenthum ihres Verfassers, so wie ein jeder das, was seiner Geschicklichkeit und seinem Fleisse sein Daseyn zu danken hat, als sein Eigenthum ansehen kann.44
40 Ebd., S. 3f. 41 Ebd., S. 4. 42 Ebd., S. 20. 43 Die Arbeitstheorie schließt hier an Vorstellungen an, wie sie u. a. John Locke in seiner Abhandlung Two Treatises of Government dargelegt hatte. Bei Locke heißt es hierzu im Second Treatise: »Though the earth, and all inferior creatures, be common to all men, yet every man has a property in his own person: this nobody has any right to but himself. The labour of his body, and the work of his hands, we may say, are properly his. Whatsoever then he removes out of the state that nature hath provided, and left it in, he hath mixed his labour with, and joined to it something that is his own, and thereby makes it his property. It being by him removed from the common state nature hath placed it in, it hath by this labour something annexed to it, that excludes the common right of other men. For this labour being the unquestionable property of the labourer, no man but he can have a right to what that is once joined to, at least where there is enough, and as good, left in common for others« (John Locke: Two Treatises of Government and A Letter Concerning Toleration. Ed. by Ian Shapiro. New Haven, London 2003, S. 111f.). 44 Pütter: Büchernachdruck (s. Anm. 37), S. 25.
Frank Zöllner Mit dem Weg über die Arbeit wird das geistige Eigentum auf die gleiche Ebene wie das Sacheigentum gestellt. Der Urheber kann nun mit seinem Werk analog zu anderen materiellen Gegenständen verfahren wie er möchte. Er kann das Ergebnis seiner Arbeit, das sich im Manuskript manifestiert, unpubliziert lassen, es selbst drucken, oder, wie es der übliche Weg ist, das Manuskript einem Verleger zu bestimmten Konditionen überlassen – im Falle des Verlages betrifft das die Ausstattung des Werkes, die Entlohnung des Autors sowie die Höhe der Auflage.45 Dadurch erwirbt46 der Verleger das Eigentum am Manuskript und das ausschließliche Verlagsrecht47 – Pütter spricht in diesem Zusammenhang auch vom eigentümlichen Verlagsrecht.48 Das Verlagsrecht bleibt aber an einen Vertrag mit dem Urheber bzw. dem Rechteinhaber gebunden. Auf anderem Weg kann es nicht erworben werden. Dem Einwand, dass man ja beim Verleger ein Buch erwerben und damit letztlich frei verfahren könne, es also auch nachdrucken könne, weist er zurück, indem er darauf hinweist, dass das Verlagsrecht in diesem Fall nicht mit veräußert würde. Der Originalverleger versteht es im Gegensatz zum ersten Kontrakt mit dem Autor nicht als Teil des Vertrags. Im römischen Recht wie auch im Naturrecht müssen sich schließlich beide Parteien über die Bedingungen des Vertrags einig sein, damit ein gültiger Vertrag zustande kommt:49 In der Natur des Bücherkaufs liegt es schon, daß zwar jeder anderer Gebrauch, aber nicht dieser, der nicht das einzelne Buch, sondern dessen nicht mit verkauften Grundstoff, betrifft, mit dem Besitze eines Buches verknüpft ist.50
Damit ist der Kern der natur- und vertragsrechtlichen Argumentation Pütters im Wesentlichen umrissen. Es schließen sich noch Ausführungen an, warum der Nachdruck aus wirtschaftlichen Gründen, z. B. Einfluss auf die Mischkalkulationen der Verleger51 oder unter aufklärerischen Aspekten – z. B. Schwächung der allgemeinen Gelehrsamkeit,52 Unterdrückung der Arbeit des Gelehrten,53 Zurückhaltung verbesserter Ausgaben54 – abzulehnen ist. Interessanterweise ist Pütter bei seiner
45 Ebd., S. 26. 46 Ebd., S. 26f. 47 Das Ausschließungsrecht (ius prohibendi) richtet sich gegen die Beeinträchtigung und den Mitgenuss (ebd., S. 50). 48 Das eigentümliche Verlagsrecht stellt Pütter der allgemeinen natürlichen Verlagsfreiheit entgegen. Sie gilt für Artikel, die keinen natürlichen bzw. lebenden Urheber haben, z. B. Bibeln, Gesangbücher oder Kalender (ebd., S. 27). 49 Ebd., S. 44. 50 Ebd., S. 50. 51 Ebd., S. 33. 52 Ebd., S. 34. 53 Ebd., S. 35. 54 Ebd.
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Begründung der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdruckes letztlich nicht ganz konsequent und unterläuft damit seine allgemeingültige naturrechtliche Argumentation: Er hält ihn in einigen Fällen durchaus für statthaft und für den Originalverleger nicht nachteilig, und zwar, wenn es sich bei den nachgedruckten Werken um ausländische Bücher handelt: Der einzige Fall, wo der Nachdruck von allen diesen üblen Folgen frey gesprochen werden kann, ist nur dieser, wenn er dem rechtmässigen Verleger gar keinen Abbruch thut, und also nicht an Orten debitirt wird, wohin der Verleger auf Absatz rechnen konnte; wie z. E. gemeiniglich der Fall seyn wird, wenn ein Englisches Buch in Teutschland, oder ein Teutsches in Engelland nachgedruckt wird, oder überhaupt wenn dergleichen zwischen entfernten Nationen, die in keinem Bücherverkehr mit einander stehen, vorgehet. 55
Die Stärke des pütterschen Beitrages liegt darin, dass er ein Werk aufgrund der erbrachten Arbeit des Autors zum eigentumsfähigen Gegenstand erklärt. Damit verbunden ist sein (natur)rechtlicher Schutz, wie z. B. die ausschließliche Verwendung durch den Eigentümer, und, dass es vertragsrechtlicher Gegenstand sein und damit sein Eigentumsrecht übertragen werden kann. Dieses eigentümliche Verlagsrecht kann nur durch einen Vertrag mit dem Urheber übertragen werden. Es ist nicht an einen Druck der Schrift gebunden und kann also auch nicht mit dem Kauf eines einzelnen Exemplars erworben werden. Da nur der Originalverleger einen Vertrag mit dem Autor hat und das Manuskript vorweisen kann, steht ihm allein das Verlagsrecht zu. Die Autor-Verleger-Beziehung bekommt hier einen besonderen Stellenwert. Auf das zeitgenössische Privilegienwesen geht Pütter im zweiten Teil seines Gutachtens auch ausführlich ein.56 Er zeigt auf, dass für Bücher bisher nur eine positivrechtliche Schutzfunktion durch landesherrliche Privilegien besteht, das dem Verleger in der Regel den ausschließlichen Vertrieb und damit einen Absatzschutz einräumt.57 Pütters Arbeit besticht durch die reichhaltigen Quellen, die er zur Unterstützung oder als Beleg seiner Argumentation heranzieht. Seine Analyse der Problematik bezieht antike Autoren wie Diogenes Laertius und römische Rechtsgelehrte wie Ulpian ebenso mit ein wie die neuere Reichspublizistik, z. B. Johann Jakob Schmauß’ Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede oder Johann Jakob Mosers Schriften Von den Kayserlichen Regierungs-Rechten und Pflichten oder
55 Ebd., S. 40. Dass dies aber durchaus auch anders möglich war, zeigt Philipp Erasmus Reich – auch wenn es wohl die Ausnahme war –, der sich die Verlagsrechte für Richardsons Romane in Deutschland beim Autor persönlich sicherte. Mark Lehmstedt: Philipp Erasmus Reich (1717–1787). Verleger der Aufklärung und Reformer des deutschen Buchhandels. Leipzig 1989, S. 65–67. 56 Vgl. hierzu den Abschnitt »Was es mit den Bücherprivilegien, die auch über eigenthümliche Verlagsbücher nicht ungewöhnlich sind, für eine Bewandtniß habe?« In: Pütter: Büchernachdruck (s. Anm. 37), S. 92–99. 57 Ebd., S. 26f.
Frank Zöllner Teutsches Staats-Archiv. Aus zeitgenössischen Journalen, z. B. die Göttingischen gelehrten Anzeigen oder Johann Christoph Gatterers Historisches Journal, oder landesfürstlichen Erlassen, wie z. B. das sächsische Buchhandelsmandat vom 18. Dezember 1773, wird ebenso reichlich zitiert. Pütter liefert mit seinem Beitrag eine frühe Lösung, den Nachdruck rechtlich unterbinden zu können, ohne dafür landesherrliche Gesetze bzw. das Reichsrecht zu bemühen. Er vertritt zudem in seiner Schrift einen Gedanken, der in der weiteren Debatte immer stärker Gestalt annimmt. Die Überlegungen vor Pütter waren meist vom gedruckten Buch ausgegangen, das es gegen Nachdruck zu schützen galt. Sie argumentierten daher vom Standpunkt des Originalverlegers und dessen Rechten aus. Pütter geht nun einen Schritt weiter und setzt beim Autor als Urheber der Schrift an, obwohl es auch sein zentrales Anliegen ist, die Originalverleger und ihre Eigentumsansprüche zu schützen. Obwohl seine Überlegungen noch weit von der autorbezogenen Fundierung des modernen Urheberrechts entfernt sind, so nehmen sie doch neben den Rechten des Verlegers auch die des Autors in den Blick. Pütters Schrift stellt daher einen gewichtigen und einflussreichen Beitrag in der Auseinandersetzung dar, auf den sich in der Folge zahlreiche Schriften bezogen.
Feders Neuer Versuch Johann Georg Heinrich Feders Beitrag Neuer Versuch einer einleuchtenden Darstellung der Gründe für das Eigentum des Bücherverlags, nach Grundsätzen des natürlichen Rechts und der Staatsklugheit erschien in drei Teilen 1780 in den ersten drei Stücken des gerade durch Georg Christoph Lichtenberg und Georg Forster begründeten Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur. Er steht damit zeitlich zwischen den beiden großen Publikationswellen zum Büchernachdruck, und zwar der Klopstock-Reich-Reimarus-Kontroverse ab 1773 – zu der, wie schon erwähnt, auch Pütters Gutachten gehört – und den Veröffentlichungen anlässlich der Nürnberger Schlussnahme (1788) und der Wahlkapitulation Franz’ II. (1792). Feder verweist in seiner Vorerinnerung auf die »ausführliche[] und gründliche[] Erörterung dieser Materie durch den Herrn G. J. P ü t t e r «58. Mit auktorialer Bescheidenheit erklärt er zudem weiter, dass sein Beitrag daneben »vielen überflüssig und unnütz«59 erscheinen muss. Dennoch unternimmt er diesen neuen Versuch, da ihm seine Erfahrung gezeigt hat, daß diese Überzeugung noch vielen fehlet, bey welchen doch nicht der Wille, die Wahrheit anzunehmen, sich in Zweifel ziehen läßt; welchen also jene Gründe entweder noch gar nicht be-
58 Feder: Neuer Versuch (s. Anm. 2), S. 1. 59 Ebd.
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kannt, oder weil sie nicht so, wie ihre Vorstellungsart es erfordert, aus einander gesetzt sind, nicht völlig einleuchtend seyn müssen.60
Sein Anliegen ist es, neben der stetigen Verbreitung der (in Pütters Gutachten enthaltenen) Wahrheiten ihnen eine andere, in diesem Fall populärere, Form zu geben, um den Empfängerkreis zu erweitern. Feder weiß ebenfalls um die Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten des positiven Rechts und meint, dass in der Debatte die Rechtsverhältnisse nicht ausreichend bzw. sogar falsch behandelt worden seien.61 Daher möchte er die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdruckes nicht nur unter dem Aspekt des angewandten Rechtes – der Staatsklugheit62 – betrachten, sondern auch nach Grundsätzen des Naturrechtes prüfen. Dies schlägt sich deutlich im dualen Aufbau seiner Schrift nieder, deren erster Teil die »Grundsätze des natürlichen Rechtes in Ansehung des Büchernachdrucks«63 prüft, während dies im zweiten Teil nach den »Grundsätzen des allgemeinen Staatsrechtes und der Politik«64 geschieht. Feders naturrechtliche Betrachtungen schlagen ihren Weg über das Eigentumsrecht ein. Wie Pütter teilt Feder ein Buch in zwei Grundstoffe: den materiellen Grundstoff, die gedruckte Kopie des Werkes, die aus Papier, Tinte etc. besteht, und den immateriellen Grundstoff, der Grundlage des ersteren ist. Für den immateriellen, literarischen Grundstoff gilt mit Hilfe der Arbeitstheorie die Eigentumsfähigkeit. Feder macht dies deutlich, wenn er z. B. im § 3 schreibt: »Der erste Eigenthümer einer Schrift ist der Verfasser; es ist seine Arbeit.«65 Der Autor überlässt sein Werk mittels der gedruckten Exemplare – also einer physischen Kopie seines Textes – den Lesern zum Gebrauch. Er überträgt ihm aber nicht das Eigentum am immateriellen Grundstoff. Dies verbleibt bei ihm, bis er sein Eigentum daran ausdrücklich aufgibt, sei es durch explizite Aufgabe oder durch seinen Tod: Die natürliche Vorstellung, dünkt mich, ist diese. Mittelst des Exemplars theilt der Verf. dem Publico die Nutzniessung seines Geistesproductes mit, Unterricht oder Vergnügen. Der Grund aber, woraus dieser Nutzen entspringt, das Geistesproduct selbst ist, bis er unfähig wird ein Ei 60 Ebd., S. 2. 61 Ebd., S. 3. 62 Mit dem Begriff der ›Staatsklugheit‹ setzt sich Feder ausführlich u. a. in seinem Lehrbuch Grundlehren zur Kenntniß des Menschlichen Willens auseinander (Johann Georg Heinrich Feder: Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens. Göttingen 1782, Bd. 2: Grundsätze des Naturrechts, S. 117–194). Sie ist die »Wissenschaft von den Regeln, die Kräfte und Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft zum Besten ihrer Mitglieder anzuwenden« (§ 1, S. 119), und ihr Zweck ist die »vollkommene und dauerhafte Glückseligkeit der Mitglieder des Staates« (§ 2, S. 120). Für die Glückseligkeit bedarf es Gerechtigkeit, und die besteht zuvörderst aus der »Beschützung des Eigenthums« (§ 2, S. 120). 63 Feder: Neuer Versuch (s. Anm. 2), S. 4. 64 Ebd., S. 221. 65 Ebd., S. 11.
Frank Zöllner genthum in dieser Unterwelt zu haben, oder bis er ausdrücklich ihm entsagt – wie bisweilen Schriftsteller aus Mißfallen an ihrer ehemaligen Arbeit gethan haben, immer als sein, und keines andern Menschen Eigenthum anzusehen. Auch in Absicht auf den Verleger, dem er das Recht überläßt, Abschriften zu machen und zu verkaufen, bleibt er noch immer Eigenthümer des geistischen Grundstofs; ausser nur in so weit er sich dessen begeben hat.66
Diese Definition des geistigen Eigentums als eigentumsfähiger Grundstoff löst für Feder und andere Autoren nicht nur das Nachdruckproblem. Es macht auch das Argument der Verleger zunichte, mit dem sie das Ewige Verlagsrecht begründet hatten. Da der geistige Grundstoff nicht veräußert werden kann, kann der Autor auch seinen Text nachträglich verändern. Hätte er sein Eigentum daran mit dem einmaligen Verkauf des Manuskriptes vollständig aufgegeben, so wäre die weitere Arbeit am Text nicht rechtens, ja, der Text könnte auch unautorisiert verändert werden (was bei Lehrbüchern gängige Praxis war). Im 18. Jahrhundert hatte die Kollision zwischen dem gewohnheitsrechtlich geltenden (und intuitiv verständlichen) Ewigen Verlagsrecht und dem intuitiv einsichtigen, aber nicht kodifizierten Revisionsrecht des Autors immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten geführt. Mit dem Eigentum verbunden ist für Feder die uneingeschränkte Freiheit, darüber nach Gutdünken zu verfügen, d. h. man kann sein Eigentum mit jeder nur erdenklichen Einschränkung veräußern, so lange sich jemand findet, der sie akzeptiert. Einschränkungen, die »in der Natur einer Sache oder der Natur eines Veräusserungscontractes«67 liegen, nennt Feder natürliche Einschränkungen, und wenn sie »so offenbar einleuchte[n], daß man nur die gemeinsten Begriffe0 des Menschenverstandes nöthig hätte […] höchst natürliche Einschrenkungen«68. Das Eigentum an mit Einschränkungen veräußerten Sachen heißt demzufolge unvollständig. Das unvollständige Eigentum charakterisiert er wie folgt: [D]as ganze Eigenthum oder der Innbegriff aller physisch und rechtlich möglichen Arten des Gebrauchs einer gewissen Sache, sie soll M heissen, sey a + b + c + d … + y + z. Bey der Überlassung dieser Sache an einen andern nehme ich, ausdrücklich oder stillschweigend rechtskräftig, den Gebrauch y aus. So folgt, daß, was den G e b r a u c h y a n b e l a n g t , die Sache M nicht als des andern Eigenthum angesehen werden könne; sondern vielmehr angesehen werden müsse, als ob sie von mir gar nicht wäre veräussert worden.69
Daraus resultiert, dass der ausgenommene Gebrauch y niemals durch den Eigentümer von M verkauft worden ist und der Eigentümer für den unrechtmäßigen Gebrauch y entschädigt werden muss.70 Ist per Vertrag oder per gesetzte Rechtsnorm y 66 Ebd., S. 16f. 67 End., S. 6. 68 Ebd. 69 Ebd., S. 8f. 70 Ebd., S. 9ff.
»Überflüssig und unnütz«?
vom Verkauf ausgenommen, und ist sie im Fall des Urheberrechts das Verlagsrecht, kann ein Verleger das Verlagsrecht nicht erwerben. Mit diesem Argument begegnet Feder einem gewohnheitsrechtlichen Aspekt der Eigentumspraxis, das die Nachdrucker zur Legitimation herangezogen hatten: Ein gekauftes Buch nachzudrucken, entspricht dem Umgang mit anderen Manufakturwaren, die jeder nach Erwerb rechtmäßig kopieren kann (einen generellen Schutz des Designs oder von Erfindungen etwa kannte das Urheberrecht des 18. Jahrhunderts nur eingeschränkt – mittels Privilegierung –, selbst mechanische und technische Geräte durften nachgebaut, Gemälde durch Kupferstich oder andere Medien ohne weiteres kopiert und verbreitet werden). Um dieses Problem zu umgehen, argumentiert Feder vertragsrechtlich: Da der Verleger den Buchinhalt selbst nur eingeschränkt vom Autor erhalten hat, vertreibt er mit dem einzelnen Buch nicht zugleich sämtliche Eigentumsrechte daran mit. Da der Nachdrucker keinen Vertrag mit dem Autor geschlossen hat, hat er folglich kein Recht am Buchinhalt. Indem er das Verlagsrecht nicht nur an einen Vertrag mit dem Urheber bindet, sondern es von vornherein nur als eingeschränkt veräußert betrachtet, geht Feder mit seiner Argumentation sogar einen Schritt über Pütter hinaus. Dieser hatte die eingeschränkte Veräußerung erst bei der VerlegerPublikum-Beziehung angesetzt.71 Feder ist sich natürlich bewusst, dass eine rein naturrechtliche Begründung der Ungerechtigkeit des Büchernachdruckes nicht ausreicht, so lange sie keine Verankerung im positiven Recht findet.72 Daher versucht er, die naturrechtliche Geltung seiner Definitionen durch einleuchtende, gewohnheitsrechtliche Analogien zu belegen. Der Ausgang hierfür bildet seine Bestimmung der höchst natürlichen Einschränkungen, die dem natürlichen Menschenverstand unmittelbar einsichtig sind: Das Natürliche versteht sich. Wenigstens solche Bedingungen und Einschrenkungen, die höchst natürlich sind, […] brauchen vernünftigen Menschen nicht gesagt zu werden; sondern verstehen sich ungesagt. Sie können zum Überfluß ausdrücklich angezeigt werden; aber es ist zur Festsetzung ihrer Gültigkeit nicht just nöthig.73
Das Naturrecht, das sich an der unmittelbaren Verstandeseinsicht ausmachen lässt, bildet hier die intuitiven und deshalb nicht unbedingt zu kodifizierenden Grundlagen des positiven Rechts. Über die natürlichen Einschränkungen schreibt er weiter: […] daß sie als stillschweigende Bedingungen oder Ausnahmen eben so gut gelten müssen, als wenn sie ausdrücklich wären ausgemacht worden; ist ein gemeiner Grundsatz aller Rechtswissenschaften. Viele Regeln unseres gemeinen positiven Rechtes, die Clausula rebus sic stantibus, und andere Rechtssätze haben darinne ihren Grund. Und ich sehe also nicht, warum es in
71 Bülow: Buchmarkt und Autoreneigentum (s. Anm. 28), S. 57. 72 Feder: Neuer Versuch (s. Anm. 2), S. 13. 73 Ebd., S. 7.
Frank Zöllner Zweifel gezogen werden könne, daß die Ausnahme des Verlags eine sich stillschweigend verstehende Einschrenkung beym Verkaufe eines Buches sey.74
Damit versucht Feder, die bestehenden Rechtsunsicherheiten grundsätzlich zu lösen. Sein Argument von der unmittelbaren Einsicht in das Naturrecht belegt er am Beispiel der Nachdruckdebatte selbst: Er weist auf die zahlreichen Verleger hin, die ihren Unmut über den Nachdruck geäußert und ihren Missmut darüber öffentlich bekundet haben. Sie haben, wenn es auch rechtlich nicht eindeutig kodifiziert ist, mit großer Selbstverständlichkeit das alleinige Verlagsrecht für sich beansprucht. Wegen dieses allgemeinen Konsenses könne sich der Nachdrucker keinesfalls auf den Standpunkt zurückziehen, die Unrechtmäßigkeit des Nachdruckes sei ihm nicht einsichtig. Wie können aber nun die naturrechtlichen Bestimmungen im positiven Recht verankert werden, um umfassend durchsetzbar zu sein? Feder hatte ja schon angemerkt, dass eine allein naturrechtliche Herleitung des geistigen Eigentums nicht vor dem unrechtmäßigen Gebrauch schützt. Sofern ihm die Obrigkeit nicht beisteht und sein immaterielles Eigentum durch die Verankerung im positiven Recht schützt, bleibt der Autor dem Missbrauch seines Werkes ausgesetzt.75 Er erkennt daher als zentrales Problem die widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen. Aus diesem Grund wird der Nachdruck durch die Obrigkeit nicht ausreichend eingedämmt, sondern im Gegenteil sogar staatlich gefördert und geschützt, um die heimische Wirtschaft zu stärken, selbst wenn offiziell die Ideale der Aufklärung bemüht werden, die zur Verbreitung von gemeinnützlichen Kenntnissen verpflichten: Sollte es sich von einer gerechten und weisen Obrigkeit denken lassen, daß sie Privilegien zum Nachdruck giebt; vielleicht so unbestimmte Privilegien, daß, zufolge des Buchstaben desselben, ganze Bibliotheken könnten nachgedruckt werden?76
Es ist natürlich eine rhetorische Frage: Trattner in Wien und Schmieder in Karlsruhe taten genau dies. Schmieder konnte sich sogar 1774 ein kaiserliches Privileg auf zehn Jahre für seine Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter sichern. In die Sammlung nahm er alles auf, was Rang und Namen hatte – und vor allem Erfolg, der ihm den großen Absatz seiner Reihe garantieren sollte. Folgerichtig prüft Feder nun im zweiten Teil seiner Abhandlung, ob der Büchernachdruck unter bestimmten Einschränkungen bzw. Auflagen durch den Staat nicht doch erlaubt sein könnte, oder ob er der Pflicht zum Schutz des Eigentums,
74 Ebd., S. 19. 75 Der Autor ist, »wofern die Obrigkeit ihm nicht beysteht, […] ohne Hülfe der Willkühr der Menschen, die erndten wollen, wo sie nicht gesäet haben, überlassen« (ebd., S. 13f.). 76 Ebd., S. 242.
»Überflüssig und unnütz«?
wie es die Staatsklugheit fordert, nachkommen muss. Feder weist darauf hin, dass natürliche Rechte durch die Gesellschaft eingeschränkt oder aufgehoben werden können.77 Die Einschränkung des »allgemeinen oder ursprünglichen Naturrechtes«78 ist jedoch nur möglich, wenn sie »eben so ihren Grund in der Natur und dem wahren Vortheil der besonderen Gesellschaft«79 hat. Der Kern des Rechtes darf dabei aber nicht verletzt werden, es darf nur »seinen Gründen gemäß, genauer bestimmt und den Umständen angepaßt«80 werden. Um ein natürliches Recht schließlich einzuschränken – in diesem Fall den Büchernachdruck zu dulden, obwohl er das Recht des Eigentums verletzt –, müssen die Vorteile nicht nur deutlich überwiegen, die Einschränkung muss auch durch sämtliche Mitglieder der Gesellschaft akzeptiert sein.81 Dies gilt umso mehr, da ja der Schutz des Eigentums ein wichtiges Prinzip der Staatsklugheit darstellt. Für den Nachdruck kommt er zu dem Schluss, dass dem Vorteil der Förderung der Aufklärung82 zu viele Nachteile gegenüberstehen. Er nennt u. a. die Verringerung der Publikationszahlen durch verminderte oder ausbleibende Honorare83 oder die Befürchtung, dass Buchhändler nur noch mittelmäßigere oder speziellere Literatur verlegen, um nicht Gefahr zu laufen, nachgedruckt zu werden.84 Schutz des Eigentums ist daher die Pflicht jeder Obrigkeit. Die bisherige Praxis des Privilegienwesens lehnt er ab. Landesherrliche Privilegien oder ein obrigkeitliches Nachdruckverbot für eine bestimmte Dauer, z. B. 14 oder 28 Jahre, wie es in England üblich war, sind für ihn nur eine Einschränkung des natürlichen Eigentumsrechts und nicht dessen Schutz.85
Fazit Wie ist der Beitrag Feders innerhalb der Debatte zu bewerten? Eine so breite Rezeption wie Johann Stephan Pütters Gutachten erfuhr der Beitrag nicht. Dennoch erhielten Feders Ausführungen ebenfalls einige Beachtung. Die kontinuierliche Rezeption beider Texte – es wurde dabei meist die Übereinstimmung der beiden Positionen betont, weniger deren Unterschiede – ist darauf zurückzuführen, dass 77 Ebd., S. 221. 78 Ebd. 79 Ebd., S. 221f. 80 Ebd., S. 222. 81 »[S]o muß das Beste der Gesellschaft, in dessen Beförderung alle Mitglieder entweder ausdrücklich oder stillschweigend eingewilligt haben, ihn erfordern« (ebd.). 82 Ebd., S. 222f. 83 Ebd., S. 223. 84 Ebd., S. 224. 85 Ebd., S. 229f.
Frank Zöllner keine andere Untersuchung die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdruckes unter rechtlichen Aspekten so ausführlich unternahm, wie dies Pütter tat, und keiner »gründlicher und philosophischer[,] als Feder«.86 Die Bezugnahme auf Feder war dabei überwiegend positiv. Christian Sigmund Krause setzte sich in seinem Aufsatz Über den Büchernachdruck, der 1783 im Deutschen Museum erschien, eingehend und als einer der wenigen Rezipienten kritisch mit den Positionen Pütters, Linguets und Feders auseinander, da er die öffentliche Verteidigung der Nachdrucker übernahm. Auch wenn Krause Feder für seine Bestimmung des Eigentums lobte, so erkannte er doch in dessen Argumentation einige Schwächen. So sei der Begriff des Eigentums nicht klar definiert und sei geistigen Produkten nicht angemessen, da man über sie nicht ausschließlich, wie dies bei tatsächlichem Eigentum der Fall ist, verfügen könne.87 Feders vertragsrechtliche Argumente kritisierte er ebenso, da das gedruckte Buch sich vom Manuskript deutlich unterscheide und daher die vertraglichen Einschränkungen, die für die Vorlage gälten, für die Ware Buch nicht griffen.88 Zudem seien Autor oder Verleger rechtlich gesehen nicht in der Position, ein Verlagsrecht einzugrenzen, dies obliege allein der Obrigkeit.89 Der Leipziger Verleger Ernst Martin Gräff führte einige Argumente aus Feders Aufsatz in seiner umfangreichen Arbeit Versuch einer einleuchtenden Darstellung des Eigenthums und der Eigenthumsrechte des Schriftstellers und Verlegers und ihrer gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten (1794) neben Pütter, Johann Jakob Cella oder Martin Ehlers für seine Beweisführung an. Er wandte sich in seiner Schrift aber nicht gegen den Nachdruck. Gräff ging es um die Bestimmung des Eigentums und die daraus resultierenden Rechten und Pflichten von Autor und Verleger.90 Feders (und auch Pütters) Bestimmung des immateriellen Geistesproduktes als eigentumsfähige Sache mit Hilfe des arbeitstheoretischen Ansatzes konnten hierbei besonders überzeugen und waren für ihn von großem Nutzen, da die Verleger durch diesen Ansatz ein uneingeschränktes Eigentum an Werken erwerben konnten. Und schließlich fanden Pütters und Feders Argumente zum Teil Eingang in Kotzebues Denkschrift über den Büchernachdruck für den Wiener Kongress 1814, der im Namen einiger Buchhändler ein Gesetz gegen den 86 Krause: Über den Büchernachdruck (s. Anm. 5), S. 401. 87 Ebd., S. 416. 88 Ebd., S. 406. 89 Ebd., S. 409. 90 Gräff unterlag ein Jahr zuvor in einem großen Rechtsstreit dem Leipziger Verleger Johann Joachim Göschen. Anlass des Prozesses war die geplante Herausgabe der Sämmtlichen Werke Christoph Martin Wielands durch Göschen. Gräff wollte diese Unternehmung verhindern, mit dem Verweis, dass darin enthaltene Werke der Weidmannschen Buchhandlung gehörten (ewiges Verlagsrecht). Die Gerichte entschieden aber zugunsten Göschens und Wielands und erkannten an, dass Werksammlungen etwas Neues darstellten und Autoren ihr (Revisions-)Recht und Eigentum an Produkten ihres Geistes durch einen Verlagsvertrag nicht aufgäben. Vgl. hierzu Stephan Füssel: Studien zur Verlagsgeschichte und zur Verlegertypologie der Goethe-Zeit. Berlin, New York 1999, S. 278–280.
»Überflüssig und unnütz«?
Büchernachdruck forderte.91 Im Kern sind dies die Idee des (geistigen) Grundstoffs, dessen erster Eigentümer der Urheber ist,92 und der Gedanke, dass sich ein Verlagsrecht allein auf einen Vertrag mit dem Verfasser gründen kann.93 Feders »lesenswürdige[r] und gründliche[r] Aufsatz[]«94 wird dabei gelobt und besonders Feders Ton gerühmt, da im Vergleich dazu Pütter »durch seinen grosen Aufwand von Gelehrsamkeit wenig lesbar«95 sei. Der Vorzug Feders kommt nicht von ungefähr. Er hat sich bewußt für eine leicht lesbare Ausführung seiner Argumentation entschieden. Ihm war klar, dass abstrakte Ausführungen nur selten überzeugen und in vielen Fällen eine induktive, vom konkreten Beispiel ausgehende Argumentation zielführender und überzeugender ist: Man verliert bisweilen bey weitläufigen im Allgemeinen angestellten Untersuchungen den Gesichtspunkt, oder das wesentliche Verhältnis der Hauptideen, in welchen die Kraft der Wahrheit liegt; und findet es wieder, wenn man die Sache in aller Bestimmtheit, in einem einzelnen Falle sich anschaulich macht.96
Das Primat der Anschaulichkeit prägt auch seinen Aufsatz. Wo etwa Pütter den Leser mit gelehrtem Aufwand zu überzeugen versucht, wählt Feder die Analogie und das konkrete Beispiel, das er der Alltagswelt entlehnt. Dies sind dann meist common sense-Argumente97 oder gewohnheitsrechtliche Analogien.98 Auf das Her-
91 [August Friedrich Ferdinand von Kotzebue:] Denkschrift über den Büchernachdruck; zugleich Bittschrift um Bewürkung eines Reichsgesetzes gegen denselben. Den Erlauchten, bei dem Congreß zu Wien versammleten Gesandten deutscher Staaten ehrerbietigst überreicht im Namen deutscher Buchhändler. Leipzig 1814. Zu den unterzeichnenden Buchhändlern gehören Friedrich Justin Bertuch, Johann Georg Cotta, Johann Friedrich Hartknoch, Paul Gotthelf Kummer, Carl Friedrich Enoch Richter und Friedrich Christian Wilhelm Vogel. Vgl. hierzu Höffner: Urheberrecht (s. Anm. 4), S. 376. 92 [Kotzebue:] Denkschrift (s. Anm. 91), S. 6. 93 Ebd., S. 4. 94 Ernst Martin Gräff: Versuch einer einleuchtenden Darstellung des Eigenthums und der Eigenthumsrechte des Schriftstellers und Verlegers und ihrer gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten. Mit vier Beylagen. Nebst einem kritischen Verzeichnisse aller deutschen besondern Schriften und in periodischen und andern Werken stehenden Aufsätze über das Bücherwesen überhaupt und den Büchernachdruck insbesondere. Leipzig 1794, S. 323. 95 Krause: Über den Büchernachdruck (s. Anm. 5), S. 401. 96 Feder: Neuer Versuch (s. Anm. 2), S. 23. 97 Für die Gültigkeit nicht angezeigter natürlicher Einschränkungen führt er z. B. das Essen im Gasthaus an: »So versteht es sich, wenn einer in dem Gasthofe an dem öffentlichen Tische mitspeiset, daß er bezahlen muß, wie jeder andere. Versteht sich, daß er, was etwa von den aufgetragenen Gerichten übrig bleibt, nicht mit nehmen darf. Versteht sich auch wohl noch, daß, wenn er Verdauungskraft und Eßlust genug hat, drey der gewöhnlichen Portionen zu essen, er nicht für einen Mann, sondern für drey, bezahlen muß« (ebd., S. 7f.).
Frank Zöllner anziehen von Quellen und Rechtsautoritäten, um seine Argumentation zu unterstützen, verzichtet er gänzlich. Dieses Vorgehen erklärt er für notwendig, um möglichst vielen einen Zugang zur Wahrheit zu ermöglichen, da die Menschen, wie er es schon in der Vorerinnerung seines Beitrages erwähnt, unterschiedliche Vorstellungsarten haben. Dieses Verfahren ist auch der gewählten Publikationsform angemessen, da Feder nicht für ein akademisches Publikum schreibt, sondern für ein populäres Journal. Sein Anliegen, verstanden zu werden, ist aber nicht das einzige Verdienst des Federschen Beitrags. Auch seine Überlegungen zum geistigen Eigentum leisten einen wesentlichen Beitrag für die Debatte. Er entwickelt dabei im Ansatz eine Vorstellung von der Ware Buch weiter, die erst der Fortgang der gesamten Auseinandersetzung um den Büchernachdruck deutlicher profiliert. Feder differenziert zwischen dem Buch als Sache, als materiellem Gegenstand, den der Buchhändler verkauft, und dem Buch als immateriellem Gegenstand, den er ›geistischen Grundstof‹ nennt. Feders Differenzierung ist das Ergebnis einer Entwicklung des Begriffs des geistigen Eigentums u. a. aus der eingangs erwähnten Debatte zwischen Klopstock, Reich und Reimarus. Schon Reich weist z. B. in seiner zweiten Abhandlung Der Bücher-Verlag in allen Absichten genauer bestimmt. An den Verfasser des Bücher-Verlags in Betrachtung der Schriftsteller, der Buchhändler und des Publikums erwogen (1773), einer Antwort auf Reimarusʾ Verteidigung des Nachdruckes, darauf hin, dass der Verleger zwar ein Buch verkauft, aber nicht das Verlagsrecht daran. Das Eigentumsverhältnis wird hier bereits zweigliedrig definiert. Pütter teilt, wie erwähnt, kurze Zeit später das Eigentumsrecht auch für den rechtmäßigen Verlag auf, indem er für das Buch zwei Grundstoffe annimmt. Für Pütter ist dies zentral, um das Eigentum der Verleger eindeutig zu bestimmen. Mit dem Erwerb des Grundstoffes erhalten sie schließlich auch das eigentümliche Verlagsrecht. Feder geht nun noch einen Schritt über Pütter hinaus, wenn er die These aufstellt, dass häufig schon der erste Verleger nur ein eingeschränktes Eigentum erwerbe, während vertraglich bestimmte Eigentumsrechte beim Urheber verbleiben können. Dieser Gedanke findet eine noch wirkungsmächtigere Ausdifferenzierung 13 Jahre nach Feder bei Johann Gottlieb Fichte in dessen Beitrag Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks.99 Fichte spaltet den Gegenstand Buch dann in drei Bestandteile auf, die sein Wesen und die daran geknüpften Rechtsnormen bestimmen: das Körperliche (das bedruckte Papier), den Inhalt und die Form des Buches. Nur die Form des
98 Z. B. das Verschenken der eigenen Silhouette mit der Bedingung, sie nicht zu kopieren (ebd., S. 10f.). 99 Johann Gottlieb Fichte: Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks. Ein Räsonnement und eine Parabel. In: Berlinische Monatsschrift 11.1 (1793), S. 443–483.
»Überflüssig und unnütz«?
Inhalts kann, so Fichte, niemals übertragen werden und bleibt stets Eigentum des Verfassers.100 Auch wenn er in seinem Beitrag letztlich zu den gleichen Überzeugungen gelangt wie Pütter (und nur graduell an einigen Stellen von ihm abweicht) und damit sein Aufsatz, wie er ja selbst in der Vorerinnerung bescheiden anmerkt, ›überflüssig und unnütz‹ erscheinen kann, ist seine Leistung damit allein zu gering veranschlagt. Den pütterschen Ausführungen, die sich in ihrem Kern vornehmlich auf die Auslegung von bestehenden Rechten konzentrieren, stellt er seinen Beitrag, der sich im Wesentlichen auf lebensweltliche Erfahrungen stützt, sekundierend an die Seite. Die juristische Argumentation wider den Büchernachdruck wird durch eine empirisch-philosophische abgesichert und damit auf einen breiteren Grund gestellt. Unter dem Aspekt der Staatsklugheit gelingt es ihm zudem, seine philosophischen Grundsätze zu pragmatisieren, um sie in die Sphäre des Konkret-Politischen zu überführen. Feders Neuer Versuch leistet damit einen eigenständigen Beitrag für die Etablierung des Urheberrechtes sowie die Idee des geistigen Eigentums im 18. Jahrhundert.
100 Heinrich Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft. Paderborn u. a. 1981, S. 60f.
Jutta Heinz
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer« Johann Georg Feders Neuer Emil im Kontext der pädagogischen Debatten der Zeit Die Frage nach der richtigen Erziehung des Menschen ist kein zweitrangiges, sondern ein zentrales Thema der Philosophie von ihrem Anfang an. Schon in der Antike wird sie in enger Verbindung mit der Staatsphilosophie diskutiert, prominent in Platons Politeia und Aristotelesʼ Politik. Sie hängt auch zusammen mit anderen wichtigen Fragen der praktischen Vernunft: Wie verhalten sich die natürlichen Anlagen des Menschen zu seinen erworbenen Fähigkeiten? Was ist das Endziel menschlichen Strebens, seine spezifische ›Glückseligkeit‹, was ist die dem Menschen angemessene Moralität? Wie erzieht man einen idealen Staatsbürger, wie einen idealen Herrscher? Zugespitzt könnte man sagen, dass die Pädagogik schon weit vor ihrer eigentlichen Gründung als selbstständige Disziplin als eine Art Prüfstein für die praktische Philosophie diente: In der Anwendung auf konkrete Erziehungsprobleme und der Konfrontation mit realen Erfahrungen erwies sich die Tragfähigkeit anthropologischer, moralphilosophischer und staatstheoretischer Modelle. Die Frage nach der richtigen Erziehung des Menschen ist speziell für das 18. Jahrhundert, das die Zeitgenossen in seiner zweiten Hälfte gern selbst als das »pädagogische Zeitalter«1 bezeichnen, ein zentrales Thema. Der Selbstdenker und der seiner Urteilskraft mächtige aufgeklärte Mensch, der emanzipierte Staatsbürger in einer noch zu gründenden freien Republik – sie werden nicht von Natur aus so geboren, sondern werden in ihrer Erziehung zum Selbstdenken und Selbsturteilen geschult; zumal in einer historischen Situation, in der die Schulpflicht für breite Schichten noch eher theoretisch, die Qualität der öffentlichen Schulen sehr durchwachsen und das Analphabetentum bei weitem nicht besiegt waren. Erziehung ist für das 18. Jahrhundert der Schlüssel nicht nur zur Aufklärung, sondern zur Perfektibilität des Menschengeschlechts schlechthin.2
1 So auch Feder in der Vorrede zu Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen, der zweiten Auflage des Neuen Emil: Er habe vor, »ein neues, des gegenwärtigen pädagogischen Zeitalters würdiges Buch auszuarbeiten« (unpag.). Die zweite Auflage, erschienen Frankfurt a. M., Leipzig 1790, wird im Folgenden der Untersuchung zugrunde gelegt. 2 Das sieht beispielsweise auch Kant so: »Es ist entzückend sich vorzustellen, daß die menschliche Natur immer besser durch Erziehung werde entwickelt werden, und daß man diese in eine Form bringen kann, die der Menschheit angemessen ist. Dies eröffnet uns den Prospekt zu einem künftigern glücklichern Menschengeschlechte« (Immanuel Kant: Über die Pädagogik [1803]. In: ders.:
https://doi.org/10.1515/9783110489439-015
Jutta Heinz Das spiegelt sich sehr genau in der Entwicklung des pädagogischen Diskurses über das Jahrhundert hinweg, der hier nur in seinen allergröbsten Grundzügen nachgezeichnet werden kann.3 Es entsteht zum ersten ein reiches pädagogisches Schrifttum in verschiedenen Disziplinen und Formen: Ausgehend von den philosophischen ›Erziehungsbibeln‹ der Zeit, nämlich John Lockes Some Thoughts Concerning Education (1693) und Rousseaus Emile ou De lʾEducation (1762),4 erscheinen vor allem im popularphilosophischen Bereich in Deutschland eine Fülle von Erziehungstraktaten, Erziehungszeitschriften und Erziehungslehrbüchern, die sich bald um die pädagogische Reformbewegung des Philanthropinismus konzentrieren und diese begleiten. In die gleiche Zeit fällt auch die Entstehung einer eigenen Kinderund Jugendliteratur. Ein paar Eckdaten seien zur Orientierung genannt: Rousseaus Erziehungsroman Emile erscheint 1762 und wird wegen seines Bekenntnisses zur ›natürlichen Religion‹ sofort verboten, löst aber eine Welle von Übersetzungen, Gegenschriften und nationalen Varianten aus;5 zu ihnen gehört auch Johann Georg Heinrich Feders Neuer Emil, der in zwei Teilen 1768 und 1775 erscheint. Bereits 1770 veröffentlicht Johann Bernhard Basedow sein Elementarwerk. Ein geordneter Vorrath aller nöthigen Erkenntniß, die erste umfassende, von Daniel Chodowiecki illustrierte Enzyklopädie für den Schulgebrauch. 1774 wird das erste Philanthropinum in Dessau gegründet, bald folgen weitere Reformschulen vor allem in Deutschland und der Schweiz. 1779 wird Ernst Christian Trapp auf den ersten Lehrstuhl für Pädagogik in Halle berufen;6 assoziiert war ein eigenes Seminar zur Lehrerausbildung. Gleichzeitig bildet sich in der Literatur neben dem tradierten Genre des Fürstenspiegels, Werke in zehn Bänden. Hg. von Wilhelm Weischedel. Darmstadt 1964, Bd. 10 [Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Zweiter Teil], S. 700). 3 Vgl. dazu umfassend Christa Berg (Hg.): Handbuch der Bildungsgeschichte. Bd. 2: 18. Jahrhundert. München 2005; dort vor allem: Ulrich Herrmann: Pädagogisches Denken, S. 97–133, mit ausführlichem Literaturverzeichnis der Forschung zu den hier behandelten Autoren. Feder wird dort allerdings nicht behandelt. 4 Vgl. z. B. Joachim Heinrich Campe: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens, Bd. 1 (1785): »Locke und Rousseau sind bisher unter den neuern Erziehungsphilosophen ohnstreitig diejenigen gewesen, deren pädagogische Lehrgebäude am weitesten bekannt und am meisten gelesen worden sind. […] Diese ehrwürdigen Männer waren unsere Vorgänger. Sie machten Bahn, wir andern folgten« (zitiert nach Herrmann: Pädagogisches Denken [s. Anm. 3], S. 102). Dort erschienen im 9. Band auch kommentierte Übersetzungen von Lockes und Rousseaus Schriften. 5 Vgl. dazu Kurt Wöhe: Johann Georg Heinrich Feder. Eine Untersuchung zur Geschichte des Philanthropismus. Leipzig 1928, S. 12f. Die Untersuchung geht zunächst auf die pädagogischen Tätigkeiten in Feders Leben ein (Kap. II), erläutert dann die »philosophischen und psychologischen Grundlagen von Feders pädagogischen Anschauungen« (Kap. III) sowie die »Grundzüge der Pädagogik Feders« (Kap. IV) und ordnet ihn schließlich in den Kontext des »fränkischen Reformkreises« ein (Kap. V). 6 Halle hatte im 18. Jahrhundert eine reiche pädagogische Tradition, die auf den pädagogischen Innovationen, die Francke in seinem Waisen- und Schulwerk einführte, gründete; vgl. dazu Herrmann: Pädagogisches Denken (s. Anm. 3), S. 101f.
