Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie Jahrbuch Liturgik u. Hymnologie 57. Band 2018/eL: 2018 [1 ed.] 9783666572289


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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie Jahrbuch Liturgik u. Hymnologie 57. Band 2018/eL: 2018 [1 ed.]
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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie

2018

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 57. Band 2018

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 57. Band – 2018

Herausgegeben von Alexander Deeg Michael Meyer-Blanck Jörg Neijenhuis Irmgard Scheitler Matthias Schneider Helmut Schwier Daniela Wissemann-Garbe in Verbindung mit der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie, dem Interdisziplinären Arbeitskreis Gesangbuchforschung Mainz, dem Liturgiewissenschaftlichen Institut Leipzig, der Liturgischen Konferenz Deutschlands

Vandenhoeck & Ruprecht

Begründet 1955 von Konrad Ameln, Christhard Mahrenholz und Karl Ferdinand Müller

Schriftleiter: Prof. Dr. Jörg Neijenhuis, Mombertstr. 11, 69126 Heidelberg E-Mail: [email protected] (Liturgik) Dr. Daniela Wissemann-Garbe, Moischter Str. 52, 35043 Marburg E-Mail: [email protected] (Hymnologie) Manuskripte und Rezensionsexemplare bitte nur an die Schriftleiter schicken.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen  Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-3466 ISBN 978-3-666-57228-9

Inhalt In memoriam Alexander Völker Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Liturgik Neue Speisen am Tisch des Wortes Zehn Thesen zur evangelischen Perikopenrevision und ihren liturgischen Implikationen Alexander Deeg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Verkündigung und Liturgie – ein schwieriges Verhältnis? Einige Überlegungen zum Sinn gottesdienstlicher Feiern unter Berücksichtigung kontroverstheologischer und ökumenischer Aspekte Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Liturgische Vererbung – dominant oder rezessiv? Franz Rendtorff und der Gebrauch biologischer Metaphorik in der Liturgiewissenschaft Thomas Melzl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Noch einmal: Bortnjanskij und die Preußische Kirchenagende von 1824 Ekaterina Antonenko / Anselm Schubert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst in St. Michael(Hildesheim) am 11. März 2017 Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Literaturberichte zur Liturgik. Literaturbericht Liturgik. Altorientalische und Israelitisch-Jüdische Religion (2016–2017) Reinhard Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literaturbericht Liturgik Review of Liturgical Work in North America 2015–2017 E. Byron Anderson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

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Inhalt

Literaturbericht Liturgik Deutschsprachige Länder 2017 (2016) Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Hymnologie Die Rezeption des geistlichen Liedes als Gegenstand der Hymnologie  Andreas Marti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Singende Kirche. Die Lieder der neuen Perikopenordnung Ein Werkstattbericht zum neuen Wochenliedplan Stephan Goldschmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 „Ein kleines neuzeitliches Adventslied“: Komm in unsre stolze Welt Harald Storz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Chant Finder: A melodic index to Anglican chants Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen . . . . . . . . 216 Literaturberichte zur Hymnologie. Literaturbericht Hymnologie. Deutschsprachige Länder (2015, 2016) 2017 Daniela Wissemann-Garbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Literaturbericht Hymnologie Französischsprachige Länder 2017 Beat Föllmi / Édith Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Verzeichnis der Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Ständige Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

In memoriam Alexander Völker 1. November 1934 – 7. Dezember 2017

Die Herausgeber des Jahrbuchs für Liturgik und Hymnologie trauern um ihren langjährigen Mitherausgeber und vormaligen Schriftleiter für Liturgik, Super­ intendent Alexander Völker. Er wurde am 1. November 1934 in Spangenberg geboren und ist am 7. Dezember 2017 in Minden verstorben. Er war verheiratet mit Sibylle Dombois, dem Paar wurden zwei Söhne und eine Tochter geboren. Der Trauergottesdienst fand am 15. Dezember in der St. Martinikirche (Minden) statt, anschließend war die Beisetzung auf dem Südfriedhof in Minden. 1975 wurde Alexander Völker Schriftleiter des Jahrbuchs für Liturgik und Hymnologie, nachdem Karl Ferdinand Müller, der erste Schriftleiter für Liturgik, verstorben war. Ab 1977 war er auch Mitherausgeber. Seine Schriftleitertätigkeit hat er bis ins Jahr 2000 ausgeübt und gab diese Aufgabe dann an Jörg Neijenhuis weiter. Als Mitherausgeber hat Alexander Völker bis 2011 gewirkt. Über 35 Jahre ist er maßgeblich an der Entwicklung des Jahrbuchs beteiligt gewesen. Denn die Liturgik und auch die Hymnologie waren ihm als Michaelsbruder – der Michaelsbruderschaft gehörte er seit 1963 an – ein Herzensanliegen. 1961 zum Pfarrer ordiniert, trat er im hessischen Windecken seine erste Pfarrstelle an, 1968 wechselte er in die westfälische Landeskirche und wurde Pfarrer in Buchholz, von 1980 bis 1997 leitete er als Superintendent den Kirchenkreises Minden. Emeritiert wurde Völker 1997 und konnte 2011 seine Goldene Ordination feiern. Seit 1976 war er auch nebenamtlicher Studienleiter an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford. Bis 2005 lehrte er an der Kirchenmusikhochschule und war zugleich ihr stellvertretender Direktor. Er war Vorsitzender der Lutherischen Liturgischen Konferenz Deutschlands (heute: Liturgische Konferenz) von 1991 bis 2001, gehörte dem Liturgischen Ausschuss der Evangelischen Kirche von Westfalen an und war in der Gesangbuchkommission der Evangelischen Kirche Deutschlands tätig. Den Artikel Gesangbuch hat er sowohl für die Theologische Realenzyklopädie (TRE Bd. 12 [1984], 547–565) als auch für das Lexikon der Religion in Geschichte und Gegenwart (4RGG , Bd. 3, [2000], 764–772) verfasst. Völker war Mitglied der internationalen ­Societas Liturgica. Alexander Völker hat für das Jahrbuch den jährlichen Literaturbericht Liturgik von 1975 bis zum Jahr 2000 verfasst. Im Doppeljahrgang 1990/1991 erschien von ihm, gemeinsam mit Günther Hinz, ein 94 Seiten langer Werkstattbericht über das Singen der Psalmen, denn mit der Erarbeitung des Evangelischen Tagzeitenbuchs der Michaelsbruderschaft war Völker wie Hinz befasst gewesen. Seine Impressionen aus einem Seminargespräch über Liturgische Präsenz mit Thomas Kabel erschienen im JLH 1996/1997. Im darauffolgenden Jahr veröffent-

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In memoriam Alexander Völker

lichte er Bemerkungen zur lutherischen Liturgie im Russland des 19. Jahrhunderts. Im Laufe der Jahre hat er in mehreren Beiträgen über die Kongresse der Societas Liturgica berichtet. 2003 publizierte er einen Beitrag mit Beobachtungen zum Umgang mit liturgischen Prinzipaltexten in einem Essay von Christa Wolf. 2006 erschien ein Artikel über den Dienst des Kirchenraums am Beispiel der wiederaufgebauten Frauenkirche in Dresden. Darüber hinaus hat Völker als ihr Emeritus-Vorsitzender einen Rückblick auf ein Jahrzehnt (2001 bis 2010) Liturgische Konferenz verfasst. Im Jahrbuch 2014 ist sein letzter Beitrag abgedruckt worden, der sich am Beispiel der beiden Hauptkirchen von Minden, St. Marien und St. Martini mit der Qualität von Liturgie auseinandersetzte. Wir verlieren mit Alexander Völker einen verdienten Liturgiker, der das Jahrbuch als Schriftleiter, Mitherausgeber und Autor mit seiner Erfahrung und großen Hingabe 35 Jahre lang prägte. Großzügigkeit und Herzlichkeit, Freundschaftlichkeit und eine brüderliche Zugewandtheit waren ihm stets eigen. Immer präsent waren seine Liebe zur Liturgie, zur Kirchenmusik und Hymnologie und seine stete Sorge um die Kirche. Der Herausgeberkreis des Jahrbuches für Liturgik und Hymnologie wird ihm ein ehrendes und dankbares Andenken bewahren. Er möge in Frieden ruhen (†) und das ewige Licht leuchte ihm.

Geleitwort Der liturgische Teil des Jahrbuchs wird mit einem von Alexander Deeg aus aktuellem Anlass verfassten Beitrag zu der evangelischen Revision der Lese- und Predigtperikopen und ihren liturgischen Implikationen eröffnet: VELKD, UEK und EKD haben im Herbst 2017 die neue Ordnung der Lese- und Perikopentexte beschlossen, die mit dem 1. Advent 2018 in Kraft tritt. Deeg stellt das Ergebnis der Revision vor und setzt sich anhand von zehn Thesen damit auseinander. Jörg Neijenhuis reflektiert das Verhältnis von Verkündigung und Liturgie unter kontroverstheologischen und ökumenischen Aspekten und erörtert die Frage, welchen Sinn gottesdienstliche Feiern in der Moderne haben können. Thomas Melzl setzt sich mit dem Begriff der liturgischen Vererbung ausein­ ander, der von Franz Rendtorff als biologische Metapher in die Liturgiewissenschaft eingeführt wurde. Anselm Schubert hatte im Jahrbuch 2015 die Entstehungsumstände von Dimitrij Bortnjanskijs Deutscher Messe für die Preußische Kirchenagende 1824 beleuchtet; nun legt er zusammen mit Ekaterina Antonenko einige Präzisierungen auf der Basis musikwissenschaftlicher Analysen vor. Nachdem 2017 aus Anlass der Reformationsfeierlichkeiten Jörg Neijenhuis die ökumenische Gebetsfeier am Reformationstag 2016 in Lund (Schweden) im Jahrbuch beschrieben hatte, folgt nun weiterführend die Darstellung des ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes in Hildesheim, der im März 2017 unter Leitung vom Ratsvorsitzenden der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, und vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, gefeiert wurde. Der Liturgieentwurf dieses Gottesdienstes konnte im Rahmen der Reformationsfeierlichkeiten auch von Kirchengemeinden für eigene Gottesdienstfeiern verwendet werden. Nachdem viele Jahre lang Prof. em. Dr. Hermann Michael Niemann aus­ Rostock dankenswerterweise den Literaturbericht Liturgik zum Alten Testament verfasste, hat Prof. Dr. Reinhard Müller aus Münster freundlicherweise diese Aufgabe übernommen. Er wird nun die für die Liturgiewissenschaft interessante Literatur, die sich mit der altorientalischen und israelitisch-jüdischen Religion befasst, vorstellen und fachlich einordnen. Einen Autorenwechsel gab es auch beim Literaturbericht Liturgik für die nordamerikanische Literatur. Frank C. Senn Ph.D. verfasste diesen Bericht für die Jahrbücher 2012 und 2015. Dafür sei ihm von Herzen gedankt, denn er hat uns einen guten Überblick verschafft über das reiche liturgische Schaffen, das in den vielfältigen  – lutherischen, reformierten, katholischen, anglikanischen, methodistischen etc. – Kirchentraditionen in Nordamerika existiert. Wir danken Prof. Dr. E. Byron Anderson, Professor of Worship am Garrett-Evangelical Theological Seminary (Evanston, Illinois), dass er diese wichtige und ökumenisch orientierte Aufgabe übernommen hat. Jörg Neijenhuis hat in gewohnter Weise den Literaturbericht Liturgik der deutschsprachigen Länder erarbeitet.

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Geleitwort

Der hymnologische Teil des Jahrbuchs wird durch einen grundsätzlichen Beitrag von Andreas Marti eröffnet. Nachdem der Rezeptionsforschung in der Hymnologie lange Zeit eine abwertende Reserve entgegengebracht worden war und der Fokus auf der Suche nach den Quellen lag, fordert Marti ein Umdenken. Die Frage, wie Texte und Melodien sich gewandelt haben, muss in sprachlichen, musikalischen, gesellschaftlichen und theologischen Zusammenhängen betrachtet werden. Neben dem prinzipiellen historischen Erkenntnisgewinn liefert seine Arbeit Kriterien, die bei der Herausgabe neuer Gesangbücher zur Anwendung kommen sollten. Ganz aktuell ist, parallel zu dem von Alexander Deeg über die Revision der Perikopenordnung, der Beitrag von Stephan Goldschmidt, der aus der Arbeit am neuen Wochenliedplan berichtet. Kriterien, Entwicklung und Rückmeldeverfahren werden dabei in einen grundsätzlichen und historischen Zusammenhang gestellt. In einem klassisch hymnologischen Artikel betrachtet Harald Storz Hans Graf von Lehndorffs Lied Komm in unsre stolze Welt im Zusammenhang mit einem in Bethel gehaltenen Vortrag, an dessen Ende das Lied erstmals veröffentlicht wurde. Darüber hinaus sucht er nach einem Erfahrungshintergrund, den er im „Ostpreußischen Tagebuch“ des Dichters aufspürt. Digitale Quellenerschließung ist das Thema des Beitrags von Ton Meijer, Martin J. M. Hoondert und Menno M. van Zaanen. Am Beispiel einer Sammlung Anglikanischer Gesänge in zurzeit etwa 70 Gesangbüchern mit über 20.000 Gesängen wird dargelegt, wie die Datenbank aufgebaut ist, wie sie sich von anderen unterscheidet und wie damit gearbeitet wird. Diese erste Publikation zur Sammlung wird zu einer Dissertation an der Tilburg University (NL) führen. Zwei hymnologische Literaturberichte schließen den Band ab. Das im vorigen Band erprobte Verfahren, im deutschsprachigen Teil bereits Literatur des laufenden Jahres aufzunehmen, wird wegen verschiedener Einwände nicht weitergeführt. Für den französischsprachigen Teil konnte Beat Föllmi gewonnen werden. Für dieses Jahr hat er kurzfristig einige Ergänzungen geliefert, in den kommenden Jahren wird er dem Jahrbuch dankenswerterweise erhalten bleiben. Der vorliegende 57. Band des Jahrbuchs ist seit 28 Jahren der erste, der nicht Ada Kadelbach als Herausgeberin auf dem Titelblatt nennt. Seit ihrer Examensarbeit 1967 hat sie hymnologisch gearbeitet – das ist in der Sammelpublikation ihrer Aufsätze „Paul Gerhardt im Blauen Engel“ (vgl. JLH 56/2017, 260 f.) eindrucksvoll dokumentiert –, ab 1982 war sie ständige Mitarbeiterin und von dem Band 33 (1990/91) an hat sie zunächst neben Konrad Ameln und Alexander ­Völker, dann in einem wachsenden Herausgeberkreis am Jahrbuch mitgewirkt. Ihre Kompetenzen und Ideen, ihre Gründlichkeit und ihr freundlicher Umgang werden uns fehlen. Wir verabschieden uns von unserem dienstältesten Mitglied mit einem tief empfundenen Dank! Im Juli 2018

Die Herausgeber

Neue Speisen am Tisch des Wortes Zehn Thesen zur evangelischen Perikopenrevision und ihren liturgischen Implikationen

Alexander Deeg

Am Ersten Advent 2018 wird eine revidierte Ordnung der Lese- und Predigtperikopen in den evangelischen Kirchen in Deutschland eingeführt. Sie löst das bisherige, zuletzt 1978 revidierte Lektionar1 nach exakt vierzig Jahren ab. Mit dem Ersten Advent 2018 geht damit ein achtjähriger Prozess von einer ersten Fachtagung in Wuppertal 20102 bis zum gedruckten neuen Lektionar und Perikopenbuch zu Ende. In den Jahren vor diesem Prozess war von verschiedenen Seiten Kritik an der Ordnung der Lese- und Predigttexte geübt worden. Vor allem aus dem christlich-jüdischen Dialog kamen Anfragen zur Quantität des Alten Testaments im Perikopensystem und zur Qualität der Auswahl alttestamentlicher Texte. Aus den Kreisen feministischer Theologie wurde die Unausgewogenheit des Lektionars im Blick auf biblische Frauengestalten einerseits, Texte, die die Beziehungen der Geschlechter und Gender-Identitäten zum Ausdruck bringen, andererseits bemängelt. Herausgebende von Predigthilfen hatten die Prädikabilität einzelner Texte (vor allem aus dem Bereich der Episteltexte) immer wieder kritisiert.3 Auf diese und weitere Anfragen reagiert die Revision, die insgesamt aber die Gestalt des Lektionars fortschreibt, wie sie im Zuge der Agenden der 1950er Jahre entwickelt (vgl. die Lutherische Agende 1955 und die EKU-Agende 1959) und 1978 nochmals modifiziert wurde und sich so – mit einem Terminus von Klaus Raschzok – als traditionskontinuierliche Arbeit am evangelischen Gottesdienst verstehen lässt.4

1 Geringfügige Veränderungen gab es dann nochmals mit der Einführung des Evangelischen Gottesdienstbuchs 1999. 2 Vgl. die Dokumentation dieser Tagung, die vom 30.4. bis 2.5.2010 stattfand: Kirchenamt der EKD / Amt der UEK / Amt der VELKD (Hg.): Auf dem Weg zur Perikopenrevision. Dokumentation einer wissenschaftlichen Fachtagung, Hannover 2010. 3 Vgl. dazu nur exemplarisch Roessler, Roman: Gravamina gegen die geltende Ordnung der Predigttexte. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 135–142. 4 Vgl. nur Raschzok, Klaus: Traditionskontinuität und Erneuerung. Praktisch-theologische Einsichten zu Kirchenraum und Gottesdienst, hg. v. Kerner, Hanns und Müller, Konrad, Leipzig 2014.

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In diesem Beitrag stelle ich weder die Geschichte der Revision in extenso dar, noch ordne ich sie ausführlich ein in die Entwicklung des evangelischen Lektionars in den vergangenen 500 Jahren. Vielmehr stelle ich in zehn Thesen liturgische Aspekte und Fragestellungen vor, die sich im Rückblick auf den Prozess (1) und im Vorausblick auf die Einführung der revidierten Ordnung (2) ergeben, und schließe mit Überlegungen zur eigentümlichen Kultur des Vorlesens in Zeiten der Digitalität. Ich tue dies als an der Revision von Anfang an Beteiligter. Bei der bereits erwähnten Wuppertaler Fachtagung wurde ich zu einem Vortrag zur Bedeutung von Perikopen aus praktisch-theologischer Perspektive eingeladen;5 seit 2011 war ich Mitglied der Steuerungsgruppe für den Prozess der Perikopenrevision und in den Jahren 2011 bis 2014 sowie 2016/17 Vorsitzender der Arbeitsgruppen Perikopenrevision I und II , die die jeweiligen Vorlagen für das Stellungnahme- und Beschlussverfahren erarbeiteten. Meine Perspektive in den folgenden Überlegungen ist also sicher keine wissenschaftlich-neutrale Außenwahrnehmung, sondern die eines engagiert im Prozess Verstrickten.

1. Drei Thesen und Beobachtungen aus dem Rückblick auf den Prozess 1.1 Der Prozess – oder: Liturgiereform heute These 1: Reform evangelischer Liturgie kann gelingen, wenn sie sich (1) auf wahrgenommene Probleme bezieht, (2) theologisch-fachwissenschaftliche und kirchlich-praktische Expertise miteinander verbindet und (3) möglichst viele ‚Betroffene‘ aus unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Perspektiven am Prozess beteiligt. Die unter der Geschäftsführung von OKRin Christine Jahn (VELKD) durchgeführte Revision des Lektionars lässt sich m. E. als Musterbeispiel für gelingende Liturgie-/Agendenreform im evangelischen Kontext wahrnehmen. (1) Es gab im Blick auf die Lese- und Predigtperikopen einen seit Mitte der 1990er Jahre deutlich artikulierten Handlungsdruck. 1995 hatte ein 1992 einberufener Perikopenausschuss der Lutherischen Liturgischen Konferenz einen Vorschlag zur Reform des Perikopensystems unterbreitet, der allerdings unmittelbar nach der Gesangbuchreform und mitten in der Zeit der Entstehung des Evangelischen Gottesdienstbuchs extrem ungünstig terminiert war. Daher wurde der Vorschlag kaum diskutiert, und es wurden im Zuge der Einführung des Evange­ 5 Vgl. Deeg, Alexander: Gehört wird – Homiletische und liturgische Gesichtspunkte für eine Reform der Lese- und Predigtperikopen. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s.  Anm. 2), 77–94.

Neue Speisen am Tisch des Wortes 

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lischen Gottesdienstbuchs nur marginale Reformen am 3. und 10. Sonntag nach Trinitatis, am Erntedankfest sowie am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr vorgenommen.6 Die Anfragen im Blick auf die Auswahl von Texten aus dem Alten Testament und von Texten, die die „Gemeinschaft von Männern und Frauen“7 in besonderer Weise berücksichtigen, lagen schon damals auf dem Tisch und verlangten eine Weiterverfolgung. Aus dem Kontext des christlich-jüdischen Dialogs wurde 2009 unter dem durchaus anspruchsvollen Titel „Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen“8 ein Perikopenmodell vorgelegt, das für jeden Sonn- und Feiertag drei Texte aus der Hebräischen Bibel neben zwei neutestamentlichen Texten vorschlägt. Dabei werden die alttestamentlichen Texte entsprechend der jüdischen Einteilung jeweils aus Tora, Propheten und Schriften gewählt, die neutestamentlichen weiterhin aus Evangelium und Epistel. Diese und weitere Initiativen trugen zur Initiierung eines Prozesses ‚Perikopenrevision‘ bei, dessen Auftakt die bereits erwähnte Wuppertaler Fachtagung markiert. (2) Der Wuppertaler Tagung ging eine empirische Studie voraus, die Praxisexperten (Pfarrerinnen und Pfarrer, Prädikantinnen und Prädikanten, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker) nach ihrem Umgang mit der gegebenen Perikopenordnung und nach ihren Wünschen für eventuelle Veränderungen fragte. Die Studie wurde im Februar 2010 durchgeführt, so dass erste Ergebnisse bei der Wuppertaler Tagung im April / Mai vorlagen.9 Die Studie zeigte einerseits die hohe Bindung der Praktikerinnen und Praktiker an die gegebene Perikopenordnung (65 % der Befragten sagten, sie würden sich „immer“ an die Perikopenordnung halten; weitere 33 % sagten, sie täten dies „öfter“10) und die prinzipielle Wertschätzung, die sie dieser entgegenbringen; sie unterstreicht aber auch die in der Diskussion bereits vielfach genannten Problemaspekte. Eines der deutlichsten Ergebnisse war sicher, dass 22 % der Befragten „Episteltexte“ für überrepräsentiert halten.11 Diese empirische Befragung verband sich in der Planung des Prozesses und im Prozess selbst mit exegetischer, systematisch-theologischer und praktisch-theologischer Fachkompetenz, die in der Steuerungsgruppe sowie in der Arbeitsgruppe und in dem darum gruppierten Beraterstab vertreten waren. (3) Die aus elf Mitgliedern bestehende Arbeitsgruppe repräsentierte die Vielfalt des evangelischen Christentums in Deutschland. Sie bestand aus Frauen und Männern unterschiedlicher Altersgruppen und mit überaus divergenten theologischen und hermeneutischen Orientierungen. Bereits in der ersten Er 6 Vgl. dazu ausführlich Trappe, Christian: Der Reformversuch von 1995. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 143–151. 7 A. a. O., 145. 8 Vgl. Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen. Ein neues Perikopenmodell, erarbeitet im Auftrag der Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK), Begegnungen; Sonderheft Dezember 2009, im Internet greifbar unter: http://www.perikopenmodell.de/klak_ perikopen.pdf [Zugriff vom 13.02.2018]. 9 Vgl. Pickel, Gert / Ratzmann, Wolfgang: Gesagt wird – Eine empirische Studie zur Rezeption der gottesdienstlichen Lesungen. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 95–109. 10 A. a. O., 98. 11 Vgl. a. a. O., 104.

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arbeitungsphase wurden zweimal Zwischenergebnisse als Sonderdrucke veröffentlicht, um möglichst viele an der Diskussion zu beteiligen. Der Revisionsentwurf wurde in alle Landeskirchen zur Begutachtung gesandt, die im Kirchenjahr 2014/15 durchgeführt wurde. Durch ein Internet-basiertes Rückmeldeverfahren waren auch Rückmeldungen einzelner zu den Vorschlägen der Arbeitsgruppe möglich. Die Einarbeitung dieser Rückmeldungen erfolgte in einer weiteren Arbeitsphase der (in der Zusammensetzung leicht modifizierten) Arbeitsgruppe, bevor das Endergebnis den kirchenleitenden Entscheidungsgremien vorgelegt werden konnte. Permanent über den Prozess informiert und durch personelle Vernetzungen auch involviert waren die Liturgischen Ausschüsse der VELKD und UEK sowie die Liturgische Konferenz. Über Organe wie das „Deutsche Pfarrerblatt“ wurden Ansatz und Ziele der Perikopenrevision sowie grundlegende Fragestellungen einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht.12 So gelang es, einen liturgischen Reformprozess zu gestalten, der m. E. Vorbild für alle weiteren liturgischen Reform- bzw. Revisionsvorhaben im deutschen Protestantismus sein kann. Diese Einschätzung würden freilich nicht alle teilen. Besonders der in Münster lehrende Praktische Theologe Christian Grethlein hat die Perikopenrevision in ihrer inhaltlichen Zielsetzung, ihrer formalen Gestaltung, aber auch im Blick auf die Anlage des Prozesses als grundlegend verfehlt beurteilt.13 Es sind im Wesentlichen drei Argumente, die Christian Grethlein in Anschlag bringt: (1) Die Arbeit der Perikopenrevision fuße auf einer hoch problema­ tischen empirischen Basis. Die Befragung von Praxisexpertinnen und -experten in der empirischen Studie von 2010 frage ausgerechnet nicht die Rezipientinnen und Rezipienten. Grethlein denkt hier z. B. und vor allem auch an die Konfirmandinnen und Konfirmanden, die einen wesentlichen Anteil der Gottesdienstfeiernden ausmachen, aber nicht berücksichtigt wurden. Sie würden die üblichen Lesungen schlicht nicht ‚verstehen‘, weswegen diese ohne jede Bedeutung für sie blieben. (2) Die Perikopenrevision gründe in einem veralteten und in den meisten anderen Kontexten längst überwundenen Modell kirchlicher Obrigkeit, das nicht erkenne, dass die Kommunikation des Evangeliums vor Ort in den Gemeinden aufgrund der Maßgaben der jeweiligen Situation zu erfolgen habe. Die Idee, biblische Texte zur Lesung und Predigt für den gesamten deutschsprachigen Protestantismus vorgeben zu wollen, verkenne grundlegend die Art und Weise, wie Glaube in einer pluralen gesellschaftlichen Situation kommuniziert werden müsse. Für diese biblischhermeneutische und gegenwartshermeneutische Aufgabe seien Pfarrerinnen und Pfarrer ausgebildet, weswegen auch die Verantwortung für die Textwahl 12 Vgl. Jahn, Christine: Perikopenrevision. Einige häufig gestellte Fragen. In: DtPfrBl 113 (2013), H. 4, 204 f; Deeg, Alexander: Zur Revision der Perikopenordnung. Ein Zwischenbericht. In: DtPfrBl 113 (2013), H. 4, 202–204. 13 Vgl. Grethlein, Christian: Was gilt in der Kirche? Perikopenrevision als Beitrag zur Kirchenreform, ThLZ.F 27, Leipzig 2013; vgl. ders.: Die Perikopenrevision als Paradigma. Der Wirklichkeitsverlust in der liturgischen Arbeit evangelischer Kirchen, in: LS 66 (2015), 394–398.

Neue Speisen am Tisch des Wortes 

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bei ihnen liegen müsse.14 (3) Grundlegend hält Grethlein ästhetische Argumentationsmuster, die etwa vom Begriff des Text- bzw. Klangraumes (eine architektonische Metapher) ausgehen bzw. nach Konsonanzen (eine musikalische Metapher) zwischen den Texten fragen, für problematisch. Grethlein ist überzeugt, dass biblische Texte ‚verstanden‘ werden wollen, was für ihn bedeutet, dass sie sich kognitiv erschließen müssen. Diese reformatorische Grundeinsicht drohe gegenwärtig ästhetisch verschleiert zu werden. So erkennt Grethlein in der Art und Weise, wie die Perikopenrevision angelegt wurde, geradezu paradigmatisch den Fehler, der die gegenwärtige Liturgiewissenschaft in Deutschland vielfach präge. Sie plädiere für die Weiterentwicklung von Tradition, ohne dabei die fundamentalen Erosionen des religiösen Lebens und das massive Unverständnis der großen Mehrheit der Evangelischen (und erst recht der Nicht-kirchlich-Gebundenen) dieser Tradition gegenüber wahrzunehmen. Grethleins Argumentationen berühren die praktisch-theologisch- bzw. liturgiewissenschaftlich-epistemologische Seite (Wie kommt Praktische Theologie zu ihren Ergebnissen?), das Verständnis von Gottesdienst und vor allem von liturgischer Tradition und ihrer Bedeutung und nicht zuletzt umfassend auch das Kirchenverständnis. Eine Diskussion habe ich – wenigstens in Ansätzen  – an anderem Ort unternommen.15 Grundlegend gilt es zweifellos zu fragen, ob man bereit ist, die liturgische Tradition weiter zu entwickeln, oder der Meinung ist, dass nur ein radikaler Abschied von dieser Tradition der Kirche im Kontext der Gesellschaft der Gegenwart dienen könne. Dass die Fortentwicklung des Traditionellen dabei nicht alles ist, was Kirche zu leisten hat, ist m. E. evident und keiner Frage wert. Dass sie aber auch zum kirchlichen Handeln und zu ihrer Verantwortung gehört, ist m. E. ebenso selbstverständlich. Liturgiewissenschaftlich problematisch erscheint mir bei Grethlein die radikale Reduktion des im Gottesdienst Geschehenden auf die Ebene intellektuell-kognitiver Verständlichkeit. Die Einsichten der Praktischen Theologie der vergangenen Jahrzehnte in die Bedeutung symbolischritueller Kommunikation und ihrer Eigenheit werden hier fast vollständig ausgeblendet. Dabei ist für die Lesungen evident, dass rituelle Inszenierung und verstehende Aneignung zwei Seiten der einen Medaille gottesdienstlicher Lesung sind. Schließlich scheint mir erstaunlich, dass Grethlein – bei aller Wertschätzung für Empirie – die Beobachtungen aus der erfolgten empirischen Studie nicht wenigstens insofern ernst nimmt, dass die Tradition der für jeden Sonn- und Feiertag vorgegebenen Perikopen in keiner Weise als obrigkeitliche Vorgabe oder Belastung, sondern gerade im Gegenteil als Entlastung für die pfarramtliche Praxis erfahren wird (93 % stimmen der Aussage „Ich halte feste Lesetexte für wichtig“ sehr oder eher zu!16). Der dem / der 14 Vgl. auch Grethlein, Christian: Pfarrer – ein theologischer Beruf, Frankfurt/M. 2009. 15 Deeg, Alexander: Tradition, Klangraum und die Zukunft des Gottesdienstes. In: LS 66 (2015), 399–404; ders., Zwei Paradigmen der Liturgiewissenschaft? In: LS 66 (2015), 407–410. 16 Pickel, Gert / Ratzmann, Wolfgang: Gesagt wird (s. Anm. 9), 105.

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einzelnen entgegenkommende und nicht selbst gewählte biblische Text entspricht – dies wurde in zahlreichen Gesprächen im Umfeld der Perikopenrevision deutlich – der spirituellen Grunderfahrung im Umgang mit der Bibel. Wenn die Begegnung mit ihr gelingt, ist sie in der Lage, etwas Neues und Bedeutsames zu sagen. Das kann sie aber nicht, wenn die Reihenfolge sich umkehrt und Bibeltexte danach ausgesucht werden, ob sie die eigene Botschaft ausdrücken und verstärken oder dies nicht tun. Die Gefahr am Ende eines so aufwändigen, umfangreichen und auch teuren Revisionsvorhabens besteht nun freilich darin, das Arbeitsfeld ‚Lektionar‘ nun abzuhaken und sich anderen Fragen zuzuwenden. Im Bild gesprochen gilt es m. E. vielmehr, die Datei offen zu halten bzw. den Ordner ‚Perikopenrevision‘ nicht zur Ablage zu stellen. Der Abschluss einer Revision ist – wenn es gut geht – der Auftakt zur nächsten. Wenn der traditionskontinuierliche Gottesdienst wirklich traditionskontinuierlich sein soll, dann ist der Erste Advent 2018 das Datum für den Beginn der nächsten Perikopenrevision.17 1.2 Ökumenische Weite oder provinzielles Beharren? These 2: Mit der Reform des katholischen Ordo Lectionum Missae in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der nachfolgenden Übernahme des DreiJahres-Modells durch zahlreiche evangelische Kirchen weltweit geriet das traditionskontinuierliche Einjahresmodell gottesdienstlicher Lesungen in Begründungsnot. Selbstverständlich kann evangelische Liturgie in Deutschland nicht ohne einen Blick auf die evangelischen Kirchen weltweit und die christliche Ökumene reformiert werden. Die Perikopenrevision hat sich zu der entstehenden Frage auf eine Weise positioniert, die ökumenische Offenheit mit wohl begründeter Beharrlichkeit verbindet. Weniger als zehn Jahre nach der Einführung der neuen Ordnung der Leseund Predigtperikopen im Zuge der Agendenreform nach dem Zweiten Weltkrieg (1955/1959) verließ die katholische Kirche durch die Konstitution Sacrosanctum Concilium vom 4.12.1963 und die nachfolgende radikale Neugestaltung des Ordo Lectionum Missae (abgeschlossen 1969) die bisher trotz aller Verschiebungen im Lauf der Geschichte bestehende Gemeinschaft der Kirchen, die das so genannte altkirchliche, faktisch aber mittelalterliche Perikopensystem tradi-

17 Praktisch hieße das für mich, dass es einen Ort geben sollte, an dem die Einsichten und Rückmeldungen, die sich nun ergeben, gesammelt und für die weitere Diskussion aufbewahrt werden. Vor allem ist es interessant, wie die ‚neuen‘ Texte der Perikopenrevision dann wahrgenommen werden, wenn sie nicht nur in einzelnen Gemeinden, die sich ein Kirchenjahr lang der Erprobung angeschlossen haben, gelesen und gepredigt werden, sondern ‚flächendeckend‘. Es würde sich zudem lohnen, die Überlegungen zu diesen neuen Texten in Predigthilfen, Lesepredigten und weiteren Impulsen zum Gottesdienst zu sammeln und zu sichten – und so für eine erneute Revision bereit zu halten.

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tionskontinuierlich fortsetzen.18 In Reaktion darauf versuchten die lutherischen Kirchen weltweit, in mehreren Konferenzen in Genf eine gemeinsame Leseordnung zu entwickeln. Als übereinstimmender Grundsatz wurde beschlossen, an den einjährig wiederkehrenden Lesungen festzuhalten, Epistel und Evangelium aber mit einer alttestamentlichen Lesereihe zu ergänzen, sowie weitere Texte zur Auswahl beizufügen. Diese Vorgaben setzte die Revision 1978 um. Damit aber stellte sich das deutschsprachige Luthertum gegen einen Trend, der sich in den 1970er Jahren bereits abzeichnete. Die nordamerikanischen Lutheraner tendierten zu einer (modifizierten) Übernahme der römisch-katholischen Ordnung; dort wurde zuerst das „Common Lectionary“, dann 1992 das „Revised Common Lectionary“ als Drei-Jahres-Modell entwickelt, das sich weltweit verbreitet hat und in Europa u. a. in der Church of England, United Reformed Church, Presbyterian Church of Wales, Church of Scotland sowie in den meisten methodistischen Kirchen und in der hussitischen Kirche gebraucht wird. Die Skandinavier tendierten zur Entwicklung eigener Lösungen im Ausgang von der Tra­dition und in Aufnahme von Impulsen durch die katholischen Reformen. Daneben gab es protestantische Kirchen, die sich unmittelbar dem OLM anschlossen (vor allem in Frankreich – außer Elsass-Lothringen – und Spanien). Demgegenüber halten neben den evangelischen Kirchen in Deutschland die Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnisses in Österreich, die Evangelische Kirche in Elsass und Lothringen, die Protestantische Kirche in Luxemburg, die Evangelische Kirche in Liechtenstein, die Lutheraner in der Schweiz, in Italien, in Großbritannien und in Irland an der einjährigen Lesetradition fest.19 Durch die katholische Reform geriet das aus der Tradition stammende Modell der jährlich wiederkehrenden Lesungen auch in der evangelischen Welt in eine Minderheitenrolle, die – mit etwas Humor betrachtet – manchmal der auf der ersten Seite der allermeisten Asterix-Bände geschilderten Ausgangssituation gleicht. „Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten.“ Im Prozess der Perikopenrevision wurde selbstverständlich überlegt, ob sich auch die deutschsprachigen evangelischen Kirchen dem Dreijahresmodell anschließen und so ihre ökumenische Isolation verlassen sollten. Etwa Peter Bukowski betont die „kirchenverbindende“ Bedeutung „eine[r] gemeinsame[n] Perikopenordnung“. 20 Noch immer steht zudem das inhaltliche Argument im Raum: Ausgehend von SC 51 war es das Ziel, die „Schatzkammer der Bibel“ weiter zu öffnen und den „Tisch des Gottesswortes reicher“ zu bereiten. Ein Dreijahres-Modell, in dem in den Reihen A, B und C jeweils drei Texte 18 Die folgenden Entwicklungen beschreibt anschaulich, gut lesbar und materialreich auch Melzl, Thomas: Die Schriftlesung im Gottesdienst. Eine liturgiewissenschaftliche Betrachtung, Leipzig 2011, 29–45 [mit Blick auf die evangelische Forschung zur Geschichte der Perikopen!]. 19 Ein sehr viel detaillierterer Blick auf die europäische Situation findet sich bei: Herrmann, Florian: Leseordnungen in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 185–197. 20 Bukowski, Peter: Die Perikopenrevision als Frage an die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 179–183, 182.

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für jeden Sonn- und Feiertag angegeben werden, bietet faktisch neun Texte für jedes Proprium, wogegen die traditionskontinuierliche Weiterentwicklung des einjährigen Lesemodells in den Versionen 1955/1959/1978 nach wie vor nur drei Lese- und drei weitere Predigttexte bietet. Kurz: Es gibt quantitativ mehr Bibel im dreijährigen Modell. 21 Es waren vor allem vier Argumente, die die Entscheidung gegen einen Systemwechsel und für eine traditionskontinuierliche Weiterentwicklung gegeben haben. (1) Die Traditionskontinuität des einjährigen Modells bedeutet, dass sich gegenwärtig Predigende und Feiernde bewusst oder unbewusst diachron mit der Tradition vernetzen. Im Beispiel: Vielfach sind die Texte, über die an einem bestimmten Sonn- oder Feiertag gepredigt wird (und die gelesen werden), identisch mit den Texten, über die bereits Luther predigte bzw. die die Grundlagen für Schütz’ Motetten und Bachs Kantaten und zahlreiche weitere Schöpfungen der kirchenmusikalischen Tradition waren. 22 (2) Ein Argument ex negativo lautet: Alle neuen Drei-Jahres-Modelle haben ihre Konstruktionsprobleme. Beim katholischen Ordo lectionum missae ist dies erstens die Problematik der nicht-konsonanten Episteltexte. Da diese – wie die Evangelien – in einer semi-continuaLesung gestaltet sind, sind die Bezüge zwischen Evangelium und Epistel nicht eo ipso gegeben. Nicht selten fügen sich die Episteltexte nur allzu sperrig in den Text- und Klangraum der Sonn- und Feiertage. Die alttestamentlichen Texte umgekehrt passen teilweise eher ‚zu gut‘ zu den Evangelien, so dass an dieser Stelle gefragt werden kann und gefragt wird, ob das Alte Testament in seiner Aussage nicht allzu sehr dem Evangelium untergeordnet wird. Beide Richtungen der Anfrage haben im katholischen Bereich zu zahlreichen Vorschlägen einer Neukonstruktion geführt. 23 Das Revised Common Lectionary bietet durch die Aufgabe der in semi-continua gelesenen Episteltexte eine Lösung des ersten, nicht aber des zweiten Problems. (3) Die Dreijahres-Modelle erhalten zwar selbstverständlich die Proprien der Festzeiten, lösen aber die Prägungen von Sonntagen im Kirchenjahr faktisch auf (OLM und RCL zählen nur verschiebbare Sonntage im Jahreskreis!). Dabei gibt es durchaus auch in der so genannten ‚festlosen‘ Zeit 21 Freilich hätte man dieses Problem auch bei Beibehaltung des Modells leicht dadurch lösen können, dass jedem Proprium einfach weitere Texte hinzugefügt worden wären. Allerdings sprach u. a. das Ergebnis der empirischen Studie unter Praxisexperten dagegen. Diese wurden auch gefragt, ob sie einen „sechsjährige[n] Zyklus der Predigttexte“ für „sinnvoll“ halten. 41 % antworteten „auf jeden Fall sinnvoll“, 44 % „eher sinnvoll“, vgl. Pickel, Gert / Ratzmann, Wolfgang: Gesagt wird (s. Anm. 9), 103. Gefragt nach einem Dreijahresmodell reagierte eine Mehrheit eher ablehnend (55 %) bis deutlich ablehnend (11 %). 22 Wenngleich an dieser Stelle eingeräumt werden muss, dass dieses Argument aufgrund der nicht wenigen Verschiebungen und Veränderungen vor allem seit dem 19. Jahrhundert keineswegs mehr für alle Sonn- und Feiertage im Kirchenjahr greift. 23 Vgl. dazu nur Franz, Ansgar: Das Alte Testament und die gottesdienstlichen Lesungen. Zur Diskussion um die Reform christlicher Lektionare. In: Deeg, Alexander / Mildenberger, Irene (Hg.): „… dass er euch auch erwählet hat“. Liturgie feiern im Horizont des Judentums (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 16), Leipzig 2006, 227–257; vgl. ders. (Hg.): Streit am Tisch des Wortes? Zur Deutung und Bedeutung des Alten Testaments und seiner Verwendung in der Liturgie (PiLi 8), St. Ottilien 1997.

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geprägte Sonn- und Feiertage. Zu denken wäre an die spezifisch konturierten Sonntage vor der Passionszeit, aber z. B. auch an den sechsten Sonntag in der Trinitatiszeit (Taufsonntag), siebten Sonntag in der Trinitatiszeit (‚Brot‘-Sonntag), zehnten Sonntag in der Trinitatiszeit (Israelsonntag), 16. Sonntag in der Trinitatiszeit (‚Klein-Ostern‘!) oder an die Sonntage am Ende des Kirchenjahres u. v. a. (4) Eine schwer zu beantwortende Frage ist, bei welchem Modell am ehesten von einer ‚Erlebbarkeit‘ der Abfolge von Texten gesprochen werden kann. Zweifellos aber hat in Zeiten eines deutlich zurückgehenden regelmäßigen Gottesdienstbesuchs dasjenige Modell einen gewissen Vorteil, das die Lesungen im jährlichen, nicht dreijährigen Abstand wiederholt. Die Perikopenrevision in Deutschland wird von Kolleginnen und Kollegen aus den USA , aus der Schweiz, aus Nord- und Osteuropa (und aus manch anderen Kontexten) nicht ohne Interesse wahrgenommen. Wer weiß: Wie im „wind of change“ der 1960er Jahre die traditionelle Leseordnung der katholischen Kirche vom Ambo geweht wurde, so wird vielleicht auch die Zeit kommen, in der die Drei-Jahres-Modelle ihre Geschichte hatten und die katholische Kirche wie auch viele evangelische Kirchen wieder zurückkehren zu dem, was sich traditionskontinuierlich entwickelte und noch reichlich Potential für Fortentwicklungen hat. Selbstverständlich waren die Entscheidungen, die zu OLM und RCL (und zu anderen Perikopensystemen wie dem „Four Year Lectionary“) geführt haben, beständig bei der Perikopenrevision im Blick. Für jede Predigerin /  jeden Prediger ist es interessant und anregend, die Texträume wahrzunehmen, in denen biblische Perikopen in den anderen Leseordnungen erscheinen (auch wenn es zweifellos hilfreich wäre, diese künftig noch weit besser zugänglich und auf einen Blick synoptisch sichtbar zu machen!24). Die ganze Bibel bleibt für jede Leseordnung unausschöpflich. 25 Die Vielfalt der Leseordnungen bietet unterschiedliche Zugänge zu der Schatzkammer der biblischen Texte, die in gegen­ seitiger Wertschätzung wahrgenommen werden können. Und auch die bewusste Pflege des Eigenen ist ein Beitrag zur Ökumene. 1.3 Aufmerksamkeit für die Gestaltseite der Revision These 3: Eine Revision der Ordnung der Lese- und Predigttexte ist nicht schon dann abgeschlossen, wenn eine Liste der Texte, die als Lese- und Predigttexte vorgesehen werden, vorliegt. In Zeiten eines erneuerten Bewusstseins für die theologische Bedeutung ästhetischer Fragen gehört dazu auch die Reflexion auf ­L ayout und Buchgestalt von Lektionar und Perikopenbuch. 24 Eine Weiterentwicklung der Seite www.kirchenjahr-evangelisch.de scheint mir in dieser Hinsicht naheliegend. Durch einen Link könnte so zu jedem Text aus der evangelischen Ordnung schnell sichtbar werden, wo dieser Text in den anderen kirchlichen Perikopensystemen erscheint. 25 Ich habe an dieser Stelle von faktischen Kanones gesprochen; vgl. Deeg, Alexander: Faktische Kanones und der Kanon der Kirche. Überlegungen angesichts der Diskussionen um die Rolle der Bibel in der evangelischen Kirche, um die Kanonizität des Alten Testaments und die Revision der Lese- und Predigtperikopen. In: PTh 104 (2015), 269–284.

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Als die Textentscheidungen trotz engagierter Diskussionen zu einzelnen Perikopen in erfreulich großem Konsens geschafft waren, gingen die heftigen Diskussionen in den Liturgischen Ausschüssen und in der Liturgischen Konferenz zur Perikopenrevision erst los. Denn nun stand die Frage im Raum, wie ein neues Lektionar aussehen sollte. 26 Einigkeit bestand darin, dass ein neues Lektionar ‚hochwertiger‘ erscheinen sollte als das bisherige. Ein Lektionar ist nicht nur ein an und für sich unbedeutendes Trägermedium, von dem aus gelesen werden wird, sondern es ist ein Buch, das seine eigene Rolle im Gottesdienst spielt. In den vergangenen Jahren haben sich in der evangelischen Liturgiewissenschaft und in der liturgischen Praxis zunehmend Modelle entwickelt, die das Lese-Buch liturgisch würdigen. So schlägt Martin Nicol vor, die Lese­bibel (ein Lektionar lehnt Nicol freilich ab!) ‚rituell‘ vom Altar zur Lesung herbeizubringen und nach dem Abschluss des gesamten Teils „Verkündigung und Bekenntnis“ wieder dorthin zurückzutragen. 27 In der Liturgischen Konferenz beschäftigt sich seit 2016 eine eigene Arbeitsgruppe mit der Gestalt der Lesungen – und auch hier spielt die Frage nach dem Lese-Buch eine Rolle. 28 Uneinigkeit bestand in der Frage des Textsatzes. Im katholischen Lektionar werden die Texte in sogenannten Sinnzeilen gesetzt, die das Lesen erleichtern sollen. Das evangelische Lektionar hingegen druckt die Texte bislang im Blocksatz und fügt zur Erleichterung des Vorlesens lediglich Schrägstriche in die Lesungstexte ein, die als eine Art rhetorisches Komma fungieren. Die Frage, die an dieser Stelle intensiv diskutiert wurde, lautet: Bedeutet ein Druck in Sinnzeilen erstens eine zu starke, die Texte bereits auf spezifische Weise interpretierende Vorgabe, die einem Lektionar nicht zukommt? Zweitens lautete die Frage, ob der durch einen Satz in Sinnzeilen entstehende optische Eindruck nicht ein zu stark fragmentiertes / pseudo-lyrisches Vorlesen aus sich heraussetzt, das mit zu der vielfach beobachteten Wahrnehmung beiträgt, dass in den Kirchen zu viele Pausen und viel zu viele betonte Silben gelesen werden? Vor allem Erzähltexte, deren Zusammenhänge in kürzere Sinnzeilen zerlegt werden, könnten so in ein Raster des kirchlich-konventionellen Lesens hinein verschwinden. Es gab in der Folge der Diskussion Überlegungen, für unterschiedliche Gattungen des biblischen Textes unterschiedliche Layout-Vorgaben festzulegen, die sich allerdings angesichts der Vielgestaltigkeit des biblischen Textes nicht realisieren ließen. Die Lösung, die am Ende gefunden wurde, bedeutet zugleich einen Kompromiss und eine Weiterentwicklung des Modells des katholischen Lektionars. Die Texte werden nun in Sprecheinheiten gesetzt, die nicht geschlossenen Sinn-Einheiten entsprechen. Die Zeilen sind so lang, dass ein pseudo-lyrischer 26 Da von Anfang an vorgesehen war, das „Perikopenbuch“ als Hilfsbuch zur Vorbereitung der Gottesdienste seitenidentisch mit dem Lektionar zu gestalten, stand auch dieses jeweils mit zur Diskussion. 27 Vgl. Nicol, Martin: Weg im Geheimnis. Plädoyer für den Evangelischen Gottesdienst. Göttingen 32011, 159 f. – und dazu auch unten (These 7). 28 Vgl. zur Rolle des ‚materiellen‘ Bibelbuchs als Artefakt auch Beckmayer, Sonja: Die Bibel als Buch. Eine artefaktorientierte Untersuchung zu Gebrauch und Bedeutung der Bibel als Gegenstand (PrThh 154). Stuttgart 2018.

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Anschein (hoffentlich) vermieden und ein ‚flüssiges‘ Lesen ermöglicht wird. Für den Beginn der Epistellesung am Sonntag Quasimodogeniti (1Petr 1,3–9) bedeutet dies die folgende Darstellung: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,   der uns nach seiner großen Barmherzigkeit    wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung    durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten    und unverwelklichen Erbe,    das aufbewahrt wird im Himmel für euch, 5 die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet    zur Seligkeit, die bereitet ist,    dass sie offenbar werde zur letzten Zeit.¶ 3

Es ist m. E. ein erfreuliches Signal, dass die Diskussion an dieser Stelle so intensiv geführt wurde, zeigt sie doch, dass sich im evangelischen Kontext das Bewusstsein für die Bedeutung der Gestalt in den vergangenen Jahren deutlich entwickelt hat.

2. Sieben Desiderate und Überlegungen im Blick nach vorn 2.1 Das Alte Testament im Klangraum des evangelischen Gottesdienstes These 4: Die entscheidende Veränderung durch die Perikopenrevision liegt zweifellos in der annähernden Verdopplung der Anzahl alttestamentlicher Texte im gesamten Textbestand des Lektionars. Das Alte Testament gewinnt so mehr Raum im Klangraum des evangelischen Gottesdienstes; die Israel-Kontur christlichen Glaubens wird noch deutlicher herausgearbeitet. Damit aber bleiben zwei Aufgaben: (1) Es geht darum, eine Hermeneutik zu erarbeiten und zu pflegen, die die Texte vor Vereinnahmung einerseits, Distanzierung andererseits bewahrt. (2) Entscheidend ist darüber hinaus die Frage, welche liturgische Rolle die alttestamentlichen Texte im Verhältnis zu den neutestamentlichen spielen. Bisher lag der Anteil alttestamentlicher Texte am Gesamtbestand bei etwas mehr als ein Sechstel. Durch die Perikopenrevision steigt er nun auf etwa ein Drittel, was bedeutet, dass an jedem Sonn- und Feiertag durchschnittlich zwei alttestamentliche Texte begegnen. 29 Neu aufgenommen wurden 71 alttestament 29 Damit liegt nun ein Lektionar vor, in dem das Verhältnis der Textgruppen Evangelium – Epistel – Altes Testament zueinander etwa 1:1:1 beträgt. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Sonn- und Feiertag dieses Verhältnis abbildet. Es gibt Proprien mit drei alttestamentlichen Texten (konkret sind dies: 1. Advent; 2. Advent; Christvesper; Altjahresabend; Aschermittwoch; 3. Sonntag nach Trinitatis; die beiden Proprien des 10. Sonntags nach Trinitatis; 20. Sonntag nach Trinitatis; Totensonntag); aber auch Proprien mit nur einem alttestamentlichen Text begegnen in der Ordnung

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liche Texte in den Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres; 16 weitere kommen in den „Weiteren Fest- und Gedenktagen“ hinzu. 30 Von den neu aufgenommenen alttestamentlichen Texten stammen 22 aus der Tora 31 und 22 aus den Schriften (Ketuvim).32 Der größte Teil (43 Texte) stammt aus dem Bereich der prophetischen Bücher, womit dieser klassische Schwerpunkt christlicher Rezeption des Alten Testaments auch in der Revision 2018 erhalten bleibt (wobei hier zu den prophetischen Büchern auch die sogenannten ‚vorderen Propheten‘ gezählt werden, die in der Lutherbibel unter die Rubrik „Geschichtsbücher“ fallen). 33 Lediglich ein Text (Sir 35,16–22a; Rogate) stammt aus den sogenannten Apokryphen und begegnet alternativ zu einem kanonisch-alttestamentlichen Text. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der Theologinnen und Theologen die Frage erneut ernsthaft diskutierten, ob das Alte Testament legitimerweise noch Bestandteil des christlichen Kanons und daher Grundlage der christlichen Predigt sein könnte, 34 wurde mit großer Zustimmung der Predigenden eine Perikopenrevision durchgeführt, die den Anteil dieser Textgruppe deutlich stärkt. Auf dem Weg der Perikopenrevision und in den Erprobungsverfahren wurden vor allem die alttestamentlichen Texte vielfach gelobt und im Blick auf ihre Prädikabilität positiv beurteilt. Die Berechtigung der kritischen Anfragen Notger Slenczkas und anderer zur christlichen ‚Nutzung‘ des Alten Testaments lag zweifellos darin, eine gewisse Selbstverständlichkeit der Ingebrauchnahme dieser Texte, die zugleich und bleibend die Texte einer anderen Auslegungsgemeinschaft sind, zu hinterfragen. In der Tat besteht immer das Problem der Vereinnahmung, wenn Christinnen und Christen das Alte Testament lesen und in der Predigt rezipieren. Umgekehrt freilich bedeutete die von Slenczka vorgeschlagene Abtrennung des Alten Testaments vom christlichen Kanon und die Einstufung dieser Texte auf einem Niveau mit den so genannten Apokryphen eine Weise der Distanzierung, wie sie weder der theologischen Verbindung der neutestamentlichen Texte mit den alttestamentlichen im Klangraum der zwei-einen Bibel entspricht, noch dem Verhältnis von Christentum und Judentum, wie es in den vergangenen Jahrzehnten des christlich-jüdischen Dialogs neu entdeckt (3. Advent; Christfest II; Palmsonntag; Gründonnerstag; Karfreitag; Osternacht; Pfingstmontag; 5. Sonntag nach Trinitatis; 8. Sonntag nach Trinitatis; 12. Sonntag nach Trinitatis; Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr). 30 Es ist nicht ganz leicht, die Anzahl der Texte numerisch anzugeben. Alttestamentliche Texte, die schon bisher in den sechs Reihen der Perikopenordnung vorlagen, nun aber ihren Ort im Kirchenjahr verändert haben, wurden nicht mitgezählt. Teilweise aber gab es – durchaus substantielle – Veränderungen des Verszuschnitts. So war am 22. Sonntag nach Trinitatis Micha 6 bislang lediglich in den Versen 6–8 vorgesehen; nun wurden die Verse 1–5 noch hinzugefügt. Der Micha-Text befindet sich daher unter den hier gezählten Perikopen. Aber auch einige weitere Grenz- und Entscheidungsfälle befinden sich in der Liste, die hier nicht näher ausgeführt werden können. 31 7mal Genesis; 5mal Exodus; 1mal Leviticus; 2mal Numeri; 6mal Deuteronomium. 32 Sieben Psalmen; 6mal Hiob; 4mal Prediger; 2mal Sprüche; 2mal Hoheslied; ein Text aus den Klageliedern. 33 2mal Josua; 1mal Rut; 3mal 1Sam; 4mal 1Kön; 1mal 2Chr; 12mal Jesaja; 2mal Jeremia; 4mal Ezechiel; 4mal Daniel; 1mal Amos; 4mal Jona; 2mal Micha; 3mal Sacharja. 34 Vgl. die nun zusammengefasst vorliegenden Beiträge zum Thema: Slenczka, Notger: Vom Alten Testament und vom Neuen. Beiträge zur Neuvermessung ihres Verhältnisses, Leipzig 2017.

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wurde. Es wird in den nächsten Jahren darum gehen, das Verhältnis der Testamente zueinander auch auf der Grundlage der nun erarbeiteten Perikopenrevision neu zu diskutieren. Umstritten auf dem Weg der Revision war z. B., inwiefern ältere, ‚vor-kritische‘ Verfahren der Hermeneutik – wie die Allegorie oder Typologie – in gegenwärtigen (ich würde formulieren: ‚nach-kritischen‘!) Zeiten erneut eine Berechtigung haben können. Ein Problem dieser Verfahren lag zweifellos im hermeneutischen Triumphalismus: Was im Alten Testament nur angedeutet oder vorab gezeigt wurde, wird nun in Herrlichkeit erfüllt! Erneut möglich werden diese Verfahren aber m. E., wenn sie zeigen, wie die Christusgeschichte unlösbar mit dem im Alten Testament Erzählten verbunden ist und von dort ihr Profil und ihre theologische Kontur erhält (wie dies etwa durch Ex 2,1–10 an Christfest I, 1Kön 10,1–13 an Epiphanias oder Jos 3 am 1. Sonntag nach Epiphanias geschehen kann, die allesamt allerdings nicht als bloße Lesungstexte, sondern nur als Predigttexte vorgesehen sind). Die Perikopenrevision hat dezidiert darauf verzichtet, einen hermeneutischen Generalschlüssel für die Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testa­ ment anzulegen. Ihr Ausgangspunkt war immer der vorgegebene Textraum eines bestimmten Propriums, für den konkrete alttestamentliche Texte zur Ergänzung vorgeschlagen wurden. Zu vermeiden waren problematisch-einseitige Zuordnungen von Texten, die das Alte Testament z. B. lediglich in die Rolle der ‚Verheißung‘ gebracht hätten, die dann im Neuen Testament ‚erfüllt‘ wird. Zu vermeiden waren auch einseitig antithetische Zuordnungen, die anhand alttestamentlicher Texte das Gegenteil des im Evangelium des Sonn- oder Feiertags Gesagten zur Darstellung gebracht hätten. Damit aber ergaben sich für jedes Proprium unterschiedliche Konstellationen des Verhältnisses von alt- und neutestamentlichen Texten, die insgesamt die Vielfalt der Verbindung der beiden Testamente unterstreichen. Systematisch- und biblisch-theologisch wird an der Bestimmung dieses Verhältnisses weiterzuarbeiten sein. Spezifisch liturgisch stellt sich nun aber die Frage, wie das Alte Testament im christlichen Gottesdienst sichtbar werden und welche konkrete Rolle es darin spielen kann. Jürgen Ebach hat gezeigt, dass und wie der gesamte evangelische Gottesdienst als „Klangraum des Alten Testaments“ bestimmt werden kann,35 da alttestamentliche Texte und Wendungen, Theologien und Strukturen allen Teilen des christlichen / evangelischen Gottesdienstes zugrunde liegen. Es ist zweifellos eine Aufgabe, diese Verbindung in liturgiedidaktischen Kontexten (Konfirmandenarbeit; schulischer Unterricht; Erwachsenenbildung etc.) neu zu entdecken. Aber auch im Gottesdienst selbst ist es nötig, ohne liturgiedidaktische Aufdringlichkeit und ohne die Feier des Gottesdienstes durch meta-liturgisches Erklären zu zerstören, immer wieder auf die Herkunft von Texten einerseits, vor allem aber auf die liturgische Verbindung mit Jüdinnen und Juden durch diese Texte andererseits hinzuweisen. Dazu können Gebetseinleitungen zu Psalmengebeten („Mit Jüdinnen und Juden be 35 Ebach, Jürgen: Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes, Gütersloh 2016.