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
der die Erziehung des idealen Herrschers schildert, der Erziehungsroman heraus, in dem die pädagogischen Theorien der Zeit unter Romanbedingungen durchgespielt werden, wie beispielsweise in Johann Gottlieb Schummels Wilhelm von Blumenthal, oder das Kind der Natur (1780/81), das die Auseinandersetzung mit Rousseau (»Kind der Natur«) bereits im Titel trägt.7 Viele Autoren der Zeit haben im Anschluss an ihr Studium wie Feder eine Hofmeisterzeit durchlaufen; Johann Karl Wezel entwirft einen Plan für ein Privaterziehungsinstitut, Christoph Martin Wieland wird nach langjähriger Hauslehrertätigkeit in der Schweiz in Weimar als Prinzenerzieher angestellt, und noch Goethe implantiert in seinen späten Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre eine ›Pädagogische Provinz‹, die in vielem auf die Reformbewegungen der Aufklärung zurückgeht. Ich werde im Folgenden, um Feder in dieser Gemengelage aus philosophischen, literarischen und pädagogischen Diskursen einzuordnen, vergleichend vorgehen. Als Bezugspunkte dienen diejenigen Autoren, die Feder im kurzen Abriss Grundregeln der Erziehungskunst in seinem Lehrbuch der praktischen Philosophie8 selbst als Autoritäten angibt: also natürlich Locke und Rousseau. Ergänzend werde ich eine weitere in Feders Grundregeln genannte Schrift aus dem Umkreis des Philanthropismus mit einer stark religiösen Ausrichtung heranziehen, nämlich die Grundsätze einer weisen und christlichen Erziehungskunst von Feders Göttinger Kollegen Johann Peter Miller (1769). Jedes Werk wird kompakt für sich skizziert im Blick auf folgende systematische Fragen: a) Wie lässt sich die Darstellungsweise charakterisieren? Was ist die Zielgruppe? Wird ein allgemeines Erziehungsziel genannt? b) Welches Konzept von Kindheit liegt der Darstellung zugrunde? c) Wie wird der ideale Lehrer/Hofmeister/Erzieher dargestellt? d) Was sind die konkreten Lerninhalte? Wie verhalten sich körperliche, seelische, geistige und religiöse Erziehung zueinander? e) Welche Lernmethoden werden bevorzugt? Gibt es Strafen, Belohnungen oder vergleichbare pädagogische Maßnahmen? 7 Vgl. zu weiteren Beispielen ausführlich Hermann Ritter: Die pädagogischen Strömungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in den gleichzeitigen deutschen pädagogischen Romanen und romanhaften Darstellungen. Diss. Halle-Wittenberg 1938. Ritter charakterisiert Feders Neuen Emil zusammenfassend als Popularisierungsunternehmen: »Im ›Neuen Emil‹ sehen wir den Versuch eines Wissenschaftlers, psychologische Erkenntnisse weiteren Kreisen zu erschließen und Lehrer und Eltern der vornehmen Stände anzuregen, ihre erzieherischen Maßnahmen auf psychologischer Überlegung zu begründen. Diese pädagogische Psychologie für Laien hat Feder hier in lehrbuchhafte Form gekleidet« (S. 11). 8 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Wien 1791. Vgl. dort am Ende von § 24: »Lockes, Rousseaus, Millers, Basedows Schriften von der Erziehung« (S. 372); dazu werden weitere Zeitschriften genannt sowie die dritte Auflage des Neuen Emil. Der Vergleich wäre also erst vollständig, wenn man Basedow hinzunehmen würde; das würde aber den Umfang dieser Untersuchung vollständig sprengen.
Jutta Heinz Um ein wesentliches Ergebnis des Vergleichs vorweg zu nehmen: Die Gemeinsamkeiten sind deutlich stärker ausgeprägt als die Unterschiede. Der gemeinsame Gegner ist für alle hier behandelten Autoren in erster Linie die schlechte Realität, und zwar sowohl der Privaterziehung durch Hofmeister als auch der öffentlichen Schulen, seien es nun ländliche Winkelschulen, meist kirchlich gebundene Lateinschulen oder fürstliche Pageninstitute. Die Schulwirklichkeit war geprägt durch extreme Probleme mit der Disziplin, die durch reichliche Anwendung körperlicher Strafen gelöst werden sollten; die Lehrer waren mangelhaft oder gar nicht ausgebildet und unterbezahlt. Inhaltlich stand der Unterricht in den alten Sprachen im Vordergrund, was offensichtlich für die Ausbildung von Priestern und Gelehrten zu rechtfertigen war, jedoch nicht für den großen Rest der Schüler. Das Methodenarsenal bestand im Wesentlichen aus Diktieren, mechanischem Auswendiglernen nach dem Muster des Katechismus und dem Verfassen von (zumeist lateinischen) Aufsätzen und Gedichten. Hier war auf allen Ebenen ganz offensichtlich Reformbedarf gegeben.9
John Locke: Erziehung zum Gentleman John Lockes Some Thoughts Concerning Education erschienen erstmals 1693 und wurden sofort ein Grundlagenwerk zum Thema, darüber hinaus ein Long- und Bestseller, übersetzt in alle europäischen Sprachen.10 Wie aus der Widmung hervorgeht, schrieb Locke den relativ umfangreichen Essay für eine befreundete Adelsfamilie: Er war 1684 von seinem Freund Edward Clarke um Ratschläge für die Erziehung seines Sohnes gebeten worden; die in diesem Zusammenhang verfassten Briefe bilden die Grundlage des späteren Essays. Die Zielgruppe ist damit bereits klar: Es geht um die Privaterziehung des englischen Gentleman. Locke selbst bezeichnet das Werk trotz seiner akademischen Paragraphengliederung als »rather a private Conversation of two Friends, than a Discourse designed for publick view«;11 er habe es angesichts des allgemeinen Sittenverfalls und der häufigen Bitten ratsuchender Eltern zum allgemeinen Wohl der gesamten Nation veröffentlicht: »The well Educating of their Children is so much the Duty and Concern of Parents, and the Welfare and Prosperi-
9 Im Folgenden wird ausschließlich von der Erziehung des männlichen Nachwuchses, auf den alle untersuchten Texte ausgerichtet sind, die Rede sein; teilweise enthalten sie einzelne Kapitel zur Mädchenerziehung, die aber ein ganz eigenes Thema wäre. 10 Auch für Locke stand die zentrale Bedeutung von Erziehungsthemen für die Philosophie insgesamt außer Frage; das zeigt schon eine Formulierung in § 1: »I think I may say, that of all the Men we meet with, Nine Parts of Ten are what they are, Good or Evil, useful or not, by their Education« (John Locke: Some Thoughts Concerning Education. London 1693, S. 2). 11 Ebd., Widmung, unpag.
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
ty of the Nation so much depends on it.«12 Es herrscht durchgängig ein kolloquialer Ton; die Gliederung ist nicht streng systematisch: In insgesamt 27 Abschnitten behandelt Locke in vager chronologischer Folge Grundthemen von der frühkindlichen Gesundheitserziehung bis hin zur Gentleman-Reise als Abschluss der Erziehung. Das Gesamtziel wird klar formuliert: »A Sound Mind in a sound Body, is a short, but full description of a Happy State in this World«;13 auf dieses Ziel hat die Erziehung auf allen Altersstufen und in all ihren Bereichen konsequent hinzuarbeiten. Zur Beschreibung der Kindheit verwendet Locke zwei bezeichnende Metaphern: Die eine ist die aus seiner Bewusstseinstheorie vertraute ›tabula rasa‹: Er habe »an ordinary Gentlemanʾs Son« vor Augen, »who being then very little, I considered only as white Paper, or Wax, to be moulded and fashioned as one pleases«.14 Die zweite Metapher verstärkt die Bedeutung der frühkindlichen Prägung noch: Der Geist der Kinder sei, so Locke, so leicht zu formen wie Wasser;15 eben deshalb aber sei es entscheidend, frühzeitig mit der Erziehung zu beginnen, da sie hier am einfachsten und wirksamsten sei.16 Allerdings müssen die verwendeten Metaphern im Verlauf der Studie etwas variiert werden. Wie Locke weiter ausführt, hat nämlich jedes Kind von Anfang an bestimmte Anlagen; man kann es also gerade nicht völlig beliebig wie Wachs oder Wasser formen: We must not hope wholly to change their original tempers […]. God has stamped certain characters upon men's minds, which, like their shapes, may perhaps be a little mended; but can hardly be totally altered and transformed into the contrary.17
Der natürliche Trieb von Kindern zur Herrschaft18 ist die Urquelle fast aller fehlerhaften Neigungen. Besonders wichtig sind deshalb von Anfang an die Beherrschung der Leidenschaften und die Kontrolle der kindlichen Phantasie dadurch, dass nur die natürlichen Bedürfnisse, die »natural Wants«, nicht aber die künstlich erzeugten, die »Wants of Fancy and Affectation«,19 befriedigt werden. In Bezug auf die Person des Erziehers geht Locke zunächst davon aus, dass die Eltern wichtige Erziehungstätigkeiten selbst übernehmen, und richtet sich deshalb
12 Ebd., Widmung. 13 Ebd., § 1, S. 1. 14 Ebd., § 202, S. 261. 15 »I imagine the Minds of Children as easily turned this or that way, as Water it self« (ebd., § 2, S. 2). 16 Vgl. ebd., § 32, S. 33. 17 Dieser Passus ist in der Erstauflage interessanterweise noch nicht enthalten, sondern erst Ergebnis späterer Überarbeitungen; er wird hier zitiert nach: The Works of John Locke in nine Volumes. Vol. 8. London 1842, § 66, S. 47. Ähnliche Argumente finden sich aber in der ersten Ausgabe in § 97, S. 115. 18 »power« und »dominion«, ebd., § 98. 19 Ebd., § 102, S. 118.
Jutta Heinz auch direkt an die Mütter. Prinzipiell sei die häusliche Erziehung der öffentlichen vorzuziehen; zum einen wegen der Rohheit der Sitten an den öffentlichen Schulen, zum anderen aber auch – und das wird ein bleibendes Argument werden –, weil nur so wirklich gewährleistet werden kann, dass auf die individuellen Eigenschaften eines jeden Kindes angemessen eingegangen werden kann.20 Dabei ist die ElternKind-Beziehung in den ersten Lebensjahren eindeutig als Herrschaftsverhältnis zu beschreiben,21 da die Kinder ihrer Selbstliebe und ihren unbeherrschten Leidenschaften hilf- und vernunftlos ausgeliefert seien. Später jedoch – und das ist eine Forderung, die in der Folge eher wenig aufgegriffen wird – empfiehlt Locke ausdrücklich ein vertrauliches Freundschaftsverhältnis.22 Aber auch auf die Auswahl geeigneter Erzieher kann Locke zufolge gar nicht genug Wert gelegt werden; die Wichtigkeit des Themas werde, so betont er explizit, sträflich vernachlässigt in den zeitgenössischen Diskussionen.23 Der verbreitetste Fehler sei, dass die Erzieher zu jung von den Universitäten kämen und im besten Falle zwar gelehrt wären, aber keinerlei Lebens- und Weltkenntnis hätten; beides jedoch sei unendlich viel wichtiger für einen guten Erzieher als akademische Gelehrsamkeit.24 Bezüglich der konkreten Erziehungsinhalte behandelt Locke zunächst umfassend die körperliche Erziehung im Kindesalter; seine Grundmaxime dabei ist, man möge die Kinder erziehen wie »honest Farmers and substantial Yeomen«.25 Das wesentliche Ziel ist die körperliche Ertüchtigung und Abhärtung durch eine bescheidene Diät, viel Bewegung an frischer Luft, regelmäßigen Schlaf und regelmäßige Verdauung; auf keinen Fall jedoch Verwöhnung, zu viel Spielzeug, zu aufwändige Kleidung oder Nascherei.26 Dagegen ist vernünftig wenig einzuwenden, zumal Locke mit der Autorität des Mediziners spricht; und es ist bezeichnend, dass beinahe alle Autoren Locke in diesen Punkten bedingungslos folgen. Ebenso nachvollziehbar ist zudem Lockes Analyse, dass Verfehlungen auf diesem Gebiet zumeist nicht den Kindern zuzuschreiben sind, sondern eher den Eltern, die wenig Lust haben, gute Vorbilder abzugeben und den lieben Kleinen aus Bequemlichkeit lieber alles durchgehen lassen – was Locke noch einmal im Bild des Wassers zum Ausdruck bringt:
20 Vgl. ebd., § 68, S. 71, bzw. ausführlicher § 60, S. 43 der späteren Ausgabe. 21 Vgl. ebd., § 40f., S. 41. 22 Vgl. ebd., § 92, S. 108. 23 Vgl. ebd., § 88, S. 102f. 24 Vgl. ebd., § 90, S. 106: »In this Choice be as Curious as you would in that of a Wife for him.« 25 Ebd., § 4, S. 3. 26 Vgl. ebd., § 3–§ 29, S. 3–30.
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
Thus Parents, by humoring and cockering them when little, corrupt the Principles of Nature in their Children, and wonder afterwards to tast the bitter Waters, when they themselves have poisoned the Fountain.27
Die körperliche Abhärtung wird von Anfang an ergänzt durch die Arbeit an der emotionalen Selbstbeherrschung. Kinder sind eigensinnig, Kinder weinen und quengeln, Kinder wollen über andere herrschen – all das ist natürlich nach Locke, aber es ist kein Grund, es ihnen auch durchgehen zu lassen. Kinder sollen möglichst, das ist eine weitere Grundmaxime, von Anfang an als »rational Creatures«28 behandelt werden; man kann deshalb an ihre Vernunft appellieren,29 aber nur in einer altersgemäßen Form. Die zweite wichtige Grundlage einer guten Erziehung, noch vor aller Herzensoder Geistesbildung, ist die Schulung der Umgangsformen sowie der körperlichen Geschicklichkeit. Ein Tanzmeister kann Locke zufolge eigentlich gar nicht früh genug eingestellt werden; die Ausbildung der jungen Adligen im Fechten und Reiten ist sowieso obligatorisch, im Jugendalter empfiehlt Locke das Erlernen einiger mechanischer Handwerke (wie Gärtnern oder Drechseln), und sei es auch nur, um Langeweile und daraus erwachsender Spielsucht vorzubeugen. Die guten Umgangsformen dienen aber nicht nur der äußerlichen Anpassung an die gesellschaftliche Konvenienz, sondern müssen auf einer inneren Herzensbildung beruhen; das Ideal ist die »Civility«, nicht das leere Zeremoniell.30 Demgegenüber sind zwei klassische Themen der Erziehungsliteratur sehr nachgeordnet, nämlich sowohl die religiöse Grundausbildung als auch der eigentliche Lehrplan. Die Anweisungen zur Religionserziehung bleiben auf einer ziemlich abstrakten Ebene: Religion sei die unersetzliche Grundlage der Tugend, die selbst die absolute Basis für jegliche Glückseligkeit ist.31 Deshalb ist es nötig, dem Kind möglichst früh ein Bild von Gott einzuprägen, aber nur allgemein als »the independent Supreme Being, Author and Maker of all Things […]. This is enough to begin with«;32 alle darüber hinausgehende Spekulation sei sowieso zumeist von Übel. Der Lehrplan schließlich wird im 24. Abschnitt spät, aber ausführlich behandelt. Locke bekämpft zunächst die Fixierung von Eltern und Lehrern auf das Lateinische. Für den Gentleman ist zwar dessen Beherrschung als Bildungswissen absolut notwendig, aber keinesfalls für Kinder, die später Händler oder Farmer werden.33 Stattdessen betont er die Wichtigkeit der Beherrschung der Muttersprache in Wort
27 Ebd., § 35, S. 35. 28 Ebd., § 53, S. 54. 29 Vgl. ebd., § 80, S. 90. 30 Ebd., § 137, S. 169. 31 Vgl. ebd., § 128, S. 157. 32 Ebd., § 129, S. 157. 33 Vgl. ebd., § 156, S. 193.
Jutta Heinz und Schrift. Andere Sprachen werden am besten durch Sprechen, nicht durch grammatische Regeln erlernt (auch das erzeugt nachhaltige Wirkung). Anstelle des Abfassens lateinischer Aufsätze schule man besser den Briefstil; anstelle sophistischer Rhetorik übe man Geschichtenerzählen, anstelle philosophischer Syllogistik die praktische Urteilskraft. Das wesentliche Argument für all dies ist (neben dem pragmatischen Nutzen) wiederum ein genuin moralphilosophisches: Der beste Lehrer ist nämlich derjenige, der für umfassende Geistesbildung sorgt – »who knowing how much Vertue, and a well-temperʾd Soul is to be preferrʾd to any sort of Learning or Language, makes it his chief Business to form the Mind of his Scholars«.34 Die methodischen Grundsätze sind eng mit den Erziehungszielen verbunden. Prügelstrafen lehnt Locke kategorisch ab; sie verdürben den Charakter und erzeugten ein »slavish Temper«.35 Ebenso fragwürdig sind für ihn aber auch Belohnungen − weil sie nämlich primär auf sinnlichen Genuss setzen und damit genau diejenigen Leidenschaften fördern, die man doch gerade zügeln lernen soll. Das wesentliche pädagogische Prinzip hingegen ist eine intrinsische Motivation, die auf den natürlichen Anlagen und Neigungen der Kinder aufbaut: Kinder haben eine natürliche Wissbegierde und wollen beschäftigt sein; man muss sie also gar nicht zum Lernen zwingen, sondern ihnen vielmehr das Lernen selbst als »Sport and Play«36 darstellen. Und am besten lernen sie – auch das wird bald common sense der Diskussion werden – durch die Nachahmung guter Vorbilder,37 durch Beispiele38 und nicht durch Regeln, und schließlich durch anhaltende Übung und Habitualisierung von einmal Erlerntem; speziell die Rolle der Gewohnheit kann Locke kaum genug betonen.39 Der Mensch wird damit zum Vernunftwesen erzogen, nicht indem man ihn rational von der Wahrheit göttlicher Vorschriften oder moralphilosophischer Maxi-
34 Ebd., § 167, S. 210f. 35 Ebd., § 49, S. 49. 36 Ebd., § 61, S. 63. 37 Vgl. ebd., § 74, S. 80. 38 Vgl. ebd., § 81, S. 92. 39 Vgl. ebd., § 64, S. 66: »What you think necessary for them to do, settle in them by an indispensible practice, as often as the occasion returns; and if it be possible, make occasions. This will beget Habits in them, which being once established operate of themselves easily and naturally without the assistance of the Memory.« Vgl. dazu auch Herrmann: Pädagogisches Denken (s. Anm. 3), S. 113f.: »Moralische Erziehung mußte schon deshalb ein zentrales Problem im Rahmen des neuen Erziehungsverständnisses sein, weil im Wechsel von einem theozentrischen zu einem anthropozentrischen Weltbild an die Stelle der Religion als normgebender Instanz zur Regulierung menschlichen Verhaltens nun die vernünftige Einsicht treten mußte, die Einsicht in die Maximen sittlichen Betragens und in das Sittengesetz selbst. Diese Einsicht aber muß gelernt werden, und dies ist am sichersten möglich durch Gewöhnung, zum einen durch das Befolgen eines Vorbildes, zum andern durch das Tun des Guten […]. Moralische Erziehung […] muß […] die psychologische Habitualisierung von Gewohnheiten aufgrund der Förderung von Anlagen und Empfindungen (moralische Sozialisation) gewährleisten.«
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men überzeugt; er wird vielmehr an die Tugend langsam gewöhnt, weil man sie ihm vorlebt, weil man das (schon durch Anlagen vorgeformte) Wachs seines Geistes nach guten Vorbildern modelliert und darauf vertraut, dass nur intensive und genau auf das Individuum ausgerichtete Prägungen in der Kindheit stark genug sind, späteren korrumpierenden Überschreibungen zu widerstehen.
Jean-Jacques Rousseau: Erziehung zum Menschen Jean-Jacques Rousseaus Emile, ou de lʾEducation (1762) schildert in fünf Büchern die Erziehung eines »imaginären Schülers«40 durch einen ebenso imaginären idealen Erzieher. Die ersten vier Bücher folgen chronologisch aufeinander, daran schließt im 5. Buch ein Entwurf der idealen Frau für Emile an. Geschrieben in Ich- bzw. WirForm, vereint der Text Roman- und Traktatelemente, wobei letztere überwiegen. Geschrieben ist das Werk, so Rousseau im Vorwort, im Blick auf die »gute denkende Mutter«;41 es sei aus praktischen Beobachtungen abgeleitet und konzentriere sich ganz auf den »Gang der Natur«42 (das wird ein Topos im weiteren Diskurs werden). Rousseau bezieht sich in vielen Details zustimmend auf Locke,43 der wichtigste Unterschied hingegen ist wohl das Erziehungsziel: Emile wird nicht zum adligen Gentleman mit einer bestimmten gesellschaftlichen Stellung und Funktion erzogen, sondern programmatisch zum natürlichen Menschen, der auch in der Gesellschaft in weitgehender Einheit mit sich selbst lebt: »Leben ist der Beruf, den ich ihn lehren will.«44 Rousseau leitet sein Bild der Kindheit stringent aus seiner Kulturtheorie ab: Das Kind ist ein Abbild des Naturzustands, vor aller Entartung durch die Gesellschaft 40 Der deutsche Text wird zitiert nach: Jean-Jacques Rousseau: Emile oder Über die Erziehung. Hg. von Martin Rang, aus dem Frz. von Eleonore Sckommodau. Stuttgart 1983, hier S. 134. Der französische Text wird zitiert nach: Émile, ou de lʾEducation. In: Collection complète des Œuvres. Bd. 4. Genf 1780, hier S. 30: »J’ai donc pris le parti de me donner un éleve imaginaire, de me supposer l’âge, la santé, les connaissances & tous les talens convenables pour travailler à son éducation, de la conduire depuis le moment de sa naissance jusqu’à celui où, devenu homme fait, il n’aura plus besoin d’autre guide que lui-même.« 41 Ebd., S. 101; »à une bonne mere qui sait penser« (Preface, S. I). 42 Ebd., S. 102; »la marche de la nature« (Preface, S. III). 43 Vgl. dazu auch: Gustav Heinrich Julius Erdbrügger: Die Bedeutung Lohn Lockes für die Pädagogik Jean-Jacques Rousseaus: eine philosophisch-historische Untersuchung der pädagogischen Lehren beider Denker und ihres gegenseitigen Verhältnisses. Würzburg 1912. 44 Rousseau: Emile (s. Anm. 40), S. 116; »Dans l’ordre naturel, les hommes étant tous égaux, leur vocation commune est l’état d’homme, & quiconque est bien élevé pour celui-là ne peut mal remplir ceux qui s’y rapportent. Qu’on destine mon élevé à l’épée, à l’église, au barreau, peu m’importe. Avant la vocation des parens la nature l’appelle à la vie humaine. Vivre est le métier que je lui veux apprendre« (Rousseau: Émile [s. Anm. 40], S. 11).
Jutta Heinz und die Kultur; die Kindheit wird damit erstmals als eigenständige und vor allem positiv besetzte, nicht gegenüber dem Erwachsenen defiziente Lebensphase gewürdigt. Die wesentliche Aufgabe der ›negativen Erziehung‹ ist es deshalb, den Naturtrieben, die von sich aus gut sind, möglichst weitgehend ihren Lauf zu lassen und jegliche kulturelle Depravation so weit wie nur möglich zu verhindern.45 Von sich aus, so Rousseau nun im Einklang mit Locke, ist das Kind nur auf Selbsterhaltung aus; Probleme entstehen erst durch die von der Einbildungskraft erzeugten virtuellen Bedürfnisse, die deshalb – auch hier ganz im Einklang mit Locke – von Anfang an rigide diszipliniert werden müssen. Besonders innovativ ist dabei Rousseaus psychologisch sehr feinsinnige Untergliederung vier verschiedener Entwicklungsphasen der Kindheit, die erstaunliche Übereinstimmung beispielsweise mit der Entwicklungspsychologie Jean Piagets aufweist:46 Es gibt eine umfangreiche Darstellung des Säuglingsalters, des infans; darauf folgt der puer zwischen zwei und zehn Jahren; der vorpubertären Phase von ca. zehn bis dreizehn Jahren wird ein eigener Abschnitt gewidmet, bevor schließlich die Pubertät als zweite Geburt als »Gattungs- und Geschlechtswesen« gewürdigt wird.47 Diese vier Phasen durchläuft Emile. Er ist idealerweise ein »Durchschnittsgeist«,48 dazu Waise, reich, physisch gesund und kräftig und lebt mit seinem Erzieher in einem symbiotischen Verhältnis: Der Erzieher kontrolliert Emile vollständig, all seine Handlungen, seine sozialen Kontakte, die Gegenstände seiner Umwelt. Rousseau gesteht zu, dass das Konstrukt eine Utopie ist: Denn der ideale Erzieher ist zwingend nur für diesen einen Schützling geboren; schlimmer noch, er muss eigentlich zwingend selbst eine ideale Erziehung durchlaufen haben.49 Und er wirkt, wie bei Locke, als Erzieher in einem umfassenden Sinn: Er bringt seinem Schüler näm-
45 Vgl. ebd., S. 115; »Pour former cet homme rare, qu’avons-nous à faire? Beaucoup, sans doute; c’est d’empêcher que rien ne soit fait« (ebd., S. 10). 46 Vgl. dazu Jutta Heinz: Urszenen, Schwellenlektüren und ›Wünschperioden‹ – zu Kindheitszäsuren in Erzähltexten um 1800. In: Thorsten Fitzon u. a. (Hg.): Alterszäsuren. Zur Reflexion von Zeitvorstellungen in Lebensaltermodellen. Berlin 2011, S. 377−405. 47 Rousseau: Emile (s. Anm. 40), S. 438; »Nous naissons, pour ainsi dire, en deux fois: l’une pour exister, & l’autre pour vivre; l’une pour l’espece, l’autre pour le sexe« (Rousseau: Émile [s. Anm. 40], S. 357). 48 Ebd., S. 136; »Quand je pourrois choisir, je ne prendrois qu’un esprit commun tel que je suppose mon Eleve« (ebd., S. 33). 49 »Un Gouverneur! ô quelle áme sublime […] en vérité, pour faire un homme, il faut être ou pere ou plus qu’homme soi-même. Voilà la fonction que vous confiez tranquillement à des mercenaires. Plus on y pense, plus on apperçoit de nouvelles difficultés. Il faudroit que le gouverneur eût été élevé pour son éleve, que ses domestiques eussent été élevés pour leur maître, que tous ceux qui l’approchent eussent reçu les impressions qu’ils doivent lui communiquer; il faudroit, d'éducation en éducation remonter jusqu’on ne sait où. Comment se peut-il qu’un enfant soit bien élevé par qui n’a pas été bien élevé lui-même« (ebd., S. 28).
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lich nur eine Wissenschaft wirklich bei, die der »menschlichen Pflichten« als Ganzes.50 Bei den Erziehungsinhalten hält sich Rousseau in Bezug auf die körperliche Erziehung sehr eng an Locke und verschärft das Abhärtungsgebot eher noch. Auffällig ist, dass nicht nur die religiöse, sondern auch die moralische Erziehung sehr weit nach hinten verlagert wird. Vor der »Reife der Kindheit« (10–12 Jahre) ist das Kind nach Rousseau, hier im deutlichen Unterschied zu Locke, weder Vernunftargumenten zugänglich noch zu komplexen sozialen oder gar religiösen Empfindungen fähig.51 Es hat nur eine »sensitive oder kindliche Vernunft«;52 erst im Verlauf der Pubertät entwickelt es tragfähige soziale Beziehungen auf der Basis des natürlichen Mitleids. Ebenso wird die eigentliche wissenschaftliche Ausbildung erst spät angesetzt. Zwar ist auch bei Rousseau der Mensch von Natur aus wissbegierig, aber auch die natürliche Neugierde muss jeweils altersgemäß und in genauer Proportion zur seelischen Entwicklung angesprochen werden.53 Deshalb lernt Emile zunächst nur an Gegenständen der sinnlichen Anschauung, nicht nach Lehrbüchern; er stellt eigene Versuche in der Natur an und entwickelt Thesen daraus. Erst in der Pubertät beginnt er mit der Lektüre, vor allem von Werken aus der Geschichte; sie soll ihn zum Selbstdenker machen. Die religiöse Erziehung setzt ebenfalls erst jetzt ein und besteht in einem kategorischen Bekenntnis des Lehrers zur ›natürlichen Religion‹ im skandalösen Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars. Emiles Ausbildung wird abgeschlossen durch die Geschmacksbildung: Nun erst wird er in möglichst viele verschiedene gesellschaftliche Kreise eingeführt und schult an deren Beobachtung sowie im zivilisierten Umgang mit dem anderen Geschlecht sein ästhetisches und moralisches Urteilsvermögen. Am Ende steht schließlich eine ideale Lebensform mit der idealen Gefährtin unter dem Gesetz der horazischen »aurea mediocritas«.54 Auch methodisch entfernt sich Rousseau weit von den traditionellen pädagogischen Themen, was aber ebenfalls nur durch die utopische Konstruktion eines symbiotischen Schüler-Erzieher-Verhältnisses möglich ist. Leitmotivisch wird hier be-
50 Ebd., S. 136; »Il n’y a qu’une science à enseigner aux enfans; c’est celle des devoirs de l’homme« (ebd., S. 32). 51 »Raisonner avec les enfans étoit la grande maxime de Locke; c’est la plus en vogue aujourd’hui: son succès ne me paroit pourtant pas fort propre à la mettre en crédit; & pour moi je ne vois rien de plus sot que ces enfans avec qui l’on a tant raisonné« (ebd., S. 107). 52 Ebd., S. 339; »raison sensitive ou puérile« (ebd., S. 252). 53 »Tel est le premier principe de la curiosité; principe naturel au cœur humain, mais dont le développement ne se fait qu’en proportion de nos passions & de nos lumieres« (ebd., S. [270]). 54 Ebd., S. 718; »L’homme de goût & vraiment voluptueux n’a que faire de richesse; il lui suffit d’être libre & maître de lui. Quiconque jouit de la santé & ne manque pas du nécessaire, s’il arrache de son cœur les biens de l’opinion, est assez riche; c’est l’aurea mediocritas d’Horace« (ebd., S. 143).
Jutta Heinz sonders die Orientierung am »Gang der Natur«:55 Die jeweilige Lehrmethode richtet sich vollständig am Stand der Fähigkeiten des Schülers in der jeweiligen Altersphase aus, geht also von konkret sinnlichen Anschauungen und Selbstversuchen in sehr kleinen Schritten hin zur Entwicklung höherer geistiger Fähigkeiten. Bildungsballast wie Lateinunterricht wird nicht einmal erwähnt; wie genau Emile Lesen, Schreiben oder Rechnen lernt, kann der Leser auch nur vermuten. Zentral ist die Forderung nach absolutem Gehorsam auf der Basis von absolutem Vertrauen; ist dieser Gehorsam einmal etabliert, erübrigt sich auch die Diskussion von Strafen und Belohnungen – die Vorstellung, dass der ideale Erzieher Emile übers Knie legt, ist geradezu absurd und würde das gesamte Konzept sofort über den Haufen werfen. Aber auch Belohnungen sind nicht nötig – lernt Emile doch zum einen, wie bei Locke, aus natürlicher Wissbegierde heraus freiwillig, zum anderen seinem Erzieher zuliebe; seine Bildung und Ausbildung ist ihr gemeinsames Projekt, und es ist ihr Einziges.
Johann Peter Miller: Erziehung zum Christen Die Grundsätze einer weisen und christlichen Erziehungskunst von Feders Göttinger Kollegen, dem Theologen und ehemaligen Schulrektor Johann Peter Miller, sind eines der ersten Lehrbücher der entstehenden Erziehungswissenschaften.56 Dem akademischen Kontext entsprechen ihre Paragraphenform, die teilweise nur aphoristische Ausführung der Lehrsätze sowie die Fülle von Literaturhinweisen und Fußnoten sowie der Versuch einer systematischen Gliederung. Miller betont durchaus noch die eigene Erfahrung als notwendige empirische Basis; anzustreben aber sei eine systematische »Erziehungskunst« nach Regeln aus der Psychologie und der Religion.57 Das Erziehungsziel ist klar benannt: Es ist die harmonische Entwicklung aller von Gott verliehenen Fähigkeiten in einem Individuum zum »privat und gemeinen […] Besten«,58 was man als eine Art philanthropinische Generalformel bezeichnen könnte. Mit der Betonung der staatstheoretischen Wichtigkeit sind wir damit wieder näher an Locke gerückt: Erzogen wird hier nicht mehr der natürliche
55 Ebd., S. 102. 56 Vgl. zur Institutionalisierung der Pädagogik und den in diesem Rahmen entstehenden Werken Herrmann: Pädagogisches Denken (s. Anm. 3), S. 114ff.; dort zu Miller S. 114f. Herrmann geht dabei auch auf Kants Pädagogik-Vorlesung ein (vgl. S. 115). 57 Johann Peter Miller: Grundsätze einer weisen und christlichen Erziehungskunst (1769). 2. Aufl. Göttingen 1771, hier S. 12. 58 Ebd., Vorrede [unpag.].
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
Mensch Rousseaus, sondern der – in erster Linie – Christ59 und – in zweiter Linie – Staatsbürger. Millers Bild der Kindheit unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von demjenigen Lockes oder Rousseaus: Zwar wird der Eigenwert der Kindheit als Lebensphase durchaus anerkannt;60 aber leider kann man die Kinder keinesfalls sich selbst überlassen, sondern sie müssen von Anfang an – und hier führt Miller eine neue, bezeichnende Metaphorik ein – wie junge Pflanzen nicht nur gedüngt, sondern gestutzt, zurechtgeschnitten, vom Unkraut befreit werden.61 Die Korruptionsgefahr ist nämlich allgegenwärtig. So schreibt Miller, direkt gegen Rousseau: Und nun, was wollen wir thun? Sie mit dem bedaurenswürdigen Rousseau (den sein elender und kränklicher Körper mit sich selber und mit allen gesunden Menschen unzufrieden macht), wie junge Thiere, in einer glücklichen Armseligkeit und Wizlosigkeit, der mäßigen Natur und unerfindsamen Dürftigkeit überlassen; oder wollen wir auch ihnen, mit eben den Kräften aufhelfen, die wir selbst nur der Erziehung zu danken, überhaupt aber zum gemeinen Besten empfangen haben?62
Tatsächlich steckt Miller hier ein wenig in der Klemme zwischen seinen religiösen Grundüberzeugungen und den psychologischen Lehren der Zeit: So sind zwar für ihn »alle Kräfte und Bestrebungen der menschlichen Seele an sich gut […] und von dem weisen und gütigen Schöpfer« herstammend.63 Gleichwohl arbeitet die ebenso natürliche »Selbstliebe«64 von Anfang an stark korrumpierend dagegen an; dazu interagieren angeborene Neigungen und äußere Einflüsse auf eine, wie Miller offen zugibt, noch völlig ungeklärte Art und Weise.65 Ähnlich wie bei Locke muss deshalb so früh wie möglich damit begonnen werden, an der moralischen − und hier vor allem: der religiösen − Festigung zu arbeiten, bevor eine gänzlich irreparable Verderbtheit eintritt: Helfen moralische Mittel nichts: so würde ich ein Kadetenhaus oder ein paar Jahre Garnisondienste; endlich aber ein Besserungshaus, diese Mittelgattung zwischen Schule und Zucht-
59 Das Unternehmen christlicher Erziehung wird eigens auch für vornehme Häuser gerechtfertigt (vgl. ebd., Vorrede [unpag.]). 60 Miller verwendet dazu eine Reihe plakativer Formulierungen: »Kinder sind auch Menschen« (ebd., § 3, S. 4), »Kinder sind Kinder, noch kleine« (§ 4, S. 5), aber eben auch: »Kinder sind auch Christen« (§ 6, S. 7). 61 Vgl. ebd., S. 27. 62 Ebd., § 9, S. 9. 63 Ebd., § 73, S. 153. 64 Ebd., § 27, S. 32. 65 Vgl. ebd., § 30, S. 38.
Jutta Heinz haus, in Vorschlag bringen; nie aber die Universität, wo sie nur Gelegenheit bekommen, selbst in fremden Provinzen, als Verführer, Unheil anzurichten.66
Bezüglich der Erzieher selbst ist Miller wie Locke der Meinung, dass eine »weise Hauszucht«67 wegen der Möglichkeit zum individuellen Eingehen auf die Schüler den Vorzug vor den öffentlichen Schulen verdient; offensichtlich ist aber inzwischen die Notwendigkeit klar ersichtlich, auch die öffentliche Erziehung zu reformieren, weswegen Miller detaillierte Lehrpläne getrennt für Privat- und verschiedene Formen schulischer Erziehung vorlegt. Auch er weiß von den Schwierigkeiten, gute Hofmeister zu finden,68 auch er betont die Wichtigkeit der Mütter als Ersterzieherinnen sowie einer soliden zeitgemäßen Lehrerbildung. Gleichwohl ist bei ihm die Person des Erziehers selbst durchaus nachrangig, da nun die curricularen Bildungsinhalte deutlich in den Vordergrund treten. Die körperliche Erziehung behandelt Miller in den ersten Hauptstücken sehr eng an Locke orientiert. Der eindeutige Schwerpunkt schon bei der frühen Erziehung liegt jedoch hier erstmals ganz auf der religiösen Unterweisung. Die Unentbehrlichkeit der Religion ist das Dogma schlechthin;69 sie soll frühkindlich keinesfalls als leeres Zeremoniell vermittelt werden, sondern als erlebte Herzensreligion, und das am besten anhand von anschaulichen biblischen Geschichten. Diese Herzensreligion wird durch einen sehr strengen und langen Katalog von Glaubenswahrheiten und Sittenpflichten komplettiert,70 der den Einschüchterungscharakter der religiösen Unterweisung ganz deutlich macht: Kleine Kinder werden nach Miller am besten umfassend indoktriniert, um ihre natürliche moralische Indifferenz und ihren ebenso natürlichen Eigensinn von Anfang an zu brechen.71 Bei den Lehrplänen selbst vertritt Miller eher gemäßigte Positionen: Zwar gibt er beispielsweise Umfang und Inhalt der Lektionen sowie einschlägige Lehrbücher minutiös zu Protokoll, ist aber ebenfalls gegen das zu frühe Aufsatzschreiben und betont die Notwendigkeit eines Gleichgewichts von Lernen und Entspannung durch Musik, Zeichnen, Handwerke, Modellieren etc.; die Lektüre der Alten hingegen zur Erlernung des Latein ist für ihn weiterhin unentbehrlich. Wie Rousseau nimmt Miller für sich in Anspruch, dass sein Curriculum »von der Natur selber« inspiriert sei (Vorrede); aber offensichtlich handelt es sich hier um eine andere Natur als bei Rousseau, nämlich eine schon von vornherein sehr stark sündenanfällige. Besonders deutlich wird das im Blick auf die Lehrmethoden. Übereinstimmend mit Locke und Rousseau sieht auch Miller Beispiel und Nachahmung 66 Ebd., § 74, S. 155. 67 Ebd., § 32, S. 40. 68 Vgl. ebd., § 109f., S. 242. 69 Vgl. ebd., § 63, S. 119. 70 Vgl. ebd., S. 136–138. 71 Vgl. ebd., S. 185f.
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als wichtigste Erziehungsmittel an. Belohnungen lässt er in einem gewissen Maße zu, aber lieber moralischer als sinnlicher Natur.72 Verschlägt das alles nicht, wird nun zu etwas drastischeren Maßnahmen geschritten. Zwar wendet sich Miller in der Vorrede programmatisch und gemeinsam mit seinen großen Vorbildern gegen die zeitgenössische Praxis: Geschlagene Kinder leiden nicht nur physisch, sondern am Charakter − ein menschliches Geschöpf ist beynahe zu allen edlern Handlungen auf immer verdorben, in welchem man durch die, unter uns noch immer herrschende, barbarische Züchtigungsmethode, alle sanftern Gefühle von Scham, Ehre, Hochachtung, Liebe und zärtlicher Furcht vertilget hat.73
Muss trotzdem geschlagen werden, so Miller nun mit der ihm eigenen Gründlichkeit, dann nur mit äußerstem Bedacht und sozusagen mit System, nämlich nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Eskalationsplan verschiedener Strafgrade − der letztlich dann doch, der eigenen Theorie zufolge, den Charakter des zu Züchtigenden zuverlässig und endgültig verderben wird.74
Johann Georg Feder: Erziehung des Hofmeisters Feders Emil benennt die Zielgruppe ebenfalls sogleich in der Vorrede: Ein wesentliches Spezifikum seiner Schrift im Verhältnis zu Rousseaus Emile und zum breiten pädagogischen Schrifttum der Zeit sei die »genauere Rücksicht auf den deutschen Edelmann und seinen Hauslehrer«.75 Es handele sich keinesfalls um eine Gegenschrift zu Rousseau; vielmehr gehe es darum, Rousseaus Erziehungsutopie im Blick auf eine bestimmte Zielgruppe und eine konkrete historische Situation anwendbar zu machen und ihm im Einzelnen dabei durchaus zu widersprechen. Von Rousseau übernommen ist dabei zunächst vor allem die Form – nämlich eine Exemplifizierung anhand eines bestimmten Schülers und ebenso bestimmter Erzieher,76 wobei
72 Vgl. ebd., S. 189. 73 Ebd., Vorrede [unpag,]. 74 Zur Abgrenzung zum Philanthropinismus basedowscher Prägung vgl. Herrmann: Pädagogisches Denken (s. Anm. 3): »Basedow favorisierte das Spielerische im Elementarunterricht; das Lernen durch Anschauung, Selbsttätigkeit und praktisches Arbeiten, angespornt durch ein neues System von Belohnungen und Anerkennungen; die praktische Pflege der modernen Sprachen; die Charakterbildung durch das familienförmige Zusammenleben von Lehrer(familien) und Schülern« (S. 106). 75 Miller: Grundsätze (s. Anm. 57), Vorrede [unpag.]. 76 Zu den Vorbildern vgl. Johnn Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig, Hannover 1825, S. 84.
Jutta Heinz die Mehrzahl wichtig ist: Feder entwirft Portraits (und auch Karikaturen77) unterschiedlicher Erzieherpersönlichkeiten mit unterschiedlichen Vorzügen und Nachteilen. Rousseaus Mischung aus Traktat und Roman wird dabei ergänzt durch weitere integrierte Formen wie beispielsweise eine Reihe von Dialogen und Maximensammlungen.78 Die äußere Gliederung ist ebenfalls wie bei Rousseau an verschiedenen Altersstufen orientiert, aber gröber: Es gibt nur drei Phasen, und am Ende steht nicht die Verehelichung, sondern der Eintritt in eine Universität. Das wesentliche Erziehungsziel schließlich ist kompakt in Feders Lehrbuch der praktischen Philosophie zusammengefasst; es ist vielleicht am besten zu kennzeichnen als bürgerliche Variante des lockeschen Gentleman-Ideals mit seinen starken stoischen Komponenten: Unempfindlichkeit des Körpers und Ruhe des Gemüths bey den unvermeidlichen Beschwerlichkeiten und Unannehmlichkeiten des Lebens, Geschmack an den unschuldigen und wohlfeilen Vergnügen, welche die Natur uns überall anbietet, Liebe zur Ordnung, Begnügsamkeit und Sparsamkeit, Mitleiden und Gefälligkeit.79
Feders Konzept der Kindheit weicht kaum von dem inzwischen erreichten Konsens ab: Sie ist eine eigene Lebensphase, die frühkindliche Prägung ist wichtig. Am Anfang steht die natürliche »Selbstliebe«,80 sie wird bei Feder aber schon zu Beginn ergänzt durch den geselligen Trieb des Wohlwollens bzw. der Sympathie81 sowie durch eine ganze, von den sinnlichen immer weiter bis zu den moralischen Trieben aufsteigenden, Triebhierarchie.82 Es gibt aber keine bösen Triebe in der Natur (son 77 Feder: Emil (s. Anm. 1): »Er betrachtete den Hofmeister als einen Menschen, der um einen andern, welcher in einem schmalen Wege, zwischen tausend Abwegen fortschreiten soll, und immer hin und her wanket, mit einer halb demokritisch, halb stoischen Laune, im Kreise sich herum drehet, hier und da sich entgegen stellet, hier und da einen Stoß bekommt, bis ein bedeutender Wink ihm zu verstehen gibt, daß er nach Hause gehen könne. Die Vergleichung ist sonderbar: aber es ist guter Verstand darin« (S. 202). 78 Die Disparatheit der äußeren Form kritisiert auch Ritter: Pädagogische Strömungen (s. Anm. 7), vgl. S. 10. Seine Rousseau-Rezeption sei ähnlich diffus: »Feders Werk hat eigentlich gar keinen rechten Abschluß. Ihm fehlt die Ursprünglichkeit und Neuheit der Gedanken, die Rousseaus ›Emile‹ auszeichnen« (S. 10); es handele sich insgesamt um eine »pädagogische Psychologie für Laien« (S. 11). 79 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Wien 1779, S. 370. 80 Feder: Emil (s. Anm. 1), S. 78. 81 Vgl. ebd., S. 80. 82 Vgl. zum Konzept der Sympathie und ihrem Verhältnis zur Selbstliebe die kompakte Darstellung in den Grundlehren zur Kenntniß des Menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens (2. Auflage. Göttingen 1785): »Aber gemässigt […] wird die Selbstliebe natürlicher Weise einiger massen schon durch die Sympathie oder Mitempfindung dessen, was in andern vorgeht, wenn es durch die eigenen Sinne, oder durch Schlüsse und Einbildungen, oder die Beschreibungen anderer, uns bekannt wird. Dieß Mitgefühl, diese Theilnehmung, diese Verähnlichung, erstreckt sich nicht nur auf alle Gemüthszustände, obgleich nicht auf alle in gleichem Grade; sondern auch
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
dern nur schlechte Vorbilder); und es ist von äußerster Wichtigkeit, gerade die geselligen Triebe zu kultivieren: »Was können wir besseres thun zur Gründung der Gerechtigkeit und der Menschenliebe, als daß wird dieses Gefühl der Sympathie in den zarten Herzen sorgfältig cultiviren?«83 Feder steht hier, am deutlichsten im Begriff der ›Sympathie‹, offensichtlich noch eng in einer moralphilosophischen Tradition der empfindsamen Aufklärung, die das Gute und das Schöne eng miteinander verbindet und auf eine wechselseitige Kultivierung beider setzt. Dementsprechend ist auch Feders »idealer« Hofmeister – insofern man ihn aus den verschiedenen Hofmeisterpersönlichkeiten sozusagen synthetisch zusammensetzen kann – wie bei Locke ganz eindeutig mehr Gesellschafter und Erzieher als Lehrer: »Nicht zum Schulhalten; thörichtes Vorurtheil! Ihnen zur Gesellschaft, zum Zeitvertreib sind sie bestimmt; ihnen alles zu seyn, was ihre Bildung in diesen Jahren erfordert.«84 Er muss sich wie bei Rousseau ein enges Vertrauensverhältnis zum Kind erarbeiten, notfalls auch, indem er am Anfang selbst zum Kind wird;85 und er ist besser ein Philosoph denn ein Gelehrter.86 Notfalls reichen aber auch »mittelmäßige Einsichten« und ein »ehrliches Herz«87 – so Feder in seinem »Projekt zu einer Ritterakademie auf dem Lande«, das er entwirft, um die Vorteile von Privaterziehung und öffentlicher Erziehung zu vereinen bei Vermeidung der jeweiligen Nachteile; auch hier zeigt sich, dass das Modell des Hofmeisters gerade beginnt obsolet zu werden. Insofern ist es auch aufschlussreich, dass sein fiktiver Hofmeister seinen Emil bis auf die Universität begleitet; hier wird möglicherweise ein neuer Wirkungsbereich als Studienberater erschlossen. Bezüglich der Lehr- und Bildungsinhalte ist der Aspekt der körperlichen Erziehung sehr schwach ausgeprägt. Feder gibt die üblichen Hinweise zur Ertüchtigung und Abhärtung; auch die frühkindliche Erziehung wird nur ganz am Ende mit kurzen Literaturhinweisen auf Rousseau, Brechter, Zückert und Campe abgehandelt. Bezüglich der moralischen Erziehung legt Feder einen deutlichen Schwerpunkt auf die Beherrschung der Leidenschaften, vor allem in Blick auf die sexuellen Versuchungen (was offensichtlich biographisch inspiriert ist). Emils erste Verliebtheit einiger massen auf die Zustände des Verstandes und des Körpers« (S. 15). Die Sympathie hängt dieser Argumentation zufolge auch nicht völlig von unserem Willen ab, sondern kann höchstens durch die »Aufmerksamkeit« gezielt gelenkt werden (S. 16). 83 Feder: Emil (s. Anm. 1), S. 106. Dies alles expliziert Feder im Kontext seiner eigenen Theorie der eigenen Triebe und Neigungen, wie sie an verschiedenen Stellen in seiner Moralphilosophie dargestellt ist. 84 Ebd., S. 24. 85 Vgl. ebd., S. 26. 86 »Ein Mensch, der durch Philosophie sich allgemeine Kenntnisse vom Menschen, von der Welt, von Pflicht und Leidenschaft erworben, und zum Nachdenken sich gewöhnet hat, dieser muß beym Geschäfte der Erziehung ein Beträchtliches voraus haben, vor einem andern, der davon nichts weiß, und ihm übrigens gleich ist« (ebd., S. 225). 87 Ebd., S. 239.
Jutta Heinz wird bezeichnenderweise unter dem Titel »Emil wird krank« behandelt; die »Krankheit« wird durch eine eindrückliche Erinnerung an die religiösen Pflichten kuriert. Zwar setzt auch Feder, hier im Einklang mit Rousseau, die systematische religiöse Unterweisung recht spät an, betont aber, hier nun ganz bei Miller, die völlige Unentbehrlichkeit der positiven Religion.88 Im 18. Kapitel findet sich dann sein Gegentraktat zum Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars, die »Präliminarien zur vernünftigen und festen Ueberzeugung von der Göttlichkeit der christlichen Religion«, die er Rousseau als Beispiel eines »unpartheische[n] Naturaliste[n]«89 gegenüberstellt: eine vernunftkonforme Religion, die gleichwohl Lehren enthält, »von denen die Vernunft nichts weiß, die sie nicht begreift«90 – und die gerade in der Krisenzeit der Pubertät zur rechten Zeit kommt, um neben den geschlechtlichen Trieben auch die Versuchung zum Zweifel an der Vernunft zu bekämpfen. Bezüglich des Lehrplans hält Feder ungefähr die Mitte zwischen Locke und Rousseau: Auch er empfiehlt immer wieder, dem Gang der Natur zu folgen91 und nichts zu überstürzen; so werden vor allem das Lesen zeitgenössischer Schriften wie auch die Unterweisung in Mathematik und philosophischer Logik nach hinten verlagert.92 Wie bei Locke und Rousseau lernt Feders Emil im Jugendalter einige mechanische Künste und Handwerke;93 im Unterschied zu seinem Namensvetter darf er aber auch Gedichte machen und sogar jagen, auch wenn er wie dieser lange Zeit keine Romane außer dem Robinson Crusoe lesen darf.94 Den krönenden Abschluss seiner Bildungslaufbahn bildet eine »Encyklopädie oder der Grundbegriff aller gelehrten Kenntnisse und ihres Zusammenhangs untereinander«,95 die sein Hofmeister gezielt für ihn entwirft – offensichtlich eine Art Parallelprojekt zu dem basedowschen Elementarwerk, aber für fortgeschrittene Schüler. Besonders charakteristisch für Feder ist zudem der intensive Fremdsprachenunterricht: Sein
88 »Sie allein bleibt bey gehöriger Untersuchung dem Verstande groß, und ehrwürdig. Sie allein beruhiget das Herz. Sie allein gewähret allgenugsame Bewegungsgründe zum Guten und Kräfte, den Menschen zu einer reinern und edlern Tugend zu erhöhen, als diejenige ist, die das Licht der Natur wirken kann« (ebd., S. 181). 89 Ebd., S. 341. 90 Ebd., S. 338. 91 Vgl. ebd., S. 139. 92 »Und bey der Philosophie, die spekulative Logik nicht voran! Machet ihn erst mit den Empfindungen und innern Erfahrungen mehr bekannt, ehe ihr sie ihm scientistisch erklären wollet! Lasset ihn erst seine Seelenkräfte recht entwickeln, lange üben, genau kennen; ehe ihr ihn in die Wissenschaft vom Denken führet!« (ebd., S. 183). 93 »Wird wohl jemand mir den romanenhaften Einfall zutrauen, daß ich meinen Emil auf sechs Wochen zu einem Schreiner verdungen, und um das Taglohn hätte arbeiten lassen? Davon ließe sich wohl in einem Roman eine unterhaltende Erzählung von etlichen Blättern machen; aber wozu nutzte es?« (ebd., S. 278). 94 Vgl. ebd., S. 142. 95 Ebd., S. 388.
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
Emil soll seine Geschmacksbildung am besten anhand der lateinischen Klassiker erhalten;96 er muss auch, zumindest als Jugendlicher, auswendig lernen und Deklamationsübungen machen, was exakt Feders eigenen Vorlieben und Talenten, vor allem seiner Vorliebe für das Latein auch im Schriftlichen und Dichterischen entspricht.97 Dass er damit aber gegenüber der neueren Ästhetik auf verlorenem Posten steht, zeigen schon seine Anmerkungen in der zweiten Auflage, wo er diese Vorliebe für das klassische Altertum einschränkt.98 Methodisch empfiehlt Feder mit Locke, die frühzeitige Freude der Kinder am Lernen auszunutzen, indem man es ihnen eher als Spiel denn als lästige Pflicht darstellt: »[D]ieß ist der große Kunstgriff der Unterweisung, ich sage mehr – der Erziehung. Alles zu thun, indem man nichts zu thun scheinet.«99 Dazu muss man auch für Feder den natürlichen Trieb zur Nachahmung bedienen,100 aber ebenso auf die natürlichen Anlagen des Kindes und den richtigen Zeitpunkt achten.101 Wie Locke setzt Feder dabei auf die stark formende Kraft der Gewohnheit durch Übung und Wiederholung.102 Am besten aber ist es, man bündelt die verschiedenen natürlichen Motivationsarten: Lernen ist, bestenfalls, angenehme Beschäftigung und Trieb zur Nachahmung, verbunden mit der Anerkennung der primären Bezugspersonen und der Vorstellung des zukünftigen Nutzens103 – was man auch zusammenfassen könnte im Begriff der »Lust«, so Feder sehr vorsichtig: »Den äußerlichen Ursachen schreibt Helvetius alles zu. Er übertreibt die Sache. Aber so viel, scheinet es, lässet sich behaupten, daß das allermeiste von diesen äußerlichen Antrieben und Anreit 96 Ebd., S. 175. 97 Ebd., S. 383f. Vgl. auch seine Autobiographie und die dortige Beschreibung seines eigenen Bildungsgangs (Kap. 2) sowie Ritter: Pädagogische Strömungen (s. Anm. 7): »Auch Feder will Urteil und Geschmack, Geist und Einsicht, Herz und Gemüt an den alten Klassikern bilden. […] Während das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts pädagogisch gerade durch die Auseinandersetzung zwischen dem Philanthropinismus und dem Neuhumanismus charakterisiert ist, finden wir in Feder beide Strömungen vereinigt« (S. 12). Vgl. zum Übergang zum Neuhumanismus humboldtscher Prägung gegen Ende des Jahrhunderts auch Herrmann: Pädagogisches Denken (s. Anm. 3), Kap. VIII. 98 Feder: Emil (s. Anm. 1), S. 175f. Hierin besteht auch ein wesentlicher Unterschied zum Philanthropismus basedowscher Prägung, vgl. Wöhe: Feder (s. Anm. 5): »Es finden sich bei den Pädagogen dieses Kreises all die Elemente, die bei F. als unterschiedliche Merkmale von dem Basedowschen Philanthropinismus vorhanden sind (höhere Bewertung der christlichen Religion, der Geschichte, des Lateins, der Sprache als Denkübung, Vorsicht bei sexueller Aufklärung)« (S. 47). 99 Feder: Emil (s. Anm. 1), S. 19. So beschreibt er bereits seine eigene Erziehung in seiner Autobiographie (s. Anm. 76): »Die Regel, den ersten Unterricht spielend zu ertheilen, die in der neuern Geschichte der Pädagogik so viel Aufsehen gemacht, Mißverständnisse und Mißbrauch veranlasst hat, wurde also bey mir angewandt; und gewiß nicht ohne Nutzen« (S. 3). 100 Vgl. Feder: Emil (s. Anm. 1), S. 139. 101 »Was kann also einem Menschen nicht zur angenehmen Beschäftigung gemacht werden, wenn es ihm zur rechten Zeit vorgelegt wird?« (ebd., S. 52). 102 Vgl. ebd., S. 48. 103 Vgl. ebd., S. 55f.
Jutta Heinz zungen abhängt.«104 Bewähren sich all diese Mittel, ist es auch bei Feder nicht nötig, zu Zwangsmitteln zu greifen. So erwähnt er das Prügeln im vorletzten Kapitel nur als ultima ratio,105 empfiehlt aber, wenn die Situation wirklich eskaliert ist, ähnlich wie Miller drastische Entschlossenheit und völlige Konsequenz.
Feder als pädagogischer Eklektizist – zur Zusammenfassung Mit überwältigender Einheit vertreten alle hier behandelten pädagogischen Texte, unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe, ein tendenziell entweder stoisch oder aristotelisch geprägtes Ideal der Beherrschung der Leidenschaft als Grundlage für ein glückseliges Leben, das durch die annähernd gleichwertige Erziehung des Körpers, der Seele und des Geistes erreicht werden soll. Bei John Locke ist die Erziehungslehre ein relativ konsequenter Ausfluss aus seiner Bewusstseins- und Erkenntnistheorie; besonders charakteristisch ist dabei die kritische Rolle der Gewohnheit bei der Beschreibung des menschlichen Geistes als ›tabula rasa‹.106 Auch bei Rousseau ergibt sich der Übergang von seiner Kulturtheorie zur Pädagogik relativ reibungslos, indem Emile als eine Variante des Menschen im Naturzustand vorgeführt wird. Problematisch wird dann im weiteren Verlauf aber das Verhältnis von Naturmensch und Gesellschaft, das damit den bekanntermaßen schwierigen Übergang von Rousseaus Kultur- zu seiner Gesellschaftstheorie deutlich exponiert. Bei dem Theologen Miller zeigt sich ein ähnlich problematischer Zwiespalt im Verhältnis von theologischen und psychologischen Versatzstücken der Erziehungslehre.
104 Ebd., S. 57. 105 »So wird man nun auch den Grundsatz nicht zu hart finden, daß es besser ist, kein Kind zu haben, als es zu verderben« (ebd., S. 464). 106 Interessant ist, dass die Gewohnheit in der Theorie des Bewusstseins eher negativ belegt ist, wenn das Denken nämlich auf falschen und schlechten Gewohnheiten beruht. In der Erziehung jedoch wird gerade die Gewohnheit vollständig instrumentalisiert, das führt Locke auch in seinen philosophischen Schriften aus. Vgl. z. B. im Essay: »This is evidently the case of all Children and Young Folk; and Custom, a greater Power than Nature, seldom failing to make them worship for Divine, what she hath inured them to bow their Minds and submit their Understandings to« (John Locke: An essay concerning humane understanding. London 1690, § 25, S. 25). »And ’tis in my Opinion, a strong Presumption, that they are not innate; since they are least known to those, in whom, if they were innate, they must needs exert themselves with most Force and Vigour. For Children, Ideots, Savages and illiterate People, being of all others the least corrupted by Custom, or borrowed Opinions; Learning, and Education, having not cast their native thoughts into new Moulds, nor by super-inducing foreign and studied Doctrines, confounded those fair Charakters Nature had written there« (ebd., § 27, S. 13).
Der »deutsche Edelmann und sein Hauslehrer«
Im Blick auf Feder muss man zunächst in Rechnung stellen, dass er seinen Neuen Emil zu einem relativ frühen Zeitpunkt seiner Laufbahn verfasst: Er ist noch sehr viel dichter an den konkreten, problematischen Erfahrungen seines Hofmeisterdaseins als an den philosophischen Entwürfen seiner Professorenzeit; und Rousseau kommt ihm insofern besonders recht, weil er auf das Problem, wie man denn eigentlich überhaupt ein guter Hofmeister sein kann, aufmerksam macht.107 Zweierlei ist in diesem Zusammenhang bezeichnend schon für den frühen Feder. Zum einen entwirft er eben nicht das Porträt eines idealen Erziehers, sondern skizziert Charakteristiken verschiedener Erzieherpersönlichkeiten in unterschiedlichen Situationen und markiert dabei gleichzeitig schon einen möglichen Übergang zu stärker institutionalisierten Erziehungsformen, wie der Ritterakademie. Zum zweiten erweist er sich bereits hier in Bezug auf die dargelegten Erziehungsmethoden, -inhalte und -prinzipien als entschiedener Eklektizist; wobei sich die Mischung inhaltlich teilweise disparater Elemente aus den Theorien Lockes, Rousseaus und Millers (und weiterer, hier nicht behandelter Autoren) auch in der äußerlich disparaten Form mit ihrer Mischung aus traktathaften und erzählenden Teilen, Dialogen und Maximensammlungen spiegelt. Das jedoch hätte zumindest der spätere Feder kaum als Nachteil verstanden. Der ›Syncretismus‹ oder ›Eklektizismus‹ könnte vielmehr im Gegenteil auch als angemessene pädagogische Haltung im Dienst der Erziehung zum Selbstdenken verstanden werden, wie eine spätere Äußerung Feders in seinen autobiographischen Lebenserinnerungen zum Abschluss belegen mag: Was man, in eben diesen Kantianisch-revolutionären Zeiten Syncretismus, auch in Beziehung auf meine Philosophie, nannte, mußte denen, die an einzig richtige und einzig mögliche Gesichts- und Stand-Punkte und Deductionen, an die Abhängigkeit statthafter, gründlicher Einsichten von der Einfachheit der allgemeinen Formen glaubten, freilich Unphilosophie scheinen, wie nicht mir, und vielleicht nun selbst mehreren unter ihnen. Ob es übrigens, überhaupt genommen, weniger Selbstthätigkeit, Denkkraft (vita propria) beweise, mannigfaltige Vorstellungsarten zu verarbeiten und zur Stärkung seiner individuellen GeistesBetriebsamkeit sich zu assimiliren, als seine eigene Vorstellungsart auszuspinnen, oder in eine einzige fremde, sehr künstlich verwickelte, sich einzuspinnen, will ich nicht entscheiden. Aber das weiß ich gewiß, daß ich mehr für mich gedacht als gelesen habe.108
107 Vgl. seine Darstellung in Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 76): »Wenig über 20 Jahr alt, außer einiger Uebung im Unterrichte ohne alle pädagogische Vorbereitung, wurde ich Aufseher und Führer von zwey Junkern, zwölf und vierzehn Jahr alt, die ihre Schule schon unter drey Hofmeistern gemacht hatten. […] Ich beging viele und große Fehler. Im Neuen Emil habe ich sie unter fremden Namen gerügt. Rousseau, den ich erst im zweiten oder dritten Jahre dieses Verhältnisses las, öffnete mir über Manches die Augen; benahm mir inbesondere vieles von dem unweisen Eifer, alles auf der Stelle oder gerade zu erzwingen zu wollen. Ich blieb in dieser Laufbahn in Allem fünf Jahre« (S. 43). Feder betont auch, wie sehr er dabei von der Begegnung mit anderen Hofmeistern profitiert habe (vgl. ebd., S. 48). 108 Ebd., S. 87f.
Udo Roth
Ein »christlicher Emil«? Feders pädagogisches Konzept im Kontext seiner praktischen Philosophie
Hinführung In seinen Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts, 1800 in den Beyträgen zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens in den Königlich Braunschweig-Lüneburgschen Churlanden erschienen, verweist Johann Georg Heinrich Feder darauf, dass derjenige, [d]er bey einem Problem, wie das der Erziehung ist, mit wenig Worten entscheidende Aussprüche wagen kann, […] vielen Muth haben [müsse]; wer ohne Leichtsinn nur mitsprechen will, sollte schon viel über die Sache nachgedacht haben.1
Feders hier geäußerte Bedenken an einer allzu schnellen Theoretisierung erzieherischer und pädagogischer Aspekte waren ihm wohl selbst noch fremd, als er sich gut vierzig Jahre zuvor an der Universität Erlangen immatrikulierte, mit dem Vorsatz, »Theologie und Schulwissenschaften mit gleichem Fließe zu betreiben, um durch jene im Nothfall zu einem Amte zu gelangen. Denn Neigungen hatte [er] mehr zu den letzteren«.2 Mit diesen Worten wird nicht nur Feders Auseinandersetzung mit der Theorie und Praxis der Pädagogik deutlich, sondern auch deren theonome Voraussetzungen, die es im Folgenden zu erörtern gilt.
Zur Entwicklung von Feders pädagogischer Praxis Auch wenn er schon früh sein Interesse für eine erzieherische Tätigkeit erkennen lässt, war Feder, als er 1760 nach dem Abschluss seines Studiums in Erlangen eine Hofmeisterstelle beim Freiherrn von Wöllwarth antrat, auf den Feldern der Pädagogik völlig unerfahren, und dies sowohl praktisch als auch theoretisch. Einzig
1 Johann Georg Heinrich Feder: Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts und einige daraus entspringende Regeln. In: [Salfelds] Beyträge zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchenund Schulwesens in den Königlich Braunschweig-Lüneburgschen Churlanden 1 (1800), 3, S. 257– 274, hier S. 258. 2 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig, Hannover 1825, S. 32.
https://doi.org/10.1515/9783110489439-016
Udo Roth Fénelons Télémaque und die Mémoires et Aventures d’un homme de qualité des Abbé Prévost waren ihm als belehrende Schriften bekannt.3 Mit den beiden Söhnen des Freiherrn von Wöllwarth besuchte er zunächst in Neustadt an der Aisch die Lateinschule, unterrichtete sie später privatim und bezog mit ihnen im Frühjahr 1764 erneut die Universität Erlangen.4 Hier erwarb er, nachdem er 1759 mit einer Dissertation über den Schöpfungsbericht5 die theologische Magisterwürde erlangt hatte, 1765 mit einer – zweiteiligen – Dissertation Homo natura non ferus6 auch die philosophische sowie die facultas docendi. In dieser Schrift verwertet er einerseits seine Erfahrungen als Hauslehrer, setzt sich aber andererseits eingehend mit Rousseaus drei Jahre zuvor erschienenem Émile auseinander. Der Mensch, so Feders kritischer Schluss, sei eben nicht von Natur aus Tier, wie es Rousseau annehme, sondern ein rationales und zur Gesellschaft geneigtes Wesen, das sich über die von Rousseau als naturwidrig apostrophierten gesellschaftlichen Normen allererst legitimiere.7 Ende des Jahres 1765 trat Feder am Casimirianum in Coburg eine Stelle als Professor für Metaphysik und morgenländische Sprachen an, gab aber letztere bald ab; später wurde seine Stelle um Moral und Logik erweitert. Auf Empfehlung des Leipziger Theologen und Rhetorikers Johann August Ernesti erhielt Feder schon drei Jahre später, 1768, von der Universität Göttingen einen Ruf als Professor für Philosophie. Im selben Jahr erschien anonym der erste Teil des Neuen Emil,8 den Feder bereits in Coburg zu verfassen begonnen hatte und in dem er einerseits wiederum seine Erfahrungen als Hofmeister reflektierte und seine eigenen Fehler unter »fremden Namen rügt[e]«.9 Andererseits suchte er Rousseaus Emile »durch Absonderung des allzu Idealistischen anwendbarer zu machen«.10 Schon in seiner zweiten Erlanger Dissertation hatte er den Genfer Philosophen als »paradoxophilos« angefeindet, da dieser aufgrund von subjektiver Eitelkeit in Bezug auf anthropologische Frage-
3 Vgl. ebd., S. 43. 4 Vgl. ebd., S. 43–50; die Wöllwarths immatrikulierten sich als Studenten der Theologie, vgl. dazu Personalstand der Friedrich-Alexanders Universität Erlangen in ihrem ersten Jahrhundert. Erlangen 1843, S. 51 (hier irrtümlich »Wöllbarth«); Feder immatrikulierte sich, wie ansonsten üblich, nicht gemeinsam mit seinen Zöglingen. 5 Vgl. Johann Ernst Basilius Wiedeburg (Präses), Johann Georg Heinrich Feder (Respondent): Sex dies, intra quos opus creationis absolutum, quales fuerint? Dissertatio philologico-mathematica ad Genes. Caput I. Erlangen 1759. 6 Johann Georg Heinrich Feder: Homo natura non ferus. Erlangen 1765; wieder abgedruckt in: Syntagma Dissertationum ad Philosophiam moralem pertinentium. Hg. von Meinard Tydeman. Padenburg 1777, S. 447–516 (im Folgenden nach dieser Ausgabe). 7 Vgl. ebd., § XVII, S. 510–512. 8 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Der neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen. 2 Bde. Erlangen 1768/71; vgl. dazu den Beitrag von Jutta Heinz in diesem Band. 9 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 43. 10 Vgl. ebd., S. 84.
Ein »christlicher Emil«?
stellungen zu objektiver Erkenntnis nicht fähig sei und so in Paradoxien verharre.11 Daher bemühte Feder sich etwa, der rousseauschen Naturgemäßheit eine Kulturgemäßheit gegenüberzustellen, um etwa das Lernen aus Büchern zu legitimieren. Der erste Teil dieser »klassische[n] Erziehungsschrift«, die, wie in der Charakteristik der Erziehungsschriftsteller Deutschlands, einem Handbuch für Erzieher nachzulesen ist, »keinem Erzieher unbekannt sein darf«,12 erlebte bis 1774 drei Auflagen, 1775 folgte der zweite Teil. In Anbetracht des Erfolges, den das zumindest im zweiten Teil stark theologisch geprägte Kompendium – Feder hatte zunächst die Absicht, ihn Der christliche Emil zu nennen13 – zeitigte, entschloss er sich, ab dem Sommersemester 1776 ›exercitia disputatoria‹ auch über pädagogische Fragen und Kontroversen öffentlich durch Aphorismi Paedagogici14 zu veranstalten. In Coburg hatten solche von ihm geleiteten Disputationsübungen über philosophische Axiome Aufsehen erregt,15 in Göttingen aber, wie er in seiner Autobiographie schreibt, missfielen gerade die über pädagogische Themen, woraufhin er sie bald aufgab.16 Gleichwohl entfaltete Feder in Göttingen eine breite, aus pädagogischen Prämissen abgeleitete Lehrtätigkeit. Bereits vor Antritt des Göttinger Ordinariats war sein popularphilosophischer Grundriß der Philosophischen Wissenschaften17 erschienen, eines seiner, wie Max Wundt noch 1945 schrieb, »nicht sehr tiefe[n], so doch geschickte[n] Lehrbücher, die dem Geiste der Zeit glücklich entgegenkamen«18 und sich bald für den Unterricht als unentbehrlich zeigten. Hierzu zählt auch sein 1769 erschienenes Lehrbuch der praktischen Philosophie,19 auf das noch zurückzukommen ist. Das Jahr 1782 jedoch brachte einen herben Rückschlag. Im Januar erschien in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen eine Besprechung der Kritik der
11 Vgl. Feder: Homo natura non ferus (s. Anm. 6), v. a. § 15, S. 502: »Atqui hoc, nisi me omnia fallunt, Rousseauvius sustinet παραδοξοφιλι sua abreptus. Noli mihi abusum virium abvertere; si non nisi hunc damnasset, me non haberet adversarium.« 12 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder. In: Samuel Baur: Charakteristik der Erziehungsschriftsteller Deutschlands. Ein Handbuch für Erzieher. Leipzig 1790 [ND Vaduz 1981], S. 111f. 13 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 84; Feder verwarf den Titel, weil er glaubte, »dieses fromme Aushängeschild möchte nicht überall die beste Wirkung thun«. 14 Johann Georg Heinrich Feder: Aphorismi paedagogici: in usum collegii disputatorii. Göttingen 1776. 15 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 59. 16 Vgl. ebd., S. 89. 17 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte. Coburg 1767, 21769. 18 Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945, S. 292. 19 Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Göttingen 1770 [vordatiert].
Udo Roth reinen Vernunft, die Christian Garve verfasst, Feder aber so überarbeitet hatte,20 dass sie allerorten auf vernichtende Reaktionen traf und eine über Jahre nicht nur publizistisch heftig geführte Auseinandersetzung zwischen Kant und Feder auslöste.21 Feder, der auch unter dem Verdacht stand, das Verbot der kantischen Schriften in Hessen initiiert zu haben, kostete diese Auseinandersetzung letztlich die wissenschaftliche Reputation. Nachdem er die, wie er in seiner Autobiographie äußert, »Amputation, die [s]einem Autor- und Docenten-Ruhme durch die critische Revolution in der Philosophie« widerfahren war,22 einigermaßen »verschmerzt« hatte, vor allem, da er sah, dass sein »Auditorium in dem Maaße wieder zahlreicher zu werden« schien, »wie das Vertrauen auf die neue«, »mehr und mehr verdächtig werdende« kantische Philosophie »durch die unter ihren Schülern selbst entstandenen Schwierigkeiten geschwächt wurde«,23 erhielt er 1796 aus London den Ruf, das Direktorat des Georgianum, einer von der königlich-hannoverischen Pagenschule in eine höhere Schule für Hochschul- und Offiziersanwärter aus dem protestantischen Adel umgewandelte ›Erziehungsanstalt‹ in Hannover, zu übernehmen.24 Feder verließ die Universität und leitete von 1797 bis zu dessen Aufhebung im August 1810 das Institut – mit großem beruflichem Erfolg: Die ersten fünf Jahre seines Direktorats zählte Feder, darf man seinem 1802 in Salfelds Beyträgen publizierten Bericht über die Einrichtung des Georgianums und dessen gegenwärtigen Zustand Glauben schenken, »zu den glücklichsten seines Lebens«, und »zu seinen frohesten Stunden
20 Christian Gottlob Heyne (1729–1812), Direktor der Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, bat Garve während dessen Aufenthaltes in Göttingen zwischen Juni und August 1781, Immanuel Kants gerade erschienene Kritik der reinen Vernunft (Riga 1781) für die Zeitschrift zu besprechen; die von einem »Gottingische[n] Gelehrte[n]« »ab[ge]kürzte u. interpolirte« Besprechung (vgl. Garves Brief an Kant vom 13. Juli 1783 [AA X, S. 330]) erschien am 19. Januar 1782 in den Zugaben zu den Göttingischen gelehrten Anzeigen (3. St., S. 40–48), empörte Kant, der sich missverstanden fühlte, und führte trotz Garves Entschuldigung und der Publikation der Originalfassung im Herbst 1783 in der Allgemeinen deutschen Bibliothek (Anhang zu dem sieben und dreyßigsten bis zwey und funfzigsten Bande, 2. Abt., S. 838–862), die Kant würdigte, zu einer jahrelangen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Kant und jenem »Gottingische[n] Gelehrte[n]«, als den sich Feder in einem Brief an Garve vom 7. Mai 1782 zu erkennen gab (vgl. AA XIII, S. 122f.) und dessen Identität Kant spätestens aus einem Brief des Jenenser Ordinarius der Poesie und Beredsamkeit Christian Gottfried Schütz (1747–1832) vom 10. Juli 1784 bekannt war, in dem dieser darauf verweist, dass Garve aufgrund seiner »Zerstreuungen, seine[r] Hypochondrie, d[er] innere[n] Schwierigkeit, und d[er] Länge des Buchs« dieses »so falsch« in einer »viel zu lange[n]« Besprechung »interpretirt« habe, dass »seine Arbeit, nachdem er [aus Göttingen] abgereiset war, durch Hn. Feder abgekürzt werden mußte« (AA X, S. 392). 21 Vgl. etwa Johann Georg Heinrich Feder: Ueber Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787. 22 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 129f. 23 Vgl. ebd., S. 130. 24 Zum ›Georgianum‹ vgl. Heinrich Lathwesen: Das Georginanum zu Hannover 1797–1810. In: Hannoversche Geschichtsblätter NF 31 (1977), S. 259–280.
Ein »christlicher Emil«?
diejenigen, in welchen er selbst unterrichtet[e]«.25 Dem Schulprogramm zufolge sollten den Zöglingen, deren Altersspanne von neun Jahren bis zum Eintritt in den Militärdienst oder die Universität reichte, im gemeinsamen, täglich sechs Stunden dauernden Unterricht »Gegenstände des allgemeinen Bedürfnisses« vermittelt werden. Nicht zu diesen ›Gegenständen‹ zählten jedoch die musischen wie die Musik oder das Zeichnen; sie wurden wie auch Tanzen, Reiten, Fechten und dergleichen ›privatim‹ unterrichtet.26 Die Erziehung erstreckte sich sowohl auf die »Stärkung [der] Gesundheit und körperlichen Kräfte als auf Bildung [des] Herzens und Schärfung [des] Verstandes«, als Voraussetzung dafür, dass die Zöglinge »lebhaft fühlen lernen, daß sie nur durch Erfüllung ihrer Pflichten glücklich werden können«.27 Zu den Pflichten am Georgianum gehörten auch die gemeinsamen Mahlzeiten, die »des Mittags aus 4, des Abends aus 2 Gerichten« bestanden; als Getränk reichte man ausschließlich Bier.28 Auch nach der Aufhebung des Georgianums durch die französischen Besatzer 1810 blieb Feder erzieherisch tätig, so an der königlichen Hofschule in Hannover und am dortigen Predigerseminar. Auch im Neuen Hannoverschen Magazin publizierte Feder weiterhin, wenn auch nicht mehr zu Fragen der Pädagogik oder praktischen Philosophie, sondern solchen wie Warum versammeln sich die Hayfische einige Tage vor einer Seeschlacht in ungewöhnlicher Anzahl bei den Flotten oder Wie mag die Vorstellung vom Einhorn entstanden sein.29 Kurz vor seinem Tode am 22. Mai 1821 vollendete Feder einen letzten, unpublizierten Beitrag zum Erziehungswesen, den Entwurf einer philosophirenden Vorbereitung zu den akademischen Studien der Theologie, nach den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit.30
25 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Über die Einrichtung des Georgianums und dessen gegenwärtiger Zustand. In: [Salfelds] Beyträge zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens in den Königlich Braunschweig-Lüneburgschen Churlanden 4 (1802), 3, S. 257–270, hier S. 270. 26 Vgl. ebd., S. 259. 27 Vgl. ebd., S. 261f. 28 Vgl. ebd., S. 267; ein gemeinsames Frühstück gab es am Georgianum offensichtlich nicht. 29 Johann Georg Heinrich Feder: Warum versammeln sich die Hayfische einige Tage vor einer Seeschlacht in ungewöhnlicher Anzahl bei den Flotten? In: Neues Hannoversches Magazin 20 (1810), 8, Sp. 123–126; ders.: Wie mag die Vorstellung vom Einhorn entstanden seyn? In: Neues Hannoversches Magazin 20 (1810), 43, Sp. 674–680. 30 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 349f. (dort auch weitere unpublizierte Beiträge).
Udo Roth
Theorie zwischen Philosophie und Theologie Der kurze Überblick über Feders erzieherische Praxis konnte und sollte sein Engagement für eine adäquate und der Zeit entsprechende Pädagogik zumindest andeuten. Deutlicher aber wird dieses sachlich-praktische Interesse, wenn man sich den theoretischen Grundlagen der Pädagogik zuwendet, mit denen sich Feder in zahlreichen seiner Schriften auseinandersetzt. Dass »die Erziehung alles machen, willkürlich Kräfte schaffen und die natürlichen Anlagen immer nach jedweder Ansicht umändern« könne, sei, so eine Maxime, die sich durch alle seine Schriften zieht, schlechterdings unmöglich, aber »vieles vermag sie, sehr vieles. Denn sie hat die ersten, durchs ganze Leben dauerhaften Eindrücke größtentheils in ihrer Gewalt«:31 Erziehung kann »Kräften […] eine gewisse Bestimmtheit«, »natürlichen Neigungen« eine Richtung geben, sie kann Genuss und Abneigung hervorbringen.32 Um dieses zu erreichen und damit dem Menschen den Weg für eine wirkliche Glückseligkeit zu bahnen, die Feder als »Zufriedenheit und Genuß dauerhafter Vergnügen« definiert,33 bedarf es aber der Kenntnis eben dieses Menschen. Im zweiten Band seiner Untersuchungen über den menschlichen Willen entfaltet Feder im Hinblick auf jene Kenntnis daher eine medizinisch-psychologische Lehre von den Temperamenten, die als zeitgenössisch innovativ gelten darf. Denn es komme erstens »darauf an, daß nicht zu wenige und keine erdichteten Prinzipien derselben angenommen werden«. Hiermit wendet er sich einerseits gegen die ältere Temperamentenlehre, die einzig und allein »Grundunterschiede dichte[te], die gar nicht bewiesen werden können«, etwa einzig aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit des Blutes, der schwarzen Galle etc., andererseits gegen Haller, der die Temperamente einzig aus den verschiedenen Graden der Stärke und Reizbarkeit der Muskelfibern und der Empfindlichkeit der Nerven erkennen zu können glaubte. Für Feder hingegen stehen ›flüssiges‹ und ›festes‹ aber in einem »wechselseitigen Einfluß auf einander«.34 Zweitens aber dürfe man »keine andere Einflüsse des Temperaments auf die Seele behaupte[n], als die man entweder mittelst allgemeinerer ausgemachter Naturgesetze begreiflich machen, oder mit hinlänglich vielen, genau aufgenommenen zuverlässigen Erfahrungen beweisen kann«.35
31 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. 4 Bde. Göttingen, Lemgo 1779–1786, Bd. 2, S. 847f. 32 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 848. 33 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 84. 34 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 537–540. 35 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 524.
Ein »christlicher Emil«?
Neben einer solchen »der verschiedenen Alter und Geschlechter«36 entwickelte Feder in den Untersuchungen auch eine spezielle Psychologie des Kindes und des Jugendlichen, die über die Erörterungen des Lehrbuchs der praktischen Philosophie hinausgehen.37 Im Gegensatz zum Neuen Emil verzichtet Feder in diesem Text zwar auf eine klare Abgrenzung zwischen kindlicher und jugendlicher Phase sowie deren Abgrenzung zum Individuum »des mittlern Alters«38 nach Lebensjahren, da »allgemeine Merkmale festzusetzen« nach der Erfahrung schwer falle – es gebe »Kinder von beynahe männlichem Sinn« und »kindische Jünglinge« –, auch müsse man bei Verallgemeinerungen den »Zustand des Zeitalters und der Nationalsitten« berücksichtigen.39 Gleichwohl dürfte Feder die hier im Fokus stehende Entwicklung »besonders bis ins vierzehnte Jahr« im Blick haben – ein im Neuen Hannoverschen Magazin 1798 zusammengestellter Überblick der »angemessenen Gegenstände[] des Unterrichts« lässt dies vermuten;40 auf diesen leider nicht abgeschlossenen Beitrag wird noch zurückzukommen sein. Das Kind ist – hier unter positivem Rekurs auf Haller41 – physisch noch mit zarten und höchst nachgiebigen, schnell reizbaren Sinneswerkzeugen ausgestattet, die eine ebensolche psychische Verfassung mit sich bringen; es ist mithin aufgeschlossen für alles sinnlich Neue, aber auch geneigt, die aufgefassten Reize schnell zu vergessen, und so regen sich dennoch Furcht, Unachtsamkeit, aber auch erste egoistische Triebe (Neid, Habsucht). Vor allem aber beherrscht der Nachahmungstrieb das kindliche Leben, beeinflusst seine freiwilligen Handlungen. In der Jugend nehmen Selbstüberschätzung, Sinnlichkeit, Freiheitsliebe, Unbedachtsamkeit, Selbstsicherheit, aber auch der Hang zum Mystischen, Gefahrvollen zu: Überhaupt aber gehört es zu den Eigenschaften des jugendlichen Alters, daß der sittliche Charakter noch nicht vollständig und dauerhaft bestimmt ist. Sinnlichkeit und Vernunft, Temperament und Grundsätze, Einsichten und Vorurtheile, Vorsätze und Beyspiele streiten beym Jüngling noch gewaltig mit einander, und behaupten oft sehr abwechselnd die Oberhand. Er steht am Scheidewege.42
36 Ebd., Bd. 2, S. 760. 37 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 761–767 (§ 177) und S. 767–772 (§ 178). 38 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 772. 39 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 760f. 40 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Von den angemessenen Gegenständen des Unterrichts, bei der Erziehung zu den höhern Ständen; besonders bis ins vierzehnte Jahr. In: Neues Hannoversches Magazin 8 (1798), 72, Sp. 1161–1176. 41 Feder verweist auf Albrecht von Haller: Elementa physiologiae corporis humani. 8 Bde. Lausanne 1757–1766, Bd. 5 (1763), XVII, i, § 6, S. 537–541. 42 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 31), Bd. 2, S. 772.
Udo Roth Um den Anforderungen gerecht zu werden, die einem Erzieher hinsichtlich der geschilderten psychologischen Aspekte beim praktischen Unterricht entgegentreten, rekurriert Feder auf die von ihm betonte Abhängigkeit des Willens von der Erkenntnis bzw. dem Verstand:43 Keine Begierde, keine Verabscheuung, keine Art von Willensäußerung wird je vorkommen, oder läßt sich auch nur denken, ohne daß etwas durch Empfindung oder Vorstellung der Seele gegenwärtig ist, was dies Wohlgefallen oder Mißfallen ihr erwecke, zu Begierden oder Verabscheuungen sie reize.44
Der Wille hat demnach keine wirkliche Gewalt über den Verstand, doch kann er ihn, »wie ein eigennütziger Günstling, verführen, wenn er nicht auf seiner Hut ist« – der Wille kann nämlich die Aufmerksamkeit von einer Sache auf eine andere lenken.45 Oberste Maxime der Unterrichtenden müsse es daher sein, wie Feder später in den Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts46 ausführt, die Aufmerksamkeit, die der Grund alles richtigen Denkens sei, zu wecken und zu unterhalten, denn je »umfassender, genauer, anhaltender diese ist; desto mehr Erfolg läßt sich vom Nachdenken, Untersuchen und Prüfen erwarten«.47 Wenn man aber die »natürlichen Ursachen der Aufmerksamkeit« betrachte, so entdecke man, wie Feder in einem bereits 1777 in den von Basedow und Campe herausgegebenen Pädagogischen Unterhandlungen publizierten Beitrag Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen, anmerkt, auch bald »die Hindernisse derselben«.48 Denn »vermöge eines der stärksten Naturtriebe« sei »jedweder Eindruck uns angenehm, welcher aus dem beschwerlichen Gefühle stagnirender Kräfte uns heraus reisset«: Aus dieser Ursache tödten leere Köpfe die Zeit und ihre Gesundheit mit Spielen, die sie hundertmal schon verschworen haben; Kinder öffnen Mund und Ohren den Erzählungen der Amme, deren Abgeschmacktheit sie lange schon begreifen, wenn es nichts besseres zu thun giebt; die Bauern lieben rauschende Musik, und wahrscheinlich manchmal aus einerley Grund einen Prediger, dessen Stimme aus allen vier Ecken der Kirche mächtig wiederschallt.49
43 Vgl. dazu ebd., Bd. 1, § 1ff., S. 1ff. 44 Ebd., Bd. 1, S. 28. 45 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 30f. 46 Die Aphorismen basieren im Wesentlichen auf den §§ 195–199 der Untersuchungen über den menschlichen Willen ([s. Anm. 31], Bd. 2, S. 846–879), die den »Beytrag der Erziehung zur Bestimmung des Gemüthscharakters« thematisieren. 47 Feder: Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts (s. Anm. 1), S. 261. 48 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen. In: Pädagogische Unterhandlungen für Eltern und Kinderfreunde 1 (1777), 2, S. 163–184, hier S. 164; der Rezensent der Nürnbergischen gelehrten Zeitung fragte polemisch: »Wer kennt nicht diesen vortreflichen Philosophen der Menschheit – nicht der Schule?« (1777, 67. St., S. 578–581, hier S. 579). 49 Feder: Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen (s. Anm. 48), S. 166f.
Ein »christlicher Emil«?
Um diese Hindernisse für eine ›wohlgeordnete‹ Aufmerksamkeit zu beseitigen, greift Feder auf seine sensualistische, beobachtende Psychologie zurück. Denn um bei der »Mannigfaltigkeit so sehr auseinander strebender Erscheinungen« des menschlichen Gemüts und der »Muthmaßungen« über dieses »zu einiger Gewissheit von der Natur des menschlichen Geistes zu gelangen«, müsse man beobachten, und »vor allen Dingen sich selbst beobachten«.50 Zwar könne der Mensch bei einer Selbstbeobachtung immer »nur sein eigenes Naturell erforschen«, doch wenn andere ebenfalls Beobachtungen über sich anstellten und mitteilten, könne man aus vielen übereinstimmenden Fällen Vermutungen ziehen, die dann auch auf solche Fälle, in denen die Erfahrung fehle, angewendet werden könnten, und zwar »so lange bis die Erfahrung das Gegentheil beweiset«.51 Neben einem »freudig hervorleuchtende[n] Interesse des Lehrers« sind laut Feder mögliche Mittel zur Erweckung und Unterhaltung der Aufmerksamkeit der Schüler die Erregung des Interesses an der Sache etwa durch »Darstellung von einer reizenden Seite, unterhaltende Einkleidung«,52 der Hinweis auf die Wichtigkeit für einen gewissen Zweck sowie die Stimulierung der Wissbegierde ohne diese durch zu große Mengen an Stoff zu übersättigen. Hinzu kommen das Nacherzählen vorgelesener Geschichten, schriftliche Aufsätze zu Unterrichts-, aber auch zu frei wählbaren Themen und »für die Trägsten und Unfähigsten das Dictiren«. Die Aufmerksamkeit sollen letztlich angemessene Belohnungen und Strafen gewährleisten,53 wobei Feder körperliche Strafen aber ablehnt: Ein am Georgianum von ihm in Zusammenarbeit mit den dortigen Hofmeistern erstellter Strafenkatalog sieht eine solche zwar vor, die ›Vollstreckung‹ war aber nur mit Vorwissen und Genehmigung des Direktors, also ihm selbst, erlaubt.54 Auf der Basis einer so geweckten und unterhaltenen Aufmerksamkeit sei es möglich, dass die Zöglinge das richtige, das heißt durch Übung des selbständigen Verbindens von Eindrücken nach Gesetzen und Zwecken der Vernunft (›wozu gehört dieses Ding?‹), durch Schulung der Einbildungskraft (etwa dem Beschreiben entfernter Gegenstände) und des Misstrauens gegen halbwissengeprägtes Denken lernen. Neben der Aufmerksamkeit schätzt Feder die Nachahmung als Mittel der Erziehung. Der Trieb zur Nachahmung, der »natürlichste, heilsamste und gefährlichste« Trieb des Menschen, richte in der Kindheit das meiste in der Seele aus, bleibe aber in jedem Lebensalter erhalten. Der Nachahmungstrieb gründet nach Feder auf den unwillkürlichen Reizen von außen, die uns zu einem ›Mitmachen‹ antreiben, auf dem Bedürfnis nach Bewegung und der »Neigung, sich andern gefällig zu machen«. 50 Vgl. Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 31), Bd. 1, S. 11. 51 Vgl. ebd., S. 12f. 52 Im Neuen Emil formuliert Feder dies hinsichtlich der kindlichen Erziehung so: »Alles zu thun, indem man nichts zu thun scheint«; vgl. Feder: Der neue Emil (s. Anm. 8), Bd. 1, S. 19. 53 Vgl. Feder: Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts (s. Anm. 1), S. 262–264. 54 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 166f.