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ten wir …“) ebenso dienen wie etwa der gelegentliche Hinweis im Liedblatt des Sonntags, dass es sich beim Schlusssegen um ein Wort aus Num 6 handelt und mit denselben Worten auch im jüdischen Gebetskontext gesegnet wird. Im Blick auf die Lesungen sind m. E. drei Aspekte entscheidend: (1) Die Lesung aus dem Alten Testament sollte selbstverständlich in jedem christlichen Gottesdienst vorkommen.36 (2) Die klassische Folge der Lesungen – beginnend mit dem Alten Testament über die Epistel zum Evangelium – ist m. E. keinesfalls zwingend. Eine Umordnung kann erfolgen und (je nach Predigttext und Dramaturgie des Verkündigungs- und Bekenntnisteils) sinnvoll sein. In jedem Fall ist alles zu vermeiden, was ein niedrigeres theologisches Gewicht der Lesung aus dem Alten Testament suggeriert. An diesem Punkt ist vor allem auch die Frage nach dem Stehen bei den Lesungen zu bedenken. Die in manchen Landeskirchen übliche Praxis, nur zum Evangelium aufzustehen, ist m. E. dringend zu hinterfragen. (3) Der erweiterte Textbestand aus dem Alten Testament macht es möglich, die ‚Perikopengemeinschaft‘ mit dem Judentum noch deutlicher in den Blick zu nehmen. Die Frage, wann entsprechende Tora- oder Haftara-Abschnitte in der Synagoge gelesen werden, lässt sich mit einem Blick ins Internet heute schnell beantworten.37 Eine Einleitung in die Lesung, die auf den Sitz im Leben im jüdischen Gottesdienst verweist, wäre durchaus immer wieder einmal vorstellbar. 2.2 Eine liturgische Hermeneutik der Bibel These 5: Die Perikopenrevision bietet die Chance, die Frage nach einer litur­ gischen Hermeneutik der Bibel neu zu stellen und zu erkennen, (1) wie sich biblische Texte im Klangraum der Liturgie begegnen und gegenseitig auslegen und (2) dass und wie die Bibel im Kontext der gottesdienstlichen Lesung zur ‚Heiligen Schrift‘ wird. (1) In der Metapher des Textraums wird deutlich, dass biblische Texte, die literarisch-genetisch in aller Regel nichts miteinander zu tun haben, an einem Proprium miteinander in ein Wechselspiel treten. Dies gilt vor allem für die drei Lesungstexte, den jeweiligen Predigttext, den Spruch der Woche / des Tages und den Psalm (sowie den / die Hallelujaverse, wo er / sie denn liturgisch Verwendung findet/n). Ein Textraum ist ein einerseits traditionell vorgegebener, andererseits durch die Revisionen der Perikopenordnung bewusst gestalteter biblischer Begegnungsraum, in dem sich ein intertextuelles Wechselspiel ereignet, das die einzelnen Texte verändert. So kommt etwa am 2. Sonntag nach Epiphanias der johanneische Jesus (Hochzeit zu Kana, Joh 2,1–11) mit Mose, der die Herrlichkeit Gottes schauen will (Ex 33,18–23), und Paulus, der auf seine auf das Kreuz 36 Vgl. dazu auch unten, These 7. 37 Vgl. nur die Seite https://wwwhebcal.com/sedrot [Zugriff vom 15.02.2018], die die wöchentlichen Lesungen aus Tora und Haftara (=Prophetenlesung) unterschieden nach Israel und Diaspora aktuell und im Rückblick sowie Vorausblick zur Verfügung stellt.

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fokussierte Verkündigung „in Furcht und mit großem Zittern“, aber zugleich „in Erweisung des Geistes und der Kraft“ (1Kor 2,1–10; Zitate: V. 3 und V. 4) verweist, zusammen. Die Frage, wie sich Gottes Herrlichkeit zeigt (die große Epiphanias-Frage), oszilliert zwischen erfahrbarer Präsenz der Herrlichkeit („Zeichen“; Joh 2,11) und Verborgenheit des Geheimnisses Gottes („… du darfst hinter mir her sehen“; Ex 33,23; die „Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist“; 1Kor 2,7) – und jeder einzelne Text gewinnt an Reichtum, wenn er mit Blick auf die anderen wahrgenommen wird.38 In der Exegese wurden synchrone Auslegungen von Texten vielfach ins Methodenrepertoire übernommen, wobei der liturgische Textraum dabei weit weniger hermeneutisch bedacht wird, so dass an dieser Stelle ein Desiderat exege­ tischer Forschung und ein anregender Ort für exegetisch-praktisch-theologische Forschungsprojekte besteht.39 Aber auch in der Homiletik wäre es m. E. ebenso nötig wie anregend, diese Wechselseitigkeit noch stärker als bisher aufzunehmen und das Eigene des Predigttextes bewusst im Kontext der weiteren Texte des Sonn- oder Feiertags zur Sprache zu bringen. Die Chance evangelischer Predigt im gottesdienstlichen Kontext liegt darin, Idion und Proprium zu verschränken. Den Begriff „Idion“ prägte der Erlanger Praktische Theologe Manfred Seitz und versteht darunter das spezifisch Eigene eines biblischen Textes in inhaltlicher und formaler Perspektive. Dieses Eigene ist in einer liturgischen Hermeneutik im Kontext des Klangraums der weiteren Texte wahrzunehmen. Eine Predigt, die Idion und Proprium verbindet, kommt aus dem gemeinsam gefeierten Gottesdienst, ist als Rede zu einem biblischen Text etwas anderes als die bisherige Feier, führt aber dann zurück in den gefeierten Gottesdienst. Gerade so erweist sie sich als „Unterbrechung des Ritus im Kontext des Ritus“ (Michael Meyer-Blanck).40 (2) Die Bibel ist eine Sammlung von menschlichen Worten, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden und in einem überaus komplexen Prozess zu einem Buch zusammengefasst wurden, dessen präziser Umfang zwischen den christlichen Konfessionen umstritten ist. Dieser Satz ist einerseits eine Binsenweisheit; andererseits ist es evident, dass die Bedeutung der Bibel im Kontext des Christentums mit diesem Satz allein nicht ausgesagt werden kann. Sie ist zugleich „Kanon“ und d. h. normative Autorität für eine Gemeinschaft, die sich 38 Dabei ist es freilich nochmals sehr offen, was die Gottesdienst-Feiernden aus diesem Wechselspiel der Texte ‚mitnehmen‘ bzw. ob und wie sie es überhaupt wahrnehmen. In den empirischen Studien zum Gottesdienst wird bislang immer wieder deutlich, dass die Lesungen in qualitativen Befragungen „kaum von sich aus angesprochen [werden], und die Frage nach ihnen […] meist nur einen geringen Erzählimpuls [bietet]“ (Pohl-Patalong, Uta: Gottesdienst erleben. Empirische Einsichten zum evangelischen Gottesdienst, Stuttgart 2011, 131). Genauere Studien zur Rezeption der Lesungen sind methodisch schwierig und liegen bislang nicht vor. 39 Vgl. dazu auch Nicol, Martin: Einander ins Bild setzen. Dramaturgische Homiletik, Göttingen 22005, 83–85. 40 Meyer-Blanck, Michael: Ritus und Rede. Eine Verhältnisbestimmung auf dem Hintergrund ökumenischer Theologie. In: Deeg, Alexander / Garhammer, Erich / Kranemann, Benedikt / MeyerBlanck, Michael: Gottesdienst und Predigt – evangelisch und katholisch (EKGP 1), NeukirchenVluyn 2014, 11–39, 22.

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auf sie bezieht. Und sie wird als „Heilige Schrift“ bezeichnet. (Die Lutherbibel 1912 erschien noch mit dem Titel „Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments“; inzwischen ist der Begriff „Heilige Schrift“ vom Titel der Bibelausgaben verschwunden.) Die Frage stellt sich: Wo und wie werden biblische Texte zur Heiligen Schrift? Die falsche und problematische Antwort auf diese Frage geben Biblizisten und Fundamentalisten, die die Schriftwerdung der Bibel nicht denken können, sondern das Heilige-Schrift-Sein der Bibel betonen. Diese Verwechslung führt dann zu der unendlichen Kette schrifthermeneutischer Probleme, unter denen Kirchen und Theologien nicht unwesentlich zu leiden haben und gegen die sie die besseren Argumente immer neu ins Feld führen müssen. Eine richtige Antwort auf diese Frage lautet: Die Bibel wird zur Heiligen Schrift, wo und wie es dem Geist Gottes gefällt, der die gehörten oder gelesenen ganz und gar menschlichen Worte der Bibel zu Gottes Wort für den einzelnen verwandelt. Eine andere mögliche und m. E. im evangelischen Kontext neu zu entdeckende Antwort lautet: Die Bibel wird Heilige Schrift durch die Art und Weise, wie sie im Gottesdienst gebraucht wird. Thomas Melzl unterscheidet in seiner Studie zur Schriftlesung zwei Paradigmen des Umgangs mit dem biblischen Text, die er heilig bzw. kanonisch nennt.41 Zu einem heiligen Text gehört die Praxis der rituellen Inszenierung, zu einem kanonischen Text die kritisierende bzw. kommentierende Auslegung / Inter­ pretation. Heilige Texte seien „performative Texte“, während „kanonische Texte semiotische Texte“ seien.42 Damit aber ergebe sich im evangelischen Gottesdienst eine grundlegende Paradoxie: „In der Liturgie wird genau diejenige Heiligkeit des Textes durch das ihm beigelegte Ritual behauptet, die in der (biblischen) Theologie kanonisch dekonstruiert wird.“43 Diese Paradoxie lässt sich aber m. E. auch genau umgekehrt lesen: In der Liturgie wird die Heiligkeit des Textes inszeniert und so immer neu performativ hervorgebracht, die in der biblischen Theologie (zurecht) immer wieder dekonstruiert wird. In dieser Hinsicht lässt sich gerade die Ritualität der Lesung in ihrer entscheidenden Bedeutung für den Bibelgebrauch im Protestantismus entdecken, denn nur so wird die Erwartung an das biblische Wort auch und gerade in Zeiten historisch-kritischer Dekanonisierung aufrecht erhalten.44 Einfacher gesagt: Die Kirche zeigt im Gottesdienst, dass sie mehr von der Bibel er­ wartet, als eine kritische Bibelwissenschaft jemals erkennen kann. Es lässt sich an dieser Stelle pointiert und im evangelischen Kontext zweifellos nicht un­ widersprochen45 sagen, dass die Bibel allein aus diesem Grund im Gottesdienst 41 Vgl. zum Folgenden Melzl, Thomas: Die Schriftlesung im Gottesdienst (s. Anm. 18). 42 A. a. O., 109. 43 A. a. O., 107. 44 In meiner eigenen Terminologie markiert die Lesung damit exakt die Spannung, die ich im Begriff „WortKult“ fundamentalliturgisch als bedeutsam für den evangelischen Gottesdienst markiert habe; vgl. Deeg, Alexander: Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt. Überlegungen zu einer evangelischen Fundamentalliturgik (APTLH 68), Göttingen 2012. 45 Vgl. nur die oben zitierten Überlegungen von Christian Grethlein; vgl. aber bereits Martin Luther, der in seiner 1523 erschienenen Schrift „Von ordenung gottis diensts ynn der gemeine“ vor

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gelesen werden muss, auch wenn die Texte von niemandem semiotisch entschlüsselt und kognitiv verstanden werden würden. Karl-Heinrich Bieritz argumentiert genau in diese Richtung: „Kommt – neben dem verbum Dei scriptum, dem Schriftwort, und dem verbum Dei prae­ dicatum, dem Predigtwort – auch dem verbum Dei declamatum, dem gelesenen, vorgelesenen, vorgetragenen, vor- und mitgesungenen Wort ein eigener Ort, ein eigenes Recht, ein eigener Sinn im Gottesdienst zu? […] Es macht Sinn, die Heilige Schrift zu lesen, erklingen zu lassen, zu singen – ganz unabhängig davon, wen oder was wir damit erreichen. Es ist ein Tun, das dem Leben dient und uns und andere am Leben hält. Ein Tun, das sich vor niemandem und vor nichts zu rechtfertigen braucht, sondern sich – wie das Leben auch – von selbst versteht. Ein Tun, mit dem die Kirche das Wort ehrt, dem sie sich verdankt.“46

Freilich kann man nun auch auf der Seite des Ritus vom Pferd fallen. Die spezifische Chance der Lesung scheint mir darin zu liegen, dass sie sich exakt in der Spannung von Wort und Kult verortet – und gerade so die Rolle der ‚Bibel‘ zwischen sehr alter Sammlung überaus menschlicher Texte und Heiliger Schrift hält und immer neu aus sich heraussetzt. Insofern ist die Lesung eben nicht Predigt – und die Vermischung der beiden Weisen des expliziten Umgangs mit der Bibel im Gottesdienst durch die Hinzufügung von Präfamina zur Lesung ist mindestens auf diesem Hintergrund zu problematisieren. Umgekehrt stellt sich aber umso dringlicher die Frage, wie das Bibel-Buch in der rituell-performativen Inszenierung der Lesungen Gestalt gewinnt. 2.3 Die Episteltexte als Problemfälle oder lektoral-homiletische Schätze? These 6: In der empirischen Studie vor Beginn der Revision wurden vor allem die Episteltexte kritisch wahrgenommen. In der Folge der Revision gilt es nun, die Episteltexte zu stärken und ihre Bedeutung für die Feier des Gottesdienstes, den Umgang mit der Bibel und christliches Leben der Gegenwart neu zu entdecken. 22 % der Befragten hielten „Episteltexte“ für in der gegenwärtigen Lese- und Predigttextordnung überrepräsentiert.47 Damit schneiden diese Texte als Leseund Predigttexte schlechter ab als jede andere der abgefragten Textgruppen. Luthers Verdikt gegen den Jakobusbrief, er sei eine „stroherne Epistel“,48 hat sich einer Praxis der bloßen Lesung ohne nachfolgende Predigt warnt: „Drey grosse mißbreuch sind ynn den gottis dienst gefallen. Der erst, das man gottis wort geschwygen hat, und alleyne geleßen und gesungen ynn den kirchen, das ist er ergiste mißbrauch […]“ (WA 12,35). 46 Bieritz, Karl-Heinrich: Es wechseln die Zeiten – Perikopenreformen seit 1896 und ihr hermeneutischer Horizont. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 115–133, 132 f. 47 Vgl. Pickel, Gert / Ratzmann, Wolfgang: Gesagt wird (s. Anm. 9), 104. 48 Vgl. Luther, Martin: Vorrede auf die Epistel S. Jacobi (1522). In: Bornkamm, Heinrich (Hg.): Luthers Vorreden zur Bibel, Göttingen 31989, 215–218.

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mittlerweile bei vielen Predigenden zu einem Verdikt gegen alle Brieftexte des Neuen Testaments erweitert. Sie gelten als komplex und schwer verständlich, vor allem aber als weit schwerer mit der Lebenssituation im 21. Jahrhundert vermittelbar als andere biblische Texte. In den vergangenen Jahren sind demgegenüber zahlreiche Plädoyers für die Episteltexte geschrieben worden.49 So betont Ulrich H. J. Körtner, dass die Briefe des Neuen Testaments „den Kern des neutestamentlichen und damit des gesamtbiblischen Werdens der Schrift, der Kanonisierung ihrer Einzelschriften wie auch der Idee ihrer inneren Einheit bilden“.50 Sie stünden nicht nur historisch am Beginn der Kanonisierung der Bibel, sondern markierten durch die Art und Weise ihrer Verbindung von Christusgeschehen und alttestamentlichen Texten die innere Logik des gesamten Kanons. In praktischer Hinsicht seien sie „öffentliche Briefe“ für die „versammelte Gemeinde“ und stünden somit am Ausgangspunkt des christlichen Gottesdienstes als „primäre[m] Ort der Rezeption und Interpretation biblischer Texte“.51 Für die gegenwärtige Predigt hätten Episteltexte aber schlicht auch deshalb Bedeutung, weil sie „ein Gegengift gegen die Banalisierung des Glaubens“ darstellen und zum Denken herausfordern.52 Körtner fordert, ausgehend von den Episteltexten die „Lehrpredigt“ neu zu etablieren.53 An dieser Stelle ist der Dichter und Theologe Christian Lehnert vorsichtiger. Er sieht Paulus weit mehr als Dichter denn als Systematiker und Denker. Paulus spreche „von Herzen, überstürzt und ins Unreine geredet, er korrigiert sich und treibt damit alles wieder ins Unreine weiter. […] Hier sucht jemand nach Worten für etwas, das er um Himmels willen nicht verschweigen kann.“54 Daher auch vertrügen Predigten zu diesen Briefen keine „Lehrsätze“ oder „Systembildungen“, „keine allzu große Sicherheit in der Sprache“. 55 Gleichzeitig meint Lehnert, die Briefe des Neuen Testaments seien „die ideale literarische Form für das christliche Selbstverständnis zwischen umfassender Zeitgenossenschaft und dem Wissen, nicht dieser Zeit anzugehören.“56 Näher an die Anfänge des ‚Christlichen‘ kommt man nicht heran als durch die Briefe des Neuen Testaments, allen voran die Paulusbriefe. Hier zeigt sich Theologie im Entstehen, vorsichtiger und mit Lehnert gesprochen: ein erstes Tasten und Suchen nach Worten und das Finden erster Haltepunkte in der Sprache, erster Leitern und Gerüste. In diesem Bild könnte die Lesung der Episteltexte bedeuten, uns aus der Sicherheit der fest gebauten dogmatischen Häuser bzw. der selbst zusammengezimmerten eigenen Glaubenshütte immer wieder hinaus 49 Vgl. neben den im Folgenden genannten Ulrich H. J. Körtner und Christian Lehnert z. B. auch Wilckens, Ulrich: Freude an der Epistelpredigt. In: GPM 64 (2009/2019), 2–5. 50 Körtner, Ulrich H. J.: Ein Brief Christi oder: Was hilft eine systematisch-theologische Schriftlehre für die Predigt der Episteltexte. In: GPM 64 (2009/2010), 372–378, 375. 51 Ebd. 52 A. a. O., 378. 53 Ebd. 54 Lehnert, Christian: Nur ein Augenblick noch. Meine Freude an Paulusbriefen. In: GPM 64 (2009/2010), 134–142, 137. 55 A. a. O., 137. 56 A. a. O., 142.

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zuführen in die Anfänglichkeit des Denkens und die Suche nach einer Lebensgestaltung, die dem Bekenntnis zu Jesus als dem Christus entspricht. In Zeiten, in denen die Selbstverständlichkeit des Christlichen erodiert, erschiene genau diese Haltung einladend und verheißungsvoll für die Kirche der Gegenwart. Freilich müssten dann auch Lektorinnen und Lektoren diesen Charakter der Episteltexte hörbar werden lassen. Besonders für die Episteltexte lohnt sich m. E. alle Leidenschaft, das Lesen im Gottesdienst neu zu entdecken (vgl. These 8). 2.4 Drei Lesungen im Gottesdienst These 7: Mit der Perikopenrevision besteht die Aufgabe, über dramaturgisch, liturgisch und theologisch stimmige Gestaltungen des Strukturabschnitts „Verkündigung & Bekenntnis“ neu nachzudenken – auch und vor allem über solche, die regelmäßig drei Lesungen vorsehen. In der Geschichte der Kirche hören wir von gottesdienstlichen Lesungen zunächst bei Justin. Er spricht von zwei Textgruppen, aus denen gelesen werde: „An dem Tage, den man Sonntag nennt […], findet eine Zusammenkunft aller, in Stadt und Land, statt, und es werden dabei die Denkwürdigkeiten […] oder Prophetenschriften verlesen, solange es angeht.“57 Wahrscheinlich sind mit „Denkwürdigkeiten“ die Evangelien gemeint; ob die prophetischen Schriften auch weitere Texte des erst später so genannten Alten Testaments umfassen, ist nicht ganz klar. In jedem Fall aber kamen im von Justin beschriebenen Gottesdienst der Mitte des zweiten Jahrhunderts Texte aus den Kanonbereichen vor, die wir heute meist als Altes und Neues Testament bezeichnen. Dass auch die Briefe der Apostel in den Versammlungen verlesen wurden, ergibt sich bereits aus dem Neuen Testament selbst (vgl. nur 1Thess 5,27; Kol 4,16 u.ö.). Im Lauf der Geschichte der Kirche traten die Lesungen aus dem Alten Testament im Gottesdienst am Sonntagmorgen / in der Messe immer weiter zurück und die Lesepraxis konzentrierte sich auf Evangelium und Epistel – was dann auch für den evangelischen ‚Hauptgottesdienst‘ am Sonntagmorgen galt. Erst die Revision 1978 bestimmte für jeden Sonn- und Feiertag neben den Lesungen aus Evangelium und Epistel einen Text als alttestamentliche Lesung. Gegenwärtig scheint eine Lesung plus Predigttext das zu sein, was von vielen als im evangelischen Gottesdienst machbar und sinnvoll erlebt wird. In der bereits genannten empirischen Studie vor Beginn der Perikopenrevision sprechen sich 43 % der Befragten deutlich, weitere 31 % eher für diese Lösung aus,58 die – wie die Befragung ebenfalls zeigt – in der Mehrheit der evangelischen Gemeinden an einem Sonntagvormittag die Regel sein dürfte (in der Studie gaben demgegenüber 26 % der Befragten an, dass bei ihnen üblicherweise drei Lesungen im 57 Justin, Apologie (ca. 150–155), hier zitiert nach Meyer-Blanck, Michael: Liturgie und Liturgik. Der Evangelische Gottesdienst aus Quellentexten erklärt (UTB 3196), Göttingen 22009, 94 f. 58 Pickel, Gert / Ratzmann, Wolfgang: Gesagt wird (s. Anm. 9), 105.

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Gottesdienst vorkämen). Wenn zwei Texte gelesen werden, wird der Predigttext von mehr als zwei Drittel der Befragten zu Beginn oder während der Predigt gelesen. Nur 8 % lesen ihn immer zusammen mit den übrigen Lesungen. Das übrige Viertel entscheidet dies je nach der aktuellen Predigtreihe. Damit hat sich eine Tendenz fortgesetzt, die sich in liturgiewissenschaftlicher Reflexion bereits bei Schleiermacher greifen lässt. Schleiermacher argumentierte ästhetisch von der Einheit des Gottesdienstes aus. Für ihn war es keine Frage, dass sich die Predigt auf ein Bibelwort beziehen müsse, aber sehr wohl eine Frage, ob daneben noch eine weitere „Vorlesung aus der Schrift“ im Gottesdienst erscheinen solle.59 Schleiermacher erkannte – vor den Revisionen des Perikopensystems seit Ende des 19. Jahrhunderts –, dass die vorgesehenen „Schriftabschnitte“ häufig „in keinem Zusammenhange mit dem besonderen Inhalt des jedesmaligen Cultus stehen“.60 Andere Argumente für die Verlesung werden von Schleiermacher erwogen, aber verworfen: Die Idee, dass man die Bibel aus didaktischen Gründen zu Gehör bringen müsse, weil es neben dem Gottesdienst keinen anderen Unterricht gebe und die Menschen keine Bibeln hätten, sei nicht länger gültig. Außerdem seien nur „wenig Schriftabschnitte […] ohne Erläuterung“ von sich aus verständlich.61 Von daher sei die von der Predigt unabhängige Schriftlesung nur ein historisch-tradiertes Relikt und im Blick auf die „Vollkommenheit des Gottesdienstes“, die in seinem „organischen Zusammenhang“ bestehe, gegenwärtig abzulehnen.62 Schleiermachers Idee der Einheit und des organischen Zusammenhangs des Cultus hat sich inzwischen flächendeckend im evangelischen Bereich durchgesetzt. Die Leitmetapher dafür lautet „roter Faden“. Im Kontext der 2008/2009 durchgeführten Rezeptionsstudie zum Evangelischen Gottesdienstbuch stimmten 47,6 % der Befragten der Aussage „Es ist wichtig, dass ich als Pfarrerin / Pfarrer einen thematischen ‚roten Faden‘ für den Gottesdienst entwickle“ „voll und ganz zu“, weitere 39,2 % votierten für die zweithöchste der fünfstufigen Zustimmungsskala. Lediglich 10,1 % wählten den Mittelwert – und vernachlässigbare 2,5 % bzw. 0,7 % stimmten dieser Aussage nicht zu.63 Der „rote Faden“ ist so etwas wie ein liturgisches Grundbekenntnis derer, die gegenwärtig evangelische Gottesdienste gestalten. Dramaturgisch ist diese Wahrnehmung in jeder Hinsicht verständlich; theologisch ist sie dennoch nicht unproblematisch. Der „Faden“, den der Pfarrer / die Pfarrerin in der Hand hält und an dem er / sie die Gemeinde führt, bedeutet auf

59 Schleiermacher: Friedrich: Die praktische Theologie nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, hg. v. Jacob Frerichs, Berlin 1850, 136. 60 Ebd. 61 A. a. O., 138. 62 Ebd. 63 Schulz, Claudia / Meyer-Blanck, Michael / Spieß, Tabea (Hg.): Gottesdienstgestaltung in der EKD. Ergebnisse einer Rezeptionsstudie zum „Evangelischen Gottesdienstbuch“ von 1999, Gütersloh 2011, 246; vgl. Meyer-Blanck, Michael: Zentrum und „roter Faden“. Das Verhältnis von Litur­g ie und Predigt in der Sicht der Befragten der Studie, a. a. O., 120–138.

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der Gegenseite die Gefahr, dass das Kommunikationsgeschehen des Gottesdienstes von der thematischen Einsicht des / der jeweils den Gottesdienst Leitenden bestimmt wird – und die Offenheit verschwindet, die sich dort einstellen kann, wo diese/r Leitende die – die eigene thematische Erkenntnis potentiell erweiternden oder hinterfragenden – Vorgaben der Tradition aufnimmt und auch andere Worte hörbar werden lässt, die den eigenen roten Faden herausfordern und die auf den ersten Blick nur sperrig in das eigene thematische Arrangement passen. Diskussionen zu dieser Frage haben die Überlegungen zur Perikopenrevision immer wieder geprägt. Dabei war allerdings nicht von der „Einheit des Cultus“ als Leitmotiv die Rede, sondern von Konsonanz der Texte eines Propriums. Zweifellos wird in den kommenden Jahren zu prüfen sein, ob dieses Kriterium bei manchen Proprien zu deutlich in Anschlag gebracht wurde, so dass die Texträume durch die Entfernung der Texte, die einen ‚schrägen Ton‘ in den Zusammenklang der anderen gebracht haben, zu monoton daherkommen. Aber nicht nur in theologisch-hermeneutischer, sondern auch in dramaturgischer Hinsicht könnten auf den ersten Blick widerständige Texte durchaus anregend sein. Es gibt sie ja, die evangelischen Gottesdienste, die nach Angabe des ‚Leitmotivs‘ oder gar ‚Themas‘ in der Begrüßung so verlässlich langweilig werden, dass man als Mitfeiernder die sich abspulende Konventionalität bereits bis ins Detail hinein vorausahnen kann. Der ‚Einbruch‘ fremder und potentiell die Einlinigkeit des ‚Themas‘ oder roten Fadens aufsprengender Texte könnte solcher Langeweile entgegentreten. Es wäre m. E. wünschenswert, wenn evangelische Gottesdienste künftig in der Regel drei Lesungen aus allen drei lektoralen Gruppen (Altes Testament, Epistel, Evangelium) aufweisen würden. Das Alte Testament erscheint  – wie oben bereits gezeigt  – für jeden christlichen Gottesdienst unverzichtbar, weil durch die Worte, Bilder und Geschichten der Hebräischen Bibel allererst der Wahrheitsraum eröffnet wird, in dem die Texte des Neuen Testaments ihre Bedeutung entfalten.64 Freilich ist das Alte Testament auch jenseits der Lesung vielfach im Gottesdienst präsent. Aber die Lesung aus dem Alten Testament bietet die Chance, diese Präsenz auch explizit und an hervorgehobenem Ort sichtbar zu machen. Die Texte der Evangelien führen am direktesten zur Ursprungsgeschichte des Christentums, die sich in jedem Gottesdienst auf spezifische Weise wieder-holt.65 Die Episteltexte nehmen – wie gezeigt – mit hinein in die unabgeschlossene Bewegung des Fragens und Suchens nach einem sprachlichen Ausdruck für die Erfahrung des Glaubens und nach Lebensmöglichkeiten im Kontext der Christuswirklichkeit. Mit einer solchen Beschreibung wird klar,

64 Vgl. Crüsemann, Frank: Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen. Die neue Sicht der christlichen Bibel, Gütersloh 22015. 65 Vgl. auch Körtner, Ulrich H. J.: Gegeben und bezeugt – Systematisch-theologische und rezeptionsästhetische Gesichtspunkte für eine Reform der Lese- und Predigtperikopen. In: Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 2), 15–43, 33 f; vgl. zum Kierkegaardschen Begriff der Wiederholung: Kierkegaard, Sören: Die Wiederholung. Übersetzt, mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Rochol, Hamburg 2000.

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dass und wie sich die unterschiedlichen Texte wechselseitig bereichern und die – historisch zweifellos kontingente – Dreizahl der Lesungen sinnvoll erscheint.66 Einen Entwurf für einen „Evangelischen Wortgottesdienst“, der selbstverständlich drei Lesungen enthält, hat Martin Nicol vorgelegt.67 Herbeibringung der Lesungsbibel Lesung I: Altes Testament Psalm (im Wechsel gesungen / Psalmlied)  Lesung II: Epistel Halleluja (Gemeinde / Chor) Lied (Wochenlied) Lesung III: Evangelium Credo Aufbewahrung der Lesungsbibel

Nicol schlägt vor, die Predigt nach dem Text folgen zu lassen, auf den sie sich bezieht. Aber auch die Reihenfolge der Lesungen hält er für variabel. Zum Psalm bemerkt Nicol: „Als ‚Introitus‘ macht die Psalmodie schon deshalb keinen Sinn, weil niemand dazu ‚einzieht‘. Es ist zu erwägen, die Psalmodie als Gesang zwischen die Lesungen zu positionieren.“68 Dies würde dem Graduale entsprechen, dem auf die erste Lesung in der römischen Messe folgenden responsorischen Psalm, und somit einen Anschluss an die liturgische Tradition bedeuten. Problematisch an diesem interessanten Vorschlag erscheint mir lediglich die Stellung des Halleluja. Es an die Epistellesung anzuhängen, ist in vielen Gottesdiensttraditionen zwar üblich, liturgisch-syntaktisch aber falsch. Traditionell hat es seinen Ort vor der Evangelienlesung: „Mit dieser Akklamation wird Christus im Gottesdienst aller Konfessionen vor dem Evangelium, der Verkündigung seiner Siegesbotschaft, begrüßt“69, stellt etwa Rupert Berger fest. Er schreibt weiter: „Der Halleluja-Ruf wird angestimmt, sobald der Weihrauch eingelegt ist und die Prozession mit dem Evangelienbuch beginnt; die Gemeinde erhebt sich dazu.“70 Diese Praxis des Halleluja-Singens setzt praktisch ein Evangeliar und inhaltlich eine Höherschätzung des Evangeliums gegenüber den anderen Worten der Bibel voraus, die in der theologischen Tradition mit einer intensiveren bzw. unmittelbareren Christus-Gegenwart im Wort des Evangeliums 66 Etwa das KLAK-Perikopenmodell hat gezeigt, dass sich aufgrund der Fülle und Verschiedenheit der Texte im Alten Testament jeweils interessante Perspektiven ergeben, wenn Texte aus unterschiedlichen Textgruppen für jeden Sonn- oder Feiertag gesucht werden. Das Modell nahm die jüdische Dreiteilung in Tora, Propheten und Schriften auf und bot für jeden Sonn- und Feiertag einen Text aus jeder dieser Gruppen. So war es möglich, das klassische Schwergewicht christlicher Rezeption des Alten Testaments, das bei den Prophetentexten liegt, zu verschieben und gerade im Tora- und Schriftenbereich überraschende, neue Texte und anregende theologische Aspekte wahrzunehmen. – Ob sich in einer künftigen Revisionsbemühung ein Modell der fünf Textgruppen doch etablieren könnte? 67 Vgl. zum Folgenden: Nicol, Martin: Weg im Geheimnis (s. Anm. 27), 158 f. 68 A. a. O., 160. 69 Berger, Rupert: Pastoralliturgisches Handlexikon. Freiburg / Basel / Wien 32005, 190 f. 70 Ebd.

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begründet wurde. Ein Evangeliar ist im evangelischen Gottesdienst nicht vorhanden; und die Theologie, die hinter der Höherschätzung des Evangeliums liegt, scheint mir kaum begründbar. Im Gegenteil waren bereits die Reformatoren des 16. Jahrhunderts überzeugt, dass sich Gottes Geist aller Worte der Bibel als Medien bedienen kann, um dem einzelnen Rezipienten sein Wort zu sagen. Es gibt keine Höhergewichtung mancher biblischer Worte gegenüber anderen, keine dichtere Christusgegenwart in den Texten der vier Evangelien im Vergleich zu alttestamentlichen oder Epistel-Texten. Auf diesem Hintergrund wäre m. E. zu überlegen, das Halleluja in dem Moment anzustimmen, in dem die Lesungsbibel bzw. das Lektionar vom Altar geholt und auf den Ambo getragen wird.71 Damit ergäbe sich folgender Ablauf, der im Blick auf die Abfolge der Lesungen und den Ort der Predigt variabel gestaltet werden könnte: Herbeibringung der Lesungsbibel / des Lektionars (mit begleitendem Halleluja-Gesang) Lesung I: Altes Testament Graduale / Psalm (im Wechsel gesungen / Psalmlied)  Lesung II: Epistel Lied (Wochenlied)  Lesung III: Evangelium Credo Aufbewahrung der Lesungsbibel

2.5 Inszenierung der Lesung zwischen Tradition und Innovation These 8: Die Stärkung der Bedeutung der Lesungen im evangelischen Gottesdienst ist (1) durch die Wiedergewinnung eher traditioneller und ritueller Inszenierungen und (2) durch die Entwicklung neuer und kreativer Gestaltungen der Lesungen möglich.72 Die Perikopenrevision bietet die Chance, die Aufmerksamkeit der liturgisch Gestaltenden in den kommenden Jahren bewusst einmal wieder auf die für eine „Kirche des Wortes“ und eine Kirche, die sich als creatura verbi versteht, so zentrale biblische Lesung zu lenken. Dabei scheinen mir zur Stärkung der Lesung zwei Wege denkbar: (1) Der erste Weg lehnt sich an Wahrnehmungen in der christlichen Ökumene, aber auch im Judentum an. In der orthodoxen „Göttlichen Liturgie“ und in der katholischen Messe werden die Lesungen aus der Bi 71 Nicol spricht sich (vgl. ders., Weg im Geheimnis, [s. Anm. 27], 160) deutlich gegen ein Lektionar aus; so sehr ich seine Vorliebe für eine Lesungsbibel teile, würde ich hier milder urteilen und das Lektionar schon allein wegen seiner praktischen Vorteile für die gottesdienstliche Lesung empfehlen. 72 Vgl. zum Folgenden insgesamt Block, Johannes: Der Klang des Wortes. Die Lesung im Gottesdienst als dramaturgische Gelegenheit. In: Musik und Kirche 80 (2010), 84–94.

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bel – vor allem: die Lesung aus dem Evangelium – aufwendig inszeniert.73 Die Rolle und Bedeutung der Lesungen wird so auch symbolisch-rituell sichtbar. Auch im Judentum findet sich im Morgengebet am Schabbat (sowie am Montag und Donnerstag) eine rituell ausführlich gestaltete Praxis der Lesung aus der Tora, die Anamnese des Sinai-Geschehens ist: Die Gabe der Tora wird in der Mitte der Gemeinde reinszeniert. Dabei ist eine Beobachtung interessant: In der klassischen jüdischen Reformbewegung der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Verständlichkeit der Tora-Lesung häufig als oberstes Kriterium gesetzt. Die für viele unverständliche hebräische Lesung wurde durch landessprachliche Tora-Lesungen ergänzt bzw. ganz ersetzt. Über einige Jahrzehnte wurde in vielen Reformgemeinden die Tora nur in der Landessprache vorgetragen. Seit den 1970er Jahren aber entstand – ausgehend von den USA – eine Bewegung, die die in orthodoxen Gemeinden nach wie vor praktizierte Lesung aus der Tora-Rolle im hebräischen Original wieder aufnahm. Teilweise lesen Gemeindeglieder die Übersetzung parallel mit, teilweise wird diese im Anschluss gelesen, teilweise wird darauf auch ganz verzichtet. Inzwischen aber ist die hebräische Tora-Lesung in den allermeisten Synagogen der Reformbewegung wieder üblich. Das oben bereits ausgeführte Paradigma der Ritualität, das die Heiligkeit der Schrift performativ aus sich heraussetzt, wird erneut als bedeutsam erfahren. Für die evangelische Kirche wird dies wohl eher nicht bedeuten, dass sie zu ursprachlichen Lesungen zurückkehrt (obwohl sich Martin Luther dies durchaus hätte vorstellen können!74). Aber die (Re-)Etablierung liturgisch-ritueller Lese-Gestalten, die die Bedeutung des biblischen Wortes in der Inszenierung zum Ausdruck bringen, wäre durchaus zu erwägen – und wird an manchen Orten bereits seit längerer Zeit praktiziert. Dazu kann die ‚Prozession‘ mit dem Bibelbuch gehören – wenigstens vom Altar zum Ambo / Leseort, ggf. aber auch in die Mitte der Gemeinde, von wo dann die Lesungen erfolgen. Diese kann begleitet werden von Kerzen (oder gar von Weihrauch?75), und auch der kantillierende Vortrag kann wiederentdeckt oder weiter gepflegt werden. (2) Andererseits lohnt es sich, kreativ nach Wegen zu suchen, damit die Lesungen nicht einfach nur schnell verklingen, sondern Bedeutung gewinnen. Warum sollte derselbe biblische Text nicht auch einmal von mehreren Stimmen nacheinander gelesen werden – jung und alt, Frau und Mann, Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, Berufen etc.? Für die Gemeinde könnte so nicht nur der Text neu reizvoll werden, sondern auch das Hörvermögen geschärft. Jede und jeder wird Nuancen anders lesen, wird anders betonen, andere Emotionen in die Lesung legen. Wenn nur endlich das Missverständnis aus der Welt geschafft ist, dass entscheidend nur sei, dass man ‚laut und langsam‘ genug 73 Eine knappe Beschreibung findet sich bei Nicol, Martin: Weg im Geheimnis (s. Anm. 27), 144–146. 74 Vgl. Luther, Martin: Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes, 1526; bei: MeyerBlanck, Michael: Liturgie und Liturgik (s. Anm. 57), 47. 75 Vgl. z. B. die Diskussion im Deutschen Pfarrerblatt in der Juni- und Augustausgabe 2007 zum Weihrauch im evangelischen Gottesdienst; vgl. auch Raithel, Andreas: Weihrauch in den protestantischen Kirchen des sächsischen Erzgebirges. In: Erzgebirgische Heimatblätter 30 (2008), 21–23.

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lese, damit die Worte bis nach hinten im Kirchenraum gehört werden, könnte auch ein Sinn für diese Art der wiederholten Lesung entstehen. Das Experiment mit unterschiedlichen Lese-Orten (aus der Mitte der Gemeinde, von der Empore, von hinten …) wäre ebenfalls möglich. Ein- und derselbe Text könnte auch aus unterschiedlichen Übersetzungen vorgelesen werden. Ebenfalls bereits vielfach erprobt wurden Lesungen im Wechselspiel mit Musik – als grundierender Begleitung oder als Unterbrechung der Lesung. Ein ganz einfaches ‚Verfahren‘ zur Steigerung der Bedeutung der Lesung wäre die Stille – nach der Lesung, aber warum eigentlich nicht auch einige Sekunden lang vor der Lesung. Es könnte die Möglichkeit geben, sich einzustimmen, innerlich ruhig zu werden und bereit zu hören.76 Im deutschsprachigen evangelischen Gottesdienst ist es (erstaunlicherweise) kaum üblich, dass die Gemeinde die Lesungen in der Bibel selbst mitliest und mitverfolgt – eine Praxis, die weltweit im Protestantismus an vielen Orten begegnet. Sie hat zweifellos ihre gewichtigen Nachteile, aber auch ihre Chancen könnten in den kommenden Jahren erprobt werden. Eine letzte Frage, die ich nur andeute: In welcher Haltung hört die Gemeinde die Lesung? Regional und je nach Tradition ist es sehr verschieden, ob die Gemeinde insgesamt zu den Lesungen sitzt oder steht oder nur teilweise beim Evangelium steht. Zweifellos eignet sich das Stehen eher für die unter (1) genannten, die Ritualität der Lesung betonenden Verfahren. Die Möglichkeiten unter (2) dauern schlicht länger und heben die Buch-Gestalt nicht hervor, so dass hier ein sitzendes Rezipieren angemessener wäre. 2.6 Das Kirchenjahr und die Perikopenrevision These 9: Die Weihnachtszeit und die Passionszeit werden durch die Perikopenrevision präziser bestimmt, das Ende des Kirchenjahres vorsichtig neu strukturiert, und einige weitere Feste und Gedenktage hinzugefügt. Auch im Bereich des Kirchenjahres steht die Revision so für eine traditionskontinuierliche Weiterentwicklung. Die Entscheidung für eine moderate Revision der Lese- und Predigttextordnung bedeutete auch, das evangelische Kirchenjahr zu bewahren und weiter zu entwickeln. Die in der Diskussion durchaus erwogenen Möglichkeiten, das Kirchenjahr jenseits der geprägten Festzeiten Weihnachten und Ostern (mit den entsprechenden Vor- und Nachzeiten) aufzulösen und – wie in der katholischen Kirche und den Drei-Jahres-Ordnungen – Sonntage im Jahreskreis zu zählen, wurden nicht realisiert.77 Veränderungen gab es aber in der Weihnachts 76 Dass das ‚Hören‘ phänomenologisch und theologisch eigene Aufmerksamkeit verdient, zeigt z. B. Lincoln, Ulrich: Die Theologie und das Hören (HUT 65). Tübingen 2014. 77 Ebenfalls nicht weiterverfolgt wurden die Überlegungen der Liturgischen Konferenz im Revisionsvorschlag 1995, die Trinitatiszeit zu strukturieren (Sonntage nach Trinitatis bis Johannes; Sonntage nach Johannis bis Michaelis; Sonntage nach Michaelis bis zum Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres; vgl. Trappe, Christian: Der Reformversuch von 1995 [s. Anm. 6], 146).

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zeit, die nun vom Christfest bis zum Letzten Sonntag nach Epiphanias in der Kirchenjahresfarbe weiß gestaltet sein und orientiert an dem „Tag der Darstellung des Herrn / Lichtmess“ (2. Februar) ein klar bestimmtes Ende finden wird: Der letzte Sonntag nach Epiphanias ist der Sonntag nach Lichtmess (oder Lichtmess selbst). Diese Regelung bedeutet eine Anknüpfung an die Tradition, wie sie vielfach in evangelischen Kreisen (noch) gepflegt wird (deutlich wahrnehmbar etwa im Erzgebirge), und einen Anschluss an die Ökumene (die Weihnachtszeit mit Lichtmess zu beenden, war jahrhundertelang katholische Tradition; das Zweite Vatikanische Konzil bestimmte allerdings den ersten Sonntag nach Epiphanias als Ende der Weihnachtszeit, was sich freilich in der Praxis weithin nicht durchgesetzt hat). Die Sonntage, die nach dieser Weihnachtszeit und vor der mit dem Aschermittwoch bzw. mit Invokavit beginnenden Passionszeit liegen, werden „Sonntage vor der Passionszeit“ – und bewusst nicht „Vorpassionszeit“ – genannt. Es geht nicht um eine Ausweitung bzw. Verlängerung der Passionszeit. Daher ist diesen Sonntagen auch bewusst ein Hallelujavers beigegeben. Am Ende des Kirchenjahres wurden die drei letzten Sonntage nochmals eigens betrachtet und in ihrem Charakter akzentuiert. Dabei erhält der Drittletzte Sonntag im Kirchenjahr ein Proprium, das – auch angesichts der vielfach begangenen Friedensdekade – auf „Frieden“ fokussiert ist; der Vorletzte Sonntag im Kirchenjahr konzentriert sich auf das „Gericht“. Beide Sonntage können – so explizit die Rubrik – getauscht werden. Der Letzte Sonntag im Kirchenjahr kann nun wie bisher als Ewigkeitssonntag oder gleichwertig auch als Totensonntag gefeiert werden. Dazu wurde das bereits bisher bestehende Proprium des „Gedenktags der Entschlafenen“78 gründlich überarbeitet. Im Bereich der „Weiteren Feste und Gedenktage“ gab es einige Hinzufügungen. Besonders markant sind der 9. November (Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome) sowie der 27. Januar (Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus). An beiden Tagen werden bereits jetzt vielerorts Gottesdienste gefeiert, so dass sich die Entwicklung eigener und völlig neu gestalteter Proprien nahelegte. Das gilt auch für den 11. November (Martinstag) und den 6. Dezember (Nikolaustag). Mit Martin von Tours und Nikolaus von Myra wurden damit erstmals nicht-biblische Heilige in die Reihe der Gedenktage der evangelischen Kirche aufgenommen. Diese vorsichtigen Verschiebungen zeigen erneut, wie Liturgie auf Fragestellungen und Herausforderungen der Gegenwart reagiert und was traditionskontinuierliches Arbeiten bedeutet. 2.7 Themenfelder und die Möglichkeiten zu situativer Textwahl These 10: Die Vorgabe von Lese- und Predigtperikopen ist keineswegs die einzige Möglichkeit der Textwahl im evangelischen Gottesdienst. Selbstverständlich wählen Gottesdienst-Gestaltende aus verschiedenen Gründen Texte jenseits der

78 Vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch 1999, 484 f.

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Perikopenordnung. Die Perikopenrevision stärkt die Möglichkeit individueller Textwahl, indem sie biblische Texte zu Themenfeldern anbietet. Die Perikopenrevision macht (hoffentlich) mit einem veränderten Speiseangebot am Tisch des Wortes die Lust an der Bibel größer. Aber gleichzeitig geht die Perikopenrevision auch auf die vielfältigen Wünsche ein, die Möglichkeit situativ passender Textwahl anzuregen. Im Zuge der Revision wurde dazu die Idee diskutiert, zu bestimmten Anlässen (z. B. Sportveranstaltungen oder Katastrophen) Proprien mit drei oder sechs biblischen Texten aus den Bereichen Altes Testament, Epistel und Evangelium vorzuschlagen. Dies allerdings erwies sich praktisch schon allein aufgrund der Vielfalt höchst unterschiedlicher Situationen, in denen diese Proprien Verwendung finden müssten, als unmöglich. Stattdessen wurden Themenfelder erarbeitet, die jeweils Texte aus den verschiedenen Textgruppen (einschließlich der Psalmen) mit kurzen Inhaltsbeschreibungen anbieten (etwa zu „Bildung“, „Handeln  – Verantwortung“ bzw. „Leben  – Lebenslauf“). Sie sollen es für Gottesdienst-Gestaltende schnell möglich machen, die zugrunde liegende Situation mit passenden, erschließenden und herausfordernden biblischen Texten zu verbinden. Die Fülle der Texte, die jeweils genannt werden, regt hoffentlich auch dazu an, nicht nur einen Text für die Predigt auszuwählen, sondern Texträume zu konstruieren, in denen der Predigttext von anderen Texten begleitet, gestützt und in einen weiteren Horizont gerückt wird.

3. Live vorlesen im Zeitalter der Digitalität – eine Schlussbemerkung Es wäre möglich, eine Arbeit am Vorlesen biblischer Texte im Gottesdienst noch viel grundsätzlicher in Frage zu stellen, als Christian Grethlein dies in seiner bereits erwähnten Kritik an der Perikopenrevision getan hat. Zwei Richtungen dieser Infragestellung wären denkbar: (1) Hat sich die Idee, wonach „ein einzelner Kanon […] die universale Wahrnehmungsgeschichte Gottes ersetzen“ könne, nicht überlebt?79 Mit dieser Frage radikalisiert Klaus-Peter Jörns das, was Wolfhart Pannenberg in systematisch-theologischer Perspektive bereits 1962 als „Krise des Schriftprinzips“ bezeichnete.80 Das ‚evangelische Schriftprinzip‘, das bei der Leipziger Disputation 1519 erstmals von Luther in dieser Deutlichkeit benannt wurde und 2019 sein 500. Jubiläum feiert, geriet durch den Siegeszug historischen Denkens auf dem Weg in die Neuzeit in die Krise. Je deutlicher die 79 Jörns, Klaus-Peter: Notwendige Abschiede. Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum. Gütersloh 32006, 154 [vgl. insgesamt 154–187]. 80 Pannenberg, Wolfhart: Die Krise des Schriftprinzips. In: Ders.: Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. 1, Göttingen 22011, 11–21; vgl. zur Einordnung des sogenannten Schriftprinzips in die theologische Entwicklung seit der Reformation Stengel, Friedemann: Sola scriptura im Kontext. Behauptung und Bestreitung des reformatorischen Schriftprinzips (ThLZ.F 32). Leipzig 2016.

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Einsicht in die historische Kontingenz der einzelnen biblischen Texte und des biblischen Kanons insgesamt formuliert wurde, desto schwieriger wurde es, die theologisch und kirchlich normative Gültigkeit des Kanons argumentativ zu behaupten. Karl Barth, der die Normativität des Kanons schlicht aus der Gegebenheit des Kanons ‚begründete‘ und eben damit die Figur der ‚Begründung‘ ad absurdum führte, versuchte, den gordischen Knoten neuzeitlicher Bestimmung von Schriftautorität zu durchschlagen.81 Praktisch-theologisch wird diese Diskussion vor allem dort relevant, wo gefragt wird, warum eigentlich nur biblische Texte und nicht auch andere religiös bedeutsame Texte aus Geschichte und Gegenwart im Gottesdienst gelesen werden sollten. Für Klaus-Peter Jörns würde eine solche Ausweitung bedeuten, die „universale Wahrnehmungsgeschichte Gottes“ in den evangelischen Gottesdienst einzubeziehen und so die biblische Verengung zu vermeiden. M. E. liegt hier eine problematisch einseitige Wahrnehmung des Kanons in seiner theologischen und praktischen Bedeutung vor. Die Pointe des Kanons liegt nicht darin, die Weite des wahrnehmbaren Gotteshandelns zu begrenzen, sondern darin, dass sich in, mit und durch die jeweils neue Lektüre dieser kanonischen Texte Gott allererst in der Weite seiner Weltwirklichkeit erschließt. Es geht komplex formuliert um eine epistemologische Begrenzung mit dem Ziel der Eröffnung phänomenologischer Weite. Einfacher gesagt: Die Worte, Bilder und Geschichten der Bibel erweisen sich immer neu als Sehhilfen, um die eigenen Wirklichkeiten und die Wirklichkeiten dieser Welt mit der Geschichte Gottes zu verbinden. Genau dies kann geschehen, wenn auch im Gottesdienst immer neu diese Texte verlesen werden. (2) Die zweite grundlegende Frage lautet: Hat sich das Vorlesen als Kulturtechnik nicht grundlegend überlebt? Ähnlich argumentierte bereits Schleier­ macher vor 200 Jahren: In den Anfängen der Entstehung christlicher Gemeinden und selbstverständlich auch in den Zeiten bis an die Wende zur Neuzeit war das Vorlesen schon allein deshalb nötig, weil es nur sehr wenige und nur sehr teuer herzustellende Schriften gab. Dies änderte sich erst in der „Gutenberg-­Galaxis“82, wobei es erneut Jahrhunderte dauerte, bis Bücher sich quer durch die Schichten der Bevölkerung verbreiteten und die meisten Menschen lesen konnten. Heute liegt der Alphabetisierungsgrad in Deutschland und den westlichen Industrieländern bei annähernd 100 %, wobei es allerdings in Deutschland geschätzt vier bis zehn Millionen sogenannter funktionaler Analphabeten gibt. Dass die Menschen, die in Gottesdienste kommen, lesen können, wird (außer etwa bei Gottesdiensten für kleine Kinder oder in Alten- und Pflegeeinrichtungen) in der Regel schlicht vorausgesetzt. Gesangbücher oder Liedblätter werden verteilt, Liedtexte projiziert und Liednummern auf Anzeigetafeln sichtbar gemacht. Warum aber steht dann jemand im Gottesdienst auf und liest aus der Bibel vor? 81 Vgl. dazu Deeg, Alexander: Von der vierfachen Gestalt des Wortes Gottes. Eine evangelische Perspektive zur Frage nach der Christusgegenwart in der Verkündigung der Schrift. In: LJ 67 (2017), 29–46. 82 Vgl. Marshall McLuhans Beschreibung des medialen Umbruchs durch den Buchdruck; Ders.: Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Mit einem Vorwort von Richard Cavell, übersetzt von Max Nänny. Hamburg / Berkely (CA) 2011.

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Theoretisch könnten die Bibeltexte für den Sonn- oder Feiertag schlicht auf dem Gottesdienstblatt abgedruckt werden oder es könnten die Bibeln, die in manchen Kirchen ohnehin bereit liegen, genutzt und die Gemeinde gebeten werden, das biblische Wort nun jeweils für sich zu lesen. Wahrscheinlich würden Gottesdienstfeiernde auf diese Weise sogar mehr von den biblischen Texten behalten, als sie es derzeit häufig tun. Aus mindestens drei Gründen aber erscheint es nicht nur sinn-, sondern auch verheißungsvoll, die Praxis des lauten Vorlesens unbedingt beizubehalten: (1) In theologischer Perspektive gewinnt das biblische Wort so eine Lautgestalt. Die viva vox evangelii ist nicht zuerst eine lesend Erarbeitete, sondern eine gehörte Stimme. Für Martin Luther war dies von entscheidender Bedeutung, weswegen er auch bei der individuellen Lektüre der Bibel dringend für das laute Lesen plädierte – und so im Blick auf die Bibel gegen eine kulturgeschichtlich noch recht junge Entwicklung hin zum stillen Lesen argumentierte. (2) In anthropologischer Perspektive gewinnt das Wort nicht nur allgemein eine menschliche Lautgestalt, sondern verbindet sich mit der Leiblichkeit eines bestimmten Menschen und tritt so in einer spezifischen Aneignungsform entgegen. Freilich: Diese kann Leidenschaft im Umgang mit dem Wort ebenso ausdrücken wie eigene Ratlosigkeit angesichts der Komplexität dieses Wortes oder schlichtes Desinteresse an dem, was da eben verlesen werden muss. Aber wie dem auch sei: Die Lesung bedeutet Leibwerdung des Wortes. (3) In kulturwissenschaftlicher Perspektive liegt das Vorlesen durchaus im Trend. Hörbücher, die bis dahin eher Nischenprodukte waren, haben vor allem seit den 1990er Jahren an Bedeutung gewonnen83 und sind inzwischen als CDs bzw. im Download ein nicht unwesentlicher Teil des Umsatzes von Verlagen. Homepages wie vorleser.net bieten (in diesem Fall: kostenlose) Hörbücher zum Herunterladen an; hoerbuch FM .de ist ein ganz auf Hörbücher konzentriertes Webradio. Am 28.7.2014 konstatierte Sandra Kegel in der FAZ einen im Zeitalter des Internets und der vielfältigen visuellen Reize kaum mehr für möglich gehaltenen „Hörbuch-Boom“.84 Die Reduktion auf die bloße Stimme bedeute die Möglichkeit für das Tätigwerden der eigenen Phantasie (wie auch bei der Lektüre eines Buches), biete aber zugleich die Begegnung mit einer Lautgestalt des Textes, die durch die fremde Leserperspektive herausfordert und gegenüber dem eigenen Lesen Anderes entdecken lässt. Kegel schreibt: „Kein Text, und sei er noch so vertraut, erfüllt unsere Erwartungen, wenn er auf einmal gehört statt gelesen wird“ – und genau dieser Überschuss mache einen Reiz des Vorlesens aus. (Es könnte sich lohnen, in Fortbildungen von Lektorinnen und Lektoren einmal bewusst unterschiedliche Hörbücher zu denselben Texten wahrzunehmen, um so zu erkennen, welche Rolle das Vorlesen für die Wahrnehmung des Textes spielt.) 83 1993 entstand der „Hörbuchverlag“ als ein Verlagskonsortium von Suhrkamp, Hanser und Rowohlt. Die vorausgegangenen Versuche, Hörbücher in größerem Umfang zu etablieren, waren kaum erfolgreich. 84 Vgl. Kegel, Sandra: Hörbuch-Boom. Hier ist er, der Ort für unsere Phantasie, FAZ vom 28.7.2014, greifbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hoerbuch-boom-hier-ist-er-derort-fuer-unsere-phantasie-13067183.html [Zugriff vom 13.02.2018].

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Gottesdienste bieten viel  – unter anderem auch regelmäßige Live-Performances eminenter Texte. Die Aufgabe eines liturgischen Lektors / einer Lektorin ist vergleichbar mit der eines Sprechers im Hörbuchbereich, der einem Text seine Stimme leihen muss / darf, ohne diesen selbst zu verändern oder neu zu schreiben. Die Leidenschaft, die sich mit dieser Aufgabenbeschreibung verbindet, könnte m. E. zu einer neuen Lust am Lesen führen – und gleichzeitig die Einsicht, dass es ‚die‘ vermeintlich richtige Weise, einen Text zu lesen, nicht gibt. Vielleicht entscheidet sich gutes Vorlesen vor allem an der Haltung der Lektorinnen und Lektoren. Wenn diese mit der Einstellung an den Ambo treten, erneut ein sehr schweres, meist ziemlich unverständliches Stück antiker Literatur vortragen zu müssen, wird ihre Lesung definitiv eine andere sein, als wenn sie sich in Vorfreude an den Ambo begeben, weil sie auch heute wieder ein Juwel aus alten Tagen frisch aufpoliert und gar nicht verstaubt zeigen dürfen.

Verkündigung und Liturgie – ein schwieriges Verhältnis? Einige Überlegungen zum Sinn gottesdienstlicher Feiern unter Berücksichtigung kontroverstheologischer und ökumenischer Aspekte

Jörg Neijenhuis

1. Einleitung Verkündigung und Liturgie stehen in einer spannungsvollen Relation zueinander: Verkündigung, wenn darunter vorrangig die Predigt als die Verkündigung des Wortes Gottes verstanden wird, richtet sich an die Hörenden, und Liturgie, wenn darunter vorrangig Lob und Dank als Gebet verstanden wird, richtet sich an Gott. Katabatische und anabatische Relationsverläufe bzw. Relationsrichtungen sind Ausdruck dieses Relationsgeschehens. Bei näherer Betrachtung lassen sich aber nicht alle gottesdienstlichen Elemente der Verkündigung oder der Liturgie zuordnen bzw. als Predigt und Gebet erfassen und beschreiben. Das gewichtige gottesdienstliche Element des Glaubensbekenntnisses widersetzt sich der eindeutigen Zuordnung als Verkündigung des Wortes Gottes oder als Gebet – wird es im gottesdienstlichen Vollzug an Gott oder an die anderen Hörenden gerichtet, wenn der Bekennende sein Bekenntnis spricht? Die Taufe oder das Abendmahl bzw. die Eucharistie werden mit den Kategorien katabatisch und anabatisch beschrieben – doch ist mit diesen Relationsbegriffen auch das Ritual zu erfassen? Insofern kann eher von einem spannungsvollen Relationsgeschehen ausgegangen werden, das sich nicht nur auf der begrifflichen Ebene, sondern auch mit der Feier des Gottesdienstes einstellt. Dies zeigt sich wohl auch in der Gottesdienstgeschichte seit der Reformation. Denn je nach Gottesdiensttheologie haben sich verschiedene Schwerpunktsetzungen eingestellt: Weil evangelischerseits die Predigt als Ausgangspunkt der Gottesdiensttheologie und als Ausdruck der Wort-Gottes-Theologie verstanden wird, wird sie zum dominierenden Faktor (CA V: „… hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament gegeben, durch die der Heilige Geist wirkt und … Glauben gibt denen, die das Evangelium hören, …“)1, katholischerseits wird die Eucharistie als



1 Lutherisches Kirchenamt (Hg.): Unser Glaube, Gütersloh 62013, 49.

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Schwerpunkt der Gottesdiensttheologie verstanden und entsprechend wird die Liturgie als Schwerpunkt der Feier ausgemacht („Die Liturgie, durch die sich, besonders im göttlichen Opfer der Eucharistie, ‚das Werk unserer Erlösung vollzieht‘, trägt nämlich in höchstem Maße dazu bei, daß die Gläubigen das Geheimnis Christi und die eigentliche Natur der wahren Kirche zum Ausdruck bringen, …). 2 Das Konzil von Trient hat sich mit der Wortverkündigung nicht befasst, sondern hauptsächlich mit dem Verständnis der Rechtfertigungslehre und der Sakramente; das Zweite Vatikanische Konzil betont die Verkündigung der Heils durch die Apostel und die heutige Wortverkündigung: „Gegenwärtig ist er [Christus] in seinem Wort, da er ja selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden.“3 Gleichwohl ist die Liturgie, nicht die Predigt, „der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt.“4 Die Gottesdienstgeschichte seit der Reformation zeigt im Hinblick auf die Entwicklungen evangelischer- und katholischerseits, dass diese unterschiedlichen Relationsgeschehen dominant geworden sind. Für die evangelischen Gottesdienstgeschichte in Deutschland ist eine Homiletisierung5 auch der Liturgie festzustellen, alle liturgischen Elemente treten in ihrer Wichtigkeit hinter die Predigt zurück, auch wenn die neulutherische, die hochkirchliche und die liturgische Bewegung versuchten, die alten bzw. altkirchlichen Formen wiederzubeleben, was letztendlich für die evangelischen Kirchen in Deutschland aber nicht gelungen ist. Auch die Sakramentsbetonung in der römisch-katholischen Kirche blieb trotz der Würdigung der Schriftlesungen und der Predigt bestehen. Diese Entwicklungen können für die evangelische wie für die katholische Kirche sowohl auf theologische Grundsatzentscheidungen zurückgeführt werden als auch auf starke, sehr tiefe Prägungen der vergangenen Jahrhunderte, die bis heute die Gottesdienstpraxis mitbestimmen. Gleichwohl bleibt die Frage, ob eine Wort-Gottes-Theologie 6 reformatorischer bzw. lutherischer Prägung notwendigerweise dem Liturgie- bzw. Eucharistieverständnis der römisch-katholischen Kirche widerspricht oder widersprechen muss. Vice versa ist die entsprechende Frage, dieses Mal hinsichtlich der Wort­ verkündigung, auch an die katholische Tradition zu stellen: Kann mit einem aus der römisch-katholischen Tradition nach dem Konzil von Trient und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kommenden Liturgieverständnis die Verkündigung des Wortes Gottes ebenso gewürdigt werden wie mit der auf die Reformation und Luther zurückgehende Wort-Gottes-Theologie? Hier schließt sich die Frage an, wie sich eine liturgische Grundierung des Gottesdienstes zur Predigt bzw. zu Schriftlesungen und Predigt verhält. 2 SC 2, zitiert nach DZ 4002. 3 SC 7, zitiert nach DZ 4007. 4 SC 10, zitiert nach DZ 4010. 5 Meyer-Blanck, Michael: Gottesdienstlehre. Tübingen 2011, 167. 6 Körtner, Ulrich H. J.: Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven. Göttingen 2001.

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Und daran knüpft gleich die dritte Frage an, ob es sich bei den beiden unterschiedlichen Gottesdienstverständnissen um Gegensätze oder um unterschiedliche Schwerpunktsetzungen handelt und wie darauf aufbauend das Verhältnis von Verkündigung des Wortes Gottes und Liturgie als Lob und Dank verstanden wird. Wie werden die katabatische und die anabatische Relationsrichtung und das Relationsgeschehen gewertet?

2. Verhältnisbestimmung von promissio und fides 2.1 Verhältnisbestimmung von promissio und fides bei Luther Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden, soll zunächst bedacht werden, inwieweit sich Widersprüche, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen zwischen der Wort-Gottes-Theologie reformatorischer bzw. lutherischer Prägung und dem Liturgieverständnis respektive dem damit verbundenen Eucharistieverständnis der römisch-katholischen Kirche feststellen lassen. Das ist auch hinsichtlich der Frage interessant, inwieweit es berechtigt ist, mit dem Ansatz der Wort-GottesTheologie für die Verkündigung des Evangeliums zwar die Form der Predigt als ihren genuinen Ort im Gottesdienst anzusehen, aber darüber hinaus auch die Sakramente als eine weitere Form der Verkündigung des Evangeliums aufzufassen, bei dem dann weniger die Predigt als vielmehr die Liturgie im Vorder­ grund steht. Bei allen folgenden Überlegungen soll stets berücksichtigt werden, dass Luther gegen eine seiner Meinung nach völlig falsche Frömmigkeit und Kirchlichkeit kämpfte, die sich auf den Opfergedanken der Messe berief. Diese sich auf meritorische Frömmigkeit stützende kirchliche Praxis hatte sich tief in das kirchliche Leben eingeprägt. Trotz aller Kritik Luthers an den sich daraus entwickelnden kirchlichen Zuständen seiner Zeit muss aber „betont werden, daß Luther an dem Grundlegenden der christlichen Religion – das sind die heilige Schrift und die alten Hauptstücke des Katechismus sowie die Sakramente der Taufe und des Herrenmahls – mit Entschiedenheit festhält. Nur das Grundverständnis der vorgegebenen Grundlage der christlichen Religion ist durch die reformatorische Theologie strittig geworden. Die kirchliche Praxis setzt bewußt oder unbewußt ein Grundverständnis des im Christentum Grundlegenden voraus.“7 Um dieses Grundverständnis ist es Luther gegangen und er hat mit seinem eigenen neuen Grundverständnis alle Bereiche der Theologie, der Kirche, der allgemeinen Frömmigkeit etc. mit bedacht. Stellt dieses Grundverständnis der Wort-Gottes-Theologie in Form der Rechtfertigungslehre die Liturgie bzw. das richtige Verständnis und den richtigen Gebrauch der Sakramente wieder her? Luther geht es um die Relation von promissio und fides



7 Schwarz, Reinhard: Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion. Tübingen 2015, 19.

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als Wortgeschehen: „Niemals, wie gesagt, ist Gott mit den Menschen anders umgegangen oder geht mit ihnen anders um als durch das Wort der Verheißung; umgekehrt können aber auch wir niemals anders mit ihm umgehen, es sei denn durch den Glauben an das Wort seiner Verheißung.“8 Der Glaube wird auch deshalb nicht als ein verdienstliches Werk verstanden, weil das Wort Gottes selbst bewirkt, was es verheißt. Das Wort Gottes selbst schafft den Glauben. Das Wort ist und bleibt auch dann immer extra nos, wenn es den Glauben schafft.9 Die Relation von Wort und Glaube bleibt das Werk Gottes und ist nicht vom Menschen selbst abhängig. Wenn nun diese Relation als Rechtfertigungsgeschehen bzw. als ein Heiligungsprozess begriffen wird, wenn diese Relation als katabatisch und anabatisch beschrieben werden soll, ist die Antwort des Menschen das Gebet bzw. mit Luthers berühmter Formel: Gebet und Lobgesang.10 Aber das Gebet ist eben nicht einfach ‚nur‘ ein Gebet, eben nicht ein vom Glauben bzw. vom Wort Gottes unabhängiges Tun des Menschen, sondern das „Gebet ist Ausdruck des Glaubens und als solcher wie der Glaube kein menschliches Werk.“11 Würde das Gebet nicht so verstanden, könnte es als ein verdienstliches Werk des Menschen missverstanden werden. Luther: „Ja was ist eyn solcher glaube, denn eyttel gepet? Denn er vorsihet sich gotlicher gnaden on unterlasz, vorsihet er sich aber yhr, szo begerd er yhr ausz gantzem hertzen. Und das begeren ist eygentlich das recht gepet … Darumb das es nitt auff sich, seyne werck odder wirdickeit, szondern auff gottis lautter gutte bawet …“.12 Folgerichtig hält Meßner mit Blick auf das Liturgieverständnis fest: „Wie das eigentlich heilschaffende ‚innere Wort‘ – Jesus Christus – sich notwendigerweise im äußeren, mündlichen Wort der Verkündigung ‚verleiblicht‘, so ‚verleiblicht‘ sich auch der Glaube als die nur durch den Geist mögliche Annahme des Wortes im Gebet.“13 Insofern entsteht eine Gleichwertigkeit von äußerem Wort der Predigt und innerem Wort des Evangeliums von Jesus Christus zum inneren Glauben an diese Verheißung als Wirkung des Wortes und äußerem Glauben als Gebet zu Gott. Gleichwertig sind also das äußere Wort der Predigt und der äußere Glaube als Gebet, ebenso gleichwertig sind das innere Wort und der dadurch gewirkte innere Glaube.

8 Luther, Martin: De Captivitate Babylonica Ecclesiae 1520, zitiert nach: Martin Luther. Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig 2009, 225. 9 Vgl. dazu auch aus praktisch-theologischer Sicht: Deeg, Alexander: Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt. Überlegungen zu einer evangelischen Fundamentalliturgik (APTLH 68). Göttingen 2012. 10 WA 49, 588. 11 Meßner, Reinhard: Die Meßreform Martin Luthers und die Eucharistie der Alten Kirche (IThS 25). Innsbruck / Wien 1989, 137. 12 WA 8, 36026–35. 13 Meßner, Reinhard: Die Meßreform Martin Luthers und die Eucharistie der Alten Kirche (s. Anm. 11), 137.

Verkündigung und Liturgie – ein schwieriges Verhältnis?  äußeres Wort: Predigt

inneres Wort: Evangelium

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äußeres Wort: Gebet

promissio

fides

inneres Wort: Glaube

Daher erscheint es mir wenig sinnvoll zu sein, das Gebet – und dann mitsamt dem Glauben!  – der promissio unterzuordnen. Zwar folgt der Glaube auf die Verheißung als eine Wirkung der Verheißung, aber die Wirkung des Glaubens aus dem Wort Gottes evoziert keine andere Gewichtung, so dass das Gebet als weniger wichtig oder minderwertig anzusehen wäre. Denn auch der Glaube bzw. das Gebet bleibt Wirkung des göttlichen Wortes, das als verbum externum und auch als Gebet immer extra nos, als Gottes Werk und Gnade zu verstehen ist.14 Ebenso missverstanden wäre es, wenn man nun die Liturgie als Vollzug des Gebets bzw. als äußeren Glauben der promissio unterordnen und sie als minderwertig deuten würde. Es ist weder möglich, die Verkündigung des Wortes Gottes vom durch das Wort gewirkten Glauben zu trennen, noch ist es möglich, das Gebet, das aus dem Glauben kommt, dem Glauben unterzuordnen, wenn es ebenso auf das Wirken Gottes bzw. des Heiligen Geistes zurückgeführt wird. Das katabatische und anabatische Relationsgeschehen wird dann irreführend verstanden, wenn das Anabatische dem Katabatischen untergeordnet wird in dem oben ausgeführten Sinne, dass es als nicht so wichtig oder als minderwertig angesehen wird. Auf Predigt und Liturgie bezogen gilt somit dasselbe: Wenn das Gebet nicht ein Zusatz des Menschen zum Glauben ist, sondern das Äußere des von Gott gewirkten inneren Glaubens, dann ist die Liturgie als Gebet wie der Glaube selbst gleichgewichtig zu nehmen. Liturgie bzw. Gebet sind der äußere Glaube so, wie die gesprochene Predigt das äußere Wort ist. äußere Worte: Predigt und Gebet

innere Worte: Evangelium und Glaube

14 Vajta, Vilmos: Luther als Beter. In: Junghans, Helmar (Hg.): Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag. Göttingen 1983, Bd. 1: 279–295, Bd. 2: 806–811. Schwarz, Reinhard: Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion (s. Anm. 7), 380– 389 (Das Gebet des Glaubens).

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Das heißt nicht, dass man keine Kritik an der Liturgie üben kann, denn nicht alles, was in der Liturgie geschieht, ist automatisch Gebet. Da gibt es sicherlich so manche – mit Luther gesprochen – menschliche Zusätze, die die Liturgie als Gebet verdunkeln. Auch hier fehlt es in solchen Fällen an einem richtigen Grundverständnis; dasselbe gilt auch für die Predigt, wenn alle möglichen menschlichen Zusätze gepredigt werden, aber das Rechtfertigungsgeschehen und mit ihm die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium bzw. das Evangelium von Jesus Christus nicht ins äußere Wort gebracht werden. 2.2 Promissio und fides in Luthers Sakramentsformularen Wirft man nun einen Blick auf Luthers Sakramentsverständnis bzw. auf sein Abendmahlsverständnis, wird man promissio und fides in dieser oben beschriebenen Anordnung wiederfinden, aber weder den Glauben noch das Gebet in einer falsch verstandenen Untergewichtung. Luther stellt in seiner Schrift Von ordenung gottis diensts ynn der gemeyne von 1523 Regeln für die Reform des Gottesdienstes auf; hier hat er das Stundengebet im Blick. Er bemängelt unter anderem, dass das Wort Gottes gar nicht mehr gepredigt werde, und hält nach der Aufzählung weiterer Missbräuche fest: „Nu disze mißbreuch abtzuthun, ist auffs erst tzu wissen, das die Christlich gemeyne nymer soll zu samen komen, es werde denn da selbs Gottis wort gepredigt und gebett, es sey auch auffs kurtzist.“15 Luther stellt die Relation von Predigt und Gebet heraus und legt deshalb Wert auf die Predigt, weil aus ihr bzw. aus dem inneren Wort (als dem Evangelium) der Glaube gewirkt wird, so dass es zu einem aus dem Glauben kommenden Gebet, verstanden als äußerer Glaube, kommen kann. Die so verstandene Relation von promissio und fides zeigt sich auch in Luthers Bemühen um die Reform der Messe in der Ende 1523 erschienenen Schrift Formula Missae et Communionis pro Ecclesia Vuittembergnesi. Auch in dieser Schrift wird die beschriebene Relation am Beispiel der Predigt deutlich: „Ebenso denken wir über die Predigt in der Muttersprache. Es liegt nichts daran, ob sie nach dem Glaubensbekenntnis oder vor dem Introitus der Messfeier gehalten wird. Obgleich es einen Grund gibt, warum sie besser vor der Messfeier wäre: weil das Evangelium die rufende Stimme in der Wüste ist, die die Ungläubigen zum Glauben ruft, die Messfeier aber der Gebrauch des Evangeliums selbst ist und die Gemeinschaft am Tisch des Herrn“.16 Es scheint so, als wolle Luther, um diese Relation erfahrbar zu machen, dass die Predigt vor dem Beginn der Messe gehalten wird. Dieses verbum externum wirkt nun den inneren Glauben, der in der Durchführung der Messfeier als äußeres Gebet bzw. als äußere Liturgie 15 Luther, Martin: Von ordenung gottes diensts ynn der gemeyne. In: WA 12, 35–37, Zitat 3519–21. Vgl. dazu die Untersuchung von Bieritz, Karl-Heinrich: Daß das Wort im Schwang gehe. Lutherischer Gottesdienst als Überlieferungs- und Zeichenprozeß. In: Ders.: Zeichen setzen. Beiträge zu Gottesdienst und Predigt (PTh 22). Stuttgart 1995, 82–106. 16 Martin Luther. Lateinisch-Deutsche Studienausgabe, Bd. 3. Leipzig 2009, 6597–14.

Verkündigung und Liturgie – ein schwieriges Verhältnis? 

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sichtbar und erfahrbar wird. Aber letzten Endes ist die Platzierung der Predigt vor der Messe oder nach dem Glaubensbekenntnis zweitrangig, denn es geht ja nicht um eine zeitliche Abfolge, sondern um die Beschreibung einer Relation von promissio und fides, die immer wirksam ist und die sich ständig in der Messfeier ereignet, wie auch an den Verba testamenti zu sehen ist. Luther schlägt für die Reform der Feier des Sakraments im Gottesdienst vor, dass nach der Präfation eine angemessene Pause eintritt, denn nun folgen die Worte Christi, die im Vaterunser-Ton gesungen werden sollen, damit es die Umstehenden hören können. Auf das so gehörte Evangelium soll der Chor das Sanctus singen und dann das Lied Gelobt sei, der da kommt. Es schließt sich das Vaterunser an. Nach Luthers Vorschlag folgt also auf die Verkündigung des Evangeliums das Gebet in Form von Liedern und dem Vaterunser. Um die Relation in ihrer Gleichwertigkeit nochmals zu verdeutlichen: Das (innere) Evangelium wird vermittels der rezitierten (äußeren) Verba testamenti verkündigt und wirkt den (inneren) Glauben, der sich äußert (sic!) im Gebet in Form von Liedern und Vaterunser. Bei Luther schließt sich daran das gleiche Relationsgeschehen wieder an: Der Friedensgruß wird wiederum als Evangelium bezeichnet, weshalb er zum Volk hin gesprochen werden soll, denn das „ist nichts anderes, als hätte sie Christus mit seinem Mund ausgesprochen.“17 Auf die Verkündigung folgt die Kommunion, der ein Gebet vorausgehen kann. Auch während der Kommunion werden Lieder – als Gebet verstanden – gesungen. Hier zeigt sich wieder das gleiche Relationsgeschehen, das sich sogar in einem Satz wiederfindet, den Luther im Zusammenhang der von ihm selbst erhobenen Frage nach der Verbindlichkeit seiner Vorschläge formuliert. Er verwahrt sich davor, dass aus der gewonnenen Freiheit ein Gesetz gemacht wird, denn es handele sich hier um frei zu handhabende Ordnungen. Nur an einer Stelle macht Luther eine Einschränkung: „Nur die Worte der Segnung soll man unangetastet lassen und alles im Glauben tun.“18 Die Worte der Segnung, die Verba testamenti, hatte er zuvor als einzigen Text ganz niedergeschrieben und nicht wie bei den Liedern oder Gebeten durch ein Incipit gekennzeichnet. Auch hier wird die Relation von promissio und fides gesichert: Wenn die (äußere) Messe gefeiert wird, soll das (innere) Evangelium verkündet und im (inneren) Glauben gefeiert werden. Die gleiche Struktur findet sich auch in der 1526 erschienenen Deudsche[n] Messe und ordnung Gottis diensts.19 Auf die Predigt folgt sogleich für die, die das Sakrament empfangen wollen, eine Paraphrase des Vaterunsers und eine Vermahnung. Die Vaterunser-Paraphrase kommt einem Bittgebet um Erlösung gleich. Sie wird eingeleitet mit der Aufforderung, die Herzen zu Gott zu erheben. Die Vermahnung lehrt das rechte Abendmahlsverständnis. Darauf folgen, eher unvermittelt, die Verba testamenti, die im Evangelien-Ton gesungen werden sollen und nicht im Vaterunser-Ton, wie es bei der Formula Missae vorgesehen war. Der in der Formula Missa erwogene Gedanken, ob es auch gut sei, wenn auf 17 A. a. O., 66311f. 18 A. a. O., 66317f. 19 WA 19, 72–113, hier bes. 95–102.

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die Konsekration des Brotes sogleich seine Austeilung erfolgt, 20 wird hier nun konkret vorgeschlagen. Während der Kommunion des Brotes werden gesungen das deutsche Sanctus, die Lieder Gott sei gelobt oder Jesus Christus, unser Heiland. Es folgt die Konsekration des Weins und während der Kommunion wird das deutsche Agnus Dei gesungen. Mit einem Kollektengebet wird die Abendmahlsfeier beschlossen. Auch hier zeigt sich wie bei der Formula Missae das Relationsgeschehen von promissio durch die Verba testamenti und fides durch die Kommunion und die Lieder, die als Gebet und Lobgesang verstanden werden. Die Verkündigung durch die Verba testamenti wird sogar noch verstärkt, weil sie im Evangelien-Ton gesungen werden sollen und nicht an die vorausgehende Vermahnung angeschlossen werden oder – wie in der Formula Missae – mit der Präfation durch den relativischen Anschluss des qui pridie 21 verbunden sind. An beiden Liturgien zur Sakramentsfeier des Altars zeigt sich, dass promissio und fides nicht nur dann aufeinander bezogen sind, wenn es um die typische Verkündigung durch Schriftlesung bzw. Predigttext und Predigt geht, sondern auch bei der Abendmahlsfeier. Es ist aus Luthers Ausführungen deutlich herauszulesen, dass promissio und fides auch in der Abendmahlsfeier nicht vernachlässigt werden dürfen, um ein falsches, meritorisches Verständnis der Sakramentsfeier abzuwehren. Damit verbunden ist aber nicht, dass das Gebet als das Äußere des inneren Glaubens als zweitrangig oder minderwertig gegenüber dem Wort der Verkündigung angesehen werden soll. Beide Pole bezieht Luther immer eng aufeinander und löst sie nicht voneinander. 2.3 Vergleich von Luthers Sakramentsformularen mit den altkirchlichen Eucharistiegebeten Die eingangs gestellte Frage, ob Luthers Sakramentsverständnis dem römischkatholischen Liturgie- und damit auch Eucharistieverständnis widerspricht, soll nun erörtert werden. Reinhard Meßner hatte in seiner Untersuchung nicht einfach nur die Gottesdienstreformen Luthers mit den Texten der Eucharistiegebete der Alten Kirche verglichen, sondern wesentlich nach Strukturen gefragt. Die Struktur des altkirchlichen Eucharistiegebets zeigt sich an den Begriffen memores … offerimus … et petimus. 22 Mit memores ist die anamnetische Grundausrichtung des Eucharistiegebets bezeichnet, da in den Gebetstexten erinnernd des Heiles in Jesus Christus gedacht wird, wozu auch die Rezitation der Verba testamenti gehört. Mit offerimus erfolgt die Darbringungsaussage für Brot und Wein wie auch für die Kirche selbst, die sich Gott hingibt. Dieser Vorgang wird in die Struktur des Opfers gestellt, und das damit verbundene Opferverständnis

20 Martin Luther. Lateinisch-Deutsche Studienausgabe (s. Anm. 16), 6651–13. 21 A. a. O., 66018. 22 Meßner, Reinhard: Die Meßreform Martin Luthers und die Eucharistie der Alten Kirche (s. Anm. 11), 25–83.

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evozierte allerhand Probleme und Missverständnisse. 23 Mit petimus wird um den Heiligen Geist gebeten, damit er die Gaben Brot und Wein wandele und ebenso auch die Glaubenden immer wieder in Christus wandele, da sie der Leib Christi sind. Letztendlich ist es eine Bitte um die Gegenwart Christi in Brot und Wein wie auch in den Glaubenden. Das Eucharistiegebet besteht also aus der Anamnese als erinnerndem Gedächtnis der Heilstaten Gottes und aus der Epiklese als der Bitte um das Wirksamwerden der Heilstaten Gottes im Leben der Glaubenden hier und jetzt. Wenn man von dem schwerwiegenden Problemfeld des Opferverständnisses absieht, kann man erkennen, dass sowohl das Eucharistiegebet als auch Luthers Theologie die Heilstaten Gottes vorausgehen lassen (Anamnese bzw. promissio) und darauf folgend die Wirksamkeit hic et nunc annehmen (Epiklese bzw. fides). Damit wird nicht einfach festgestellt, dass die Theologie des Eucharistiegebets und Luthers Theologie gleich sind, es kann aber auch nicht einfach behauptet werden, dass sich beide „Theologien“ völlig widersprechen. Der Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt das schwierige Problemfeld des Opferverständnisses, und in gewisser Weise muss auch berücksichtigt werden, dass das Eucharistiegebet ein Gebet und keine Predigt ist. Bei allem will bedacht sein, dass Luther nicht das altkirchliche Eucharistiegebet kritisiert hat, sondern das Kanonverständnis seiner Zeit. Aus seiner Kritik am Kanonverständnis hat er entsprechende Konsequenzen gezogen. Meßner hält nun fest, dass die anamnetische Grundausrichtung in Luthers Reformen erhalten blieb, auch wenn sie wesentlich in den Liedern der Gemeinde zu finden ist und nicht mehr im Gebet des Amtsträgers. Die Struktur des Eucharistiegebets lässt sich in der Formula Missae noch erkennen, aber nicht mehr in der Deutschen Messe. Gleichwohl hält Meßner für die Deutsche Messe fest: „In diesem Ineinander von verkündigendem Wort (verba testamenti) und danksagendem, anamnetischen Gesang weist die ‚Deutsche Messe‘ eine Struktur auf, die als Äquivalent des Eucharistiegebets anzusehen ist.“24 So ist unter Berücksichtigung der Problemlage der Reformationszeit und unter Berücksichtigung dessen, was heute in evangelischen bzw. lutherischen Agenden steht, festzuhalten, dass es keinen Grund mehr gibt anzunehmen, dass sich die lutherische Abendmahlsfeier und die römisch-katholische Eucharistiefeier widersprechen und sich gegenseitig ausschließen müssen. Die römisch-katholische Eucharistiefeier, die nach den Zweiten Vatikanischen 23 Neijenhuis, Jörg: Das Eucharistiegebet – Struktur und Opferverständnis. Untersucht am Beispiel des Projekts der Erneuerten Agende (APrTh 15). Leipzig 1999, 30–191. Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche. Klärungen zum Opfercharakter des Herrenmahls (Dialog der Kirchen, Bd. 3), hg. v. Lehmann, Karl / Schlink, Edmund. Freiburg i. Br./ Göttingen 1983. 24 Meßner, Reinhard: Die Meßreform Martin Luthers und die Eucharistie der Alten Kirche (s. Anm. 11), 201. Er untermauert seine Bewertung mit einer Aussage von Frieder Schulz, der auch Luthers Deutsche Messe als ein Äquivalent zum Hochgebet bezeichnet hatte; vgl. bei Meßner die Anmerkung 318, S. 201. Zum ganzen Komplex vgl. auch die manchmal berechtigte, aber nicht immer stichhaltige Kritik an Meßner von Wendebourg, Dorothea: Essen zum Gedächtnis. Der Abendmahlsbefehl in den Abendmahlstheologien der Reformatoren (BHTh 146). Tübingen 2009, 40–60, bes. 54–60. In ihre Kritik gerät auch die Untersuchung von Simon, Wolfgang: Die Messopfertheologie Martin Luthers. Voraussetzungen, Genese, Gestalt und Rezeption (SuR 22). Tübingen 2003, die sich ebenfalls mit Meßner auseinandersetzt.

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Konzil entwickelt wurde, wiederholt nicht die meritorische Frömmigkeit; evangelischer- oder lutherischerseits ist ein Eucharistiegebet möglich, das die promissio weder vernachlässigt noch verschweigt, wie die Agenden aufweisen. Nicht auszuschließen sind allerdings Überlegungen, die angesichts der gemeinsamen kontroverstheologischen und kirchentrennenden Geschichte und der erzielten ökumenischen Annäherungen und Übereinstimmungen helfen, Abendmahlsfeiern bzw. Eucharistiefeiern so zu gestalten und Texte so zu formulieren, dass Einseitigkeiten und Fehlverständnisse vermieden werden. 2.4 Römisch-katholisches Verständnis des Wortes Gottes Gleichwohl bleibt die oben angedeutete Frage bestehen, ob eine Sakramentsfeier des Altars, die vorrangig als Gebet und weniger als Verkündigung verstanden wird, nicht neue Probleme aufwirft. Darum ist es zunächst wichtig, das römisch-katholische Verständnis von Schriftlesung und Predigt zu würdigen, wie es mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gesetzt wurde und sich daraus weiter entwickelt hat. In der Liturgiekonstitution wird zu den Schriftlesungen festgehalten, dass der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werden soll und die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift im Lauf einer bestimmten Anzahl von Jahren vorgelesen werden sollen. Die Homilie soll „aus dem heiligen Text die Geheimnisse des Glaubens und die Richtlinien für das christliche Leben“25 darlegen und soll in der Regel an Sonntagen und gebotenen Feiertagen nicht ausfallen. Die nach dem Konzil entwickelte Perikopenordnung sieht drei Lesungen für die sonntägliche Messe vor, davon ist eine aus dem Alten Testament. 26 Für das Verständnis des Wortes Gottes gilt, das es performativen Charakter hat, wie Papst Benedikt XVI. in seinem Nachsynodalen Apostolischem Schreiben Verbum Domini festhält: „Es gibt nämlich in der Heilsgeschichte keine Trennung zwischen dem, was Gott sagt, und dem, was er wirkt; sein Wort erweist sich als lebendig und wirksam (vgl. Hebr 4,12), wie schon die Bedeutung des hebräischen Wortes dabar anzeigt. Ebenso stehen wir in der liturgischen Handlung seinem Wort gegenüber, das bewirkt, was es aussagt.“27 Die Internationale Theologische Kommission der römisch-katholischen Kirche hat 2012 ein Dokument zur Diskussion vorgelegt mit dem Titel Theologie heute. Perspektiven, Prinzipien und Kriterien, mit dem die Theologen die Theologie selbst zum Gegenstand machen unter der 25 SC 52. Zitiert nach: LThK, Ergänzungsband 1: Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. Br. 1966, 55. 26 Vgl. dazu Wahle, Stephan: Von der Vormesse zur Liturgie des Wortes. Wahle berücksichtigt auch evangelische Gottesdienst- und Leseordnungen und führt katholische Literatur zum Wortteil der Messe auf. In: Ders./ Hoping, Helmut / Haunerland, Winfried (Hg.): Römische Messe und Liturgie in der Moderne. Freiburg i. Br. 2013, 346–377. 27 Papst Benedikt XVI.: Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 187), hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2010, Nr. 53, S. 90.

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Fragestellung nach ihrer Bedeutung und Wirkung in Kirche und Gesellschaft. Das erste Kapitel trägt die Überschrift „Auf Gottes Wort hören“. Es wird betont, dass die Theologie gegründet ist „auf den fundamentalen Akt des gläubigen Hörens auf das offenbarte Wort Gottes – Christus selbst.“28 Hatte doch das Zweite Vatikanische Konzil – wie noch kein Konzil vor ihm – sich mit dem Wort Gottes befasst und eine dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“ beschlossen. 29 Gleichwohl kann auch hier nicht festgestellt werden, dass es sich dabei um die gleiche Theologie handelt, wie sie in der evangelischen Theologie zur Heiligen Schrift, Offenbarung des Wortes Gottes etc. formuliert wird,30 aber deutliche Gemeinsamkeiten und Annäherungen sind nicht zu übersehen. Vergleicht man die Wortteile des für lutherische und unierte Kirchen in Deutschland geltenden Evangelischen Gottesdienstbuches31, des amerikanischen Lutheran Book of Worship32 und auch der anglikanischen Agende Common Worship33 mit dem Messbuch der römisch-katholischen Kirche34, so finden sich keine Unterschiede, da drei Lesungen, das Glaubensbekenntnis, die Predigt und das Fürbittengebet vorgesehen sind. Die Begleitriten mögen unterschiedlich sein, 35 aber die Lesungen als Wort Gottes zu verstehen, dürfte wohl gleich oder zumindest ähnlich sein. Womit wir bei dem Problem wären, dass es eine Sache ist, eine kirchliche Lehre festzuhalten und danach die Gottesdienstordnung zu gestalten bzw. auf die Tradition zu schauen und daraus eine kirchliche Lehre zu formulieren, aber dass es eine andere Sache ist, was die Menschen bzw. Christen, die Gottesdienste feiern und sowohl die Schriftlesungen wie Predigt hören und die Sakramente feiern, darunter verstehen bzw. wie sie sich trotz aller kirchenamtlichen Belehrung 28 Söding, Thomas (Hg.): Die Rolle der Theologie in der Kirche. Die Debatte über das Dokument der Theologenkommission (QD 268). Freiburg i. Br. 2015, 14. 29 In: LThK, Ergänzungsband 2: Das Zweite Vatikanische Konzil, Freiburg i. Br. 1966, 504–583. 30 Vgl. dazu den Beitrag von Christine Axt-Piscalar in dem von Thomas Söding herausgegebenen Band (s. Anm. 26): Theologie – auf katholisch. Bemerkungen aus evangelischer Perspektive zum Dokument der Internationalen Theologischen Kommission „Theologie heute. Perspektiven, Prinzipien und Kriterien“, 255–276. 31 Evangelisches Gottesdienstbuch. Berlin 1999, z. B. 71–77. 32 Lutheran Book of Worship. Minneapolis / Philadelphia [1978], 42000, 201–204. 33 Common Worship. Services and Prayers for the Church of England. London 2000, z. B. 398–400. 34 Missale Romanum. Editio typica tertia. Vatikan 2002, 510–514. 35 Zur Ritualität der Verkündigung des Wortes Gottes und zum grundlegenden Verständnis des Wortes Gottes vgl. Kranemann, Benedikt (Hg.): Die Wort-Gottes-Feier. Eine Herausforderung für Theologie, Liturgie und Pastoral. Stuttgart 2006. Ders./ Sternberg, Thomas (Hg.): Wie das Wort Gottes feiern? Der Wortgottesdienst als theologische Herausforderung. Freiburg i. Br. 2002. Brüske, Gunda: „Sei gegrüßt, du Wort …“. Erkundungen zu rituellen Inszenierung des Wortes Gottes. In: LJ 66 (2016), 94–114. Ergänzend dazu die Kritik an der eher rituallosen Handhabung der Lesungen in evangelischen Gottesdiensten bei Nicol, Martin: Weg im Geheimnis. Plädoyer für den Evangelischen Gottesdienst. Göttingen [2009] 22010, 135–161, bes. 135. Melzl, Thomas: Die Schriftlesung im Gottesdienst. Eine liturgiewissenschaftliche Betrachtung. Leipzig 2011, 124 f.

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eine eigene Anschauung erarbeiten und auch, welche (religiösen) Erfahrungen sie mit den Lesungen etc. machen. Auch das wird ihre persönliche Lehranschauung beeinflussen. Insofern wird es immer ein wenig einseitig bleiben, wenn man eine kirchliche Lehre hochhält und dabei vernachlässigt, auch danach zu fragen, was die feiernden Christen erfahren und verstehen bzw. welche eigenen „Lehren“ sie sich zurechtlegen. Mit bedacht werden muss auch immer, wie die Prägung aus der eigenen konfessionellen Kirchengeschichte geartet ist, die die heutigen Feiernden erfahren haben und mit der sie jeden Gottesdienst wieder feiern werden. Diese Prägungen sind nicht immer geglückt, aber sie wirken über Generationen weiter, so dass von Tiefenprägungen gesprochen werden kann. Wie dem auch sei: Man wird auch hier wie schon für die Frage nach dem Liturgieverständnis und damit verbunden nach dem Abendmahls- bzw. Eucharistieverständnis festhalten können, dass sich das Verständnis des Wortes Gottes bzw. das Verständnis der Lesungen und der Predigt zwischen den Konfessionen weder widerspricht noch gegenseitig ausschließt, sondern vielmehr recht ähnlich ist. 2.5 Promissio und fides als eine Wirklichkeit Es gilt nun zu bedenken, wie sich katabatische und anabatische Relationsrichtungen und Relationsgeschehen verstehen lassen. Dabei meint Relationsrichtungen die Beschreibung und Annahme, wie Gott und Mensch(en) miteinander kommunizieren; Relationsgeschehen meint hingegen jenes Geschehen, das tatsächlich in der gottesdienstlichen Feier stattfindet und das man tatsächlich beschreiben kann. Gemeinhin wird mit Katabase jene Richtung beschrieben, die von Gott ausgeht und zu den Menschen kommt und heilsvermittelnd verstanden wird, wohingegen die Anabase jene Richtung beschreibt, die vom Menschen ausgeht und verstanden wird als Anbetung und Verehrung Gottes. Meine Frage ist, ob sich mit dieser doch eher unterkomplexen Charakterisierung des gottesdienstlichen Geschehens das tatsächliche Geschehen beschreiben lässt. Schon zu Beginn dieses Beitrags habe ich festgestellt, dass etwa beim Credo diese Relationsverläufe und ihr Relationsgeschehen nicht so einfach zu erfassen sind. Auch scheint es mir schwierig zu sein, die Sakramente in dieses Muster einzuspannen. Im vorherigen Kapitel 2.4 zeigten sich allerhand Fragen und eröffneten sich zahlreiche Probleme, sobald man im Rahmen dieses Musters die Liturgie als menschliche Antwort der Verkündigung des Wortes Gottes gegenüberstellt. Dann stehen sich göttliches Handeln und menschliches Handeln gegenüber. Aus dieser Gegenüberstellung ergeben sich allerhand Probleme für das Verstehen und auch für das Handeln, die sich mit dem Opferverständnis verbinden lassen. Letztendlich kann aufgrund dieser Gegenüberstellung jede menschliche Handlung als meritorische Frömmigkeit qualifiziert werden. Zwar wird im evangelischen Bewusstsein die menschliche Handlung der Predigt davon ausgenommen, weil sie ja verkündigenden Charakter hat und nicht unter den Verdacht fällt, überhaupt ein verdienstliches Werk sein zu wollen. Aber warum soll ein Prediger sein Tun nicht als verdienstliches Werk verstehen – sei es nun bewusst oder eher unbe-

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wusst!? Es gibt keinen Grund – auch die katabatische Einordnung der Predigt nicht! –, dafür, dass der Prediger davor geschützt sein könnte, seine Handlung meritorisch zu verstehen oder zu empfinden. Die Gegenüberstellung von Katabase und Anabase führt auch zu erheblichen Problemen, wenn es um das Verstehen von Gottes Wirken in seinem Wort geht. Wenn das Wort Gottes selbst wirksam ist, besteht immer die Frage, wie es seine Wirkung im Menschen oder am Menschen entfaltet. Diese Frage ergibt sich nur daraus, dass von einer zeitlichen Abfolge beim Wirken Gottes (promissio) und beim Bewirktwerden im Menschen (fides) ausgegangen wird. Dieses Nacheinander erscheint aber wenig sinnvoll, weil dann immer noch das selbstständige Handeln als Antwort auf Gottes Tat und damit das Eingreifen des Menschen in Gottes Handeln dazu gedacht werden kann und wohl auch muss. Insofern sind wir wieder bei der Opferproblematik bzw. bei der meritorischen Frömmigkeit angelangt, der man dadurch alle Türen öffnet. Diese Türen kann man m. E. wirklich nur schließen, wenn man promissio und fides nicht als ein zeitliches Nacheinander, als eine Abfolge versteht, sondern als etwas zu verstehen versucht, das sich zugleich ereignet und zugleich wirkt. Zwar ist unser Denken und Verstehen an die Zeit-Kategorie gebunden, man darf aber bei der Darstellung dessen, was verstanden wird (promissio und fides), diese Gebundenheit der Beschreibung nicht als tatsächliches Geschehen annehmen, das sich in der gottesdienstlichen Feier ereignet. Hier ist vielmehr von einem Zugleich auszugehen: Das Wort Gottes wirkt den Glauben, und der Glaube ist Wirkung des jetzt ausgesprochenen Wortes Gottes. Das geschieht zugleich und ist immerwährend. Es handelt sich dabei nicht um zwei „Wirklichkeiten“, sondern Gottes Wort und Glaube sind eine einzige Wirklichkeit. 36 Das zeitliche Missverständnis ergibt sich wohl auch aus dem Begriff Wirkung, zu dem immer eine Ursache in der Weise hinzugedacht wird, dass die Ursache der Wirkung notwendig vorausgehen muss, so dass damit die Ursache als gewichtiger angesehen wird. Wird diese Struktur des Verstehens auf promissio und fides übertragen, kann es zu einer Mindergewichtigung von fides kommen, da der Glaube ja nur Antwort auf Gott sei. Aber hat Gott nicht deshalb gesprochen, weil er den Glauben erwirken möchte? Insofern kann die Wirkung von Gottes Wort nicht minderwertig gegenüber dem Wort Gottes sein. Es ist also aus dogmatischen Gründen wenig sinnvoll, oftmals gar irreführend, wenn promissio und fides, katabatische und anabatische Handlungen als zeitliche Abfolge verstanden werden und nicht als eine Wirklichkeit. In dieser einen Wirklichkeit können selbstverständlich promissio und fides dogmatisch unterschieden werden und selbstverständlich auch hinsichtlich ihrer Form  – Verkündigung als Predigt und Lob und Dank als Liturgie – unterschieden werden. Es kommt aber immer nur diese eine Wirklichkeit zum Ausdruck, dass das 36 Zu Katabase und Anabase vgl. Bieritz, Karl-Heinrich: Liturgik. Berlin 2004, 259: „Das Wort Gottes ergeht in, mit und unter der Antwort der Gemeinde. Und diese Antwort wiederum gewinnt die Gestalt des Wortes, in dem sich Gottes Heil vergegenwärtigt und zueignet. An solcher wechselseitigen Durchdringung haben alle Elemente des Gottesdienstes, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, teil. (…) Insofern macht es wenig Sinn, im Gottesdienst katabatische von anabatischen Sprachhandlungen zu unterscheiden.“

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Wort Gottes den Glauben wirkt, und der Glaube Wirkung des jetzt ausgesprochenen Wortes Gottes ist. Um diese Wirklichkeit entweder mit promissio und fides oder mit memores, offerimus und petimus für den Gottesdienst bzw. für das Altarsakrament besser beschreiben zu können, erscheinen mir die tatsächliche Feier und der Begriff der Feier sinnvoller und auch leistungsfähiger zu sein.

3. Die Feier als Sinnvergewisserung in moderner Zeit Der Begriff Feier und – mit ihm eng verwandt – der Begriff Fest wird bipolar zum Begriff des Alltags verstanden. Mit den Handlungen, die dem Alltags z­ ugeordnet werden, und mit den Handlungen, die der Feier respektive dem Fest zugeordnet werden, wird das Leben des Menschen bewältigt und gedeutet. „Man kann diese Differenz des Lebens auch bezeichnen mit dem nützlichen, zweckhaften und funktionalem Handeln einerseits und dem sinnvergegenwärtigenden, zweckfreien und feiernden Handeln andererseits. (…) Beide Handlungsweisen sind gleichwertig und gleich wichtig für das menschliche Leben.“37 Denn es geht um das eine Leben, das wir Menschen haben, das sich bewältigen und in seiner Gänze deuten lässt in der Bipolarität von nützlichem, funktionalem Handeln und sinnvergegenwärtigendem, feierndem Handeln. Diese Begriffe dienen zunächst dem Verstehen von Vorgängen, im erlebten Vorgang selbst kommen – da es sich ja um das eine Leben des Menschen handelt – immer beide Seiten vor. Die Sinnvergewisserung durch die Feier deutet auch die nützlichen Handlungen als sinnvoll, und wenn eine Feier begangen wird, wird sie mit allerhand nützlichem, zweckhaftem Tun vorbereitet, damit sie stattfinden kann. Wenn also auch die Feier des Gottesdienstes sinnstiftend, sinnvergegenwärtigend und sinnvergewissernd ist, dann ist der Glaube an Gott, der mit der Feier zum Ausdruck kommt, sinnvergegenwärtigend und sinnvergewissernd. Mit diesem Glauben wird ausgesagt, dass Gott selbst sinnstiftend ist, weil er sich den Menschen zuwendet. Da diese Sinnkategorie auf die ganze Feier bezogen ist, impliziert diese Feier unterschiedliche Aspekte, die in ihr vorkommen können bzw. auch vorkommen sollen, damit die Sinnvergewisserung stattfinden kann. So kann diese Sinnvergewisserung im Glauben kosmologische, schöpfungstheologische, soteriologische, eschatologische und rechtfertigungstheologische Aspekte umfassen. Die Feier, und damit auch der Gottesdienst als Ganzer, ist als ein kombinatorischer Zusammenhang vieler Aspekte zu verstehen, weil der Mensch ja mit seinem ganzen Leben feiert. Ist also in evangelischer bzw. lutherischer Perspektive die Gottesdienstfeier als sinnstiftend und sinnvergewissernd zu deuten, dann ist damit die eine Wirklichkeit von promissio und fides angenommen, die zum Ausdruck kommt. Im Verlauf der Feier werden diese Aspekte kombiniert und müssen daher nicht ihrer Form nach wiederholt werden, 37 Neijenhuis, Jörg: Feste und Feiern. Eine theologische Theorie. Leipzig 2012, 135f.

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weil sich dadurch keine wie auch immer verstandene „bessere“ Sinnvergewisserung einstellen würde. Denn der Sinn ist einer, der in sich differenziert verstanden werden kann und auch mit unterschiedlichen gestalterischen Aspekten, die miteinander kombiniert werden, gefeiert werden kann. Die Feiernden er­leben immer das Zugleich dieser unterschiedlichen Aspekte als eine religiöse Erfahrung von Sinn. In diesem Zusammenhang die Kategorie Sinn in den Vordergrund zu rücken, halte ich deshalb für hilfreich, weil wir heute nicht mehr das Weltbild teilen können, das noch galt, als Luther seine Theologie formulierte, oder jenes, das galt, als sich Liturgie und Eucharistiegebet seit der Alten Kirche bis zum Mittelalter entwickelten. Dabei sind sowohl in kontroverstheologischer wie in ökumenischer Hinsicht die Motive für die Veränderungen des Gottesdienstverständnisses zu würdigen und zu unterscheiden von der darauf folgenden Gottesdienstgeschichte. Sie ist ja nicht nur eine Explikation der Motive, sondern hat Anteil an der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung, welcher der Gottesdienst in den nachfolgenden Jahrhunderten ausgesetzt war und die Luther oder das Trienter Konzil nicht vorhersehen konnten. Gravierend für die christliche Gottesdienst- und Liturgieentwicklung ist die grundlegende Änderung des Weltbildes von einem geozentrischen zu einem heliozentrischen Weltverständnis, das sich bald anreicherte durch die Erkenntnis eines unendlichen Universums. Die Einteilung des antiken Weltbildes in ein Diesseits und ein Jenseits ist obsolet geworden. Konnte das geozentrische Weltbild sowohl Gott als auch dem Menschen einen Ort zuordnen, bleibt mit dem heliozentrischen Weltbild die Frage nach dem Ort Gottes ebenso unbeantwortet wie die Frage, wo der Mensch im Universum seinen Ort hat, weil die Erde nun nicht mehr der Mittelpunkt des Weltbildes sein kann. Wenn das Herkommen der Wort-Gottes-Theologie mit dem geozentrischen Weltbild verbunden ist bzw. wenn sich mit Gott, der zu den Menschen spricht, eine Person im Jenseits vorgestellt wird oder werden muss, wenn also mit der Liturgie zu Gott gebetet wird, den sich die Beter im Jenseits vorstellen, ergibt sich eine Gemengelage von Unklarheiten für die gegenwärtige Gottesdienst- und Liturgiepraxis: Wenn theologisch ausgesagt wird, dass Gott zu den Menschen spricht, darf man sich heute nicht mehr vorstellen, dass Gott aus dem nichtsichtbaren Jenseits ins wahrnehmbare Diesseits spricht. Zum anderen darf man sich das Sprechen auch nicht analog zum menschlichen Sprechen vorstellen, so, als würde Gott genauso sprechen, wie Menschen vermittels ihres Sprechorgans sprechen, und die Menschen würden Gott mit ihren Ohren hören, wie sie einen Menschen vermittels ihrer Ohren hören können. Dieselbe Unklarheit ergibt sich vice versa: Wenn Menschen zu Gott beten, hört er sie dann? Was ist mit Sprechen dann gemeint? Der Verweis darauf, dass diese Darstellung metaphorisch gemeint ist und auch so verstanden werden sollte, ist sicherlich richtig. Aber das beantwortet nicht die Frage, was heute darunter verstanden und auch damit erfahren werden kann. Deshalb scheint mir die Kategorie des Sinns für eine transzendierende Bezeichnung dessen, was Luther möglicherweise mit dem inneren Wort gemeint haben könnte, zutreffend zu sein: Wenn ein Prediger spricht, hört der Hörer das äußere Wort,

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aber er versteht den Sinn des Gehörten als das, was Gott als Glauben wirkt. Das Verständnis dieses Sinnes impliziert nicht nur das kognitive Verstehen einer rechten Lehre, sondern impliziert auch die Gemütsebene, also das Gefühl, das Erleben, das Wahrnehmen, das über das Denken und Reflektieren hinausgeht, was aber durch die Kombination dieser Aspekte, durch ihr Zusammenspiel, zu dem führt, was mit Sinn gemeint ist. Dieser Begriff kann m. E. eine Gottesrede und einen Glauben zum Ausdruck bringen, der sich nicht mehr am geozentrischen Weltbild, sondern am heliozentrischen Weltbild inklusive eines unendlichen Universums orientiert. Der Begriff des Sinns kann jene Bedeutungen erfassen und beschreiben, die im antiken Weltbild mit den Begriffen von Diesseits und Jenseits, mit Immanenz und Transzendenz zum Ausdruck kamen. Diese Gemengelage spielt für die Verhältnisbestimmung von Verkündigung und Liturgie eine nicht ganz unwichtige Rolle. Zeichnet sich doch das Verhältnis von Verkündigung und Liturgie auch dadurch aus, dass beide durch eine gegenläufige Relation – katabatisch oder anabatisch – charakterisiert sind und somit im modernen Weltbild nicht recht zueinander passen wollen, sondern vielmehr, jedenfalls in der evangelischen Gottesdienstgeschichte, in Konkurrenz getreten sind und in ihrer Unterscheidung am Problem eines abhanden gekommenen Weltbildes partizipieren. So müssen wir uns fragen, ob mit der Theologie des Wortes Gottes, verstanden als promissio und fides, diese Sinnerfahrung in der Verkündigung angemessen beschrieben werden kann, und ebenso, ob diese Sinnerfahrung in der Liturgie, betrachtet am Beispiel des Eucharistiegebets als Ausdruck der Liturgie, mit memores, offerimus und petimus angemessen beschrieben werden kann. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass eine religiöse Sinnerfahrung nicht einfach vom Himmel fällt, selbst wenn sie sich unwillkürlich einstellen kann, sondern sie wird auch durch den wie auch immer gestalteten Gottesdienst mitgeprägt. Wenn aber gilt, dass Luther oder die Reformation und auch andere Reformbewegungen in der Kirchengeschichte nicht das Grundlegende38 angegriffen haben, sondern dieses Grundlegende mit einem entsprechendem Grundverständnis wieder hervorheben und es dadurch gegebenenfalls auch wiederherstellen wollten, sofern es als beinahe verschüttet und unerfahrbar galt, so zeigen sich darin Bemühungen, die einen Anspruch auf Wahrheit erheben. Nun kann man in kontroverstheologischer Absicht Lehren vergleichen und man wird dabei erhebliche Unterschiede feststellen, die sich letzten Endes sogar kirchentrennend auswirken können. Aber bleibt darüber nicht die Sinnerfahrung – respektive die Erfahrung des Glaubens an Gott bzw. die Deutung der religiösen Sinnerfahrung als Gottes Wirken – unberücksichtigt? Und kann eine Sinnerfahrung überhaupt adäquat mit einer Lehre beschrieben werden? Wenn es darum geht, das Grundlegende wieder zur Geltung zu bringen, sind in dieser Hinsicht konfessionelle und kon­ troverstheologische Streitigkeiten wenig hilfreich. Hilfreich wäre vielmehr, auch die Lehrbildung als etwas zu betrachten, mit dem versucht wird, sich der Wahrheit anzunähern – wohl wissend, dass niemand letztgültig die Wahrheit aussagen 38 Schwarz, Reinhard: Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion (s. Anm. 7), 19.

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kann, sondern dass immer alle Aussagen einen Wahrheitsanspruch geltend machen. Damit wird auch dem modernen Weltbild Rechnung getragen, das ein offenes System darstellt und nicht als ein in sich geschlossenes System verstanden werden darf, wie es das antike Weltbild gewesen ist. Denn auch das System des Sinns ist ein offenes System und kein geschlossenes, wie es antike oder mittelalterliche Lehrsysteme zu sein versuchten. Vielmehr gilt für das offene System des Sinns, dass das Andere, das Abwesende anwesend ist. Das wird ebenfalls impliziert, wenn von einem Wahrheitsanspruch ausgegangen wird, der einschließt, dass es auch andere Wahrheitsansprüche gibt und dass es zudem Aussagen gibt, die nicht wahr sind. Bezogen auf den scheinbaren Gegensatz zwischen der Verkündigung des Wort Gottes und der Liturgie als Gebet und Lobgesang hat sich schon durch die wenigen Erörterungen anhand der reformatorischen Aus­ einandersetzungen gezeigt, dass sich hier manches Missverständnis bis heute hält, wenn man einen Gegensatz zwischen Wort Gottes und Liturgie annimmt. Wenn Schwerpunkte gesetzt werden, mag das etwas anders sein. Das die Konfessionen Verbindende ist aber die gemeinsam geglaubte Grundlage, wie immer diese auch interpretiert wird. Insofern lässt sich festhalten, dass die gottesdienstliche Feier geistgewirkt ist, aber es lässt sich dabei nicht ausschließen, dass auch diese Aussage in Bezug auf die gemeinsam geglaubte Grundlage unzutreffend oder falsch interpretiert werden kann. Denn auch diese Aussage, dass die gottesdienstliche Feier geistgewirkt ist, erhebt einen Anspruch auf Wahrheit und verbleibt darin in der Hoffnung, dass am Ende der Zeit offenbar wird, was wahr ist. Auf diese Weise wird nicht negiert, dass wir in einem offenen System leben und deshalb auch die Anwesenheit des Anderen, auch des Nicht-Wahren reflektieren. Es erweist sich somit als sinnvoll, die Sinnerfahrung als Kombinationen von Erfahrung und Verstehen, Denken und Gefühl, Wahrnehmen und Reflektieren etc. aufzufassen, weil vermittels dieser Kombinationen (und die damit einhergehenden gegenseitigen Erschließungen) für die Feiernden sich eine Sinnerfahrung einstellt. Mit dieser Sinnerfahrung können sie sich – soweit das menschlich möglich ist – der Wahrheit annähern.

Liturgische Vererbung – dominant oder rezessiv? Franz Rendtorff und der Gebrauch biologischer Metaphorik in der Liturgiewissenschaft

Thomas Melzl

1. Einleitung Nicht nur die Entwicklung der Liturgie unterliegt kulturgeschichtlichen Einflüssen, auch die Liturgiewissenschaft – als Reflexion auf diese Entwicklung – ist abhängig von kulturgeschichtlichen Wandlungen. Dies lässt sich an dem Leipziger Praktischen Theologen Franz Rendtorff (1860–1937)1 zeigen, der sich zwar nur in einer kleinen zweifach aufgelegten Schrift grundsätzlich zu liturgiewissenschaftlichen Fragen geäußert hat. Der programmatische Titel dieser Schrift und der Begriff einer „liturgischen Erbfolge“ haben aber erstaunlich weite Kreise gezogen. Bis in die Gegenwart hinein werden auf Rendtorffs Erbfolge-Begriff und die von ihm aufgestellten Erbfolge-Gesetze Bezug genommen und diese kritisch diskutiert. 2 Im Vordergrund des Interesses dieses Beitrags stehen dabei zunächst die Fragen, wie sich dieser Begriff bei Rendtorff selbst entwickelt hat, in welche kultur 1 Winkler, Eberhard: Rendtorff, Franz Martin Leopold. In: RGG4 7 (2004), Sp. 448; Weiling, Christoph: Rendtorff, ev. Theologenfamilie, in: NDB 21 (2003), 422 f (www.deutsche-biographie. de/pnd139097678.html). 2 Vgl. Hahn, Ferdinand, Art. Gottesdienst III. Im Neuen Testament. In: TRE 14 (1985), 31 f der gegen Lietzmanns These einer eigenständigen Mahlfeier der Hellenisten die „liturgische Erbfolge“ geltend macht; Bloth, Peter C.: Art. Schriftlesung I. In: TRE 30 (1999), 522–525, der auf die Nähe Rendtorffs zu Harnacks „Wesen des Christentums“ hinweist. Allerdings sei aufgrund der Erschließung neuer historischer Dokumente zur Gottesdienstgeschichte im Zusammenhang mit der neu entstandenen formgeschichtlichen Methode: „das Rendtorffsche Bild einer ‚Erbfolge‘ nicht nur in vielen Einzelheiten als unzutreffend erwiesen, sondern vor allem als axiomatisches Konstrukt eines religionsgeschichtlich umfassenden liturgischen ‚Erbfolgegesetzes‘ obsolet geworden.“; Neijenhuis, Jörg: Luthers Deutsche Messe als Ermöglichung des Eucharistiegebetes. Eine Auseinandersetzung mit Dorothea Wendebourgs Beitrag: Den falschen Weg Roms zu Ende gegangen? In: JLH 38 (1999), 9–39, hier: 21 f. sowie Gerhards, Albert: Kraft aus der Wurzel. Zum Verhältnis christlicher Liturgie gegenüber dem Jüdischen. Fortschreibung oder struktureller Neubeginn. In: KuI 16 (2001), 25–44, v. a. 25–28, der auf den problematischen Darwinismus des Erbfolgegesetzes hinweist. Rendtorffs Schrift ist zu seinen Lebzeiten u. a. besprochen worden von: Naumann, G.: Liturgische Erbfolge. In: MGkK 21 (1916), 144 ff; Niebergall, Friedrich: Praktische Theologie. In: Wissenschaftliche Forschungsberichte, hg. v. Karl Hönn, Geisteswissenschaftliche Reihe ­1914–1920, Bd. VI: Theologie, 92–103, hier: 95.

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geschichtlichen Zusammenhänge er einzuordnen ist und wie er bei Rendtorff gebraucht wird. Darauf folgend wird auf die unmittelbare Wirkung von Rendtorffs Programmschrift bei Friedrich Wilhelm von Boltenstern eingegangen. Abschließend wird nach dem Nutzen und dem Nachteil biologischer Metaphorik für liturgiehistorische Erkenntnisse gefragt.

2. Der Begriff des liturgischen Erbrechts – eine Spurensuche Mit seinem Begriff des „liturgischen Erbrechts“ ist Franz Rendtorff in die Geschichte der Liturgiewissenschaft eingegangen. Wie es zu diesem Begriff bei Rendtorff kam und welche Bedeutung er hat, das soll im Folgenden vor allem anhand zwei seiner Schriften untersucht werden: Anhand des im Jahr 1905 noch in Kiel publiziertem kritischen Berichts über die Taufe im Urchristentum im Lichte der neueren Forschungen sowie anhand der im Jahr 1913 in Leipzig veröffentlichten nur 44 Seiten umfassenden Schrift mit dem Titel Liturgisches Erbrecht, die er ein Jahr später etwas erweitert und mit Anmerkungen versehen unter dem Titel Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge erneut publiziert hat. 2.1 Die Taufe im Urchristentum Entgegen der von Rendtorff für seine Zeit festgestellten aufkommenden historischen Uninteressiertheit gegenüber Abendmahl und Taufe3 hält er es für „eine Gewissenspflicht – festzustellen, was sich über die geschichtliche Herkunft dieser Handlungen ermitteln läßt.“ Unter Bezug auf die Forschungen der religionsgeschichtlichen Schule, namentlich Adolf Deißmann (1866–1937), interpretiert er die Formel βαρτίζειν ἒις τό ὂνομα Ἴησοῠ als „t a u f e n u n t e r N e n n u n g d e s Na m e n s Je s u z u m Zwe c ke d e r He r s t e l lu n g e i n e s Zu g e h ör i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e s z u i h m .“4 Bestätigt wird dieser Befund durch einen Rekurs auf die paulinische Taufvorstellung, die nicht mehr nur als ein Sinnbild für das angesehen wird, das diese Vorgänge abbildet, sondern als ein Sakrament, das sie hervorbringt – so kann Rendtorff die neutestamentliche Forschungslage seiner Zeit zu dieser Thematik zusammenfassen und sich dabei nicht des Seitenhiebs erwehren, dass damit nurmehr endlich das historisch eingestanden werden muss, was längst dogmatische Anschauung war.5 Alle Auseinandersetzung zu dieser Thematik – so weiß Rendtorff freilich – „bezieht sich vorzugsweise auf die r e l i g i ö s e D e u t u n g d e s d a r g e s t e l l t e n e x e g e t i s c h e n B e f u n d e s 3 Rendtorff, Franz: Die Taufe im Urchristentum im Lichte der neueren Forschungen. Ein kritischer Bericht, Leipzig 1905, 2. 4 A. a. O., 10. 5 A. a. O., 15.