Udo Roth Negativ kann er aber auch bewirken, dass man sich durch ihn Vorteile erhofft.55 Um sich dieses Triebes für die Erziehung zu bedienen, insistiert Feder darauf, dass zur Nachahmung nicht nur eine gleiche, sondern auch eine gegensätzliche Situation ermuntere. So verweist er schon im Neuen Emil darauf, dass die Spartaner ihre Sklaven sich betrinken ließen, um bei ihren Söhnen Abscheu vor dem Trunkensein zu erwecken.56 Nahmen die bisherigen Darlegungen ihren Ausgang in der kindlichen und jugendlichen Gemütsverfassung, so macht Feder hier keineswegs Halt. Die formulierten Erziehungsmittel können nämlich nur Erfolg haben, wenn der Erzieher imstande ist, sie umzusetzen. Denn dieser muss »mit den Vorstellungen und Neigungen der zarten Jugend vertraut« sein,57 um etwa die geeignete Lektüre auszuwählen: »[J]e weniger unterhaltend« Geschichten und Erzählungen »für den Lehrer sind, desto mehr sind sie es insgemein für den Knaben«.58 Vor allem aber muss der Lehrer in der Lage sein, »denjenigen Unterricht, der für die Bildung des Willens unmittelbar bestimmt ist«, in angemessener Weise zu handhaben. Da Feder eingeborene Begriffe, wie etwa den von Gott, ebenso bestreitet wie einen »moralischen Sinn als eine einfache und ursprüngliche Erkenntnißquelle«,59 liegt der Schwerpunkt der Erziehung auf der Ausbildung bereits vorhandener, aber ›dunkler‹ moralischer und religiöser Empfindungen zu »hellen, bestimmten Vorstellungen«60 – und dies insbesondere in der Religion. Feder plädiert dafür, daß man frühe, so frühe als einigermaßen die Vorstellungen von Güte, Macht und Weisheit, Grund fassen wollen, mit den Kindern von Gott, dem allen, die gut seyn wollen, erfreulichen, den Bösen fürchterlichen, alles wissenden himmlischen Vater rede.61
In den »übrigen Arten des Unterrichts« seien »Ideen von religieusen Beziehungen« noch häufig zu erwecken und zuzuführen, »und allmälig muß wohl auch einige Jahre lang eine tägliche Zeit zum besondern Unterricht in der Religion ausgesetzt werden« – letzteres kommentierte der Herausgeber Basedow in einer Fußnote so: »Nicht vieljähriger Unterricht; sondern nur Erinnerung und Erbauung. Sonst wirds Theologie«.62 Was für die anderen Unterrichtsfächer gilt, muss für den Religionsunterricht in verstärktem Maße gelten: Es komme nicht so sehr darauf an, was der Lehrer »alles 55 Vgl. Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 31), Bd. 1, S. 452–454. 56 Vgl. Feder: Der neue Emil (s. Anm. 8), Bd. 1, S. 121. 57 Vgl. Feder: Von den angemessenen Gegenständen des Unterrichts (s. Anm. 40), Sp. 1170. 58 Vgl. Feder: Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen (s. Anm. 48), S. 174. 59 Vgl. Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen (s. Anm. 31), Bd. 1, S. 383–393 (§ 98). 60 Vgl. Feder: Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen (s. Anm. 48), S. 177. 61 Ebd. 62 Vgl. ebd., S. 179.
Ein »christlicher Emil«?
wisse und glaube«, sondern »wie er das, was das Wesen der Religion ausmacht, wisse und glaube«.63 Eben dadurch unterscheide sich die Ausbildung zum Theologen vom schulischen Unterricht, denn letzterer sei »mehr Herzensangelegenheit als Verstandesbeschäftigung oder Gedächtnißwerk«, den Schülern seien nicht »Brocken einer halbverstandenen Dogmatik« geboten, »sondern Kernsprüche aus der Bibel und Kraftverse aus Gellertschen und andern ähnlichen Liedern«.64 Denn mit gefühlvollen, aus dem Herzen des Erziehers kommenden Erläuterungen sei mehr zu erreichen als mit allen »Terminologien und Distinctionen der philosophischtheologischen Systeme« zusammen.
Resümee Die hier eingeforderten Maximen zeugen vom pietistischen Fundament einer pädagogischen Konzeption, die Feder in seiner Autobiographie auch ganz selbstverständlich angibt. Dennoch sei dies zu relativieren. Denn obgleich er während seiner eigenen Schulzeit in Neustadt an der Aisch in pietistischen Kreisen verkehrte, so hat sich das »Schwärmerische« doch schon bald verloren; geblieben aber sei »das Gute«, da es »aus einer guten Grundquelle entsprang, und nicht auf Heucheley angelegt war«. Und wenn »Manchem […] aus [s]einer späteren Religionsphilosophie und Religiosität Mysticismus, Folge jenes unreinen Fermentes, noch hervorleuchten« möge, so schmettert er ihnen entgegen, dass in »Sachen der Religion […] doch wohl jeder selbst sein competentester Richter« sei – um gleich darauf zu insistieren: Möchten doch die Lehrer der Religion, statt mit ängstlicher Hinsicht auf die laufende Philosophie immer an den Formen und Formeln der Religion zu künsteln, mit allem Ernste darauf bedacht seyn, daß Glaube und Liebe aus ihnen sprächen. So würde weder der politische, noch der philosophische Unglaube im Stande seyn, die christliche Religion zu vertilgen.65
In den etwa zeitgleich mit seiner Lebensbeschreibung entstandenen Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts und einige daraus entspringende Regeln liest sich dies so: Unverkünstelte Gründe, wie sie die Natur des Menschen fordert und darbietet, müssen die Überzeugung von den moralischen und religiösen Wahrheiten, ohne welche die menschliche Glückseligkeit und die gesellige Ordnung nie sicher sind, erzeugen und befestigen.66
63 Vgl. Feder: Von den angemessenen Gegenständen des Unterrichts (s. Anm. 40), Sp. 1171, Anm. 64 Vgl. ebd, Sp. 1171f. 65 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 24f. 66 Feder: Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts (s. Anm. 1), S. 270.
Udo Roth Ontologische ›Wahrheiten‹ aber lassen sich nicht durch die Philosophie, einem »logisch geordneten System von Sätzen, die sich nie als höchste Gewißheit, nur als vernünftige Folgerungen aus dem Ganzen der menschlichen Erkenntniß ankündigen, und als solche die Prüfung aushalten«, also intellektuell, erfassen, denn der menschliche Verstand unterscheidet in seiner Wahrnehmung Subjectives und Objectives, Inneres und Äußeres, aber im Sein es trennen, oder den Zusammenhang völlig ergründen – das vermag er nicht.67
Die religiöse Metaphysik, die aus diesen Worten spricht, und die etwa 1805 in Salfelds Beyträgen in dem Beitrag zur Religion, als Angelegenheit des Herzens näher betrachtet auch publik wird,68 bestimmt sowohl Feders praktische Philosophie als auch sein pädagogisches Konzept. Denn, wie er am 27. März 1815 in einem Nachtrag zu seiner Lebensbeschreibung überzeugt kundtut: Ich habe der Philosophie […] viel, recht sehr viel zu verdanken, in Absicht auf Charakterbildung, Ruhe und Heiterkeit des Gemüthes. Auch unter schweren Leiden nahm ich meine Zuflucht nicht vergebens zu ihr. Aber – schneller und kräftiger wirkte oft ein Spruch aus der Bibel. […] Alles Gute, alle Erkenntniß […] kommt ja doch am Ende aus einer Quelle, vom Vater des Lichts.69
67 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 2), S. 250. 68 Vgl. Johann Georg Heinrich Feder: Religion, als Angelegenheit des Herzens näher betrachtet. In: [Salfelds] Beyträge zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens in den Königlich Braunschweig-Lüneburgschen Churlanden 6 (1805), 4, S. 545–554. 69 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 341.
4 Popularphilosophie in der Kontroverse
Stefanie Buchenau
Menschlich denken Feders anthropologisch-philosophisches Programm Mit dem Menschen hat es die Philosophie zu thun; alles, was sie behandelt, geschieht am Ende immer in Beziehung auf ihn. Hauptbedingungen beim Philosophieren, als auch bey dem, was man Erforschung der Wahrheit, vernünftiges Denken nennt, ist menschlich denken wollen.1
In diesem philosophischen Bekenntnis aus dem Endkapitel seiner Selbstbiographie Leben, Natur und Grundsätze führt Johann Georg Heinrich Feder ein anthropologisches Leitmotiv ein, das seinen philosophischen Ansatz allgemeiner beschreibt. Feder möchte »menschlich denken«. Das bedeutet zunächst, dass er bestimmte übertriebene philosophische oder, wie er es abwertend nennt, »speculative« Ambitionen seiner Vorgänger zurücknehmen möchte. Feder fährt fort: Alle hochtönende, überspannte Speculation versieht es darin, wird der heilsamen Erkenntnis darum nicht theilhaftig, weil sie eine andere Vorstellungsart, Einsicht, Wahrnehmung erzwingen will, als dem Menschen zugemessen ist. Von Forderungen, Voraussetzungen ausgehen, in Fragen und Behauptungen sich einlassen, bey denen nur Worte, nicht Vorstellungen zugrundeliegen, bey denen alles Licht des menschlichen Verstandes verschwindet, das Nothwendige des menschlichen Denkens, das Hellste in der Erkenntnis verleugnet oder als zweifelhaft betrachtet werden müsste – hieße ohne Grund bauen, ohne Grund feststehen wollen.2
Der menschlich denkende Philosoph verfolgt nicht das vergebliche Ziel, sich zu den Höhen aufschwingen zu wollen, die dem menschlichen Verstande nicht »zugemessen« sind. Von diesem Ziel, das einen früheren Rationalismus kennzeichnete, setzt Feder sich hier explizit ab. Wer menschlich denkt, der strebt nicht nach einer Wissenschaft des Möglichen überhaupt, sondern nach einer für den Menschen möglichen Weisheit oder »menschenmöglichen, festen, richtigen (der Natur gemäßen) Denkart und Handlungsweise«. Ein wenig später führt Feder diesen Punkt weiter aus: »Denn in und durch uns, im Strome unserer Gefühle und Ideenverbindungen stellen wir uns alles Übrige vor. Wir messen nach uns; wir beurteilen alles am liebsten in Beziehung auf uns, nach dem was es für uns und in Vergleichung mit dem
1 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig, Hannover 1825, S. 248. 2 Ebd. https://doi.org/10.1515/9783110489439-017
Stefanie Buchenau unsrigen und uns bekannten ist.«3 In diesem philosophischen Programm vom menschlichen Denken klingt aus weiter Ferne der Homo mensura-Satz des Protagoras nach, vom Menschen als Maß aller Dinge. Wir messen nach uns, bedeutet hier aber nicht, dass der Mensch den Dingen den eigenen Maßstab auferlegen, sich selbst zum Maß, zur Regel, zum Zentrum und Nabel der Welt aufwerfen könne oder solle. Ganz im Gegenteil soll der Mensch die Schranken der eigenen Erkenntnis beachten. In diesem Sinne mahnt Feder zu Bescheidenheit und Demut. Aus einer engeren zeitlichen Perspektive heraus betrachtet, rückt dieses philosophische Credo Feder in die Nähe der Anthropologen und der empirischen Psychologen der Aufklärung. Wie Feder schränken diese die Philosophie von göttlichen auf menschliche Ambitionen ein, indem sie auf die Schranken der menschlichen Erkenntnis und auf die Notwendigkeit von Selbsterkenntnis oder Selbstreflexion als deren Bedingung verweisen. Diese Einschränkung der Philosophie findet in einer Rückbesinnung auf das Delphische Orakel seinen Ausdruck, das zur Selbsterkenntnis anhält: Gnothi seauton oder lateinisch nosce te ipsum: Karl Philipp Moritz beispielsweise nimmt den Titel Gnothi seauton in den Titel seines Magazins zur Erfahrungsseelenkunde mit auf.4 Der junge Herder schreibt: »Soll die Philosophie dem Menschen nützlich werden, so mache sie den Menschen zu ihrem Mittelpunkte; sie, die sich durch gar zu ungeheure Ausdehnungen geschwächt hat, wird stark werden, wenn sie sich auf ihren Mittelpunkt zusammenzieht.«5 Und: Philosophie verlange nach »Einziehung auf Anthropologie«.6 Ernst Platner schließlich entwickelt im Vorwort seiner Anthropologie für Ärzte und Weltweise von 1772 einen analogen Gedanken: »Es kommt alles darauf an, was man unter der Philosophie versteht. Ich denke mir nichts anders dabey, als die Wissenschaft des Menschen und anderer Körper und Geister, welche zu seiner Natur ein Verhältnis und auf seine Glückseligkeit eine Beziehung haben.«7 In Übereinstimmung mit diesen Autoren, die er kennt und zitiert, stellt Feder die Erkenntnis des Menschen und die Selbsterkenntnis in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Er teilt weiterhin die ganzheitliche Perspektive auf den Menschen, die naturphilosophische Fundierung und systematische und philosophische Ambition, die diese Tradition kennzeichnet. Die relative Besonderheit und Originalität Feders liegt hingegen in dem Versuch, sich nicht gegen den Wolffianismus zu positionieren. Er hebt vielmehr das dieser Anthropologie zugrundeliegende wolffianische Grundschema hervor und strebt eine Synthese an, in der Wolffianismus und an 3 Ebd., S. 252; Hervorhebung S.B. 4 ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Hg. von Karl Philipp Moritz. Berlin 1783–1793. 5 Johann Gottfried Herder: Wie die Philosophie zum Besten des Volks allgemeiner und nützlicher werden kann. In: ders.: Werke. Hg. von Gottfried Arnold u. a. Frankfurt a. M. 1985ff., Bd. 1 [Hg. von Ulrich Gaier. Frankfurt a. M. 1985], S. 125. 6 Ebd., S. 132. 7 Ernst Platner: Anthropologie für Aerzte und Weltweise. Leipzig 1772, Vorrede, S. III.
Menschlich denken
thropologisches Gedankengut aus Göttingen (z. Β. bei Haller, Hollmann, Meiners), Rationalismus und Empirismus eine fruchtbare Verbindung eingehen. Denn für Feder ist die Forderung nach menschlichem Denken im wolffianischen System angelegt. In diesem Artikel soll es um eine genauere Kennzeichnung dieser Revision des Wolffianismus und um Feders philosophischen Denkansatz als eines menschlichen, menschenmöglichen und anthropologischen gehen. In meiner Lektüre folge ich zunächst Feders eigener Darlegung von »wesentlichsten philosophischen Grundsätzen, Ansichten und Überzeugungen« in der bereits zitierten Autobiographie. Der Ausgang von diesem eigenen philosophischen Bekenntnis und die Zuordnung zu einer anthropologischen Tradition, die Feder selbst ausdrücklich für sich einfordert, mag helfen, gewisse Fehleinschätzungen zu revidieren, einen neuen Blick auf Feders irenisch-eklektischen Ansatz und seine reellen philosophischen Ambitionen zu werfen und außerdem auf die anthropologische Tradition der Aufklärung selbst. Er mag die Problemkonstellation der 1770er Jahre in neuem Licht erscheinen lassen, die Krise von rationalistischer Philosophie und Metaphysik und deren Verhältnis zum aufkommenden Empirismus aufhellen.
Feders irenisch-eklektischer Ansatz Die Besonderheit des federschen Ansatzes scheint in einer Denkart zu liegen, die er selbst als »irenisch-eklektisch« beschreibt. Statt polemischer Ansicht der älteren Systeme sucht Feder »anwendbare Philosophie aus den natürlichsten, oder nicht füglich zu bestreitenden, Vorstellungsarten zu entwickeln, das Wahre und Gute, was sie enthielten, durch vernünftige Gründe jedweder Art zu befestigen«.8 Diese Tendenz hätte zwar seinen philosophischen Einfluss vermindert. Sie erkläre aber, warum er im Gegensatz zu den derzeitigen Machthabern in der Philosophie, die mit schwerer Rüstung und mit »vielversprechenden Ankündigungen, paradoxen Behauptungen, einer eigenen Kunstsprache«9 auftreten, keine Schule habe gründen können. Gleichzeitig aber entspreche diese Tendenz einem bestimmten genuin philosophischen Ansatz und ist Feder zufolge »sowohl im Leben als auch bey literärischer Beschäftigung, der Bildung [s]eines philosophischen Sinnes und Systems nicht nachteilig« gewesen.10 Sie finde sich bereits bei Leibniz, der »bekanntlich jene gebilligt und auch selbst befolgt« habe und auf dessen Specimen dynamicum sich Feder explizit beruft; gleichzeitig bestimmte ihn dazu »[s]ein Naturell […]; derselbe 8 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 79f. 9 Ebd., S. 79 10 Ebd., S. 80f.
Stefanie Buchenau Hauptzug [s]einer Gemüthsart, der auch bey Behandlung der Menschen [ihn] immer leitete: mehr ihr Gutes zu beachten als ihre Fehler und Schwächen«.11 Diese irenische Denkweise, die dazu anhält, eine Vielfalt von philosophischen und menschlichen Ansichten und Perspektiven zu berücksichtigen, legt Feder auch bei seiner Ankunft in Göttingen im Jahre 1768 an den Tag. Zu dieser Zeit verliert die wolffianische Philosophie allgemein an Terrain und scheint im naturphilosophisch ausgerichteten Göttingen auf besondere Feindseligkeit zu treffen. Zwar nimmt Münchhausen, der Initiator und Kurator der Universität Göttingen Wolff in den Anfangsjahren eher in Schutz: Die wolffsche Philosophie sei »vielleicht so fürchterlich nicht als sie von vielen angesehen wird. Denn klare und deutliche Begriffe zu machen ist in allen disciplinen gut, ob man gleich in theologicis piano gehen, und das scire und credere nicht confundiren muss. Bei dem letzteren cessiret freilich die Notwendigkeit von deutlichen Begriffen, und dieses agnoscieren auch die Wolffianer und wissen, dass in denen credendis der Massstab unserer Vernunft zu kurz ist, dieselben auszumessen«, schreibt Münchhausen in einem Brief an Heumann aus dem Jahre 1737.12 Aber bald ertönen kritischere Stimmen. Schon Albrecht von Haller (1708–1777), ab 1736 Professor der Anatomie, Chirurgie und Botanik in der neugegründeten Georg August-Universität Göttingen fällt unter dem Titel Über die Scholastische und Wolffische Philosophie ein vernichtendes Urteil über den Wolffianismus. Er betrachtet diese als einen Rückfall in die barbarische mittelalterliche Scholastik. Wolff habe »sich verbunden geglaubt, die Wörter, die die Modifikationen ausdrücken, wieder in die Philosophie zurückzuführen, Dinge, die man als barbarisch verstoßen hatte, und die man nun wieder mit aller Ehre in den Schriften dieses Weltweisen und seiner Anhänger zum Vorschein kommen«.13 Der dogmatische Ton des Wolffianismus führe zu einem philosophischen Hochmut, der der wahren Wissenschaft zuwiderlaufe : Man siehet, sogar in seiner Sekte, vermessene Geister entstehen, die sich alles Zweifels schämen, die die Arten der Erklärungen der Gattungen unterwerfen, und die sich nach und nach eben die Herrschaft über die Wissenschaften anmaßen, die Bacon und Gassendi der Schule entrissen haben. Sie schreiben über Vorwürfe, von denen sie das wenigste verstehen. […] Sie
11 Ebd., S. 80. 12 Zitiert in: Konrad Cramer: Die Stunde der Philosophie. Über Göttingens ersten Philosophen und die philosophische Theorielage der Gründungszeit. In: Jürgen von Stackelberg (Hg.): Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737. Eine Vortragsreihe aus Anlass des 250jährigen Bestehens der Georgia Augusta. Göttingen 1988, S. 101–143. 13 Diese Verurteilung findet sich in einer Anzeige der Logik seines Kollegen Hollmanns. Diese Anzeige erscheint zunächst im Band 37 der Bibliothèque raisonnée und später, in verkürzter Form, im zweiten Teile seines Tagebuchs seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst. Bern 1787, S. 140–144, hier S. 141f.
Menschlich denken
sind Naturkündiger, Ärzte, Rechtsgelehrte, Theologen, bloß weil sie die Metaphysik verstehn […].14
In der Tat scheint die wolffianische Metaphysik auch nicht unbedingt mit Hallers eigenen wissenschaftlichen Ergebnissen vereinbar. Seine im Göttinger Labor betriebenen Experimente zur Reizbarkeit und Sinnlichkeit weisen darauf hin. Will man das Seelenprinzip als solches beibehalten und nicht Bewegung an sich auf ein materielles und leibliches Prinzip zurückführen, so scheint die Medizin und Physiologie eine Neubegründung der alten Doktrin von der Seele als Zweckprinzip und damit auch vom Menschen zu erfordern. Dies scheint zumindest La Mettrie nahezulegen, der in seinem LʾHommemachine eine Polemik mit Haller beginnt, die zum Teil auch in den Göttingischen gelehrten Anzeigen ausgetragen wird und an der der oben erwähnte Samuel Christian Hollmann (1696–1787), erster Philosophieprofessor in Göttingen, mitbeteiligt ist. Seine zweiteilige Widerlegung von La Mettries Homme-Machine wurde unter dem Titel Lettre d’un anonyme pour servir de critique ou de réfutation au livre intitl: L’Homme machine in den Göttingischen Zeitungen von Gelehrten Sachen publiziert.15 Haller meidet im Namen seines Newtonianismus philosophische Streitigkeiten. Hollmann hingegen begibt sich auf das theologische und philosophische Terrain, stellt Betrachtungen über die Unwissenheit unserer selbst an16 und vollzieht, um einer besseren Begründung der Seele willen,17 den Wechsel von der Metaphysik zur Naturphilosophie.18 Diese Polemik – und die hier zum Ausdruck kommenden großen philosophischen Probleme der Zeit,19 bilden wohl den Hintergrund der antiwolffianischen Stimmung im Göttingen der 1760er und 1770er Jahre. Feder merkt an, dass man damals »der schwerfälligen, weitschweifigen, und doch am Ende die verheißende Einsicht und Gewissheit nicht bewirkenden Demonstrir-Methode müde« gewesen sei.20 Im Grundriß berichtet er, Freunde wahrer Weisheit hätten begonnen, die »Schriften eines Hollmanns, eines Crusius, eines Darjes und anderer Eklektiker
14 Ebd. 15 Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen 52 (1748), S. 409–412 u. S. 425–428. 16 Vgl. insbesondere Samuel Christian Hollmann: Betrachtung über die Unwissenheit unserer Selbst. In: Der Zerstreuer, 31. St., Montag den 5. August 1737; ders.: Gedanken von der Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnis und den Quellen der Weltweisheit. Göttingen 1737. 17 Vgl. Cramer: Zur geistigen Situation (s. Anm. 12), S. 99–120. 18 Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte zum Gebrauche seiner Zuhörer. Coburg 1769, S. 44. 19 Cramer: Zur geistigen Situation (s. Anm. 12): »In Wahrheit […] hatte [Hollmanns] Analyse des Umfangs der Unkenntnis, in welcher sich die cartesianisch verfasste menschliche Seele über sich selbst befindet, deutlich werden lassen, wie zum Zerreissen gespannt dieses Paradigma in seinen metaphysischen Verfestigungsformen geworden war.« 20 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 87.
Stefanie Buchenau unserer Zeit mit eben der Aufmerksamkeit zu lesen als die Wolffischen«.21 An anderer Stelle bekennt er sich selbst direkt zu Hollmanns Philosophie. Dieser sei »das Muster eines vernünftigen Zweiflers, so gelehrt als scharfsinnig. Er entdecket die Quellen der verschiedenen Meynungen und vieler Irrthümer, in der Zweideutigkeit der unbestimmten Ausdrücke«. Und Feder schließt: »Wenn es in der Philosophie nöthig wäre, sich von jemanden zu nennen, so würde ich mich zu dem Namen dieses Philosophen bekennen. Aber ich würde mir eben dadurch das Recht behaupten in einigen Meynungen von ihm abzugehen.«22 Gerade weil Feder im Grundriß solch undogmatische und eklektische Einflüsse verarbeitet, scheint man ihn in Göttingen positiv aufzunehmen.23 Von der gleichen irenisch-eklektischen Denkart zeugen auch die folgenden Schriften, wie das bald konzipierte Lehrbuch über Logik und Metaphysik, der zweite Teil des in Coburg begonnenen Neuen Emil, das Lehrbuch der Praktischen Philosophie und schließlich sein Hauptwerk, die Untersuchungen über den menschlichen Willen. All diese Werke versuchen eine Revision oder Korrektur des Wolffianismus im Sinne der Aufnahme und Assimilation Göttingischen Gedankenguts. Aber inwiefern lassen sich diese Gedanken vereinbaren? Ist nicht die Bestimmung des Menschen über seine immaterielle und göttliche Seele dem Menschheitsgedanken der Anthropologie des 18. Jahrhunderts diametral entgegengesetzt, ja entwickelt sich dieser Gedanke des empirischen Menschen und der Menschheit nicht gerade in Opposition zu dieser alten Metaphysik?
Feders Revision des Wolffianismus Für Feder sind beide Gedanken offenbar unter der Bedingung vereinbar, dass man Wolffs Metaphysik einer gewissen Revision unterzieht. Diese Korrekturen wurden eingangs schon kurz erwähnt. Feder distanziert sich erstens von gewissen methodischen Vorgaben und von der Auffassung, die mathematische, mit Definitionen und Axiomen ansetzende Methode besäße einen exemplarischen Wert für die Philosophie. Die Nachahmung der mathematischen Methode in der Philosophie habe seiner Meinung nach nur zu Wortkrämerei und Handhabung leerer Begriffe und barbarischer Kunstwörter geführt. »So oft die Philosophen, durch eine Vergleichung mit der Reinen Mathematik, oder aus irgend einem anderen Grunde, ihre Begriffe von Wissenschaft und Wahrheit zu hoch ansetzten, […] trieben sie sich entweder in idealistischen Wortgeweben herum […] oder endigten mit einem traurigen hoffnungslo-
21 Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 18), S. 43. 22 Ebd., S. 44. 23 Siehe hierzu die Beiträge von Sören Schmittke und Hans-Peter Nowitzki in diesem Band.
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sen Scepticismus usw.«24 In Leben, Natur und Grundsätze bestimmt Feder Philosophie als menschenmögliche Anthropologie, als »[e]ine durch unbefangenes, gründliches Nachdenken entstehende Aufklärung und Anordnung der Vorstellungen und Gesinnungen, zur Erzeugung einer menschmöglichen festen, richtigen (der Natur gemäßen) Denkart und Handlungsweise«.25 Allgemein besteht eine Schwäche der wolffianischen Methode darin, dass Wolff der Einfachheit des Systems die wahre Gründlichkeit bisweilen aufgeopfert [habe]. Indem er zu sehr darauf bedacht ist, an wenige Grundsätze und Grundbegriffe alles zu ketten, und immer geraden Gang fortzugehen, wird er oft in seinen Untersuchungen unvollständig, leitet von einem Grund allein ab, – was noch mehrere Ursachen hat, übersieht alle diejenigen Erscheinungen, die nicht in seinem Weg liegen, und liefert also am Ende eine zu magere skeletirte Vorstellung der Natur, aus welcher man ihre ganze Gestalt und ihre Bewegungen nicht hinlänglich kennenlernt.26
Aber zweitens und insbesondere scheint Feder sich an Wolffs Erklärung des menschlichen Wesens als Vernunftwesen und der menschlichen Seele als denkende Substanz zu stoßen, das seiner doppelten Psychologie zugrunde liegt, und zwar der Annahme, dass sich die Seele durch Introspektion von einem undeutlichen oder sinnlichen Bewusstsein ihres Wesens (als Geist) zu einem deutlichen Bewusstsein, zu Selbstbewusstsein oder Apperzeption emporheben könne.27 Die Philosophie darf in Feders Augen die Erklärung oder Definition einer solchen Seelensubstanz nicht voraussetzen, sondern nur als Hypothese annehmen. Nur noch einen Schritt: so sind wir da, wo wir vielleicht unsere Betrachtung hätten anfangen sollen, bey uns selbst. Denn was ist ein Mensch anders, als eine denkende Substanz in einem organischen Körper? Ist das eine Erklärung? Nein; es soll keine seyn; eine Erklärung ist so geschwind nicht gemacht; und zumal, wenn sich der Mensch selbst erklären soll.28
Mag es »beym ersten Anblicke befremden, daß die Seele sich nicht kennen sollte«, so ist die Seelensubstanz dem Menschen doch nicht direkt einsichtig, nicht seiner inneren Anschauung zugänglich; er ist sich dieses seines Wesens nicht direkt bewusst. Dies entspricht auch der Meinung vieler Philosophen, die die Ungewissheit des psychologischen Wissens hervorheben. »Ob es gleich Philosophen gegeben hat, die da behaupteten, daß es leichter sey, von der Seele, als vom Körper eine gründliche Kenntniß sich zu verschaffen: so gibt es doch weit mehrere, die besonders in der 24 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 249. 25 Ebd., S. 247. 26 Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen. Erster Theil. Göttingen, Lemgo 1779, S. 20f. 27 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von GOtt, der Welt und der Seele des Menschen [Deutsche Metaphysik], Gesammelte Werke I, 2, Hildesheim 1997 [1751], § 854. 28 Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 18), S. 117.
Stefanie Buchenau Seelenlehre über Unwissenheit klagen, und es für sehr wenig halten, was wir mit Gewissheit von unserer Seele wissen.«29 Ob die Seele ein materielles oder immaterielles, geistiges Wesen, einfach oder aus verschiedenen Grundkräften zusammengesetzt sei, ob sie bloß der Sitz des Bewusstseins oder der Ideen sei, dies sind Fragen, die zunächst unentschieden bleiben müssen.30 Nur eine relative Klarheit, Helle und Bestimmtheit des Bewusstseins, in dem wir uns unserer und anderer Dinge des gegenwärtigen und des vergangenen, der Lust und Unlust bewusst sind, und nur ein »Selbstgefühl« können eingeräumt werden. Diese Position teilt Feder mit Platner und anderen anthropologischen Zeitgenossen. Zugleich ist dieser Gedanke mit Wolffs Perspektive durchaus vereinbar oder sogar im Wolffianismus selbst angelegt. Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass auch Wolff die Seele nicht wie Descartes als ein außerweltliches, sondern als ein innerweltliches Ding betrachtet, das parallel nur durch Einkehr in sich und in Betrachtung der Welt deutlich erkennbar wird.31 Wenn die Psychologie nach demonstrativer Methode gelehrt werden soll, entnimmt sie der Kosmologie und der Ontologie Grundsätze, nämlich die allgemeine Lehre von der Welt und den Kraftbegriff. Die Welt ist ein Spiegel der Seele.
Das Studium des Menschen in Naturlehre und Geschichte Diese Verortung der Seele in der Welt und in der Natur scheint die philosophische Neuorientierung des Wolffianismus in Göttingen grundlegend zu beeinflussen. Zwar begibt sich Feder selbst nicht in die Details naturphilosophischer und medizinischer Debatten, erwähnt aber seine physiologischen und naturhistorischen Kenntnisse, berücksichtigt und zitiert die Einsichten und Thesen seiner Kollegen. Der Einfluss Hollmanns wurde schon oben erwähnt. Wie schon Hollmann betrachtet Feder – im Gegensatz zu Wolff – die herkömmliche Arbeitsteilung, in der sich der Philosoph mit der Seele befasst und der Arzt mit dem Körper, offenbar als nicht mehr selbstverständlich. Auch geht er nicht einfach von einem Vorrang der Psychologie über die Physik aus, in der man die Harmonie zwischen Seele und Leib voraussetzt, statt den Seelenbegriff aus dem des Leibes abzuleiten. Feder teilt das Postulat, in der Philosophie den ganzen Menschen zu betrachten, begreift dieses
29 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik. 4. verbesserte Aufl. Göttingen 1774, S. 20. 30 Ebd, S. 24. 31 Siehe Christian Wolff: Discursus praeliminaris de philosophiae in genere / Einleitende Abhandlung über Philosophie im allgemeinen. Hg. von Günter Gawlick u. Lothar Kreimendahl. Stuttgart 1996, § 98.
Menschlich denken
Programm als eine neue philosophische Herausforderung und nimmt aktiv an dem Prozess teil, den man eine anthropologische Wende nennen kann.32 So weist Feder ganz zu Anfang seiner Logik mit Verweis auf Platners Anthropologie auf die Vereinigung von Seele und Körper hin. »Ob wir also gleich Ursache haben, die Seele und den Körper als verschiedene Theile des Menschen zu unterscheiden, so wissen wir doch, vermöge der täglichen Erfahrung, dass beide auf das genaueste miteinander vereinet sind.«33 Er diskutiert die verschiedenen Seelenvermögen, dabei vor allem die Einbildungskraft und das Gedächtnis, in ihrer Abhängigkeit vom Körper und verweist auf eine Reihe einschlägiger Autoren (Bonnet, Muratori, Unzer, Platner). In seiner Logikdiskussion über die Unterschiede der verschiedenen Köpfe und in den moralischen Schriften kommt er auf den Einfluss von Klima und Nahrung auf das Denken und den Willen zu sprechen und diskutiert auch das Thema der Sympathie. Aber es geht nicht nur um die Notwendigkeit, Philosophie und Metaphysik auf eine »durch die Messkunst geschärfte Naturlehre« zu gründen und »den Menschen […] da [zu] studiren, wo ihn Demokrit, Hippokrates, Galen und Cartes studiert haben«.34 Man muss ihn außerdem auch als historisches Wesen betrachten und »ihn in der Geschichte studieren«.35 In diesem Bereich der Anthropologie36 scheint Feder im Einklang mit seinem engen Freund, Vertrauten und späteren Kollegen Christoph Meiners (1747–1810) zu stehen, der ab 1772 als außerordentlicher Professor und ab 1775 als ordentlicher Professor Reichs- und politische Staatengeschichte in Göttingen lehrte und von 1788 bis 1791 mit Feder zusammen die Philosophische Bibliothek herausgab. Vielleicht regte der ältere Feder sogar Meiners anthropologisch-historische Studien mit an. Denn trotz Meinersʼ späteren rassistischen Thesen, die von der Unterlegenheit bestimmter Menschenstämme und -gruppen (den Afrikanern gegenüber den Europäern, den Juden gegenüber den Christen) ausging, hebt er einen gewissen epistemologischen und erkenntnistheoretischen Gewinn hervor, den die Berücksichtigung solcher Gruppen für eine Geschichte der Menschheit bedeuten. In der Vorrede sei 32 Siehe hierzu u. a. Hans-Jürgen Schings (Hg.): Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. DFG-Symposion 1992. Stuttgart, Weimar 1994; Carsten Zelle: Experimentalseelenlehre und Erfahrungsseelenkunde. Zur Untersuchung von Erfahrung, Beobachtung und Experiment bei Johann Gottlob Krüger und Karl Philipp Moritz. In: ders. (Hg.): »Vernünftige Ärzte«. Hallesche Psychomediziner und die Anfänge der Anthropologie in der deutschsprachigen Frühaufklärung. Tübingen 2001, S. 173–185, oder auch Stefan Hermes u. Sebastian Kaufmann (Hg.): Der ganze Mensch – die ganze Menschheit. Völkerkundliche Anthropologie, Literatur, Ästhetik. Berlin, Boston 2014. 33 Feder: Logik und Metaphysik (s. Anm. 29), § 5. 34 Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 18), S. 117. 35 Ebd. 36 Zur Geschichte der Humanwissenschaften in Göttingen vgl. auch: Hans Erich Bödeker, Philippe Büttgen u. Michel Espagne (Hg.): Die Wissenschaft vom Menschen in Göttingen um 1800. Göttingen 2008.
Stefanie Buchenau nes Grundrisses der Geschichte der Menschheit von 1785 beanstandet Meiners, dass die bisherige Philosophie es unterlassen habe, die »wichtigsten Urkunden ächter Menschenkenntniß, die Beobachtungen zuverläßiger und einsichtsvoller Reisenden zu nützen. Man durchlaufe die Werke eines Descartes, Malebranche, Locke, Schaftsbury, selbst eines Bayle und Leibniz, und man wird gewiß öfter den Namen der unbedeutendsten Griechischen und Römischen Schriftsteller, als der lehrreichsten Reisebeschreiber ihrer Zeit angeführt finden«. Geschichte sei »zwar nicht die einzige, aber gewiß die ergiebigste Quelle der Menschenkenntniß«. Die Geschichte der Menschheit, wie Meiners sie anstrebt, erhebe nicht nur den Menschen zu ihrem Gegenstand, sie allein begreife »den ganzen Menschen, und zeigt ihn, wie er zu allen Zeiten und in allen Enden der Erde beschaffen war«. Der Mensch biete »als das Zusammengesetzteste unter allen Geschöpfen der Erde […] der Geschichte« nicht nur von Seiten des Geistes und der Gemütsarts reichen Stoff dar, sondern auch von »Seiten des Cörpers«. Meiners fügt hinzu, dass er als einer der ersten diesen bisher vernachlässigten Gegenstand in das Gebiet der Geschichte der Menschheit ziehe.37
Statt philosophischem Universalismus: Seelengeschichten Feders eigene Ambitionen betreffen zwar nicht den Bereich der Geschichte und Historiographie, sondern vielmehr die Philosophie. Aber auch in diesem Bereich führt er neue anthropologische Perspektiven ein. So bewegt ihn die Infragestellung der allgemeinen philosophischen Prämissen und insbesondere des Grundsatzes von der allgemeinen Seelensubstanz dazu, den universellen und philosophisch neutralen Standpunkt, das von Wolff in seiner empirischen Psychologie bevorzugte philosophische »wir«, das cogitamus,38 durch ein »ich« und durch eine individuelle Seelengeschichte zu ersetzen. Die Logik kann zwar mit einer »vorläufigen historischen Erkenntnis« beginnen, aber eigentlich muss jeder Mensch von der Erkenntnis des eigenen Ich ansetzen. Denn »unter allen sichtbaren Gestalten ist keines sich selbst so ungleich, als der Mensch. Nationen mit Nationen, einzelne Personen unter einander verglichen; welche Abstände! So groß, daß es oft schwer wird, den Menschen, sich selbst, in dem anderen zu erkennen«.39 Der Mensch ist sich selbst ein Rätsel, und mag »sich ein beständiges Rätsel bleiben«. Ob er jemals »sicher seine wesentliche Natur und Bestimmung kennen
37 Alle Zitate: Christoph Meiners: Grundriß der Geschichte der Menschheit. Lemgo 1785, Vorrede [unpag.]. 38 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Paola Rumore in diesem Band. 39 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 26), S. 4.
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lernen« wird, ob es ihm »gegeben [ist], die Gesetze der Geisterwelt zu erforschen, oder er da überall irren [muss], und in unsicheren Vermuthungen« verbleiben, bleibt dahingestellt.40 Die erste Schwierigkeit besteht in der großen »Mannigfaltigkeit der Gestalten, in denen der Mensch sich zeigt, und deren Veränderlichkeit.«41 Auch in der Darstellung der menschlichen Vielfalt nimmt Feders Schilderung der Unterschiede zwischen den menschlichen Individuen zahlreiche Anregungen aus den Reiseberichten und Naturgeschichten seiner Göttinger Kollegen, u. a. Georg Forster und Friedrich Blumenbach, auf: Hier liegt er unter freiem Himmel, oder in einer Felsenkluft, oder in einer rauchigten Hütte. Dort wohnt er in aufgetürmten Pallästen, und findet in einer unabsehlichen Reihe von Zimmern kaum Raum genug für sich. Kleider hält jener für einen unnatürlichen Zwang, läuft nackend, ziert sich mit Farben, oder Knochen, die er durch die Haut steckt, oder behängt sich mit Tierfellen. Dieser würde sich für unglücklich, für verächtlich halten, wenn er nicht für jede Jahreszeit, vielleicht für jeden Tag, ein anders Kleid anzuziehen hätte.42
Statt deduktiv vom Allgemeinen muss die Philosophie induktiv vom Besonderen ansetzen, »um aus der Mannichfaltigkeit der Beobachtungen neue Realbegriffe zu finden«.43 Aus dieser Sichtweise wird das nosce te ipsum oder die Erforschung der eigenen, durch den eigenen Charakter, die eigene Geschichte und die eigenen Neigungen bedingte Perspektive auf die Welt oder »Art, die Dinge anzusehen«, zu einer neuen logischen Grundregel: Also nosce te ipsum ist auch eine logische Grundregel. Wir müssen uns selbst, d. h. nicht bloß das Allgemeine des menschlichen Verstandes, sondern unsere eigene Art die Dinge anzusehen und zu schätzen, unser besonderes Interesse in jedwedem Falle, unsere Neigungen, Strebungen, Vorliebe für dieses oder jenes, genau kennen lernen; unsere Einseitigkeiten insbesondere, da z. B. dem einen leichter das Gute, dem andern das Schlimme sich darstellt.44
Selbsterkenntnis: Bedingung und Zielsetzung der Philosophie Aus dieser Perspektive kommt der Autobiographie ein besonderer philosophischer Wert zu. Tatsächlich beginnt alle Philosophie aus dieser neuen Perspektive heraus mit der Erforschung des eigenen Selbst. »Nur noch einen Schritt, dann sind wir da angekommen, wo wir vielleicht hätten anfangen sollen, bei uns selbst«, hieß es 40 Ebd., S. 3f. 41 Ebd. 42 Ebd. 43 Ebd., S. 22. 44 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 252.
Stefanie Buchenau schon im Metaphysikkapitel des Grundrisses.45 Die philosophische, für vorbehaltslose und unbedingte Freunde der Wahrheit verfasste Autobiographie kann als ein zweiter, alternativer und komplementärer Einstieg ins philosophische System betrachtet werden. Schon Wolff betrachtet Selbsterkenntnis als Bedingung für die Befolgung des Sittengesetzes. Durch die neue, oben kommentierte Einschränkung der metaphysischen Ambitionen kommt es einfach zu einer neuen Gewichtung solcher Selbsterkenntnis oder Selbstbeobachtung: Wenn die Selbsterkenntnis nicht über Innensicht erfolgen kann, sondern nur aus der empirischen Beobachtung gefolgert und erschlossen werden kann, muss diese empirische Beobachtung als Ausgangspunkt eines neuen Blickes auf den Menschen allgemein (das Menschengeschlecht) und das Ich (nun als Absonderung betrachtet) dienen. Wolff kommt genauer auf dieses Thema in den Abschnitten über Moralsemiotik oder die Kunst, die Gemüter zu erkennen, zu sprechen. Solche Erkenntnis der menschlichen Gemüter und Kenntnis des Menschen allgemein beginnt in seinen Augen mit Selbsterkenntnis.46 Denn Selbsterkenntnis ist leichter als die Erkenntnis anderer Menschen. Es besteht zwar die Gefahr der Selbstschmeichelei und des Selbstbetrugs; nichtsdestotrotz sind aber die eigenen Vorstellungen von größerer Transparenz und müssen den Grundstein der Menschenkenntnis legen. Dieser Gedanke findet bei Feder eine fruchtbare Entwicklung.47 Feder erklärt: »Um bey dieser Mannigfaltigkeit so sehr einander entgegenstrebender Erscheinungen und Muthmaßungen zu einiger Gewißheit von der Natur des menschlichen Geistes zu gelangen: muss man vor allen Dingen sich selbst beobachten.«48 Die Selbsterkenntnis und -analyse fußt deshalb auf Selbstbeobachtung, auf Analogie und Vergleich. Man muss dazu »[s]eine gegenwärtigen Gesinnungen und Neigungen mit seinen ehmaligen vergleichen; nicht blos auf diejenigen aufmerksam seyn, die durch volle Handlungen zum Ausbruch kommen; sondern auch auf diejenigen, denen die Vernunft sich widersetzt, die sie in der Geburt erstickt.«49 Selbst die Träume verdienen dabei 45 Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 18), S. 82. 46 Siehe Wolff: Deutsche Ethik, § 202: »Wie wir uns selbst erkennen. […] [Es] gehet dieses leichter an, als wenn wir mit anderen zu thun haben: Denn wir sind uns dessen bewusst, wie wir uns eine Sache vorgestellt, und dürffen dieses nicht erst, wie bey anderen gar öfters nöthig ist, errathen. Wenn man auch vorher die Erkänntnis seiner selbst getrieben; so wird man sich nach diesem auch besser in andere finden lernen, nicht allein weil man von den leichtern den Anfang gemacht hat; sondern auch weil dasjenige, was wir bey uns mit Gewissheit erkannt, bey andern zu Mutmassungen Anlass giebet, wo man derselben benötigt.« 47 Vgl. auch Karl Philipp Moritzʾ Vorschlag zu einem Magazin einer Erfahrungsseelenkunde, zu dem auch Feder einen Beitrag über Schlafwandelei liefert, »wer sich zum eigentlichen Beobachter der Menschen bilden wolle, der müßte von sich selbst ausgehen. Kann es denn ein anderer sein? Können wir in die Seele eines anderen blicken, wie in die unsrige?« Karl Philipp Moritz: Vorschlag zu einem Magazin der Erfahrungsseelenkunde. In: Deutsches Museum 1782, S. 492ff. 48 Feder: Untersuchungen über den menschlichen Willen, Tl. 1 (s. Anm. 26), S. 11. 49 Ebd., S. 11f.