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und seine Einglieder ung in einen größeren religionsgeschicht­ l i c h e n Z u s a m m e n h a n g .“6 Rendtorff erkennt die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Schule an und würdigt sie, muss ihr aber auch einen doppelten Vorwurf machen: die religionsgeschichtliche Forschung ist im Rausch der Entdeckung religionsgeschichtlicher Analogien zu einer Art Erklärungswut gekommen, die – und das ist der zweite Vorwurf – doch mehr von dem dogmatischen Prinzip eines „materialistischen Entwicklungsmonismus“ als von der tatsächlichen Wirklichkeit geleitet ist und daher das Phänomen der Originalität notgedrungen unterschätzen muss.7 Rendtorff selbst will dagegen den Versuch unternehmen, die neutestamentlichen Quellen „nach den G e s e t z e n e i n e r r e l i g i ö s e n P s y c h o l o g i e “ zu erhellen, „welche zunächst nicht nach Analogien und Korrelativitäten fragt, sondern einfach nachzuerleben trachtet“, um davon das Ergebnis zu erwarten, „ob die zunächst in ihrer Eigentümlichkeit untersuchte urchristliche Taufe sich im wesentlichen als eine bloße Spielart der Durchschnittsvorstellungen und Bräuche jener Zeit charakterisiert, oder ob sie als ein wesentlich originales Gewächs auf dem Boden des Evangeliums erscheint.“8 Dass Rendtorff letzteres zu erweisen sucht, sollte aus dem bisher Dargelegten ersichtlich geworden sein. Für ihn geht die „Taufe als ritueller Initiationsakt“ auf eine Anordnung Jesu zurück, welche die Urgemeinde „zu besitzen sich bewußt gewesen ist“9. Denn freilich weiß Rendtorff: als Historiker kann man nur soviel sagen, dass in Mt 28,19 – die text- und literarkritische Unbedenklichkeit einmal vorausgesetzt – „eine in der Gemeinde lebende Taufpraxis zum ersten Mal literarisch dokumentiert und durch Beziehung auf einen Ausspruch Jesu religiös gedeutet ist.“10 Schlussendlich führt Rendtorff die christliche Taufpraxis auf die von Johannes dem Täufer geübte Taufe zurück.11 „Aber diese Johannestaufe war nur das Gefäß, dessen sich die urchristliche Gemeinde bediente, um in ihm ihr neues Sakrament zu fassen, … das als ein originales Produkt des Offenbarungsgeistes ihr von oben her geschenkt war.“12 Abschließend legt Rendtorff die Elemente der urchristlichen Taufliturgie dar, die er aus Glaubensbekenntnis, Sündenbekenntnis, Taufakt, Handauflegung und Salbung zusammengesetzt sieht.13

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A. a. O., 16. A. a. O., 27 f. A. a. O., 29. A. a. O., 37. A. a. O., 41. A. a. O., 45. A. a. O., 46. A. a. O., 47–53.

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2.2 Die Unterscheidung von Schale und Kern als Präfiguration des Erbfolge-Begriffs Zwar liegt in dieser Schrift Rendtorffs noch kein völlig entfalteter Erb-Begriff vor, wir können aber bereits hier zwei Anschauungen antreffen, die später weiter entfaltet worden sind: Da ist zum einen die nicht auf Analogien zurückführbare Originalität urchristlicher Formen. Diese Anschauung verdankt sich einer intensiven Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen der religionsgeschichtlichen Schule, die Rendtorff kritisch rezipiert: Die religionsgeschichtliche Schule hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Einflüsse der religiösen Umwelt auf die Ent­ stehung des Christentums zu erforschen, d. h. jede einzelne religiöse Erscheinung in ihren geschichtlichen Zusammenhang einzuordnen.14 Einerseits erkennt Rendtorff die durch die religionsgeschichtliche Schule geleistete Kontextualisierung des entstehenden Christentums in die Religionen und Kulturen der damaligen Zeit an und weiß, das dabei gesammelte Material zu schätzen. Andererseits weist er den damit verbundenen Überschwang an Analogiebildung und die daraus resultierenden wild wuchernden Thesen in die Schranken. Hinzu kommt drittens, dass er mithilfe einer (in jener Zeit erst aufkommenden) Religions­ psychologie15 über die Religionsgeschichte hinausgehen möchte, und die Überlieferung nicht nur in den geschichtlichen Zusammenhang einordnen, sondern sie „nacherleben“ und vermittels dieses Erlebens verifizieren möchte.16 Da ist zum anderen die Rückführung der christlichen Taufe auf die von Johannes dem Täufer praktizierte Taufe und zwar so, dass die Taufe des Johannes lediglich als das „Gefäß“ verstanden wird, das die urchristliche Gemeinde nutzte, um in ihm die eigene Taufe heranzubilden, bis schließlich das Gefäß nicht mehr benötigt und deshalb zurückgelassen worden ist. Das ist im Gesamtzusammenhang der Ausführungen Rendtorffs überraschend, weil damit ausgesagt wird, dass eine Handlung, von der Rendtorff behauptet, dass sie zum originalen und ureigensten Bestand des Christentums zählt, in dieser Originalität dennoch von einem Vorbild abhängig war. Original ist, so ließe sich folgern, für Rendtorff also 14 Vgl. dazu Gunkel, Hermann: Rez. Max Reischle, Theologie und Religionsgeschichte, in: DLZ 25 (1904), Sp.1100–1110, hier: Sp. 1109. 15 Eine deutsche Religionspsychologie als Wissenschaft hat sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts konstituiert, vgl. Fraas, Hans-Jürgen: Die Religiosität des Menschen. Ein Grundriß der Religionspsychologie, Göttingen 1990, 13–25, bes. 16 ff. 16 Die Herkunft solcher Anschauung kann an dieser Stelle nur angedeutet werden. Zum einen muss ein Einfluss Wilhelm Diltheys (1833–1911) und der Lebensphilosophie in Rechnung gestellt werden, die den Begriff des „Erlebens“ in den Mittelpunkt gestellt haben, vgl. Dilthey, Wilhelm: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. In: GS VII, Göttingen 51968, 77–188; zum anderen bewegt sich Rendtorff auf den Spuren der im Entstehen begriffenen Religionspsychologie bei Wilhelm Wundt (1832–1920), vgl. Wundt, Wilhelm: Probleme der Völkerpsychologie, Stuttgart 1921, und dessen Schüler Oswald Külpe (1862–1915), der seinerseits Wilhelm Stählin (1883–1975) beeinflusst hat, sowie unabhängig davon Traugott Konstantin Oesterreich (1880–1949), vgl. Oesterreich, Traugott Konstantin: Einführung in die Religionspsychologie als Grundlage für Religionsphilosophie und Religionsgeschichte, Berlin 1917.

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nicht unbedingt das, was sich auf keine andere Form zurückführen lässt, sondern das, was sich gegenüber den anderen Formen durchgesetzt hat. Denn die bereits vorhandene Form der johanneischen Taufe wurde „von oben her“ mit einem neuen Inhalt gefüllt, mit dem „originalen Produkt des Offenbarungsgeistes“. In dieser Verhältnisbestimmung kommt allerdings schon die für Rendtorffs späteren Erb-Begriff so wichtige Unterscheidung von Form und Inhalt, von Schale und Kern zum Tragen, die er aus der religionsgeschichtlichen Schule übernimmt.17 In der religionsgeschichtlichen Schule spielte diese Unterscheidung von Form und Inhalt, von Schale und Kern angesichts der Häufigkeit ihres Vorkommens und der damit verbundenen von ihr erwarteten Erklärungsleistung eine bedeutende über die bloß bildhafte Anschauung hinausgehende Rolle. Beispielsweise konnte Hermann Gunkel (1862–1932) dieses Verhältnis von Form und Inhalt in sehr ähnlicher Weise formulieren, wenn er schreibt: „Mit einer fest ausgeprägten Form kann sich im Laufe der Zeit der verschiedenartigste Inhalt verbinden; demnach, wenn man den u r s p r ü n g l i c h e n Sinn einer Form nachgewiesen hat, so ist doch keineswegs ausgeschlossen, daß die Form später ganz anderen Inhalt besessen hat.“18 Dies erinnert – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen – an eine andere Stelle, in der Gunkel auf die Bedeutung des Mythischen im Neuen Testament zu sprechen kommt: Man dürfe das Mythische nicht einfach abwerten, da es „eine notwendige Phase des religiösen Denkens“ sei. Weil sich aber in „mythischer Form … die k ö s t l i c h s t e n S c h ä t z e d e r R e l i g i o n verbergen“19 können, komme es nun darauf an, den „kostbaren Kern vorsichtig aus der fremdartigen Schale“20 herauszulösen. Die Unterscheidung in Form und Inhalt, in Schale und Kern, kann also als eine Denkfigur angesehen werden, in der bereits alle Probleme einer kulturwissenschaftlichen Vererbungslehre vorhanden sind, wenn etwa Gunkel zu den Hauptcharakteristika der religionsgeschichtlichen Betrachtung die Frage nach dem geschichtlichen Werden der „einzelnen religiösen Erscheinung“ zählt: „wir 17 Besonders häufig war sie bei Adolf von Harnack (1851–1930) anzutreffen, vgl. z. B.  Harnack, Adolf von: Das Wesen des Christentums, 1900, 6 f.35.40.113. Aber auch: Bousset, Wilhelm: Was wissen wir von Jesus?, Halle an der Saale 1904, 56–58.62–69. Das Sprachbild der Unterscheidung von Schale und Kern (als Form und Inhalt) lässt sich allerdings in der Traditionslinie religionsgeschichtlicher Forschung weiter zurück verfolgen, z. B. bis auf Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1849) in seiner Schrift Aufforderung zum Studium der Hebräischen Sprache und Literatur. Zur Eröffnung seiner Vorlesungen, Jena und Leipzig 1805, 11 f.: „Die Religionsgeschichte ist die beste Bildungsschule des Religiösen. Er schaue sich um, wie die anderen vor und neben ihm Gott verehren, er gehe ein in ihre Vorstellungen und Begriffe und suche, das Gute ehrend wo er es findet, die Schale zu spalten, die den edlen Kern verschließt. Und wenn er unter aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit überall denselben Glauben wiederfindet, so wird sein eigener Glaube sich nur fester gründen und tiefer Wurzel fassen, und je verschiedener und täuschender die Form, desto belehrender und überzeugender wird das Wiedererkennen des Gleichen und Unveränderlichen seyn.“ 18 Gunkel, Hermann: Rez. Max Reischle (s. Anm. 14), Sp. 1107. 19 Gunkel, Hermann: Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen Testaments, 1903, 14 f. (= Forschungen zur Religion und Literatur des Alten Testaments, H.1). 20 A. a. O., 15.

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fragen immer wieder: warum ist sie gerade an d i e s e m Punkt der Geschichte entstanden und an keinem anderen? was mußte vorausgehen, daß sie so werden konnte, wie sie vorliegt? wie pflegen überhaupt solche Erscheinungen zu werden?“21. Auch für eine kulturwissenschaftliche Vererbungslehre stellt sich im Hinblick auf kulturelle Tradierungsprozesse also die Frage, was das originäre Eigene und das derivativ Fremde, was das alt Hergebrachte und das neu Hinzugekommene ist, und wie sich beides zueinander verhält. 2.3 Liturgisches Erbrecht / liturgische Erbfolge22 Rendtorff knüpft mit seiner Schrift zum liturgischen Erbrecht an seine Schrift zur Taufe an, da er auch für die liturgiegeschichtliche Arbeit seiner Zeit den positiven Einfluss sowohl der kirchengeschichtlichen Forschung als auch der religionsgeschichtlichen und religionsvergleichenden Forschung in Rechnung stellt. 23 Gerade die Erkenntnis der „Verwandtschaftsverhältnisse“ zwischen altkirchlichen und außerchristlichen Kultusformen veranlasst Rendtorff zu seiner zentralen These, dass „der christliche Kultus … nicht ‚ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum‘ ins Leben getreten [ist, Th. M.] Sein Eintritt ins Leben war vielmehr zugleich der Eintritt in eine Erbfolge.“24 Das genaue Studium dieser Erbfolge wird – so Rendtorff weiter – „einen wichtigen, für das geschichtliche Verständnis des Christentums bedeutsamen Beitrag zu der Frage liefern, inwieweit das Christentum jeweilig willens und imstande gewesen ist, sich seine kultischen Ausdrucksformen in schöpferischer Originalität zu schaffen, inwieweit es mit oder ohne seinen Willen auf Kosten seiner Originalität dem Gesetz der liturgischen Erbfolge unterlegen ist, und inwieweit es vermocht hat, die überkommenen und zum Teil fremdartigen Formen, in deren Rinden und Schalen sein Gottesdienst erwachsen ist, zu einem vollwertigen Darstellungsmittel seiner Frömmigkeit auszugestalten.“ Bei dieser dritten Möglichkeit sieht Rendtorff die Gefahr, dass die mitgeschleppten „Erblasten“ den Erben früher oder später zum Verhängnis werden. Freilich gibt es daneben auch zahlreiche „Erbgüter“, die zu entdecken Freude bereitet. 25 21 Gunkel, Hermann: Rez. Max Reischle (s. Anm. 14), Sp. 1109. 22 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht, Leipzig 1913. Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge. Eine Grundlegung der Liturgik, Leipzig 1914 (Seitenzahlen im Text mit *). 23 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 1–2; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 1–2. 24 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 3; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 4. Rendtorff zitiert dabei aus Hebr. 7,3, wo es heißt, dass König Melchisedek „ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum“ ist. Er beurteilt damit die religionsgeschichtliche Methode anders als noch 10 Jahr zuvor in seiner Studie zum Taufe im Urchristentum. Musste er dort noch die Übertreibung der religionsgeschichtlichen Methode kritisieren, so kann er nun – nachdem sie zu einer Selbstklärung gekommen ist – ihre Ergebnisse anerkennen. 25 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 4; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 4–5.

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Von zwei Seiten sieht Rendtorff ein „reiches liturgisches Erbe“ bereitstehen: von Seiten des Judentums und von Seiten des Heidentums. Allerdings habe das Christentum bei seinem Weg in die Welt beide liturgischen Erbteile entschlossen abgelehnt. Denn „Jesus selbst hat das antike K u l t u s i d e a l umgestürzt und ein völlig neues an seine Stelle gesetzt.“26 Rendtorff betrachtet insbesondere die „urchristlichen Handlungen der Taufe und des Abendmahls sowie die paulinische Sakramentsauffassung“ als genuin christliche Eigenschöpfungen, die sich nicht auf „heidnische Naturreligionen und Mysterienkulten“ zurückführen lassen, wie es – auch wenn es Rendtorff nicht ausdrücklich erwähnt – in der religionsgeschichtlichen Schule unternommen worden ist. Wenn es dann trotzdem „zu einer weitgehenden Übernahme überlieferter Kultusformen“ gekommen ist, dann nur „im Gegensatz zu der ursprünglichen Stimmung und Gesinnung des Christentums und seiner Riten“27. Eine Ablehnung der liturgischen Erbfolge ereignete sich nach Rendtorff auch in der lutherischen Reformation. 28 Sein Fazit zu Luthers Auffassung lautet: „Um das religiöse Erbe Christi und der ersten Christenheit der Gemeinde ungeschmälert zu erhalten, hat er auf das liturgische Erbe der Kirche, aus der er herauswuchs, feierlich und bedingungslos Verzicht geleistet.“29 Abgesehen vom Messkanon verfährt Luther mit der liturgischen Überlieferung konservativer, wobei es sich aber auch hierbei um keine „endgültige Erbschaftsübernahme“ handelt, denn als „bleibendes gottesdienstliches Erbe kennt Luther abgesehen vom Sakrament nur eins, das Wort Gottes.“30 Allerdings sind dann – so Rendtorff – sowohl die Alte Kirche als auch die lutherische Reformation, nach einer kurzen „Überlegungsfrist“, „dennoch in weitem Umfang in die 26 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 5; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 6. Rendtorff macht das an Aussagen Jesu aus dem Johannesevangelium fest – besonders Joh 4,21 ff, denen er entnimmt, „daß der wahre Gottesdienst nicht im verdienstlichen Vollzug ritueller Leistungen an bestimmten geweihten Opferstätten bestehe, sondern sich … in der Sphäre gottgeweihter Innerlichkeit und auf dem Grunde der im Vaternamen enthüllten Wirklichkeit Gottes … vollzieht.“ Rendtorff weist auf den befreienden Aspekt dieser Wendung in die Innerlichkeit für die ältesten christlichen Gemeinden. Gottesdienst ist daher – Rendtorff nimmt hier Paulus auf – nichts anderes als eine „auf Gott gerichtete Andacht“ mit dem Ziel der Erbauung der Gemeinde, wobei dieser Gottesdienst nicht nur „in spezifisch religiösen Verrichtungen“ besteht, sondern auch schon in jeder „ernstliche[n] Betätigung des religiösen Lebens in sittlichen Handlungen“ Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 6; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 7. 27 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 8; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 10. 28 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 9; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 10. Und zwar auch hier wieder – als Erneuerung des neutestamentlichen Gottesdienstbegriffs – durch eine Wende vom „äußerlichen und gesetzlichen“ der römischen Kirchen hin zu einem geistlichen. Daraus resultiert dann auch Luthers Ablehnung des Messkanons als Opfer und seine Erkenntnis des Abendmahls als „Zusage, Siegel und Pfand der göttlichen Gnade“ Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 10 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 13. 29 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 11 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 14. 30 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 12; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 15.

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von ihren Begründern bewußt und grundsätzlich ausgeschlagene Erbfolge eingetreten“, was zu der Frage führt, wie es zu erklären ist, dass die Kirche, wenn sie genötigt war, neue gottesdienstliche Formen und Ordnungen zu entwickeln, dies im Anschluss an die unmittelbare liturgische Vergangenheit und Umgebung erfolgte, obwohl sie doch deren Motive und Tendenzen zumindest im Anfang abgelehnt hatte. Rendtorff erklärt dies mit der „l i t u r g i s c h e n U n i n t e r e s s i e r t h e i t s e i n e r B e g r ü n d e r “, die das kirchliche Christentum „f ü r d i e Ü ber na h me des von i h m zu nächst zur ückgew iesenen l it urg i s c h e n E r b e s “ erschlossen hat.31 Weder Jesus noch Paulus noch Luther waren liturgisch interessiert.32 Ausschlaggebend ist für Rendtorff, dass das Christentum weder im Zeitalter seiner Begründung noch in dem seiner reformatorischen Erneuerung eine Kultusreligion gewesen ist; „beidemale hat es sich statt um einen neuen Kultus ganz ausschließlich um eine neue Frömmigkeit gehandelt.“ In dieser Beobachtung liegt für Rendtorff nun der Schlüssel zur Lösung der aufgeworfenen Erbfolge-Frage, wie es sein kann, dass man sich liturgisch eng an die unmittelbare Vergangenheit anschließt, obwohl man doch ansonsten in der Frömmigkeit mit ihr gebrochen hat.33 Gerade die Unterschiedenheit von liturgischen Formen auf der einen und religiösem Leben auf der anderen Seite konnte dies möglich machen, denn „ohne Leib kann auf die Dauer geistiges Leben in einer menschliche Gemeinschaft, ohne gottesdienstliche Ordnungsformen kann religiöses Leben, wenn es zu gemeinsamer Anbetung führt, nicht bestehen.“ Das Christentum ist daher „darauf angewiesen gewesen, sich seine gottesdienstlichen Ordnungen in Anlehnung an Formen zu gestalten, die ihm von außen dargeboten wurden.“34 Gerade die liturgischen Ordnungen der jüdischen Gemeinde mussten der christlichen Gemeinde „als ledig gewordener Besitz“, „als Hinterlassenschaft eines Verstorbenen erscheinen“, die sie nun mit innerer Notwendigkeit „nach dem Recht der Erbfolge in Besitz nehmen konnte.“35 Für Rendtorff stellt sich die Geschichte des christlichen Gottesdienstes als „die Geschichte einer fortgesetzt sich wiederholenden Erbübernahme“ dar, aufgrund derer es „wenigstens im Protestantismus zu einer eigenständigen liturgischen Produktion bis heute nicht gekommen ist.“36 Rendtorff erklärt dies mit einem paradoxen Sachverhalt: zunächst hat auf der einen Seite die neue Fröm 31 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 13; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 15 f. 32 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 13 ff, 17 ff, 19 ff; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 16 ff, 19 ff, 22 f. 33 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 21; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 24. 34 Rendtorff gebraucht in diesem Zusammenhang den biologischen Vergleich mit Weichtieren, denen die Fähigkeit zur Bildung einer eigenen Schale fehlt und die darum von fremden Schalen Gebrauch machen. 35 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 22; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 25. 36 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 40 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 47 f.

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migkeitsweise des Christentums jegliche Erbfolge verboten. Die damit verbundene Uninteressiert gegenüber kultischen Formen hat es dann auf der anderen Seite aber gerade ermöglicht, die gewissermaßen herrenlos gewordenen Formen mit demjenigen kultischen Erbe zu füllen, das man zunächst abgelehnt hatte. 37 Für Rendtorff ist damit eine Gesetzmäßigkeit beschrieben, die sich in der Geschichte des christlichen Gottesdienstes immer aufs Neue wiederholt hat, wenn sich eine Reformbewegung von ihren Vorgängern abgehoben hat.38 Abschließend verwahrt sich Rendtorff gegenüber jeden praktischen Folgerungen aus seinen Überlegungen, betont aber doch, dass es bei einer Gottesdienstordnung nicht um etwas ein für alle Mal Feststehendes handelt, sondern um bewegliche Einzelglieder, „die im Einzelnen wie in ihrer ganzen Anordnung nicht nur neuer Deutung sondern auch neuer Gestaltung fähig sind.“39 Eine Gottesdienstordnung wird aber umso weniger als fremd empfunden, je mehr sie mit den „Grundgedanken christlichen Gottesdienstes als einer anbetenden Feier im Geist und in der Wahrheit, als des Kindesverkehrs einer mündigen Gemeinde mit dem gnädig wirkenden Gott durchdrungen und erfüllt“ ist.40 So sehr Rendtorff auch Wert auf die „zum Teil uralte Herkunft unserer gottesdienstlichen Formen“ legt, so dass uns die Kette der Erbfolge auch in „einen organischen Geschichtszusammenhang hineingestellt“ sein lässt, „der uns kräftig trägt“, und er den auf uns gekommenen Gottesdienst in Ehren halten möchte, so sehr warnt er zugleich davor, „die liturgischen Ordnungen der Vergangenheit zu kanonisieren, als ob sie ein ‚Intestaterbe‘41, ein aus einer Einsetzung Christi stammendes und darum unantastbares Gut wären“. Sie sind vielmehr „als Erzeugnisse einer wechselvollen Geschichte freier Entwicklung offen zu halten und als Menschensatzung nicht anders als in Freiheit zu handhaben“, also „Bleibendes und Vergängliches in diesem Erbe sorgfältig zu unterscheiden“, wobei auch das Bleibende nur insofern einen Wert hat, als es dem auf „freies Nehmen und Geben gerichteten Verkehr einer Christengemeinde mit dem lebendigen Gott, dienlich“ ist.42

37 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 41; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 48. 38 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 41 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 48. 39 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 42; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 49. 40 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 42 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 49 f. 41 Ein Intestaterbe meint den gesetzlichen Erben. Im römischen Recht kann der Begriff darüber hinausgehend auch die ohne Testament zur Erbfolge berufene Person bezeichnen. 42 Rendtorff, Franz: Liturgisches Erbrecht (s. Anm. 22), 43 f; Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 51.

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2.4 Der Erbfolge-Begriff im Übergang von der juristischen zur biologischen Bedeutung Der Begriff des Erbes hatte im 18. Jahrhundert eine weitreichende Bedeutungsverschiebung durchgemacht: Durch die aufkommende Wissenschaft der Biologie und den im Gefolge dieses Aufkommens entstehenden Konzepten von Vererbung sowie der Entwicklung von Organismen43 wurde der ursprünglich auf die Übergabe von Grund und Boden, von Dingen und Vermögen bezogene juristische Begriff des Erbes auf die biologische Reproduktion übertragen.44 Gelegentlich lassen sich bei Rendtorff noch rein juristische Vorstellungen oder Begriffe nachweisen. Vor allem der erste Titel seiner Schrift lässt darauf schließen. Aufs Ganze gesehen ist der rein juristische Erb-Begriff bei Rendtorff aber längst verlassen und durch einen quasi-biologischen Erb-Begriff erweitert oder ersetzt worden. Bei der Verwendung des Erb-Begriffs durch Rendtorff haben wir es also mit einer erneuten Übertragung zu tun, einer Rück-Übertragung aus dem Bereich der Naturwissenschaft in den Bereich der Geisteswissenschaft, auf deren Weg der Erb-Begriff nun beide Konnotationen mit sich führt: sowohl die juristische als auch die biologische. Setzt der juristische Begriff den erklärten Willen (Testament) eines Erblassers an die nachfolgende Generation voraus, so sucht der biologische Begriff den Träger der Erbinformation zu identifizieren und die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung zu erkunden. Rendtorff geht es mit der Einführung des Begriffs der Erbfolge in die Liturgiewissenschaft um die Erkenntnis von Erbfolge-Gesetzen. In erstaunlicher Analogie zu den von Mendel aufgestellten Gesetzen45 vollzieht sich auch die liturgische Erbfolge, die Rendtorff im Sinn hat, entweder dominant oder rezessiv.46

43 Vgl. dazu Mayr, Ernst: Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt. Vielfalt, Evolution und Vererbung, Berlin 2002. 44 Vgl. Willer, Stefan / Weigel, Sigrid / Jussen, Bernhard: Erbe, Erbschaft, Vererbung. Eine aktuelle Problemlage und ihr historischer Index. In: dies.: Erbe. Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur, Berlin 2013, 7–36, hier: 14–16. Die Autoren machen auf die Umbrüche in den Konzepten von Erbe aufmerksam, die um 1800 ereignet haben. 45 Seit 1856 führte der Augustinermönch Gregor Mendel (1822–1884) Kreuzungsversuche mit Erbsenpflanzen durch, deren Ergebnisse ihn zur Formulierung der später nach ihm benannten mendelschen Regeln führte. Im Jahr 1866 veröffentlichte Gregor Mendel in den Verhandlungen des Naturforschenden Vereins in Brünn, Bd. IV seine Versuche über Pflanzenhybriden. Für eine zu vererbende Eigenschaft zweier Eltern an ihre gemeinsame Nachkommenschaft bestehen demnach drei Möglichkeiten des Erbgangs: (1) Bei einem dominant-rezessiven Erbgang setzt sich die dominierende Eigenschaft des einen Elternteils gegenüber der des anderen Elternteils durch, die dann als rezessiv bezeichnet wird. (2) Bei einem intermediären Erbgang bilden die Eigenschaften beider Elternteile eine Mischform. (3) Bei einem kodominanten Erbgang werden die Eigenschaften der Elternteile übernommen und separat ausgebildet. 46 Rendtorff bezieht sich in seinen Schriften nicht auf Mendel. Eine Kenntnis der mendelschen Entdeckungen und der daraus hervorgehenden Regeln könnte aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzen, zumal der Botaniker und Genetiker Carl Correns (1864–1933), der um 1900 das Werk Mendels wieder entdeckt hatte, von 1902 bis 1909 an der Universität Leipzig gelehrt hat.

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In Aufnahme dieser Terminologie lassen sich daher drei bei Rendtorff implizit vorhandene liturgische Erbfolgegesetze reformulieren: (1) Originale Kreation und damit Vorherrschaft der eigenen liturgischen Formen. (2) Durchsetzung einer fremden liturgischen Form und damit rezessives Zurücktreten der eigenen liturgischen Form. (3) Assimilation der fremden liturgischen Form, und zwar so, dass die fremden Formen auf eine Weise zu eigen gemacht werden, dass sie tatsächlich zu einem Eigenen werden. Von Interesse für Rendtorff ist insbesondere die dritte Variante, die wir näher betrachten wollen: Bei der Assimilation fremden liturgischen Guts herrscht die­ typische Anschauung der religionsgeschichtlichen Schule von Schale und Kern vor, die insbesondere in der systematischen Theologie als Unterscheidung von Wesen und Form wiederkehrt. Der Kern ist das Wesentliche, das Originäre, auf das es letztlich ankommt – für Rendtorff ist es das „religiöse Leben“. Die Schale ist lediglich die Form, die zwar insofern notwendig ist, als sich das „religiöse Leben“ verleiblichen muss, die aber vom Wesens-Kern her bestimmt wird. Weil aber die Form vom Wesen her bestimmt gedacht wird, braucht man an der Form – so die Folgerung – im Grunde nicht interessiert zu sein. Und war es auch nicht, was Rendtorff an verschiedensten Beispielen – u. a. an Luther – aufzuzeigen sucht. Durch solche Uninteressiertheit erklärt sich für Rendtorff der Bruch mit der liturgischen Tradition, der dann freilich zu einer Leerstelle geführt hat, die mit fremden liturgischen Material aufgefüllt werden musste. Das allerdings ist ein Hinweis darauf, dass die Form gegenüber dem Wesen doch keine so untergeordnete Rolle spielt, wie man es sich gedacht hatte, und die Uninteressiertheit gegenüber der Form daher zu unerwünschten Folgen führen kann. Zwischen der liturgischen Vererbungslehre Rendtorffs und dem biologischen Diskurs seiner Zeit besteht eine frappierende Übereinstimmung. Das quasi-biologische Sprachbild der Unterscheidung in Schale und Kern trägt nämlich die Züge eines in der Zeit Rendtorffs im Schwange gehenden biologischen Diskurses an sich, in dessen Verlauf der Mechanismus der Fortpflanzung in das Innere des Organismus verlagert wird und an dessen Ende die Erforschung kleinster Einheiten als Träger der zu vererbenden Informationen steht.47 Das betrifft zunächst überhaupt die Unterscheidung in Schale und Kern. Innerhalb des biologischen Diskurses haben sich bestimmte Begriffe herausgebildet, die seit ihrer Prägung zum festen Bestandteil des Inventars einer Vererbungstheorie gehören. Dazu zählen auch die Begriffe Genotyp und Phänotyp.48 Während der Begriff Genotyp die genetische Ausstattung eines Organismus meint, bezieht sich der Begriff Phänotyp auf die aus dem Genotyp 47 Willer, Stefan / Weigel, Sigrid / Jussen, Bernhard: Erbe, Erbschaft, Vererbung (s. Anm. 44), 18–20. Die Autoren sprechen von einer Naturalisierung der Vererbungskonzepte. 48 Beide Begriffe wurden 1909 von dem dänischen Botaniker und Genetiker Wilhelm Ludvig Johannsen (1857–1927) eingeführt.

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resultierenden morphologischen Eigenschaften. Die Unterscheidung in einen Phänotyp und einen Genotyp kehrt also bei Rendtorff in der Unterscheidung von Schale und Kern wieder. Wird die biologische Erbinformation nun dem Genotyp zugeschrieben, den man im Inneren des Organismus ansiedelt, so verlagert in ähnlicher Weise auch Rendtorff das Entscheidende an der liturgischen Erbfolge in das Innere der Schale. Die Schale als der Form dient dem Kern als dem Eigentlichen und Wesentlichen gewissermaßen als Brutkasten, damit dieser in ihr zur Reife gelangen kann, bis zu jenem Tag, an dem der Kern die Schale durchbricht, diese abstreift und hinter sich lässt. Es ist, als ob das Christentum seinen Inhalt wie einen Virus in eine fremde Form injiziert, damit sich dieser Inhalt an die fremde Form wie an ein Gerüst anschmiegen und in ihr heranwachsen kann. Damit wird zwar in einem gewissen Sinn die fremde Form übernommen, sie wird ja für eine bestimmte Zeit als Träger gebraucht, aber dann doch überwunden – zumindest in dem geglückten Fall der liturgischen Erbfolge. Nicht zuletzt an dieser Stelle kommen die Vorarbeiten Rendorffs zur Taufe im Urchristentum zum Tragen. Rendtorff rechnet neben dem geglückten Fall der liturgischen Erbfolge noch mit zwei nicht geglückten Fällen: Eine liturgische Erbfolge gilt einerseits dann als nicht geglückt, wenn sich das bereits vorhandene liturgische Erbe als Erblast erweist, weil dieses gegenüber einer neuen schöpferisch originären Form als dominant auftritt und deren Durchsetzung verhindert. Andererseits ist damit zu rechnen, dass der Vorgang der Assimilation dazu führt, dass mit der fremden Form auch wesensfremde Elemente übernommen werden, weil sich das Eigene gegenüber dem Fremden als rezessiv erweist. Das Eigene ist dann also nicht in der Lage, das Fremde in Eigenes zu verwandeln, sondern wird seinerseits vom Fremden verwandelt. In Rendtorffs Erb-Begriff treten schließlich auch die Ablagerungen des romantischen Organismus-Denkens49 zutage, die sich mit den juristischen und biologischen Konnotationen verbinden. Rendtorff geht es ja nicht um die Frage der Weitergabe von biologischen, sondern von kulturellen Erb-Informationen, also um die Tradierung von Gedankeninhalten, von Texten und Handlungen, von Haltungen und Gesten. Diese Tradition entfaltet sich gewissermaßen von innen heraus organisch und kann sich in diesem Prozess der eigenen Gestaltwerdung auch fremdes Gut zu eigen machen, solange die eigene formende Kraft überwiegt. Als ein viertes Erbfolge-Gesetz lässt sich daher folgendermaßen formulieren: (4) Liturgische Vererbung ist nicht ein einmaliger Vorgang, sondern hat sich in der Geschichte des Christentums immer wieder ereignet und wird sich auch weiterhin ereignen. Schöpferische Originalität wird von Rendtorff damit nicht ausschließlich in einen Ursprung verlagert, von dem aus die weitere Entfaltung nur als Degene 49 Vgl. Art. Organismus, in: Kirchner, Friedrich: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe, Heidelberg 21890, 880 f.

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ration verstanden werden muss. Schöpferische Originalität kann sich vielmehr immer wieder in der Geschichte ereignen, was er ja zunächst an dem Beispiel der Taufe demonstriert hatte. 3. Der evangelische Gottesdienst unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge – eine Wirkung 1) Die Programmschrift Rendtorffs unmittelbar zu eigen gemacht hat sich Friedrich Wilhelm von Boltenstern (1898–1956) in seiner Dissertation mit dem Titel Der evangelische Gottesdienst unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge aus dem Jahr 1921.50 Boltenstern untersucht darin die Verwandtschaftsbeziehungen der römischen Messe zum evangelischen Gottesdienst, vor allem, welche Stücke von der einen zur anderen Seite übergegangen und welche entfallen sind. Eine erste Erbfolge hat sich zwischen der römischen Messe und den Gottesdienstordnungen Luthers vollzogen. An den von Luther beibehaltenen Messgebeten ist dabei die interessante Beobachtung zu machen, dass Luther sie zwar in ihrem Wortlaut aufgenommen, aber durch die Ersetzung des Singulars durch den Plural zu Gemeindegebeten gemacht hat. Ohne das überlieferte Erbgut radikal zu überwinden wurde ihm dadurch eine neue Bedeutung zuteil, so dass es auf diese Weise in den neuen Gottesdienst integriert werden konnte.51 Die zweite Stufe der Erbfolge greift sodann in den ersten lutherischen Gottesdienstordnungen: „Einzelne evangelische Formen werden vorbildlich für weitere Kreise, als für die sie ursprünglich gedacht waren.“52 Selbst die ersten reformierten Gottesdienstformen weisen einen „Zusammenhang mit den vorhandenen Formen“ auf.53 Bei den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts ist die Beobachtung zu machen, dass sie einerseits verstärkt auf Luthers Schriften (Formula missae und seine Deutsche Messe) zurückgreifen und streng an „den von Luther gegebenen Ordnungen“ festhalten und andererseits über Luther hinaus auf die römische Messe zurückgehen.54 Eine Ausnahme ist der süddeutsche Typ, der sich von der Messe – scheinbar – völlig losgelöst hat. Während Boltenstern im Zeitalter von Pietismus und Rationalismus nur eine „Zersetzung der gottesdienstlichen Formen“ erkennen kann, so bezeichnet die Preußische Agende „einen Wendepunkt in der Geschichte des evangelischen Gottesdienstes. Man fing nun wieder an auf das Erbe der Vergangenheit zu achten und an die Stelle der freien Willkür die feste Ordnung zu setzen.“55

50 Boltenstern, Friedrich Wilhelm von: Der evangelische Hauptgottesdienst unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge, Gießen 1921. 51 A. a. O., 32 f. 52 A. a. O., 50. 53 A. a. O., 59 f. 54 A. a. O., 84. 55 A. a. O., 111.

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In seiner Bewertung des liturgischen Erbes sucht Boltenstern den Mittelweg zwischen Erblast und Erbgut, zwischen der völligen Abwehr der liturgischen Tradition und ihrer von den gottesdienstlichen Bedürfnissen der Gegenwart völlig absehenden Fortsetzung:56 „Daraus ergibt sich folgende Fragestellung: Wie ist trotz starker Betonung des liturgischen Erbes den Forderungen, die die Gemeinde der Gegenwart in ihrem Gottesdienst stellt, Rechnung zu tragen?“57 Abschließend setzt Boltenstern seine Erkenntnisse in einem Gestaltungsvorschlag um: Der Hauptgottesdienst sollte zwei Teile aufweisen, die durch eine kurze Pause getrennt werden. „Der erste Teil bringe dann die Predigt, ganz schlicht umrahmt nur von Lied und Gebet. Der zweite Teil bringe die Kommunionfeier mit der Liturgie de tempore, reich ausgeschmückt mit Gesang. So bleibt der Predigt ihre Bedeutung gewahrt, sie bildet dann wirklich den Mittelpunkt des ersten Teils, so bleibt auch dem heiligen Abendmahl seine Würde, es ist dann wirklich der Höhepunkt des zweiten Teils des Gottesdienstes.“58 2) Hatte sich Rendtorff mit praktischen Folgerungen aus seinen Erkenntnissen noch zurückgehalten,59 so unterbreitet Boltenstern einen Konstruktions­ vorschlag, der den Hauptgottesdienst deutlich in zwei Teile trennt und damit die überlieferte Struktur des aus zwei Teilen bestehenden Gottesdienstes, der missa catechumenorum und der missa fidelium, wieder aufnimmt und dramaturgisch für die evangelisch-lutherische Kirche zuspitzt. Dabei besteht das eigentlich Interessante an Boltensterns Vorschlag darin, dass er das Dilemma insbesondere des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes, das in der Spannung zwischen Wort und Kult besteht, herausarbeitet und in der von ihm unterbreiteten Lösung zuspitzt. In dieser Lösung werden die beiden wesentlichen Komponenten des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes, Predigt und Abendmahl, zwar in ihrer jeweiligen Besonderheit geachtet und gewürdigt, ohne dass die eine Seite zugunsten der anderen zurückgesetzt würde. Aber genau darin liegt auch das Problem: sie können dann nur wie zwei gleiche Größen nebeneinanderstehen und sind nicht organisch miteinander verbunden. Was Boltenstern in dieser Spannung von Wort und Kult also herausgearbeitet und in seinem Lösungsvorschlag unterbreitet hat, ist die unvollkommene Verbindung einer vererbten Form (die Eucharistie)  mit einer wiederentdeckten originären Form (die Predigt), die sowohl das besondere Erbe gegenüber anderen Kirchen als auch die besondere Erblast der evangelisch-lutherischen Kirche darstellt.

56 A. a. O., 125 f. 57 A. a. O., 127. Boltenstern formuliert hier in enger inhaltlicher Anlehnung an Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 51. 58 A. a. O., 154. 59 Vgl. Rendtorff, Franz: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes (s. Anm. 22), 49.

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4. Vom Nutzen und Nachteil biologischer Metaphorik für liturgiehistorische Erkenntnisse – ein Ertrag Der Gebrauch quasi-biologischer Metaphorik für das Verstehen historischer liturgischer Zusammenhänge ist ohne die Karriere der Biologie als einer Wissenschaft nicht vorstellbar. Die von Rendtorff dem biologischen Diskurs entlehnte Metapher der Vererbung bietet eine ganz spezifische Erklärungsleistung an, bringt aber auch eine ganze Reihe von Problemen mit sich. Freilich muss man ihm dabei zugutehalten, dass der biologische Erbfolge-Begriff gegenüber dem juristischen etwas abgemildert ist, da er nicht mehr den Tod des Erblassers voraussetzt, sondern ein Nebeneinander verschiedener erbgutgebender und -nehmen­ der Stränge möglich macht. Dennoch verbinden sich auch mit dem biologischen Erbfolge-Begriff folgenreiche Anschauungen. Als erstes wird man auf die Naturalisierung der Liturgiegeschichte hinweisen müssen, die mit dem Erbfolge-Begriff einhergeht. Diese Naturalisierung kann die Liturgiegeschichte so erscheinen lassen, als ob es sich bei der Weiterentwicklung von Liturgien gleichsam um einen natürlichen Prozess handeln würde, bei dem sich im Lauf der Geschichte der wahre Kern der Liturgie in seiner besten Form durchsetzt, wobei jede Konfession diese beste Form für sich beanspruchen dürfte. Die Naturalisierung der Liturgiegeschichte überdeckt damit, dass sich Liturgien vor allem aufgrund kulturgeschichtlicher Entscheidungen oder Ereignisse weiterentwickeln, wie es z. B. die Reformation war. Der Konflikt zwischen einer Naturalisierung und einer Historisierung der Liturgiegeschichte ist – biologisch gesprochen – der Konflikt zwischen Darwinismus und Lamarckismus. Während Charles Darwin (1809–1882) davon ausging, dass sich bestimmte angeborene Eigenschaften aufgrund eines Selektionsvorgangs in der Natur durchsetzen und an die nachfolgende Generation weitergegeben werden, war Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829) der Überzeugung, dass manche nützlichen Eigenschaften im Lauf eines Lebens erworben und vererbt werden können. Während Darwin also eine ursprüngliche Fülle annimmt, aus der im Lauf der Entwicklung, all das aussortiert wird, was sich als nicht überlebensfähig erwiesen hat, steht für Lamarck die Fülle eher am Ende, weil diese im Lauf der Evolution immer mehr angereichert wird. Beide Entwicklungsbilder haben sich im Denken nachhaltig festgesetzt und bestimmen damit auch die Aufbereitung der Liturgiegeschichte. Es ist daher die Frage, ob Liturgie eher auf Seiten des Darwinismus oder auf Seiten des Lamarckismus anzusiedeln ist. Sind liturgische Formen gleichsam angeborene Eigenschaften, die sich, weil sie brauchbarer sind als andere, gegenüber anderen durchsetzen, oder gleichen sie eher erworbenen Eigenschaften, die stetig verbessert werden? Oder lassen sich Hinweise für beides finden, so dass beide Konzepte in ein vermittelndes drittes Konzept integriert werden könnten?60 60 Nach einer lang anhaltenden Vorherrschaft des Darwinismus kann in der gegenwärtigen Biologie durch das Konzept der Epigenetik auch der Lamarckismus aufgenommen werden, vgl. Parnes, Ohad: Biologisches Erbe. Epigenetik und das Konzept der Vererbung im 20. und 21. Jahrhundert. In: Willer, Stefan / Weigel, Sigrid / Jussen, Bernhard: Erbe, Erbschaft, Vererbung (s. Anm. 44), 202–242.

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Mit dem Erbfolge-Begriff geht zweitens einher, dass er einen stringenten Entwicklungsgedanken voraussetzt – ganz egal, welche Entwicklungsrichtung zugrunde gelegt wird: ob sich die Dinge von einer flüssigen noch ungeordneten Formation zu einer immer festeren und geordneten Form hin entwickeln,61 oder, ob im Grunde alles schon im Wesen einer Sache als deren Nukleus angelegt ist und sich historisch lediglich organisch von einem wenig komplexen zu einem immer komplexer werdenden System hin entfaltet. Ein solcher stringente Entwicklungsgedanke führt zu einer Einschränkung der Wahrnehmung, so dass beispielsweise parallele Entwicklungen weniger stark in das Blickfeld geraten.62 Die Wirkung dieses Entwicklungsgedankens wird vor allem bei der Darstellung des urchristlichen Gottesdienstes greifbar. Rendtorff kann deutlich machen, wie sich die Zeiten liturgischer Erneuerung mit der Zeit des liturgischen Ursprungs gleichen und von daher in Zeiten liturgischer Erneuerung immer auf den liturgischen Ursprung zurückgegriffen wird. Der urchristliche Gottesdienst gilt als so etwas wie der gemeinsame ökumenische Konvergenzpunkt in der Vergangenheit und damit zugleich als der für alle Konfessionen vorbildhafte Gottesdienst. Schon für Martin Luther hatte die „Messe Christi“ unbedingt vorbildhaften Charakter: „Je näher nun unsere Messe der ersten Messe Christi sein, je besser sie ohn’ Zweifel sein, und je weiter davon je gefährlicher“63. Und für Friedrich Heiler (1892–1967) übertrifft „der u r c h r i s t l i c h e G o t t e s d i e n s t alle späteren Formen des christlichen Gottesdienstes an Kraft und Tiefe.“64 Was sich dieser Vorstellung gemäß von diesem Punkt aus, einem Urknall gleich, nach allen Seiten zu entfalten beginnt und in verschiedenen Richtungen auseinanderstrebt, lässt sich – folgt man den Fluchtlinien in umgekehrter Richtung – zurückführen auf einen gemeinsamen Ursprung. Diese Anschauung hat in gewisser Weise ihre Berechtigung, verführt aber zu falschen Annahmen. Denn die auseinanderstrebenden Seiten haben nicht nur verschieden stark an Fahrt aufgenommen, sie wurden auch in verschiedener Weise mit Gedankengut angereichert, haben sich nicht einfach organisch in freier Entfaltung entwickelt, sondern sind in Auseinandersetzung und Abgrenzung entstanden. Vor allem aber: Es gibt nicht einfach den urchristlichen Gottesdienst. Wir haben es vielmehr schon in den neutestamentlichen Schriften mit verschiedenen Gottesdiensttypen zu tun, die mit bestimmten biblischen Traditionen verwoben sind und mit diesen überliefert werden.65 In Anknüpfung an diese Traditionen haben sich dann auch die Got 61 Nagel, William: Geschichte des christlichen Gottesdienstes, Berlin 1962, 19. 62 Gerhards, Albert: Kraft aus der Wurzel (s. Anm. 2), 33. 63 WA 6, 355 (Sermon vom Neuen Testament, 1520). Allerdings war dies für Luther kein Anlass, „die Form des Gottesdienstes der urchristlichen möglichst anzunähern“, so Freiherr von der Goltz, Eduard: Das Vorbildliche in Luthers Kultusreform. In: Studien zur Reformationsgeschichte und zur praktischen Theologie. Gustav Kawerau an seinem 70. Geburtstage dargebracht, 2. Teil: Studien zur praktischen Theologie, Leipzig 1917, 129–144, hier: 134. 64 Heiler, Friedrich: Katholischer und evangelischer Gottesdienst, München 21925, 16. 65 Vgl. dazu Wick, Peter: Die urchristlichen Gottesdienste. Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit, Stuttgart 22003, v. a. 360– 366 und 382–393. Wicks Untersuchung der soziokulturellen Basis urchristlicher Gottesdienste führt zu einem „gottesdienstlichen Feld“ in dem die jeweilige Nähe der charismatischen Bewegung

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tesdienste der Konfessionen entwickelt.66 So plausibel diese verschiedenen Gottesdiensttypen auch konstruiert werden können, so vermögen sie über ihren Inhalt und Ablauf kaum etwas Konkretes auszusagen. Bis ins dritte Jahrhundert hinein ist die Überlieferung spärlich, und erst in den Schriften, die nachträglich zu dem Korpus der Apostolischen Väter zusammengefasst worden sind, lassen sich Spuren einer Gottesdienstordnung greifen. „Der“ urchristliche Gottesdienst stellt daher so etwas wie eine „regulative Idee“ dar, die zwar einerseits nur bedingt für konkrete liturgische Umsetzungen taugt, andererseits aber die Erinnerung daran wachhält, was Gottesdienst sein könnte, gewissermaßen als der gemeinsame Horizont und als der schlechthin vorbildliche Gottesdienst. Als solche „regulative Idee“ aber, die von jeder Kirche ausgebildet wird, kann die Darstellung „des“ urchristlichen Gottesdienstes nicht am Anfang der Betrachtung stehen, sondern notwendigerweise an deren Ende, und zwar im Kontext der Auslegungs- und Rezeptionsgeschichte einerseits der neutestamentlichen Schriften und andererseits der Sekundärliteratur, die versucht, aus den neutestamentlichen Schriften eine Anschauung der Gottesdienste im Urchristentum zu gewinnen. Das aber könnte wiederum ein Hinweis darauf sein, dass Rendtorffs Gebrauch des Erb-Begriffs kein historischer, sondern ein systematischer war. Der Titel der zweiten Auflage seiner Schrift: Die Geschichte des christlichen Gottesdienstes unter dem Gesichtspunkt der liturgischen Erbfolge. Eine Grundlegung der Liturgik führt also in die Irre, da es sich bei Rendtorffs Werk gar nicht um ein Stück Liturgiegeschichtsschreibung, sondern um eine idealistische Theorie der Liturgiesystematik handelt, welche die Geschichte der Liturgie unter einem besonderen Gesichtspunkt darstellt, um einige wesentliche Aspekte zu erhellen. Deshalb kann man ihm schlechterdings historische Ungenauigkeiten gar nicht vorwerfen. Was er aber entgegen seiner eigenen Intention sichtbar machen konnte ist die – in jüngster Zeit wiederentdeckte – Bedeutung der Form, also der Wirkkraft des litur­gischen Rituals.67

zu den Institutionen (Tempel, Synagoge, Haus) die nachfolgende konfessionelle Ausprägung von Gottesdiensten bestimmt. So sieht Wick den Gottesdienst der orthodoxen Kirchen und der katholischen Kirche in der Nähe zum Tempel, den Gottesdienst der reformierten und der lutherischen Kirchen in der Nähe zur Synagoge, den Pietismus in der Nähe zum Haus und die charismatische Erneuerung bzw. Basisgemeinden in der Nähe der charismatischen Bewegung. Im Übrigen kann der Wandel der Forschungsperspektive schon aus dem Titel ersehen werden, dem Wick seiner Untersuchung gegeben hat. Während alle voraufgehenden Untersuchungen immer nur von dem Gottesdienst im Urchristentum in der Einzahl gesprochen haben, geht Wick nun grundsätzlich von mehreren Gottesdiensten aus. 66 Vgl. dazu Etzelmüller, Gregor: … zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn. Eine biblische Theologie der christlichen Liturgiefamilien, Frankfurt / Main 2010. 67 Vgl. dazu Baschera, Luca / Berlis, Angela / Kunz, Ralph (Hg.): Gemeinsames Gebet. Form und Wirkung des Gottesdienstes, Zürich 2014.

Noch einmal: Bortnjanskij und die Preußische Kirchenagende von 1824 Ekaterina Antonenko / Anselm Schubert

I. Die kirchenmusikalische Reformbewegung des Cäcilianismus, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa die Befreiung der geistlichen Musik von den opernhaften und symphonischen Einflüssen und eine Orientierung am à cappella-Stil verlangte, verstärkte auch das Interesse an der russischen Kirchenmusik. Wie die Sixtinische Kapelle in Rom wurde auch die russisch-orthodoxe Kirchenmusik (und hier vor allem die St.-Petersburger Hofsängerkapelle)  als Träger einer lebendigen geistlichen Tradition und als Verkörperung des idealen Kirchenchorklanges in dieser Zeit verstanden. Von daher ist es bezeichnend, dass der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1797–1840) die Leiter gerade dieser Chöre – Giuseppe Baini (1775–1844) und Dimitrij Bortnjanskij ­(1751–1825) – in den Jahren 1823–1824 mit der Vertonung der unierten Agende Preußens beauftragt hat.1 Anselm Schubert hat 2015 in seiner Untersuchung zur Vertonung der Preußischen Kirchenagende von 1823/242 erstmals die Entstehungsumstände von Dimitrij Bortnjanskijs so genannter Deutscher Messe beleuchtet.3 Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass der Einfluss des Komponisten auf die Preußische Kir

1 Vgl. die Edition der Deutschen Messe in Lebedeva-Jemelina, Antonina: „Немецкая обедня“ Бортнянского (загадки и парадоксы произведения), in: Келдышевские чтения 2005. Множественность научных концепций в музыкознании , hg. v. Государственный институт искусствознания Москва , 2009, 135–144 und die Edition ebd., 406–440. Im Zuge dieser Ideen wird auch die Reorganisation des Chores des Berliner Doms nach dem Vorbild Petersburger Hofkapelle 1842–1843 betrachtet. Vgl. Gardner, I. A.: Bogosluzhebnoe penie Russkoi pravoslavnoi tserkvi (Liturgical singing of the Russian Orthodox church): in 2 vols. Vol. II. Istoriia (History). Moscow: Pravoslavnyi Sviato-Tikhonovskii Bogoslovskii institut, 2004, 261–262. Die Vertonung von Baini in der Stadtbibliothek Berlin im Nachlass Gvell 511, fol. 13R–13V. 2 Schubert, Anselm: Dimitrij Bortnjanskijs Vertonung der Preußischen Kirchenagende von 1823/24. In: JLH 54 (2015), 40. 3 Es ist zu bemerken, dass der von Findeisen gegebene Name „Немецкая обедня“ doch als Deutsche Messe zu übersetzen ist, nicht als „Deutsche Vesper“. Findeisen nimmt auch an, dass das Werk der „Periode der musikalisch-theoretischen Studien des Komponisten“ entstammt. Er hat außerdem eine Hypothese aufgestellt, „Bortnjanski könnte, außer Galuppi, auch bei einem deutschen Theoretiken Unterricht genommen haben, – kann sein, auf dem Weg aus Italien – in Wien“ (d. h. um 1778). Findeisen N. F.: Очерки по истории музыки в России с древнейших времен до конца XVIII века , Moskau / Leningrad 1929 (ND 2013), Vol. 2, S. 263.

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chenagende als eher gering einzuschätzen sei: in die endgültige Fassung von 1829 seien nur das russische „Alleluja“,4 das „Amen“ und die dritte Fassung des „Heilig, Heilig, Heilig“ übernommen worden. Das berühmte, bis heute Bortnjanskij zugeschriebene „Ehre sey Gott in der Höhe“ stimme jedoch nicht mit dem gleichnamigen Stück aus der Agende von 1829 überein.5 Überdies sei nicht mit Sicherheit zu sagen, welche Teile der Vertonung, die überwiegend aus Überarbeitungen russischer Kirchenchorälen besteht, Originalkompositionen seien.6 Eine musikwissenschaftliche Analyse lässt hier einige Präzisierungen angebracht erscheinen.

II. Was den Anteil von Originalkompositionen in Bortnjankijs Agendenvertonung betrifft, ist es sinnvoll, unterschiedliche Grade von Originalität und Bearbeitung zu unterscheiden. Laut Korrespondenz hatte der preußische König Friedrich Wilhelm III. verlangt, so weit wie möglich bestehende russische Kirchenchoräle an den Text der preußischen Kirchenagende anzupassen. Das aber war, wie sich zeigte, nur mit Einschränkungen möglich.7 Was die Bearbeitungen betrifft, so sind dies offenbar weniger eigentliche Neusätze als Kontrafakturen bereits existierender Choralbearbeitungen aus der Feder Bortnjanskijs. Solche Kontrafakturen finden sich etwa in den Stücken

4 Dieses Alleluja ist aus der ersten Fassung von 1822 übernommen und geht, wie man zeigen kann, indirekt wohl ebenfalls auf Bortnjankijs Einfluss zurück. Wie schon Leupold, Ulrich: Die liturgischen Gesänge der evangelischen Kirche im Zeitalter der Aufklärung und der Romantik. Kassel 1933, 139, vermutet hat, findet sich dieses Stück (in einer zweistimmigen Version) in Bortnjanskij „Prostoe penie…“, das dieser 1814–1815 zur Veröffentlichung vorbereitet hatte. Rytsareva, Marina: Dmitri Bortniansky. Zhizn’ i tvorchestvo kompozitora [Dmitri Bortniansky: Life and Work of the Composer], 2nd edition, revised and extended [In Russian]. St. Petersburg 2015, 213, hat zeigen können, dass trotz des irreführenden Titels („Einfacher Gesang der göttlichen ChrysostomosLiturgie, der seit altersher nach einer einzigen Überlieferung am allerhöchsten Hofe verwendet wird“) und der fehlenden Autorschaft diese Version wohl als Komposition Bortnjanskijs anzu­ sehen ist. 5 Schubert, Anselm: Dimitrij Bortnjanskijs Vertonung der Preußischen Kirchenagende von 1823/24, (s. Anm. 2), 41. 6 Ebd., 38. 7 Aus einem Brief von Großfürsten Nikolaus an Friedrich Wilhelm III. vom 26.1./9.2.1824: „Je crains beaucoup que Votre Majesté ne sera pas satisfaite de son commissionaire même sous le rapport le plus essentiel, celui d’avoir bien rempli les intentions dans l’arrangement de la musique. Celui auquel vous m’avez ordonné de m’adresser est un homme fort habile très entendu, – mais aussi fort difficile à se laisser guider. Ce qu’il a arrangé fait un très bel effet, mais il pretend n’avoir pu adapter les paroles allemandes au cantiques Russes… Quelques unes des pieces n’existent pas du-tout chez nous d’autres sont les mêmes mais cependant avec des differences assez fortes pour render la transposition impossible“. Zitiert nach Leupold, Ulrich: Die liturgischen Gesänge der evangelischen Kirche im Zeitalter der Aufklärung und der Romantik (s. Anm. 4), Beilage III.