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Beachtung, denn: »nur die Vorstellungen in denselben sind anders, losgebundener von einander; die Grundgesetze des Willens sind dieselben.«50 Des Weiteren muss eine solche Selbstbeobachtung um die Beobachtung anderer Menschen ergänzt werden. Menschenkenntnis ist (wie bei Moritz auch) eigentlich ein Kollektivunternehmen, in dem eine Vielzahl von Menschen eine Vielzahl von Beobachtungen zusammentragen und durch eine solche kollektive wissenschaftliche Anstrengung, durch Hinzusetzung, Kombination und Absonderung, nach und nach Begriffe bilden und »allmählich Grund zu allgemeinen Forderungen entsteht«. Denn [d]urch alle Beobachtungen über sich selbst kann ein Mensch doch nur sein eigenes Naturell erforschen, nicht, was in andern Menschen vorgeht, nicht, was der menschlichen Natur überall zukömmt, entdecken. Aber wenn andere gleichfalls Beobachtungen über sich anstellen, und aufrichtig sie mittheilen; so entstehet allmählig Grund zu allgemeinen Folgerungen. Denn was in sehr vielen Fällen übereinstimmend sich findet, das kann in Ansehung der Fälle, von denen man die Erfahrung nicht hat, vermuthet werden, so lange bis die Erfahrung das Gegentheil beweisst.51
Diese Kenntnis der anderen kann wiederum die Kenntnis des eigenen Ich bereichern, insofern sie das eigene Selbst spiegeln und zur Besserung anleiten kann; in anderen menschlichen (oder menschenähnlichen Wesen) erkennt der Mensch sich selbst. Auf dieser Einsicht gründen die neuzeitlichen Traditionen von vergleichender Anatomie und Anthropologie (oder Ethnologie), auf die Feder in einer Fußnote zu den oben kommentierten Eingangsparagraphen der Untersuchungen über den menschlichen Willen52 Stellung nimmt, indem er auf die Schwierigkeit solcher Spiegelung des Selbst im Fremden und die Unbestimmtheit des Wesens des Menschen hinweist. Allgemeiner gilt, dass der Mensch, obgleich er »gewissermaßen immer nur sich selbst empfindet; […] sich selbst später […], als viele Dinge außer ihm [kennenlernt].« §. 1. Wie fern der Mensch sich selbst der wichtigste Gegenstand der Erkenntniß ist. Obgleich der Mensch gewissermaßen immer nur sich selbst empfindet: so lernt er doch sich selbst später kennen, als viele Dinge außer ihm. Aber wenn er nur erst anfängt, mit sich selbst bekannt zu werden, so kann er bald einsehen, daß diese Selbstkenntniß eine sehr nöthige Wissenschaft für ihn ist. Denn die Dinge außer ihm werden das, was sie ihm wichtig macht, die Ursachen seiner Wonne oder seines Elendes, mehr durch ihn, als sie es an sich nothwendig sind. Dennoch verliert er sich noch immer gar leicht wieder außer sich. Ueber der Bemühung, die Dinge, die seine Begierde reizen, zu erjagen und zu fesseln, vergißt er seine Triebe und Neigungen zu ordnen, und mit einander in Übereinstimmung zu bringen. Unermüdet im Eifer, das Wesen eines jedweden Dings zu entwickeln, die einfachsten Kräfte und die verborgensten Ge-
50 Ebd., S. 12. 51 Ebd., S. 12f. 52 Ebd., S. 4ff.
Stefanie Buchenau setze der Natur zu ergründen, verabsäumt er sein Herz zu erforschen, wo doch auch so mancherley Täuschungen dem flüchtigen Alltagsblicke die Wahrheit verbergen können.53
Zuerst bedarf es der Analyse der eigenen Vorstellungen von Gut und Böse, die der intellektualistischen Ethik zufolge, der Feder noch zugehört, den Willen notwendig bestimmen. Diese eröffnet Einsichten in die eigenen Triebe, in das, was die Dinge außer ihm ihm wichtig macht. Fern sey es daher von den Moralisten, andere Wissenschaften verächtlich vorzustellen. Auch Sokrates wollte dieses nicht; da er die Philosophen von den Untersuchungen über den Himmel und die Elemente der Welt abzuziehen und zum Nachdenken über das menschliche Leben zu reizen bemüht war [Brucker, Hist. Phil]. Nur das wollte der weise Mann, daß jene Untersuchungen von vielen entbehrt und anderen überlassen werden können; da hingegen, über seine Natur und seine Bestimmung nachzudenken, eines jeden Menschen Pflicht ist; und daß es sonderbar sey, wenn diejenigen, die hoher Erkenntnisse sich rühmen, nicht wissen, was in ihrem Herzen vorgeht.54
Der Mensch sieht die Dinge zunächst immer durch den Filter seiner Begierden und Neigungen, statt sie als das zu nehmen, was sie an sich sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Wissenschaften immer in Reflexion auf das eigene Selbst und die eigenen Zwecke zu betreiben. Alle Wissenschaften sind zum Nutzen des Menschen. Er ist ein Theil eines Ganzen, abhängig, und unter einem mannichfaltigen Einflusse der mit ihm verbundenen Dinge; er muß sie kennen. Und in einem System der Dinge, wo alles so genau zusammenhängt, führt eine Kenntniß zur andern, und ein Irrthum zum andern. Selbst zur Kenntniß seiner eigenen Natur dient dem Menschen jedwede andere Wissenschaft. Sie ist das Werk seiner Kräfte; und der Mensch kann sich nicht gerade zu aus sich selbst kennen lernen. Nur durch die Bemerkung seiner Verhältnisse zu andern Dingen, dessen, was er thut, was er will, und was er leidet, kennt er sich. Und falsch urtheilt er über sich, über die Ursachen dessen, was er in sich empfindet, und was ihm begegnet; eben sowol wenn er die Dinge außer ihm nicht kennt, als wenn er sich selbst zu erforschen unbemüht ist.55
Es ist wohl kein Zufall, dass Feder schon in Göttingen mit der Aufzeichnung autobiographischer Notizen beginnt und deren posthume Veröffentlichung vorab plant. In Leben, Natur und Grundsätze versucht Feder ganz offensichtlich, den philosophischen Ansprüchen, die er selbst an eine solche Autobiographie stellt, zu genügen. Wie sehr wäre es nicht zu wünschen, daß wahre Philosophie die Geschichte ihres Herzens vollständig und aufrichtig niederschrieben […] auf den Ursprung jeder ihrer Neigungen zurückgiengen, und bemerkten, wie viel sich davon in der Kindheit und Jugend schon gezeigt, wie es sich verändert, oder beständig geblieben, und was durch beygebrachte Meinungen, durch ent 53 Ebd., S. 1f. 54 Ebd., S. 3. 55 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 250.
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standenes Interesse, durch neue Leidenschaften, durch die Macht des Beyspiels, durch Freyheit und durch Zwang dabey bewirkt worden? Sich selbst wenigstens bis zu einem gewissen Grade richtig hierinn beurtheilen zu können, darf von einem Philosophen gefordert werden; und wo er seinem Scharfsinn nicht mehr trauen darf, da hört seine Erzählung auf.56
Wenn sich auch aufgrund des braven Temperaments des Autors und der sittlichen Zielsetzung die Autobiographie als wenig aufregend erweist, so besitzt sie doch in diesem, sich vom Grundriß aus neu entwickelnden Rahmen einen besonderen philosophischen, praktischen und anthropologischen Wert. Sie sucht den eigenen Forderungen nach Selbsterkenntnis zu entsprechen, hebt vom eigenen Ich und dessen Leben und Natur an, bevor sie zum »Er« und dann in den Grundsätzen philosophischer Art, zum »Wir« und schließlich zum »Ihr« übergeht. Feder widmet das diesen philosophischen Grundsätzen vorhergehende Kapitel den »Eigenheiten [s]eines Körpers und Geistes« und fügt diesen einige Bemerkungen über seine »Gemüthsart« an. Seine körperliche Constitution gehöre, »nach den gewöhnlichen Eintheilungen, zu dem Temperamente, welches Haller das Hypochondrische, Platner, in mancher Hinsicht vielleicht passender, das attische oder auch ätherische nennt«, und das sich physiologisch durch eine besondere, die Muskularkraft übersteigende Reizbarkeit kennzeichnen lasse. Im Einklang mit hippokratischen Grundsätzen beschreibt er zunächst den Umriss seines Körpers (»Mittlere Größe und Magerkeit bestimmen den Umriß meines Körpers«), seine Verdauungskräfte (»gut«), seinen Schlaf (»leise, mit Träumen«), klimatische Faktoren (»Empfindlichkeit gegenüber Wetterveränderungen«), diätische Regeln, die er für »sehr zuträglich gefunden habe«, Krankheiten und Vermögen: Qualität seiner äußeren Sinne, seines Gedächtnisses, seiner Einbildungskraft, seines Abstraktions- und Beobachtungsvermögens, physiognomisches Gefühl. Man kann Philosophie nur im eigenen Namen betreiben. Beobachtung des eigenen Selbst und Analyse der eigenen Natur und Geschichte bedingen alle philosophische Einsicht und Erweiterung der Perspektive hin zu einem allgemeinen Begriff vom Menschen und, als Absonderung, die Einsicht in das eigene Ich oder den inneren Menschen. Man mag diesen Synkretismus und eine solche Perspektivierung der Philosophie als Relativierung des allgemeinen Wertes des Menschen, ja als Unphilosophie betrachten: Was man, in eben diesen Kantianisch-revolutionären Zeiten Syncretismus, auch in Beziehung auf meine Philosophie, nannte, mußte denen, die an einzig richtige und einzig mögliche Gesichts- und Stand Punkte und Deductionen, an die Abhängigkeit statthafter, gründlicher Einsichten von der Einfachheit der allgemeinen Formen glaubten, freilich Unphilosophie scheinen.57
Man kann sie aber auch als Weiterführung von Wolffs eigenem Ansatz sehen. 56 Ebd., S. 13f. 57 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 1), S. 87.
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Schluss Feder bricht mit Wolffs These, dass die Einsicht in das eigene Selbst oder die Seele als Geist in der Philosophie und Psychologie vorausgesetzt werden kann. Er fordert stattdessen dazu auf, den Menschen als Natur- und Geschichtswesen zu studieren und die seelischen Vermögen vom individuellen Leibe abzuleiten. Gleichzeitig schließt Feder insofern an Wolff an, als er die Seele als einen Teil der Welt betrachtet, den es durch Weltkenntnis und Kenntnis der anderen zu erkennen gilt. Auch übernimmt er den praktischen Rahmen, in dem Wolff Selbsterkenntnis denkt. Diese erhält in Feders philosophischem System, das sich aus der Göttinger Anthropologie nährt, einfach ein neues Gewicht. Ein solches Ziel der Selbsterkenntnis wird aber gleichzeitig relativiert, da es dem Menschen verwehrt bleibt, sich allein durch die Philosophie auf einen übernatürlichen oder göttlichen Standpunkt zu erheben. Die Einsicht in die Schranken seiner Erkenntnis verweist ihn stattdessen auf die Furcht des Herren und den Glauben: Im feststehenden und hellsten Bewußtseyn unterscheidet der menschliche Verstand sich, sein Wahrnehmen, Nachdenken, alles sein Wirken, und die dabey sich offenbarenden Gesetze und Bedingungen, von den Gegenständen dieses Wahrnehmens und Nachdenkens, im Innern und im Äußern. Er unterscheidet Gegebenes, von seinem Wirken und Wollen unabhängiges, von dem was sein Wirken dabey bestimmt und schafft. Er unterscheidet in seiner Wahrnehmung Subjectives und Objectives, Inneres und Äußeres; aber im Seyn es trennen, oder den Zusammenhang völlig ergründen – das vermag er nicht.58
Diese Unmöglichkeit vollständiger Gewissheit verweist den Menschen auf seinen Glauben – die Furcht des Herren ist für Feder der Weisheit Anfang – und auf den Primat des Willens vor dem Verstande: [B]ey der Unmöglichkeit, vollständige Einsicht und Gewißheit zu erstreben, ist es um so mehr erlaubt, vernünftig, Pflicht, bey dem im Ganzen der menschlichen Erkenntniß am besten Begründeten fest zu beharren, wenn ohne dieses die zum Bewirken des Guten nöthige Entschlossenheit und Thätigkeit leiden würde.59
Insofern gebietet der Wille dem Verstande, die praktische Vernunft der spekulativen, mit Recht. Glaube und Anwendung müssen der Erkenntnis vorhergehen: »Man kann nicht wissen, was Tugend und Religion für den Menschen sind, wenn man ihnen nicht von Herzen zugethan ist, und sie ausübt.«60 Die »Erhebung des Geistes zum Allerhöchsten« soll das »Gemüth [lediglich] von selbstsüchtigen Anmaßungen und eitelen Strebungen […] reinigen, zum heiligen Ernste und zur heilsamen De 58 Ebd., S. 250. 59 Ebd., S. 253. 60 Ebd., S. 254.
Menschlich denken
muth […] stimmen«.61 Insofern ist der Mensch das Maß alles Seienden und ist es wiederum doch nicht.
61 Ebd., S. 252f.
Dirk Werle
Feders Abhandlung über den Ruhm »Vom Werthe des Nachruhms« – so lautete der Titel einer elfseitigen Abhandlung, die auf Freitag, den 20. Januar 1775 im sechsten Stück des 13. Jahrgangs des Hannoverischen Magazins erschien, eines Periodikums, in dem ausweislich des Titelblatts »kleine Abhandlungen, einzelne Gedanken, Nachrichten, Vorschläge und Erfahrungen, so die Verbesserung des Nahrungs-Standes, die Land- und Stadt-Wirthschaft, Handlung, Manufacturen und Künste, die Physik, die Sittenlehre und angenehmen Wissenschaften betreffen, gesamlet und aufbewahret sind«. Der Autor der Abhandlung über den Wert des Nachruhms ist Johann Georg Heinrich Feder, der zum Zeitpunkt der Publikation bereits seit sieben Jahren als Professor der Philosophie in Göttingen tätig war.1 Der Wert des Nachruhms, das ist nicht gerade ein Thema, das die philosophischen Debatten im 18. Jahrhundert und darüber hinaus zentral beschäftigt hätte. Gleichzeitig ist es ein schillerndes Thema, bei dem man sich etwa durchaus unsicher sein kann, in welchem Bereich der Philosophie es denn seinen legitimen Ort hätte: in der praktischen oder in der theoretischen Philosophie, in der Erkenntnistheorie, der Moralphilosophie, der Ästhetik, der politischen, der Geschichts- oder der Rechtsphilosophie. Warum sich Feder mit dem scheinbar marginalen Thema Nachruhm beschäftigt und wie er an das schillernde Thema herangeht, soll im Folgenden näher erläutert werden. Dabei möchte ich in drei Schritten vorgehen: Erstens soll der Argumentationsgang von Feders Abhandlung rekonstruiert werden; zweitens soll die Abhandlung in Beziehung zu einigen thematisch verwandten Schriften Feders gesetzt werden; und drittens sollen einige Überlegungen dazu angestellt werden, welche Rolle Feders Abhandlung im Rahmen einer Geschichte des Redens über den Ruhm zukommt.
1 Johann Georg Heinrich Feder: Vom Werthe des Nachruhms. In: Hannoverisches Magazin 13 (1775), 6, Sp. 81–94. Vgl. für den philosophiegeschichtlichen Hintergrund Walther Ch. Zimmerli: »Schwere Rüstung« des Dogmatismus und »anwendbare Eklektik«. J. G. H. Feder und die Göttinger Philosophie im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Studia Leibnitiana 15 (1983), S. 58–71. Im vorliegenden Beitrag vertiefe ich eine Thematik, die ich in Dirk Werle: Ruhm und Moderne. Eine Ideengeschichte (1750–1930). Frankfurt a. M. 2014, S. 458f. nur anreißen konnte. Bei der Rekonstruktion der ideenhistorischen Kontexte von Feders Ruhmtheorie stütze ich mich zum Teil ebenfalls auf die in diesem Buch entwickelten Ergebnisse. Für wichtige Hinweise danke ich Nele Schneidereit (Heidelberg).
https://doi.org/10.1515/9783110489439-018
Dirk Werle
Feders Argumentation Feder beginnt seine Abhandlung nicht mit Reflexionen über den Ruhm und seinen Wert, sondern mit Überlegungen zum Zusammenhang von Aufklärung und Vorurteil: »Den Menschen alle Vorurtheile benehmen wollen«, so hebt er an, »von allen Leidenschaften, von allen Täuschungen der Phantasie sie frey machen wollen, scheint einigen ein weises, andern ein gefährliches, und wiederum einigen ein lächerliches Unternehmen zu seyn«.2 Die solchergestalt »streitenden Partheyen« seien sich aber, so Feder, in einem Punkt einig: »daß, wenn durch eine zur Erzeugung edlerer Triebe und festerer Grundsätze hinlängliche Aufklärung des Verstandes die Vorurtheile vertrieben, die Blendwerke der Phantasie zerstreut, und die stürmischen Begierden geordnet werden können, dieses dem einzelnen Menschen und der Gesellschaft heilsam seyn müsse«.3 Ob auch Feder diesem Punkt zustimmt, lässt er offen, er hebt zwei andere, sachlich zusammengehörige Gesichtspunkte hervor. Erstens einen Gesichtspunkt, der auf entwicklungsgeschichtliche und damit verbundene pädagogische Erfordernisse abhebt: »Dem kindischen Alter alle Vorurtheile zu benehmen, und es dahin zu bringen, daß es nur der Überlegung und deutlichen Einsicht folge, nie von Phantasien und Affecten getrieben werde, ist freylich schlechterdings unmöglich.«4 Zweitens einen erkenntnistheoretischen Gesichtspunkt: Vorurtheile können einem übrigens aufgeklärten und völlig gebildeten Verstande anständig seyn, sie können vernünftige Vermuthungsregeln seyn in Fällen, wo es unmöglich ist, aus eigener Einsicht und mit Gewißheit zu urtheilen. Welcher Mensch muß sich nicht immer in gewissen Stücken auf die Urtheile anderer verlassen? Ihr Stand, ihr Alter, ihr Ruhm, die manchen Beweise die er von ihren Einsichten und von ihrer Redlichkeit hat, haben ein Vorurtheil für sie zuwege gebracht, um welches willen er ihre Meynung, ihre Aussage für wahr annimmt.5
Feder argumentiert hier vor dem Hintergrund einer Problematik, die unter dem Schlagwort des Zeugnisses anderer, des testimonium, in der Frühen Neuzeit in der Logik, in der Hermeneutik und in der Rechtstheorie diskutiert wurde. Ich kann nicht alle Wissensansprüche, mit denen ich zu tun bekomme, selbst prüfen, darum muss ich mich häufig auf das Urteil von Gewährsleuten verlassen. Und bei der Entscheidung, wen ich als vertrauenswürdige Gewährsperson akzeptieren kann und wen
2 Feder: Vom Werthe des Nachruhms (s. Anm. 1), Sp. 81. 3 Ebd., Sp. 81f. 4 Ebd., Sp. 82. 5 Ebd., Sp. 82f.
Feders Abhandlung über den Ruhm
nicht, spielen Vorurteile im Sinne von Vermutungsregeln eine Rolle.6 Der Ruhm einer Person wird an dieser Stelle en passant als einer der Faktoren ins Feld geführt, die ein vernünftiges Vorurteil begründen können. Werner Schneiders sichtet in seiner großen Studie zur Geschichte der Vorurteilstheorie auch Feders Bemerkungen zur Theorie des Vorurteils im zuerst 1767 erschienenen Grundriß der philosophischen Wissenschaften sowie in der zuerst 1769 veröffentlichten Abhandlung Logik und Metaphysik, und er kommt zu einem zweifachen Ergebnis: Erstens seien Feders Überlegungen zur Theorie des Vorurteils im Ganzen durchaus nicht konsistent, zweitens scheine aber bei Feder ein »positive[r] Begriff von Vorurteil« auf, das Vorurteil werde »als heuristischer […] Vorgriff gerechtfertigt«.7 Damit biete Feder Ansätze für das, was später Kant in seiner Vorurteilslehre ausbuchstabieren werde.8 Die in diesem Sinne »heuristische Funktion«9 des Vorurteils macht Feder, so könnte man meinen, auch in der Abhandlung Vom Werthe des Nachruhms stark, und das Thema Nachruhm dient ihm als »Beyspiel«,10 um diese heuristische Funktion des Vorurteils zu erläutern. Auch die »Bemühung um Nachruhm« werde von vielen Gelehrten, so Feder, »für Schwachheit, wo nicht für Thorheit, für ein Werk träumerischer Täuschungen einer unaufgeklärten Einbildung« erklärt.11 Gleichzeitig bestimmt Feder den Wunsch, »[n]ach dem Tode noch berühmt, oder doch im Andenken zu seyn«, als »natürliche[n] Trieb«.12 Im weiteren Verlauf der Abhandlung fragt er nach Gründen für diesen Trieb und führt vier Gründe an. Der erste Grund sei die »Sympathie mit 6 Vgl. zur weiteren Konturierung von Feders ›abgestufter‹ Erkenntnistheorie ders.: Ueber subjective und objective Wahrheit, und die Uebereinstimmung aller Wahrheiten unter einander. In: Philosophische Bibliothek 1 (1788), S. 1–42. 7 Werner Schneiders: Aufklärung und Vorurteilskritik. Studien zur Geschichte der Vorurteilstheorie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1983, S. 248. 8 Allerdings ist Feder mit seiner positiven Sicht gegenüber dem Vorurteil in der Aufklärungsphilosophie nicht allein; ähnliche Überlegungen finden sich etwa bei Moses Mendelssohn und Georg Friedrich Meier. Vgl. dazu Nele Schneidereit: Unwissenheit, Irrtum und Zweifel in Georg Friedrich Meiers Moralphilosophie. In: Frank Grunert u. Gideon Stiening (Hg.): Georg Friedrich Meier. Philosophie als »wahre Weltweisheit«. Berlin 2015, S. 211–229. 9 Schneiders: Aufklärung und Vorurteilskritik (s. Anm. 7), S. 322. 10 Feder: Vom Werthe des Nachruhms (s. Anm. 1), Sp. 84. 11 Ebd., Sp. 85. 12 Ebd., Sp. 84. Vgl. allgemein zum Hintergrund von Feders Überzeugung, traditionell als vernunftdominiert geltende Verhaltensweisen seien eigentlich als triebgeleitet zu deuten, Jan Rachold: Die aufklärerische Vernunft im Spannungsfeld zwischen rationalistisch-metaphysischer und politisch-sozialer Deutung. Eine Studie zur Philosophie der deutschen Aufklärung (Wolff, Abbt, Feder, Meiners, Weishaupt). Frankfurt a. M. u. a. 1999, S. 208–216. Damit ist freilich nicht der moderne Begriff des Triebs gemeint, wie er sich etwa nach Sigmund Freud durchsetzt. Und wenn man das wiederum recht bedenkt, dann klingt die genannte Überzeugung Feders gleich deutlich weniger aufsehenerregend. Die Idee, dass die Vernunft etwas dem Menschen naturgemäß Innewohnendes sei, ist ja in der Aufklärung recht verbreitet.
Dirk Werle Verstorbenen«:13 Wir nehmen nach Feder Anteil an der Kunde über verstorbene Personen, und Feder denkt hier nicht in erster Linie an verstorbene Verwandte und Freunde, sondern an »unsere Helden und Muster«,14 die aus der Beschäftigung mit der Geschichte bekannt sind. Als zweiten Grund nennt Feder das Verlangen, »nach dem Tode noch in Ehren zu seyn«.15 Es handelt sich hier gegenüber dem erstgenannten Grund um eine Umkehrung der Perspektive: Wir stellen uns vor, wie es wäre, wenn wir selbst tot wären, und wünschen uns Sympathie von Seiten der Lebenden. Der dritte Grund für den Wunsch nach Nachruhm ist nach Feder »die Furcht vor dem Tode, oder eigentlicher, die Furcht vor dem Nichtseyn«.16 Dieser Grund hängt wiederum eng mit dem zweiten zusammen, und zwar als dessen Begründung: Aus Angst vor dem Tod wünscht man sich, dass in der Ehrung durch die Nachwelt ein Teil von einem selbst erhalten bleibt. Wenn man Nachruhm imaginiert, stellt man sich vor, dass man nicht ganz sterben muss, sondern dass ein Teil der Person erhalten bleibt. Den vierten Grund bezeichnet Feder als edler, erhabener und fester »als die bisher bemerkten«,17 denn insbesondere der zweite und dritte Grund beruhen auf Eigennutz. Es gebe aber, so Feder, auch einen uneigennützigen Grund, nach Ruhm zu streben, und diesen fasst er als vierten Grund in seiner Liste folgendermaßen zusammen: »Die Ideen, die wir von uns zurücklassen, wirken in den Gemüthern der Nachwelt. […] Was man nach unserm Tode von uns sagt, kann auf vieler Verhalten Einfluß haben. Darf es uns gleichgültig seyn, was wir für ein Andenken hinterlassen?«18 Dieser vierte, den Trieb nach Ruhm legitimierende Grund hängt wieder mit dem ersten zusammen: Sympathie mit den Toten äußert sich nach Feder vornehmlich in dem Verlangen, ihre heldenhaften Vorbilder zu studieren und dadurch etwas für das eigene Handeln zu lernen. Der vierte Grund zeigt die andere Seite der Medaille, den Wunsch einer Person, nach dem Tod als Vorbild für später Lebende wirken zu können. Nach Nennung der vier Gründe, die den Wunsch nach Nachruhm legitimieren, schließt Feder mit einem ganz kurzen Fazit: Aus solchen Gründen erwachsen hat der Trieb auch nicht das Licht der Vernunft zu scheuen, noch wird er das natürliche Gleichgewicht der Empfindungen und Triebe aufheben. Bey den ersten Entwicklungen der Menschheit, im Alter der erhöhten Phantasie, einer der edelsten Instinkte, verächtlich nur bey dem Gesichtspunkte des halbsehenden Forschers wird er unter der
13 Feder: Vom Werthe des Nachruhms (s. Anm. 1), Sp. 86. 14 Ebd. 15 Ebd., Sp. 87. 16 Ebd., Sp. 89. 17 Ebd., Sp. 90. 18 Ebd., Sp. 91.
Feders Abhandlung über den Ruhm
Pflege der Weisheit zu einem der schönsten Strahlen bey dem untergehenden Sonnenglanze eines sterbenden Menschenfreundes.19
Dieser Schluss hat es in sich: Der Wunsch nach Nachruhm erscheint als Naturtrieb, der aber vernünftig ist und der gerade im Angesicht des Todes, so muss man die Metaphorik des Zitats wohl deuten, Trost spenden kann. Auf eines kommt Feder am Ende gar nicht mehr zurück, nämlich auf die eingangs diskutierte Problematik des Vorurteils und seines Verhältnisses zum begründeten Urteil. Ob der Nachruhm als Kategorie vernünftig ist, ob er also eine sachrationale Vorstellung ist, das lässt Feder offen; es ist ihm gleichgültig angesichts des Umstands, dass man erstens ohnehin nichts an dem Naturtrieb zum Ruhm ändern kann und dass man diesen Naturtrieb zweitens als verhaltensrational beschreiben kann. So führt das Beispiel, als das Feder die Erläuterung des Wertes des Nachruhms einführt, zu einem Ergebnis, das streng genommen nicht in der Behauptung einer heuristischen Funktion des Vorurteils resultiert, sondern in einer Ebenenverlagerung: Das Vorurteil, dass Nachruhm eine erstrebenswerte Sache sei, ist kein heuristischer Vorgriff auf begründete Erkenntnis, sondern es ist ein Naturtrieb, der das Licht der Vernunft nach Feder deshalb nicht zu scheuen braucht, weil er verhaltensrational ist. Er erlaubt es, die Sympathie mit den Toten aufrecht zu erhalten, er spendet Trost angesichts des Problems endlicher Lebenszeit und er ermöglicht die Vorstellung, man werde auch nach dem Tod noch nützlich und wirksam sein. Was Feder zu Beginn seiner Abhandlung über das Vorurteil als Vermutungsregel schreibt, trifft gleichwohl in gewisser Hinsicht auch auf den Nachruhm zu: Man kann nach Feder über den Nachruhm nichts Sicheres sagen, darum müssen Vermutungen an die Stelle des sicheren Wissens treten. In dreierlei Hinsicht ist Feders Abhandlung über den Ruhm, soviel kann man schon an diesem Punkt sagen, popularphilosophisch. Erstens hinsichtlich des Mediums: Er trägt seine Überlegungen in einem Journal vor, das sich nicht in erster Linie an philosophische Fachkollegen richtet, sondern an ein breiteres, gebildetes Publikum.20 Zweitens hinsichtlich des Themas: Der Wunsch nach Nachruhm wird als Naturtrieb beschrieben, der allen Menschen eignet; deshalb besitzt die Abhandlung vom Wert des Nachruhms dem Anspruch nach Relevanz nicht nur für Philosophen, sondern für alle Menschen. Drittens hinsichtlich der Behandlung des Themas: Feder wertet in seiner Abhandlung die »Vorurtheile des gemeinen Haufens«21 gegenüber dem Elitarismus derer auf, die im Dienste einer »Aufklärung des Verstandes«22 Kategorien wie Phantasie und Begierden unberücksichtigt lassen möchten. 19 Ebd., Sp. 92–94. 20 Vgl. zu den medienhistorischen Aspekten der Popularphilosophie Rachold: Die aufklärerische Vernunft (s. Anm. 12), S. 161–169. 21 Feder: Vom Werthe des Nachruhms (s. Anm. 1), Sp. 85. 22 Ebd., Sp. 81.
Dirk Werle Man wird bei genauerem Hinsehen verschiedene Ungenauigkeiten und Unklarheiten in Feders Argumentation entdecken können; bemerkenswert ist gleichwohl, dass er den Wert des Nachruhms im Kontext einer Aufwertung der Kategorie des Vorurteils bestimmt und dass er in diesem Zusammenhang unterscheidet zwischen der als irrelevant beziehungsweise unbeantwortbar ausgewiesenen Frage, ob das Streben nach Ruhm auf sachrationalen Erwägungen beruht, und der positiv beantworteten Frage, ob dieses Streben verhaltensrational ist.
Feders Ruhmtheorie im Werkkontext Wenn man sich fragt, in welchem Kontext Feders Abhandlung über den Wert des Nachruhms innerhalb seines Œuvres zu situieren ist, dann stößt man zunächst auf eine zwei Jahre früher, 1773, ebenfalls im Hannoverischen Magazin veröffentlichte Abhandlung, die aufgrund ihres Titels den Verdacht nahe legen könnte, es handle sich hier um einen nicht nur hinsichtlich des Publikationskontexts, sondern auch hinsichtlich der Thematik verwandten Text. Der Titel ist als Frage formuliert: »Ob zum Begriffe der Unsterblichkeit die Erinnerung an dieses Leben erforderlich; und aus was für Gründen dieselbe geschlossen werden könne?«23 Nachruhm und Unsterblichkeit, das scheinen ja zunächst einmal verwandte Konzepte zu sein. Bei der Lektüre zeigt sich jedoch, dass Feder in dieser Abhandlung offenbar auf ganz andere Diskussionszusammenhänge rekurriert als in der Abhandlung über den Nachruhm. Es geht nicht um die Unsterblichkeit im säkularen, übertragenen Sinne, sondern um die Unsterblichkeit der Seele im buchstäblichen Sinne. Feder diskutiert eine These Christian Wolffs, nach der das Konzept einer Unsterblichkeit der Seele eine Erinnerung der Seele im Jenseits an das diesseitige Leben erfordere. Feder nimmt sich vor zu untersuchen, »ob Bewußtseyn von diesem Leben, so gut als die Fortdauer der Seele, und ihr künftiges Leben überhaupt, sich beweisen lasse«.24 Und er kommt zu dem Ergebnis, die Überzeugung, dass der Seele beziehungsweise dem Geist »das Andenken des Vergangenen im künftigen Leben noch erhalten werde«,25 sei eine Denknotwendigkeit, unabhängig von der Frage, ob diese Überzeugung bewiesen werden könne. Abgesehen von dem strukturell ähnlichen Argumentationsgang finden sich zwei weitere gedankliche Verbindungen zu der Abhandlung über den Nachruhm. In dieser hatte Feder anlässlich der Überlegung, dass Ideen, die wir hinterlassen, in 23 Johann Georg Heinrich Feder: Ob zum Begriffe der Unsterblichkeit die Erinnerung an dieses Leben erforderlich; und aus was für Gründen dieselbe geschlossen werden könne? In: Hannoverisches Magazin 11 (1773), 41, Sp. 641–654. 24 Ebd., Sp. 642. 25 Ebd., Sp. 648.
Feders Abhandlung über den Ruhm
den Gemütern der Nachwelt wirken, hinzugefügt: »Ideen wirken nur in den Gemüthern, nicht Körper.«26 Diese Formulierung entspricht Falk Wunderlichs These, Feder sei »kein Materialist, sondern Substanzdualist« gewesen.27 Die mit Blick auf ein Leben nach dem Tod, sei es in Gestalt des Nachruhms, sei es in Gestalt der Unsterblichkeit der Seele, entscheidende Frage nach der Materialität des Seelischen ist für ihn in der früheren Abhandlung aber noch nicht entschieden. Dort führt er nämlich ein hypothetisches Argument gegen die Vorstellung an, die unsterbliche Seele erinnere sich nach dem Tod an ihr diesseitiges Leben: »Wer wollte Andenken dieses Lebens hoffen, kann der gelindeste Gegner einwenden, Erinnerung nach dem Tode; wenn so viele Beweise der Abhängigkeit des Gedächtnisses vom Körper, vom Sitze der Ideen im Körper da sind?«28 Gegen diesen Einwand hat Feder kein starkes Argument, er spekuliert in Reaktion darauf lediglich darüber, ob nicht die Seele ein materieller Rest des Körpers sei: »Immerhin«, so schreibt er, »mag dem Geiste ein gewisses Organensystem, ein äußerlicher Abdruck seiner Welt, immerhin ein körperlicher Umhang ihm nöthig seyn. Wer hat denn je den ganzen Menschen durchschaut, daß er sagen könnte, der ganze Körper gienge in Verwesung?«29 Die zweite gedankliche Verbindung zur Abhandlung über den Nachruhm findet sich ganz zum Schluss. Feder apostrophiert seine Freunde, Wohltäter und geliebten Personen und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, »daß ich euch nicht in jenem Leben vermissen, daß ihr mich nicht verkennen werdet; […] daß was vergessen zu wollen Abscheu verdiente, vergessen zu müssen, kein Gesetz der Natur seyn könne«.30 Die Vorstellung ist ähnlich wie in der Abhandlung über den Wert des Nachruhms die, dass es handlungsrational ist, sich eine Verbindung zwischen Lebenden und Verstorbenen vorzustellen, weil zwischen Lebenden und Toten Sympathie herrscht. Diese Sympathie kann, so der Gedanke, nicht wider die Natur sein, in dem Sinne, dass Menschen die Sympathie empfänden, es aber kein Korrelat zu diesem Empfinden in der Natur gebe, nämlich in Gestalt einer unsterblichen Seele, die sich im Jenseits an das Diesseits erinnert. Eine zweite mit der Abhandlung über den Nachruhm thematisch verwandte Schrift erscheint drei Jahre nach dieser, und zwar 1778 im Deutschen Museum unter dem Titel »Ob es rathsam sey, die Ehrbegierde zu einer moralischen Triebfeder bey der Erziehung zu machen?«31 Feder greift hier ein Thema auf, das bereits in die 26 Feder: Vom Werthe des Nachruhms (s. Anm. 1), Sp. 91. 27 Falk Wunderlich: Empirismus und Materialismus an der Göttinger Georgia Augusta – Radikalaufklärung im Hörsaal? In: Aufklärung 24 (2012), S. 65–90, hier S. 71. 28 Feder: Unsterblichkeit (s. Anm. 23), Sp. 651. 29 Ebd., Sp. 652. 30 Ebd., Sp. 653f. 31 Johann Georg Heinrich Feder: Ob es rathsam sey, die Ehrbegierde zu einer moralischen Triebfeder bei der Erziehung zu machen? An Hrn. Rath Campe. In: Deutsches Museum 1 (1778), 2, S. 317– 325.
Dirk Werle deutsche Popularphilosophie eingeführt war durch Johann Nicolaus Tetensʼ 1766 in den Schleswig-Hollsteinischen Anzeigen von politischen, gelehrten und anderen Sachen in mehreren Teilen veröffentlichte Abhandlung »Ueber den Uhrsprung der Ehrbegierde«.32 Feders Schrift ist adressiert »An Hrn. Rath Campe«. Gemeint ist der Pädagoge Johann Heinrich Campe, der im Jahr zuvor in den von ihm selbst mit Johann Bernhard Basedow herausgegebenen Pädagogischen Unterhandlungen eine Abhandlung desselben Titels veröffentlicht hatte.33 In dieser Abhandlung argumentiert Campe, dass die Ehrbegierde entweder gefährlich oder überflüssig sei. Gefährlich sei sie, weil sie eine Leidenschaft sei, die sich unterschiedslos auf Rechtes und Unrechtes richte; wenn sie aber durch stärkere Handlungsprinzipien wie Religion, Rechtschaffenheit oder Patriotismus auf den rechten Weg gelenkt werde, dann sei sie als Triebfehler überflüssig, weil ja die stärkeren Handlungsprinzipien handlungsrelevant würden. Der Mensch mache sich daher selbst elend, wenn er nach Ehre trachte; Ehre könne wie Reichtum legitimer Weise nur Mittel, nicht selbst Zweck sein. Gegen diese Überlegungen wendet sich nun Feder in seiner Abhandlung mit bereits bekannten Argumenten: Ehrbegierde sei, analog wie der Wunsch nach Ruhm, ein Naturtrieb, und als Naturtrieb müsse er irgendwie begründet sein. Begründet sei er erstens wegen des Nutzens, der damit verbunden sei, zweitens wegen des Misstrauens, das man »in sein eigenes Urtheil von seinem Werthe und der Richtigkeit seiner Grundsätze und Handlungen sezt«,34 und drittens »wegen der Sympathie, die es [dem Menschen, D.W.] nicht ganz gleichgültig seyn lässet, ob seine Handlungen andern Misfallen oder Wohlgefallen verursachen«.35 Irgendwoher müsse der Mensch sich, so Feder, »seine Vorstellungen vom Guten schaffen«;36 das aber geschehe dadurch, dass man sich um die Anerkennung der eigenen Handlungen durch andere kümmere. Überraschender Weise hebt Feder nun im Verlauf seiner Erläuterungen die Ehrbegierde von der Ruhmsucht ab und widerspricht prima vista seinen Ausführungen aus der Abhandlung über den Wert des Nachruhms. Ruhm beruhe, so Feder, auf dem Beifall anderer, Ehre dagegen auf der »wahren innern Achtung«,37 so dass manche berühmten Menschen keine Ehre, manche ehrenvollen Personen aber keinen Ruhm besäßen. Daher schreibt Feder:
32 Johann Nicolaus Tetens: Ueber den Uhrsprung der Ehrbegierde [1766]. In: ders.: Die philosophischen Werke. Bd. 3: Kleinere Schriften 1. Hg. von Jürgen Engfer. Hildesheim u. a. 2005, S. 283–296. 33 Johann Heinrich Campe: Ob es rathsam sey, die Ehrbegierde zu einer moralischen Triebfeder bey der Erziehung zu machen? In: Pädagogische Unterhandlungen 1777, 3. St., Nr. 3, S. 271–278. 34 Feder: Ehrbegierde (s. Anm. 31), S. 319. 35 Ebd. 36 Ebd., S. 323. 37 Ebd., S. 324.
Feders Abhandlung über den Ruhm
Also von der Ruhmsucht laß ich gelten, was in Ihrem Aufsatze steht. Ehre, wahre innere Achtung, muß man zu verdienen suchen, so viel man kan; Ruhm hingegen ist in den wenigsten Fällen etwas Begehrenswertes; in den meisten eine Last, die man zu tragen sich nicht scheuen muß, wenn sie von selbsten kömt, aber der man nicht Ursache hat nachzugehn.38
Es ergibt sich also der verwirrende Befund, dass Feder in der Abhandlung über die Ehrbegierde analog argumentiert wie in der Abhandlung über den Nachruhm, dass er aber mit Blick auf den Begriff des Ruhms in der späteren Abhandlung der früheren widerspricht. Der Grund hierfür liegt vermutlich im Ruhmkonzept selbst, das ein schillerndes, in sich gebrochenes Konzept ist, insofern es eine Vorstellung nahelegt, die gleichzeitig die Exzellenz des Berühmten und die Anerkennung durch andere beinhaltet, obwohl diese beiden Aspekte voneinander weitenteils unabhängig sind. Campe antwortet Feder in derselben Ausgabe des Deutschen Museums mit einer ausführlichen Duplik. Und in dieser »An Herrn Professor Feder« gerichteten »Beantwortung des vorstehenden Schreibens« entwickelt Campe einige Argumente, die zeigen, inwiefern Feders Überlegungen zur Legitimierung der Ehrbegierde und analog auch der Ruhmsucht nicht ganz schlüssig sind.39 Fördern solle der Erzieher, so Campe, bei seinen Zöglingen einerseits den »Trieb zur Selbstliebe«, andererseits den »Trieb zur Mittheilung und zur Theilnehmung, oder Bedürfnisse zu lieben und geliebt zu werden«.40 Ehrbegierde sei aber mehr als eine Kombination dieser beiden Triebe, und dieses Mehr sei lasterhaft und schädlich. Als analoges Beispiel führt Campe den Neid an. Auch er beruhe auf Selbstliebe im Sinne eines Bestrebens nach Vollkommenheit und auf der »Begierde sich von andern, seiner guten Eigenschaften und Thaten wegen, geliebt zu sehen«.41 Daraus folgt aber nach Campe nicht, dass man bei der Erziehung versuchen solle, die Kinder neidisch zu machen. Es müsse stattdessen Aufgabe des Erziehers sein, das Verlangen der Kinder gleich auf die guten Grundtriebe, also etwa »auf die zu erwerbende Freundschaft und Liebe« der Mitmenschen zu richten.42 Ehrbegierde kann, darauf läuft Campes Argumentation hinaus, kein erster Zweck sein, und als potentiell unkontrollierbare Leidenschaft sollte sie nicht gefördert werden, nicht zuletzt auch, weil sie unglücklich machen kann. Campes Erläuterungen kulminieren in einer Art Wettangebot an Feder. Er fordert ihn auf, ihm zu sagen, »ob sich irgend ein Fal im menschlichen Leben denken lasse, wo diese, so unendlicher Modifikationen fähige Triebe [gemeint sind die zu fördernden primären moralischen Triebfedern der Gottesliebe, des sittlichen Gefühls, der Menschenliebe, der Elternliebe und der freundschaftlichen Liebe,
38 Ebd. 39 Johann Heinrich Campe: An Herrn Professor Feder: Beantwortung des vorstehenden Schreibens. In: Deutsches Museum 1 (1778), 3, S. 326–349. 40 Ebd., S. 331. 41 Ebd. 42 Ebd., S. 335.
Dirk Werle D.W.], wenn sie gehörig gepflegt und gestärkt worden sind, nicht zureichten, wirksame Triebfedern unserer Handlungen abzugeben, und wo also das Mitwirken des Ehrtriebes unentbehrlich wäre«.43 Am Schluss seiner Ausführungen geht Campe dann auch noch auf Feders Unterscheidung von Ruhm- und Ehrsucht ein und zeigt, dass es sich um eine nichttriftige Unterscheidung handelt, so dass Feder, wenn er schreibe: »Also von der Ruhmsucht lasse ich gelten, was in Ihrem Aufsaze steht«, nach Campes Ansicht »durch dieses Geständnis in der That alles gebilliget« habe, was in seinem Aufsatz stehe.44 Es sei nämlich, so Campe, so, dass Ruhmsucht und Ehrbegierde eigentlich dasselbe seien, dass Ruhmsucht allenfalls »Ehrbegierde im höheren Grade« sei.45 Mithin sei es kaum möglich, den Jüngling ehrbegierig zu machen, »ohne ihn zugleich ruhmsüchtig zu machen«.46 »[W]as folgt?« fragt Campe und gibt die Antwort selbst: »Daß man auch das erstere unterlassen müsse!«47 Den Gedankengang beschließt er mit einem weiteren Wettangebot an Feder: Wollten Sie aber demohngeachtet (wie ich zu meiner eigenen Belehrung und zum Besten der Wahrheit recht sehr wünsche) noch ferner den Schein eines Widersachers von mir zu behaupten suchen: so erwarte ich, daß Sie mir eine Methode anzeigen, nach welcher man Ehrbegierde erwecken könne, ohne dabei Gefahr zu laufen, zugleich die Ruhmsucht mit zu entzünden.48
Feders Kontroverse mit Campe über die Frage, ob es ratsam sei, die Ehrbegierde zu einer moralischen Triebfeder bei der Erziehung zu machen, zeigt, dass Feders Position, nach der Ruhmsucht und Ehrbegierde Naturtriebe sind, die sich als rational für das menschliche Handeln legitimieren lassen, nicht leicht durchzuhalten ist, und dass man das auch schon zu seiner Zeit so sehen konnte und gesehen hat. Im letzten Teil des Beitrags möchte ich nun noch zeigen, welche Rolle Feders Ruhmtheorie in einer Geschichte des Redens über den Ruhm spielen könnte.
Feders Ruhmtheorie und die Geschichte des Ruhms Die Geschichtsschreibung des Redens über den Ruhm hat ein Problem, wenn sie versucht, die Entwicklung philosophischer Diskussionen über den Ruhm vom 17. zum 19. Jahrhundert zu rekonstruieren. Im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert finden sich Überlegungen zur Theorie des Ruhms in der Rechtstheorie; mit Blick auf 43 Ebd., S. 343f. 44 Ebd., S. 346f. 45 Ebd., S. 347. 46 Ebd., S. 348. 47 Ebd. 48 Ebd.
Feders Abhandlung über den Ruhm
philosophiegeschichtlich kanonische Autoren aber vor allem in der politischen Philosophie und in der philosophischen Anthropologie, nämlich bei Thomas Hobbes und David Hume. Hobbes’ und Humes Analysen des Ruhms besitzen eine Reihe von Gemeinsamkeiten: Beide Autoren behandeln den Ruhm im Rahmen ›sozialanthropologischer‹ Überlegungen, in denen es vorrangig um Fragen der Verfasstheit des menschlichen Handelns in Gesellschaft geht. Bei beiden findet sich eine rein deskriptive, nüchterne Analyse des Ruhms. Von einer Bewertung wie vom Bezug auf übergeordnete moralische oder metaphysische Systemvorstellungen wird Abstand genommen. Ruhm und Ehre haben nach der Meinung beider Autoren mit sozial-gesellschaftlicher Anerkennung zu tun; sie erscheinen bezogen auf die menschliche Gemeinschaft, näherhin auf die Meinung anderer. Beide Autoren verknüpfen den Begriff des Ruhms mit Konzepten wie Stolz, Ehre und Würde, und beide gehen von der Situation des Individuums aus, nehmen mithin eine ›psychologische‹ Perspektive ein. Im 19. Jahrhundert sind Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche die philosophiehistorisch kanonischen Autoren, die sich prominent mit dem Ruhm beschäftigen. Schopenhauer thematisiert den Ruhm im Rahmen einer Philosophie der Lebenskunst. Dabei liest er Georg Wilhelm Friedrich Hegels Geschichtsphilosophie im Sinne eines produktiven Missverständnisses, indem er das Konzept des ›großen Mannes‹, das Hegel als geschichtstheoretisches Beschreibungskonzept verwendet, umdeutet und danach fragt, inwieweit das Individuum selbst danach streben dürfe, ein großer Mann zu werden. Schopenhauer beantwortet die Frage negativ: Es sei für das Lebensglück unzuträglich, ein großer Mann werden zu wollen und Ruhm anzustreben. Nietzsche hingegen beantwortet die Frage positiv: Es müsse geradezu das Ziel sein, ein großer Mann werden zu wollen, der sich über die Ebenen der traditionellen Wertewelt erhebt. Das ideenhistorische Dilemma ist nun das, dass es auf den ersten Blick in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kein Verbindungsglied zwischen den philosophischen Ruhmtheorien des 17. Jahrhunderts einerseits, des 19. andererseits gibt. Es scheint zunächst, als ob das philosophische Nachdenken über den Ruhm im 19. nichts mit dem des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts zu tun habe oder sich zumindest nicht historisch auf es zurückführen lasse. Dagegen gibt es gute Gründe zu der Vermutung, dass die Philosophie im 19. Jahrhundert, wenn sie über den Ruhm nachdenkt, ihre Ideen wesentlich aus Diskursen der schönen Literatur bezieht, aus den Bereichen der Hymne und der Elegie, aber auch des Schauspiels und der Versepik. Gerade Schopenhauer zitiert in seinen Texten extensiv literarische Autoren.49 Studiert man nun jedoch Feders Abhandlung über den Ruhm und zieht man ergänzend die Ergebnisse der Federforschung heran, dann liegt die Vermutung nahe, 49 Vgl. für eine ausführlichere Erläuterung (nebst Nachweisen) der in den beiden letzten Absätzen plakativ vorgetragenen Behauptungen Werle: Ruhm und Moderne (s. Anm. 1), S. 397–495.
Dirk Werle dass neben dieser dominanten Tendenz, nach der die Idee des Ruhms im 19. Jahrhundert aus dem Bereich der schönen Literatur in die Philosophie einwandert, doch auch eine innerphilosophische Tradition des Redens über den Ruhm vom beginnenden 18. bis ins 19. Jahrhundert führt. Feder ist ja, wie seit Gustav Zarts Studien zum Einfluss der englischen Philosophen seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts hinlänglich bekannt, im 18. Jahrhundert einer derjenigen Autoren, die den englischen Empirismus in Deutschland zu etablieren versuchten.50 In diesem Zusammenhang finden sich, wie Zart gezeigt hat, im Œuvre Feders auch Rezeptionsspuren Humes.51 Mit Blick auf die Ruhmtheorie ist nun vor allem das Konzept der Sympathie interessant, das Feder ja als einen der Gründe dafür anführt, warum Menschen nach Ruhm streben.52 In seinen Ausführungen »Of the love of Fame« im 1739 erschienenen Treatise of Human Nature geht Hume von der Kategorie des Stolzes aus.53 Es gebe, so Hume, primäre und sekundäre Ursachen des Stolzes. Letztere beruhten auf den Meinungen anderer. Insofern seien Ruf, Geltung und Name wichtige Ursachen für den Stolz. Das habe mit dem Mitgefühl (»sympathy«) zu tun, das durch Ähnlichkeit und Nähe gefördert werde. Vorstellungen, so Humes zentrale These, rühren von Eindrücken her. Das Mitgefühl, so Humes Argument, bewirke aber einen Eindruck auf den Stolz, insofern dieser Affekt aus Lob oder Achtung entstehe. Wir eignen uns nach Hume die Meinung anderer an, entweder direkt durch Mitgefühl oder indirekt durch Überlegung, die uns ein fremdes Urteil als eine Art von Beweis für das, was behauptet wird, ansehen lasse.54 Auf dieser Basis identifiziert Hume unterschiedliche Grade der Befriedigung durch Lob und Achtung. Das menschliche Verlangen nach Ruhm (»fame«) als Effekt von gezolltem Lob oder erwiesener Achtung werde nicht durch einen ursprünglichen Instinkt bewirkt, so dass Ruhm immer in der gleichen Weise auf uns wirke. Nur Ruhm, der auf Lob oder Achtung durch Weise oder durch Personen, die uns genau kennen, beruhe, befriedige in vollem Umfang, und nur solches Lob gewähre volle Freude, das mit unserer eigenen Meinung von uns selbst übereinstimme. Als Resultat dieser Überlegungen formuliert Hume die These, dass die Lust, welche das Lob anderer bereitet, aus einem Miterleben der Meinung entstehe, die andere von
50 Gustav Zart: Einfluss der englischen Philosophen seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts. Berlin 1881, S. 128–150. Vgl. auch Kurt Röttgers: J. G. H. Feder – Beitrag zu einer Verhinderungsgeschichte eines deutschen Empirismus. In: Kant-Studien 75 (1984), S. 420–441. 51 Vgl. Zart: Einfluss (s. Anm. 50), S. 129; vgl. hierzu auch den Beitrag von Achim Vesper in diesem Band. 52 Allerdings gibt es auch gute Gründe dafür, die geistigen Wurzeln von Feders Konzept der Sympathie nicht bei Hume, sondern bei Adam Smith zu suchen. Vgl. dazu den Beitrag von Nele Schneidereit in diesem Band. 53 David Hume: A Treatise of Human Nature [1739]. Hg. von L. A. Selby-Bigge u. P. H. Nidditch. Oxford 21978, S. 316–324 (Buch 2, Teil 1, Kap. 11). 54 Ebd., S. 320f.
Feders Abhandlung über den Ruhm
uns haben. Hume beschreibt den Ruhm, so kann man erkennen, vor dem Hintergrund einer allgemeinen Theorie der Sympathie und kann ihn so als quasimoralisches Gefühl ansehen. Und wie wir gesehen haben, nimmt Feder bei kleineren Unterschieden im Einzelnen eine ganz ähnliche Perspektive ein. Hinsichtlich der Verbindungen Feders zu Schopenhauer wiederum ist seit Karl O. Kurths einschlägigem Aufsatz von 1954 bekannt, dass sich solche Verbindungen auf verschiedenen Ebenen nachweisen lassen: Schopenhauer erwähnt Feder lobend in den Parerga und Paralipomena, sein akademischer Lehrer in Göttingen, Gottlob Ernst Schulze, war Feders Schwiegersohn, und mit Blick auf seine Willensmetaphysik hat Schopenhauer möglicher Weise aus Feders Hauptwerk, den zwischen 1779 und 1786 erschienenen Untersuchungen über den menschlichen Willen, wichtige Anregungen bezogen.55 In diesem Hauptwerk Feders finden sich, wie Kurth gezeigt hat, auch einschlägige Passagen zum Thema Ehre.56 Hinsichtlich der Ruhmtheorie verbindet Schopenhauers Überlegungen mit denen Feders die Perspektive auf die Frage, inwieweit es für ein gutes Leben zuträglich und verhaltensrational sein kann, Ruhm zu erstreben. Freilich gibt Schopenhauer hier eine andere Antwort als Feder: Nach Feder ist es zuträglich und verhaltensrational, nach Ruhm zu streben, nach Schopenhauer ist es das nicht. »In eudämonologischer Hinsicht« sei der Ruhm, so Schopenhauer, »nichts weiter als der seltenste und köstlichste Bissen für unsern Stolz und unsere Eitelkeit«, so dass er als These formulieren kann: »[D]er Wert, den der Mensch auf die Meinung anderer von ihm legt, [ist] ganz unverhältnismäßig und unvernünftig«. 57 Die knappen Hinweise zeigen, so kann man als Ergebnis des dritten Teils des Beitrags zusammenfassen, dass Feders Abhandlung Vom Werthe des Nachruhms ein ideenhistorisches Verbindungsglied zwischen Humes anthropologischer Ruhmtheorie einerseits, Schopenhauers eudaimonologischer Ruhmtheorie andererseits darstellt. Wollte man jedoch eine innerphilosophische Tradition des Redens über den Ruhm im 18. Jahrhundert zu rekonstruieren versuchen, wäre es freilich mit diesem punktuellen Befund nicht getan. Die Aufgabe wäre, genauer zu verstehen, innerhalb welcher größeren Diskussionszusammenhänge Feder seine Abhandlung positioniert hat. Dazu soll dieser Beitrag ein erster Schritt sein.
55 Vgl. Karl O. Kurth: Schopenhauer und J. G. H. Feder. Ein Beitrag zur Erörterung der Frage der Einwirkung der Göttinger »Eklektiker« auf die Genesis der Schopenhauerschen Philosophie. In: Göttinger Arbeitskreis (Hg.): Mensch und Staat in Recht und Geschichte. Festschrift für Herbert Kraus. Kitzingen 1954, S. 354–374. 56 Ebd., S. 369f. 57 Arthur Schopenhauer: Sämtliche Werke. Textkritisch bearbeitet und hg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen. Bd. 4: Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften 1. Sonderausgabe Darmstadt 2004, S. 475.
Hans-Peter Nowitzki
Die Akademisierung der Popularphilosophie Johann Georg Heinrich Feders Lehrwerke in der universitären Lehre
Feders Lehrbücher an den führenden deutschen Universitäten Vier mitteldeutsche Universitäten dominierten die Hochschullandschaft Deutschlands im 18. Jahrhundert: neben den altehrwürdigen Universitäten Leipzig (gegr. 1409) und Jena (gegr. 1548/58) die Reformuniversitäten in Halle, die Fridericiana (gegr. 1694), und in Göttingen, die Georgia Augusta (gegr. 1732/34, eröffn. 1737). Hinzu kam die Königsberger Albertus-Universität (1544), die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts mit dem Wirken Kants von sich reden machte. Aufschluss über den immensen Einfluss der federschen Lehrbücher auf die akademische Lehre dieser Universitäten gewähren die Vorlesungsverzeichnisse der genannten Universitäten.
Göttingen Der Anfang sei mit Feders Universität gemacht, der Göttinger Georgia Augusta: Das Profil der philosophischen Lehre an der Georgia Augustana1 bestimmten in den siebziger und achtziger Jahren Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) und seine Mitstreiter Christoph Meiners (1747–1810) und Michael Hißmann (1752–1784). Feders Lehrbuchkonkurrent seit 1776, Ernst Platner, vermochte mit seinen Philosophischen Aphorismen hier nicht Fuß zu fassen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hat nicht ein Lehrwerk Platners den Weg in Göttinger Hörsäle gefunden – ein Umstand, der angesichts der Popularität Feders nicht überrascht.2 Feder begann seine 1 Konsultiert wurden hierfür die in den Göttinger Anzeigen von gelehrten Sachen abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse. 2 Sicher aber hat Platner mit seiner Anthropologie für Ärzte und Weltweise (1772) zumindest anregend auf das Göttinger Lehrangebot eingewirkt. Dafür spricht die zeitliche Nähe der wrisbergschen Ankündigung medizinischer Anthropologievorlesungen für Theologen und Juristen. Heinrich August Wrisberg (1739–1808), ordentlicher Professor für Anatomie seit 1770 und Herausgeber der Schriften Albrecht von Hallers und Johann Georg Roederers, bot für das Sommersemester 1773 erstmals einen anatomisch-physiologischen Kurs an, der großes Interesse fand und den er bis 1799 ankündigte. Die Benennung wechselte kaum: Zumeist ist von einem »kurzen anatomisch physiolo-
https://doi.org/10.1515/9783110489439-019
Hans-Peter Nowitzki dreißig Jahre währende Lehrtätigkeit an der Georgia Augusta im Sommersemester 1768. Im Vorlesungsverzeichnis heißt es dazu: »Die Geschichte der Philosophie, die Logik und die Metaphysik trägt Herr Prof. Feder privatim 6. Stunden wöchentlich über seinen Grundriß der philosophischen Wissenschaften vor«.3 Seine Lehrveranstaltungen erfreuten sich zunächst so großen Zulaufs, dass er selbst in der Ferienzeit lesen musste, so etwa 1768, als er »[d]ie Geschichte der neueren Eklektiker«, d. h. Hollmann, Crusius und Darjes, zum Gegenstand seiner Vorträge machte.4 Von Beginn an bildete die Geschichte der Philosophie5 neben Logik und Metaphysik6 einen Schwerpunkt seiner Lehre. Von der Enzyklopädie hingegen ließ er bald darauf schon wieder ab. Zu wiederholten Malen bot er Lektürekurse über Texte Ciceros an – die Vorlesung über die Selbstbetrachtungen Marcus Aurelius Antonius’ im Wintersemester 1770/71 blieb eine Ausnahme.7 Zumindest ebenso großes Augenmerk schenkte Feder der praktischen Philosophie: Fast zwei Drittel seines Lehrangebots galten der philosophischen Moral, dem Natur- und Völkerrecht, der Politik und der Pädagogik. Letztere kündigte er als Disputatorien über seine Pädagogischen Aphorismen an.8 Christoph Meiners (1747–1810), Schüler, Freund, Kollege und popularphilosophischer Kombattant Feders, lehrte von 1772 bis 1775 als außerordentlicher, seit 1775 als ordentlicher Professor für Philosophie an der Göttinger Universität. Der Schwerpunkt seiner Lehre galt von Anfang an dem Geschichtlichen. Die Geschichte der Philosophie las er anfangs sommers wie winters, ab 1776 dann nur noch im Winter-, ab 1786 nur noch im Sommersemester. Die Psychologievorlesungen, mit denen er gischen Cursus« die Rede, manchmal auch von dem »Theil der Physiologie, welcher die Sinne angeht, nebst der medicinischen Psychologie«, oder von der »medic.[inischen] Anthropologie oder de[m] anat.[omisch] physiol.[ogischen] Cursus für Theologen od[er]. Jurist.[en]«. Darüber hinaus betitelte Wrisberg die Vorlesung auch als »mediz.[inische] Psychologie, oder die Lehre von den innern Sinnen n.[ach] Haller« und als »Anthropologie, d. h. eine Anleitung zur Kenntniß des Menschen im gesunden Zustande«. Er las in folgenden Semestern: 73/74, 74/75, 75, 75/76, 76/77, 77/78, 78, 78/79, 79, 79/80, 80/81, 81/82, 82, 82/83, 83/84, 87/88, 88/89, 89/90, 90/91, 92/93, 97, 99. – Justus Christian Loders Anschluß an Wrisberg ist mit seinen Jenaer Vorlesungen über Medizinische Anthropologie, die den ›Theologen und Juristen mit der Kenntnis der Theile des menschlichen Körpers‹ bekanntmachen sollen, offensichtlich. 3 Göttinger Anzeigen von gelehrten Sachen 1768, S. 305f. 4 Göttinger Anzeigen von gelehrten Sachen 1769, S. 345. 5 Geschichte der Philosophie bot er 1768 bis 1769, 1770, 1771, 1772 und 1772/73 an. 6 Logik und Metaphysik las er vom Sommersemester 1768 bis einschließlich Sommersemester 1790 semesterweise, danach Logik und Metaphysik zusammen im Wechsel mit der Logik, diese im Sommersemester, jene im Wintersemester, bis einschließlich Wintersemester 1796/97. 7 Im Wintersemester 1769/70 las er über Ciceros De finibus bonorum et malorum, 1770/71 über Antonius’ Selbstbetrachtungen, 1771/72 über Ciceros Quaestiones academicas, 1778/79 über dessen De fato und 1779 wiederum über De finibus bonorum et malorum. 8 Johann Georg Heinrich Feder: Aphorismi paedagogici in usum collegii disputatorii. Gottingen 1776.
Die Akademisierung der Popularphilosophie
ebenfalls im Sommersemester 1773 den Anfang gemacht hatte, las er semesterweise bis zum Winter 1784/85. Ab 1785 kündigte er sie im Wechsel mit der Geschichte und den Hauptlehren aller (zunächst: falschen) Religionen an. Mitte der siebziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre komplettierten die jährlichen Ästhetik-Vorlesungen sein Lehrangebot. Als Fortsetzung bot er ab dem Wintersemester 1788/89 Vorlesungen über die Geschichte der Menschheit an. Deutlichere Konturen lässt das Lehrangebot von Michael Hißmann (1752–1784), dem dritten im Bunde, kaum erkennen: Als Magister bzw. Doktor der Philosophie zeigte er sich in seiner Lehre anfangs in enger Anlehnung an Feder. Ihm folgte er in seinen Logik und Metaphysikvorlesungen ebenso wie in seinen Disputierübungen, denen die Aphorismi paedagogici zugrundelagen. Darüber hinaus gab er eine Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur in allen Theilen der Philosophie9 und las über Philosophische Enzyklopädie, Geschichte der Philosophie (einmal, 1783, über die Geschichte der Wolffschen Philosophie) und philosophische Anthropologie. Hißmann, der eine rege Lehr- und Übersetzertätigkeit entfaltete und dafür im Mai 1782 zum außerordentlichen Professor für Philosophie ernannt worden ist, blieb mit seinem frühen Tod eine weitergehende akademische Wirksamkeit allerdings versagt.10 Anders als in Halle, Leipzig oder Jena gab es in Göttingen Anfang der siebziger Jahre auffallend wenig philosophische Konkurrenz für Feder und seine Mitstreiter Meiners und Hißmann. Zudem war die philosophische Fraktion im engeren Sinne im Vergleich zu den mathematischen Wissenschaften und denen der Naturlehre – wie in den Vorlesungsverzeichnissen rubriziert11 – verhältnismäßig klein. Das war nicht zuletzt auch die Folge des der Universität von den Gründungsvätern um Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen12 gegebenen Zuschnitts und deren erklärtem Willen, der Spekulation an der Alma mater möglichst wenig Raum zu geben. Feder, Meiners und Hißmann hatten Otto David Heinrich Becmann (1722–
9 Michael Hißmann: Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur in allen Theilen der Philosophie. Göttingen, Lemgo 1778, 21790. 10 Zu Hißmann vgl. den Aufsatzband von Heiner F. Klemme, Gideon Stiening u. Falk Wunderlich (Hg.): Michael Hißmann (1752–1784). Ein materialistischer Philosoph der deutschen Aufklärung. Berlin 2013; Michael Hißmann: Ausgewählte Schriften. Hg. von Udo Roth u. Gideon Stiening. Berlin 2013, sowie Michael Hißmann: Briefwechsel. Hg. von Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening u. Falk Wunderlich. Berlin, Boston 2016. 11 Nach der Theologie (1) und Medizin (2) folgten in den Vorlesungsverzeichnissen um 1800: (3) die philosophischen Wissenschaften, (4) die mathematischen Wissenschaften, (5) die Naturlehre, (6) die Geschichte mit den Hilfswissenschaften, (7) die Litterär[geschichte], (8) die schönen Wissenschaften und Künste, (9) das Altertum [i. e. die Altertumswissenschaften], (10) die Philologie, Kritik und alten Sprachen und (11) die neueren Sprachen und Literatur. 12 Münchhausen, der Gründer der die theoretische Philosophie weniger, dafür umso mehr die historischen und naturwissenschaftlichen Fächer wertschätzenden Göttinger Universität, hatte einst in Halle bei den Anhängern des Thomasius Ludewig und Gundling studiert, zeigte sich zeitlebens thomasisch geprägt und stand dem Wolffianismus ablehnend gegenüber.
Hans-Peter Nowitzki 1784) und mit ihm die Crusianische Philosophie sehr schnell schon in eine bloße Randständigkeit verwiesen. Becmann las die Metaphysik nach Crusius13 nur bis 1774, danach nie wieder. Nach Feders Weggang nach Hannover im Jahre 1797 jedoch herrschte dann die kantische Philosophie in Göttingen fast unumschränkt.
Halle und Leipzig In Halle vermochte sich ebenfalls nur Feders, nicht aber Platners philosophisches Kompendium14 neben Darjes’ und Meiers Logiken15 sowie Trägers16, Müllers17 und
13 Christian August Crusius: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden. Leipzig 1745 [21753, 31766]. 14 Ernst Platner: Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte. [Erster Theil/Anderer Theil.] Leipzig 1776/82 [21790: »Neue durchaus umgearbeitete Ausgabe.« 31793: »Ganz neue Ausarbeitung.«], aber auch ders.: Anthropologie für Ärzte und Weltweise. Erster Theil. Leipzig 1772, sowie ders.: Neue Anthropologie für Ärzte und Weltweise. Mit besonderer Rücksicht auf Physiologie, Pathologie, Moralphilosophie und Ästhetik. Erster Band. Leipzig 1790. Vgl. dazu Hans-Peter Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit. Berlin und New York 2003, S. 165–249, S. 377–382, und Guido Naschert u. Gideon Stiening (Hg.): Ernst Platner (1744–1818). Konstellationen der Aufklärung zwischen Philosophie, Medizin und Anthropologie. Hamburg 2007 (= Aufklärung 19). 15 Joachim Georg Darjes: Die lehrende Vernunft-Kunst, welche eine vernünftige Anweisung zur Verbesserung der Kräfte des Verstandes in Beurtheilung und Erfindung der Wahrheiten in sich enthält und aus der Natur der Seele in mathematischer Lehr-Art zur Grundlegung zu einer höheren Wissenschaft und zum Nutzen seiner Zuhörer aufgesetzet worden. Jena 1737 [ND 2000], sowie ders.: Introductio In Artem Inveniendi seu Logicam Theoretico-Practicam qua Analytica atque Dialectica in usum et iussu Avditorium Suorum methodo iis commoda proponuntur. Ienae 1742 [21747], und ders.: Via ad veritatem commoda auditoribus methodo demonstrata. Ienae 1755 [21764. Dt.: Weg zur Wahrheit auf Verlangen übersetzt, und mit Anmerkungen erläutert. Die Vorrede enthält zugleich eine kurze Nachricht von des Verfassers bisher herausgegebenen Schriften. Frankfurth an der Oder 1776], d. i. Darjes’ »verbesserte Logic« (ebd., S. 19). Georg Friedrich Meier: Vernunftlehre. Halle 1752 [21762], sowie ders.: Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752 [21760]. Zu Darjes vgl. Ulrike Lötzsch: Joachim Georg Darjes (1714–1791). Der Kameralist als Schul- und Gesellschaftsreformer. Köln, Weimar, Wien 2016, und zu Meier jetzt insb. Frank Grunert u. Gideon Stiening (Hg.): Georg Friedrich Meier (1718–1777). Philosophie als »wahre Weltweisheit«. Berlin, Boston 2015. 16 Ludwig Martin Träger: Metaphysik. Erster Theil/Andrer Theil. 1770. Zu Trägers an Darjes angelehnte Metaphysik vgl. Horst Schröpfer: Kants Weg in die Öffentlichkeit. Christian Gottfried Schütz als Wegbereiter der kritischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, S. 34–51, und Ingomar Kloos: Ludwig Martin Träger – Biographie und Werk. In: ders.: Frühkantianer an der Academia Fridericiana Halensis. Halle 2015, S. 77–104, hier S. 84–103. 17 Von dem menschlichen Verstande und den nothwendigen Vernunftwahrheiten die man den zufälligen entgegen setzt. Hg. von M. Joh. Petr. Andr. Müller. Halle 1769, – eine an Crusius angelehnte Metaphysik.
Die Akademisierung der Popularphilosophie
Baumgartens Metaphysiken18 zu behaupten.19 Meiers und Baumgartens Lehrwerke blieben bis in die neunziger Jahre gebräuchlich. Nach Feder wurde von 1770 an bis 1793 gelesen. In Leipzig beginnt man 1773 nach Feder zu lesen, prominent Ernst Platner in seinen Lehrveranstaltungen zur Logik und Metaphysik. Letztmalig bediente man sich hier der Federschen Kompendien im Jahre 1792.
Jena und Königsberg In Jena, der einstigen Wirkungsstätte Darjes’, der die Universität im Jahre 1763 verlassen hatte, beginnt die Federrezeption mit Friedrich Justus Riedel, der bereits im Wintersemester 1767/68 »auf Verlangen Encyclopädische Vorlesungen über das Federsche Handbuch« anzeigte.20 Johann August Heinrich Ulrich folgte im Sommersemester 1768 und las ebenfalls über den Grundriß. 1769 erklärte er sich Von der Beschaffenheit und dem Nutzen eines so genannten Cursus oder Encyclopädie in den Wißenschafften und insbesondere in der Weltweißheit. Eine Einladungsschrift zu einem philosoph. Cursus über Feders Grundris der philosophischen Wissenschafften und seinen übrigen Wintervorlesungen (Jena bey Joh. Rudolph Crökers seel. Wittwe, 1769).21 Mit seinem in vielem Feder verpflichteten Ersten Umriß einer Anleitung zu 18 Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. Halae Magdebvrgicae 1739 [21743. 31750. 41757. 5 1763. 61768. 71779. 81783 herausgegeben von Johann August Eberhard]. 19 Konsultiert wurden die Vorlesungsverzeichnisse in den Hallischen gelehrten Zeitungen (1766– 1792) sowie Günter Schenk u. Regina Meyer: Ankündigungen philosophischer Vorlesungen von 1738–1785. In: dies.: Ethisch-pietistische Prägungen der Logik im 18. Jahrhundert. Halle 2006, S. 191–231, und Günter Schenk: Ankündigung philosophischer Vorlesungen von 1786–1807. In: ders.: Hallesche Logik am Ende der Aufklärung und in der »geschlossenen Kantischen Periode«. Lehre und Lehrbücher. Halle 2009, S. 199–229. 20 Das Vorlesungsangebot an der Universität Jena von 1749 bis 1854. Hg. von Horst Neuper. Weimar 2003, S. 79. 21 Ulrich zufolge gibt Feders Grundriß genannte Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften den Studenten nicht nur (a) einen Überblick über die philosophischen Disziplinen und ihren Zusammenhang untereinander, der ihnen »Lust« macht, »die angezeigten ziemlich leeren Fächer durch die Lectüre oder einen weitläuftigern Unterricht auszufüllen« (S. 5), sondern führt sie zugleich (b) in die Geschichte der Wissenschaft und ihren Disziplinen ein und gibt ihnen zudem (c) eine Liste ausgewählter Literatur an die Hand. Der Student wird somit in die Lage versetzt, trotzt der Kürze der durchschnittlichen Studienzeit von drei Jahren, das Feld der philosophischen Wissenschaften zu übersehen (S. 6f.). Darüber hinaus wird damit dem Vorurteil vorgebaut, die Philosophie böte nichts Wissenswertes und sei vernachlässigbar (S. 8f.). Schließlich sieht er sich dadurch in den Stand gesetzt, sich autodidaktisch, außerhalb des akademischen Unterrichts zu einem »frey und selbstdenkende[n] Weltweise[n]« zu bilden (S. 11). Deshalb wählte er selbst die »Geographische Methode«, um dem Studenten anhand von Feders Grundriß der Philosophischen Wissenschaften, ergänzt von Sulzers Kurzem Begriff aller Wissenschafften (1745, 21759, 31772, 41774, ... 71799) und Riedels Theorie der schönen Künste und Wissenschaften (Jena 1767), »die Hauptgegenden der gelehr-
Hans-Peter Nowitzki den philosophischen Wissenschaften (Jena 1772/76) löste er dessen Grundriß schließlich ab. Neben ihm lasen Professoren wie Justus Christian Hennings und Privatdozenten wie Ludwig Friedrich Cellarius (bis 1776), August Gottlieb Sommer (bis 1780) u. a. nach Feder. Die letzten Feder-Vorlesungen sind im Jahre 1786/87 belegt. In Königsberg22 findet Feder im Jahre 1770 durch Kant Eingang in die Lehre. Kant las zunächst Logik und Metaphysik, später dann (seit 1775) Enzyklopädie der gesamten Philosophie, letztmalig im Sommersemester 1787. Feders Lehrbücher waren in Königsberg besonders lange im Gebrauch, von 1770 an ununterbrochen bis zum Wintersemester 1803/04. Zusammengefasst heißt das: Feders Lehrwerke waren in Göttingen 30, in Halle 23, in Leipzig 19, in Jena 20 und in Königsberg 34 Jahre lang fast ununterbrochen in Benutzung. Hinzu kamen die Lehrwerke, die in Anlehnung an Feders Kompendien abgefaßt worden waren, etwa die Erläuterungen der theoretischen und praktischen Philosophie nach Herrn Feders Ordnung [1.] Logik23 von Gottlob August Tittel, ordentlicher Professor in Karlsruhe, die drei Auflagen erlebten.
ten Welt« (S. 11) zu erschließen. »Vielleicht wäre ein solcher Cursus auf Academien überflüßig, wenn man auf allen Schulen und Gymnasiis dazu Gelegenheit hätte« (S. 12). Es stünde zu hoffen, daß er mit der Vorlesung die künftigen Schul- und Gymnasiallehrer dazu ermutige, dereinst den Philosophieunterricht unter Zuhilfenahme des federschen Grundrisses oder von Johann August Ernestis Initia doctrinae solidioris (Leipzig 1734/35 ... 61769 ... 91796) zu verbessern (S. 14). 22 Vgl. Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg (1720–1804). Mit einer Einleitung und Registern hg. von Michael Oberhausen u. Riccardo Pozzo. 2 Teilbände. Stuttgart-Bad Cannstatt 1999. 23 Frankfurt am Mayn bei Johann Gottlieb Garbe 1783 [31793]. »Seit vielen Jahren hatte ich zu meinen Vorlesungen über die Philosophie mich verschiedener Lehrbücher bedient; ohne darum jemals in dem eigentlichen Sinn ein Anhänger irgend einer besondern Sekte zu seyn: welchen Namen man überall unter Philosophen nicht hören sollte. Die philosophirende Vernunft hat in unsern Tagen einen freiern Gang genommen und scheinet zugleich eine gefälligere Fruchtbarkeit der Darstellung zu erfordern. Darum hielt ich es für Pflicht, andere, dem feinen Geschmak unsers Zeitalters etwa angemessenere Lehrbücher zu wählen. Die durch den Geist der wahren Philosophie, Bescheidenheit in den Behauptungen, Mannichfaltigkeit der Aussichten – oft nur vermittelst eines hingeworfenen Bliks – in abliegendere Gegenden des philosophischen Gebiets; nette Darstellung und litterarische Kenntnisse sich vorzüglich empfehlende Schriften des Herrn Feders schienen vor andern geschikt zu seyn, meinen Vortrag zu leiten. Nur fand ich bei der sehr gedrängten Kürze dieses berühmten Verfassers, etwas ausführlichere Erörterungen zur völligern Bildung eines zusammenhangenden Begrifs, nach dem Bedürfnis meines Auditoriums, nothwendig [...]. Ich entschloß mich also ohne Zurükhaltung, diese Erläuterungen – denn das sollen sie seyn – ganz so wie ich sie meinen Zuhörern zuvor mitgetheilt hatte, nur hin und wieder mit einiger Erweiterung: auch in der unveränderten Ordnung und Stellung der Materien, welche in den Federschen Lehrbüchern angenommen ist, ins Publikum zu geben« (S. *2b–*4a: Vorrede, datiert »Carlsruh im Wintermonat 1782«). »Nun – hier ist Logik! Auf die nemliche Weise werden auch die übrige Wissenschaften – allgemeine praktische Philosophie, Metaphysik, Moral, Naturrecht – in so viel einzelnen Bänden folgen« (S. *5a).
Die Akademisierung der Popularphilosophie
Feders Lehrbücher im Urteil der Zeitgenossen Man wird angesichts dessen von einem immensen Einfluss der Federschen Lehrwerke auf die Bildungslandschaft Deutschlands ausgangs des 18. Jahrhunderts ausgehen müssen. Hinzuzurechnen sind die zahlreichen gymnasialen und anderen akademienahen Bildungseinrichtungen, auf denen mindestens ebenso gern und häufig auf Feders Werke zurückgegriffen wurde. Darauf verwiesen schon die Zeitgenossen, so z. B. der Rezensent der Neuauflage der Grundsätze der Logik und Metaphysik aus dem Jahre 1794: Es würde gewiß überflüssig seyn, dieses Compendium der Logik und Metaphysik, das an die Stelle des im Jahr 178724 in lateinischer Sprache herausgegebenen Compendiums der Logik und Metaphysik tritt, dem philosophischen Publikum seines Werthes und seiner Nützlichkeit wegen erst noch anempfehlen zu wollen. Dieser Werth und diese Nützlichkeit desselben sind schon längst dadurch entschieden worden, daß es unter allen Lehrbüchern der Logik und Metaphysik, die in neuerer Zeit herausgekommen sind, doch immer dasjenige geblieben ist, welches am allgemeinsten dem ersten Unterrichte in der theoretischen Philosophie auf Universitäten und Gymnasien zum Grunde gelegt wurde. Ja, man wird auch, wenn man mit Unpartheylichkeit die Ursachen aufsucht, welche gemacht haben, daß in Deutschland die Philosophie seit dreyßig Jahren zu einer Wissenschaft erhoben wurde, die fast von allen, so auf Gelehrsamkeit einigen Anspruch machten, geschätzt und getrieben wurde, gewiß finden und einsehen, daß das Federsche Compendium der Logik und Metaphysik25 eine der vorzüglichsten dieser Ursachen gewesen sey.26
Der anhaltende Zuspruch, dessen sich Feders Lehrwerke erfreuen konnten, war wohl dem Umstand geschuldet, dass es der Verfasser verstanden hatte, auf feinsinnige Weise Zeittendenzen zu erfassen und in seinen Kompendien zum Ausdruck zu bringen. Der soeben schon zu Wort gekommene Rezensent merkt dazu folgendes an: Durch dasselbe [gemeint ist Feders Logik und Metaphysik] wurden allererst theils die den meisten Studenten zu trocknen und unverständlichen Baumgartenschen, theils die seichten Baumeisterschen Compendia der Logik und Metaphysik27 von den Schulen und Akademieen verdrängt, und Philosophie blieb nun nicht mehr blos ein Eigenthum derer, die mit der 24 Recte: 1777. 25 Johann Georg Heinrich Feder: Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen 1769 [21770, 31771, 41774, 51778, 61786, 71790]. 26 Anonymus [Fraktur Od]: Rezension: Feder, Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen, bey Dieterich. 1794. In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek 16 (1795), 2, S. 378–382, hier S. 378. Unter dem Frakturkürzel ›Od‹ rezensierte lt. Gustav C. F. Parthey: Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai’s Allgemeiner Deutscher Bibliothek nach ihren Namen und Zeichen in zwei Registern geordnet. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte (Berlin 1842) Gottlob Ernst Schulze (1761–1833), auch Aenesidemus-Schulze genannt, Feders späterer Schwiegersohn. 27 Friedrich Christian Baumeister: Institutiones metaphysicae. Wittenberg 1762.
Hans-Peter Nowitzki scholastisch-lateinischen Sprache Bekanntschaft hatten, sondern konnte auch von denen kennen gelernt werden, die mit ihrer Muttersprache nicht ganz unbekannt waren. Dadurch aber, daß im Federschen Compendio theils verschiedene philosophische Theorieen und Vorstellungsarten ihren Gründen nach erörtert und geprüft, theils die wichtigsten ältern und neuern Schriften bey jeder wichtigen Untersuchung in der Logik und Metaphysik beygefügt worden waren, wurde nicht allein die Wißbegierde und das Selbstdenken der jungen Freunde der Philosophie erweckt, sondern diesen jungen Freunden der Philosophie wurden auch die brauchbarsten Mittel angewiesen, durch deren Gebrauch sie ihre Wißbegierde weiter befriedigen konnten, und die wichtigsten Ideen und Werke der ausländischen Philosophen wurden unter den Deutschen bekannter.28
Merkmale der federschen Lehrwerke sind danach: (a) ihre Verständlichkeit, (b) ihre Tiefgründigkeit, (c) ihre Muttersprachlichkeit, (d) ihr Überblickscharakter (α) hinsichtlich unterschiedlichster philosophischer Theoriebildungen und ihrer unparteiischen Überprüfung und (β) hinsichtlich der bibliographischen Angaben. Das soll im Folgenden anhand des Grundrisses (11767) und der aus ihm erwachsenen Logik und Metaphysik (21770) kursorisch gezeigt werden. Hierfür ist es angezeigt, zunächst noch einmal kurz auf das intellektuelle Milieu, in dem die Schriften entstanden sind, einzugehen und ihre Veranlassung zu thematisieren.
Die Entstehung des Grundrisses Feder empfing in Neustadt an der Aisch, wo er das Gymnasium besuchte, eine pietistische Prägung,29 die sich in seinen darauffolgenden Publikationen widerspiegeln sollte. Das Gymnasium stand seit 1730 unter der Leitung von Johann Adam Steinmetz (der später als Abt nach Kloster Bergen bei Magdeburg wechselte) und Georg Sarganeck, beide einst auf Empfehlung von Zinzendorf nach Neustadt berufen.30
28 Anonymus [Fraktur Od = Gottlob Ernst Schulze]: Rezension: Feder, Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen, bey Dieterich. 1794. In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek 16 (1795), 2, S. 378–382, hier S. 378f. 29 Vgl. Kurt Wöhe: Johann Georg Heinrich Feder. Eine Untersuchung zur Geschichte des Philanthropinismus. (Diss. phil. Jena 1928) Borna-Leipzig 1928, S. 6. Das Gymnasium wurde nach dem Halleschen Modell der Franckeschen Stiftungen aufgerichtet und war seit den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts eine der bedeutendsten pietistischen Bildungsanstalten im Reich. Vgl. Horst Weigelt: Geschichte des Pietismus in Bayern. Anfänge – Entwicklung – Bedeutung. Göttingen 2001, S. 236f., S. 263–268, S. 370f., sowie Dieter Wölfel: Das evangelische Schulwesen. In: Andreas Kraus (Hg.): Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 31997, S. 1193–1216, hier S. 1214. 30 Vgl. Gergely Csukás: Johann Adam Steinmetz (1689–1762). Biographie eines bedeutenden Predigers, Pädagogen und Publizisten im Umfeld des Pietismus. Diplomarbeit. Wien 2013, S. 88f.
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Logik, Physik und Metaphysik wurden hier nach Layritz31 und Thümmig32 gelehrt.33 Feders lebenslange Wertschätzung der alten Sprachen schreibt sich auch aus seiner Gymnasialzeit her. Im Jahre 1757 bezog er die Universität in Erlangen und schrieb sich in die Theologische Fakultät ein. Philosophie hörte er bei Suckow.34 1760, nach dem Tod seiner Mutter, trat er ein Hauslehreramt in Polsingen an. Im Mai 1764 begleitete er zwei Zöglinge auf die Erlanger Universität. »Eine kurze Einleitung in die Philosophie gab ich selbst meinen Zöglingen; es war der erste Versuch des nachher in Coburg erschienenen Grundrisses.«35 Zudem ergriff er die Gelegenheit beim Schopfe und suchte hier um die Magisterwürde nach, die man ihm ohne Examen konferierte. Mit seiner Dissertation Homo natura non ferus (Erlangen 1765), in der er sich mit Jean-Jacques Rousseau auseinandersetzte, erwarb er zugleich die Lehrerlaubnis. Harles(s),36 sein früherer Erlanger Studiengenosse, inzwischen am Coburger Gymnasium academicum, dem Casimirianum, als Professor der orientalischen Sprachen und der Beredsamkeit tätig, verschaffte Feder einen Ruf als Professor der Metaphysik und der morgenländischen Sprachen.37 Er legte hier seinen Vorlesungen zunächst Darjes’ Logik und Moral38 sowie das Naturrecht nach Gottfried Achenwall39 zugrunde, da sein Vorgänger schon nach Darjes40 gelesen hatte; Achenwall war ihm aus den 31 Paul Eugenii Layritzens Erste Anfangsgründe Der Vernunftlehre zum bequemen Gebrauch der Schulen, in natürlicher Verbindung zusammen getragen. Nebst einer Vorrede, Von der Art und Weise, die Vernunftlehre in Schulen am besten und nützlichsten vorzutragen, zu wiederholen und auszuüben, und einer Einleitung in die Philosophie überhaupt. Züllichau 1743 [21748, 31755, 41764]. 32 Institutiones Philosophiæ Wolfianæ in usus academicos adornatæ opera Ludovici Philippi Thümmigii [...]. Francofurti & Lipsiæ 1725 [21740, 1746, 1754, 1762]. 33 Johann Georg Heinrich Feder: Leben, Natur und Grundsätze. Leipzig, Hannover u. a. 1825, S. 19. 34 Simon Gabriel Suckow (1721–1786), seit 1745 außerordentlicher, seit 1752 ordentlicher Professor der Philosophie in Erlangen, seit 1765 Professor für Mathematik und Physik, von 1770 an Professor für Logik und Metaphysik. »In den Grundsätzen ein Leibnitzianer; in den Bestimmungen aber, und Beweisen, viel genauer und scharfsinniger als die meisten der damaligen Wolfianer« (ebd., S. 36). 35 Ebd., S. 49f. 36 Adolf Gottlieb Christoph Harles(s) (1738–1815), seit 1765 Professor für Orientalistik und Rhetorik. Von 1770 an Professor für Poesie und Beredsamkeit an der Universität Erlangen. 37 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 54. 38 Joachim Georg Darjes: Erste Gründe der philosophischen Sitten-Lehre auf Verlangen und zum Gebrauche seiner Zuhörer entworfen. Jena 1750 [21755, 31762, 41782]. 39 Elementa Iuris Naturae in usum auditorum adornata iuncto Ioannis Stephani Puetteri et Gottfridi Achenwalli. Goettingen 1750 [21753, ... 71774]. Vgl. Paul Streidl: Naturrecht, Staatswissenschaften und Politisierung bei Gottfried Achenwall (1719–1772). Studien zur Gelehrtengeschichte Göttingens in der Aufklärung. München 2003, S. 66–123 u. S. 199–214. 40 Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte zum Gebrauch seiner Zuhörer herausgegeben von Johann Georg Heinrich Feder Professor an dem Gymnasio zu Coburg. Coburg 1767, S. 44f.: »Darjes ist ohnstreitig der subtilste Philosoph unserer Zeit, und erfordert subtile Leser. Man kann das Nachdenken durch Lesung seiner Schriften üben, und man wird dadurch mit Hochachtung für ihn eingenommen. Aber ich wollte nicht rathen, ihn allein zum Füh-
Hans-Peter Nowitzki Vorlesungen Suckows vertraut.41 Zufällig wurde er mit Hollmanns und Crusius’ Lehrbüchern bekannt. An Hollmanns42 Lehrbuch schätzte er »besonders die Geschichte der Philosophie und der einzelnen Dogmen […]. Denn der Gedanke war schon [1765/66] in mir, daß, vor den Blendwerken einseitiger Vorstellungen sich zu bewahren, und zu gründlichen Einsichten zu gelangen, die Vergleichung verschiedener Vorstellungsarten, das Studium mehrerer Systeme, erforderlich sey.«43 Bruckers Institutiones44 hatte er sich bereits in Erlangen angeschafft. Bald darauf brachte er seinen Grundriß heraus, dem er fortan in seinem Unterricht folgte. Exemplare des Grundrisses verschickte er an Ernesti und Crusius nach Leipzig45 und an Kästner und Hollmann nach Göttingen, in der Hoffnung, sich damit für eine Professur zu empfehlen. Es waren die Leipziger, die Gefallen daran fanden: Crusius vor allem der wolffkritischen Ausrichtung wegen,46 Ernesti wohl, weil Feder die Kenntnis und Hochschätzung der alten Sprache propagierte. Das moraltheoretische Fundament des Grundrisses goutierten sicher beide. Ernesti empfahl Feder daraufhin Münchhausen als Professor der Philosophie. Ende 1767 erreichte ihn schließlich der Ruf nach Göttingen.47 Hier lag die philosophische Lehre darnieder:
rer zu nehmen, nicht darum, als ob mir seine Lehrsätze misfielen: sondern weil man sich zu sehr an eine gehäufte Terminologie gewöhnt, dabey man andern unverständlich wird, und dabey mancher Gefahr laufen möchte, das Brauchbare der Wahrheiten zu verlieren.« 41 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 60. 42 Samuel Christian Hollmann (1696–1787), von Wolff weitgehend unabhängig und eher an die Scholastik anknüpfend, kam 1734 als erster Philosoph an die neugegründete Göttinger Universität. In seinem philosophischen Hauptwerk, den Institutiones philosophicae (3 Tle., 1727–1734. In der 2. Auflage u. d. T. Paullo uberioris in universam philosophiam introductionis. 1746/47) behandelt er die Logik, Metaphysik, Physik, Pneumatologie und natürliche Theologie. 43 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 60. 44 Iacobi Bruckeri Academiae Scientiarum Berolinens. Et Bonon. Membri Institutiones Historiae Philosophicae usui Academicae Iuventutis Adornatae. Lipsiae 1747 [21756, 31790]. 45 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 67. 46 »Crusius ist vortreflich, um die Sätze gewisser Philosophen beurtheilen zu lernen, die alles nach mathematischer Methode beweisen, aber deren willkührliche Definitionen schon die Embryons von den nachfolgenden Sätzen enthalten. Er führet bis auf den Ursprung der menschlichen Erkenntniß zurück, und er hat auf diese Art meist sichere Wege gewählt, um auf die wichtigen Lehrsätze der Weltweisheit zu kommen. Aber er scheint mir doch noch manchmal einen gewählt zu haben, der es nicht ist; vielleicht weil kein anderer zu finden war, das zu beweisen, was man bewiesen haben will; vielleicht auch, weil ich die Stärke seiner Gründe noch nicht einsehe« (Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften [s. Anm. 40], S. 44). 47 Vgl. [Bekanntmachung] »Göttingen. Der Herr Prof. Joh. Georg Heinrich Feder, der bisher am Gymnasio zu Koburg gestanden hat, und deßen Schriften zum Theil in unsern Anzeigen erwähnt sind, wird auf Ostern als Professor Philosophiä Ordinarius hieherkommen, und zwar zunächst in der Absicht, die eigentlich sogenannte Philosophie zu dociren.« In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 147. Stück. Den 7. December 1767, S. 1169.