Bortnjanskij und die Preußische Kirchenagende von 1824 

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Nr. 1 „Wo ist ein Gott“ (S. 406: „imitation d’un cantique de Kiovie“8) und Nr. 4 „Glauben“ (S. 417), das eine mehrstimmige Kontrafaktur von Bortnjankijs zweistimmiger Fassung des Credo („Верую“) aus „Prostoe penie“ ist.9 Aus dem ersten Anhang sind Kontrafakturen die Nr. 1. „Ehre sei dem Vater“ (S. 431: „qu’on chante la vielle du Noël“)10 und Nr. 2 „Lamm Gottes“ (S. 433 „qu’on chante au Grand Câreme“), welches letztere eine Überarbeitung von Bortnjanskijs „Kostet und sehet“ Nr. 1 aus der „Liturgie der Vorgeweihten Gaben“ ist.11 Im zweiten Anhang ist es zudem noch die Nr. 1 „Bekennen will ich Dich“ (S. 437 f: „imitation de la prière a la S. Vièrge, qu’on chante au Câreme“).12 Komplizierter liegen die Fälle, wo es eine Vorlage gegeben haben könnte, diese aber nicht eindeutig identifizierbar ist: das ist zum ersten das Offertorium Nr. 5 „Bekennen will ich“ (S. 425): zwar ist dieser Text nicht Teil der orthodoxen, sondern nur der westlichen Liturgien, aber es war (wie man am „Bekennen will ich“ aus dem zweiten Anhang sieht) offensichtlich möglich, auch für diesen Text eine musikalische Vorlage zu finden. Ähnlich verhält es sich mit dem Introitus im zweiten Anhang „Wo ist ein Gott“ (S. 438): für ihn existiert eine liturgische Entsprechung in der russischen Liturgie, und von Bortnjanskij ist sogar eine ent­ sprechende Originalkomposition überliefert, die allerdings nicht mit dem Stück in der Deutschen Messe identisch ist.13 Auch für das Sanctus (Nr. 7, S. 429 und Anhang 1, Nr. 3, S. 435) gibt es in der orthodoxen Tradition vielfältige musikalische Vorbilder – doch ausgerechnet von Bortnjanskij ist keine russische Vertonung dieses Stückes überliefert, so dass wir es bei dem Stück Anhang 1, Nr. 3 („mode du chant Grecque“) eventuell mit einer Originalkomposition zu tun haben, die im Sopran und im Tenor eine Melodie nach Art der sogenannten „griechischen“ Choräle bietet. Ganz unsicher ist schließlich aus Anhang 2 das „Kyrie“ (S. 434), für das es sicher Vorlagen gab, die aber nicht eindeutig identifizierbar sind.14



8 Eine Kontrafaktur von der Bortnjanskijschen Bearbeitung des „Kievskij“ Chorals „Слава и ныне. Единородный Сыне“ („Ehre sei dem Vater und dem Sohne. Eingeborener Sohn“). 9 Простое пение Божественной литургии Златоустаго, издревле по единому преданию употребляемое при Высочайшем дворе. Петербург, 1815. С. 12–14. 10 Eine Kontrafaktur von der Bortnjanskijschen Bearbeitung „Слава и ныне. Дева днесь“ („Ehre sei dem Vater und dem Sohne. Die Jungfrau bringt heute den Ewigen zur Welt“, Kontakion an Weihnachten), ist in Ausgaben der Kapelle ab 1845 als Bearbeitung des „Bolgarskij“ Choral gekennzeichnet. Vgl. dazu Plotnikova, Natalia: Obrabotki drevnikh rospevov v tvorchestve D. S. Bortnjanskogo [Bearbeitungen der alten Töne im Werk von D. S. Bortnjanski] in: Bortnjanski i ego vremja [Bortnjanski und seiner Zeit]. Moskau 2003, 49. 11 Vgl. Lebedeva-Jemelina, Antonia: „Немецкая обедня“ Бортнянского (s. Anm. 1), 142, und Rytsareva, Marina: Dimitri Bortniansky (s. Anm. 4), 374. 12 Eine Kontrafaktur der Bearbeitung des „Znamennij“ Chorals „Под Твою милость прибегаем, Богородице Дево“ („Unter Deine Barmherzigkeit flüchten wir, o Gottesgebärerin“), einem Troparion der Vesper in der Großen Fastenzeit. 13 Великий прокимен „Кто Бог велий“. 14 Auffällig ist allerdings, dass es fast identisch ist mit dem Schlusskyrie von Nr. 1 „Wo ist ein Gott“.

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Für zwei Stücke ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie Originalkompositionen Bortnjanskijs sind, weil es in der orthodoxen Tradition keine liturgischen Entsprechungen zu diesen Texten der preußischen Kirchenagende gab: das ist zum einen die Nr. 3 „Der Herr beschützt“ (S. 413), dessen Text der König aus dem Messbuch der Diözese von Paris übernommen hatte,15 sowie die Nr. 6 „Recht ist es“ (S. 426), die in der preußischen Kirchenagende begegnet und dort nur vom Pfarrer gesprochen wird: Eine Vertonung dieses Stückes war gar nicht beabsichtigt und wurde von Bortnjanskij offenbar nur aus Versehen vorgenommen.

III. Ein eigenes Thema bildet  – wegen seiner bewegten Rezeptionsgeschichte  – Bortnjanskijs Vertonung des „Ehre sey Gott in der Höhe“. Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass das Bortnjanskijsche „Ehre sey Gott in der Höhe“, das er im Auftrag des preußischen Königs in der Deutschen Messe vertonte, entgegen Schuberts erster Annahme doch in zwei bearbeiteten Versionen in die Agende von 1829 aufgenommen wurden: eine verkürzte Version als erste Variation (S. 9) und eine vollständige Version als dritte Variation (S. 10). Das konnte umso leichter übersehen werden, als in beiden Versionen die ersten vier Takte fehlen: Der Grund wird darin zu sehen sein, dass die Anfangsworte „Ehre sey Gott in der Höhe“ in der Agende dem Liturgen vorbehalten waren und der Chor erst bei den Worten „und Frieden auf Erden“ einsetzte. Aus diesem Grund wurden auch diese Anfangstakte des Chores harmonisch überarbeitet, damit sie besser dem Beginn des Chorsatzes entsprechen (s. Beispiel 1).16 In der dritten Version unterscheidet sich überdies der Text etwas vom Original (Bortnjanskij: „Dich loben wir“ – Agende 1829: „Wir loben Dich“; Bortnjanskij: „Dich preisen wir“ – Agende 1829 „Wir benedeien Dich“ usw.), was rhythmische Veränderungen nach sich zog (s. Beispiel 2). Im Schlussteil ist (ab Takt 46) heißt es statt „Du allein o Christus mit dem heiligen Geiste bist der Allerhöchste in der Herrlichkeit Gottes des Vaters“ in der Agende „Du allein bist der Allerhöchste, Jesu Christe, mit dem heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes des Vaters“. Diese Änderungen der Textgestalt werden mit den fortgesetzten Arbeiten des Königs an der Liturgie zu erklären sein, die er zwischen 1824 und 1829 weiter vornahm. Die umfangreichsten musikalischen Änderungen finden sich in den Takten 39–45. Die Textstelle „der Du die Sünde der Welt trägst“ aus Takt 35–38 wird wiederholt, die Musik ist hier neu komponiert (vgl. Beispiel 3). 15 Vgl. Schubert, Anselm: Liturgie der Heiligen Allianz. Die liturgischen und politischen Hintergründe der Preussischen Kirchenagende von 1821/22. In: ZThK 110 (2013), 296–316, hier 304. 16 In der Originalfassung hat die Vertonung von den Worten „Und Friede auf Erden“ mit der Subdominante angefangen. In der Agende von 1829 beginnt es mit der Tonika.

Bortnjanskij und die Preußische Kirchenagende von 1824 

Beispiel 1

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Beispiel 2

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Bortnjanskij und die Preußische Kirchenagende von 1824 

Beispiel 3

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Beispiel 4

Kleine Korrekturen in der Stimmführung finden sich vielfältig. Der Schlussteil (ab Takt 46 „der Du sitzest“) ist in der Version von 1829 wegen der Textänderung rhythmisch korrigiert und den Schluss bildet – statt einem einmaligen – nun ein dreifaches Amen (s. Beispiel 4).17 Aller Wahrscheinlichkeit nach gehen all diese Veränderungen des originalen Manuskripts Bortnjanskijs, die die preu­ßische Kirchenagende bis ins 20. Jahrhundert begleiteten, auf Carl Friedrich Zelter (1758–1832) zurück, der mit der Zusammenstellung des Musik-Anhangs von 1829 beauftragt wurde.18 Insgesamt handelt es sich jedoch eindeutig um eine Bearbeitung der Bortnjanskijschen Vorlage des „Ehre sey Gott in der Höhe“.

IV. Anders steht es allerdings um die populäre, in Deutschland bis heute verwendete und ebenfalls schon früh Bortnjanskij zugeschriebene Fassung des „Ehre sey Gott in der Höhe“, wie sie in Volksliederbüchern überliefert wird.19 Sie wurde 17 Die Version aus der Agende von 1829 erhält eine Fermate vor dem Amen und einen zusätzlichen Takt (Beispiel 4). 18 Vgl. Brodbeck, David: A Winter of discontent. Mendelssohn and the Berliner Domchor. In: Mendelssohn Studies, hg. v. Todd, L. R., Cambridge MA 1992, 10. 19 Nicht nur in populären Weihnachtsliedersammlungen (vgl. etwa: Frohe Weihnacht, ausgewählt von Wilhelm Lutz, London 1946, 7), wird das „Ehre sey Gott“ bis heute Bortnjanskij zu-

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1851 erstmals unter dem Namen Bortnjanskijs in der „Sammlung religiöser Gesänge älterer und neuester Zeit zum bestimmten Gebrauch für den Königlichen Berliner Domchor“ in die Musica sacra aufgenommen. 20 In dieser Veröffentlichung, die von Leiter des Chores am Berliner Dom Heinrich August Neithardt (1793–1861) herausgegeben wurde, beginnt die Komposition zwar wie bei Bortjnanskij sogleich mit dem vierstimmigen Chorsatz, dieser unterscheidet sich aber von Bortnjanskijs Fassung aus der Deutschen Messe. Diese veränderten Anfangstakte erklären sich offenbar dadurch, dass in der Agende von 1829 diese Takte ausgelassen worden waren, und nun neu hinzugefügt wurden, da möglicherweise das Bortnjanskijsche Original nicht mehr bekannt war. Es ist zu vermuten, dass die berühmten Anfangstakte von Neithardt selbst geschaffen wurden, der bereits Kompositionen gleichen Textes von Felix MendelssohnBartholdy und Otto Nikolai überarbeitet hatte. 21 Die berühmte Fassung des „Ehre sey Gott in der Höhe“ hat also mindestens eine zweifache Bearbeitung erfahren – zuerst durch Zelter für die Agende von 1829 und später von Neithardt für die Ausgabe von 1851. Trotzdem unterliegt die eigentliche Autorschaft von Bortnjanskij keinem Zweifel, so dass ein zentrales Werk der deutschen Kirchenmusik, das bis heute im kulturellen Gedächtnis präsent ist, tatsächlich für Bortnjanskij reklamiert werden kann. 22

geschrieben, auch die Musikwissenschaft schließt sich der Zuschreibung bis heute an (vgl. Brodbeck, David: A Winter of discontent (s. Anm. 18) 14. 20 Vgl. Musica Sacra Bd. V: Sammlung religiöser Gesänge älterer und neuester Zeit zum bestimmten Gebrauch für den Königlichen Berliner Domchor. Vgl. dazu Rettinghaus, Karl: Studien zum geistlichen Werk Otto Nicolais. Berlin 2014, 206. 21 Rettinghaus, Karl: Studien zum geistlichen Werk Otto Nicolais (s. Anm. 20), 205. 22 Während Bortnjankijs Kompositionen, in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Vorbild ursprünglicher Kirchenmusik wahrgenommen wurden, wurden sie in Russland selbst Objekt der Kritik seitens der zeitgenössischen und der nachfolgenden Generationen der Musiker. Umstritten war in erster Linie die vermeintliche Aufnahme westlicher Stilelemente in den orthodoxen Gesang sowie die Einflüsse aus der weltlichen Musik. Nikolaj Kompanejskij (1848–1910) geht dieser Frage nach in seinem Aufsatz „Ist Bortnjanskij ein Italiener?“ ( Компанейский Н И. Итальянец ли Бортнянский? / Памяти духовных композиторов Бортнянского, Турчанинова и Львова. СПб. 1908). Prinz Wladmir Odoewski schrieb im Jahre 1866: „Man kann in den Opern von Galuppi ganze Stellen finden, die sein Schüler Bortnjanskij in die orthodoxe Musik übertragen hat“ (vgl. Князь Владимир Одоевский. Дневник. Переписка. Материалы. К 200-летию со дня рождения / Ред.-сост. М. П.  Рахманова. М.: Дека-ВС , 2005. С. 298). In der Russischen Musikalischen Zeitung, Nr. 40 (1901) finden wir eine andere Art Rezeption des Kompositionsstils Bortnjanskijs. Antonin Preobrazhenskij schrieb: „[…] offensichtlich war Bortnjanskij für seine Zeitgenossen ein Beschützer der Kirchenmusik gegen den starken Einfluss der italienischen Konzertmusik. Vergleicht man seine Musik mit der Kirchenmusik anderer Komponisten seiner Zeit, stellt man fest, dass Bortnjanskijs Kompositionen der Funktion und dem Wesen der Kirchenmusik entsprechen. Er war ein talentierter Komponist, der ein neues Wort in der geistlichen Musik gesagt hat.“ In derselben Zeitung Nr. 39 (1901) finden wir sogar noch eine stärkere Aussage von Stepan Smolenskij über Bortnjanskij; „Bortnjanskij hat sein ganzes Können verwendet, um die Kirchenmusik seiner Zeit gegen Italomania zu schützen und im Geiste der wahren russischen Tradition, der alten Kirchengesänge, zu pflegen“. (Alle Zitate übersetzt aus dem Russischen von E. Antonenko).

Ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst in St. Michael (Hildesheim) am 11. März 2017 Jörg Neijenhuis

Diese Beschreibung und Deutung des ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes in St. Michael (Hildesheim) am Samstag, dem 11. März 2017, versteht sich als eine Weiterführung von Gottesdienstdarstellungen, insbesondere von der Beschreibung und Darstellung der ökumenischen Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016. In Lund haben Papst Franziskus, Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche, und Bischof Munib Younan, Präsident des Lutherischen Weltbundes, Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und Pfarrer Martin Junge, General­sekretär des Lutherischen Weltbundes, die Reformation gewürdigt unter dem Leitgedanken Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Der ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienst in St. Michael (Hildesheim) wurde von dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, geleitet. Er stand unter dem Leitgedanken Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen und bezog sich auf die Kirchen in Deutschland. Der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz hatten im Frühjahr 2016 ein Gemeinsames Wort veröffentlicht, in dem die leidvolle Trennungsgeschichte seit der Reformation erinnert wird, Vergebungsbitte und Versöhnung schließen sich an, ebenso Dank und Fürbitte wie auch eine Reihe von Selbstverpflichtungen, weil der Impuls dieses Gottesdienstes weiterwirken soll. Beide Kirchen machen Kirchengemeinden Mut, nach dem Hildesheimer Gottesdienst selbst solche Gottesdienste zu feiern; der Liturgieentwurf für diese Gottesdienste, nach dem auch der ökumenische Bußund Versöhnungsgottesdienst in St. Michael erarbeitet wurde, ist dem Gemeinsamen Wort beigegeben.

Ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst in St. Michael 

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1. Eröffnung des Gottesdienstes, Kyrie, Schuldbekenntnis Der Gottesdienst aus Hildesheim wurde vom NDR produziert und im Ersten Deutschen Fernsehen, der ARD, live gesendet.1 Zunächst führt der Moderator Michail Paweletz in das Anliegen und den Anlass dieses Gottesdienstes ein; er steht draußen vor der Michaeliskirche. Während er noch spricht, wird in die Kirche geblendet und man sieht eine dreidimensionale Sperre, die auf dem Boden vor dem Altar liegt. Das Kunstwerk ist, so der Moderator, von Pater Abraham­ Fischer für diesen Gottesdienst geschaffen worden und symbolisiert die Trennung der Kirchen, indem es vor dem Altar und auf dem Boden als eine Sperre im Weg liegt. Es wird im Gottesdienst aufgerichtet werden und man wird sehen, dass es ein Kreuz ist. Eingeblendet wird die anwesende deutsche Staatsspitze: Bundespräsident Gauck, Bundestagspräsident Lammert und Bundeskanzlerin Merkel. Dann ist Orgelmusik zu hören, die Menschen in der vollbesetzten Kirche stehen auf, der Einzug der Liturgen erfolgt. Vorangetragen werden ein Kreuz und zwei Kerzenleuchter, es folgen viele Jugendliche und einige Erwachsene. Hinter ihnen gehen Rosemarie Wenner, Bischöfin der evangelisch-methodistischen Kirche, und Constantin Miron, Erzpriester der griechisch-orthodoxen Metropolie, dann Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD -Synode, und Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Am Ende des Zuges gehen Landesbischof und EKD -Ratsvorsitzende Heinrich BedfordStrohm und Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Während des Einzugs wird das Lied Komm, Heilger Geist, der Leben schafft2 gesungen. Die erste Strophe singen alle gemeinsam unter Begleitung der Orgel, die von Hans Joachim Rolf gespielt wird: „Komm, Heilger Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deiner Kraft. Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: nun hauch uns Gottes Odem ein.“ Die zweite Strophe wird von Hanna Zusande, die vorne im Altarraum steht, solistisch gesungen: „Komm, Tröster, der die Herzen lenkt, du Beistand, den der Vater schenkt, aus dir strömt Leben, Licht und Glut, du gibst uns Schwachen Kraft und Mut.“ Die dritte Strophe wird von einem Projektchor der Dom- und Michaeliskantorei unter Leitung von Thomas Viezens gesungen: „Dich sendet Gottes Allmacht aus im Feuer und in Sturmes Braus; du öffnest uns den stummen Mund und machst der Welt die Wahrheit kund.“ Der Projektchor steht vorne, seitlich im Altarraum der Kirche, die Mädchenkantorei der Hildesheimer Dommusik unter der Leitung von Stefan Mahr, die die vierte Strophe singt, steht hinten im Westchor der Kirche: „Entflamme Sinne und Gemüt, dass Liebe unser Herz durchglüht und unser schwaches Fleisch und Blut in deiner Kraft das Gute tut.“ Die letzte Strophe wird wiederum von allen, begleitet durch die Orgel, gesungen: „Die Macht des Bösen banne 1 www.youtube.com; dann: Ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst aus St. Michael in Hildesheim. 2 EG 552,1–5 (EG für Niedersachsen und Bremen, Ausgabe für die Evang.-Luth. Landes­k irche Hannovers), GL 342,1–5.

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weit, schenk deinen Frieden allezeit. Erhalte uns auf rechter Bahn, dass Unheil uns nicht schaden kann.“ Der Ratsvorsitzende Bed-ford-Strohm und Kardinal Marx treten gemeinsam vor die Festgemeinde, die sich gesetzt hat, nachdem der Gesang beendet war. Bedford-Strohm spricht: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Alle antworten mit Amen. Dann sagt Marx: „Der Herr sei mit euch.“ Alle antworten: „Und mit deinem Geiste.“ BedfordStrohm: „Liebe Schwestern und Brüder, wir begrüßen Sie herzlich zu diesem Gottesdienst. Zum ersten Mal feiern wir auf nationaler Ebene das Gedächtnis der Reformation in einem ökumenischen Gottesdienst. Dafür danken wir Gott.“ Marx führt fort: „Wir feiern, liebe Schwestern und Brüder, diesen Gottesdienst gemeinsam. Wir beide stehen stellvertretend für die evangelische und katholische Kirche in Deutschland.“ Bedford-Strohm: „In der Vergangenheit haben die Jahrhundertfeiern der Reformation die Gräben zwischen den Konfessionen vertieft. Im Jubiläumsjahr 2017 soll es anders sein. Wir wollen nach den gemeinsamen Wurzeln, nach den wechselseitigen Herausforderungen und den verbindenden Zukunftsaufgaben fragen.“ Marx: „Unser Wille zur Profilierung war stärker als die Suche nach Gemeinsamkeiten. Heute wollen wir Gott um sein Erbarmen für das bitten, was wir einander angetan haben. Wir wollen Gott aber auch für das danken, was wir aneinander haben. Wir wollen ein ökumenisches Fest des Glaubens an Jesus Christus feiern.“ Bedford-Strohm und Marx gehen auf ihre Plätze zurück und der Projektchor beginnt den Bußpsalm 32 zu singen: „Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet, in dessen Geist kein Trug ist! Denn als ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.“ Die Solistin führt den Psalmgesang weiter: „Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.“ Projektchor: „Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten, dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann. Freuet euch des Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten, und jauchzet, alle ihr Frommen. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Neben Bedford-Strohm und Marx haben sich inzwischen auch Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD -Synode, und Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, aufgestellt. Marx setzt mit dem ersten Kyrieruf ein: „Jesus Christus, unser Bruder, unser Freund und unser Erlöser, dich preisen wir und dein Erbarmen rufen wir auf uns herab.“ Dann spricht Sternberg: „Zu allen Zeiten liebst du uns. Du hast uns in das Buch deiner Gottheit eingeschrieben; du hast uns abgebildet in deiner Menschwerdung.“ Die Gemeinde stimmt ein mit einem Kyriegesang, 3 der Chor singt die Oberstimme. Dann spricht Schwaetzer: „Du bist der Höchste und der Beste. Du bist schön und stark. Du bist barmherzig und gerecht, du lässt hinwelken die Hochmütigen

3 EG 178.12.

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und sie merken’s nicht.“ Es folgt derselbe Kyriegesang von Gemeinde und Chor. Sternberg: „Du bist am Kreuz gestorben. Ohne dich hätten wir das Leben nur für einen Augenblick. Durch dich dürfen wir hoffen, uns am ewigen Leben zu erfreuen.“ Erneut wird das Kyrie von Gemeinde und Chor gesungen. ­BedfordStrohm: „Gott, du hast uns deinen Sohn Jesus Christus gesandt, damit wir im Vertrauen auf dich den Heiligen Geist empfangen, in dem wir dich loben, preisen und anbeten von nun an bis in Ewigkeit.“ Alle beenden das Gebet mit Amen. Nun wird der am Flügel sitzende Lukas Speer eingeblendet. Er beginnt das Kyrie aus Bob Chilcott’s A Little Jazz Mass4 zu spielen; die Mädchenkantorei singt dazu den Text: „Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.“ Am Ende des Gesangs wird die Kamera auf Bedford-Strohm und Marx gerichtet, die wieder vorne vor dem auf dem Boden liegenden Kreuz stehen. Bedford-Strohm beginnt zu sprechen, und alle Mitfeiernden stehen auf: „Liebe Schwestern und Brüder, wir wollen vor Gott, voreinander und vor der Welt unsere Schuld bekennen.“ Marx: „Wir wollen alles dem anvertrauen, der unter uns das Wort der Versöhnung aufgerichtet hat.“ Bedford-Strohm: „Ich bekenne, dass Christen und Christinnen in Eifer und Unduldsamkeit Krieg gegeneinander geführt haben. Weite Teile Deutschlands und Europas wurden verwüstet. Menschen sind um ihres Glaubens willen verfolgt und vertrieben, gefoltert und getötet worden.“ Marx: „Ich glaube, dass Jesus Christus die Wunden heilt, die Eifer und Unduldsamkeit gerissen haben. Ich bitte um Vergebung für den Hass, der Gott zum Werkzeug des eigenen Willens macht und unschuldigen Menschen Leid zufügt.“ Es folgt ein gesungener Ruf der Gemeinde: „Herr, vergib.“ Marx: „Ich bekenne, dass der Wunsch, nach dem Willen Gottes zu leben, tiefe Gräben aufgeworfen hat. Dörfer und Städte waren verfeindet, weil sie evangelisch oder katholisch waren. Familien wurden zerrissen. Noch immer haben wir keinen Weg gefunden, im eucharistischen Mahl unsere Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander zu feiern.“ Bedford-Strohm: „Ich glaube, dass Jesus Christus die Wunden heilt, die durch die konfessionellen Gegensätze und die zerbrochene eucharistische Mahlgemeinschaft gerissen werden. Ich bitte um Vergebung für den Mangel an Nächstenliebe, der die Gottesliebe verdorren lässt.“ Es folgt ein gesungener Ruf der Gemeinde: „Herr, vergib.“ Bedford-Strohm: „Unsere Not und Schuld bringen wir vor dich, unseren Gott. Wir bekennen dir unsere Sünde und hoffen auf deine Barmherzigkeit.“ Marx: „Auf dein Wort hören wir. Unter das Kreuz Jesu stellen wir uns. Dir vertrauen wir unseren ökumenischen Weg an. Wir bitten dich im Heiligen Geist durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ Alle antworten mit Amen. Bedford-Strohm und Marx nehmen Platz, die Solistin tritt auf. Sie singt unter Begleitung des Streicherquartetts Alberti aus Antonín Dvořáks Biblischen Liedern Hör, o Vater, mein lautes Flehen5: „Hör, o Vater, wie ich Dich bitte, neige 4 Bob Chilcott: A Little Jazz Mass. Oxford University Press, 2008. 5 Antonín Dvořák: Biblische Lieder, op. 99 (Gesamtwerkausgabe VI/2). Bärenreiter-Verlag: Kassel.

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Dich gnädig zu mir. Denn Du allein bist meine Zuversicht, vor meinen Feinden allmächtig schützest Du mich. Lass mich wohnen in Deinem Zelt ewiglich, birg unter Deinen Flügeln mich! Vater! Du bist mein einz’ger Gott. Dich will ich suchen frühe. Nur nach Dir verlanget mich, Sehnen zu Dir verzehret mich, fasst mich hier in diesem dürren Land, Land ohne Wasser. Von nun an will singen ich und lobpreisen Deine Huld, ich hebe die Hände auf zu Dir, rufe, Herr, Dich an!“

2. Lesungen, Gebet, Kreuzaufrichtung, Predigt Im Anschluss sieht man Rosemarie Wenner, die Bischöfin der evangelischmethodistischen Kirche in Deutschland, an das Lesepult gehen. Sie spricht: „Lesung aus dem Zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er ihnen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung zur Verkündigung aufgerichtet hat. Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. Wort des lebendigen Gottes.“ Alle antworten: „Dank sei Gott.“ Wenner nimmt Platz und Bedford-Strohm und Marx treten erneut vor das auf dem Boden liegende Kreuz. Nach und nach erheben sich alle Mitfeiernden und Marx beginnt zu sprechen: „Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, unser Heiland, unsere Hoffnung, unser Erlöser.“ Bedford-Strohm: „Wir kommen zu dir mit der Last unserer Entzweiung und Trennung: Wir kommen zu dir mit den Schatten der Vergangenheit.“ Marx: „Wir kommen zu dir in Scham und Trauer über das Leid, das aus unserem Streit entstanden ist.“ Bedford-Strohm: „Vor dir bekennen wir unsere Schuld und rufen dich an in unserer Not. Wir wissen keine andere Zuflucht als dein unergründliches Erbarmen. Vergib uns, was uns von dir und voneinander trennt.“ Marx: „Im Licht deiner Wahrheit erkennen wir unser Versagen: unseren Mangel an Behutsamkeit und Geschwisterlichkeit, unseren Mangel an Zuwendung zueinander und Respekt füreinander.“ Bedford-Strohm: „Schenke uns den Geist der Versöhnung, der wegnimmt, was uns trennt, und uns glaubwürdige Schritte zur Einheit der Kirche gehen lässt.“ Marx: „Jesus Christus, du unser Heiland, du unsere Hoffnung, du unser Erlöser.“ Bedford-Strohm: „Sei du das Brot, von dem wir leben.“ Marx: „Sei du das Licht, durch das wir sehen.“ Bedford-Strohm: „Sei du der Weg, auf dem wir gehen.“ Alle sprechen gemeinsam Amen.

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Die Orgel beginnt zu spielen, Jugendliche und Erwachsene, die schon beim Einzug zu sehen waren, gehen zu dem auf liegenden Sperr-Kreuz, heben es an und richten es auf. Man sieht, sobald es aufrecht steht, den ‚Längsbalken‘ und die in seiner exakten Mitte nach allen vier Himmelrichtungen weisenden vier ‚Querbalken‘. Längs- und Querbalken sind – von der Mitte des Längsbalkens aus gesehen – gleich lang und deuten einen quadratischen Raum an. Nun wird das Kreuz vom Boden hochgehoben, es wird in eine Halterung gesetzt und um 90 Grad gedreht. Die Jugendlichen und Erwachsenen wenden sich zur Gemeinde, lassen jeder eine Hand am Kreuz. Nun wird von der Gemeinde das Lied Meine Hoffnung und meine Freude6 gesungen. Die am Kreuz Stehenden singen es auswendig mit: „Meine Hoffnung und meine Freude. Meine Stärke, mein Licht. Christus meine Zuversicht. Auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“ Die Strophe wird dreimal wiederholt. Anschießend geht Constantin Miron, Erzpriester der griechisch-orthodoxen Metropolie, an das Lesepult. Alle Mitfeiernden erheben sind und der Erzpriester spricht: „Lesung aus dem Evangelium nach Matthäus im 18. Kapitel. In jener Zeit lehrte Jesus seine Jünger: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Da trat Petrus hinzu und sprach zu ihm: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist’s genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. Evangelium unseres Herrn Jesus Christus.“ Alle antworten: „Lob sei dir, Christus.“ Alle nehmen wieder Platz, Lukas Speer am Flügel beginnt zu spielen und die Mädchenkantorei singt das Lied Selig seid ihr.7 Die Gemeinde singt mit: „Selig, seid ihr, wenn ihr Wunden heilt, Trauer und Trost miteinander teilt. Selig seid ihr, wenn ihr Krüge füllt, Hunger und Durst füreinander stillt.“ Der Projektchor singt allein weiter: „Selig seid ihr, wenn ihr Fesseln sprengt, arglos und gut voneinander denkt.“ Danach singt erneut die Mädchenkantorei zusammen mit der Gemeinde: „Selig seid ihr, wenn ihr Schuld verzeiht, Stütze und Halt aneinander seid.“ Nach dem Gesang treten Marx und Bedford-Strohm vor die Gemeinde, um eine Dialogpredigt zu halten. Marx beginnt:8 „Liebe Schwestern und Brüder, woher kommen wir als Christen? Aus einer langen Geschichte. Woher kommen wir – lieber Bruder Heinrich Bedford-Strohm. Wir haben einiges im Bußakt gehört. Wir dürfen nichts ausblenden – wenn wir in die Zukunft gehen wollen, müssen wir auch auf das schauen, was geschehen ist. Dazu sind wir heute eingeladen in diesem Gottesdienst. Der Evangelist Matthäus, wir haben es eben gehört, sagt, wie oft sollen wir vergeben: siebzigmal siebenmal! Also immer. Der neue Anfang kann geschenkt werden, weil Gott vergibt und weil wir in ihm die Kraft zur Vergebung finden, damit Neues möglich wird. Ich bin so froh, dass wir heute ein solches Zeichen des versöhnten Miteinanders setzen können – 6 GL 365. Taizé. 7 GL 459, 2. 8 Die Dialogpredigt liegt im Druck vor als Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 11.3.2017 (046).

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öffentlich und miteinander. Wir nehmen unsere Geschichte an, wir können nicht aus der Geschichte weglaufen, aber sie wird zu einem neuen Auftrag, zu einer neuen Sendung. Wir tun das nicht anklagend und niedergedrückt und depressiv, wir schauen auf diese Geschichte, aber wir finden die Kraft zu einem neuen Aufbruch, zur Heilung und zur Hoffnung. Und dafür bin ich sehr dankbar.“ Bedford-Strohm: „Wir haben die Vergangenheit hier eben in der Sperre in der Kirche liegen sehen. Wir haben gesehen, was uns voneinander getrennt hat. Und wir haben eben einen sehr bewegenden Moment erlebt. Aus der Sperre ist ein Kreuz geworden. Jetzt steht hier das Kreuz. Seine Balken zeigen in alle Richtungen. Menschen aus ganz unterschiedlichen Kontexten und Himmelsrichtungen schauen auf das Kreuz. Versammeln sich unter dem Kreuz, werden zu einer großen Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern um Christus herum. Das Kreuz gibt uns Orientierung, es führt uns zusammen. Christus führt uns zusammen. Das Reformationsgedenken soll ein neuer Anfang sein für einen Weg, der uns als Kirchen nicht mehr trennt, sondern uns zusammenführt.“ Marx: „Deswegen kann man sagen, liebe Brüder und Schwestern: Ist das ein Tag der Freude für uns als Christen in diesem Land! Mitten in der Fastenzeit, in der Passionszeit, wollen wir eine Heilung der Erinnerung miteinander erfahren, aber der Grundton ist die Freude darüber, dass wir gemeinsam seinen Namen tragen dürfen. Nicht aus eigener Kraft, sondern weil er uns es schenkt, dass wir seinen Namen tragen dürfen, den Namen Jesu Christi – gemeinsam. Und das Kreuz in unserer Mitte, das in alle Richtungen weist, will deutlich machen, hier ist eine große, zusammenfassende Einladung an alle Menschen, Norden, Osten, Süden, Westen werden zusammengeführt. Ich finde es deshalb großartig, dass Ihr als evangelische Christen uns katholische Christen eingeladen habt, dieses Reformationsjahr mitzufeiern, mitzugedenken, mit in die Zukunft hineinzugehen, gemeinsam und dieses Gedenken auch als einen Aufbruch zu verstehen für das Zeugnis für Christus in unserem Land. Wir fragen uns: Wozu ist die Kirche da in unserem Land? Sie ist dazu da, um Christus zu verkünden und das Kreuz Christi allen Menschen zu verdeutlichen. Wir haben einen Auftrag, wir haben eine Sendung, es geht nicht um die Zukunft der Kirche, es geht darum den Auftrag wahrzunehmen, das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen in diesem Land. Und da möchten wir, dass wir am Ende dieses Jahres sagen können: Die Christen bekommt ihr nicht mehr auseinander, sie haben ein gemeinsames Zeugnis dieser Gesellschaft zu schenken. Das wäre schön!“ Bedford-Strohm: „Ja, wir als Evangelische, wir freuen uns von Herzen, dass Ihr als katholischen Schwestern und Brüder dieses Reformationsjahr mit uns feiert – dass Ihr mit uns gemeinsam den feiert, um den allein es Martin Luther selbst gegangen ist, nämlich Jesus Christus. Deswegen feiern wir dieses Reformationsjahr als ein großes Christus-Fest. Wir wollen in der Zukunft gemeinsam an den glauben, von dem wir alle miteinander herkommen und der uns, so hoffe ich, auch wieder zu seinem Tisch zum gemeinsamen Mahl zusammenführen wird. Wir wollen Zeugen Jesu Christi sein in dieser Welt, in der so viele Menschen vom Evangelium nichts mehr wissen. Wir wollen ausstrahlen, wovon wir sprechen. Wir wollen aus der Liebe Gottes leben und wir wollen die Liebe

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Gottes weitergeben an andere Menschen. Deswegen setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass Flüchtlinge in diesem Land mit Würde empfangen werden. Deswegen setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass Menschen Wege aus der Armut finden. Deswegen setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass wir die Natur als Schöpfung Gottes sehen und sorgsam mit ihr umgehen. Deswegen setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass Wege aus der Gewalt gefunden werden, dass das Leid und der sinnlose Tod endlich ein Ende haben und wir die Gewalt überwinden. Wir wollen Freundinnen und Freunde in Christus sein.“ Marx: „Mich bewegt das auch, was Du gesagt hast. Und gelegentlich frage ich mich: Fehlt eigentlich etwas in dieser Gesellschaft, wenn das Evangelium nicht verkündet wird? Ich bin der Überzeugung, es fehlt Wesentliches. Wir können uns eine Gesellschaft, wir wollen uns eine Gesellschaft nicht vorstellen, in der die Stimme Jesu, die Stimme der Barmherzigkeit, die Stimme für die Kranken, für die Schwachen, für die Armen, nicht gehört wird; wir wollen aber, dass die Stimme zur Versöhnung, zur Erlösung, zur Befreiung – und der Blick auf alle Menschen auf der ganzen Welt –, dass diese Stimme weiter wirksam ist. Das wollen wir miteinander tun, und ich fühle mich ermutigt, eigentlich auch schon in der Vorbereitung und jetzt in den ersten Wochen, dass das in diesem Jahr noch einmal einen kräftigen Schub bekommt, dass wir gemeinsam diese Stimme hörbar machen.“ Bedford-Strohm: „Und wenn alle, die heute hier dabei sind, die zuschauen, die zuhören, sich gemeinsam verpflichten, die Kraft der Liebe Gottes in unserem Leben zu bezeugen und sie selbst auszustrahlen, dann können wir diese Gesellschaft erneuern.“ Marx: „Was kann, was sollte man von den Kirchen erwarten? Ein Politiker, der nicht religiös gebunden ist, sagte mir neulich: ‚Ich erwarte von den Kirchen, dass sie Hoffnung geben.‘ Das wollen wir gemeinsam tun, in diesem Jahr ganz besonders.“ Bedford-Strohm: „Ja, dieser Tag ist ein Tag der Freude. Dieser Tag ist ein Tag der Hoffnung!“ Bedford-Strohm und Marx beenden ihre Dialogpredigt mit einem zusammen gesprochenen Amen. Sie gehen zu ihren Plätzen zurück und die Gemeinde beginnt zu applaudieren. Die Orgel setzt bald mit ihrem Spiel ein und die Gemeinde singt stehend das Glaubensbekenntnis Wir glauben Gott im höchsten Thron 9: „(1) Wir glauben Gott im höchsten Thron, wir glauben Christum, Gottes Sohn, aus Gott geboren vor der Zeit, allmächtig, allgebenedeit. (2) Wir glauben Gott, den Heilgen Geist, den Tröster, der uns unterweist, der fährt, wohin er will und mag, und stark macht, was daniederlag. (3) Den Vater, dessen Wink und Ruf das Licht aus Finsternissen schuf, den Sohn, der annimmt unsre Not, litt unser Kreuz, starb unsern Tod. (4) Der niederfuhr und auferstand, erhöht zu Gottes rechter Hand, und kommt am Tag, vorherbestimmt, da alle Welt ihr Urteil nimmt. (5) Den Geist, der heilig insgemein lässt Christen Christi Kirche sein, bis wir, von Sünd und Fehl befreit, ihn selber schaun in Ewigkeit. Amen.“

9 EG 184, GL 355.

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Im Anschluss an dieses Lied singt die Solistin aus der Passion von Heinrich von Herzogenberg die Arie Bleibet in mir. Sie wird wieder vom Alberti-Quartett begleitet. Der Text der Arie lautet: „Bleibet in mir, und ich in euch! Gleich wie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibet denn am Weinstock; also auch ihr nicht, ihr bleibet denn an mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringet Frucht, der bringet Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun, nichts tun. Bleibet in mir, und ich in euch, und ich in euch.“

3. Danksagung, Fürbitten, Selbstverpflichtung, Segen Bedford-Strohm und Marx treten wieder vor die Gemeinde, um eine Danksagung folgen zu lassen. Bedford-Strohm: „Wir wollen nicht vergessen, was wir einander angetan haben. Aber wir wollen Gott auch für das danken, was wir aneinander haben. Nach Jahrhunderten wechselseitiger Verletzungen und Abgrenzungen sind wir durch den ökumenischen Prozess der letzten Jahrzehnte zu vielfachen Schritten der Versöhnung geführt worden.“ Marx: „Dank Gottes Gnade haben einander besser verstanden und unsere gemeinsame Verantwortung erkannt für die Verkündigung des Evangeliums, für die Praxis der Nächstenliebe. Wir haben zu einer gegenseitigen Anerkennung der Taufe gefunden. Dafür danken wir dir, dem barmherzigen Gott.“ Alle antworten: „Guter Gott, wir danken dir.“ Marx: „Wir danken Gott für die geistlichen, die theologischen und die ethischen Impulse der Reformation, die wir in der katholischen Kirche teilen können. Ich nenne die Wertschätzung des Wortes Gottes und der Heiligen Schrift. Ich nenne die Rechtfertigungslehre: Es ist auch für die katholische Kirche wichtig zu erkennen, dass ein Mensch nicht aus Werken des Gesetzes, sondern aus dem Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt wird. Wir schätzen die intensiven Diskussionen in den Synoden. Vieles wäre noch zu nennen. Liebe evange­ lische Glaubensgeschwister: Wir danken Gott, dass es Euch gibt und dass Ihr den Namen Jesu Christi tragt.“ Bedford-Strohm: „Wir danken Gott für das Glaubenszeugnis der katholischen Kirche. Wir sehen, dass sie im wahren Sinn des Wortes eine Weltkirche ist, die Nationen, Sprachen und Kulturen verbindet. Wir schauen voll Achtung auf die Liebe zur Liturgie, die in der katholischen Kirche gepflegt wird. Wir schätzen die besondere Aufmerksamkeit für die Überlieferungen des Glaubens, Bekennens und Denkens, die die Geschichte der Christenheit und so auch unsere Geschichte geprägt haben. Wir wissen uns herausgefordert, unser eigenes Verständnis von Kircheneinheit und von Kirche, von Ordination und von Amt im Dialog mit der katholischen Theologie zu vertiefen. Vieles wäre noch zu nennen. Liebe katholische Glaubensgeschwister: Wir danken Gott, dass es Euch gibt und dass wir gemeinsam den Namen Jesu Christi tragen.“

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Alle: „Guter Gott, wir danken dir.“ Bedford-Strohm und Marx nehmen Platz und die Mädchenkantorei singt mit Begleitung durch den Pianisten am Flügel das Lied I was glad in der Vertonung von Douglas Coombes. „I was glad when they said unto me: We will go into the house of the Lord. Our feet shall stand in thy gates: O Jerusalem. Jerusalem is built as a city: that is at unity in itself. For thither the tribes go up, even the tribes of the Lord: to testify unto Israel, to give thanks unto the Name of the Lord. For there is the seat of judgement: even the seat of the house of David. O pray for the peace of Jerusalem: they shall prosper that love thee. Peace be within thy walls: and plenteousness within thy palaces. For my brethren and companions’ sakes: I will wish thee prosperity. Yea, because of the house of the Lord our God: I will seek to do thee good.“ Daraufhin wird ein Fürbittengebet gesprochen, an dem wie schon zu Beginn des Gottesdienstes auch Schwaetzer und Sternberg beteiligt sind. Zwischen den einzelnen Sequenzen spielt die Orgel jeweils einige leise Töne. Marx: „Gott, unser Vater. Du bist unsere Zuversicht. Dir danken wir für Deine Liebe. Dich bitten wir um Vergebung. Dich bitten wir um Deine Hilfe.“ Schwaetzer: „Wir bitten Dich für die, die unter dem Streit der Konfessionen zu leiden haben, innerhalb wie außerhalb der Kirchen. Lass sie nicht bitter werden, sondern bestärke sie mit Zeichen der Versöhnung.“ Sternberg: „Wir bitten Dich für die, die sich für die Verkündigung des Wortes Gottes und für den Dienst an den Armen einsetzen. Lass sie nicht nachlassen in ihrem Engagement und schärfe ihren Sinn für das, was sie gemeinsam tun können.“ Schwaetzer: „Wir bitten Dich für die, die politische Verantwortung tragen, in unserem Land und in der ganzen Welt. Gib ihnen Weisheit, Redlichkeit und den Willen zur Gerechtigkeit, damit sie sich für das Wohl der Menschen einsetzen.“ Sternberg: „Wir bitten Dich für die Opfer religiös motivierter Gewalt. Und wir bitten Dich für die Verstorbenen. Lass sie Dein Angesicht schauen, der Du ihr Leben bist.“ Bedford-Strohm: „Barmherziger Gott, Du hörst unsere Bitten, die wir mit gläubigem Herzen vor Dich bringen. Erfülle Du unsere Bitten, wie es Deinem Willen entspricht. Wir loben Dich im Heiligen Geist durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ Alle sprechen Amen. Bedford-Strohm: „Lasst uns gemeinsam beten, wie Jesus uns beten gelehrt hat.“ Alle sprechen gemeinsam das Vaterunser. Der Projektchor singt den neunten Vers aus EG 344, das Ende der VaterunserVertonung von Martin Luther: „Amen, das ist: es werde wahr. Stärke unsern Glauben immerdar, auf dass wir ja nicht zweifeln dran, was wir hiermit ge­beten han, auf dein Wort, in dem Namen dein. So sprechen wir das Amen fein.“

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Bedford-Strohm und Marx treten erneut vor und stellen sich an der schon bekannten Position auf. Nun werden Selbstverpflichtungen ausgesprochen. Marx: „Liebe Schwestern und Brüder, dieser Gottesdienst soll nicht folgenlos bleiben. Wir setzten darauf, dass viele ähnliche Gottesdienste in unserem Land gefeiert werden.“ Bedford-Strohm: „Wir wollen konkrete Schritte gehen, die unser Gebet, unsere Lehre und unser Handeln im Geist der ökumenischen Geschwisterlichkeit verändern.“ Marx: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, die grundlegenden Gemeinsamkeiten im Glauben hervorzuheben und auf dem Weg des ökumenischen Lernens kontinuierlich voranzuschreiten. Wir verpflichten uns, die Übereinstimmungen im Verständnis der Rechtfertigungslehre, die durch die gemeinsame Erklärung dokumentiert worden sind, zu vertiefen und für die Klärung des Kirchenverständnisses zu nutzen.“ Bedford-Strohm: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, gemeinsam in dieser Welt Zeugnis von Gott abzulegen. Wir verpflichten uns, wo immer es möglich ist, gemeinsam zu handeln und einander aktiv zu unterstützen, nicht zuletzt in Fragen der Caritas und Diakonie, der sozialen Gerechtigkeit, der Friedenssicherung und der Wahrung der Menschenrechte.“ Marx: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, die Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens zu fördern und zu intensivieren. Dabei wollen wir uns an der Charta Oecumenica orientieren, auf die wir uns verpflichtet haben. Wir werden darauf hinwirken, dass in allen Gottesdiensten für die ökumenischen Partnerinnen und Partner gebetet wird.“ Bedford-Strohm: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, alles zu unterlassen, was Anlass zu neuen Zerwürfnissen zwischen den Kirchen gibt. Wir verpflichten uns, in ethischen Fragen, die zwischen uns strittig sind, vor Entscheidungen den Dialog zu suchen.“ Marx: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, den konfessionsverbindenden Ehen alle Hilfestellungen zu leisten, die ihren gemeinsamen Glauben stärken und die religiöse Erziehung ihrer Kinder fördern. Wir verpflichten uns, die ökumenische Grundhaltung in den konfessionsverbindenden Ehen in unseren Kirchen fruchtbar werden zu lassen.“ Bedford-Strohm: „Im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes verpflichten wir uns, nach Kräften darauf hinzuwirken, dass Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen gegangen werden können. Wir verpflichten uns, den theologischen Dialog noch intensiver als bisher in den Dienst dieser Aufgabe zu stellen.“ Marx: „Vor Gott gehen wir diese Verpflichtungen ein.“ Bedford-Strohm: „Er sei mit uns, dass wir sie halten können, und schenke uns dazu seinen Frieden.“ Marx: „Geben wir einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung.“ Man sieht, wie Bedford-Strohm und Marx sich umarmen, dann blendet die­

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Kamera in das Kirchenschiff. Man sieht, dass alle sich die Hand geben und manche dazu einige Worte sprechen. Unterdessen hat die Orgel zu spielen begonnen, denn nun werden vier Strophen vom Lied Nun singe Lob, du Christenheit,10 gesungen; die erste Strophe gemeinsam: „Nun singe Lob, du Christenheit, dem Vater, Sohn und Geist, der allerorts und allezeit sich gütig uns erweist.“ Die zweite Strophe singt die Mädchenkantorei: „Der Frieden uns und Freude gibt, den Geist der Heiligkeit, der uns als seine Kirche liebt, ihr Einigkeit verleiht.“ Die dritten Strophe singt der Projektchor: „Er lasse uns Geschwister sein, der Eintracht uns erfreun, als seiner Liebe Widerschein die Christenheit erneun.“ Die vierte Strophe singen wieder alle gemeinsam: „Du guter Hirt, Herr Jesus Christ, steh deiner Kirche bei, dass über allem, was da ist, ein Herr, ein Glaube sei.“ Bedford-Strohm: „So geht nun hin im Frieden und mit dem Segen Gottes: Gott, der Herr, segne euch und behüte euch. Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.“ Marx: „Das gewähre euch der dreieine Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.“ Zuletzt wird das Kreuzzeichen geschlagen: drei Mal von Marx, ein Mal von Bedford-Strohm. Alle antworten mit Amen. Die Orgel setzt ein, der Auszug beginnt: Der Kreuzträger geht voraus, gefolgt von zwei Kerzenträgern, dahinter gehen die Jugendlichen und Erwachsenen, die das Kreuz aufgerichtet haben, es folgen Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD -Synode, und Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Zum Schluss gehen der Landesbischof und EKD -Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Deutungen Dieser Gottesdienst war geprägt von den Stärken der evangelischen Gottesdiensttradition in Deutschland: Wort und Musik. Hinzutraten zwei symbolische Handlungen: zum einen die Aufrichtung des Kreuzes bzw. die Verwandlung von einer Sperre zu einem Kreuz, die vorne im Altarraum geschah und der die Gottesdienstteilnehmenden zusahen. Und zum anderen der Moment der Friedensund Versöhnungsgesten, die nach dem Vortrag der Selbstverpflichtungen durch Umarmen oder durch Handreichen ausgeführt wurden, woran sich alle Teilnehmenden dieses Gottesdienstes auch beteiligen konnten. Die Musik war reichlich und variantenreich gewählt: Die Gemeinde sang ebenso klassische Choräle wie moderne Taizégesänge. Zwei Chöre, der eine ein gemischter Erwachsenenchor, der andere ein Mädchenchor aus Kindern und­ 10 EG 265,1–4, GL 487,1–4.

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Jugendlichen, sangen alleine oder mit der Gemeinde im Wechsel sowohl klassische Literatur als auch moderne Jazzkompositionen, die am Flügel begleitet wurden. Die gesungene Literatur hatte durchaus auch konzertanten Charakter und war nicht nur für den gottesdienstlichen Gebrauch komponiert und getextet. Die Orgel übte ihre klassische Funktion als tragendes und begleitendes Instrument in diesem Gottesdienst glanzvoll aus, indem sie z. B. den Einzug und Auszug mit entsprechenden Klängen begleitete oder den Gemeindegesang anleitete und trug. Während der Fürbitten fügte sie meditative Klangmuster in das Gebet ein, sie leitete aber auch die Gebetsrufe an, wie z. B. das Herr, vergib während des Schuldbekenntnisses. Gerade beim Glaubensbekenntnislied hat sie den kräftigen Gemeindegesang nicht nur begleitet, sondern hat ihn „getragen“. Die Solistin hat konzertant gesungen, begleitet von einem Streicherquartett, und hat im Wechsel mit der Gemeinde auch Choralstrophen übernommen. Musik aus verschiedenen Traditionen und in verschiedenen Darbietungsformen gab diesem Gottesdienst ein weites, raumfüllendes Spektrum. Den größten Raum nahm aber das gesprochene Wort ein: Dialogpredigt, biblische Lesungen, zahlreiche Gebete, die Selbstverpflichtungen und natürlich die Begrüßung mit trinitarischem Votum sowie der Segen am Schluss des Gottesdienstes. Bis auf die beiden biblischen Lesungen, die ökumenische Gäste aus der Freikirche wie aus der orthodoxen Kirche übernahmen, wurden alle weiteren Passagen von Bedford-Strohm und Marx immer abwechselnd und damit mit­einander gesprochen. Einen besonderen Ausdruck dieses ökumenischen Mit­einanders bildete sicherlich die Dialogpredigt, die mit einem zusammen ausgesprochenen Amen beendet wurde. Dass Laien in beiden Kirchen eine wichtige Rolle innehaben, wurde deutlich, indem Irmgard Schwaetzer und Thomas Sternberg als Repräsentanten der Laien beider Kirchen bei einigen Gebeten mitsprachen. Im Unterschied zur ökumenischen Gebetsfeier in Lund, die vom Gebetsstil geprägt war, wurde dieser ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienst vom Verkündigungsstil geprägt. Das hatte auch seine Berechtigung, weil in Sachen Ökumene etwas zu verkündigen war – das brachten sowohl die Dialogpredigt als auch die Selbstverpflichtungen deutlich zum Ausdruck. Davon waren auch die Inhalte der ganz unterschiedlichen Gebete bestimmt: Bußworte, Vergebungsbitten, Dankesworte und Fürbitten fassten sowohl die leidvolle Vergangenheit der konfessionellen Zeit in Worte als auch für die Zukunft die Hoffnung auf ein vertieftes und weiteres ökumenisches Miteinander und Wachsen. Gab es also eine Vielfalt in der Wortverwendung und eine Vielfalt in den musikalischen Ausdrucksformen, so war eine beharrliche Stetigkeit bei der Positionierung der beiden Hauptsprecher, Bedford-Strohm und Marx, zu bemerken. Beide standen immer auf derselben Stelle vor der Gemeinde, davon gab es keine Abweichung. Beide sprachen ganz im Verkündigungsstil zu der Gemeinde, was für eine Predigt oder für Selbstverpflichtungen selbstverständlich ist, was aber etwas schwierig wird, wenn es sich um Gebete handelt. Sie werden ja nicht wie eine Predigt verkündigt, sondern der sprechende Vorbeter spricht lediglich laut zu Gott, was alle Mitbetenden innerlich nachvollziehen. Wenn dann aber

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die Gemeinde von den Vorbetenden – wie auch bei beiden Laien zu beobachten war – beim Sprechen des Gebets angeschaut wird und selbst noch die Sprechweise dieselbe bleibt wie bei der Predigt, entsteht Unklarheit über den Sinn von Gebeten. Dieser Vorgang, dass die Gemeinde während des Gebets angeschaut wurde, war nicht immer zu beobachten, denn es gab auch ganz Passagen, wo Bedford-Strohm oder Marx deutlich anzumerken war, dass sie diese Bitte oder diesen Dank ganz tief und innerlich zu Gott hingewandt aussprachen. Sofern die Kamera während des Gebets die Gemeinde in den Blick nahm, konnte dort dasselbe Phänomen beobachtet werden: Auch die Mitbetenden sahen die Vorbetenden an. Daher rührt meine Bemerkung, dass hier der Charakter des Gebets als Rede zu Gott verunklart wurde. Denn mit der Blickrichtung und dem sich gegenseitig Anblicken wird die Gebetsrichtung auf Gott hin nicht mehr deutlich. Die traditionelle evangelische Gebetshaltung mit Händefalten und Augenschließen ermöglicht ein ganz aufs Innerliche gewendetes Gebet und impliziert die Gebetsrichtung auf Gott hin, die man äußerlich nicht gerne darstellen möchte. Möglich wäre auch in dieser evangelischen Michaeliskirche die eher katholische Tradition gewesen, sich als Vorbetende dem Altar bzw. dem Kruzifix, das hinter dem Altar steht, zuzuwenden. So hätten beide Vorbeter durch ihre Haltung signalisiert, dass sie der Gemeinde jetzt einmal nichts zu verkündigen haben, sondern mit der Gemeinde zusammen zu Gott beten wollen. Aber vielleicht ist das zu liturgisch gedacht, denn es ist immer wieder festzustellen, wie homiletisiert die evangelische Gottesdiensttradition in Deutschland ist. Die Struktur dieses Gottesdienstes ist vom Verkündigungsschema geprägt und der Gottesdienst lässt sich durchweg als eine gelungene Zirkulation des religiösen Bewusstseins im Sinne Schleiermachers deuten. Auch die auf die gesprochenen Worte folgenden gesungenen Worte haben nicht einfach nur die Inhalte der gesprochenen Worte wiederholt, sondern sie haben diese aufgenommen, gegebenenfalls vertieft, aber auch selbstständig inhaltlich weitergeführt, so dass sie eine Verbindung zum nächsten gesprochenen Wort hergestellt haben und nicht singulär im Raum bzw. im Gottesdienstverlauf standen. Das sei an zwei Beispielen verdeutlicht: Als die Umwandlung der Sperre zum Kreuz durch die Jugendlichen und Erwachsenen vollzogen war, berührte jeder von ihnen das Kreuz mit seiner Hand und sang mit der Gemeinde das Lied Meine Hoffnung und meine Freude11: „Meine Hoffnung und meine Freude. Meine Stärke, mein Licht. Christus meine Zuversicht. Auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“ Auf diese Weise wurde das Kreuz Christi in seiner Bedeutung zu Wort gebracht und zugleich auch mit der symbolischen Berührung durch die Hände ausgedrückt, dass sie auf das Kreuz bzw. auf Christus vertrauen, wie die gesungenen Worte es aussagten. Das andere Beispiel: Auf die Verkündigung der Selbstverpflichtungen folgte die symbolische Handlung der Friedens- und Versöhnungsgeste und das Lied Nun singe Lob, du Christenheit wurde, beides aufnehmend, gesungen:12 „Nun singe Lob, du Christenheit, dem 11 GL 365. Taizé. 12 EG 265,1–4, GL 487,1–4.

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Vater, Sohn und Geist, der allerorts und allezeit sich gütig uns erweist. Der Frieden uns und Freude gibt, den Geist der Heiligkeit, der uns als seine Kirche liebt, ihr Einigkeit verleiht. Er lasse uns Geschwister sein, der Eintracht uns erfreun, als seiner Liebe Widerschein die Christenheit erneun. Du guter Hirt, Herr Jesus Christ, steh deiner Kirche bei, dass über allem, was da ist, ein Herr, ein Glaube sei.“ Das Lied bringt von den Selbstverpflichtungen ausgehend die Hoffnung für die Zukunft für die Christenheit (sic!) zum Ausdruck, ohne die Selbstverpflichtungen nochmals inhaltlich zu wiederholen. Es führt regelrecht zum Segen hin, der dann auch direkt danach gesprochen wurde. Die Atmosphäre dieses Gottesdienstes war von seiner Thematik und auch von seinem Zeitpunkt her bestimmt: es war der Samstag nach Invokavit, dem ersten Sonntag der Passionszeit, bzw. nach katholischem Kalender der Samstag nach dem ersten Fastensonntag bzw. der Vorabend des Sonntags Reminiszere oder des zweiten Fastensonntags. Die Atmosphäre des Gottesdienstes war feierlich, aber nicht jubelnd, denn es gab ja Schuld und Not zu beklagen und zu benennen; sie war auch zuversichtlich, denn es wurden ja Selbstverpflichtungen ausgesprochen, die eine zukunftsweisende Ökumene in den Blick nahmen. Die Dialogpredigt erwähnte diesen Aspekt ebenso ausführlich wie die Dankbarkeit dafür, dass es evangelische wie katholische Christen und Kirchen gibt. So waren auch Dankbarkeit und Freude ein Charaktermerkmal dieses Gottesdienstes.