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Ein neuer Lehrer der Philosophie war zu der Zeit nichts Überflüßiges in Göttingen. Weber, ein Wolfianer, […] war in der öffentlichen Meinung sehr gesunken. Becmann, ein eifriger Crusianer,48 hatte keinen Vortrag. Hollmann war vielleicht zu gelehrt für die jungen Leute, vielleicht zu alt, und, nach dem damals herrschend gewordenen ästhetischen Tone, zu trocken […]. Auf Ersuchen las Kästner Metaphysik.49
Die Göttinger Hollmann, von Feder als »Muster eines vernünftigen Zweiflers«50 hochgeschätzt, und Kästner standen Feder indes ablehnend gegenüber: »Hollmann meldete mir den Empfang meines philosophischen Tractats – so nannte er meinen Grundriß – erst als ihm mein Ruf nach Göttingen bekannt geworden war; und versicherte mir dabey, daß er dieser Nachricht von meinem Rufe nicht sofort Glauben beigemessen habe. Kästner«, schreibt Feder weiter, »den ich besonders hochschätzte, behandelte mich zwar freundlich; konnte mir aber doch nicht recht verzeihen, daß ich AntiLeibnitzianer, wie Crusius und Hollmann waren, hochschätzte, und gegen die bisherigen, mathematisch seyn sollenden, Beweise der Philosophen mich erklärte«.51 Während sich der Crusianer Becmann Feder gegenüber kollegial verhielt, versuchte der Wolffianer Weber, ihn öffentlich bloßzustellen. Zunächst, so hat es den Anschein, zeigten sich die Göttinger akademischen Kollegen Feders also wenig erbaut über den Neuankömmling, und das war wohl nicht ganz unbegründet, wie Feder später selbst einräumt: »Aber ich selbst war für Göttingen noch nicht reif. Ohne festes System, schwankte ich zwischen Wolfischem Dogmatismus und einem Scepticismus, den Naturanlagen und Lectüre erzeugt, tiefere Einsichten noch nicht geläutert und in die rechten Gränzen gebracht hatten.«52 Mit einem gedruckten Programm De sensu interno lud Feder zur Antrittsvorlesung De eo quod in philosophia concedendum sit genio seculi für den 30. April 1768 ein. Seine noch von Coburg aus nach Göttingen eingesandte Ankündigung, Logik
48 Andreas Weber (1718–1781), ein Hallescher Wolffschüler, der sich vor allem theologischen Fragestellungen widmete, 1749 Professor der Philosophie in Halle, lehrte von 1750 bis 1769 in Göttingen und ging anschließend nach Kiel. Otto David Heinrich Becmann (1722–1784), außerordentlicher Professor der Philosophie in Göttingen seit 1753, ordentlicher seit 1759. Er hatte in Halle Philosophie und Rechtswissenschaften studiert und las in Göttingen über kanonisches und Lehnrecht sowie über Logik, Metaphysik, Pneumatologie, Kosmologie und Moral. 49 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 71 50 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 44. Hollmann sei »so gelehrt als scharfsinnig. Er entdecket die Quellen der verschiedenen Meynungen und vieler Irrthümer, in der Zweydeutigkeit der unbestimmten Ausdrücke; ist bescheiden und vorsichtig, deutlich und angenehm im Vortrag. Wenn es in der Philosophie nöthig wäre, sich von jemanden zu nennen; so würde ich mich zu dem Namen dieses Philosophens bekennen. Aber ich würde mir eben dadurch das Recht behaupten in einigen Meynungen von ihm abzugehen« (ebd.). 51 Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 73. 52 Ebd., S. 71f.
Hans-Peter Nowitzki und Metaphysik nach Böhm53 und praktische Philosophie nach Darjes54 lesen zu wollen, fand wenig Gefallen. Man unterdrückte die Angabe der Lehrbücher im Lektionsverzeichnis und bedeutete Feder stattdessen, er möge nach seinem Grundriß lesen.55 Umgehend machte sich Feder, dem der Grundriß ungeeignet für die akademische Lehre schien, an die Ausarbeitung der Abhandlung Logik und Metaphysik nebst der Philosophischen Geschichte im Grundrisse, die er schon im März 1769 fertigzustellen vermochte.56 Im September des gleichen Jahres begann er, das Lehrbuch der praktischen Philosophie bogenweise folgen zu lassen.57 Interessierte Studenten liefen ihm nun in Scharen zu: Gleich im ersten Semester hatte er in Logik
53 Andreas Böhm: Logica in usum auditorii sui ordine scientifico conscripta (Francofurti ad Moenum 1749 [21762, 31769, ND 1997]) sowie ders.: Metaphysica in usum auditorii svi ordine scientifico conscripta (Giessae 1753 [21767]). 54 Joachim Georg Darjes: Introductio In Artem Inveniendi seu Logicam Theoretico-Practicam qua Analytica atque Dialectica in usum et iussu Auditorum suorum methodo iis commoda proponuntvr. Ienae 1742 [21747]. 55 »Mein Grundriß war nicht dazu geeignet, academische Vorträge darüber zu halten, daher setzte ich, in dem Verzeichnisse meiner Collegien […] Metaphysik über Böhm, Moral über Darjes an […]. Aber man ließ diese Namen bey’m Abdrucke weg; und schrieb mir, Darjes sey nicht für den Göttingischen Boden; man würde überhaupt es lieber sehen, wenn ich auch nur über meinen Grundriß Vorlesungen hielte. Ich verstand den Wink, und befolgte ihn nur all zu hitzig; fing sogleich an, ein besonderes Lehrbuch über Logik und Metaphysik auszuarbeiten, welches im Dieterichschen Verlage bogenweise ausgegeben wurde« (Feder: Leben, Natur und Grundsätze [s. Anm. 33], S. 72); zu Darjes’ ›Moral‹ vgl. Erste Gründe der philosophischen Sitten-Lehre auf Verlangen und zum Gebrauche seiner Zuhörer entworfen. Jena 1750 [21755. 31762. 41782]. 56 Logik und Metaphysik nebst der Philosophischen Geschichte im Grundrisse von Johann Georg Heinrich Feder Prof. der Philosophie auf der Georg-Augustus Universität. Göttingen, Gotha 1769 (vgl. Anm. 87). Die zweite, im Jahre 1769 veröffentlichte Auflage des Grundrisses ist bis S. 273 ein seitenidentischer, in Gänze inhaltsidentischer Neusatz, von Feder aber nicht autorisiert; vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 60f. 57 »Unmittelbar nach der Logik und Metaphysik kam im zweiten Jahre meines Göttingischen Lebens das Lehrbuch der Practischen Philosophie heraus. […] Ich getraute mich noch nicht von Wolf so weit abzuweichen, als ich nach meinem eigenen Vorstellungsarten wohl gekonnt hätte. […/…] Dieß ist besonders auch immer die Stimmung gewesen, in welcher ich den Wolfischen Grundsatz der Practischen Philosophie ›Liebe dich, Vervollkommne dich selbst‹ in Schutz genommen habe. Ich glaubte, und glaube noch, daß er sich vertheidigen läßt […]. Wenn ich aber ganz allein meinem Kopfe gefolgt wäre, so hätte ich gewiß früher den alten Grundsatz gewählt: Handle der Natur, Vernunft, Wahrheit gemäß« (ebd., S. 84f.). In der Vorrede seines Lehrbuchs der praktischen Philosophie schreibt Feder: »Es würde mir Unrecht geschehen, wenn man mich etwa bey einigen Punkten, wo die Philosophie leicht gegen die Lehren der Kirche anstösset, einer heuchlerischen Nachgiebigkeit beschuldigen sollte. Aber das ich furchtsam philosophire, und lieber nichts entscheide, wo ich Anstoß gegen öffentliche Lehren befürchte, ohne Gewißheit von der Wahrheit und Gemeinnützigkeit des Entgegengesetzten zu haben, gestehe ich aufrichtig. Und sollte man je anders philosophiren, bey den bekannten unsichern Quellen, und der beständigen Ebbe und Fluth solcher Meynungen?« (Johann Georg Heinrich Feder: Lehrbuch der praktischen Philosophie. Göttingen 1770, S. *7b [21771. 3 1773 (2 Bde.). 41776].)
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und Metaphysik 80 Hörer, in der praktischen Philosophie (hier las er noch nach dem Grundriß) hingegen zunächst nur 15.58 Flankierend las er öffentlich über Platons Phaidon.59 »Von dieser Zeit an nahm ihre Menge immer zu; so daß nicht nur das Auditorium, und im Sommer bey offenen Thüren alle Plätze im Vorsaale, dicht besetzt waren, sondern oft eine beträchtliche Anzahl abgewiesen werden mußte. Ich las gewiß nicht so gut als späterhin, da mein Beifall sich verminderte. Aber ich war – in der Mode, etwas Neues, und ohne bedeutende Gegner.«60 Das erste Semester hatte Feder noch nach seinem für Hauslehrer und den gymnasialen Unterricht bestimmten Grundriß lesen müssen, im zweiten konnte er dann schon auf Grundlage des ebenfalls bogenweise herausgegebenen Lehrbuches der Logik und Metaphysik vortragen. Der »Coburg, Den 24 Februar 1767« datierte Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte zum Gebrauch seiner Zuhörer ist hervorgegangen aus Vorlesungen, die Feder dereinst als Hofmeister seinen Zöglingen gehalten hatte, und sollte ihnen einen »vorläufigen Begriff« von den philosophischen Wissenschaften in ihrem Zusammenhang geben. Als er 1765 eine Professur am Coburger Casimirianum übertragen bekommen hatte, wollte er mit den ›isagogischen‹, also einleitenden Vorlesungen fortfahren und verfasste dafür den Grundriß.
Aufbau und Inhalt des Lehrwerks Für seinen Grundriß beanspruchte er weder Vollständigkeit noch Originalität. In gebotener Kürze wollte er den Umfang und Zusammenhang der philosophischen Wissenschaften darstellen, einen kursorischen Überblick über ihre Geschichte geben und eine Auswahlbibliographie liefern. Das Buch ist demzufolge in drei Abteilungen gegliedert: (1) die Einleitung zur philosophischen Geschichte (S. 13–47), (2) die Architektonik der wichtigsten philosophischen Disziplinen (S. 47–341) und (3) ausgewählte philosophische Literatur, nach Disziplinen geordnet (S. 342–368). Die Architektonik wird in fünf Kapiteln behandelt. Das erste Kapitel ist dem Philosophiebegriff und den unter ihn fallenden Disziplinen gewidmet. Die darauffolgenden Kapitel zwei bis fünf beschäftigen sich mit der Logik (S. 52–80), der Metaphysik (S. 80–151), der Physik (S. 151–227) und der praktischen Philosophie (S. 227–341). Diese Kapitel beschließen Anhänge mit einem historischen Abriß der Disziplinen (S. 75–80, 142–151, 220–227, 334–341). 58 Im zweiten, im Wintersemester 1768/69, hatte er dann auch in der praktischen Philosophievorlesung über fünfzig Hörer. In der theoretischen Philosophie schrieb sich die gleiche Anzahl wie im vorangegangenen Semester ein (Feder: Leben, Natur und Grundsätze [s. Anm. 33], S. 77). 59 Ebd., S. 75. 60 Ebd., S. 77f.
Hans-Peter Nowitzki Die Logik zerfällt wie später in der Logik und Metaphysik in drei Abschnitte: Der erste handelt von den Seelenvermögen, der zweite von Wahrheit und Irrtum und der dritte von der regelgeleiteten Praxis des Erkennens der Wahrheit und der Vermeidung des Irrtums. Das Metaphysik-Kapitel hebt mit der Bestimmung der Metaphysik als der »Wissenschaft von den allgemeinsten philosophischen Wahrheiten« an, »welche in den andern Theilen der Weltweisheit als Grundwahrheiten gebraucht, und weiter auf das besondere bestimmt werden«.61 Es werden der Satz der Identität, der Satz vom Widerspruch und der Satz vom zureichenden Grund besprochen, Wolffs mathematische Methode abgewiesen, dafür Lockes psychologisierende Methode der Begriffsanalyse empfohlen, die Begriffe Wesen, Ding, Substanz, Akzidenz und Kraft sowie der Ordnung, Vollkommenheit und Wahrheit definitorisch eingeführt und mit der Bemerkung quittiert: »Ich habe noch nicht gesehen, daß dieses Kapitel der Metaphysik irgendwo von erheblichen Nutzen sey; aber wohl, daß die Philosophen darinnen in Erklärungen und Sätzen nicht einig werden können, und sich bisweilen gerade zuwider sind.«62 Im Anschluss daran kommt er auf das Einfache (Monade) und Zusammengesetzte zu sprechen, tendiert zu einer physischen statt metaphysischen Interpretation der Monade und mahnt zur Toleranz angesichts der Schwierigkeiten, die den Versuch begleiten, das Einfache begrifflich adäquat fassen zu wollen.63 Die Einführung des Unendlichkeitsbegriffes, angewandt auf die Substanz, leitet ex gradibus perfectionum über zum physikotheologischen Gottesbeweis. Anschließend kommt er auf die allgemeine bzw. metaphysische Körperlehre zu sprechen, bestimmt den Unterschied von Maschine und Tier als in der Ab- bzw. Anwesenheit einer willkürlichen Kraft64 beruhend und leitet über auf den Geist- und Seelenbegriff, streift das Commercium-Problem und erwägt, ob der Seele nicht zwei Grundkräfte eigneten, der Wille und die Vorstellungskraft,65 und ob sie als Subjekt der denkenden Kraft einfach oder etwas zusammengesetztes Materielles sei. Letzteres verneint er, ohne jedoch zu verhehlen, dass ihm die metaphysischen Beweisgründe zu dürftig erscheinen, als dass man darüber Gewisses sagen könne: »Also sind wir«, schreibt Feder, »wenigstens darinnen einig, daß wir nicht fortkommen können, wenn wir uns den Begrif vom Wesen einer einfachen Substanz bilden wollen; und was liegt denn nun daran, auf welche Art wir unsere Unwissenheit ausdru-
61 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 80f. 62 Ebd., S. 92. Dabei verweist er auf die Metaphysiken von Joachim Georg Darjes (Elementa Metaphysices commoda auditoribus methodo adornata. Editio Nova priori auctior et correctior. Ienae 1753, §. 192 [11743/44]), und von Andreas Böhm (Metaphysica in usum auditorii sui ordine scientifico conscripta. Giessae. 1753 [21767], §§. 181 seq.). Darjes folgte in seinen Elementa metaphysices in vielem Wolff, griff aber auch auf Bruckers Institvtiones Historiae Philosophicae (11747) zurück. 63 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 94f. 64 Ebd., S. 101f. 65 Ebd., S. 110.
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cken?«66 Das Einverständnis über die Unentscheidbarkeit der Frage begrüßt Feder ausdrücklich, ist sie doch die Anerkenntnis einer Erkenntnisgrenze, so dass »kein Theil mehr zuviel wissen will: so wird man dadurch bey den praktischen Wahrheiten nicht aufgehalten werden«.67 Die metaphysischen Betrachtungen über den Menschen, d. h. seine Doppelnatur als homo duplex, als »denkende Substanz in einem organischen Körper«, wird nur gestreift, ja vielmehr mit dem Hinweis, dass die metaphysische Perspektive hier nicht zureicht, ins Physische verwiesen: Wie Demokrit, Hippokrates, Galen und Descartes gezeigt haben, müsse der Mensch in der Geschichte studiert werden. Einiges an hierhergehörenden psychologischen Beobachtungen finde man darüber hinaus in der Logik und der praktischen Philosophie. Daran schließt die Kosmologie an, die in die natürliche Theologie, den »erhabensten Betrachtungen in der Metaphysik«,68 mündet. Der »Entwurf vernünftiger Gedanken von Gott«69 ist gleichsam der Schlussstein der federschen Metaphysik, weil von ihr »unsere Glückseligkeit ab[hängt]«.70 Denn Gott ist es, der Sünder Strafe fürchten und Tugendhafte Belohnung hoffen lässt und damit zugleich die irdische Moralität und die postmortale Glückseligkeit garantiert: Und was ist die Stütze der Tugend, der Tugend, die zu den Vollkommenheiten der Welt gehört, und also den Schöpfer angenehm ist, als die Hofnung eines andern Lebens, wo sie triumphiren soll? Wenn die Tugend hier schon glücklich ist: so ist sie es eben durch diese Hoffnung [auf Unsterblichkeit]. Nehmt die Unsterblichkeit der Seele weg: so werden viele Laster im Verborgenen Pflicht werden, und der ganze Mensch ist sich selbst ein Rätzel.71
Obgleich Feder von der Authentizität der biblischen Offenbarung überzeugt ist, beruft er sich nicht darauf. Allein Vernunftgründe will er hier geltend machen und »alle Systeme zu vergessen«72 suchen. Der Anhang zur Geschichte der Metaphysik beschließt das Metaphysikkapitel des Grundrisses. Dieser Teil des Grundrisses, angefangen von der philosophiegeschichtlichen Einleitung über die Logik und die Metaphysik bis hin zum letzten Teil der Metaphysik, der natürlichen Theologie, konturiert die etwa Mitte des Jahres 1768 begonnene und Anfang 1769 abgeschlossene Umarbeitung des Grundrisses von 1767 zur Logik und Metaphysik nebst der Philosophischen Geschichte im Grundrisse. Im Grundriß folgen auf den Abschnitt zur Metaphysik die Physik resp. Naturlehre und der Grundriß der praktischen Philosophie. Den Schluss des Grundrisses bildet der »Beytrag zur philosophischen Bücherkenntniß«. Die Naturlehre als Lehre 66 Ebd., S. 116. 67 Ebd., S. 117. 68 Ebd., S. 125. 69 Ebd., S. 141. 70 Ebd., S. 125. 71 Ebd., S. 139. 72 Ebd., S. 141.
Hans-Peter Nowitzki von den Ursachen der Veränderungen in der Körperwelt knüpft an die Darlegungen der metaphysischen Körperlehre an und verifiziert diese (»erhalten ihre Richtigkeit in der Physik [...] durch Erfahrungen«73). Damit sind die kommenden Schritte in der Naturlehre vorgezeichnet: Zunächst sollen Erfahrungen aus der klassischen Physik (Mechanik, Optik, Elektrizitätslehre, Wärmelehre) zu Rate gezogen werden, um von diesen abstrahierend zu allgemeinen Aussagen über die nächsten Wirkursachen in der Natur zu gelangen. Daran schließt sich ein Kapitel über die gängigen Hypothesen der den nächsten Wirkursachen vorausliegenden entfernteren Grundkräften der Natur an. Obgleich er derlei Erörterungen ihrer Schwere und Unnötigkeit wegen gern mit Stillschweigen quittieren würde, sieht er sich angesichts der Zielgruppe des Grundrisses gehalten, einen kurzen Abriß der ›berühmtesten Hypothesen‹ folgen zu lassen. Näherhin besehen liefert er jedoch keinen Abriß, sondern vielmehr einen ganzen Katalog parataktisch gereihter Fragen, die, wie er meint, allesamt »unbeantwortet bleiben können«, da der Mensch auch ohnedies »aus der Betrachtung der Natur, Gottes Macht, Güte und Weisheit erkennen, und Vortheile zur Bequemlichkeit seines Lebens erhalten kann«. So wenig es der Mühe wert sei, die Zeit mit ihrer Beantwortung hinzubringen, so wenig Ursache habe man, so das federsche Fazit, sich über die menschlichen Erkenntnisgrenzen zu bekümmern.74 Wie bei den vorangegangenen Kapiteln schließt auch hier ein historischer Abriß das Kapitel der Naturlehre. Das der praktischen Philosophie als der »Anweisung vernünftig zu leben« gewidmete Kapitel ist viergeteilt: Auf die Ursprung, Grundbegriffe und Grundsätze sowie Untergliederung der Disziplin benennende Einleitung, die so genannte allgemeine praktische Philosophie resp. Telematologie,75 folgen das Naturrecht, die Tugendlehre und die Politik resp. Klugheitslehre. Auch hier rundet ein historischer Abriß das Kapitel der praktischen Philosophie ab. Im Naturrecht (im weiteren Sinne) geht es um die Bestimmung der moralischen Güte bzw. die Rechtmäßigkeit der Handlungen aus Vernunftgründen, in der Tugendlehre, d. i. der Ethik resp. Moral, ist zu zeigen, wie der Mensch seinen Willen entsprechend der erkannten moralischen Grundsätze zur »thätigen Neigung« administrieren kann. Die Politik resp. Klugheitslehre gilt der praktischen Anleitung, durch Kenntnis und Nutzung besonderer Umstände als tugendhafter Mensch irdischer Glückseligkeit in möglichst hohem Maße teilhaftig werden zu können. Von den soeben skizzierten Kapiteln über die Naturlehre und über die praktische Philosophie sowie von der im Anhang nach Disziplinen aufgefächerten Bibliographie hat Feder nur das »Grundriß der praktischen Philosophie« überschriebene Kapitel zur Grundlage seines im September 1769 bevorworteten, wohl aber erst im März 1770 bei Dieterich in Göttingen und Gotha erschienenen Lehrbuchs der Prakti-
73 Ebd., S. 152. 74 Ebd., S. 220. 75 Ebd., S. 229. Auch hier ist Feders Anschluss an Crusius unverkennbar.
Die Akademisierung der Popularphilosophie
schen Philosophie gemacht. Das Übrige mag wohl kommende Publikationen begleitet haben, zu eigenständigen Arbeiten indes sind sie nicht geronnen.
Feder und Wolff Vergleicht man Feders Architektonik der philosophischen Wissenschaften mit der wolffschen Metaphysikkonzeption, so ergibt sich folgendes Bild: Wie dieser unterscheidet Feder eine Metaphysica generalis und eine Metaphysica specialis: Die Metaphysica generalis umfasst die Ontologie. Inhaltlich folgt er hier Darjes.76 Wolffs Metaphysica specialis besteht entsprechend der drei cartesischen Entia ›Körper‹, ›Seele‹, ›Gott‹ aus der Cosmologia, Psychologia und Theologia rationalis sive naturalis. Feder lehnt sich daran an, stellt aber, hierin wiederum Darjes folgend, der metaphysischen Körperlehre als der Lehre von den zusammengesetzten Dingen (allgemeine Kosmologie) die Monadologie als allgemeine Körperlehre (§§ 17–28) voran. Die allgemeine Kosmologie beschäftigt sich danach mit den res compositae, d. h. mit dem Bereich des Seienden im Ganzen (Universum). Die in der wolffschen Gliederung nun folgende Psychologie, die er in seiner Logik und Metaphysik als Pneumatologie bzw. Geisterlehre, Wolff analog, in die Metaphysica specialis wieder einbindet, fehlt im Grundriß als eigenständiger Teil. Die psychologischen Betrachtungen sind hier vielmehr in die Logik- und Monadologiekapitel integriert worden. So schließt sich an die beiden Kosmologiekapitel (allgemeine Körperlehre, allgemeine Kosmologie) unmittelbar die Theologia rationalis sive naturalis an. Die auf die Metaphysik folgende Physik resp. Naturlehre – bereits von Aristoteles nicht der Metaphysik als Erster Philosophie zugeschlagen, sondern als Zweite Philosophie von dieser wohlgeschieden77 – gehört für Wolff wie für Feder nur partiell zur Metaphysik. Beide unterscheiden die Physica generalis (allgemeine Naturlehre) von der Physica specialis (besondere Naturlehre) dadurch, dass letztere Teil der Physik, erstere als Kosmologie Teil der Metaphysik ist.78 Damit ist die Struktur des Grundrisses offengelegt. Nachzutragen sind nun noch diejenigen Aspekte, die ihn darüber hinaus zu einem popularphilosophischen Lehrwerk par excellence machten.
76 Max Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung. Tübingen 1945 [ND 1992], S. 304–307. 77 Aristoteles: Metaphysik, 1037a15. 78 Vgl. Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 151f.
Hans-Peter Nowitzki
Der Grundriß und seine Bedeutung für die Popularphilosophie Die Zeitgenossen rühmten an Feders Kompendien ihren Materialreichtum, ihre gute Lesbarkeit und ihren undogmatischen Ton. »Hr. F.«, heißt es in einer Besprechung des Grundrisses, »verbindet mit gründlichen und tiefen Einsichten einen lebhaften Witz, wodurch sein Werk, so wie es viel lehrreicher und reicher an Materien ist, als viel andere seines gleichen, auch angenehmer zu lesen wird, und ohne Zweifel viel dazu beytragen kan, einen Geschmack von einer wahren, nützlichen, und nicht pedantischen Philosophie auszubreiten.«79 Die von Sophistereien und kleinlicher Wortklauberei freie, ausnehmend tolerante Haltung gibt sich vor allem auch in Feders Zurückhaltung im Urteil zu erkennen. Es ist das aus der antiken Skepsis bekannte Ideal der Epoché (griech. ἐποχή), d. h. der Urteilsenthaltung, die sich aus der Einsicht in die prinzipielle Unsicherheit allen Wissens herleitet. Mit Feders Lehrwerken verband man gleicher- und ausgezeichneter Weise die Verknüpfung der Philosophie mit den schönen Wissenschaften, auf die er nicht müde wurde hinzuweisen, prominent in seiner Göttinger Antrittsvorlesung. Er unterschied drei philosophiehistorische Perioden, das Altertum bis zu Christi Geburt, das Mittelalter bis 1400 und die danach einsetzende Zeit der »Verbesserung«.80 Von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zum 16. habe die Scholastik geherrscht, »ein Mischmasch von barbarischen Kunstwörtern, von theologischen und philosophischen subtilen meistens unnützen Streitigkeiten«.81 Zwei Bedingungen seien für den Ausgang aus der Scholastik nötig gewesen: »Die schönen Wissenschaften mussten erst wieder empor kommen, man musste erst mit der griechischen und lateinischen Gelehrsamkeit wieder bekannt werden, um eine bessere Weltweisheit einführen zu können«, heißt es.82 Feder ist überzeugt, dass der Philosoph die schönen Wissenschaften nicht entbehren könne. Sie müßten vielmehr »seinem Geschmack eine tägliche Arzeney seyn; sie müssen ihn bewahren, daß er, indem er metaphysisch Welten schafft, nicht diejenige darüber vergißt, in welcher er lebt«.83 Kästner etwa habe es trefflich
79 Anonymus: Rezension zum Grundriß der philosophischen Wissenschaften, nebst der nöthigen Geschichte, zum Gebrauche seiner Zuhörer, herausgegeben von Joh. Ge. Heinrich Feder, Prof. am Gymnasio zu Coburg. In: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 76. Stück. Den 25. Junii 1767, S. 604. 80 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 14. 81 Ebd., S. 32. 82 Ebd., S. 34. 83 Ebd., S. 51. Im Urteil der Zeitgenossen wird ihm dies zugestanden. In der Besprechung der Logik und Metaphysik von 1769 in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen vom 18. Dezember 1769, S. 805–807, heißt es u. a.: »Man kennet ihn schon aus seinem ersten Lehrbuche von eben diesen Wissenschaften [...] und aus dem neuen Emil, als einen Mann, der eben so gründlich denkt, als edel
Die Akademisierung der Popularphilosophie
verstanden, mit seinen mathematischen Anfangsgründen84 »die Grazien und die lachenden Musen in das innerste Gebiet der Meßkünstler zu locken«.85 Es ist eben jene ›Grazienphilosophie‹ eines Mendelssohn,86 Riedel, Schütz, Götz, Gleim, Wieland u. a., die Feder hier vorschwebte. Feders Lehrwerke empfahlen sich vor allem auch ihrer Unanstößigkeit,87 d. h. ihres orthodoxen Charakters, wegen.88 Charakteristisch ist Feders Einschätzung der unterschiedlichen Systemansätze, denen er allesamt einen nur geschichtlichen Status zuerkennt. Vor dem Hintergrund der moraltheologischen, d. h. weltanschaulich grundierten Einschätzung der Philosophiegeschichte, bewähren sie die Über-
und schön schreibt, und der die schönen Wißenschaften mit der Philosophie vollkommen zu vereinigen weiß. [...] [D]urch die gegenwärtige Schrift [...] hat er von neuen bewiesen, wie gut sich die speculativische Wahrheit in einer leichten, natürlichen, deutlichen, und anständigen Schreibart vortragen laße, und daß man eben nicht nöthig habe ein Barbar zu werden, um ein guter Philosoph zu seyn. Ordnung im Vortrage, Richtigkeit im Erklären und Beweisen, Wahl der Sachen und des Ausdruks, sind die Eigenschaften die dieses Buch für anderen vorzüglich auszeichnen« (ebd., S. 806). 84 Anfangsgründe der Arithmetik Geometrie ebenen und sphärischen Trigonometrie und Perspectiv. Abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. Göttingen 1758 [21764]. Anfangsgründe der angewandten Mathematik abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. Der mathematischen Anfangsgründe zweyter Theil. Göttingen 1759 [21765]. Anfangsgründe der Analysis endlicher Größen. Abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. der mathematischen Anfangsgründe dritter Theil. Erste Abtheilung. Göttingen 1760 [21767]. Anfangsgründe der Analysis des Unendlichen. Abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. der mathematischen Anfangsgründe dritter Theil. Zweyte Abtheilung. Göttingen 1761 [21770]. Anfangsgründe der höhern Mechanik welche von der Bewegung fester Körper besonders die praktischen Lehren enthalten. Abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. Der mathematischen Anfangsgründe vierter Theil; erste Abtheilung. Göttingen 1766. Anfangsgründe der Hydrodynamik welche von der Bewegung des Wassers besonders die praktischen Lehren enthalten. Abgefaßt von Abraham Gotthelf Kästner [...]. Der mathematischen Anfangsgründe vierter Theil; zweyte Abtheilung. Göttingen 1769. 85 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 357. 86 An Mendelssohn preist er, daß er »die tiefsinnigste Speculation in den Reiz der schönsten Grazie eingekleidet hat« (Johann Georg Heinrich Feder an Moses Mendelssohn [Göttingen, 30. März 1769]. In: Moses Mendelssohn Briefwechsel. Band II,1. Hg. von Alexander Altmann. Stuttgart-BadCannstatt 1976, S. 169f., hier S. 169. 87 Logik und Metaphysik nebst der Philosophischen Geschichte im Grundrisse von Johann Georg Heinrich Feder Prof. der Philosophie auf der Georg-Augustus Universität. Zweyte vermehrte Auflage. Göttingen und Gotha verlegts Johann Christian Dieterich 1770, S. 483f. Die Welt, so Feder gegen Wolff, ist keine Maschine, sondern ein Reich Gottes. Diesen, Teleologie und Theologie verschmelzenden Gedanken übernimmt Feder von Crusius (Entwurf der notwendigen Vernunftwahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegengesetzt werden. 1745. [Metaphysik], § 382). Dabei leiteten ihn religiöse Vorbehalte: »Zwar was die gegenwärtigen Sätze anbetrift: so gestehe ich aufrichtig, daß, so wie die gewöhnlichen Beweise mich nicht überzeugen, auch die Sätze an sich mir nicht gefallen. Es sey, daß sie sich orthodox erklären lassen. Anstößig werden sie doch immer seyn« (Feder: Logik und Metaphysik [1770], S. 484). 88 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 46f.
Hans-Peter Nowitzki zeugung von der Vergänglichkeit alles Irdischen. Auch die zahlreichen Anmerkungen, die unterschiedliche Funktionen haben, waren dem Leser auffällig und fanden lobende Erwähnung: So gibt es ironische Fragen (S. 37f.) und Aufforderungen (S. 107), Literaturhinweise (ebd., S. 92, 152f., 165), Aufforderungen (S. 42, 99) und Vorschläge zur Ergänzung (S. 62, 65), Diskussionen (S. 46f., 63f., 114f.), Kommentare (S. 88, 110, 234), Anweisungen für den Dozenten, was vorm Auditorium mündlich zu ergänzen und zu untersuchen ist (S. 48, 49, 55, 75, 95), Eingeständnisse von Schwierigkeiten (S. 48, 116f.), Ausdruck von Hoffnung (S. 55), rhetorische Fragen (S. 56, 59), didaktische Vorschläge (S. 57), ergänzende Erklärungen (S. 58, 66, 69, 118, 134f., 139) und Definitionen (S. 84). Man fühlt sich hier an Wielands Fußnotenpraktiken erinnert, die seinerzeit ebenfalls ein Novum darstellten. Zur Reformation der Philosophie, beteuert Feder einmal, habe er sich indes nicht aufschwingen wollen: »Man erlaube mir also, daß ich mich im Text an die Observanz halte; und manchmal einen besondern Gedanken in der Note wage, der aber nicht immer der meinige seyn wird« (S. 82). Den augenfälligen fragmentarischen Aufbau rechtfertigt Feder mit dem Hinweis, dass das Buch zu öffentlichen Vorlesungen bestimmt ist, »und also hier und da die Ergänzung, die Zergliederung und genaue Ordnung der Sätze, dem mündlichen Unterrichte wohl überlassen werden konnte«.89 Dass der Lehrvortrag faßlich, klar und deutlich, systematisch und gründlich sein muss, daran lässt Feder indes keinen Zweifel aufkeimen. Allerdings unterscheidet er die didaktische als Ordnung der Schule von der Ordnung der Natur. Letztere müsse man zuweilen verlassen, wollte man manches Mal die Materien nicht zu sehr zerreißen.90 Man werde sich also von Fall zu Fall unterschiedlicher Methoden befleißigen müssen, mal der analytischen, mal der synthetischen, dann wieder der mathematischen, dann wieder der aphoristischen, manchmal der dialogischen,91 ein anderes Mal wieder der erotematischen (fragenden).92 Feders Lehrbücher sind das Ergebnis epitomierender Sichtung so genannter philosophischer Originalwerke. Er verkürzte, straffte, kontrahierte, bis er schließlich so etwas wie einen Inbegriff liefern konnte. Das isolierte Angaben, verdunkelte Darstellungen der Beweisgänge, schattete Kohärenzen und damit Konsistenzen ab. Es war Aufgabe des Lehrenden, der sich aus der epitomierenden Narrativik ergebenden Opazität entgegenzuarbeiten. Ordnung stifteten paratextuelle Elemente wie Marginalien, Vorreden, Einleitungen, Rubrizierungen mithilfe von Haupt- und Unterüberschriften, Paragraphierungen93 und Numerierungen, 89 Feder: Logik und Metaphysik 21770 (s. Anm. 87), S. *2a. 90 Ebd., S. 312f. 91 Vgl. ebd., S. 474–476. 92 Ebd., S. 313. Hier verweist Feder auf Christian August Crusii, Phil. P. P. zu Leipzig, Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntniß. Leipzig 1747 [21762, 31763], S. 992–995 §§ 568f. 93 »Aber man war der schwerfälligen, weitschweifigen, und doch am Ende die verheißene Einsicht und Gewißheit nicht bewirkenden, Demonstrir-Methode müde. […] Auch ich schrieb zwar in §§; galt
Die Akademisierung der Popularphilosophie
denen aber keine Hierarchisierungsfunktion zugewiesen ist. Damit sieht er sich am Ende einer Entwicklung, die an Lamberts Neues Organon94 anknüpft, und die er wie folgt skizziert: Streit der strengen und gefälligen Methodisten; allmälige Abnahme der strengen Lehrart; Grosser Abfall; Einführung der mathematischen Kunstsprache und der Spiesse – in die Philosophie; Calculus in Logicis; Neue Theile mit griechischen Namen; Rascher Übergang von der wässerichten Deutlichkeit und dem langweiligen Geschleppe, zum ästhetischen Schwulst und den poetischen Sprüngen; Anschlag von gänzlicher Abschaffung der Paragraphen, Zahlen und Citationen.95
Feders eigener Standpunkt dazu wird in dem daran anschließenden Hinweis an den Lesenden deutlich, mit der dieser die Entwicklungen kommentieren sollte: »Praktische Schlussanmerkung über die Modesucht, und über das Horazische stulti dum vitant &c.«96
Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Feders Grundriß von 1767 die Vorlage für die beiden Lehrwerke der Jahre 1769 und 1770 gewesen ist, jenen Kompendien, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine ungeheure Wirksamkeit entfalteten und, vielfach auch subkutan und vermittelt, bis ins 19. Jahrhundert hinein Gymnasiasten und Studenten in die philosophischen Wissenschaften einführten.97 Mit der Überführung der entsprechenden Partien des Grundrisses in die Logik und Metaphysik einerseits und in das Lehrbuch der praktischen Philosophie andererseits wurde das ursprünglich gymnasiale Lehrbuch zum akademischen Referenzwerk der Popularphilosophie schlechthin. Denn formaler und inhaltlicher Zuschnitt und Betitelung der Lehrwerke entsprachen nun genau den in den Universitätsstatuten festgeschriebenen Denominationen der Professuren. Das neue Denken der Popular-
aber doch in dieser neuen Periode für einen besseren Philosophen, als der Haufe meiner Vorgänger aus den Wolfischen und AntiWolfischen Schulen; bis – auch dieser Periode Ende da war, und schwere Rüstung wieder Mode ward« (Feder: Leben, Natur und Grundsätze [s. Anm. 33], S. 87). 94 Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. durch J. H. Lambert. Erster Band. / Zweyter Band. Leipzig 1764. 95 Feder: Grundriß der Philosophischen Wissenschaften (s. Anm. 40), S. 79f. 96 Ebd., S. 80. In Horazʾ Satiren 1, 2, 24 heißt es: »[D]um vitant stulti vitia, in contraria currunt.« (›Meidet die Fehler ein Tor, hinein läuft er stracks in den andern‹). 97 Vgl. Feder: Leben, Natur und Grundsätze (s. Anm. 33), S. 88: »[D]aß meine philosophischen Lehrbücher fast auf allen Universitäten und vielen Gymnasien gebraucht, daher auch so vielfältig nachgedruckt […] worden sind.«
Hans-Peter Nowitzki philosophen konnte sich somit in der universitären Lehre für etwa eine Generation etablieren. Feder hat mit seinem Grundriß, so scheint es, innerhalb der Gattung der philosophischen Lehrwerke den Prototyp der popularphilosophischen Kompendien allererst geschaffen. Er unterscheidet sich grundlegend von den herkömmlichen: Offenheit, Unentschiedenheit, eklektische Zugriffsfreudigkeit und Unbeschwertheit sind einige Kennzeichen der Gattung. Das Lateinische ist suspendiert, das Deutsch flüssig zu lesen. Pedanterie ist perhorresziert und peinlich gemieden, Interessierten wird der Stoff unaufdringlich und unterhaltsam dargeboten. Heranwachsende, Gymnasiasten und Studienanfänger fanden hier gleichermaßen den ersten Zugang zu den philosophischen Wissenschaften. Das hatte Feder intendiert, das hatte er schließlich auch vermocht. Der Grundriß wurde so ein Standardwerk für die philosophische Enzyklopädie.98 Die aus ihm hervorgegangenen Lehrwerke, die Logik und Metaphysik sowie das Lehrbuch zur Praktischen Philosophie, waren Konzessionen an die Universitätsgepflogenheiten und Voraussetzung für die institutionelle Etablierung der Popularphilosophie an den Universitäten. Platner konnte mit seinen Philosophischen Aphorismen erfolgreich an Feders Lehrwerke anschließen. Gründlichkeit, Genauigkeit und Tiefe sind Aspekte, auf die Feder bewusst Verzicht leistete. Die Kompendien sollten, das gilt es im Blick zu behalten, Studienanfängern ein populäres philosophisches Propädeutikum geben, einen Einblick in die philosophischen Grundlagen gewähren, bevor sie sich den berufsbildenden Fakultätswissenschaften widmeten. Solcherart popularphilosophisches Lehren steht in der Tradition der Florentiner Akademie, die die dogmatisierende Scholastik hinter sich lassend freies, ungezwungenes und elegantes Philosophieren propagierte. Wenn hier von der Akademisierung der Popularphilosophie gesprochen wird, so bedeutet das nicht, dass die Popularphilosophie etwas außerhalb der Hochschulen Entstandenes ist, dem jetzt Eingang in die Institution ›Hochschule‹ verschafft worden wäre. Vielmehr ist Popularphilosophie eine Art und Weise zu philosophieren, die sich deutlich absetzt von der überkommenen, sich eher esoterisch gebenden Schulphilosophie. Es ist gleich-
98 Ihr vorausgegangen waren in der Philosophie Johann August Ernestis Initia doctrinae solidioris (Leipzig 1734/35 ... 61769 ... 91796), Sulzers Kurzer Begriff aller Wissenschafften (1745, 21759, 31772, 4 1774, ... 71799) und Riedels Theorie der schönen Künste und Wissenschaften (Jena 1767). Auch in den anderen Fakultäten waren enzyklopädische Lehrwerke gebräuchlich, so in der Theologie etwa Karl Wilhelm Roberts Encyclopaediae et methodi theologicae brevis delineatio (Marburg 1769), in der Rechtswissenschaft Daniel Nettelbladts Systema Elementare Vniversae Ivrisprvdentiae Naturalis Vsvi Systematis Ivrisprvdentiae Positivae Accommodatvm (Halle im Magdeburgischen 11749, 51785) und in der Medizin z. B. die Institutiones medicas Boerhaavii. Der Terminus ›Institutiones‹ geht zurück auf ein Kapitel des von Medizinprofessoren einst zu lehrenden Kanon des Avicenna, und zwar auf das erste Buch mit den Abschnitten zur Definition der Medizin, ihren Aufgaben und ihrem Verhältnis zur Philosophie.