Literaturbericht Liturgik. Altorientalische und Israelitisch-Jüdische Religion (2016–2017 ) 1

Reinhard Müller

1. Alter Orient Gillmann, Nicolas: Les représentations architecturales dans l’iconographie néo-assyrienne (Culture and History of the Acient Near East 83). Brill: Leiden / Boston 2016, XVIII, 473 S., 194 Abbildungen. Das Buch bietet eine großangelegte und vom Anspruch her umfassende Untersuchung zur Darstellung architektonischer Strukturen in der neuassyrischen Bildkunst. Jeder, der schon einmal neuassyrische Reliefs bewundert hat – etwa die berühmten Reliefs Sanheribs, die seine Eroberung der judäischen Festungsstadt Lachisch im Jahr 701 v. Chr. zeigen, weiß, welch große Bedeutung in solchen Zusammenhängen die Abbildung von Stadtmauern, Toren, Türmen, Palästen und Tempeln hat. Der Vf. entwickelt eingangs eine eigene ikonographische Methodik sowie eine bildtheoretische Hermeneutik, die auf einem breiten philosophischen Fundament (u. a. in Auseinandersetzung mit Heidegger) errichtet und in Anknüpfung an klassische sowie neuere und neueste ikonographische Methodenreflexionen entfaltet wird. Auf dieser Grundlage werden sodann die ikonographischen Konventionen der neuassyrischen Reliefs nach den betreffenden Herrscherepochen vorgeführt und kontextualisiert. Der analytische Hauptteil gilt dann der systematischen Herausarbeitung der Art und Weise, in der die jeweiligen architektonischen Strukturen dargestellt sind, und der Frage, wie sich das zu den betreffenden Realia verhält. Auch wenn die Untersuchung eine Fülle von Details bearbeitet, die sich Nichtspezialisten nur schwer erschließen, bietet sie im Ganzen einen eindrücklichen Überblick über Grundzüge der neuassyrischen Palast­ ikonographie und die Prinzipien, nach denen darin die abgebildete Wirklichkeit gezeigt wird. Ein wichtiger Teilbereich ist die bildliche Darstellung religiöser Architektur, also v. a. von Tempeln und Tempeltürmen. Im Blick auf die Interpretation der für die Geschichte Israels und des Alten Testaments einschlägigen Darstellungen von Belagerungsszenen erschließt das Buch überaus wichtige Aspekte. Hervorzuheben sind die fast zweihundert Abbildungen, die das Buch enthält, darunter eine katalogartige Zusammenstellung der einschlägigsten Reliefausschnitte. Meinhold, Wiebke: Ritualbeschreibungen und Gebete II (Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 147; Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur E: Inschriften. IX Keilschrifttexte aus Assur literarischen



1 Mit Nachträgen zu 2014 und 2015.

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Inhalts, Bd. 7). Harrassoitz: Wiesbaden 2017, XII, 196 S., 65 Tafeln, teilweise zusätzlich als Fotografien. Der großformatige Band bietet die kritische und hervorragend erschlossene Edition von insgesamt 65 Texten und Textfragmenten religiös-literarischen Inhalts; die Tontafeln stammen aus Assur und befinden sich heute im Berliner Vorderasiatischen Museum. Inhaltlich handelt es sich um Gebete und Ritualbeschreibungen, die von der assyriologischen Forschung der Beschwörungskunst zugeordnet werden. Dieses religionsgeschichtlich überaus wichtige Material enthält Ritualbeschreibungen sowie sog. Handerhebungsgebete und weitere Gebetstexte. Die Rituale dienten verschiedenen Zwecken: Teils ging es um die Abwehr von Schadenzauber, teils um die Heilung verschiedener Krankheiten – ein Beleg für das nahtlose Ineinandergreifen von Religion und Medizin in vorneuzeitlichen Kulturen –, teils etwa auch um Liebesbeziehungen und Erlangung sexueller Potenz. Die Gebete sind an verschiedene Götter gerichtet und standen z. T. erkennbar im Zusammenhang größerer liturgischer und ritueller Zusammenhänge, etwa der Einweihung eines Götterbildes oder der Anfertigung von Amuletten. Die Texte, die in assyrischer Keilschrift aufgezeichnet sind, stammen aus der mittel- und neuassyrischen Zeit und wurden vermutlich in den Ruinen des Assur-Tempels in der alten assyrischen Königsstadt Assur, dem religiösen Zentrum des assyrischen Reiches, gefunden. Die Edition bietet einen Katalog mit ausführlichen Beschreibungen der Tafeln, Textbearbeitungen mit Transliteration und Übersetzung samt Erläuterungen zu Text- und Sprache, Konkordanzen, Indices, ein Wörterbuch und ein Literaturverzeichnis sowie Keilschriftautographien und Photographien ausgewählter Texte. Das Ganze führt die hohe editorische Kunst der assyriologischen Wissenschaft eindrücklich vor Augen; zugleich erweisen sich die Texte aus bibel- und religionswissenschaftlicher Perspektive als überaus interessantes und wichtiges Material, das seiner umfassenden wissenschaftlichen Erschließung noch harrt. Die vorliegende Edition legt dafür einen vorzüglichen Grundstein und macht die Texte zugleich auch Nichtassyriologen leicht zugänglich, die an Gebetsliteratur und deren kultischrituellen Funktionen interessiert sind.

2. Altes Testament 2.1 Sammelwerke, umfassende Werke 2.1.1 Zur Einleitung in das AT Dietrich, Walter (Hg.): Die Welt der Hebräischen Bibel. Umfeld – Inhalte – Grundthemen. Kohlhammer: Stuttgart 2017, 488 S., 6 Abbildungen, 6 Tabellen. Das Werk bietet einen enzyklopädischen Durchgang durch die wichtigsten Aspekte der alttestamentlichen Literaturgeschichte, ihrer kulturgeschichtlichen Kontexte und der in ihr entfalteten zentralen anthropologischen und theologischen Inhalte. Zweiunddreißig Paragraphen verschiedener Verfasser, darunter führende Vertreter der alttestamentlichen Wissenschaft, geben Einführungen anhand des neuesten Forschungsstands zu den jeweiligen Einzelthemen. Das Buch, das in Titel und Idee – ohne dass der Herausgeber dies im Vorwort benennt – an Martin Noths Klassiker „Die Welt des Alten Testaments“ erinnert, füllt unter den aktuellen Einleitungen eine Lücke, da die Art und Weise, in der hier ein Gesamtüberblick über den Stand der alttestamentlichen

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Wissenschaft gegeben wird, mit keinem anderen Einleitungswerk vergleichbar ist. Der Anspruch des Buches ist, die – wie das Vorwort sagt – von Theologiestudierenden in ihren ersten Semestern oft geäußerte Frage „Wo erhalte ich einen knappen, verständlichen, aktuellen und zuverlässigen Überblick über das Ganze der hebräischen Bibel?“ zu beantworten, auch wenn Themenfelder wie die Geschichte Israels, die Palästinaarchäologie, die Altorientalistik, die Geschichte der alttestamentlichen Wissenschaft sowie die biblische Rezeptions- und Wirkungsgeschichte gezielt ausgespart bleiben; freilich enthalten die einzelnen Abschnitte auch zu diesen Themen manch wichtigen Hinweis. Gegliedert sind die Paragraphen in die sechs Abschnitte „Umfeld“, „Biblische Literaturgeschichte“, „Gesellschaft“, „Religionsausübung“, „Menschenbilder“ und „Gottesglaube“. Die Einzelabschnitte sind knapp und konzise gehalten und übersichtlich gegliedert; beigegeben ist jeweils eine Bibliographie, die über wichtige neuere Veröffentlichungen zum Gegenstand informiert. Immer wieder fällt allerdings auf, dass die Darstellungen den Forschungsstand nur sehr einseitig abbilden. Grundlegende Einsichten der neueren und neuesten Forschung zu Religionsund Literaturgeschichte des Alten Testaments fehlen oder werden nicht in der notwendigen Differenziertheit dargestellt, was den Wert des Buches nicht unerheblich einschränkt. Smend, Rudolf: Kritiker und Exegeten. Portraitskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, XII, 1005 S. Der Band, dessen Umfang nicht anders als monumental zu nennen ist und dessen wissenschaftliches Niveau in der heutigen alttestamentlichen Wissenschaft seinesgleichen sucht, sammelt vierundfünfzig Kurzbiographien europäischer Alttestamentler, beginnend mit dem gebürtigen Westfalen und Basler Hebraisten Johann Buxtorf I ­(1564–1629) und endend mit dem Finnen Timo Veijola (1947–2005). Die Beiträge zeigen, dass der Vf. es in der Gattung der biographischen Skizze zu einer Meisterschaft gebracht hat, die wohl einzigartig bleiben wird. Die Darstellungen bieten schon in stilistischer Hinsicht einen Hochgenuss. Zugleich entfalten sie eine umfassende Geschichte der alttestamentlichen Forschung. Sie setzt bei ihren ersten tastenden Anfängen ein, die noch teils vorkritisch, teils apologetisch, teils aber schon durch Ideen der Aufklärung angestoßen waren, und erstreckt sich bis zu ihrer jüngeren Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der u. a. die Portraits Gerhard von Rads, Martin Noths, Isac Leo Seeligmanns, Walther Zimmerlis, Hans Walter Wolffs, ­Lothar Perlitts, Diethelm Michels und Timo Veijolas gewidmet sind. Gegenüber dem längst als Klassiker geltenden Vorgängerwerk des Autors „Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten“ ist das Tableau um viele Portraits erweitert, wobei jetzt auch etliche Nichtdeutsche in den Reigen aufgenommen sind; hervorzuheben sind etwa Baruch de Spinoza, Richard Simon, Jean Astruc, Robert Lowth und Sigmund Mowinckel. Wer etwas über das Alte Testament, die Entstehung und Entwicklung der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und über die Entfaltung der modernen Theologie lernen möchte, wird schon bei auszugsweiser Lektüre mehr lernen als in den üblichen Lehrbüchern der Einführung ins Alte Testament. Der Vf., der in den Portraits ein untrügliches Gespür für die Persönlichkeit der Forscher an den Tag legt, erweist sich zugleich als souveräner Kenner der neuzeitlich-modernen Geistesgeschichte. Eine moderne Theologie, die sich ihrer eigenen Ursprünge bewusst bleiben will, findet in diesem Werk Maßstäbe, die nicht unterschritten werden dürfen. Zugleich wird deutlich, in welchem Maß sich heutige Forschung schadet, wenn sie meint, das jahrhundertealte Erbe, das frühere Generationen gelegt haben, vernachlässigen zu können.

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2.1.2 Arbeiten zur Alttestamentlichen und Biblischen Theologie Eisen, Ute E. / Müllner, Ilse (Hg.): Gott als Figur. Narratologische Analysen biblischer Texte und ihrer Adaptionen (Herders Biblische Studien 82). Herder: Freiburg i. Br. 2016, 527 S., 14 Abbildungen. Der Band sammelt achtzehn Beiträge, die darauf zielen, „‚Gott‘ als Erzählfigur“ ernstzunehmen und „mit narratologischen Analyseinstrumentarien“ zu untersuchen. Den Anlass bot eine gleichnamige interdisziplinäre Tagung, was sich im Spektrum der Beiträge abbildet, die Texten aus der hebräischen Bibel sowie der deuterokanonischen, neutestamentlichen und apokryphen Literatur sowie modernen literarischen und medialen Verarbeitungen der erzählenden Rede von Gott (Gegenwartsliteratur, Spielfilme und Comics) gewidmet sind. Als grundlegende Spannung wird von den Herausgeberinnen eingangs formuliert, dass Gott als Erzählfigur anderen Figuren narratologisch prinzipiell gleichzustellen ist, jedoch zugleich gegenüber den anderen Figuren eine zumindest potentielle Besonderheit besitzt. Als behandelte biblische Texte zu nennen sind die Bücher Exodus, Samuel, Jesaja, das Zwölfprophetenbuch, die frühchristlichen Evangelien, namentlich Lukas, und die Apostelgeschichte, die Paulusbriefe und die Johannesoffenbarung; ein Beitrag gilt der deuterokanonischen Literatur (scil. den Erzählungen von Judit und Ester sowie den Büchern 1Makk, 2Makk und Tobit). Die narratologischen Annäherungen bieten eine Fülle von Einzelaspekten, die den Reichtum der biblischen Erzählwelten erschließen und die Vielschichtigkeit in der erzählenden Rede von Gott herausarbeiten; so „erzählen“ etwa die Samuelbücher „Gott in Menschen, Tieren und Dingen“ (Ilse Müllner), oder es begegnen in biblischen Texten „tierliche Gottesfigurationen“, die Gott „theriosieren“ und das jeweilige Tier „theologisieren“ (Yvonne Thöne). Insgesamt fällt auf, dass die hier versammelten narratologischen Zugänge historische Fragestellungen zwar nicht völlig ausblenden, vielfach aber weitgehend unbearbeitet lassen. Frevel, Christian: Im Lesen verstehen. Studien zu Theologie und Exegese (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 482). De Gruyter: Berlin / Boston 2017, XIV, 615 S., 25 Abbildungen, 7 Grafiken. Der eindrucksvolle Band sammelt einundzwanzig Beiträge des Bochumer Alttestamentlers, die in den Jahren 1991–2013 entstanden und einem breiten Themenspektrum aus Exegese und Theologie des Alten Testaments gewidmet sind. Die Aufsätze sind in vier Abschnitte gegliedert, die freilich nur einen Ausschnitt aus den weit gestaffelten Forschungsschwerpunkten des Vfs. abbilden: „Die These vom Deuteronomistischen Geschichtswerk und ihre Alternativen“ – Vf. erweist sich hier als eine wichtige Stimme in der neueren und neuesten sehr kontroversen Debatte um die Entstehungsgeschichte der Bücher Dtn bis 2Kön –, „Komposition und Theologie der Klagelieder“, „Intertextualität und Innerbiblische Auslegung“ sowie „Monotheismus und Bilderverbot“ – wo Vf. u. a. an seine vielbeachtete monumentale Studie zum kontroversen Problem der Aschera im Alten Testament anknüpft. Hervorgehoben seien ein Beitrag zu Ps 8 und seiner Rezeption im Hiobbuch, der unter dem von Beat Weber entlehnten Titel „Eine kleine Theologie der Menschenwürde“ steht, eine „Auseinandersetzung mit Jan Assmann am Beispiel des Jeremiabuches“ unter dem Titel „Leistung und Schwächen des Biblischen Monotheismus“ sowie „Überlegungen zur Kultbildlosigkeit Israels“ unter dem Titel „Du sollst dir kein Bildnis machen! Und wenn doch?“ Bemerkenswert ist der eigenwillige und leidenschaftliche Sprachstil, in dem Vf. seine historisch differenzierten Überlegungen entfaltet. Auch der am Alten Testament in-

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teressierte Nichtspezialist erhält hier gut zugängliche Einblicke in den neuesten alttestamentlichen Forschungsdiskurs. Hartenstein, Friedhelm: Die bleibende Bedeutung des Alten Testaments. Studien zur Relevanz des ersten Kanonteils für Theologie und Kirche (Biblisch-Theologische Studien 165). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2017, VIII, 310 S. Abgesehen von einer Einführung ins Thema versammelt der Band neun Einzelstudien des Vfs. zur christlichen Hermeneutik des Alten Testaments. Die hochdifferenzierte Sicht auf das genannte hermeneutische Problem, die Vf. hier vorträgt, bietet eine Reihe von Vorstudien zu einer Theologie des Alten Testaments, an der der Vf. seit einiger Zeit arbeitet. Das dieser Theologie zugrundeliegende neue Konzept wird in den abschließenden drei Beiträgen überblicksartig sowie anhand der Themen „Personalität Gottes“ und „Wunder im Alten Testament“ vorgestellt. Zugleich knüpft der Band an die neueste Diskussion über die Stellung des Alten Testaments in der christlichen Kirche an; die zwei einleitenden Beiträge setzen sich intensiv mit der Position Notger Slenczkas auseinander, der die Diskussion im Jahr 2013 angestoßen hat. Weitere Beiträge gelten dem theologisch brisanten Thema des Zorns Gottes, u. a. anhand der sog. Rachepsalmen, der von Ulrich Luz entwickelten neutestamentlichen Hermeneutik sowie dem umstrittenen Verhältnis zwischen Religionsgeschichte und Theologie. Das Ganze hat eine bemerkenswert hohe Kohärenz und erweist sich denkerisch auf vielfältige Weise als konsistent. Wer nach einer dezidierten Selbstpositionierung der alttestamentlichen Wissenschaft als Teil christlicher Theologie sucht, findet hier einen differenzierten und überaus klug begründeten Entwurf, der für die weitere Diskussion in der alttestamentlichen Wissenschaft und in der Gesamttheologie äußerst wichtige Anstöße bietet. Witte, Markus / Gertz, Jan C. (Hg.): Hermeneutik des Alten Testaments (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 47). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2017, VIII, 221 S. Im Hintergrund des Sammelbandes steht die durch den Berliner Systematiker Notger Slenczka 2013 angestoßene neueste Diskussion um den Stellenwert des Alten Testaments in der christlichen Kirche, die jüngst ein breites Echo weit über die theologische Wissenschaft hinaus erhalten hat. Die zehn Beiträge, die von Vertretern aller evangelisch-theologischen Teildisziplinen stammen – darunter auch Notger Slenczka selbst  –, führen die Debatte weiter und zielen  – auf jeweils sehr unterschiedliche Weise – sachliche Klärungen an. Das Gesamtbild ist vielschichtig und bleibt im Ergebnis kontrovers. Es zeigt sich, dass mit klischeehaften Verzeichnungen bestimmter Positionen, einschließlich der Slenczkas, nicht weiterzukommen ist. Als historisches und theologisch-hermeneutisches Hauptproblem erweist sich die Frage des Kanons bzw. dessen, was als kanonisch gelten kann. Dass dieses Problem letztlich beide Testamente betrifft, deutet sich in den Beiträgen auf mancherlei Weise an, hätte im Ganzen allerdings deutlich stärker in den Mittelpunkt gerückt werden können. Verebics, Petra / Móricz, Nikolett / Köszeghy, Miklós (Hg.): Ein pralles Leben. Alttestamentliche Studien. Für Jutta Hausmann zum 65. Geburtstag und zur Emeritierung (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 56). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 355 S., 15 Abbildungen, 4 Tabellen. Der umfangreiche Band versammelt dreiundzwanzig Beiträge, die der an der Evangelisch-Lutherischen Universität Budapest wirkenden Alttestamentlerin Jutta Hausmann anlässlich ihrer Emeritierung gewidmet wurden und die wichtigsten Interessensgebiete der Jubilarin innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft abbilden; wie von den Herausgebern eingangs hervorgehoben, sind damit längst nicht alle The-

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menbereiche erfasst, mit denen Jutta Hausmann befasst ist  – die Gebiete jüdischchristlicher und interreligiöser Dialog, Feminismus und Gender Studies werden durch den Band nicht im engeren Sinn erschlossen, klingen freilich dennoch da und dort an. Gegliedert sind die Beiträge, die teils deutsch, teils englisch verfasst sind, in sechs Teilbereiche: „Anthropologische Zugänge“  – u. a. anknüpfend an die einschlägigen Arbeiten Hausmanns zur alttestamentlichen Spruchweisheit –, „sprachliche, literarische, theologische und ästhetische Aspekte der Psalmen“ – hervorzuheben sind hier Beiträge zu Ps 18//2Sam 22 und zu Ps 22 –, „die Hebräische Bibel und ihre Rezeption“, „Frauen-Perspektiven“ – u. a. mit Beiträgen zur weiblichen Sexualität und zu „Frauen und Macht im Alten Testament“, „Theologische Themen“ sowie „Archäologie und Geschichte“. Das breite und thematisch bunte Spektrum bietet viel Anregendes und ist zugleich ein eindrucksvolles Echo der vielfältigen Anstöße, die die alttestamentliche Wissenschaft durch die Geehrte erhalten hat. Irsigler, Hubert: „Denk an deinen Schöpfer“. Studien zum Verständnis von Gott, Mensch und Volk im Alten Testament (Stuttgarter Biblische Aufsatzbände 60). Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2015, 349 S. Der Band bietet eine Auswahl von elf Aufsätzen aus den Jahren 1987 bis 2013; einer der Aufsätze ist auf Englisch verfasst. Vf. hat die Beiträge laut dem Vorwort daraufhin ausgewählt, dass sie ihm „über die engeren Fachgrenzen hinaus thematischtheologisch in Hinsicht auf Gottes- und Menschenverständnisse und ferner auf die Frage des Erwählungsglaubens und der Identität Israels als Volk JHWHs in der Bibel für Leserinnen und Leser interessant erscheinen“. Neben dem Erwählungsglauben und der Identität Israels, u. a. im Blick auf die Erfahrung des Exils, sind die alttestamentlichen Anthropologien ein thematischer Faden, der sich durchzieht. Unter den ausgelegten Texten steht die Weisheitsliteratur im Zentrum (Ps 127; 37; 49 und 73; Hi 16 und 19; Prov 8; Koh 11), aber auch prophetische Schlüsseltexte werden behandelt (Jesaja, Amos). Religionsgeschichtlich wichtig ist der vieldiskutierte Beitrag „YHWH und seine Aschera in althebräischer Epigraphik. Zur Kontroverse um ihre Beziehung“. Die Beiträge geben einen repräsentativen Einblick in die Arbeitsweisen des Vfs., der – anknüpfend an die stark linguistisch ausgerichtete exegetische Methodik Wolfgang Richters – präzise Beobachtungen zur sprachlichen Gestalt der Texte mit tiefgründigen theologischen Überlegungen verbindet, als deren gemeinsames Anliegen vielleicht die Suche nach einer vom biblischen Zeugnis her entwickelten, theologisch verantworteten Rede über den Menschen und sein Wesen erscheinen kann. Schüle, Andreas: Theology from the Beginning. Essays on the Primeval History and its Canonical Context (Forschungen zum Alten Testament 113). Mohr Siebeck: Tübingen 2017, VIII, 340 S., 3 Abbildungen. Der Band versammelt achtzehn englischsprachige Aufsätze des Vfs., zuerst publiziert an verschiedenem Ort in den Jahren 2002–2016, einschließlich eines bislang unpublizierten Beitrags. Die Einzelstudien sind in die Bereiche „The Image of God“, „Evil“, „Law and Forgiveness: Elements of Priestly Theology“, „God“ und „Ethics“ gegliedert. Der größte Schwerpunkt liegt gemäß einem der Forschungsfelder des Vfs. auf der Urgeschichte, die v. a. auf die in ihr verhandelten anthropologischen Schlüsselthemen (u. a. Gottebenbildlichkeit des Menschen und der Diskurs über Ursprung und Wirkung des Bösen) hin erschlossen wird. Die urgeschichtlichen Gegenstände werden zu anderen Text- und Themenbereichen in Beziehung gesetzt, wozu u. a. die Bücher Kohelet, Hiob und Jona sowie das Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18) zählen. Die Studien bieten ein Set theologischer Tiefenbohrungen, sind jedoch sachlich zugleich in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, worin der Vf. eine Gesamtsicht auf

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die alt­testamentliche Theologie andeutet. Wer sich für die genannten Text- und Themenbereiche interessiert, mag hier manch anregenden und weiterführenden Gedanken finden.

2.1.3 Wichtige Beiträge zu religionsgeschichtlichen Themen Keel, Othmar: Jerusalem und der eine Gott. Eine Religionsgeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 22014, 128 S., 188 Abbildungen. Das Buch bietet die Kurzfassung der 2007 in zwei Bänden publizierten überaus materialreichen Geschichte Jerusalems von der Hand des Fribourger Alttestamentlers. Als Pionier der ikonographischen Auslegung und Begründer der Fribourger Schule, die sich einer kulturgeschichtlichen Erschließung der antiken palästinischen Bildkunst von den ältesten Anfängen bis zur Zeitenwende gewidmet hat, kommt dem Œuvre des Vfs. für die jüngere alttestamentliche Forschung größte Bedeutung zu. Die vorliegende Geschichte Jerusalems erhebt zugleich den Anspruch, „eine Religionsgeschichte“ darzustellen, also eine Religionsgeschichte „Israels“, die die Entstehung der biblischen Texte mit den tatsächlichen kulturgeschichtlichen Hintergründen in Beziehung setzt. Das Hauptanliegen, das zugleich eine Art heuristischen roten Faden bietet, ist die Frage nach der Entstehung des Monotheismus; dass dies auf die Geschichte Jerusalems fokussiert wird – den bis heute heiligen und zugleich umstrittenen Ort der drei „monotheistischen Weltreligionen“, liegt nahe und macht das Unternehmen überaus interessant und im Ergebnis fruchtbar. Die hier bereits in zweiter Auflage anzuzeigende Kurzfassung präsentiert die Ergebnisse Keels in konziser Weise, wobei nur eine sorgfältig durchdachte Auswahl aus der Materialfülle des zweibändigen Werkes geboten wird – was die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit gegenüber der Erstfassung erheblich erhöht. Die wichtigsten Etappen im Gesamtbild des Vfs. bilden nach wie vor die religionsgeschichtlich komplexe Gemengelage im Übergang von der späten Bronze- zur frühen Eisenzeit, an die der Bau des Salomonischen Tempels, der nach dem Urteil des Vfs. ursprünglich dem Sonnengott gewidmet war, anknüpfte, die tiefen religionsgeschichtlichen Umbrüche, die die Zeit der assyrischen Domination mit sich brachte, die Neuausrichtung, die der Jahwekult in der exilisch-nach­ exilischen Zeit erfuhr, sowie die in der Makkabäerzeit gipfelnde Auseinandersetzung des frühen Judentums mit dem Hellenismus. Ein besonderer Wert des handlichen Büchleins ist das reiche und überaus eindrucksvolle Bild- und Kartenmaterial, das auch Laien z. T. atemberaubende Einblicke in zentrale religions- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge bietet. Im Ergebnis macht der Vf. deutlich, dass „der historische Abraham, soweit er überhaupt historisch fassbar ist“, Polytheist war, während der intolerante Monotheismus, der sich durch aggressive Abgrenzung von jeglichem Götzendienst definiert, erst in der zwischentestamentlichen Epoche entstand. Viele Detailfragen bleiben hier natürlich hochumstritten; der Gesamtentwurf hat aber gerade auch in dieser Kurzfassung wissenschaftlich höchstes Gewicht, und die Indizien mehren sich, dass der Vf. mit mancher Einsicht richtig liegen dürfte. Grohmann, Marianne (Hg.): Identität und Schrift. Fortschreibungsprozess als Mittel religiöser Identitätsbildung. Mit Beiträgen von Stefan Alkier, Lutz Doering, Sabina Franke, Susanne Plietzsch und Konrad Schmid (Biblisch-Theologische Studien 169). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2017, VIII, 200 S. Das Thema Fortschreibung – ein Begriff, der von Walther Zimmerli in seinem längst als Klassiker geltenden Ezechielkommentar geprägt wurde – bestimmt die alttesta-

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mentliche Wissenschaft in derart hohem Maße, dass der Begriff mittlerweile als Lehnwort auch in englischsprachigen Publikationen erscheint. Gemeint ist ein Prozess, in dem ältere schriftliche Überlieferungen durch Ergänzungen nach und nach kommentiert, ausgelegt und umgedeutet wurden; für die Redaktionsgeschichte der alttestamentlichen Schriften und der zwischentestamentlichen Literatur hat dieser Prozess wahrscheinlich hohes Gewicht gehabt, auch wenn umstritten ist, in welchem Umfang die Texte tatsächlich fortgeschrieben wurden und inwieweit sich die jeweiligen Fortschreibungen in den uns überlieferten Texten rekonstruieren lassen. Der knappe, aber inhaltsreiche Band versammelt dazu fünf Beiträge, die einer Tagung der Arbeitsgruppe „Religionsgemeinschaft und Identität. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike“ im Jahr 2015 entstammen. Thematisiert wird der Zusammenhang zwischen Fortschreibungsprozessen und religiöser Identitätsbildung anhand ganz unterschiedlicher literarischer Korpora: Ein Beitrag gilt dem mesopotamischen Gilgamesch-Epos, das bereits mehrfach als außeralttestamentlicher Vergleichstext zur alttestamentlichen Fortschreibungsliteratur herangezogen wurde. Aus dem Alten Testament wird die Fortschreibungsgeschichte der Jakobüberlieferungen in der Genesis betrachtet, aus dem frühen Judentum die Phänomene der „Fort- und Neuschreibung“ im Jubiläenbuch und in den Texten aus Qumran. Im Blick auf das Neue Testament wird die These entfaltet, dass die dort versammelten Schriften nicht die kollektive christliche Identität im 1. Jahrhundert abbilden, sondern eine solche Identität erst generieren wollen, und in judaistischer Perspektive wird untersucht, auf welche Weise die Torarolle mit einer hochgestellten Person identifiziert werden konnte. Zwickel, Wolfgang: Studien zur Geschichte Israels (Stuttgarter Biblische Aufsatzbände 59). Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2015, 304 S. Der Band versammelt zwölf Beiträge des Mainzer Alttestamentlers und Biblischen Archäologen, die in den Jahren 1990–2011 entstanden sind. Gegenstand sind zentrale Probleme der Geschichte Israels (u. a. Landnahme, Entstehung des Königtums, 8. und 7. Jahrhundert, die Zeit Nehemias), die in einer Vielfalt methodischer Perspektiven, namentlich im Blick auf sozial-, wirtschafts- und religionsgeschichtliche Aspekte untersucht und mit literaturgeschichtlichen Fragen zu den betreffenden biblischen Abschnitten verknüpft werden. Grundlegend sind archäologische Daten, die der Vf. in großer Dichte anhand neuerer und neuester Forschungen heranzieht, wobei die unüber­sehbare Materialfülle durch breite bibliographische Angaben der einschlägigen Publikationen zugänglich gemacht wird. Die Aufsätze bieten sehr anregende Überlegungen und Teilhypothesen zu Geschichte und Religionsgeschichte Israels (etwa zum „Beitrag der Habiru zur Entstehung des Königtums“), die eine genauere Diskussion verdienen und in vielerlei Hinsicht exemplarisch für historische und literaturgeschichtliche Schlüsselprobleme stehen. Besonders hervorzuheben ist der abschließende Aufsatz „Vor der Schwierigkeit, eine historische Ortslage zu lokalisieren. Ein einführender Beitrag zur historischen Topographie“, der ein Grundproblem der Landeskunde Palästinas reflektiert, das jedem Liebhaber des Heiligen Landes, der für historische Fragen offen ist, vertraut sein dürfte. Dem Band beigegeben ist ein 26-seitiges Schriftenverzeichnis, das das geradezu monumental zu nennende Œuvre des Vfs. (bis 2014) erschließt. Hensel, Benedikt: Juda und Samaria. Zum Verhältnis zweier nach-exilischer Jahwismen (Forschungen zum Alten Testament 110). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, XVI, 487 S. Das Buch bietet die leicht überarbeitete Fassung einer Mainzer Habilitationsschrift. Die großangelegte Untersuchung gilt dem in der jüngeren alttestamentlichen For-

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schung immer deutlicher als Schlüsselproblem wahrgenommenen Verhältnis zwischen den zwei nachexilischen Jahwegemeinden, die sich in Juda und Samaria mit den Kultzentren in Jerusalem und auf dem Garizim konstituierten; angestoßen wurde dieser Forschungstrend v. a. durch die archäologische Erschließung des Tempels auf dem Garizim. Die Studie sucht die Entstehung der beiden Gemeinden und ihr gegenseitiges Verhältnis zueinander in der persischen und hellenistischen Epoche möglichst umfassend zu rekonstruieren, wozu der Vf. die einschlägigen archäologischen, epigraphischen, ikonographischen und literarischen Befunde umfassend aufarbeitet, analysiert und zueinander in Beziehung setzt. Sein – höchst anerkennenswertes – Ziel besteht darin, die vom biblischen Bild, namentlich 2Kön 17 und Esra-Nehemia, sowie hellenistischen Quellen her inspirierten Klischees über die „Samaritaner“, die in der Regel mit einer verzerrenden Wahrnehmung „des Nordens“ und einer Abwertung oder Marginalisierung der Garizim-Gemeinde einhergehen, zu überwinden und ein historisch differenziertes Bild dagegenzusetzen. Ein wichtiger Teilschritt ist die konsequente Dekonstruktion der aus judäischer Perspektive entworfenen Abgrenzungen. Der Vf. kann die judäische Konstitution eigener Identität, die sich zunehmend durch Abgrenzung von den als fremd gebrandmarkten Samariern definierte, überzeugend als „Ethno-Fiktion“ entlarven, die mit einer fortschreitenden „Entlegitimierung des samarischen Jahwismus“ einherging. Der entsprechende kritische Blick auf die historische Entwicklung schließt auch die biblischen Texte, allen voran den Pentateuch, aber auch die Bücher Esra-Nehemia und Chronik ein, die vom Vf. auf ihre Stellung zwischen den zwei Jahwegemeinden hin befragt werden. Die inhaltsreiche Studie bietet eine Fülle von sehr wertvollen Anstößen für die weitere Forschung. Auch dem Nichtspezialisten bietet sie gute Einblicke in das komplexe religionsgeschichtliche Problemfeld, das es nötig macht, die entsprechenden biblischen Aussagen nicht für bare Münze zu nehmen, sondern historisch-kritisch zu betrachten.

3. Exegetische Arbeiten zu Fragen des Gottesdienstes 3.1 Umfassend zum Psalter Oeming, Manfred / Vette, Joachim: Das Buch der Psalmen. Psalm 90–151 (Neuer Stuttgarter Kommentar – Altes Testament 13/3). Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2016, 296 S., 4 Abbildungen, 1 Grafik. Der Band vollendet den mit einem ersten Band im Jahr 2000 begonnenen Psalmenkommentar, der zunächst von Manfred Oeming allein verfasst worden war. Die augenfällige Besonderheit des dritten Bandes liegt zunächst darin, dass hier auch der 151. Psalm der Septuaginta kommentiert wird – ein bemerkenswertes Echo der wachsenden Aufmerksamkeit für das griechische Alte Testament als biblische Überlieferung eigenen Rechts; da der Psalm auch in Qumran in einer deutlich anderen Fassung überliefert ist, wird hier – abweichend vom üblichen Prinzip der Kommentarreihe, die sich auf die Einheitsübersetzung bezieht – auch der ausgelegte Text selbst noch einmal abgedruckt – zunächst der griechische Psalm (in der Übersetzung durch die „Septuaginta Deutsch“), sodann die Fassung aus der Großen Psalmenrolle 11QPsa (in der Übersetzung von J. Maier). Wie bereits in den beiden anderen Bänden verbindet die Auslegung Beobachtungen zu Form und Inhalt des jeweiligen Psalms, die mit wichtigen historischen Überlegungen (v. a. zur Entstehungsgeschichte) sowie religi-

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ons- und theologiegeschichtlichen Aspekten verknüpft werden, mit Hinweisen auf die Wirkungsgeschichte und die Anwendungsmöglichkeiten in Liturgie und sonstiger kirchlicher Praxis heute. Ein wichtiges Element sind des Weiteren Überlegungen zur Anordnung der Psalmen und zu ihrer Bedeutung im Rahmen größerer Kompositionsbögen, die sich einerseits in einer „Einleitung zum vierten und fünften Psalmbuch“, andererseits in den jeweiligen Einzelauslegungen finden. Die Orientierung an Psalmgruppen und übergreifenden Sinneinheiten zeigt sich auch daran, dass die beiden Autoren die Kommentierung nicht alternierend aufgeteilt haben: „Manfred­ Oeming hat vorrangig die JHWH-Königspsalmen, die Königspsalmen und den Wallfahrtspsalter behandelt; Joachim Vette den Davidpsalter, das ägyptische Hallel und das Schlusshallel.“ Den Kommentierungen beigegeben sind acht Exkurse (zur „Funktion des vierten und fünften Buches“, zum „Zorn Gottes in den Psalmen“, „Die Engel im Alten Testament und in den Psalmen“, „Der Tun-Ergehen-Großzusammenhang im Psalter“, zum „‚Königtum Gottes‘ in den Psalmen“, zum „Psalter Iuxta Hebraeos in der Vulgata“, zu „Psalmen in der christlichen Liturgie“, „Rezeption der Psalmen in der Musikgeschichte am Beispiel von Psalm 139“ und zu „Psalmen in Qumran“). Gerade in ihrer Kürze und Pointiertheit hat die Auslegung ihren Charme; dass die zahlreichen religions- und theologiegeschichtlichen Debatten, die um Schlüsselthemen der Psalmen geführt werden, nur knapp anklingen und manches oberflächlich und einseitig bleibt, ist der Anlage des Kommentars geschuldet. Abgerundet wird das Werk durch ein anregendes Nachwort beider Verfasser zur Theologie der Psalmen, endend und zugleich gipfelnd in Johann Gerhards „Du meine Seele, singe …“. Willgren, David: The Formation of the ‚Book‘ of Psalms. Reconsidering the Transmission and Canonization of Psalmody in Light of Material Culture and the Poetics of Anthologies (Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe 88). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, VIII, 491 S. Die leicht revidierte Fassung einer PhD-Dissertation, die an der Universität Lund entstanden ist, unternimmt eine großangelegte Neuuntersuchung der Entstehung des Psalters bzw. des – wie der Vf. sagt – ‚Buches‘ der Psalmen im Lichte handschriftlicher Evidenzen, d. h. vor allem der Schriften vom Toten Meer. Der Vf. bringt als neuen bzw. wiederentdeckten Schlüssel die Literaturgattung der Anthologie ins Spiel, wobei er aus dem Alten Orient, einschließlich Ägyptens, aus klassischer Literatur Griechenlands und frühjüdischen Schriften einen weiten Kreis von Paratexten im Sinne ­Gérard Genettes heranzieht. Die eigentliche Expertise des Vfs. liegt indes im Bereich der Qumranschriften: Hier arbeitet der Vf. aufs Neue sehr detailliert den überraschend uneinheitlichen und uneindeutigen Befund der Psalmenhandschriften auf, um vor diesem Hintergrund die literaturgeschichtliche Entwicklung von Psalmensammlungen zu rekonstruieren. Es entsteht ein überaus differenziertes und in mancherlei Hinsicht neues Gesamtbild der Geschichte des Psalmenbuches, das es als notwendig erscheinen lässt, die Grundlagen der in jüngerer Zeit vielfach vertretenen „Psalterexegese“ zu hinterfragen: So lässt sich kaum nachweisen, dass der Psalter als Buch in der Antike eine weitergehende Bedeutung gehabt hat; ebensowenig ist zu zeigen, dass der protomasoretische Psalter höhere Autorität hatte als etwa die Psalmensammlung, die durch die große Psalmenrolle aus Qumran bezeugt ist. Die Psalmen wurden im Ganzen immer bedeutsamer als autoritative Schrift, doch teilten sie dies mit einem größeren Korpus autoritativer Texte. Die einzelnen Sammlungen dagegen sind auf sehr komplexe Weise gewachsen, wobei nicht auszuschließen ist, dass der Prozess nicht linear verlief. Es erscheint somit als problematisch, der Sequenz der Psalmen im protomasoretischen Psalter ein inhaltlich allzuhohes Gewicht beizumessen.

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Der individuelle Charakter der jeweiligen Einzelpsalmen wird in dieser Perspektive dagegen erneut zur zentralen Instanz der Psalmenauslegung. Die Vielfalt der historischen Prozesse, die zur Sammlung der Psalmen in Anthologien, deren Variation und abschließenden Kanonisierung führten, darf, wie der Vf. betont, keinesfalls übersehen oder unterschätzt werden; ihre Bedeutung für die Psalmenauslegung bleibt aber begrenzt. In der Summe bietet das Buch eine hochanregende und in mancherlei Weise innovative Studie, die die weithin verbreitete, historisch aber anachronistische Orientierung am masoretischen Psalter zu Recht hinterfragt und eine Fülle von Anstößen für weitere Forschung bietet. Hossfeld, Frank-Lothar † / Bremer, Johannes / Steiner, Till Magnus (Hg.): Trägerkreise in den Psalmen (Bonner Biblische Beiträge 178). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 264 S., 21 Tabellen. Der Band enthält neun Beiträge eines Bonner Forschungskolloquiums aus dem Jahr 2012, das von dem dort wirkenden Psalmenforscher Frank-Lother Hossfeld angeregt worden war; nach dessen Tod wurde der Band von den Mitorganisatoren des Kolloquiums herausgegeben. Die den Beiträgen gemeinsame Frage gilt den Gruppen bzw. Trägerkreisen, die die Psalmen überliefert haben und in deren Mitte der Psalter seine Gestalt gefunden hat. Schlüsselfragen dieses „literatursoziologischen“ Problemfeldes gelten etwa den Asafiten und Korachiten oder den sozialgeschichtlichen Hintergründen der sog. Armenredaktion. Methodologisch verschränken sich redaktionsgeschichtliche sowie motiv- und konzeptionsgeschichtliche mit psalterkompositorischen Aspekten. Besonderes Gewicht erhalten naturgemäß zentrale Psalmensammlungen wie der Erste Davidpsalter, die Asafpsalmen oder die JhwhKönigs-Psalmen. Eine Schlüsselrolle für die Frage nach den literatursoziologischen Dimensionen des Psalters spielt namentlich die Frage nach den levitischen Trägerkreisen. Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie die skizzierten Fragen mit dezidiert theologischen Perspektiven verknüpfen. Pajunen, Mika S. / Penner, Jeremy (Hg.): Functions of Psalms and Prayers in the Late Second Temple Period (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 486). De Gruyter: Berlin / Boston 2017, X, 506 S., 1 Abbildung, 8 Tabellen. Der Band enthält zwanzig englischsprachige Studien einer internationalen Gruppe von Psalmenforschern, die sich im Jahr 2015 im Rahmen zweier Konferenzen in Kopenhagen und Helsinki getroffen hat. Den allen Beiträgen gemeinsamen thematischen Anstoß bildet die reiche Verwendung der später kanonisch gewordenen Psalmtexte, aber auch vieler anderer Gebetstexte, die sich der Formensprache der Psalmen bedienen, unter den Texten vom Toten Meer – etwa die sog. Barkhi Nafshi Hymns, also Hymnen, die mit dem aus den Psalmen bekannten Satz „Lobe den Herrn, meine Seele“ beginnen. Die Fülle dieses umfangreichen Textmaterials verleiht seit ihrer vollständigen editorischen Erschließung zudem auch den vergleichbaren, schon längst bekannten Werken der zwischentestamentlichen Literatur, u. a. den Psalmen Salomos oder Stücken aus der Weisheitschrift des Ben Sira, wachsende Aufmerksamkeit, und schließlich lassen sich in diesen Rahmen auch neutestamentliche Texte als Psalmrezeptionen und neue Psalmen einordnen. Was sich in diesem Horizont für Sinn und Anwendungsweise der Psalmen und anderer Gebete ergibt, wird hier in unterschiedlichen Weisen bearbeitet, was den gegenwärtigen Forschungsstand exemplarisch abbildet und zugleich eine Fülle von neuen Einsichten ergibt. Die Beiträge sind in sechs Abschnitte gegliedert, worin sich das breite Spektrum der Themen und Fragestellungen andeutet: „Psalms, Prayers, and Embodied Religion“, „Psalms, Prayers, and Penitential Themes“, „Material Issues and the Ordering of Psalms and Prayers“, „Psalms,

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Prayers, and Prophecy“, „Psalms, Prayers, History and Identity“, „The Composition and Use of Psalms and Prayers“. Unter den Beitragenden finden sich führende Qumranforscher, aber auch zahlreiche hochambitionierte Nachwuchsgelehrte, v. a. aus dem skandinavischen Raum. Die Beiträge geben faszinierende Einblicke in neueste Forschungsdebatten zur Überlieferung und Verwendung der Psalmen um die Zeitenwende. Sehr hilfreich ist die abschließend beigegebene Gesamtbibliographie und ein ausführliches Stellenregister.

3.2 Zu einzelnen Psalmen oder Psalmengruppen Schnocks, Johannes (Hg.): „Wer lässt uns Gutes sehen?“ (Ps  4,7). Internationale Studien zu Klagen in den Psalmen. Zum Gedenken an Frank-Lothar Hossfeld (Herders Biblische Studien 85). Herder: Freiburg i. Br. 2016, 378 S., 2 Abbildungen, 5 Tabellen. Der Band dokumentiert die Beiträge einer Tagung zum Thema „Klagen in den Psalmen“, die vom Hg. in Kooperation mit der Baylor University, Waco, im Jahr 2015 an der Universität Münster organisiert wurde; das Buch erinnert zugleich an den 2015 verstorbenen Psalmenforscher Frank-Lothar Hossfeld. Das für die Psalmen zentrale Thema der Klage wird in der vom Hg. verfassten Einleitung in einer anthropologisch grundlegenden Weise eröffnet: „Wer klagt, macht deutlich, wo der Schuh drückt. Er oder sie gesteht aber auch ein, aus eigener Kraft das Leben nicht mehr in den Griff zu bekommen.“ (9) Die teils auf Deutsch, teils auf Englisch verfassten Beiträge entfalten das Thema anhand einzelner Psalmen (u. a. Ps 4; 39; 44; 137) und Psalmengruppen (Ps 140–143) sowie übergreifender Motive und Fragestellungen. Einen gewissen Schwerpunkt bilden grundlegende Fragen zu zentralen Aspekten von Theologie und Anthropologie, die anhand detaillierter Exegesen exemplarisch erschlossen werden. In einigen Beiträgen treten größere kulturgeschichtliche Horizonte in den Blick, namentlich aus der mesopotamischen Klageliteratur. Auf ganz verschiedene Weise eröffnet der Band manch neue Perspektive: Teils werden klassische Grundannahmen der Gattungskritik hinterfragt, teils ethische Dimensionen in den Klagepsalmen erschlossen, oder es wird die Rolle von Klagepsalmen für die Komposition des Psalmenbuches bedacht. Ruwe, Andreas (Hg.): Du aber bist es, ein Mensch meinesgleichen (Psalm 55,14). Ein Gespräch über Psalm 55 und seine Parallelen. Mit Beiträgen von Christof Hardmeier, Melanie Köhlmoos, Matthias Millard, Michael Rohde, Andreas Ruwe und Beat Weber (Biblisch-Theologische Studien 157). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2016, VIII, 270 S., 3 Tabellen. Der Band enthält sechs Beiträge zu dem umfangreichen und schwierigen Ps 55, die auf einen „Greifswalder Methodenworkshop“ im Jahr 2011 zurückgehen. Der eröffnende, sehr ausführliche Beitrag (81 S.) von Christoph Hardmeier bietet eine „lese­ hermeneutische Sinnerschließung“ des Textes, die sehr dicht an deren hebräischer Fassung entlanggeht und ihn „kommunikationspragmatisch“ aufschlüsselt, wozu der Text samt deutscher Übersetzung in einer eigenen Systematik mehrfarbig erschlossen wird. Eigentümlich ist, dass die Frage der Textüberlieferung mit keiner Silbe angesprochen wird. Zugleich wendet der Vf. eine eigene Methodik an, die auf die sprachliche Pragmatik gerichtet und von hoher hebraistischer Gelehrsamkeit ist; allerdings dürfte es Nichthebraisten nicht gerade leicht fallen, die Anwendung dieser Analytik auf den Text nachzuvollziehen. Die weiteren Beiträge setzen Ps 55 in Beziehung zum

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Hiobbuch, zeigen anhand des Psalms die „Deutungsvielfalt“ schwieriger biblischer Texte auf, erwägen die Frage, ob Gott in Ps 55 „als Freund-Feind“ gezeichnet ist, fragen nach dem „Vertrauenszuwachs in der Klage“ – was dem klassischen Problem des sog. Stimmungsumschwungs gilt – und geben einen Überblick über „direkte Rede von und an ‚Widersacher(n)‘ in den Psalmen.“ Neumann, Friederike: Schriftgelehrte Hymnen. Gestalt, Theologie und Intention der Psalmen 145 und 146–150 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 491). De Gruyter: Berlin / Boston 2016, X, 513 S. Das Buch bietet die geringfügig überarbeitete Fassung einer Göttinger Dissertation. Gegenstand sind die letzten sechs Psalmen des masoretischen Psalters, die auf ihre Entstehung, ihre literarischen Bezüge und die in ihnen enthaltenen theologischen Profile hin untersucht werden. Die Vfin. geht dabei sukzessive an den Psalmen entlang und analysiert in klassischer Methodik zunächst Sprache und Form, um auf Grundlage v. a. der Motive und des Gedankengangs die theologischen Inhalte zu erschließen. Dabei zeigt sich, dass alle sechs Texte ein hohes Maß an Schriftgelehrsamkeit bieten, da sie eine Fülle von literarischen Bezügen auf andere, ältere Texte enthalten. Insgesamt lassen sich die sechs Psalmen daher als „schriftgelehrte Hymnen“ charakterisieren. Im Blick auf die Entstehung gelangt die Vfin. zu der bemerkenswerten Hypothese, dass Ps 145–150 in sukzessiver Fortschreibung entstanden sind, dass also Ps 146 nach Ps 145 geschrieben wurde, Ps 147 nach Ps 146, und so fort. Das Hauptargument besteht darin, dass die stärksten intertextuellen Bezüge innerhalb der sechs Psalmen dem jeweils voranstehenden gelten, wozu aber eine Fülle von weiteren intertextuellen Bezügen inner- und außerhalb des Psalters kommt. Die überaus dichte Schriftgelehrsamkeit, die in den Ps 145–150 enthalten ist, zeigt, dass diese Psalmen von vornherein als literarische Texte entstanden sind – also jenseits eines kultischen Sitzes im Leben. Der Psalter, dessen protomasoretische Fassung der Komposition der Großen Psalmenrolle aus Qumran (11QPsa) eindeutig vorausliegt, erweist sich damit in seiner Gesamtheit als ein „literarisches Produkt“. Im Blick auf die Theologie hat das schriftgelehrte Profil dieser Psalmen entscheidendes Gewicht, indem es zeigt, dass die Rezeption „der Schrift“ die rezipierenden Hymnen als Gotteslob legitimiert – oder, in den Worten der Vfin.: Es „bleibt dem Psalmisten nach seiner Schriftlektüre nichts anderes übrig, als zum Lob für Jhwh aufzurufen – auf Grundlage der Darstellung von Größe und Güte des Herrn der Schöpfung und Geschichte.“ Brodersen, Alma: The End of the Psalter. Psalms 146–150 in the Masoretic Text, the Dead Sea Scrolls, and the Septuagint (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 505). De Gruyter: Berlin / Boston 2017, X, 321 S. Das Buch enthält die revidierte Fassung einer Oxforder Promotion, die zu einem genau gegenteiligen Ergebnis wie das voranstehend angezeigte Buch gelangt. Den Ausgangspunkt bildet die Frage, inwieweit das sog. Kleine Hallel der Ps 146–150, das die masoretische Fassung des Psalters abschließt, unbeschadet der durch die textliche Überlieferung, namentlich in der Großen Psalmenrolle aus Qumran (11QPsa) dokumentierten Variabilität, als bewusst gestaltete Einheit betrachtet werden kann. Die Vfin. rollt die Frage anhand einer detaillierten Untersuchung der unterschiedlichen Textformen der fünf Psalmen auf. Interessanterweise geht die Vfin. dabei rückschreitend vor, beginnend also mit Ps 150 und endend mit Ps 146, was einerseits mit der herausgehobenen Bedeutung von Ps  150 für die unterschiedlichen Theoriebildungen begründet wird, andererseits dazu dient, die jeweilige Besonderheit des Einzeltextes heuristisch in den Mittelpunkt zu rücken. Die Psalmen werden dabei jeweils in ihrer masoretischen Textform, in der oder den durch die Schriftrollen vom Toten Meer

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bezeugten Textform(en) und schließlich in der Textform der Septuaginta analysiert, wobei die drei Analysen jeweils parataktisch nebeneinander gestellt werden; wie sich die textliche Gestalt im Einzelnen zueinander verhält, muss den jeweiligen Einzel­ darstellungen entnommen werden. Im Ergebnis gelangt die Vfin. zu dem Schluss, dass die fünf Psalmen als ursprünglich einzelne Texte verfasst wurden, ohne dass beabsichtigt war, mit ihnen den Psalter abschließend zu rahmen. Die Psalmen enthalten demnach keinerlei Referenzen aufeinander und auch nicht zu Ps 1 und 2. Auch die sog. Intertextualität der fünf Psalmen, also die in ihnen enthaltenen literarischen Bezüge auf andere Texte inner- und außerhalb des Psalters, erweisen sich nach dem Urteil der Vfin. als überraschend gering. Im Blick auf die textliche Überlieferung zeigen sich wichtige Differenzen in Reihenfolge, Rahmung und Inhalt, die v. a. für eine nicht vorhandene Stabilität in Reihenfolge und Rahmung der fünf Psalmen sprechen. 11QPsa erweist sich – entgegen einer verbreiteten Hypothese – nicht als vom (proto-) masoretischen Psalter abhängig, und während der LXX-Text großenteils gegenüber dem masoretischen sekundär ist, lässt sich eine eindeutige Abhängigkeit für die Überschriften und rahmenden HaHalleluja-Formeln nicht zeigen. Die en détail sehr bedenkenswerten Resultate unterstreichen in ihrer Summe, wie flüssig der Psalmentext noch in der Spätzeit gewesen ist und hinterfragen die verbreiteten Annahmen der Psalterexegese, die von vielfältigen gezielten Bezügen innerhalb des Psalters ausgehen. In Ps 146–150 müssen nach der Vfin. die jeweiligen Einzelpsalmen im Mittelpunkt der Auslegung stehen. Eder, Sigrid: Identifikationspotenziale in den Psalmen. Emotionen, Metaphern und Textdynamik in den Psalmen 30, 64, 90 und 147 (Bonner Biblische Beiträge 183). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2018, 436 S. Das Buch bietet die leicht überarbeitete Fassung einer Linzer Habilitationsschrift. Die Vfin. entwickelt als methodische Grundlegung eine eigene Hermeneutik, die rezep­tionsästhetische, literaturwissenschaftliche und psychologische Aspekte verknüpft und um die Begriffe Empathie und Identifikation kreist. Auf dieser theoretischen Grundlage richtet sie ihre Untersuchung auf „Emotionen und Textelemente, die Emotionen auslösen“, was v. a. anhand der in den Texten begegnenden Metaphern durchgespielt wird; zugleich werden die Psalmen narratologisch betrachtet, d. h. auf die in ihnen enthaltenen Erzählstrukturen hin befragt. Mit dieser Methodik werden die vier im Untertitel genannten Psalmen untersucht. Die Auswahl wird v. a. mit den unterschiedlichen Sprechrichtungen, die in diesen Psalmen begegnen, begründet; weshalb dafür aber nicht auch andere Psalmen infrage kommen, bleibt unklar. Die Auslegung geht im Wesentlichen an den Texten paraphrasierend entlang, wobei die auf Emotionen bezogenen Begriffe und Motive besonderes Gewicht erhalten und mit „Perspektivenlenkung“ und „Textdynamik“ in Beziehung gesetzt werden. Historische und religionsgeschichtliche Horizonte liegen nicht im Fokus der Untersuchung und kommen allenfalls am Rande vor; die poetische Form der Texte wird entsprechend dem Parallelismus nur anhand der jeweiligen Einzeltexte nachgezeichnet, ohne dass dies mit vergleichenden Überlegungen zu Sprachform, Textpragmatik und Gattung verbunden wird. Im Ergebnis arbeitet die Vfin. die in den vier Psalmen enthaltenen „Artefact-based emotions“ und „Fiction-based emotions“ (in Anlehnung an Keith Oatley) heraus und zeigt, wo „Identifikationspotenziale“ der Texte liegen können.

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4. Gottesdienstliche Handlungen, Opfer, Riten, Klage und Gebet MacDonald, Nathan (Hg.): Ritual Innovation in the Hebrew Bible and Early Judaism (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 468). De Gruyter: Berlin / Boston 2016, 171 S. Fast alle der neun Beiträge entstammen einer Arbeitsgruppe zum Thema „Ritual Inno­vation in the Hebrew Bible and Early Judaism“, die im Rahmen des International Meeting der Society of Biblical Literature 2013 in St. Andrews stattfand. Gegenstand sind die alttestamentlichen Ritualbeschreibungen im Pentateuch einschließlich der Schriften aus Qumran, die auf in ihnen enthaltene Entwicklungen, Veränderungen und Innovationen hin befragt werden. Der Eröffnungsbeitrag, verfasst vom Hg., formuliert die übergreifende Fragestellung und fasst die Einzelbeiträge zusammen. Den wichtigsten Anstoß für die Untersuchung bildet der offenkundige Widerspruch, der zwischen dem in Ritualen stets gegebenen Anspruch auf uralten Ursprung und Unwandelbarkeit und der tatsächlichen Entwicklung und Wandlung von Ritualpraktiken besteht. Für die historische Untersuchung der biblischen Ritualbeschreibungen ist das Phänomen der Veränderung, das v. a. durch den Vergleich paralleler, aber unterschiedlicher Fassungen zu beobachten ist, ein Schlüssel, wie schon aus Julius Wellhausens Prolegomena zur Geschichte Israels, einem Klassiker der modernen historischen Theologie, hervorgeht (s. dazu S. 2). Das textlich größte Gewicht in den Einzelstudien haben naturgemäß die priesterlichen Texte in den Büchern Exodus, Leviticus und Numeri. Die damit verbundenen literatur- und ritualgeschichtlichen Detailprobleme sind hochkomplex, werden hier aber erfreulich knapp und auf sinnvolle Weise exemplarisch entfaltet, was auch Nichtspezialisten hilfreiche Einblicke in neueste Diskussionen der alttestamentlichen Wissenschaft bieten kann. Besonders hervorzuheben sind die knappen, aber pointierten Bemerkungen von Reinhard Achenbach zum Aaronidischen Segen (Num 6,22–27), die im Rahmen einer entwicklungsgeschichtlichen Skizze über die Vorstellung der Unsichtbarkeit Gottes in der Zeit des Tempels begegnen. Wilk, Florian (Hg.): Das Vaterunser in seinen antiken Kontexten. Zum Gedenken an Eduard Lohse (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 266). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2016, XII, 199 S., 3 Abbildungen. Der Band enthält sechs Beiträge eines neutestamentlichen Symposiums zum Vaterunser, das im Jahr 2014 anlässlich des 90. Geburtstags von Eduard Lohse veranstaltet wurde. Die Beiträge gelten den wichtigsten Zusammenhängen in der griechischrömischen Antike und im frühen Judentum und Christentum, in denen das Vaterunser steht. Das Gebet wird in den Kontext antik-jüdischen Betens, namentlich im Lichte der Schriften vom Toten Meer, eingeordnet und vor dem Hintergrund der paganen griechisch-römischen Gebetsliteratur betrachtet. Es wird als Teil der frühen Jesusüberlieferung beleuchtet und in seine literarischen Kontexte in den Evangelien des Matthäus und Lukas eingeordnet. Der abschließende Beitrag gilt der Rezeption des Vaterunsers in der Didache. Ein Nachruf auf den 2015 verstorbenen Jubilar und ein Verzeichnis seiner Schriften aus den Jahren 2007–2015 beschließen den kurzen, aber hochqualitativen Band, der hervorragende Einblicke in den neuesten Forschungsstand zu diesem zentralen Gegenstand der christlichen Überlieferung und Frömmigkeit, einem Lebensthema Eduard Lohses, bietet. Geest, Paul van / Poorthuis, Marcel / Rose, Els (Hg.): Sanctifying Texts, Transforming

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Rituals. Encounters in Liturgical Studies. Essays in Honour of Gerard A. M. Rouw­ horst (Brill’s Studies in Catholic Theology 5). Brill: Leiden / Boston 2017, XL, 489 S., 17 Abbildungen. Das umfangreiche Buch ist eine Festschrift, die den niederländischen Liturgiewissenschaftler und Patristiker Gerard Rouwhorst würdigt. Abgesehen von einer thematischen Einleitung der drei Hg. enthält das Buch neunzehn Beiträge, die abgesehen von einem deutschsprachigen Beitrag auf Englisch verfasst sind und einem weitgespannten Feld liturgiegeschichtlicher und liturgiewissenschaftlicher Fragen gelten. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt  – entsprechend den Forschungsfeldern des Geehrten, die eine beigegebene Bibliographie erschließen – auf der antiken und v. a. östlichen Kirchengeschichte; daneben finden sich u .a. aber auch Beiträge zum Islam, zur scholastischen Theologie (Gabriel Biel), zum frühen und rabbinischen Judentum, zur niederländischen Liturgiegeschichte, zum Satanismus sowie zur modernen römischkatholischen Theologie und gegenwärtigen liturgischen Praxis. Gegliedert sind die Beiträge in die Sektionen „Texts“, „Rituals“ und „Encounters“. Das beeindruckende Spektrum enthält Vielerlei, das sich gerade auch im Blick auf gegenwärtige Fragen zur Gestaltung protestantischer Liturgien als inspirierend erweisen dürfte. Jendrek, Matthias: Hinwendung zu Gott. Funktionen der Gebetssprache im Erzählverlauf der Chronikbücher (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 269). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2017, 259 S., 7 Tabellen. Das Buch bietet die leicht überarbeitete Fassung einer Mainzer Dissertation. Das Thema ist die Gebetssprache der Chronik, die auf ihre literarischen, namentlich narrativen Funktionen sowie auf ihre soziale und theologische Semantik in ihren näheren und weiteren Kontexten in der Chronik untersucht wird. Ein Hauptziel ist, über die Gebetssprache die Theologie der Chronikbücher zu erschließen. Methodisch setzt der Vf. mit einer „leserorientierten Funktionsanalyse“ an, also mit dem von Utzschneider / Eco entwickelten Modell der „intentio lectoris“, „das untrennbar mit intentio operis und intentio auctoris verbunden ist“. Die zahlreichen Gebete, die in den Erzählablauf der Chronik eingebettet sind, werden in der textpragmatischen Herangehensweise dieses Modells v. a. auf ihren „Sprechhandlungsgehalt“ hin befragt, was jeweils Schlussfolgerungen auf die „Theologie“ zeitigt. Die Analysen betreffen dabei nicht nur die erzählerisch ausgeführten Gebete wie 1Chr 16, sondern auch „Abbreviaturen“, also kurze formelhafte Gebetszitate, sowie sog. „Unrecorded Prayers“, also bloße erzählerische Erwähnungen von Gebeten. Dabei zeigt sich, auf welche Weise Gebete in der Chronik eingesetzt werden, um Erzählfiguren zu charakterisieren. Theologisch steht die durch die Gebete markierte „Hinwendung zu Gott“ jeweils an theologischen „Scharnierstellen“ des Werkes; die Gebete selbst haben dabei in hohem Maße die Lesenden im Blick, denen v. a. mit der Mahnung begegnet wird, es den jeweiligen Erzählfiguren gleichzutun, umzukehren und sich Gott in Gebet und Lobpreis zuzuwenden. Der Leserkreis wird in solcher Paränese textpragmatisch auf größtmögliche Weise ausgeweitet. Die Studie mag gerade auch außerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft Denkanstöße geben, da sie das komplexe Verhältnis zwischen biblischen Erzähltexten und Gebetspraxis anhand der Chronik auf interessante Weise beleuchtet.