Die Akademisierung der Popularphilosophie
sam ein Modus des Denkens, Schreibens und Lehrens, ja des Lebens, der aus einem neuartigen Weltverhältnis erwuchs und nach anderen, breiteren gesellschaftlichen Verankerungen, nach weitgefächerter Publizität strebte. Damit wurden die Entgrenzung der Lehre über die traditionellen akademischen Institutionen hinaus sowie die Überwindung des lateinsprachlichen Elitarismus durch volkssprachliche Kommunikation unabweisbare Forderungen. Es galt, das soziale Spektrum der philosophieinteressierten Hörer- und Leserschaft auszuweiten. Philosophie als Lebensphilosophie war nun nicht mehr nur das Geschäft einiger weniger, sondern Angelegenheit aller. Der Mensch und sein Dasein war nicht mehr nur ein Gegenstand der Philosophie, sondern auch Adressat. Es gab nun Philosophien für bestimmte Berufsgruppen und auch für das ›andere Geschlecht‹.99 Diesen Weg beschritt in Deutschland als erster Christian Thomasius.100 Sechzig Jahre später erlebte das popularphilosophische Denken eine neuerliche Konjunktur, hervorgerufen vom Überdruss an der dogmatisierenden wolffschen Philosophie. Johann Georg Heinrich Feders popularphilosophische Entwürfe ordnen sich hier ein. Wie viele andere nimmt er an der dogmatischen Art und Weise der Schulphilosophie Anstoß. Während seiner Tätigkeit am Coburger Gymnasium, das zu Sachsen-Coburg, einem der vier Erhalterstaaten der ernestinischen Landesuniversität Jena, gehörte, beschäftigte ihn zunächst die Reformierung der gymnasialen Schulausbildung und die Verbesserung der Hauslehrertätigkeit. Mit seiner Logik und Metaphysik von 1769, der wie auch der Neue Emil Feders Erfahrungen als Haus- und Gymnasiallehrer spiegelt, ging er daran, den popular-philosophischen Modus in der Hochschullehre zu verankern.
99 Vgl. u. a. Clisander: Einleitung zu der Welt-Weißheit oder Philosophie eines galanten Frauenzimmers (Leipzig 1720), M. F. C. B.: Erste und vornehmste Gründe der Welt-Weißheit, oder deutliche Anleitung wie so wohl die studirende Jugend vor denen academischen Jahren, als auch ein denen Studien ergebenes Frauenzimmer, gedachte Gründe Auf eine leichte Arth fassen und erlernen kan (s.l. 1724), Johanna Charlotte Unzer: Grundriß einer Weltweisheit für das Frauenzimmer (Halle 1751, 2. erw. Aufl. 1767), Michael Hißmann: Briefe über Gegenstände der Philosophie, an Leserinnen und Leser (Gotha 1778). Allgemein dazu Werner Schneiders: Zwischen Welt und Weisheit. Zur Verweltlichung der Philosophie in der frühen Moderne. In: Studia Leibnitiana 15.1 (1983), S. 2–18, sowie Werner Schneiders: Das philosophische Frauenzimmer. Ein Essay. In: Tradition & émancipation. Catalogue de l’exposition. Hg. von Claude Weber u. Frank Grunert. Luxembourg 1991, S. 50–94, und Sabine Koloch (Hg.): Frauen, Philosophie und Bildung im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2010. 100 Christian Thomasens Jcti und Chur-Brandenburgischen Raths Einleitung zu der VernunfftLehre / Worinnen durch eine leichte / und allen vernünfftigen Menschen / waserley Standes oder Geschlechts sie seyn / verständliche Manier der Weg gezeiget wird / ohne die Syllogisticâ das wahre / wahrscheinliche und falsche von einander zu entscheiden / und neue Warheiten zu erfinden. Nebst einer Vorrede In welcher der Autor sein Vorhaben deutlicher erkläret / und die Ursachen anzeiget / warum er dem Autori Speciminis Logicæ Claubergianæ nicht antworten werde. Halle / Gedruckt bey Christoph Salfelden / Churfürstl. Brandenb. Hoff- und Regierungs Buchdr. 1691.
5 Anhang
Zeittafel 15. Mai 1740
Johann Georg Heinrich Feder wird als Sohn des Pfarrers Martin Heinrich Feder (1693‒1749) und seiner Frau Eleonore Amöna Eva, geb. Leutwein (1704‒1760) in Schornweisach (bei Bayreuth) geboren
1749
nach dem Tod des Vaters gerät die Familie in finanzielle Schwierigkeiten
1751
Schulbesuch in Neustadt an der Aisch unter Rektor Georg Christoph Oertel (1715‒1790), der ihn in besonderer Weise fördert; Feder zeigt außerordentliche Sprachbegabung; 9. April 1757: Abschiedsrede in griechischen Versen
ab April 1757
Studium der Theologie, Philosophie und Pädagogik in Erlangen, u. a. bei dem Wolffianer Simon Gabriel Suckow (1721–1786) und dem lutherischen Theologen Joachim Ehrenfried Pfeiffer (1709–1787); Freundschaft mit dem Dichter, Musiker und Libertin Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791), den Feder auch während dessen Karzer-Haft besucht
ab Herbst 1760
auf Vermittlung von Oertel tritt Feder eine Hauslehrerstelle bei der schwäbischen Adelsfamilie von Wöllwarth an; Feder übersiedelt mit seinen beiden jugendlichen Schülern (Karl Christian Friedrich und Franz Bernhard Wilhelm) im Oktober nach Neustadt an der Aisch, um deren dortigen Schulbesuch zu begleiten, und lebt in den Schulferien mit ihnen im Hause Friedrich Heinrich von Seckendorffs (1673–1763)
Ende 1762
Übersiedelung nach Ansbach; Bekanntschaft mit Johann Peter Uz
Mai 1764
Umzug mit Franz Bernhard Wilhelm und dessen Cousin, Ludwig von Wöllwarth, nach Erlangen, um das Studium seiner Zöglinge zu begleiten; freundschaftlicher Verkehr mit dem Philosophen und Philologen Gottlieb Christoph Harleß (1738‒1815) und dem Theologen Johann Georg Kraft (1740‒1772), die ihn zu publizistischen Arbeiten anregen; erste Publikationen in der Erlanger gelehrten Zeitung und der Nürnberger Ober-Postamts-Zeitung
https://doi.org/10.1515/9783110489439-020
Zeittafel 1. August 1765
Erwerb des Magistertitels; zur Erlangung der venia docendi reicht Feder eine Inauguraldissertation mit dem Titel Homo natura non ferus nach
1. November 1765
Antritt einer kurz zuvor durch Ruf erhaltenen Professur für Metaphysik und orientalische Sprachen (später für Metaphysik und praktische Philosophie) am Gymnasium Casimirianum in Coburg; Beginn systematischer Produktion von philosophischen Lehrbüchern; Freundschaft zu Laurenz Adam Bartenstein (1711‒1796), einem erfolgreichen Schulbuchautor
1767
erscheint der Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte bei Johann Karl Findeisen in Coburg (21770, zahlreiche Raubdrucke)¸ aufgrund dieser Schrift empfiehlt Johann August Ernesti (1707‒1781) Feder der Leitung der Universität Göttingen
15. Mai 1767
Hochzeit mit Sophie Häublein († 1772)
1768
Ruf auf eine Professur für Philosophie an die GeorgAugust-Universität Göttingen, Übersiedlung nach Göttingen am 17. März 1768, Antrittsrede De sensu interno; Der Neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen. Theil 1 erscheint bei Wolfgang Walther in Erlangen
Juli 1768
Feder erkrankt für mehrere Wochen schwer an einem ›Nervenfieber‹, nach der Genesung beginnender Lehrerfolg, der Feder in den 1770er Jahren zu einem der begehrtesten Dozenten macht; Beginn der lebenslang anhaltenden Freundschaft mit Christoph Meiners (1747‒1810)
1769
Feders Hauptwerk Logik und Metaphysik erscheint in erster Auflage bei Johann Christian Dieterich in Göttingen und hat überwältigenden Erfolg: weitere Auflagen 21770, 3 1771, 41774, 51778, 61786, 71790; beginnende Freundschaft mit Christian Gottlob Heyne (1729‒1812), dem heimlichen Rektor der Georgia Augusta; Aufnahme intensiver Rezensionstätigkeit in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, die bis 1794 andauert
1770
erscheint Feders ebenfalls erfolgreiches Lehrbuch der Praktischen Philosophie bei Dieterich in Göttingen: weitere Auflagen 21771, 31773, 41776
Zeittafel
1772
Tod seines dritten Kindes und seiner Frau Sophie; Reise nach Hamburg mit dem befreundeten August Otto Freiherrn von Grote (1747–1830); Zusammentreffen mit Klopstock und Matthias Claudius
1773
Heirat mit Margarethe Dorothea Best (verw. Möller; 1750‒ 1805); mit einem Aufsatz zum Problem der Unsterblichkeit der Seele eröffnet Feder seine umfangreiche Tätigkeit als Popularphilosoph und Publizist u. a. im Hannoverschen Magazin, im Deutschen Museum, im Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur, im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde, in der Berlinischen Monatsschrift und im Stats-Anzeiger
1774
Zusammentreffen mit Moses Mendelssohn in Pyrmont, der sich dort zur Kur aufhält; Diskussionen über Feders geplantes Werk zum menschlichen Willen
1776
Gründung und Leitung eines philosophischen Gesprächskreises mit Meiners, Lichtenberg und Matthias Christian Sprengel (1746–1803; ao. Prof. der Philosophie in Göttingen, ab 1779 Prof. für Geschichte in Halle); Reise nach Berlin mit Meiners und August Wilhelm Rehberg (1757–1836), Zusammentreffen mit Nicolai, Spalding, Sulzer, Lambert, Teller, von Zedlitz u. v. m.; auf der Rückreise über Dessau und Leipzig Zusammentreffen mit Basedow, Weiße und Platner
1777
erscheinen die Institutiones Logicae et Metaphysicae bei Dieterich in Göttingen (21781, 31787, 41797); Feder gibt schon der ersten Auflage eine programmatische Vorrede mit
1779
erscheint der erste Teil von Feders Untersuchungen über den menschlichen Willen im Verlage der Meyerschen Buchhandlung in Göttingen und Lemgo (21785), Zweiter Teil: 1782 (21787), Dritter Teil: 1786 (21792), Vierter Teil: 1793
1780
zweite Hamburg-Reise als Begleitung von Johann Philipp Graf von Stadion (1763–1824) und seines Hofmeisters Joseph Hieronymus Karl Kolborn (1744–1816); Zusammentreffen mit Joachim Heinrich Campe und Johann Nikolaus Tetens, mit dem er einen Briefwechsel führt; auf der Rückreise Besuch bei Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem
Zeittafel (1709–1789) und Johann Arnold Ebert (1723–1794) in Braunschweig 19. Januar 1782
im dritten Stück der Zugaben zu den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1782 (S. 40–48) erscheint eine von Garve verfasste, von Michael Hißmann und Feder gekürzte Rezension der Kritik der reinen Vernunft, auf die Kant in den Prolegomena 1783 mit einer vernichtenden Stellungnahme antwortet; Feders Renommee als Hochschullehrer und Philosoph nimmt erheblichen Schaden
1782
Ernennung zum Hofrat
1783
Feder tritt in den Freimauer- und den Illuminatenorden ein
1786
Feder hält vor den englischen Prinzen Ernst August, Duke of Cumberland (1771‒1851), August Friedrich, Duke of Sussex (1773‒1843) und Adolph Friedrich, Duke of Cambridge (1774‒1850) Vorlesungen über Philosophische Sittenlehre
1787
erscheint Über Raum und Caussalität bei Dieterich in Göttingen, mit der Feder auf die kantischen Anwürfe aus den Prolegomena reagiert
1788–1791
gibt Feder mit Christoph Meiners die eigens und explizit gegen die kantische Philosophie und deren Ausbreitung gerichtete Philosophische Bibliothek heraus; die Zeitschrift muss nach dem 4. Band wegen mangelnden Absatzes eingestellt werden; Feder denkt an die Aufgabe seiner Professur
28. Sept. ‒ 3. Okt. 1791
Harzreise mit Meiners, Johann Friedrich Gmelin (1748‒ 1804) und Johann Gottlob Marezoll (1761‒1828); Meiners kann Feder zur Fortsetzung seiner Professur bewegen
1792
Über Aristokraten und Demokraten in Teutschland erscheint im Neuen Göttingischen historischen Magazin und führt wegen der revolutionsfreundlichen Haltung Feders (u. a. zur Volkssouveränität, den Menschenrechten und der Kritik der Ständegesellschaft) zu schweren Verweisen aus Hannover und Gerüchten um eine (Straf-)Versetzung
Anfang 1793
Streit und Bruch mit Heyne, der sich von Feder distanziert; im Frühjahr zeigt sich Feder ohne Perücke in der Öf-
Zeittafel
fentlichkeit und wird erneut als Sympathisant der Französischen Revolution denunziert 1794
Feder ist Prorektor, Auseinandersetzungen mit revolutionsbegeisterten Studenten
1795
Feder legt aus Angst vor Repressionen aus Hannover seine Mitgliedschaft im Illuminatenorden nieder
Februar 1796
Feder erhält das Angebot des Direktorats der neu zu gründenden Pagenschule Georgiana in Hannover und beteiligt sich seitdem an der Entwicklung einer zeitgemäßen Konzeption
1797
Feder geht als Direktor des neugegründeten Georgianums, einer Anstalt für Hochschul- und Offiziersanwärter, nach Hannover; er unterrichtet vor allem in den Fächern der Naturgeschichte (Mineralogie, Botanik, Zoologie, Naturgeschichte des Menschen), aber auch Logik, Ethik, Naturrecht und Literaturgeschichte
Juni 1803
Hannover wird von französischen Truppen besetzt, Feder kann den Unterricht im Georgianum aufrechterhalten, u. a. indem er sein Institut von Einquartierungen freikauft
1804
nähere Bekanntschaft mit dem in Hannover zeitweise arbeitenden Göttinger Honorarprofessor für Philosophie, Geologie und Naturforschung Jean-André Deluc (1727– 1817); Freundschaft mit Michel-Ange-Bernard Mangourit du Champ-Duguet (1752–1829), der als Inspektor des Französischen Staates seit 1803 in Hannover arbeitet; Mangourit berichtet in seiner Voyage en Hanovre (1805) ausführlich über das Georgianum und setzt darin dessen Leiter ein Denkmal
1805
Tod seiner zweiten Frau Margarethe
1808
Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
1811
das Georgianum wird geschlossen; Feder behält aber sein Gehalt
August 1815
Ernennung zum Ritter des Guelfenordens, einer in jenem Jahr inaugurierten Auszeichnung des Königreichs Hannover
1816
Aufnahme als Vollmitglied in die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Zeittafel Mai 1820
Ernennung zum Ehrendoktor der Rechte in Göttingen
22. Mai 1821
Feder stirbt in Hannover
Bibliographie ADB = Allgemeine deutsche Bibliothek. Hg. von Friedrich Nicolai. Berlin 1765‒1806. BKV = Beyträge zur Kenntniß und Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens in den Königlich Braunschweig-Lüneburgschen Churlanden. Gesammelt u. hg. von Johann Christoph Salfeld. 1800‒1807. GAS = Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften. Göttingen 1753‒1801. ZGAS = Zugaben zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften. Göttingen 1770‒1782. GGA = Göttingische gelehrte Anzeigen unter Aufsicht der Akademie der Wissenschaften. Göttingen 1802ff. NHM = Neues Hannoversches Magazin. Hannover 1791‒1850. PB = Philosophische Bibliothek. Hg. von Johann Georg Heinrich Feder u. Christoph Meiners. Göttingen 1788‒1791.
Monographien Sex dies, intra quos opus creationis absolutum, quales fuerint? Dissertatio philolologica mathematica ad Geneses Caput I. Erlangen 1759. (Praes.), Johann Philipp Albert Schreiber (Resp.): De morte voluntaria exercitatio philosophica prima historico-polemica. Erlangen 1764. Amor Polyphemi ex Theocrito, Ovidio et Metastasio. Commentatio Theoph. Chrph. Harlesio Coburgum abeunti. Erlangen 1765. De simplici animae natura et palmario, quo ea demonstrari solet, argumento. Coburg 1765. (Praes.), Albert Christian Heinrich Scheidemantel (Resp.): Homo Natura non ferus. Dissertatio philosophica sectionem secundam. Erlangen 1765 (erneut in: Syntagma Dissertationum ad philosophiam moralem pertinentium. Hg. von Meinard Tydeman. Padenburg 1777, S. 447–516). (Praes.), Johann Christian Hohenbaum (Resp.): De morte voluntaria exercitatio philosophica secunda dogmatico-casuistica. Coburg 1766. Leben und Charakter des Johann Gottlieb Sommerfeld Med. Doct. Hofraths und Leib-Medicus bey Franz Josias Herzogen zu Sachsen-Coburg-Salfeld wie auch Stadt-Physicus zu Coburg. Entworfen von einem seiner Verehrer. Erlangen 1766. Positiones metaphysicae publicis disputationibus dictae, quibus sub moderamim. Coburg 1766. (Praes.), Johann Tobias Sattler (Resp.): De hostibus philosophiae iniquis plerumque censoribus interdum utilibus. Coburg 1767 (angehängt S. 21‒24: Epistola de causa philosophiae ad Cicer. de nat. Deor. I, 1). (Praes.), Georg Friedemann Goebel (Resp.): De notionibus atque principiis quibusdam I. N. generalissimi. Coburg 1767. Vom Werth des systematischen Denkens. Eine Einladungsschrift zur jährlichen Stiftungs-Feyer des Casimirianischen Gymnasiums. Coburg 1767. Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte. Coburg 1767 (2. Aufl. Coburg 1769). Der neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen. 2 Bde. Erlangen 1768/71 (2. Aufl. Erlangen 1771; 3. Aufl. Erlangen 1774/75; Göttingen, Münster 1789; Frankfurt a. M., Leipzig 1790).
https://doi.org/10.1515/9783110489439-021
Bibliographie De sensu interno. Exercitatio philosophica prima ad orationem qua munus professoris philosoph. p. o. in inclita Georgia Augusta ad diem XXX Aprilis capessiturus est invitaturus. Göttingen 1768. Logik und Metaphysik, nebst der Philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen, Gotha 1769 (2. Aufl. Göttingen, Gotha 1770; 3. Aufl. Göttingen, Gotha 1771; 4. Aufl. Göttingen, Gotha 1774; 5. Aufl. Göttingen 1778; 6. Aufl. Göttingen 1786; 7. Aufl. Göttingen 1790). Denkmal der besten Gattin für diejenigen, die sie kannten, aufgesetzt von ihrem lieben F. s. l. 1772. Institutiones Logicae et Metaphysicae. Göttingen 1777 (2. Aufl. Göttingen 1781; 3. Aufl. Göttingen 1787; 4. Aufl. Göttingen 1797). Lehrbuch der Praktischen Philosophie. Göttingen 1770, Wien 1783 (2. Aufl. Göttingen, Gotha 1771; 3. Aufl. Göttingen, Gotha 1773, Hanau 1775; 4. Aufl. Göttingen 1776, Frankfurt a. M., Leipzig 1781, Wien 1785, Frankfurt a. M., Leipzig 1789). Raff, Georg Christian: Geographie für Kinder. Mit einer Vorrede des Herrn Professor Feders. Göttingen 1776 (2. Aufl. Göttingen 1776; 3. Aufl. Göttingen 1777; 4. Aufl. Göttingen 1779). Aphorismi paedagogici: in usum collegii disputatorii. Göttingen 1776. Exercitatio philosophica prima historico-polemica de morte voluntaria. In: Syntagma Dissertationum ad philosophiam moralem pertinentium. Hg. von Meinard Tydeman. Padenburg 1777, S. 517‒542. Exercitatio philosophica secunda dogmatico-casuistica de morte voluntaria. In: Syntagma Dissertationum ad philosophiam moralem pertinentium. Hg. von Meinard Tydeman. Padenburg 1777, S. 534–570. Sammlung einiger Erziehungsschriften. Hg. von Joachim Heinrich Campe. Bd. 2: Nebst Aufsätzen von Klopstock, Feder und Brückner. Leipzig 1778. Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. 4 Bde. Göttingen, Lemgo 1779–1786 (2. Aufl. Göttingen, Lemgo 1785‒1792; Wien 1792–1794; ND Ausgabe 1779‒1786 Brüssel 1969). Grundlehren zur Kenntniß des menschlichen Willens und der natürlichen Gesetze des Rechtverhaltens. Göttingen 1782 (2. Aufl. Göttingen 1785; 3. Aufl. Göttingen 1789). Über den Unterricht verschiedener Religionsgenossen in gemeinschaftlichen Schulen. Göttingen 1786 (ND hg., kommentiert u. eingel. von Dirk Fleischer. Nordhausen 2013). [Vorrede zu:] Servin, Antoine Nicolas: Über die peinliche Gesetzgebung. Aus dem Französischen übersetzt von Johann Ernst Gruner. Mit einer Vorrede von Herrn Hofrath Feder. Nürnberg 1787. Über Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie. Göttingen 1787 (ND Brüssel 1968). Academiae Georgiae Augustae Prorector Io. Ge. Henr. Feder cvm Senatv Civium suorum qui in certamine litterario in A. D. IV Iunii Regis Nostri Augustissimi sollene Natalitium constituta ex eius munificentia praemia ordinum academicorum iudicio abstulerunt nomina: Simulquae commentationum quae ad certamen in A. D. Iunii IV. Anni MDCCLXXXIX habendum admitti volent argumenta ab Academiae nostrae ordinibus proposita promlugat M. Iunio MDCCLXXXVIII. Göttingen 1788. Blicke über das Grab. Offenbach 1790. Über das moralische Gefühl. Kopenhagen, Leipzig 1792. [Anhang zu:] Wedekind, Karl Ignaz: Von dem besonderen Interesse des Natur- und allgemeinen Staats-Rechtes durch die Vorfälle der neueren Zeiten. Eine Einladungsschrift zu den Vorlesungen über diese Wissenschaften. Nebst einem Anhange über das Recht zu begnadigen von Herrn Hofrath Feder in Göttingen. Heidelberg 1793. Abhandlung über die allgemeinsten Grundsätze der praktischen Philosophie zum dritten Theil der Untersuchungen über den menschlichen Willen. Lemgo 1793.
Bibliographie
Moralisches Vade mecum für Soldaten. Göttingen 1794. Grundsätze der Logik und Metaphysik. Göttingen 1794. Academiae Georgiae Augustae Prorector Jo. Ge. Henr. Feder cum Senatu Civium suorum qui in certamine litterario in a.d. IV. Junii anni huius MDCCXCIIII. Regis nostri indulgentissimi sollenne natalitium indicto constituta ex eius munificentio praemia ordinum academicorum iudicio reportarunt nomina simulque commentationum quae ad certamen in a.d. IV. Junii anni MDCCXCV. admitti volent argumenta ab Academiae ordinibus proposita promulgat. Göttingen 1794. Camillus. Bild eines im Glück und Unglück großen Mannes. Hannover 1809. Sophie Churfürstin von Hannover im Umriß. Hannover 1810. Handbuch über das Staats- Rechnungs- und Kassen-Wesen, nebst einem Anhange über Haushaltungs- Landwirthschafts- und kaufmännische Rechnungen sammt Hülfstabellen zu Zeit- und Zins-Berechnungen. Stuttgart, Tübingen 1820. Formulare zu Haushaltungs- Landwirthschafts- und Handlungs-Rechnungen. Stuttgart, Tübingen 1820. Leben, Natur und Grundsätze. Hg. von Karl August Ludwig Feder. Leipzig, Hannover, Darmstadt 1825 (ND Brüssel 1968).
Herausgeberschaften Philosophische Bibliothek. Hg. von Johann Georg Heinrich Feder u. Christoph Meiners. 1.‒4. Bd. Göttingen 1788–1791 (ND Brüssel 1968). Lettres choisies de la correspondance de Leibnitz. Publiées pour la première fois par Johann Georg Heinrich Feder. Hannover 1805. Commercii Epistolici Leibnitiani typis nondum vulgati selecta specimina. Edidit notulisque passim illustravit Ioannes Georgius Henricus Feder. Hannover 1805. Burnet, Gilbert: A Memorial, offered to Her Royal Highness the Princess Sophia, Electoress and Duchess Dowager of Hanover. Containing a delineation of the constitution and policy of England, with Anecdotes concerning remarkable Persons of that Time. [Hg. von Johann Georg Heinrich Feder] London 1815.
Beiträge in Zeitschriften Ob zum Begriffe der Unsterblichkeit die Erinnerung an dieses Leben erforderlich; und aus was für Gründen dieselbe geschlossen werden könne? In: Hannoverisches Magazin 11 (1773), S. 641– 654. Idee eines philosophischen Wörterbuches nebst etlichen Proben. In: Encyclopädisches Journal. Hg. von Christian Konrad Wilhelm Dohm. 1. Bd. (1774), 8. St., S. 3‒12. Vom Werthe des Nachruhms. In: Hannoverisches Magazin 13 (1775), S. 81–94. Über das moralische Gefühl. In: Deutsches Museum 1776, Bd. 1, 1. St., S. 15–40, 2. St., S. 103–115, 4. St., S. 287–306, 6. St., S. 479–503. Zur Untersuchung über das moralische Gefühl. Erster Anhang. Vom Gefühl des Schönen im Verhältnisse zum moralischen Gefühl. In: Deutsches Museum 1776, Bd. 2, 8. St., S. 712–730. Über die Todesstrafen. Anmerkungen zur Erläuterung des Streites und zur nähern Bestimmung des Ziels der Untersuchungen. In: Deutsches Museum 1777, Bd. 2, 11. St., S. 465–471. Von den Mitteln, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen. In: Pädagogische Unterhandlungen. Hg. von Johann Bernhard Basedow u. Joachim Heinrich Campe. 2. St., 1777, S. 163‒184.
Bibliographie Ob es rathsam sey, die Ehrbegierde zu einer moralischen Triebfeder bey der Erziehung zu machen? In: Deutsches Museum 1778, Bd. 1, 4. St., S. 317–325. Neuer Versuch einer einleuchtenden Darstellung der Gründe für das Eigenthum des Bücherverlags, nach Grundsätzen des natürlichen Rechts und der Staatsklugheit. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1 (1780), 1. St., S. 1–37. Über das Verlagseigenthum. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1 (1780), 2. St., S. 220–242. Anhang zur Abhandlung vom Verlagseigenthum. Nachricht vom dem, was in der Sache des Büchereigenthums in England und Schottland vorgefallen ist. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur. 1. Jg. (1780), 3, S. 459–466. Über die Censur der zum Druck bestimmten Schriften, und deren gerechte Grenzen. In: StatsAnzeigen 4 (1783), S. 250–258. Beobachtungen über Herrn Ch. während einer sonderbaren Krankheit. In: Magazin zur Erfahrungsseelenkunde 2 (1784), S. 83–99. Abriß der wahrscheinlichen Geschichte des natürlichen Ursprungs der Sprachen. In: Berlinische Monatsschrift 2 (1783), S. 392–406. Vorrede. In: PB 1 (1788), S. III–VII. Über subjective und objective Wahrheit, und die Übereinstimmung aller Wahrheiten untereinander. In: PB 1 (1788), S. 1–42. Auszüge aus Thomas Reid’s Essays on the intellectual powers of man; mit Anmerkungen. In: PB 1 (1788), S. 43‒62. Zugabe. Vernunfturtheil über Wirklichkeit im Traum. Eine Erfahrung. In: PB 1 (1788), S. 232. Über den Begriff von Substanz. Descartes, Spinoza, Leibnitz. In: PB 2 (1789), S. 1– 40. Versuch einer möglichst kurzen Darstellung des Kantischen Systems. In: PB 3 (1790), S. 1–13. Über die Kantische Moraltheologie. In: PB 3 (1790), S. 13–66. Über die Bestimmung und Bestimmtheit der Begriffe. In: PB 4 (1791), S. 1–86. Über die Freuden des Entbehrens. In: NHM 2 (1792), 20. St., Sp. 305‒311. Von der Neigung zum Übertreiben. In: NHM 2 (1792), 37. Stück, Sp. 577–588. Über die Rechte der Menschen in Ansehung der unvernünftigen Thiere. In: NHM 2 (1792), 60. Stück, Sp. 945–960. Leben und leben lassen. In: NHM 3 (1793), 8. St., Sp. 113‒127. Über Aristokraten und Demokraten in Teutschland. In: Neues Göttingisches Historisches Magazin 1.2 (1793), S. 544–557. Vortheile und Nachtheile der stehenden Armeen, nebst einigen Folgerungen aus denselben. In: Philosophisches Journal für Moralität, Religion und Menschenwohl 1 (1793), H. 1, S. 79–107. Von den angemessenen Gegenständen des Unterrichts, bei der Erziehung zu den höhern Ständen; besonders bis ins vierzehnte Jahr. In: NHM 8 (1798), 72. Stück, Sp. 1161–1176. Würde und Glückseligkeit. In: NHM 9 (1799), 34. Stück, Sp. 543–556, 35. Stück, Sp. 559–564. Aphorismen über die höchsten Zwecke des Unterrichts und einige daraus entspringende Regeln. In: BKV 1 (1800), H. 3, S. 257–274. Vom praktischen Sinn des Religionslehrers. In: BKV 2 (1801), H. 3, S. 257–274. Über den Eid. In: BKV 3 (1802), H. 3, S. 347–355. Über die Einrichtung des Georgianums und dessen gegenwärtiger Zustand. In: BKV 4 (1802), H. 3, S. 257–270. Läßt sich eine bestimmte allgemeine Anweisung zur Lebensweisheit bey dem Vortrage der christlichen Religion geben? Was könnte die Stelle derselben vertreten? In: BKV 4 (1802), H. 4, S. 445–480. Religion, als Angelegenheit des Herzens näher betrachtet. In: BKV 6 (1805), H. 4, S. 545–554.
Bibliographie
[Anzeige:] Briefwechsel zwischen Leibnitz und dem Prinzen Johann Gaston von Toscana über einige Menschen von ausserordentlichem Gedächtniß-Vermögen und die Kunst, dieses zu erwerben. In: Neuer literarischer Anzeiger. Eine Zeitschrift aus dem Gebiete der Litteratur und Kunst 1 (1806), S. 145–151. Vom Einfluß der Geschichte auf die sittliche Denkart, besonders bei ganzen Völkern. In: NHM 16 (1806), 2. St., Sp. 17–28, 3. St., Sp. 33–44. Merkwürdige Überreste eines vor kurzem in der Grafschaft Hohnstein ausgegrabenen Elephanten. In: NHM 16 (1806), 14. St., Sp. 215–222. Man muß die Menschen nehmen wie sie sind. In: NHM 16 (1806), 41. St., Sp. 641–656. Excerpte aus der Leibnitz[ischen] ungedruckten Correspondenz. In: Neuer literarischer Anzeiger. Eine Zeitschrift aus dem Gebiete der Litteratur und Kunst 2 (1807), S. 810–813. Leibnitz Verfasser einer politischen Schrift für die Rechte K. Carl VI. auf die spanische Monarchie. In: Neuer literarischer Anzeiger. Eine Zeitschrift aus dem Gebiete der Litteratur und Kunst 2 (1807), S. 337–340. Der Prediger und der Priester, oder von der religiösen Wirksamkeit des Geistlichen ausser der Kirche. In: BKV 7 (1807), H. 4, S. 499–522. Consequent seyn. In: NHM 17 (1807), 23. St., Sp. 353–368, 24. St., Sp. 369–382, 25. St., Sp- 385– 394. Über die Wirkungen drückender Zeitumstände auf die Gemüther der Menschen. In: NHM 18 (1808), 20. St., Sp. 305–320. Warum versammeln sich die Hayfische einige Tage vor einer Seeschlacht in ungewöhnlicher Anzahl bei den Flotten? In: NHM 20 (1810), 8. St., Sp. 123–126. Wie mag die Vorstellung vom Einhorn entstanden seyn? In: NHM 20 (1810), 43. St., Sp. 674–680. Alphabetisch-kritisches Verzeichniß des noch im Manuscript vorhandenen Leibnitzischen Briefwechsels mit Gelehrten, Künstlern und Geschäftsmännern. In: Vaterländisches Museum 1 (1810), S. 243–252. Alphabetisch-kritisches Verzeichniß des noch im Manuscript vorhandenen Leibnitzischen Briefwechsels mit Gelehrten, Künstlern und Geschäftsmännern. In: Vaterländisches Museum 1 (1810), S. 609–631.
Rezensionen Kant, Immanuel: Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik. Königsberg 1766. In: Erlanger gelehrte Zeitung 21 (1766), 24. St., S. 308f. [ND in Immanuel Kant: Träume eines Geistersehers. Hg. von Rudolf Malter. Stuttgart 1976, S. 125–127]. Montanari, Antonio: Trattato della Estistenza di Dio. Verona 1768. In: GAS 1769, 2. St., S. 19‒23. Bilfinger, Georg Bernhard: Dilucidationes philosophicae de Deo, anima humana, mundo, et generalibus rerum affectionibus. Editio nova. Tübingen 1768. In: GAS 1769, 15. St., S. 151f. Reinhard, Adolf Friedrich von: System der Wesen, enthaltend die metaphysischen Principien der Natur. Tübingen 1768. In: GAS 1769, 57. St., S. 521‒524. Sigorgne, Pierre: Institutions Leibnitiennes, ou précis de la Monadologie. Lyon 1767. In: GAS 1769, 66. St., S. 603‒607. Balfour, James: Philosophical Essays. I. Of the academical philosophy. II. Of active power. III. Of liberty and necessity. Edinburgh 1768. In: GAS 1769, 72. St., S. 658‒661. Coing, Johann Franz: Institutiones Logicae. Marburg 1767; ders.: Institutiones philosophicae de Deo, anima humana, mundo et primis cognitionis humanae principiis. Marburg 1765. In: GAS 1769, 95. St., S. 852‒855. Changeux, Pierre-Jacques: Traité des Extremes, ou Éléments de la Science de la Réalité. 2 Bde. Amsterdam 1767. In: GAS 1769, 101. St., S. 914‒920.
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1 Im 2. Band des Jahrgangs 1794 sind keine Rezensenten zuzuordnen.
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Personenregister Abel, Jakob Friedrich 213, 215f. Achenwall, Gottfried 26, 267, 371 Adelung, Johann Christoph 39 Adickes, Erich 112 Adolph Friedrich, Prinz von Großbritannien, Irland und Hannover, 1. Duke of Cambridge 392 Albrecht, Michael 257 Amthor, Christoph Heinrich 193 Antonius (Marcus Aurelius) 197f. Aristoteles 56, 62, 294 August Friedrich, 1. Duke of Sussex 392 Aurelius Augustinus 20f. Bach, Sebastian 24 Bacon, Francis 136 Barincourt, Pierre-Paul Leroy de 216 Barruel, Augustin 211 Bascha, Zwi 213 Basedow, Johann Bernhard 33, 56, 64f., 67f., 178, 296, 312, 324, 356, 391 Baumgarten, Alexander Gottlieb 117, 173f., 183f., 246, 366f. Bayle, Pierre 26, 50, 132 Beattie, James 80f., 127ff., 134, 137, 175 Becmann, Otto David Heinrich 365f., 373 Beckmann, Johann 29 Bering, Johann 130f., 133 Berkeley, George 50, 84, 105f., 128ff., 134 Blumenbach, Johann Friedrich 341 Böhm, Andreas 28, 374 Bonnet, Charles 131, 178 Born, Friedrich Gottlob 133 Boyer, Jean-Baptiste de, Marquis d’Argens 26 Brandt, Reinhard 116 Brechter, Johann Jakob 311 Breitinger, Johann Jakob Brucker, Johann Jakob 26 Buck, Johann Friedrich 109 Bürger, Gottfried August 33 Campe, Joachim Heinrich 296, 311, 324, 356ff., 391 Carus, Friedrich August 41 Cella, Johann Jakob 290
https://doi.org/10.1515/9783110489439-022
Cellarius, Ludwig Friedrich 368 Cheselden, William 138 Chodowiecki, Daniel 296 Cicero, Marcus Tullius 143, 270 Claudius, Matthias 33, 391 Condillac, Étienne Bonnot de 110f., 131, 178 Crusius, Christian August 26f., 52, 187, 258, 366, 372f. Cudworth, Ralph 60 Darjes, Joachim Georg 26, 28, 258, 366, 371, 374 Deluc, Jean-André 393 Demokrit 377 Descartes, René 42, 56, 127, 377 Diogenes Laertius 26, 283 Eberhard, Johann August 93, 214f. Ebert, Johann Arnold 392 Ehlers, Martin 290 Epiktet 197, 202, 204f., 207f. Erdmann, Benno 13, 112 Ernst August I., König von Hannover, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, 1. Duke of Cumberland 392 Ernesti, Johann August 27, 318, 372, 384, 390 Falkenburg, Brigitte 112 Feder, Christian Friedrich 22 Feder, Eleonore Amöna Eva 22, 24, 389 Feder, Karl August Ludwig 19, 89 Feder, Margarethe Dorothea 36, 391 Feder, Martin Heinrich 21, 389 Feder, Sophie 27, 390 Ferguson, Adam 194, 197 Fénelon, François 24, 318 Fichte, Johann Gottlieb 249, 292f. Forster, Johann Georg Adam 15, 212, 215, 284, 341 Francke, August Hermann 22 Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 277 Fries, Jakob Friedrich 212 Galen 377
456 | Personenregister
Galilei, Galileo 136 Gassendi, Pierre 42 Garve, Christian 8ff., 31f., 87, 105f., 112, 123, 209f., 216, 230, 392 Gatterer, Johann Christoph 284 Gawlick, Günter 176 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 381 Genz, Friedrich 211 Georg August, Kurfürst von BraunschweigLüneburg, als Georg II. König von Großbritannien und Irland 130 Georg Wilhelm Friedrich, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg, als George III. König von Großbritannien und Irland 33f. Gmelin, Johann Friedrich 212, 392 Goethe, Johann Wolfgang 297 Gottsched, Johann Christoph 192f. Götz, Johann Nikolaus 381 Gräff, Ernst Martin 290 Grote, August Otto von 391 Grotius, Hugo 225 Guibert, Jacques-Antoine- Hippolyte de 216 Gundling, Nicolaus Hieronymus 193 Haller, Albrecht von 323, 333ff. Hamann, Johann Georg 221 Harleß, Adolf Gottlieb Christoph 24f., 371, 389 Hartknoch, Johann Friedrich 123 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 220, 258f., 359 Heimsoeth, Heinz 112 Helvétius, Claude-Adrien 91, 142, 222 Hennings, Justus Christian 368 Henrich, Dieter 187 Herder, Johann Gottfried 15, 212f., 215, 217, 221, 332 Heumann, Christoph August 194 Heyne, Christian Gottlob 3, 5, 31, 390, 392 Hinske, Norbert 112 Hippokrates 377 Hißmann, Michael 1f., 9, 13, 33, 40, 52f., 86, 363, 365, 392 Hobbes, Thomas 171, 271, 359 Hoffmann, Johann Adolph 197f. Holbach, Paul Henri Thiry de 260 Hollmann, Samuel Christian 26f., 29, 51ff., 56, 258, 333, 335ff., 372f.
Home, Henry → Kames, Henry Lord Hume, David 16, 50, 73f., 76, 85, 125ff., 135, 137, 142ff., 152ff., 157f., 164, 170f., 251, 256, 359ff. Hutcheson, Francis 56, 142f., 148, 169ff., 179f., 194, 197, 204 Huth, Caspar Jakob 23f. Irwing, Karl Franz von 7 Jacobi, Friedrich Heinrich 33, 137, 187, 221, 233 Jakob, Ludwig Heinrich 133 Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm 391f. Kästner, Abraham Gotthelf 27, 29, 372, 380f. Kames, Henry Lord 80f. Kant, Immanuel 1ff., 27, 31f., 47, 54ff., 58, 78, 83ff., 87ff., 105ff., 123ff., 159ff., 170, 187f., 191f., 209ff., 218ff., 251, 256, 258, 267, 278, 295, 351, 368, 392 Klopstock, Friedrich Gottlieb 24, 33, 278f., 292, 391 Kolborn, Joseph Hieronymus Karl 391 Kraft, Johann Georg 389 Kraus, Christian Jakob 2, 133 Krause, Christian Sigmund 290 Kreimendahl, Lothar 176 Kuehn, Manfred 49, 110, 130 Kurth, Karl O. 361 Lambert, Johann Heinrich 33, 56, 383, 391 La Mettrie, Julien Offray de 52, 222 Layritz, Paul Eugen 22f., 371 Leibniz, Gottfried Wilhelm 29, 101, 258 Lerche, Johann Christian 22 Lessing, Gotthold Ephraim 223 Lichtenberg, Georg Christoph 14f., 258, 284, 391 Locke, John 5, 17, 29ff., 41ff., 56, 81, 85, 97, 137, 142, 169, 176, 178, 182, 221, 256, 296ff. Lossius, Johann Christian 86 Maaß, Johann Gebhard Ehrenreich 215 Mandeville, Bernard 171 Mangourit du Champ-Duguet, Michel-AngeBernard 35, 393 Marezoll, Johann Gottlob 212, 392
Personenregister | 457
Maria Theresia von Österreich 277 Marino, Luigi 213 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 197 Meier, Georg Friedrich 7, 102, 185f., 366 Meiners, Christoph 1, 3, 13, 16, 33, 39f., 52f., 62, 86, 88, 130ff., 137, 210, 212, 214f., 333, 339f., 363ff., 390ff. Mendelssohn, Moses 33, 53, 61, 174, 185f., 381, 391 Miller, Johann Peter 17, 297, 306ff., 315 Moritz, Karl Philipp 18, 40, 332, 342, 343 Moser, Johann Jakob 283f. Müller, Johann Peter Andreas 366 Müller, Statius 24 Münchhausen, Gerlach Adolf von 27f., 34, 334, 365, 372 Musig, Martin 193 Nettelbladt, Daniel 384 Nicolai, Christoph Friedrich 223, 391 Nietzsche, Friedrich 359 Niggl, Günter 19 Oertel, Georg Christoph 22f., 389 Oswald, James 175 Pauw, Cornelis de 216 Pfeiffer, Joachim Ehrenfried 23, 389 Pistorius, Hermann Andreas 107 Platner, Ernst 7, 13, 33, 86, 215, 221, 332, 338, 384, 391 Platon 29, 60, 294, 375 Pohlenz, Max 197f. Pouilly, Louis-Jean Levesque de 197 Prévost d’Exiles, Antoine-François 24, 318 Priestley, Joseph 78 Pütter, Johann Stephan 280ff. Pufendorf, Samuel von 225, 258 Pyrrhon von Elis 124f., 135f. Raab, Andreas 23 Rehberg, August Wilhelm 391 Reich, Philipp Erasmus 276, 292 Reid, Thomas 30, 53, 49f., 76f., 124, 127f., 137, 175, 188 Reimarus, Johann Albert Heinrich 279f., 292 Reinhold, Karl Leonhard 30, 32, 58f., 70ff., 83 Riedel, Friedrich Justus 61f., 367, 381
Rink, Friedrich Theodor 125 Robert, Karl Wilhelm 384 Robinet, Jean-Baptiste 177 Röd, Wolfgang 14 Rousseau, Jean-Jacques 17, 21, 25, 271, 296ff., 318, 371 Rüdiger, Andreas 56 Saint Pierre, Jacques Henri Bernardin de 216 Salzmann, Christian Gotthilf 33 Sarganeck, Georg 22, 370 Schiller, Friedrich 226, 258 Schlözer, Johann August 3 Schmauß, Johann Jakob 283 Schmieder, Christian Gottlieb 277, 288 Schober, Johann Jakob 22 Schopenhauer, Arthur 359, 361 Schubart, Christian Friedrich Daniel 24, 389 Schütz, Christian Gottfried 11, 133, 381 Schultz, Johann 105 Schulze, Gottlob Ernst 215f., 361 Schummel, Johann Gottlieb 297 Seckendorff, Friedrich Heinrich von 389 Selle, Christian Gottlieb 215 Seneca 202 Sextus Empiricus 131 Shaftesbury, Anthony Ashley-Cooper, 3. Earl of 60, 142, 148, 169, 179f. Smith, Adam 142f., 169ff., 180, 360 Soemmering, Samuel Thomas von 15 Sommer, August Gottlieb 368 Spalding, Johann Joachim 33, 391 Sprengel, Matthias Christian 3, 391 Stadion, Johann Philipp von 391 Stahl, Georg Ernst 136 Stark, Werner 108f. Steinmetz, Johann Adam 22, 370 Stolp, Jan 168 Suckow, Simon Gabriel 24, 26, 42, 371, 389 Sulzer, Johann Georg 7, 33, 187, 221f., 384, 391 Teller, Wilhelm Abraham 391 Tennemann, Wilhelm Gottlieb 211 Tetens, Johann Nikolaus 7, 13, 15, 33, 85f., 102, 356, 391 Thales 136
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Thomasius, Christian 51, 169, 190f., 229f., 385 Thümming, Ludwig Philipp 23 Tiedemann, Dietrich 7, 107 Tittel, Gottlob August 82, 215f., 368 Torricelli, Evangelista 136 Träger, Ludwig Martin 366 Trapp, Ernst Christian 296 Trattner, Thomas von 277, 288 Thümmig, Ludwig Philipp 371 Ulrich, Johann August Heinrich 367 Unzer, Johann August 258 Uz, Johann Peter 389
Wezel, Johann Karl 13, 224, 297 Wiedeburg, Johann Ernst Basilius 24 Wieland, Christoph Martin 15, 215, 223f., 297, 381 Wöhe, Kurt 21 Wöllwarth, Franz Bernhard Wilhelm von 25, 27, 317f., 389 Wöllwarth, Karl Christian Friedrich von 25, 27, 317f., 389 Wöllwarth, Ludwig 27, 389 Wolff, Christian 18, 43ff., 70f., 90, 101, 142, 169, 173f., 176, 183f., 192, 198, 201, 245f., 250f., 258, 264, 337ff., 346, 354, 379 Wundt, Max 13, 39, 319
Vorländer, Karl 13 Weber, Andreas 29, 373 Weishaupt, Adam 4 Weiße, Christian Felix 33, 391
Zedlitz, Karl Abraham von 391 Zimmerli, Walther 257 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 22 Zückert, Johann Friedrich 311