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5. Tempel und Kultstätten Böhm, Martina (Hg.): Kultort und Identität. Prozess jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike. Mit Beiträgen von Martina Böhm, Max Küchler, Christl M. Maier, Matthias Müller, Enno Edzard Popkes, Jörg Rüpke und Günter Stemberger (Biblisch-Theologische Studien 155). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2016, VIII, 205 S., 3 Abbildungen, 1 Tabelle. Die sieben Beiträge, die in dem Band gesammelt sind, entstammen einer Tagung der Arbeitsgruppe „Religionsgemeinschaft und Identität. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike“ im Jahr 2014. In interdisziplinärer Breite wird hier die Bedeutung von Kultorten für die Bildung religiöser Identität reflektiert, wozu religionswissenschaftliche, ägyptologische, alttestamentliche, neutestamentliche und judaistische Perspektiven anhand exemplarischer Themen nebeneinander gestellt werden. Die Zusammensetzung der Gruppe legt es nahe, dass ein starker Schwerpunkt auf Jerusalem und dem dortigen Tempel liegt: Das Jeremiabuch enthält einen „Diskurs um die Zerstörung Jerusalems“; „Juden, Römer und Christen“ betrachteten im antiken Judentum „reale, literarische und ikonographische Tempel … als Monumente behaupteter, verlorener und neu zu schaffender Identität“; das rabbinische Judentum hatte ein sehr ambivalentes Verhältnis zum zerstörten Tempel, und in der frühen Christenheit entwickelten sich „tempelmetaphorische Konzeptionen“. Hochinteressant sind daneben die ägyptologischen Betrachtungen „Unter den ägyptischen Priestern auf der Insel Elephantine“ sowie die mit Thesen und „Grundsatzüberlegungen zum Zusammenhang von Kultort und religiöser Identität“ verbundene Einleitung und der religionswissenschaftliche Beitrag, der v. a. auf die Schlüsselstellung der „sozialen Komponenten“ in dem thematisierten Problemfeld verweist. Trotz der Kürze erweist sich der Band als bemerkenswert lehrreich. Flebbe, Jochen (Hg.): Holy Places in Biblical and Extrabiblical Traditions. Proceedings of the Bonn-Leiden-Oxford Colloquium on Biblical Studies (Bonner Biblische Beiträge 179). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 194 S., 2 Tabellen. Der Band vereint zehn alt- und neutestamentliche Beiträge, die mit Ausnahme eines deutsch verfassten Aufsatzes auf Englisch geschrieben sind. Gemeinsames Thema ist die Frage nach heiligen Orten und den damit verbundenen Vorstellungen und Konzeptionen von Raum und Heiligkeit. Das Thema Räumlichkeit wird auf ganz verschiedene Weise mit geographischen bzw. kulttopographischen, textlichen, motivlichen und theologischen Aspekten verknüpft. Die alttestamentlichen Beiträge beleuchten die Sinai- bzw. Horebtradition, die Zionstradition anhand von Jes  60 und Ps 46 sowie die bei Ezechiel entfaltete Vorstellung des heiligen Raums im Vergleich mit mesopotamischen Konzepten; ein Beitrag gilt der Deutung von Ex 24,10 LXX bei Philo, und die neutestamentlichen Beiträge thematisieren die räumlichen Aspekte in der synoptischen Rede vom Reich Gottes, heilige Orte in der Apostelgeschichte und schließlich die Insel Patmos als heiligen Ort in der Apokalypse. Hohes Gewicht liegt in den einzelnen Beiträgen jeweils auf detaillierten exegetischen Fragen, wodurch die Beiträge gute Einblicke in den neuesten Forschungsstand zu behandelten Texten bieten. Bieberstein, Klaus: A Brief History of Jerusalem. From the Earliest Settlement to the Destruction of the City in AD 70 (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 47). Harrassowitz: Wiesbaden 2017, X, 181 S., 36 Abbildungen, 1 Tabelle. Das Buch enthält nichts weniger als eine neue Synthese zur anhand archäologischer

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Daten erschließbaren Geschichte Jerusalems von den ältesten Anfängen bis zur Zerstörung durch Titus. Der Vf. hat diese Synthese bereits in einem umfangreichen Artikel von 2016 im deutschsprachigen „Wissenschaftlichen Bibellexikon im Internet“ (www.wibilex.de) entfaltet; das Buch ist im Wesentlichen auf dieser Grundlage entstanden, es ist analog gegliedert, was den Vergleich mit dem Lexikonartikel erleichtert. Für seine historische Synthese hat der Vf. die klassischen, neueren und neuesten Ausgrabungsbefunde aus Jerusalem intensiv berücksichtigt – wobei die Ausgrabungstätigkeit seit 2016 dort natürlich weiterging, was eine sukzessive Aktualisierung erfordern würde. Entscheidend sind aber die „Paradigmenwechsel“  – wie der Vf. im Vorwort sagt –, zu denen es in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang neuerer und neuester archäologischer und kulturgeschichtlicher Modelle zur Geschichte Jerusalems und Palästinas gekommen ist: Der Vf. hat diese Gesamtmodelle kritisch gesichtet, um auf ihrer Grundlage, aber in deutlich eigenen Zuspitzungen ein neues Gesamtmodell zu entwerfen, das die Forschung an nicht wenigen Punkten substantiell weiterführt. Hervorzuheben ist, dass dieses Modell sich so eng wie möglich an die archäologischen Befunde anlehnt und diese vorsichtig auswertet. Die Kurzschlüsse vom biblischen Bild her, die die Jerusalemarchäologie jahrzehntelang prägten und deren Resultate verzerrten, werden vom Vf. so weit wie möglich vermieden; er verzichtet auf jegliche Apologetik und ordnet den biblischen Befund vor dem Hintergrund der archäologischen Befunde erfrischend kritisch ein. Aus der Fülle der Detailergebnisse verdienen v. a. zwei Bereiche die größte Aufmerksamkeit: Das mittelbronzezeitliche Jerusalem, das um ca. 1800 v. Chr. gegründet wurde und v. a. durch die monumentale Befestigung der Gichonquelle archäologisch greifbar ist, war eine zwar relativ kleine, aber nicht unbedeutende, stark befestigte und durchaus städtische Siedlung; demgegenüber war das spätbronzezeitliche Jerusalem des Stadtfürsten Abdi-Chepa, das aus den Amarnabriefen bekannt ist, nur noch ein Weiler, in dem sich ein viel kleinerer Herrschaftssitz befand. Ganz ähnlich war auch in der Zeit Davids Jerusalem noch keine Stadt im Vollsinn des Wortes, sondern nur ein kleiner Herrschaftssitz von kaum mehr als einem Hektar Fläche, bewohnt von ca. 200 Menschen. Auch für die Zeit danach deuten die Befunde keineswegs auf eine größere befestigte Stadt, sondern auf eine Streusiedlung rings um den Herrschaftssitz. Erst ab der Eisenzeit IIA (ca. 835–750 v. Chr.) lässt sich eine echte Hauptstadt greifen. Für die Rekonstruktion der Geschichte Israels ist gerade der zweite Punkt von höchster Bedeutung. Natürlich wird die Diskussion im Blick auf die ständig wachsende Zahl der Einzelbefunde und deren kontroverse Synthetisierung weitergehen, und Biebersteins Sicht der Dinge wird nicht unwidersprochen bleiben. Die Klarheit der Analyse und die Nüchternheit, in der der Vf. die Befunde auszuwerten versucht, sind jedoch vorbildlich und setzen für die weitere Jerusalemforschung Maßstäbe. Church, Philip: Hebrews and the Temple. Attitudes to the Temple in Second Temple Judaism and in Hebrews (Supplements to Novum Testamentum 171). Brill: Leiden / Boston 2017, XVIII, 615 S. Das Buch ist die revidierte und gekürzte Fassung einer an der Universität Otago, Neuseeland, entstandenen Dissertation. Gegenstand sind Rolle und Bedeutung der Tempelsymbolik im Hebräerbrief, die in großer Breite vor dem Hintergrund frühjüdischer Schriften (Sirach, Aristeasbrief, Weisheit Salomos, Sibyllinische Orakel, Philo, 2. Henoch, Schriften aus Qumran, 1. Henoch, Jubiläenbuch, Testamente der Zwölf Patriarchen, Testament Moses, 4. Esra, Syrische Baruchapokalypse, Griechisch-Slavische Baruchapokalypse, Apokalypse Abrahams, Pseudo-Philo, Jakobsleiter und Josephus) untersucht wird. Die bedenkenswerte These ist, dass der himmlische Tempel im

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Hebräerbrief nicht, wie üblicherweise angenommen, als ewiger Archetyp der Stiftshütte vorgestellt sei, sondern als Metapher für das „eschatologische“ und gegenwärtig anbrechende Wohnen Gottes inmitten seines Volkes in der Welt diene. Die Arbeit zeichnet sich v. a. durch eine bemerkenswerte Materialfülle aus; zu diesem und verwandten Themen kann sie als ein Kompendium einschlägiger Quellentexte und Forschungsdiskussionen dienen, und sie bietet zugleich einen guten Einblick in die neueste exegetische Diskussion zum Hebräerbrief. Wiemer, Hans-Ulrich: Kulträume. Studien zum Verhältnis von Kult und Raum in alten Kulturen (Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 60). Steiner-Verlag: Stuttgart 2017, 307 S., 66 Abbildungen. Der Band behandelt in zwölf konzisen Einzelstudien, wie in alten Kulturen Kult und Raum zueinander in Beziehung gesetzt und konzeptionalisiert wurden. Unter alten Kulturen wird dabei ein sehr weit gespanntes Spektrum verstanden, das sich vom mitteleuropäischen Jungpaläolithikum, dem alten Vorderen Orient einschließlich Israels, der griechisch-römischen Welt, den frühjüdischen und frühchristlichen Kulturen bis in die Spätantike zieht. Die Beiträge entstammen einer Tagung des „Interdisziplinären Zentrums Alte Welt“, das an der Universität Erlangen angesiedelt ist. Von Seiten der Evangelischen Theologie sind die Fächer Altes und Neues Testament sowie Kirchengeschichte vertreten; weitere Mitwirkende entstammen den Fächern Religionswissenschaft, Klassische Archäologie, Ur- und Frühgeschichte, Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft sowie Alte Geschichte. Die theologischen Beiträge gelten dem nordisraelitischen Staatskult, der frühchristlichen Hausgemeinde, dem vorkonstantinischen Christentum und der altkirchlichen Inszenierung Jerusalems als eines heiligen Ortes. Insgesamt legt der breite thematische Horizont ein Nachdenken über die „longue durée“ im menschlichen Umgang mit heiligen Orten und kultischen Räumen nahe, was im letzten Beitrag von einem führenden Religionswissenschaftler (Jan Bremmer) grundlegend thematisiert wird.

6. Zeit des Zweiten Tempels / Frühes Judentum Ben Zvi, Ehud / Levin, Christoph (Hg.): Centres and Peripheries in the Early Second Temple Period (Forschungen zum Alten Testament 108). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, XIV, 469 S., 13 Abbildungen. Abgesehen von einer ausführlichen Einleitung, verfasst vom Mitherausgeber Ehud Ben Zvi, die in das Thema einführt und die Beiträge zusammenfasst, bietet der Band einundzwanzig englischsprachige Aufsätze, die sich verschiedenen Aspekten von Zentrum und Peripherie in der Epoche des Zweiten Tempels widmen. Die behandelten biblischen und außerbiblischen Quellentexte und die methodischen Zugänge bilden ein breites Spektrum der neuesten Bibelwissenschaft ab. Schwerpunkte im Bereich der biblischen Texte liegen auf den Büchern Deuteronomium, Jeremia, Sacharja, Psalmen, Esra-Nehemia und Chronik. Kultur- und religionsgeschichtlich von hohem Gewicht sind Beiträge zur babylonischen Gola im Lichte neuerer Textfunde, zu Elephantine sowie zur hellenistischen Epoche. Die Frage der Kultzentralisation im Deuteronomium wird in zwei Beiträgen thematisiert; des Weiteren widmen sich zahlreiche Beiträge in der einen oder anderen Weise Jerusalem oder dem Zion als der idealen Mitte der Welt. Insgesamt erweisen sich die Kategorien Zentrum und Peripherie  – zumal wenn sie im Plural gebraucht werden („Centres and Peripheries“) – als heuristisch fruchtbar, um kultur-, religions- und theologiegeschichtliche Zusammenhänge

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in der persischen und hellenistischen Epoche zu erschließen – gerade weil sie es dem Betrachter ermöglichen, hin und herzuwechseln zwischen einem Blick, der vom Zentrum auf die Peripherie gerichtet ist und umgekehrt. Thiessen, Jacob (Hg.): Das antike Judentum und die Paulusexegese. Mit Beiträgen von Jörg Frey, Günter Stemberger und Jacob Thiessen (Biblisch-Theologische Studien 160). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2016, VIII, 131 S.  Der Band enthält vier Beiträge, die auf eine Baseler Tagung im Jahr 2015 zurückgehen. Übergreifender Gegenstand ist die Frage nach dem Stellenwert des Lohngedankens im antiken Judentum und bei Paulus. Zurückgewiesen wird das christliche Klischee des Gegensatzes zwischen jüdischer Lohn- und christlicher Gnadenreligion, wozu verschiedene Differenzierungen aus judaistischer und neutestamentlicher Perspektive vorgenommen werden. Zentrales Gewicht erhält die Frage, auf welchem Weg Paulus – wie im Vorwort gesagt wird – „zu der fundamentalen soteriologischen Relativierung von Beschneidung und Gesetz ‚in Christus‘ kommen konnte“. Zugleich wird herausgearbeitet, dass der Lohngedanke auch bei Paulus eine grundlegende Bedeutung hatte, und es wird detailliert aufgewiesen, in welcher Weise der Gedanke bei ihm eschatologisch zugespitzt wird. Im Ganzen schneidet das Büchlein ein überaus wichtiges Thema an und eröffnet hochinteressante Perspektiven, die namentlich für das Verhältnis des Christentums zum Judentum weiterführend sind. Es ist zu wünschen, dass es dazu beiträgt, das genannte Klischee zu überwinden. Blenkinsopp, Joseph: Essays on Judaism in the Pre-Hellenistic Period (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 495). De Gruyter: Berlin / Boston 2017, X, 262 S. Der Band enthält fünfzehn Beiträge des bedeutenden Gelehrten, die zahlreiche Gegenstände aus der Hebräischen Bibel mit der Geschichte des frühen Judentums seit dem babylonischen Exil verknüpfen: Obwohl es sich um einzelne Aufsätze handelt, die an unterschiedlichen Orten zuerst veröffentlicht wurden, skizziert der Vf. eine kohärente Gesamtsicht auf Religions- und Sozialgeschichte des nachexilischen Judentums und die Literaturgeschichte der entsprechenden biblischen Zusammenhänge. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der achämenidischen Epoche, behandelt werden aber auch die neubabylonische Zeit (v. a. im Zusammenhang mit Deuterojesaja) sowie die hellenistische Epoche. Der Vf. zeichnet seine Rekonstruktionen auf vielfältige Weise in größere religions- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge ein, sodass man bei der Lektüre auch Vieles über die Nachbarn des frühen Judentums lernt. Grundlegend für die umstrittene Frage nach der Entstehung des Judentums ist v. a. der Beitrag unter dem Titel „Judeans, Jews, Children of Abraham“. Das Geschichtsbild wirkt in mancherlei Hinsicht schematisch, und man gewinnt mitunter den Eindruck, dass es in hohem Maße auf Voraussetzungen aufruht, die nicht im Einzelnen deutlich werden. Die hier entfaltete Gelehrsamkeit ist aber höchst eindrucksvoll, und auch der Nichtspezialist gewinnt gut zugängliche Einblicke in Schlüsselfragen und -debatten zu Entstehung und Geschichte des Judentums nach dem Ende des judäischen Königreiches. Reif, Stefan C.: Jews, Bible and Prayer. Essays on Jewish Biblical Exegesis and Liturgical Notions (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 498). De Gruyter: Berlin / Boston 2017, VIII, 377 S.  Der Band versammelt sechzehn Beiträge des an der Universität Cambridge lehrenden Judaisten und Spezialisten für Medieval Hebrew Studies, der u. a. durch die wissenschaftliche Erschließung der Handschriften aus der Kairoer Geniza sowie durch seine Studien zur jüdischen Liturgie einem breiteren Kreis bekannt geworden ist. Beide Forschungsfelder sind in dem eindrucksvollen Band abgebildet: So zeichnet etwa der erste

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Beitrag den Fund des Kairoer Exemplars der Damaskusschrift nach, und entwickelt vor dem Hintergrund der frühen Forschungsgeschichte die historische Bedeutung dieses Dokuments. Die meisten anderen Beiträge sind zahlreichen Teilaspekten des frühjüdischen Gebets und der frührabbinischen Liturgie gewidmet; darunter findet sich auch ein Beitrag zur jüdischen Auslegung des gewichtigen Psalms 93. Weitere Beiträge gelten frühjüdischen und mittelalterlichen Auslegungen der Tora. Die Einzelstudien erschließen eine Fülle von Aspekten auf wissenschaftlich höchstem Niveau, wobei die klare historische und geistesgeschichtliche Methodik den Betrachtungen ein festes Fundament gibt. Auch wenn manche Details dem Nichtspezialisten vielleicht schwerer zugänglich sind, sind die Darstellungen doch so gut gegliedert und klar geschrieben, dass sie vorzügliche Einblicke in die behandelten Gegenstände und die darauf bezogenen Forschungen bieten. Wilk, Florian (Hg.): Identität und Sprache. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike. Mit Beiträgen von Eberhard Bons, Martin Karrer, Luke Neubert, Thomas Paulsen, Markus Rheindorf, Florian Wilk und Alexa F. Wilke (Biblisch-Theologische Studien 174). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen / Bristol (Conn.) 2018, 232 S., 9 Abbildungen, 12 Tabellen. Abgesehen von einer thematischen Einführung des Hg. bietet der Band sechs Beiträge, die einer Tagung der Projektgruppe „Religion und Identität“ im Jahr 2016 entstammen. Gegenstand ist der komplexe Zusammenhang zwischen Sprache und der Herausbildung und Wahrung von religiöser und kultureller Identität, der anhand von Beispielstudien zum Alten und Neuen Testament, zur zwischentestamentlichen Literatur, zur römischen Kaiserzeit und zur rabbinischen Welt untersucht wird. Der eröffnende Beitrag stellt das Ganze in einen diskursanalytischen Rahmen, indem er den sog. diskurshistorischen Ansatz der Linguistik vorstellt und anhand jüngster öffentlicher Diskurse über den Zweiten Weltkrieg exemplarisch vorführt. Anschließend wird etwa untersucht, „warum kaiserzeitliche Griechen kein Latein lernten“, es wird die Gebetssprache des Psalters auf die Konstruktion sozialer Identität befragt, es wird dem „Einfluss des Septuaginta-Psalters auf die jüdisch-hellenistische Gebetssprache“ nachgegangen, die Apokalypse wird auf „Sprache und Identität“ hin untersucht, und es wird die „Sprachvielfalt in der rabbinischen Welt“ im Blick auf die „Identitätsbildung der Rabbinen“ beleuchtet.

Literaturbericht Liturgik Review of Liturgical Work in North America 2015–2017 E. Byron Anderson

The following reviews continue the work provided by Frank Senn in JLH 51 (2012), 99–115 and JLH 54 (2015), 54–66. As was true in his reviews is also true here—while attempting to be comprehensive in identifying literature published in North America from 2015–2017, the following is a selective list, omitting in particular material published primary for non-academic audiences.

1. Select Studies 2015–2017 1.1 Liturgical History Berger, Teresa / Spinks, Bryan D. (ed.): Liturgy’s Imagined Past/s: Methodologies and Materials in the Writing of Liturgical History Today. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2016, 336 p. This collection of essays arises from a 2014 conference of the same name at the Yale Institute of Sacred Music. The conference, as with the essays, sought to do two things: to reflect on the impact of shifts in historiography on the writing of liturgical history, especially the turns to social and gender histories and the broader consideration of liturgies as social practices rather than simply religious texts, and then to consider new historical scholarship that may reconfigure or rewrite our understandings of liturgical history. Two opening essays, by Bryan Spinks and Miri Rubin, and a concluding essay by Wendy Mayer, provide perspectives on changing methodologies in historiography and how those new methodologies have resulted in changes in the ways in which we perceive liturgy. Between these bookends, eight essays provide new perspectives on specific periods, practices, persons, and traditions: Late antique and medieval Ethiopian liturgy / Emmanuel Fritsch; the Traditio Apostolica / Max Johnson; Gender obliviousness / Teresa Berger; Gregorian chant for Lent / Harald Buchinger; Zwingli and the Lord’s Supper / Bruce Gordon; William Whittingham / Bryan Spinks; the American frontier / Melanie Ross; and American Civil War hymnals / Karen Westerfield Tucker. Brewer, Brian C.: Martin Luther and the Seven Sacraments: A Contemporary Protestant Reappraisal. Baker Academic: Grand Rapids, Michigan 2017, 272 p. While Brewer does not set out to recover the seven sacraments of Roman Catholicism for the Protestant churches, he believes we need to review the positions of Luther

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and other Protestant reformers to better discern the importance in their reforms of sacramental material practice in the life of faith. An introductory chapter briefly traces the meaning and development of “sacrament” to the beginning of the reformation. The remaining chapters examine how Luther understood each of the seven sacramental practices, assesses why he thought they were or were not a sacrament, and how such practices might be understood and positively used in Protestant traditions today. Denysenko, Nicholas E.: Liturgical Reform After Vatican II: The Impact on Eastern Orthodoxy. Fortress Press: Minneapolis, Minnesota 2015, 464 p.  Prompted by the fiftieth anniversary of Sacrosanctum Concilium and by what he saw as Alexander Schmemann’s resistance to liturgical reform, Denysenko has undertaken a detailed exploration of liturgical reform in the Orthodox Church in conversation with the effect of the liturgical reforms that emerged from Vatican II. He suggests that Orthodox models of reform shared  a theological rationale with those from Vatican II. He then reviews four Orthodox models of liturgical reform, reflecting on their consequences for how the church thinks about the role of the laity, especially that of women, the eschatological and symbolic character of liturgy, and the temptation of “liturgiolatry.” Gonzalez, Justo L.: A Brief History of Sunday: From the New Testament to the New Creation. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2017, 176 p. Gonzalez provides an accessible and non-technical history of Sunday, challenging from the beginning of the book historical and pious tendencies to collapse Sabbath and Sunday (even as he traces that very development) and emphasizing the resurrection and eschatological character of Sunday. His chapters on developments after the Protestant Reformation address British Puritan and Seventh Day Adventist sabbatarianism as well the challenges of the secularization of Sunday. Lim, Swee Hong / Ruth, Lester: Lovin’ on Jesus: A Concise History of Contemporary Worship. Abingdon Press: Nashville, Tennessee 2017, 192 p. Following the thematic structure of James White’s Introduction to Christian Worship and intending to provide a kind of supplement to that book, Lim and Ruth provide the first comprehensive history of the contemporary worship movement in the United States, describing its sources, influences, and practices. Their chapters explore understandings of the term “contemporary worship”, the use of time, technology, music, prayer, preaching and the use of scripture, and sacramentality. Lynch, Reginald OP: The Cleansing of the Heart: The Sacraments as Instrumental Causes in the Thomistic Tradition. Catholic University of America Press: Washington, D. C. 2017, 260 p. As his subtitle makes clear, Lynch undertakes an exploration of the meaning and theological significance of sacramental causality from a Thomistic perspective, with consideration of its implications for other theological topics (e.g., Christology, merit, grace). The book opens with a general introduction in which he traces the history of sacramental causality from Augustine to the early scholastic period. The second and third chapters provide direct engagement with Aquinas’ Commentary on the Sentences and the Summa. A fourth chapter explores Melchior Cano’s theory of moral causality as a popular alternative to Aquinas’ theory of instrumental causality. Maag, Karin: Lifting Hearts to the Lord: Worship with John Calvin in Sixteenth-Century Geneva. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2016, 224 p. Mathis, Eric / Ruth, Lester: Leaning on the Word: Worship with Argentine Baptists in the Mid-Twentieth Century. Wm. B.  Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2017, 176 p.

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Park, Andy / Rethmeier, Cindy / Ruth, Lester: Worshiping with the Anaheim Vineyard: The Emergence of Contemporary Worship. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michi­ gan 2016, 162 p. These three volumes represent continuing publications in the series The Church at Worship: Case Studies from Christian History, sponsored by the Calvin Institute of Christian Worship. As the titles indicate, the series considers liturgical history with a broad view. An early volume focused on the fourth century; these range from the sixteenth to the late twentieth centuries, from Geneva to California. Each volume opens with a brief overview of the social, political, and religious context of the period or tradition. They provide basic descriptions of the worshiping communities, their worship spaces, liturgical practices, and worship books. The heart of each book is the rich collection of primary source material, including orders of worship, liturgical texts, sermons, and theological statements. The books conclude with study questions for small groups, basic glossaries of terms used, and a select bibliography that can guide further research.

1.2 Word and Sacrament Boersma, Hans: Scripture as Real Presence: Sacramental Exegesis in the Early Church. Baker Academic: Grand Rapids, Michigan 2017, 336 p. Boersma intends in this book an argument about the nature of biblical interpretation, grounded in his claim that the church fathers read the Old Testament as a “sacrament”, containing and participating in the mystery and reality of the Christ event. Further, he argues that this sacramental sensibility is worth retrieving because it “allows the Old Testament to speak directly into the lives of believers today.” After an introductory chapter that sets out his argument, subsequent chapters analyze the ways in which the church fathers treated particular biblical texts and, in that treatment, demonstrate a shared “sacramental sensibility”. Among the chapters are explorations of Origin’s reading the historical narrative in Joshua; Athanasius and Gregory of Nyssa on Wisdom in Proverbs 8; Hippolytus, Origen, and Ambrose on the bridal couple in the Song of Songs; and Gregory of Nyssa, Augustine, and Leo the Great on the beatitudes in Matthew 5. The book develops the historical and theological perspective behind his Sacramental Preaching: Sermons on the Hidden Presence of Christ (Baker Academic 2016). Lathrop, Gordon: Saving Images: The Presence of the Bible in Christian Liturgy. Fortress Press: Minneapolis, Minnesota 2017, 224 p. Continuing his work on the relationship between the Bible and Christian liturgical practice, Lathrop undertakes “liturgical-theological and exegetical reflections about the meaning of the scriptures in current Christian liturgical practice.” He attends to the “central practice of reading” scripture in liturgy, giving particular attention to the ways in which the book has “ritual function and value” and in which liturgies put biblical images to work as they nurture a Christian imagination and worldview. Central to his argument is the necessary intertextuality and “intermediality” of scriptural and liturgical texts juxtaposed with texts, with images, with ritual practices, and with the sacraments. The book is structured somewhat like the ecumenical ordo of gathering, Word, Table, and sending, with single introductory and concluding chapters enclosing the central two parts of the book. The first part looks at the scriptures in canonical order as used in Christian worship, moving from Bible to liturgy. The second part

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explores how the Christian liturgical practice is “biblical”, moving from liturgy to Bible. McNutt, Jennifer Powell / Lauber, David (ed.): The People’s Book: The Reformation and the Bible. IVP Academic: Downers Grove, Illinois 2017, 250 p. A collection of essays from the 2016 Wheaton Theology Conference that brings together the reflections of church historians and theologians on the nature of the Bible as “the people’s book.” Of particular interest to liturgical scholars are two essays: Witvliet, John: The Interplay of Catechesis and Liturgy in the Sixteenth Century: Examples from the Lutheran and Reformed Traditions (110–131). Witvliet gives particular attention to the role of catechetical hymns in the Lutheran and Reformed traditions as those hymns contributed to transmission of the biblical text. McNutt, Jennifer P.: Word and Sacrament: The Gordian Knot of Reformation Worship (132–151). McNutt’s chapter considers the Protestant reformer’s concerns to restore  a “right understanding” of the place of the sacraments in Christian life and to ensure that God’s Word would have priority. She uses archival research on the French Bible as a means to explore how Reformed communities “materially bound Word to sacrament”. Senn, Frank C.: Eucharistic Body. Fortress Press: Minneapolis, Minnesota 2017, 200 p. In Eucharistic Body, Frank Senn provides an accessible review of the history of eucharistic praying and practice. He makes that history personal by interweaving it with his own story of sacramental experience and liturgical formation, offering in the process a kind of personal and intellectual memoir. In providing such a memoir, he demonstrates a central claim he poses near the midpoint of the book, that through our proclamation and celebration of the paschal mystery “we connect the threads of our present lives and hopes for the future to what the saving work of Christ was all about in the mind of God.”

1.3 Liturgical and Sacramental Theology Anderson, E. Byron: Common Worship: Tradition, Formation, Mission. Foundery Books: Nashville, Tennessee 2017, xi & 176 p. Anderson considers what it means to think of “common worship” in an age marked by political, social, and religious polarization. Taking the church’s unity as a given and a requirement, he develops a “conjunctive liturgical theology” that seeks to hold in creative tension the oppositions between tradition and the contemporary, habit and freedom, canonicity and creativity, unity and diversity, tradition and mission. Proposing the need for a “discerning and” between these oppositions, he proposes that only such discernment will enable the church to repair the frequent disconnections between liturgy and life, between sacrament practice and ethics. Cuneo, Terence: Ritualized Faith: Essays on the Philosophy of Liturgy. Oxford University Press: New York and Oxford 2016, 256 p. This book gathers together eleven previously published essays that appeared between 2010 and 2015. Cuneo, an analytic philosopher rather than liturgist, sets out to write a “philosophy of liturgy”, doing so as a “practitioner” in the Eastern Orthodox tradition. His overarching concern is to challenge the predominant ways in which philo­ sophies of religion are often detached from the practice of religious life and, as such, tend to offer distorted views of religious commitment and life. In developing this con-

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versation, he attempts to show how liturgy expresses and shapes the “mind” of a tradition through its texts, acts, and presuppositions. Through reflection on the Orthodox liturgy, Cuneo explores the themes of love, divine hiddenness, liturgical participation and the moral life, liturgical singing, the veneration of icons, ritual knowledge, baptism and human transformation, and the remission of sin. Fagerberg, David W.: Consecrating the World: On Mundane Liturgical Theology. Angelico Press: Kettering, Ohio 2016, 158 p. In a previous volume, On Liturgical Asceticism [noted in JLH 54 (2015)], Fagerberg explored the Eastern Orthodox ascetical tradition with a particular eye to the ways in which ascetical practices capacitate persons for liturgical participation and a liturgical cosmos. He sees this book as less a continuation of that argument than a companion, a second panel of a diptych, that leads us from the liturgy into the world. His focus here on a mundane liturgical theology seeks to identify the consequences of liturgical asceticism for our life in the world, to explore the way “cultic liturgy animates our lived liturgy”. His chapters explore the eschatological, mystical, sacramental, and sacrificial character of the world. As a way to further test his thesis about the connection between liturgy and world, he provides an extended appendix in which he uses the twelve steps of the ascetical life as set out in John Climacus to consider the relationship between monasticism and marriage. Holcomb, Justin S. / Johnson, David A. (ed.): Christian Theologies of the Sacraments: A Comparative Introduction. NYU Press: New York, New York 2017, 416 p. This book provides  a general ecumenical introduction to Christian thought about sacrament and sacramentality. Rather the focusing on specific sacraments, it traces what major figures of the Christian tradition in various historical periods have said about sacraments, “mapping the terrain” of the Christian tradition. By looking at major figures in the tradition and describing their unique contributions, it attempts to provide resources that may assist the development of sacrament theologies in our present and future contexts. The book is divided into three parts: patristic and medieval, reformation and counter-reformation, and eighteenth to twenty-first century. Each part begins with an introductory chapter that provides an overview of the sacramental theologies of the period, followed by essays that explore the sacramental theologies of specific figures or, in the case of feminism, womanism, and liberation theology, specific movements. Hughes, Graham (†): Reformed Sacramentality. Introduction Steffen Lösel. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2017, xliv & 212 p. Although Hughes is Australian, the recent posthumous American publication of his final work is a welcomed resource. Steffen Lösel provides an ample and useful introduction that surveys Hughes’ work and locates this book in the context of Hughes’ major work Worship as Meaning. Hughes challenges the ways in which a Reformed “disseminated sacramentality”—where awareness of God and the sacred are located in everyday experience—has shaped the sacramental understanding of many Protestant churches and placed them in danger of “secular colonization by modernity.” He takes on the “uncertain place” of materiality in the Reformed tradition, arguing that material physical forms—sacramental things—have a necessary place in the church’s life and practice. Irwin, Kevin W.: The Sacraments: Historical Foundations and Liturgical Theology. Paulist Press: Mahwah, New Jersey 2016, 400 p. Drawing on his three decades of teaching sacramental and liturgical theology, Irwin provides a basic textbook on sacramental theology, with a focus on the ways in which

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the liturgy itself informs our understanding of and participation in the sacraments, such that sacramental celebration is sacramental theology. The book is divided into three parts. The first provides an historical overview from scriptural foundations through Vatican II. The second part sets out his methodology for a “liturgical sacramental theology” as he develops this in part three. In the final part he explores how sacraments work, under the themes sacramentality, human work, the Word enacted, and prayer events, and what happens through sacramental liturgy—an experience of the Trinity, Paschal memorial, communion, and the “already” and “not yet”. Each chapter opens with  a succinct outline of the chapter and concludes with  a set of potential discussion / study questions. Johnson, Maxwell E.: The Church in Act: Lutheran Liturgical Theology in Ecumenical Conversation. Fortress Press: Minneapolis, Minnesota 2015, xv & 278 p. In this volume, Johnson gathers ten essays previously published in whole or part 2005–2015. What unites them is the way they reflect Johnson’s particular location as  a Lutheran and his commitment to ecumenical conversation. Chapters address baptismal spirituality, the Holy Spirit in Lutheran liturgical-sacramental theology, eucharistic reservation, liturgical normativity, Ordinary time, Mariology, and ecumenism. Larson-Miller, Lizette: Sacramentality Renewed: Contemporary Conversations in Sacramental Theology. Michael Glazier / Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2016, 208 p. Larson-Miller draws on Anglican sacramental theologies and practices, particularly as these are lived out in the context of the Episcopal Church in the United States, as a center around which to explore ecumenical and interdisciplinary conversations about sacraments and sacramentality over the past twenty-five years. She gives particular attention to ecclesiological questions—e.g., the relationship between baptism and eucharistic participation—and implications raised by these conversations for an understanding of the church as sacrament, communion, and eucharistic community. Nutt, Roger W.: General Principles of Sacramental Theology. Catholic University of America Press: Washington, D. C. 2017, 224 p. Nutt, on the faculty of Ave Maria University, Florida, develops a general sacramental theology in Roman Catholic, particularly Thomist, perspective that seeks to avoid limiting discussion of sacraments to categories of human experience or historical research. His argument is set out in three parts: methodological and doctrinal considerations; the basic nature of sacraments as signs; and sacramental causality, grace, and character. A concluding chapter on sacramental spirituality explores the reintegration of the sacraments into projects seeking the renewal of the spiritual life of the Church. O’Donnell, Emma: Remembering the Future: The Experience of Time in Jewish and Christian Liturgy. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2015, 224 p. Rather than focusing on the relationship of liturgy to time, whether in regard to the church year or the rhythm of daily prayer, O’Donnell sets out to explore the experience of time in Jewish and Christian ritual liturgical contexts as an essential element and experience of religious identity. She asks how these liturgical traditions evoke a unique but multidimensional “landscape of time”, performing what she calls the “temporal orientations of the religious traditions”. She looks at the memorial and eschatological character of the Jewish holidays of Passover, Tish’ah b’Av, and Shabbat, and the Christian narrative of salvation history as performed in the Roman Catholic Liturgy of the Hours, concluding that the experience of time in these two traditions provides a place of interreligious convergence.

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Prevot, Andrew: Thinking Prayer: Theology and Spirituality Amid the Crises of Modernity. University of Notre Dame: South Bend, Indiana 2015, 432 p. While Prevot’s book is neither a liturgical nor sacramental theology, he provides an opportunity for critical reflection on the relationship between theology and prayer, theology and spirituality, a “prayerful way of life” and a “prayerful mode of thought.” His task is to describe the ways in which prayer as a form of thought and life is both imperiled by the crises of modernity and provides a means to respond to those crises. The book is developed in two parts. In the first part, “From metaphysics to doxology,“ he engages a critical examination of what he considers a distorted mode of doxological thinking in Heidegger’s work, considers von Balthasar’s attempts to correct Heidegger, especially through von Balthasar’s work on doxological aesthetics, and concludes with consideration of the post-metaphysical treatments of Christian doxology in the work of Marion, Lacoste, and Chrétien. In the second part, “Spirituality in a world of violence,” he seeks to demonstrate how a post-metaphysical doxology can support liberative theories and practices necessary to resist structures of violence. Here his chapters focus, first, on the political theology of Johann Baptist Metz, then  a conversation with several Latin American liberation theologians, especially Gutiérrez, Boff, and Ellacuría, and concludes with an exploration of James Cone’s black liberation theology. Senn, Frank C.: Embodied Liturgy: Lessons in Christian Ritual. Fortress Press: Minneapolis, Minnesota 2016, xiv & 416 p. Senn provides an introductory text book on Christian liturgy that addresses liturgical theology, daily prayer, the church year, sacraments and rites, inculturation, art, architecture and music. What distinguishes it from similar texts is that it approaches each topic from the perspective of the body engaged in worship through gesture, movement, posture, song, touch. Fundamental to his argument is that worship is more than words and it requires the body for participation. Therefore, in addition to talking about embodiment, he provides  a series of simple yogic exercises that can be done individually or in a group and which lead us into fuller awareness of our bodies. Suna-Koro, Kristine: In Counterpoint: Diaspora, Postcoloniality, and Sacramental ­T heology. Pickwick Publications: Eugene, Oregon 2017, 308 p. Suna-Koro argues that sacramental theology is in a “state of emergency”, with large numbers of Christians disenchanted by and alienated from sacramental worldviews and from ecclesially authorized conventions of sacramental imagination and practice. In response to this emergency, she proposes a renewal of sacramental theology and imagination through a critical conversation with diaspora discourse and postcolonial theory. Through such  a conversation, she seeks to reunite the sacramental and the ethical, reclaiming sacramentality as a “planetary imaginative grammar of interrelatedness, interdependence, and wholesome transformation.” Wolterstorff, Nicholas: The God We Worship: An Exploration of Liturgical Theology. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2015, 196 p. Originally delivered as the Kantzer Lectures in Revealed Theology at Trinity Evangelical Theological School in Deerfield, Illinois, philosophical theologian Wolterstorff undertakes  a project he describes as liturgical theology, though more  a theology derived from the liturgy. He states as his goal “making explicit the understanding of God implicit in Christian worship,“ then developing and elaborating on that understanding. This leads him to explorations of God as worthy of worship, as one who is vulnerable, as one who participates in mutual address, who listens, who hears favorably, and who speaks.

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1.4 Homiletics Connors, Michael (ed.): To All the World: Preaching and the New Evangelization. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2016, 178 p. To All the World is a collection of fourteen papers from a 2014 conference of the same name at the University of Notre Dame, with a particular focus on liturgical preaching in an age of technological and social change, globalization, and secularization. Many of the papers especially pick up on Pope Francis’ call for every Christian to be actively engaged in the work of evangelization and Preaching the Mystery of Faith, a document of the US bishops. The papers, some of which are brief reflections, give attention to the formation of preachers, the connection between preaching and the rites of initiation, preaching and evangelization with young adults, bi-lingual communities, Hispanic, Latino, and African-American communities, and the connections between preaching and teaching. Kim, Eunjoo Mary: Christian Preaching and Worship in Multicultural Contexts: A Practical Theological Approach. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2017, 246 p. Kim sets out in this book to challenge the theological exclusiveness and liturgical limitations of mono-cultural or mono-ethnic worship services and to propose a paradigm for multicultural worship and preaching. She divides the book into four parts. In the first, she explains multiculturalism as a socio-cultural and political movement and sets out a theology of diversity. In the second part, she develops a multicultural hermeneutic as an alternative to what she perceives as the exclusivity of sola scriptura. The third part engages a conversation with ritual studies to explore the effectiveness of several models of multicultural worship and preaching. Her final part and chapter proposes a practical theological method as a process for renewing worship and preaching in multicultural contexts. The book concludes with several homiletic and liturgical examples from her own work.

1.5 Liturgical Spirituality Crainshaw, Jill Y.: When I in Awesome Wonder: Liturgy Distilled from Daily Life. Liturgical Press: Collegeville, Minnesota 2017, 188 p. Crainshaw’s book bears some similarity in tone and style to Leonardo Boff’s Sacraments of Life. On the one hand, it is grounded in personal experience and reflection; on the other hand, it considers the ways in which daily life might be interpreted as “liturgical”  – though she perhaps means “sacramental” in that her goal is to help persons explore the ways in which the experiences of daily life are “alive with God’s grace and presence.” Each of the chapters begins with a personal narrative, which she calls an “imaginative remembering” or “storying”, moves to critical reflection on that narrative in conversation with the church’s liturgical practice to consider the ways in which that experience reflects a sense of God’s grace and presence, and concludes with a pastoral or, at times, homiletic, “interlude”.

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1.6 Liturgy and Music Ingalls, Monique M. / Yong, Amos (ed.): The Spirit of Praise: Music and Worship in Global Pentecostal-Charismatic Christianity. Pennsylvania State University Press: University Park, Pennsylvania 2015, 312 p. This collection of fifteen papers grew out of 2011 sessions on pentecostal-charismatic movements [the authors use the lower case “p” throughout to speak about the traditions as diverse social formations rather than as a single tradition] at the American Academy of Religion and a 2011 conference on Christian Congregational Music at Ripon College, Oxford. Both events brought together scholars working on pentecostal-charismatic worship, ritual, and music-making. Ethnographic field research provides a key approach in many of the essays, as many of the writers work primarily in anthropology or ethnomusicology. Themes explored include music making in pentecostal congregational worship, charismatic ritual and ritualization, the use of media, and the connection between pentecostal Christianity and the processes of globalization. The authors, and the communities studied, are primarily though not exclusively North American. Leaver, Robin A.: The Whole Church Sings: Congregational Singing in Luther’s Wittenberg. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2017, 220 p. In some ways a continuation of the work Leaver provided in his 2007 volume L ­ uther’s Liturgical Music: Principles and Implications (Eerdmans), this volume focuses explicitly on the emergence of congregational song in Wittenberg during the first decades of the Lutheran reforms, with particular attention given to the Enchyridion geistlicher gesenge und psalmen of 1526 and its place in Luther’s liturgical reforms. Such attention, Leaver argues, demonstrates not only how central congregational song was to the Lutheran Reformation but also “how the Lutheran Reformation is indebted to its hymnody.”

1.7 Liturgy and Other Arts DeBoer, Lisa J.: Visual Arts in the Worshiping Church. Wm. B.  Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2016, 310 p. DeBoer develops her book in two parts. In the first part, with a chapter each on Orthodox, Roman Catholic, and Protestant congregations, she draws on field research in twenty congregations to describe the ways in which understandings of church and art interact. In the second part she moves from description to discernment, considering the themes and questions that emerge from the descriptive work to reflect on how the arts give expression to the universal and local character of the church, help enact the story of faith and encounter God’s presence, and constitute us as a people and as individual persons. Denysenko, Nicholas E. (ed.): Icons and the Liturgy, East and West: History, Theology, and Culture. University of Notre Dame Press: Notre Dame, Indiana 2017, 216 p. This volume makes accessible papers presented at the 2013 symposium “Icons and Images” at Huffington Ecumenical Institute at Loyola Marymount University. In addition to the introductory and concluding chapters by Denysenko, its eight essays are organized in three parts: scholarly and historical analyses of Byzantine and Roman art, with essays by Robert Taft, Thomas Lucas, and Bissera V. Pentcheva; anthropological and cultural studies of iconography and liturgy in Armenia, Rome and Chile,

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with essays by Kirstin Noreen, Christina Maranci, and Dorian Llywelyn; and pastoral reflections on the creative process of iconographers and on the meaning of praying to icons and copies of them, with essays by Michael Courey and Andriy Chirovsky. Taylor, David O.: The Theatre of God’s Glory: Calvin, Creation, and the Liturgical Arts. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids, Michigan 2017, 240 p. Taylor argues that  a broader reading of Calvin, beyond his explicit attention to worship and the means of grace where Calvin’s approach to materiality is largely pessimistic, enables us to see a more integral and positive role for physical creation and, therefore, for the arts. Using Calvin’s commentary on musical instruments as representative of his thinking on all the arts in corporate worship, Taylor develops this project around two themes in Calvin’s thought—the church’s worship should be “spiritual” and “simple”. While not offering an explicitly historical study, and at times using Calvin against himself, Taylor seeks to retrieve Calvin’s thought for a more constructive project: “a Trinitarian reading of the material creation that, in turn, opens up the possibility of  a Trinitarian reading of materiality in public worship.”

2. Journals 2.1 Worship The major North American academic journal for liturgical studies remains Worship, published bi-monthly by the monks of St. John’s Abbey, Collegeville, MN. The journal is edited by Bernadette Gasslein [[email protected]]. Authors include established and emerging scholars representing  a variety of Christian traditions in North America and beyond. In addition to the articles listed below, each issue also includes  a brief opening “Amen Corner” essay, from 2015–2017 written by Mark Francis, Gail Ramshaw, Don Saliers, and Paul Turner, and a concluding section of book reviews. Articles in Volume 89 (2015), which celebrates the ninetieth year of the journal’s history (including its predecessor Orate Fratres), include: Baker, Kimberly F.: Proclaiming  a Dynamic Understanding of Grace: The Spiritual Foundation for Sacramental and Liturgical Catechesis, 506–525. Bergin, Liam: From Breaking Jars to Breaking Bread: Eucharist as Prophetic Act, 331–350. Brunk, Timothy M.: Summorum Ponticum and Fragmentation in the Roman Catholic Church,” 146–165. Daly, Robert J.: Ecological Euchology, 166–172. Denysenko, Nicholas E.: Retrieving a Theology of Belonging: Eucharist and Church in Postmodernity, Part 2, 21–43. Geldhof, Joris: Ritual as Involuntary Impediment to Interreligious Encounter? A Phenomenological Exploration in Conversation with C. Verhoeven, 543–554. Jensen, Robin M.: Recovering Ancient Ecclesiology: The Place of the Altar and the Orientation of Prayer in the Early Latin Church, 99–124. Langer, Ruth: Jewish Reflections on Worshiping in a Religiously Pluralist Age: The Case of Aleynu, 393–406.

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Lathrop, Gordon W.: Saving Images: New Testament Metaphors and the Purpose of Christian Worship, 290–309. Magas, Kevin D.: Issues in Eucharistic Praying: Translating the Roman Canon, 482–505. McCarron, Richard E. / Crowley, Eileen / Pawlikowski, John: Worshiping in  a Religiously Pluralistic Age—Catholic and Jewish Reflections, 386–393. Moon, Hwarang: A Liturgical Comparison of the Conservative and Liberation (Minjung) Churches in South Korea and Their Impact on Korean Society, 214–237. Power, David N.: Justification, Worship, and Poor Relief in the Sixteenth Century: A Historical Concern of Contemporary Interest, 124–146. Pulcini, Theodore: Thyranoixia and Hajmah: A Study of Polyvalence in AntiochianUsage Byzantine Liturgical Ritual, 448–464. Ramshaw, Gail: Liturgical Considerations of the Myth of Eden, 64–79. Rong, Marit: Questioning the Ecumenism of the Church of Norway’s Baptismal Liturgy, 309–331. Sabak, James G.: The Goal of Liturgical Language: An Analysis of the English Vernacular Debates of the 1940s and 1950s, 238–257. Sion, Brigitte: Pilgrimage, Healing Practices, and Tourism at Maimonides’s Synagogue in Cairo, 407–424. Taft, Robert F.: In Faith and Worship: Can Orthodox and Catholics Ever Be One? Communion, not Reunion, in a Future Church of Sister Churches, 2–20. Wilbricht, Stephen S.: Anscar Chupungco, OSB: ‘Adaption’ in Liturgy and in Life, 43–63. Wolterstorff, Nicholas: Reformed Worship: What Has It Been and Should It Continue So? 194–213. Wymer, Andrew: The Word of God ‘Enfleshed Anew’: The Implications of  a Latent Baptist Sacramental Sensibility for the Lord’s Supper, 425–447. Zsupan-Jerome, Daniella: Virtual Presence as Real Presence? Sacramental Theology and Digital Culture in Dialogue, 526–542. Articles in Volume 90 (2016) include: Baldovin, John E.: Worship: Ninety Years of Early Liturgical History, 417–432. Beaton, Rhodora E.: Seeing with the Eyes of Mercy: Ade Bethune as Precursor to Walter Kasper, 513–531. Belcher, Kimberly H.: Ex Opere Operato and Sacraments of Faith: A Trinitarian Proposal, 225–245. De Bháldraithe, Eóin: Te Deum: A New Translation, 462–469. Faggioli, Massimo: The Liturgical Reform and the ‘Political’ Message of Vatican II in the Age of a Privatized and Libertarian Culture,“ 10–27. Harmon, Katharine E.: Join the Liturgical Apostolate: Subscribe to Orate Fratres! 106–125. Henry, Patrick: Worship and Ecumenism, 396–416. Hull, Kenneth R.: ‘Unity by Inclusion’: James Edmund Jones, Canadian Churchman, and the Creation of The Book of Common Praise (1908), 45–65. Krosnicki, Thomas A.: What? The Homily Again?, 139–150. Meyers, Ruth: Liturgy and Justice: Ninety Years of Contributions of Orate Fratres and Worship, 492–512. Moore, Gerard: Let Justice Find  a Voice: Reflections on the Relationship between Worship and Justice, 206–224. Muksuris, Stelyios S.: And the Two Become One Text: Rethinking the Mutual Influence between Monastic and Cathedral Liturgy, 551–569.

Review of Liturgical Work in North America 2015–2017 

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Pilcher, Carmel: An Australian Aboriginal Mass, 151–169. Radle, Gabriel: Embodied Eschatology: The Council of Nicaea’s Regulation of Kneeling and Its Reception across Liturgical Traditions, Part 1: 345–371, Part 2: 433–461. Regan, Patrick (†): The Centrality of the Paschal Mystery in the Missal of Paul VI, 126–138. Roosien, Mark: Imagining the Liturgical Past through Literature: Ivan Shmelev’s The Year of Our Lord in Twenty-First-Century Russian Orthodox Christianity, 532–550. Taft, Robert F.: Worship at Ninety: The Journal and the Worship It Studies, 28–44. Taylor, Mark Lloyd / Newton, Alissabeth: Praying at the Edges: Theology of an ‘Emergent,’ Anglo-Catholic Sunday Evening Eucharist, 246–269. Upton, Julia: H. A. Reinhold: Liturgical Prophet, Hero, and Pickerel, 300–318. Wymer, Andrew / Baker, Chris: Drowning in Dirty Water: A Baptismal Theology of Whiteness, 319–344. Articles in Volume 91 (2017) include: Agolia, Grace Mariette: Becoming ‘Signs’ of God: A Theological Aesthetics of Sign Language in the Liturgy, 415–434. Alva, Reginald: The Impact of Charismatic Worship in the Catholic Church, 318–335. Bangert, Mark P.: On Discovering the Affect of Kyrie 1 from the B-Minor Mass of Johann Sebastian Bach, 540–561. Bo, Cardinal Charles Maung: Asia Challenges the World Church, 12–23. Bordeianu, Radu: Getting from Conflict to Communion: Ecclesiology at the Center of Recent Lutheran-Orthodox Dialogues and the 2016 Orthodox Council of Crete, 518–539. Durheim, Benjamin: Bridging the Divide: Connecting Liturgy and Ethics in an Era of Polarization, 435–449. Francis, Mark R.: Liturgy and Inculturation since Vatican II: Where Are We? What Have We Learned? 24–42. Harmon, Katharine E.: Awaiting the ‘Mother of All Vigils’: The 1951 Provisional Restoration of the Easter Vigil in the United States, 131–148. Hysell, Matthew: Five Arguments in Favor of Signed Words of Institution, 336–350. Jones, Jon: Worship as the Christian Life: The Theological Virtues in Augustine’s Enchiridion, 450–463. Joo, Jonghun: The Psalms of Lament: Prospects for Renewing Kenyan Evangelical Worship, 351–367. Krosnicki, Thomas A.: By Way of Comment: The 2014 Homiletic Directory, 65–76. Lathrop, Gordon: Sacrifice as a Word that Cracks: One Liturgical ‘Consideration Moving Forward’, 500–517. Marini, Piero: The History of the New ‘Ordo’, 106–130. McAlister, Shannon M.: Born of the Father: Psalm 109:3 and the Divine Womb in Latin Nicene Theology, 204–223. Migut, Boguslaw: ‘The Study of the Liturgy’: The Origins and Current Significance of a Theological Discipline, 396–414. Miller, Samantha L.: The Hellish Homiletic Practices of John Chrysostom and Billy Graham, 300–317. Moloney, Francis J.: ‘He Loved Them to the End’: Eucharist in the Gospel of John, 43–64. Phiri, Felix Mabvuto: Liturgical Participation and Apostolic Mission, 224–243. Puglisi, James: From Conflict to Communion: ‘Luther’s Intentions Were Not Mistaken’, 492–499. Taft, Robert F.: Liturgy in Old Constantinople: Glimpses of a Lost World, 149–175.

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Literaturbericht Liturgik. E. Byron Anderson

Turner, Paul: The Marriage of Liturgy and Culture, 368–375. Van Driel, Edwin Christaan: A Theology of Seminary Worship, 251–267. White, David: Liturgical Spirituality and the Rooted Heart: An Irish Perspective, 244–250.

2.2 Liturgy Liturgy is the quarterly print and online journal of The Liturgical Conference, published by Taylor and Francis. It provides an ecumenical forum for articulating standards of liturgical excellence and for supporting persons who have a common interest and concern for the liturgical life and the liturgical arts of the church. Each issue focuses on a single theme, with six or seven articles on the theme solicited by  a guest editor. Articles are written by noted liturgical scholars, parish pastors, denominational worship leaders, musicians, artists, and architects. Melinda Quivik serves as editor-in-chief for the journal. Themes and issue editors are listed. 30.1 (2015): 30.2 (2015): 30.3 (2015): 30.4 (2015): 31.1 (2016): 31.2 (2016): 31.3 (2016): 31.4 (2016): 32.1 (2017): 32.2 (2017): 32.3 (2017): 32.4 (2017):

Trinity and Liturgy. Melinda A. Quivik. Liturgy in the Digital Age. Karyn L. Wiseman. Spiritual but not Religious. Debra Dean Murphy. Worship and the Divided Church. Steffen Lösel. Embodied Listening. David Farina Turnbloom. Initiation. Victoria M. Tufano. The Lord’s Table in a Changing World. Martha Moore-Keish. Liturgy and Mission. Thomas H. Schattauer. Worship in an Age of Reconstruction. Lester Ruth. Liturgy and Food Culture. Jennifer R. Ayres. Pilgrimage. Troy Messenger. Liturgy in Rural Settings. Gilson Waldkoenig.

2.3 Proceedings of the North American Academy of Liturgy Proceedings of the North American Academy of Liturgy is the annual publication of the keynote addresses, seminar minutes, and select peer-reviewed papers presented at the annual meeting of the North American Academy of Liturgy. Only papers presented at the annual meeting are eligible for review and publication. Its current editor is Stephanie Perdew VanSlyke [proceedings @naal-liturgy.org]. The articles listed here are those published following the 2015–2017 meetings. Papers published in the 2015 volume: Anderson Daniel R.: A Theory of Transculturation, 107–122. Liu, Gerald: Implications of Aesthetic Education for Liturgical Education, 123–133.

Review of Liturgical Work in North America 2015–2017 

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Papers published in the 2016 volume: Butcher, Brian: Naming the Unnameable (?): Liturgical (Un)Translatability and the Challenge of Interreligious Dialogue, 67–76. Cowan, Nelson R.: Heaven and Earth Collide: Hillsong Music’s Evolving Theological Emphases, 77–96. Donohue, James M.: Alberto Castellano’s Liber Sacerdotalis, 97–112. Johnston, William H.: Participation and Transformation: A Reflection on Themes in the Eucharistic Theology of Benedict XVI’s Sacramentum Caritatis, 113–130. Moroney, Kevin: The Prayer Book with  a Bit of Brogue: George Otto Simms and Liturgical Restoration, 131–152. Papers published in the 2017 volume: Andrews, Emily Snider: Evangelicals, Modern Worship Music, and the Possibility of Divine-Human Encounter, 95–112. Lüstraeten, Martin: On Early Egyptian Monastic Prayer and the Islamic Salāt, 113–130. Seah, Audrey: From Communication to Communion: Enculturation of Deaf Culture in Roman Catholic Worship, 131–152. Stewart, Benjamin M.: ‘All Flesh is Grass’: Natural Burial as Embodiment of Wisdom Literature’s Mortality Tradition, 153–164. Yarborough, Chelsea: Prophetic or Problematic: Exploring the Potential of Just Multicultural Worship, 165–178.

2.4 Studia Liturgica Studia Liturgica is the journal of Societas Liturgica, edited by Peter C. Bower and providing an international ecumenical review of liturgical research. Most articles are papers and case studies presented at the biannual congress of Societas Liturgica. The articles listed here represent only the work of North American authors included in the volumes published since 2015. Dailey, Erik W.: On the Body and Liturgical Practices: Why Don’t Presbyterians Dance in Worship?, 45/1 (2015), 93–109. Ferrone, Rita: Reciprocity in Liturgical Formation, 46 (2016), 144–156. Hadley, James Thomas: Ars Gratia Arts: The Freedom of the Arts in the Twentieth-­ Century Liturgical Reform and Today, 45/2 (2015), 176–198. Regan, Patrick (†): The Liturgical Year as Agent of Formation from the Pioneers Through Vatican II, 46 (2016), 55–67. Sabak, James G.: Liturgy as Becoming: Appreciating the Crucial Role of Liminality in Liturgical Engagement, 45/2 (2015), 199–220. Schuler, Rhoda: Luther, the Lord’s Prayer, and Luther’s Liturgical Reforms, 46 (2016), 195–207.

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Literaturbericht Liturgik. E. Byron Anderson

2.5 Miscellaneous Journal Articles This section lists articles published in academic journals not directly related to liturgical scholarship. Aniol, Scott: Practice Makes Perfect: Corporate Worship and the Formation of Spiritual Virtue, in: Journal of Spiritual Formation & Soul Care 10/1 (2017), 93–104. Daly, Robert J. / Macy, Gary / Raitt, Jill: The ecumenical significance of eucharistic conversion, in: Theological Studies 77/1 (2016), 7–31. Debie, Linden J. / Littlejohn, W. Bradford: Reformed Eucharistic Theology and the Case for Real Presence, in: Theology Today 71/4 (2015), 429–439. Faggioli, Massimo: The Liturgical Reform from 1963 until Today … and Beyond, in: Toronto Journal of Theology 32/2 (2016), 201–217. Grimes, R. L.: Ethnographic Studies in Christian Ritual: A Critical Response, in: Journal of Contemporary Religion 31/3 (2016), 409–417. Gschwandtner, Christina M.: The Vigil as Exemplary Liturgical Experience: On JeanYves Lacoste’s Phenomenology of Liturgy, in: Modern Theology 31/4 (2015) 648–657. Inbody, Joel: Sensing God: Bodily Manifestations and Their Interpretation in Pentecostal Rituals and Everyday Life, in: Sociology of Religion 76/3 (2015), 337–355. Kaell, Hillary / Hardin, Jessica: Ritual Risk and Emergent Efficacy: Ethnographic Studies in Christian Ritual, in: Journal of Contemporary Religion 31/3 (2016), 323–334. Lange, Dirk G.: Finding a Language for Faith: Liturgy and Worship, in: Dialog 56/2 (June 2017), 156–161. Lemma, Keith Edward: Liturgical Reduction and Eucharistic Memory: Louis Bouyer’s Response to the Crisis of Modern Science, in: Heythrop Journal 58/4 (2017), 581–598. Lim, Swee Hong: Just Call Me by My Name: Worship Music in Asian Ecumenism, in: Ecumenical Review 69/4 (2017), 502–514. MacDougall, Scott / Meyers, Ruth / Weil, Louis: Revising the Episcopal Church’s Book of Common Prayer (1979): Liturgical Theologians in Dialogue, in: Anglican Theological Review 99/3 (2017), 499–518. Pauley, James: Renewing Liturgical Catechesis: Towards the Cultivation of Desire for God, in: Antiphon 21/1 (2017), 2–19. Porter, Mark: Sounding Back and Forth: Dimensions and Directions of Resonance in Congregational Musicking, in: Journal of the American Academy of Religion 85/2 (2017), 446–469. Shearer, Tobin Miller: Invoking Crisis: Performative Christian Prayer and the Civil Rights Movement, in: Journal of the American Academy of Religion 83/2 (2015), 490–512. Van Dyken, Tamara: Worship Wars, Gospel Hymns, and Cultural Engagement in American Evangelicalism, 1890–1940, in: Religion & American Culture 27/2 (2017), 191–217. Wilton, Gregory D.: Liturgical Preaching in the 21st Century, in: Jurist: Studies in Church Order & Ministry 76/2 (2016), 361–378.

Literaturbericht Liturgik Deutschsprachige Länder 2017 (2016) Jörg Neijenhuis

I. Quellen Die Evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, begründet von Emil Sehling, fortgeführt von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, hg. v. Eike Wolgast, Bd. 22: Nordrhein-Westfalen II: Das Erzstift Köln, die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg, die Städte Münster, Soest und Neuenrade, die Grafschaft Lippe (Nachtrag), bearbeitet von Sabine Arend. Mohr Siebeck: Tübingen 2017, 619 S., 1 Karte. Waren in dem ersten Band der Evangelischen Kirchenordnungen von NordrheinWestfalen vornehmlich die um 1530 erlassenen Ordnungen lutherischer Ausrichtung publiziert worden (vgl. JLH 2016 [55], 124 f), so sind in diesem zweiten Band Ordnungen abgedruckt, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden sind und den Wechsel vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis dokumentieren. Das trifft für die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg zu. Die Kirchenordnungen von Soest und Münster sind lutherisch geprägt, die Neuenrader Kirchenordnung folgt der Theologie Melanchthons. Die umfangreiche Kirchenordnung Hermann von Wieds für Köln wurde in diesem Band nicht eigens abgedruckt, weil sie in Martin Bucers Deutschen Schriften, Bd. 11,1 vorliegt. Für die Texte der Grafschaft Lippe, die im ersten Band für Nordrhein-Westfalen erschienen sind, wird ein Nachtrag geboten. Es handelt sich um eine Deutsche Messe, die aber nicht auf Luther, sondern im Wesentlichen auf das Erfurter Kirchenamt 1525 (vgl. EKO II, 375–380) zurückgehen dürfte. Allen Editionen sind Einleitungen vorangestellt, die umfangreich über die politischen, territorialen und konfessionellen Verhältnisse informieren. Für das Erzstift Köln werden die Reformversuche von Hermann von Wied und Gebhard Truchseß von Waldburg dargestellt und zu Gebhard Truchseß auch das Edikt zur evangelischen Religionsausübung von 1583. Für die Grafschaft Wittgenstein wird die Einführung der lutherischen Reformation dargestellt, anschließend die „zweite Reformation“ mit Einführung des reformierten Bekenntnisses mit entsprechenden Kirchenordnungen, dazu auch z. B. ein Mandat für Gottesdienste, Katechismusunterricht und Pfarrgüter, eine Hochzeits- und Taufordnung und ein Täufermandat für die Herrschaft Homburg aus dem Jahr 1611. Der gleiche Übergang vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis wird für die Grafschaften Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg dargelegt mit entsprechenden Kirchenordnungen, einem Mandat zur Pfarrstellenbesetzung oder einem zum Glockenläuten bei Gottesdiensten und Begräbnissen. Für die Grafschaft Rietberg ist eine Rekatholisierung nach 1600 zu vermerken. Für die Stadt Münster geht es zunächst um die Einführung der Reformation, dann um das

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Literaturbericht Liturgik. Jörg Neijenhuis

Täuferreich und die anschließende Rekatholisierung. Dazu wurden u. a. ediert eine Vereinbarung von Rat und Gemeinde zur Anstellung evangelischer Prediger an den Stadtkirchen von 1532, ein Mandat zur Duldung der Täufer von 1534 und das bischöfliche Edikt gegen die Täufer 1534. Die Stadt Soest blieb lutherisch, nachdem die Reformation 1530 eingeführt worden war. Die Kirchenordnungen von 1532 bis 1609/1619 zeigen diese Entwicklung an, ebenso z. B. ein Mandat zum Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Die Neuenrader Kirchenordnung steht in der Theologie Melanchthons, weil ihr Verfasser Hermann Wilken ein Schüler von Melanchthon war; Wilken hat 1563 eine Professur für Griechisch in Heidelberg übernommen, er war wie sein Lehrer kein (studierter) Theologe. Müntzer, Thomas: Schriften, Manuskripte und Notizen (Thomas-Müntzer-Ausgabe. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1), hg. v. Kohnle, Armin / Wolgast, Eike unter Mitarbeit von Arslanov, Vasily / Bartmuß, Alexander / Haustein, Christine. Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig / Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 546 S. Die kritische Gesamtausgabe der Schriften Thomas Müntzers umfasst drei Bände, wobei der dritte Band bereits 2004 und der zweite Band 2010 erschienen ist. Im ersten Band sind – neben anderen Schriften – drei liturgische Schriften abgedruckt: Deutsches Kirchenamt (1523), Ordnung und Berechnung des Deutschen Amtes zu Allstedt (1524) und die Deutsche Evangelische Messe (1524). Müntzer wurde zu Ostern 1523 Prediger in Allstedt, er nahm wohl sofort die Reform der Gottesdienste auf. Das Deutsche Kirchenamt bietet die Wochengottesdienste, die täglich früh und spät anstelle der Werktagsmessen gefeiert wurden. Für alle Kirchenjahreszeiten werden – hier im Druck umfasst dieses Kirchenamt 182 Seiten – Texte und Noten angegeben. So sieht z. B. das Amt für Advent folgende Ordnung (7–36) vor: Ingressus – Invitatorium – mehrere Psalmen mit Antiphonen – Versikel – erste Lesung – Responsorium – Versikel – zweite Lesung – Responsorium – Versikel – dritte Lesung – Responsorium – Versikel – Zur Laudes: mehrere Psalmen mit Antiphonen – Lesung Jes 7,14f – Hymnus – Versikel – Benedictus – Antiphon – Psalm – Benedicamus – Zur Vesper: Ingressus – mehrere Psalmen und Antiphone – Responsorium – Hymnus – Versikel – Magnificat – Antiphon. „Während Luther und Johann Walter bei ihrer Gottesdienstreform neue Texte und Melodien einführten, modifizierte Müntzer Bekanntes, indem er traditionelle liturgische Gesänge mit überwiegend von ihm selbst ins Deutsche übersetzten Texten weiter nutzte. Dadurch wurde der völlige Bruch mit dem Hergebrachten und Gewohnten vermieden.“ (1) Die Deutsche Evangelische Messe folgte 1524 und ordnete die sonntägliche Messfeier neu. Müntzer hielt die römische Messordnung bei, reduzierte aber die vorliegenden liturgischen Texte. Er war darauf bedacht, dass nicht nur der Pfarrer, sondern ebenso die Gemeinde eine handelnde liturgische Person ist. Z. B. sieht das Amt von der Menschwerdung Christi folgende Ordnung (202–224) vor: Psalm – Gloria Patri – Allgemeine Beichte – Introitus – Psalm – Gloria Patri – Kyrie eleison – Gloria – Salutation – Kollekte – Epistel – Halleluja – Versikel – Salutation – Evangelium – Credo – Offertorium – Salutation – Präfation – Sanctus – Verba testamenti – Vater unser – Pax – Agnus Dei – Kollekte – Benedicamus. Die dritte liturgische Schrift, die Ordnung und Berechnung des Deutschen Amtes zu Allstedt von 1524, erklärt den Messgottesdienst und ist offenbar für die Unterweisung der Gemeinde gedacht, die Müntzer als eine mithandelnde liturgische Person versteht. Insofern ist diese Schrift nicht als ein Missale angelegt und erklärt neben dem sonntäglichen Gottesdienst auch die Feier der Taufe, die Feier der Eheschließung, das Abendmahl für Kranke und die Begräbnisfeier.

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Langfristig haben sich Müntzers Ordnungen nicht durchsetzen können. Nicht nur, dass die Noten in der als unmodern empfundenen gotischen Form gedruckt worden waren, sondern auch die Gottesdienstfeiern selbst bzw. die Predigten und das politische Vorgehen Müntzers verursachten Unruhen. Luther hat Müntzers Vorschläge kritisiert, Letzterer wurde in den nachfolgenden Jahren oftmals von seinen Pfarrstellen vertrieben oder floh, weil er Unruhen verursachte. Müntzer musste schon 1524 Allstedt verlassen, dort wurden seine Ordnungen 1533 verboten. Einzelne Stücke wurden in die evangelischen Kantionalien von Spangenberg, Lossius und Keuchenthal aufgenommen. In den „Erfurter Kirchenämtern“ wurden sie abgedruckt, der letzte Druck ist 1543 erschienen; weitere Drucke von Müntzers Messe und Teile des Kirchenamtes sind bis 1614 publiziert worden. Erwähnt werden soll noch das Officium St. Cyriaci, das wohl 1515/1516 von Müntzer verfasst wurde, als er Propst des Kanonissenstifts St. Cyriacus in Frose (bei Aschersleben) war. Zu dieser Zeit war er noch nicht von reformatorischem Gedankengut beeinflusst. Das erste Offizium war für den Hauptfeiertag dies translationis (8. August) bestimmt, das zweite Offizium für weitere Cyriacus-Feiertage: dies natalis (16. März) und dedicatio tituli Sancti Cyriaci in Thermis (15. Juli). Tumanov, Rostislav: Das Kopenhagener Stundenbuch. Bildprogramm und Layout im Kontext spätmittelalterlicher Lektüre- und Andachtspraktiken (Sensus. Studien zur mittelalterlichen Kunst 9). Böhlau: Köln / Weimar / Wien 2017, 295 S., 77 farbige Abb. Das Kopenhagener Stundenbuch ist ein in seiner Gestaltung außergewöhnliches Buch, weil viele Seiten rautenformig recto wie verso durchlöchert sind. Durch die durchbrochenen Seiten wird der Blick auf eine darunterliegende Miniatur gelenkt. Der Blick erfasst also den Text der oberen Seite und gibt den Blick frei auf ein Bild auf einer darunterliegenden Seite. Es liegen mehrere Seiten mit Text über den Seiten mit Bildern. Wendet man das gelesene Blatt, kann man nun den nächsten Text auf der Rückseite lesen und sieht dank der Durchbrechung der Seite ein anderes Bild. Recto und verso sind so geschickt angeordnet, dass sich immer neu ein Zusammenhang von Text und Bild ergibt. (Ein Bildteil in Tumanovs Buch macht diesen Effekt deutlich.) Das Stundenbuch ist um 1500 in Tours entstanden und wird dem Buchmaler Jean Poyet zugeschrieben. Tumanov hat das Stundenbuch detailliert beschrieben. Der Fokus liegt dabei nicht allein auf die Beschreibung des Text- und Bildprogramms der Handschrift, sondern auch auf dieser besonderen Gestaltung. Anschließend wird der Gebrauch erschlossen: Wenn ein Beter Text und Bild verwendet, setzt er sich damit gewissen Effekten aus. Das Stundenbuch wird mit dem Petau Stundenbuch verglichen, das ähnliche Merkmale aufweist und aus derselben Werkstatt stammt. Danach wird erörtert, wie dieses Stundenbuch im Kontext damaliger Seh- und Andachtspraxis verstanden werden kann. Der Akt des Blätterns eröffnet geradezu einen Buch-Raum, durch den Gebrauch entsteht eine narrative Handlung.

II. Agenden, Lektionare Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Hg.): Amt – Ämter  – Dienste. Entwurf zur Erprobung (Evangelisch-lutherische Kirchenagende, Bd. IV/I). Edition Ruprecht: Göttingen 22017, 167 S. Dieser Entwurf erscheint in zweiter Auflage. Er wurde gegenüber der ersten Auflage von 2011 (vgl. JLH 51 [2012] 120 f) „völlig überarbeitet“ und legt „neu ausgearbeitete

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Literaturbericht Liturgik. Jörg Neijenhuis

Versionen der entsprechenden liturgischen Formulare vor.“ (5) Er enthält Formulare für Kirchliche Dienste / Segnungen (Benedicto), für das Amt der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung, für Einführungen in Ämter mit besonderen Zuständigkeiten (Introductio), für die Bestätigung in Ämtern und Diensten (Approbatio), für Einweisungen und Vorstellungen (Praesentatio), für die Aussendung von Missionaren (Missio), für das Gedächtnis der Ordination (Ordinationsjubiläum), für Verabschiedungen. Hinzu kommt ein Anhang, in dem sich ein Formular für die Verpflichtung von Synodalen findet, und das Te Deum. Schmitz, Heinz-Walter: Morgen- und Abendlob zum Beten und Singen. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 1019 S. Insbesondere für am Stundengebet interessierte Gemeindemitglieder ist dieses Buch konzipiert. Es enthält Laudes und Vesper in fertig ausgearbeiteter Form. Es hält sich an das offizielle Stundengebet und die Psalmenauswahl des Vier-Wochen-Psalters. Die klassischen gregorianischen Psalmtöne werden in heute üblicher Notierung samt Notenschlüssel wiedergegeben. Über den Noten sind auch Akkorde angegeben, damit Zupf- und Tasteninstrumente den Gesang begleiten können, insbesondere, wenn es sich um kleinere Gruppen handelt. Erklärungen für den Gebrauch finden sich im Nachwort.

III. Monographien und Sammelbände Achtner, Wolfgang (Hg.): Mystik als Kern der Weltreligionen? Eine protestantische Perspektive (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte, Bd. 23). Academic Press / W. Kohlhammer Verlag: Fribourg / Stuttgart 2017, 351 S. Die titelgebende Frage des Buches lässt sich nicht so eindeutig beantworten, wie ihre Intention es nahezulegen scheint. Denn es geht ja immer um Erfahrung, um mystische Erfahrungen. So werden im ersten Teil des Buches Beiträge präsentiert, die Mystik in interdisziplinärer Perspektive  – Psychologie, Neurowissenschaft, Kulturwissenschaft, Evolutionsbiologie, Philosophie, Mathematik – thematisieren. Im zweiten Teil folgt die interreligiöse Perspektive, die mit Beiträgen zur Ontologie und Hermeneutik eröffnet wird und danach die Religionen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus in Bezug auf Mystik befragt. Der dritte Teil widmet sich der Mystik in protestantischer Perspektive; thematisiert wird der Neuprotestantismus, daran anschließend Protestantismus – Kulturalismus – Perennialismus, Mystik und Rechtfertigung. Dem Herausgeber ist es wichtig, dass mystische Erfahrung und ihre Interpretation gut unterschieden werden. Insofern liegt in diesem Buch der Schwerpunkt auf die Phänomenologie der mystischen Erfahrung. Ihrer Darstellung folgt ihre Interpretation. Es geht nicht darum, noch eine weitere, gar neue Definition von Mystik vorzulegen oder solche Definitionen zu diskutieren. Die Frage, ob die Mystik der Kern der Weltreligionen ist, kann abschließend nicht eindeutig beantwortet werden. Achtner plädiert aber dafür, dass die mystische Erfahrung auch in protestantischer Perspektive wieder einen selbstverständlichen Ort erhält, den sie mit Luther erhalten hat und der ebenso bei Schleiermacher zu finden ist. Baschera, Luca: Hinkehr zu Gott. „Buße“ im evangelisch-reformierten Gottesdienst (EKGP 4). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 280 S. Der Begriff Buße, der im Titel des Buches schon in Anführungszeichen gesetzt ist, meint nicht eine Beschämung derjenigen, die ihre Schuld oder Sünde bekennen, sondern die Buße ist letztendlich eine Hinkehr zu Gott. Darum plädiert Baschera für ein

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pneumatisch-formatives Gottesdienstverständnis und nicht für ein anthropologischexpressives im Anschluss an Schleiermacher, wie er nach einem Überblick über die Literatur zur Buße und zum Gottesdienstverständnis betont, denn für Schleiermacher, aber auch im Anschluss daran für Cornehl, Roth und Plüss, ist der Gottesdienst primär ein menschliches Handeln. „Im Gegensatz zum anthropologisch-expressiven Modell zeichnet sich ein pneumatisch-formatives Gottesdienstverständnis durch die zweifache Betonung der konstitutiv formativen Wirkung liturgischer Praxis sowie der Priorität göttlichen Handelns im gottesdienstlichen Geschehen aus. Im Gottesdienst handeln zwar Menschen, aber ihre Handlungen werden erst dadurch zum Gottesdienst, dass Gott mit den Menschen zusammenwirkt und sich ihrer Handlungen bedient, um selbst an ihnen formativ zu handeln.“ (30) Das pneumatisch-formative Gottesdienstverständnis beruft sich auf die Methodisten Stanley Hauerwas (*1940), Don E. Saliers (*1938) und William Willimon (*1946), die in methodistischer Tradition die enge Verbindung von Gottesdienst und Ethik betonen. Weitere Impulse und Ergänzungen werden bei Bernd Wannenwetsch (Gottesdienst als Lebensform) und James K. A. Smith (Gottesdienst als göttliche Pädagogik des Verlangens) gewonnen. Anschließend reflektiert Baschera das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Handeln im kirchlichen Gottesdienst und legt die Wirklichkeit des Heils dar, wobei es im Sinne eines reformierten Gottesdienstes nicht um eine Heiligung geht, sondern um eine Buße. Diese Umkehr ist eine Re-Orientierung der menschlichen Existenz auf Gott hin, nachdem der Mensch sich immer wieder von Gott abwendet. „Der Gottesdienst wirkt in dieser Perspektive also nicht so sehr „heiligend“, sondern „metanoetisch“ auf die Feiernden. Er ist der Ort, an dem die begnadigten Sünder immer wieder auf denjenigen ausgerichtet werden, der sie rettet und heiligt.“ (76) Die Studie wird abgeschlossen mit Umkehrliturgien bzw. mit liturgischen Stücken für die Feier der Umkehr, so z. B. die Offene Schuld, Confiteor und der Bußteil im reformierten Gottesdienst, hier insbesondere die Umkehrliturgie am Beispiel des Genfer / Straßburger Formulars von 1542. Dasselbe wird auch für die Liturgie der deutschsprachigen Schweiz, die Reformierte Liturgie und das Evangelische Gottesdienstbuch vorgenommen. (Zahlreiche Anhänge machen die Texte schnell zugänglich.) Zum Ende seiner Untersuchung unterstreicht Baschera, dass Form und Inhalt interdependent sind und beide nicht so (miss)verstanden dürfen, dass ein Inhalt in beliebig vielen und austauschbaren Formen zu vermitteln sei. Beetschen, Franziska / Grethlein, Christian / Lienhard, Fritz (Hg.): Taufpraxis. Ein interdisziplinäres Projekt. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 286 S. Die hier abgedruckten Vorträge gehen auf ein Fachgespräch in Heidelberg zurück, das sich die Taufpraxis zum Thema gemacht hatte. Dazu eingeladen waren lehrende, kirchenleitende und praktisch tätige Theologen und Theologinnen. Dass sich die Taufpraxis und damit die Erwartungen und Anforderungen verändern, nehmen alle involvierten Institutionen und Personen wahr. Gesellschaftliche Entwicklungen, lebensweltliche Veränderungen, eine sich verändernde Religiosität werfen Fragen für die herkömmliche Taufpraxis auf. Insofern ist eine interdisziplinäre und mehrere Institutionen einschließende Wahrnehmung der Taufpraxis angesagt. So nehmen sich die ersten Vorträge der Vielfalt heutiger Taufpraxis an, es folgen Beiträge aus systematisch- und praktisch-theologischer, kirchenhistorischer, ökumenischer und kirchenrechtlicher, liturgischer, poimenischer und kybernetischer Perspektive. Eine Fülle von Perspektiven, Sachinformationen und Fragen zur Diskussion wird geboten. Ein Ausblick fasst die Vorträge und Diskussionsergebnisse zusammen; Zusammenhänge, wichtige Erkenntnisgewinne und offene Fragen werden deutlich und der Bedarf an

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Weiterarbeit wird markiert. „Die anregende Tagung führt zu anregenden Gesprächen. Sie zeigen, welche grundlegenden theologischen und kirchlichen Fragen und Positionen mit der Taufe verbunden und zu diskutieren sind. Mögen sie nun auf interessierte Leserinnen und Leser stoßen und neue Wirkungen anregen.“ (279) Buchmüller, Wolfgang / Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara (Hg.): Gebet. In: Ambo. Jahrbuch der Hochschule Heiligenkreuz, Bd. 2. Be&Be Verlag: Heiligenkreuz 2017, 471 S. Das Jahrbuch ist dem Thema Gebet gewidmet. Nach einer Einführung in das Thema durch den Herausgeber Buchmüller wird es in unterschiedlichen Kontexten erörtert: Glaube und Reflexion, Gebet in der Bibel, Gebet und Glaube, Gebet und Liturgie, Gebet und Anbetung. Dabei kommen nicht nur Theologen (oder Zisterzienser) zu Wort, sondern ebenso Wissenschaftler anderer Universitäten und anderer Fachrichtungen. Besonders hervorzuheben sind die Beiträge zu Gebet und Liturgie: Die Mitherausgeberin Gerl-Falkovitz (Prof. em. für Religionsphilosophie und Religionswissenschaft in Dresden) stellt Grundformen des Gebetes nach Romano Guardini dar, Kurt Belsole (Prof. für Liturgie in Pennsylvania und Rom) stellt das Verhältnis von Schönheit und heiliger Liturgie vor, Manuel Schlögl (Kaplan, Habilitand an der Universität Wien) denkt über das Gebet als Pflicht nach und begründet den priesterlichen Gebetsdienst, Krzysztof Dariusz Lisewski (Kaplan, Lehrbeauftragter u. a. für Hebräisch in Heiligenkreuz) erörtert Körpergebärden im Gebet und Friedhelm Hofmann (Bischof von Würzburg) stellt Gebete im neuen Gotteslob vor. Aus den anderen Bereichen seien erwähnt die Beiträge von Thomas Söding (Prof. für Neues Testament in Bochum) über den betenden Jesus, von Marianne Schlosser (Prof. für Theologie der Spiritualität in Wien) über Thomas von Aquin als Lehrer des Gebets, vom Abt des Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, Maximilian Heim, über die inkarnatorische Frömmigkeit und die Anbetung der Zisterzienser und vom Herausgeber Wolfgang Buchmüller (Prof. für Spirituelle Theologie und Ordensgeschichte an der Hochschule Heiligenkreuz) über die Eucharistische Anbetung. Bünz, Enno / Greiling, Werner / Schirmer, Uwe (Hg.): Thüringische Klöster und Stifte in vor- und frühreformatorischer Zeit (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation 6). Böhlau: Köln 2017, 461 S., zahlreiche Abb. In Thüringen gab es vor der Reformation über 200 Klöster, Stifte und Ritterordenskommenden. Es war eine große Vielfalt des geistlichen Gemeinschaftslebens vorhanden. Reformbemühungen gab es in vielen Klöstern. Der Bruch, der aber dann mit der lutherischen Reformation kam, war teilweise total und insbesondere nachhaltig. In den Beiträgen geht es um die Entwicklung bis zur Reformation. Es wird die Lage der Klosterbauten dargelegt, Aspekte der fürstlichen Kirchenpolitik und Frömmigkeit sowie auch die Lage der Frauenklöster werden dargestellt etc. Dabei kommen namentlich die Zisterzienser, Augustiner-Chorherren, Franziskaner vor. Ein Beitrag befasst sich mit dem Eichsfeld, einige andere Beiträge beschäftigen sich mit den Klöstern in der Stadt Erfurt zur Zeit der Reformation, mit dem Severus-Kult, mit den Aus­ wirkungen der Bursfelder Reform. Ein letzter Beitrag befasst sich mit der Formierung evangelisch-lutherischer Domkapitel von 1525 bis 1581. Deeg, Alexander / Lehnert, Christian (Hg.): Nach der Volkskirche. Gottesdienste feiern im konfessionslosen Raum (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 30). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 184 S. Die kirchliche bzw. gottesdienstliche Situation in den östlichen Bundesländern stellt sich anders dar als die in den westlichen Bundesländern, weil die Säkularisierung bzw. die Konfessionslosigkeit die vorherrschende Situation ist. Christen sind eine

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kleine Minderheit. Da stellen sich grundstürzende Fragen ein: Wie kann Tradition weitergegeben werden, wenn Tradition unterbrochen oder schon ganz abgebrochen ist? Wie kann man Liturgie feiern, wenn liturgische bzw. christliche Vorstellungen unbekannt sind? Wie können Rituale gefeiert werden, wenn sie nicht mehr eingeübt werden? Der Band dokumentiert das 20. Fachgespräch des Liturgiewissenschaftlichen Instituts in Leipzig, an jenem Ort, an dem nach der Wende zwei neue Kirchen gebaut wurden: die katholische Probsteikirche St. Trinitatis, die der größte katholische Kirchbau im Osten Deutschlands seit 1989 ist, und die Aula / Universitätskirche St. Pauli, die unter zahlreichen Auseinandersetzungen und Kämpfen entstanden ist und das konfliktträchtige Verhältnis zwischen Religion und einer sich als säkular verstehenden Universität abbildet. Die Beiträge loten anhand vieler Begriffe das spannende und auch spannungsgeladene Verhältnis von Liturgie und konfessionslosem oder säkularisiertem Umfeld aus. Viele gute Impulse und Überlegungen werden dargeboten, die sich nicht auf einen Punkt oder eine Erkenntnis bringen lassen, aber den Eindruck vermitteln, dass im „konfessionslosen Raum“ für den Glauben, für die Religion und für die Liturgie nicht nur Spannendes und Interessantes, sondern auch Grundlegendes zu erwarten ist, mit dem man nicht gerechnet hat oder auch nicht rechnen konnte. Demel, Sabine / Pfleger, Michael (Hg.): Sakrament der Barmherzigkeit. Welche Chance hat die Beichte? Herder: Freiburg i. Br. 2017, 637 S. In ihrer Einführung schreiben die Kirchenrechtlerin Demel und der Theologe und Psychotherapeut Pfleger, dass die Beichte zwar das persönlichste und intensivste Sakrament, ja sogar das Sakrament der Barmherzigkeit ist, zugleich ist sie aber auch das „ungeliebte, verlorene und vergessene Sakrament.“ (17) Ob die Beichte eine Chance hat und welche neuen Wege für sie beschritten werden, ist das Thema dieses Sammelbandes. Ausgegangen wird vom Kirchenrecht, denn weil das Recht „als eine wesentliche Dimension des Mysteriums Kirche aufgefasst wird, haben die sichtbaren Rechtsstrukturen transparent zu sein für den unsichtbaren Heilswillen Gottes, indem sie letztendlich nicht nur bezeichnen, sondern auch bewirken, was die kirchliche Sendung ist: die Gemeinschaft mit Gott und untereinander herbeizuführen und zu bewahren.“ (18) Damit befasst sich der erste Teil des Buches, der zweite Teil stellt die Erfahrungswelten der aktuellen und der vergangenen Bußpraxis in den Mittelpunkt. Es kommen selbstverständlich Erfahrungsberichte aus der gemeindlichen Beicht­praxis vor, aber auch aus den Erfahrungswelten Gefängnis, Krankenhaus und Hospiz, Psychiatrie, Schule und Hochschule, Wallfahrtsort, Kreuzfahrt, Volksfest, Flughafen, Internet usw. Es folgen persönliche Zeugnisse zu Schuld, Sünde und Versöhnung, die beginnen mit dem Bericht eines acht Jahre alten Mädchens und mit dem Bericht eines 80 Jahre alten Mannes enden. Essays mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten schließen sich an, wie z. B., dass sich ein Beichtkind erinnert, wie ihm das Sakrament abhanden gekommen ist etc. Im dritten Teil wird das Bußsakrament im Spiegel theologischer Reflexion bedacht. Da geht es um bibelwissenschaftliche Fragen, um dogmatische, postreligiöse, tauftheologische, pastoraltheologische, moraltheologische und noch weitere Perspektiven. Erne, Thomas: Hybride Räume der Transzendenz. Wozu wir heute noch Kirchen brauchen. Studien zu einer postsäkularen Theorie des Kirchenbaums. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 254 S., viele, meist farbige Abb. Kirchen eignen einen hybriden Charakter: Auf der einen Seite sind sie Ausdruck der Liturgien, die in ihnen gefeiert werden, auf der anderen Seite sind sie auch Kunstwerke und haben einen ästhetischen Wert. Wird der Kirchenbau ästhetisch erlebt, löst

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er eine Unendlichkeitserfahrung in dem Erlebenden aus. Es kommt zu einer (Selbst-) Transzendenz. Wird in einer Kirche eine Liturgie gefeiert und damit eine religiöse Erfahrung als Verwandlung und Überschreitung des eigenen Ich gemacht, kommt es damit auch zu einer (Selbst-)Transzendenz. Erne hält fest: „Kirchen sind Hybridräume der (Selbst-)Transzendenz.“ (…) Für diese Erfahrung hybrider Formen der Transzendenz brauchen wir heute noch Kirchen. Das ist die Leitthese dieses Buches.“ (11) Wenn heute neue Kirchen gebaut werden, werden sie im Kontext des Postsäkularen gebaut. Erne beruft sich auf Paulus, der den Tempel Gottes bzw. die Präsenz Gottes in die Kommunikation der Gemeinde verlagert, so dass der „Tempel Gottes“ zu einer religiösen Sozialform (domus ecclesiae)  wird. Im Mittelalter wurden Kirchengebäude ähnlich den vorchristlichen Tempeln wieder als Wohnort Gottes gebaut (domus Dei). Der für den frühchristlichen Kirchenbau verwendete Basilikenstil (antike Mehrzweckhalle) war nicht sakral, er wurde aber mit den mittelalterlichen Kirchen sakralisiert. Wenn heute wieder Kirchen als ein domus ecclesiae gebaut werden, wird in postsakraler Zeit die urchristliche Idee wieder verwirklicht. Können in postsakralen Kirchen (Selbst-)Transzendenz-Erfahrungen gemacht werden, wenn keine Liturgie gefeiert wird? „Beide Konfessionen scheitern aber mit vielen dieser nachsakralen Kirchenbauten und Gemeindezentren an einem Mangel an Aura. Das Bedürfnis nach einer numinosen Raumatmosphäre lässt sich auch im nachsakralen Kirchenbau der Moderne nicht dauerhaft unterbinden.“ (13) Das hat nach Erne einen Grund: DieTranszendenzerfahrungsmöglichkeit verdankt sich nicht „exklusiv einer wirkmächtigen Präsenz des Heiligen, sondern es kann auch die wirkmächtige Präsenz der Architektur, des Lichtes, der Materialität, der Akustik, der Memorabilien sein.“ (13) Statt der wirkmächtigen Erfahrung von Heiligem ergibt sich eine wirkmächtige Erfahrung von Kunst. Der Hybridraum ermöglicht religiöse und ästhetische Erfahrungen, die sich gegenseitig ergänzen können, indem der Erlebende von einer Erfahrung in die andere gelangt, es sind aber auch Diskontinuitäten möglich, weil Kunst autonom gegenüber der Religion auftreten kann und umgekehrt. In mehreren Kapiteln mit unterschiedlichen Schwerpunkten wird diesen Momenten nachgegangen, indem Erne den Weg zu einem postsäkularen Kirchenbau, wie er im 20. Jahrhundert beschritten wurde, kritisch darstellt. Anschließend werden Hybridräume der Transzendenz erörtert, seien es Kirchen als Daseinserweiterung oder Kirchen wie Kolumbarien, Wanderkirchen, Künstler-Kirchen etc. Danach geht es um das Bild in Hybrid­ räumen der Transzendenz. Am Ende des Buches gibt Erne einen Ausblick auf die Kirche im Zeitalter der Medien. Im Internet wird eine Kommunikation ermöglicht, die nicht auf die Präsenz des Leiblichen setzt: „Das Internet trennt als Medium die Beteiligung des leiblichen Selbst von der religiösen Kommunikation.“ (223) Diese religiöse Kommunikation beurteilt Erne als eine positive Simulation, als ein unverbindliches Ausprobieren von religiösen Kommunikationen, Erfahrungen, Selbstdeutungen etc. Damit ergibt sich eine weitere Hybridisierung: „Zwischen dieser virtuellen Kirche und den realen Kirchen entsteht ein neuer Hybridraum der Transzendenz, in dem sich hybride Formen von religiöser Realität und religiöse Simulation überlagern, ergänzen und irritieren. Die Kirche wird in Zukunft als ein Hybridraum der Transzendenz diesen virtuellen Raum umfassen. Es werden hybride Formen entstehen, wo der liturgisch-reale Raum leiblicher Präsenz und der liturgisch-virtuelle Raum leiblicher Diskretion miteinander koalieren oder auch kollidieren.“ (225f) Frenzel, Nina: Betender Anfang. Identitätsstiftende Momente christlicher Morgenliturgie im Dialog mit dem Judentum (Studien zu Judentum und Christentum 32). Schöningh: Paderborn 2017, 325 S.

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Frenzel untersucht die Texte der (christlichen) Laudes und der (jüdischen) Shacharit, die im Anhang der Untersuchung mitgegeben werden. Das jüdische Morgengebet beginnt eigentlich schon zuhause mit morgendlichen Segenssprüchen (Birkhot Haschachar) und wird in der Synagoge mit Lobgesängen (P’sukei D’Zimrah: Eröffnungsberakhot, biblische Einschübe, Hallel [Ps 145–150], Biblische Einschübe, Abschluss) fortgesetzt, auch wenn heute in der Synagoge mit den morgendlichen Segenssprüchen begonnen wird, da das Gebet zuhause selten ausgeführt wird. Das Morgengebet wird fortgesetzt mit dem Sh’ma und Berakhot, es folgen das Achtzehnbittengebet, Stilles Gebet, Torahlesung und der Abschluss mit Alenu oder Kaddish. Frenzel untersucht Lobgesänge und Berakhot. Die Elemente der Laudes sind zu Beginn die Psalmen (Morgenpsalm mit Antiphon, Canticum mit Antiphon, Lobpsalm mit Antiphon), ihnen folgen eine Schriftlesung mit Responsorium, der Lobpreis Gottes mit Benedictus, Bitten, Vaterunser und einer Oration. Den Abschluss bilden Segen und Entlassung. Frenzel untersucht die Psalmen und den Lobpreis Gottes. Gegenstand der Untersuchung ist die heutige Form von Laudes und Shacharit. Frenzel stellt dazu folgende Hypothesen auf: „1) Eine Rhythmisierung des Tages ist sowohl für die jüdische als auch für die christliche Identität konstitutiv, 2) die jüdische und christliche Morgenliturgie stellen einen Ausdruck jüdischer und christlicher Identität dar.“ (61) Darum ist es das Ziel dieser Untersuchung, „1) zu analysieren, inwiefern die Morgenliturgie in Judentum und Christentum kosmologisch-naturhafte, anthropologische und religiös-theologische Aspekte und Motive der Rhythmisierung des Tages, der menschlichen Existenz und der Identität in Judentum und Christentum enthalten, 2a) zu bestimmen, welches Zeitverständnis, welches Menschen- und Gottesbild, welche Aspekte theozentrischen bzw. christozentrischen Betens jeweils der jüdischen Shacharit und der christlichen Laudes zugrundeliegen, 2b) zu zeigen, inwiefern bekenntnishafte Momente vorliegen, 2c)  zu identifizieren, wie sich dadurch jüdische und christliche Identität hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede konstituieren, und 2d) zu untersuchen, wie Judentum und Christentum angesichts der zugrundeliegenden Berührungspunkte und Übereinstimmungen gemeinsam einen kulturellen Beitrag zu einem gelungenen Tagesbeginn in der pluralen Gesellschaft leisten können.“ (61) Der letzte Punkt zeigt an, dass die Gegenwartsbedeutung des Morgengebets für diese Untersuchung konstitutiv ist und es ihr nicht um eine historische Analyse der Texte geht. Deshalb beginnt Frenzel auch mit Erwägungen über die Sinnsuche und Identität des modernen Menschen in einer pluralen Gesellschaft und schließt Erwägungen zu Zeit und Ritual daran an. Sie hebt anschießend das durch das Zweite Vatikanische Konzil (Nostra Aetate 4) neu grundgelegte Verhältnis zum Judentum dar: Das Judentum ist das Andere, das im Gegenüber zum Christentum zu sehen ist. Neben manchen Unterschieden gibt es das beide Religionen verbindende Element, dass sie in ihren Morgengebeten zum Einen und Einzigen Gott beten. Und zum Beginn des Tages vergewissert man sich mit den Gebetsinhalten der eigenen Identität. Frenzel stellt die These auf, dass ein Morgenritual eine anthropologische Grundkonstante in allen Religionen ist: „Gemein ist jedoch allen das Bedürfnis, die Vergewisserung über das eigene Selbst hinaus, in den Religionen die Vergewisserung auf etwas Höheres, Gott, zu stillen. Exemplarisch konnte der Zusammenhang von Zeit, Identität und Bekenntnis in der Liturgie am Morgen im Judentum und Christentum erschlossen werden.“ (259) Auf die heutige Zeit bezogen – die das Leben vieler Menschen mit Verpflichtungen, Terminen und Aufgaben füllt –, ist das Morgengebet auch ein kultureller Beitrag zum Menschsein, weil sich der Mensch darin diesen Anforderungen entzieht und

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sich seiner letzthinnigen Unverfügbarkeit und auch der letzthinnigen Unverfügbarkeit seiner Lebenszeit vergewissert. Graulich, Markus (Hg.): Zehn Jahre Summorum Pontificum. Versöhnung mit der Vergangenheit – Weg in die Zukunft. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 192 S. Als am 7. Juli 2007 Papst Benedikt XVI. das Motu proprio Summorum Pontificum veröffentlichte, gab es einige Unruhe, weil er den Gebrauch des vorkonziliaren Messbuchs von 1962 zuließ als eine außerordentliche Form des Römischen Ritus, die Messe zu feiern. Mit diesem Buch wird nun versucht, zehn Jahre später eneut einen Blick auf das Geschehen zu werfen. Der Kirchenrechtler Graulich legt die kirchenrechtliche Perspektive dar, Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, tritt den Ansichten entgegen, dass nur den in Schisma lebenden Piusbrüdern entgegengekommen wurde. Stattdessen sei es auch um die innere Einheit der ganzen katholischen Kirche einschließlich ihrer eigenen (Liturgie-)geschichte gegangen. Das könne auch in ökumenischer Perspektive gesehen und gewürdigt werden, zumal es um Fragen geht wie z. B., ob die Eucharistie Mahl oder Opfer ist, ob Priester oder Gemeinde Subjekt der Liturgie sind, etc. Koch hält fest, dass Ratzinger auf eine neue liturgische Bewegung hofft, eine Reform der Reform, die dann auch ökumenische Relevanz haben wird. Ralph Weimann reflektiert die Verschiedenheit der Formen und die Einheit der Liturgie, denn lex celebrandi ist das Spiegelbild der lex credendi. Der Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp äußert sich zum Verständnis von Einheit und zur legitimen Vielfalt in der Liturgie nach dem Motu proprio, indem er auch die Entwicklung des Messbuchs seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nachvollzieht. Er hebt hervor, dass es Papst Benedikt XVI. wichtig war festzuhalten, dass in beiden Formen der eine und derselbe Glaube zum Ausdruck kommt. Warnungen, die eine Spaltung von Gemeinden und der Kirche vorhersagten, waren falsch, da die Spaltung nicht eingetreten ist. Mittlerweile gibt es auch Zahlen, die belegen, dass der alte Ritus nur an einigen Orten gefeiert wird: Im Jahr 2014 waren es in Deutschland etwa 150 Orte. Haller, Klaus (†) / Liebhart, Wilhelm (Hg.): Geistliche Spiele der Barockzeit aus Oberbayern (Editio Bavarica 4). Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 532 S., einige schwarzweiße Abb. Geistliche Spiele haben sich im Mittelalter im Rahmen der Liturgie herausgebildet. So entstanden Weihnachts-, Passions- und Osterspiele. Daran knüpften nach der Reformation die Jesuiten mit ihren Jesuitendramen an. Das lässt sich noch heute in Bayern beobachten, weil diese Schauspiele andere Formen wie Volksschauspiel oder Schulspiel angeregt und beeinflusst haben. In diesem Band sind jesuitische Schauspiele, Singspiele für bestimmte Anlässe und ein Passionsspiel abgedruckt, die in den Jahren 1981 bis 1983 in der Bayerischen Staatsbibliothek München und im Archiv des Brigittenklosters Altomünster entdeckt wurden. Sie wurden ediert und teilweise sogar im Altomünster uraufgeführt. In jedes Spiel wird eingeführt und anschließend die Edition des Spiels geboten. Für das Brigittenkloster Altomünster finden sich das Brigittenspiel „Schauplatz der Tugend“ von 1677, zwei Translationsspiele von 1688 und 1694, ein Alto-Spiel (über den heiligen Abt Alto) von 1730. Für die Ortschaft Altomünster ein Passionsspiel von 1753, das am Zisterzienserkloster Fürstenfeld beheimatete Huldigungsspiel Glaube, Gerechtigkeit und Stärke zu Ehren des Kurfürsten Karl Albrecht von 1739, ein Singspiel zu Ehren des Propstes Gelasius Morhart von 1759 am Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf und für das Augustiner-Chorherrenstift Weyarn das Schulspiel Edmundus von 1646/1649.

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Handke, Emilia: Religiöse Jugendfeiern zwischen Kirche und anderer Welt. Eine historische, systematische und empirische Studie über kirchlich (mit)verantwortete Alternativen zur Jugendweihe (APrTh 65). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 505 S. Die Studie beginnt mit einer Einführung und einer methodologischen Grundierung, um den Gegenstand und seine Erforschung erfassen zu können. Religiöse Jugendfeiern im Kontext (ost)deutscher Konfessionslosigkeit werden von evangelischer wie katholischer Kirche angeboten in Konkurrenz zur Jugendweihe oder Jugendfeier. Letztere werden als Passageritus begangen, wohingegen die kirchlich verantworteten Jugendfeiern religiösen Charakter haben und mit religiösen Themen vorbereitet und gefeiert werden. Die religiösen Jugendfeiern stehen aber zugleich neben oder sogar in Konkurrenz zur Konfirmation und Firmung, so dass Handke diese religiösen Jugendfeiern intermediäre Feiern nennt. Zunächst werden die Entstehungsbedingungen religiöser Jugendfeiern nach der Wende dargestellt sowie die Debatten darüber in den ostdeutschen evangelischen Kirchen und der katholischen Kirche. Anschließend wird das Profil der religiösen Jugendfeiern eruiert, wie es sich im evangelischen und katholischen Kontext nicht nur in Gemeinden, sondern insbesondere an Schulen etabliert hat. Interessant ist Handkes Erhebung der Perspektiven der Teilnehmenden. Hierfür wurden Interviews durchgeführt und die Perspektive der Eltern, der Jugendlichen und der Konfirmanden erhoben. So wird die Bedeutung des Intermediären greifbar deutlich und ebenso die Erfahrungsmöglichkeiten, die religiöse Jugendfeiern für die Jugendlichen selbst, aber auch für die Kirche im mehrheitlich konfessionslosen Kontext, darstellen: „Wenn sie dort für breite Teile der Bevölkerung relevant werden will“ und sich nicht nur „auf ihre ‚eigentlichen‘ Aufgaben bzw. Kernkompetenzen konzentrieren will (…), dann müssen sich die kirchlichen Perspektiven im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten auf „ein Denken der Investition“ ausrichten und religiöse Lern- und Sozialisierungsvorgänge auch jenseits der klassischen kirchlichen Angebote initiieren. Grundlage dafür ist die Überzeugung von der Güte eines an bzw. in der christlichen Religion gebildeten Lebens (dass „die Jugendlichen mit dem Evangelium in Berührung kommen“; „Jugendlichen zu ermöglichen, ihr Leben durch die Glaubensdimension zu erweitern“ u. a.). Dazu können Religiöse Jugend­ feiern beitragen.“ (476) Härle, Wilfried: Von Christus beauftragt. Ein biblisches Plädoyer für Ordination und Priesterweihe von Frauen. Evangelische Verlagsanstalt / Bonifatius: Leipzig / Paderborn 2017, 182 S. Härle stellt fest, dass die Bibelstellen, die die evangelischen Kirchenleitungen für die Begründung der Frauenordination anführen, wenig überzeugend sind; stattdessen wird mit der veränderten Bedeutung der Frau in der modernen Gesellschaft argumentiert. Härle legt dar, dass sich unter gegenwärtigen Lebensbedingungen eine Frauenordination und Priesterinnenweihe mit Bibelstellen begründen lässt. Er führt auch das Dekret von Papst Franziskus vom 3. Juni 2016 an, der den Gedenktag der Maria Magdalena in denselben Rang erhebt wie die Gedenktage der übrigen Apostel. Schon Papst Johannes Paul II. hatte festgestellt, dass Maria von Magdala eine Apostelin gewesen ist, weil sie erste Zeugin der Auferstehung war. Härle führt viele Bibelstellen an: Schöpfungsaussagen, Sündenfall; Mann- und Frauseins in Christus Jesus; dann die biblischen Aussagen zur Verkündigung von Frauen im paulinischen Schrifttum wie in den Evangelien und der Apostelgeschichte, er geht ein auf das Allgemeine Priestertum (auch bei Luther). Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und stellt fest, dass es gegen die Frauenordination wie gegen die Priesterweihe eigentlich kein Argument gibt.

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Henkel, Jürgen: Dumitru Stăniloae. Leben – Werk – Theologie. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 560 S.  Das Werk des orthodoxen, rumänischen Theologen Dumitru Stăniloae (1903–1993) wird in diesem Buch recht ausführlich dargestellt. Stăniloaes Dogmatik ist bislang das einzige seiner Werke, das in deutscher Übersetzung erschienen ist. Da die orthodoxe Theologie immer eine große Nähe zur Liturgie und Liturgietheologie hat, ist nicht nur dieses dogmatische Werk von Interesse, sondern auch andere, sich auf die Kirchenväter beziehenden Werke und insbesondere sein Buch zur Liturgie: Spiritualitate şi Communiune în Liturghia orthodoxă, Craiova 1986 / Bukarest 22004. Henkel führt zunächst in Stăniloaes Leben und Wirken ein, um dann die grundlegenden dogmatischen Topoi darzustellen, wie Stăniloae sie in seiner Dogmatik ausgeführt hat. Die fundamentaltheologischen Prolegomena stellen die Grundlage für die Theologie und die theologische Methode Stăniloaes dar, die auf der Offenbarung Gottes und dem Reden von Gott in Schrift, Kirche und Tradition fußt. Daran schließt sich die Trinitätslehre an. Es folgen die Schöpfungslehre und Anthropologie, die Christologie und ein Kapitel zur Philokalie, zu der Frömmigkeit und dem Glauben der Kirchenväter. Stăniloae hat von 1946 bis 1991 in zwölf Bänden Kirchenvätertexte publiziert und die Urtexte ins Rumänische übersetzt. Die Darstellung der Theologie Stăniloaes wird fortgesetzt mit der orthodoxen Spiritualität, Askese und Mystik als Erfahrung der Gottesliebe, Gotteserkenntnis und Gottesgemeinschaft, um schließlich Stăniloaes Liturgiekommentar zu würdigen, der 1986 erschienen ist. Es geht dabei um die Heiligung der liturgischen Gemeinde und ihre Vereinigung mit Christus und der Hl. Trinität. Die beiden letzten Kapitel befassen sich mit der engen Verbindung von Nation, Volk, Orthodoxie und Reich Gottes, mit dem Reich Gottes und dem Eschaton, mit der ewigen Berufung von Mensch und Kosmos. In allen Kapiteln wird oft in deutscher Übersetzung aus dem Werk Stăniloaes zitiert, so dass seine Argumentation und seine Darlegung theologischer Sachverhalte gut nachvollzogen werden können. Alle Kapitel enden mit einer Zusammenfassung. Das ganze Buch wird mit einem Epilog beschlossen, in dem das theologische Werk Stăniloaes zusammenfassend gewürdigt wird. Eine Bibliographie und ein Personenregister sind beigegeben. Herms, Eilert / Žák, Lubomir (Hg.): Taufe und Abendmahl im Grund und Gegenstand des Glaubens (Theologische Studien zur römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Lehre). Mohr Siebeck / Lateran University Press: Tübingen / Rom 2017, 542 S. Die internationale Forschungsgruppe zu Themen der Ökumene in fundamentaltheologischer Perspektive legt einen dritten Berichtsband vor. Der erste Band hatte den Glauben zum Thema, der zweite Wort und Sakrament (vgl. JLH 51 [2012], 126). Auch im dritten Band werden die Referate und die jeweiligen Protokolle der Diskussion abgedruckt. Dabei haben je ein lutherischer und ein römisch-katholischer Theologe sowohl die lutherischen wie auch die römisch-katholischen Lehrtexte dargestellt und interpretiert. Das ausführliche Protokoll zeigt die Ergebnisse der anschließenden Diskussion. In ihrem Vorwort gehen die Herausgeber in Reaktion auf die beiden vorausgehenden Bände auf die Frage ein, warum denn Lehrtexte und nicht biblische oder auch wichtige theologische Texte Gegenstand der Studien seien. Die Antwort ist klar: „Weil die Kirche die Gemeinschaft des Glaubens ist, hat sie die Wahrheit des biblischen Offenbarungszeugnisses auch gemeinschaftlich zu bezeugen.“ So gibt es einen Konsens in der jeweiligen Kirche über das angemessene Sachverständnis des biblischen Zeugnisses (res), der in den Lehrtexten dokumentiert ist. Für das Verstehen der Lehrtexte

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wurde dieselbe Hermeneutik verwendet wie für das Verstehen der biblischen Texte: Es muss die Differenz zwischen dictum, intentio und res beachtet werden. Denn der Sprecher / Schreiber will (intentio) ein reales Geschehen (res) in Worte fassen (dictum). Dieses hermeneutische Vorgehen macht es möglich, dass nicht identische dicta als Ausdruck identischer Sachverhalte (res) fehlinterpretiert werden und vice versa. Entsprechend produktiv sind die Vorträge und die Diskussionen. Dass bei der Lehrbetrachtung auch die Feier von Taufe und Abendmahl und die dazugehörigen Texte Beachtung finden, versteht sich von selbst. Die Herausgeber haben, was angesichts der Erörterungen nicht verwundet, diesen dritten wie die beiden vorausgehenden Bände dem emeritierten Papst Benedikt XVI. gewidmet: „Benedicto XVI. sub unica Veritatis auctoritate studiorum theologicorum promotori.“ (XII) Heuft, Gereon: Not lehrt (nicht) beten. Repräsentative Studie zu religiösen Einstellungen in der Allgemeinbevölkerung und von Patienten der psychosomatisch-psychotherapeutischen Ambulanz eines Universitätsklinikums (Studien zur Praktischen Theologie 1). Aschendorff: Münster 2016, 308 S. Prof. Dr. med. Dr. theol. Gereon Heuft ist Gründer der Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Münster im Zivilberuf und Diakon der römischkatholischen Kirche. Er bemerkte während seiner Arbeit als Arzt mit schwer erkrankten Menschen, was Seelsorger auch wahrnehmen: „Denn von beiden Professionen will eine steigende Anzahl von körperlich Erkrankten offensichtlich nichts (mehr) wissen! Sie vertreten angesichts der vom Leben zugemuteten Kontingenz vehement ihre ‚selbstbestimmten‘ Lösungen.“ (11) Heuft fiel auf, dass in der Säkularisierungsdebatte intrapsychische Dynamiken kaum berücksichtigt werden. So hat er im Jahr 2013 einen Fragebogen entwickelt, den er allen vorlegte, die die psychosomatisch-psychotherapeutische Ambulanz des Universitätsklinikums Münster aufsuchten. Die Antworten wurden mit einer bundesweiten repräsentativen Stichprobe verglichen. Die Hauptfrage lautet, ob Patienten, die eine schwere Erkrankung verarbeiten müssen, im Vergleich zu anderen Menschen eine stärkere Gläubigkeit und eine vertiefte Spiritualität zeigen und während der Erkrankungszeit eine zunehmende religiöse Praxis aufweisen. Lehrt Not beten? Die Antwort: „Als einziger relevanter Unterschied zwischen den Patienten und der Allgemeinbevölkerung zeigt sich, dass die Patienten die Aussage, dass religiöse Fragen in ihrem Leben eine stärkere Rolle spielen mögen, eher bejahen. Not lehrt insofern vielleicht eher ‚suchen‘; und solche Suche kann selbstverständlich auch ins Leere gehen.“ (12) Heuft macht auch die Selbstoptimierung der Menschen und ihr Selbstverständnis als Marktteilnehmer geltend, um aufmerksam darauf zu machen, wie schwer es fallen wird, Hilfe in Anspruch zu nehmen und das Angewiesensein zu akzeptieren und zu vollziehen. Das gilt dann auch für grundlegende Glaubensfragen und – was diese Untersuchung natürlich nicht eigens thematisiert – für die Feier der Liturgie. Kerner, Hanns / Rehm, Johannes / Weiss, Hans-Martin (Hg.): Das geistliche Amt im Wandel. Entwicklungen und Perspektiven. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 224 S. Dass das geistliche Amt, das Berufsbild und das Selbstverständnis von Pfarrern und Pfarrämtern in Frage steht, ist in aller Munde, und vielerorts wird an Bestimmungen und Neudefinitionen von Pfarrerbildern gearbeitet. Auch dieser Sammelband nimmt die Diskussion auf und legt einen besonderen Schwerpunkt auf den Wandel, wie er sich in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern zeigt. Folgende Fragestellungen sind für die Beiträge leitend: „Wie hat sich die Wahrnehmung des geistlichen Amtes in unserer Kirche im Verlaufe einer Generation verändert? Worin genau besteht die

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Veränderung? Und wie ist dieser Wandel auf dem Hintergrund unserer Bekenntnisgrundlagen zu beurteilen?“ (5) In den Beiträgen geht es um die Bibel als Grundlage der Pfarramtspraxis, um das geistliche Leben und das geistliche Leiten im Pfarrberuf, es werden umfassende Überlegungen zur Reform der Ausbildung zum Pfarrberuf vorgelegt, Entwicklungen zur Amtstheologie – auch in ökumenischer Perspektive – werden benannt, die Gottesdienstpraxis wird ebenso mitbedacht. Weitere Themenfelder sind politische Fragen, Sorge um die Gesundheit im Pfarrberuf, Frauenordination, Pfarrhaus, Dienstvergehen, Leitung. Klie, Thomas / Sparre, Sieglinde (Hg.): Erinnerungslandschaften. Friedhöfe als kulturelles Gedächtnis (PTHe 149). Kohlhammer: Stuttgart 2017, 213 S. Friedhöfe sind Erinnerungslandschaften, was insbesondere für das regionale Gedächtnis gilt. Einzelschicksale, Familiengeschichte, auch Dorf- und Stadtgeschichte wird hier repräsentiert. Das Totengedenken wird privat, aber auch öffentlich vollzogen. Dieses kulturelle Gedächtnis erhält mit der Grabstelle einen Raum und eine Gestalt, die von Kirchen und Kommunen als Friedhofsträger verantwortet werden. Letztere sind als Erinnerungsgemeinschaften herausgefordert, insbesondere, wenn sich die Bestattungskultur im Wandel befindet. Die Perspektiven werden interdisziplinär aus sozial- und kulturwissenschaftlicher sowie theologischer Sicht beleuchtet unter Stichworten wie Trauer und Raum, Geschichte der Friedhöfe, kommunikatives und kulturelles Gedächtnis, Erinnerung und Individualisierung, Bildpräsenz, Friedhöfe in der Literatur, Friedhofsgebräuche, Friedhofspädagogik, jüdische Friedhöfe. Dass gerade kirchliche Friedhöfe noch einiges zu verbessern hätten und ein eigenes Profil gegenüber kommunalen Friedhöfen zeigen könnten, legt Klie in seinen Überlegungen dar, die den Sammelband abschließen. Lehnert, Christian: Der Gott in einer Nuß. Fliegende Blätter von Kult und Gebet. Suhrkamp: Berlin 2017, 237 S. Das Buch besteht aus 82 „Blättern“, jedes Blatt beginnt mit einem Wort, das kursiv gesetzt ist und anzeigt, was der Leser erwarten kann. Die 82 Blätter wiederum sind Kapiteln zugeordnet. Jedes Kapitel signalisiert, um welches liturgische Element es gehen wird: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. / Gloria Patri / Kyrie, eleison / Gloria in excelsis Deo / So steht es geschrieben. / Credo … Ich glaube … / Sanctus / Benedictus / Agnus Dei. Die Blätter bieten Reflexionen, Erzählungen, Visionen, Beobachtungen, Meditationen etc. Dabei kommen nicht allein anregende, sondern auch verstörende Gedanken zum klassischen Ordinarium zu Wort. Und ein mystisches Gotteserlebnis: Gott ist ein lauter Nichts. Es bedarf eigentlich nicht des Hinweises, dass es sich hier nicht um ein wissenschaftliches, sondern um ein poetisches Buch handelt (im Anmerkungsapparat finden sich dafür aber viele wissenschaftliche Werke), das aber gleichwohl von einem Theologen, der Pfarrer ist und als Gemeindefarrer tätig war und nun am Liturgiewissenschaftlichen Institut der VELKD bei der Universität Leipzig tätig ist, geschrieben wurde. Lumma, Liborius Olaf: Die Komplet. Eine Auslegung des römisch-katholischen Nachtgebets. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 240 S. In der Einführung legt Lumma dar, dass es sich bei dieser Studie nicht um eine vorrangig historische Rekonstruktion der Komplet handelt, sondern um einen theologischen Kommentar. Dass hierzu historische Rekonstruktionen eine gewichtige Rolle spielen, steht außer Frage. Zunächst wird der Zeitansatz am Abend vor der Nachtruhe gewürdigt. Er wird auch theologisch als Einüben des Sterbens gedeutet, ohne dabei die Aussicht auf das ewige Leben zu vergessen. Nach dem Eröffnungsversikel und der Gewissenserforschung mit Schuldbekenntnis folgt ein Hymnus. Er variiert

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je nach Wochentag, gegebenenfalls auch nach der Kirchenjahreszeit, und thematisiert die Nacht und den Tod. Für jeden Wochentag schließen sich verschiedene Psalmen an, wobei Lumma anfragt, ob die Psalmenauswahl immer theologisch sinnvoll ist und nicht doch einen anderen Akzent legt als die Konzentration auf den Tod; so führt Ps 87 eben nicht in das Gottvertrauen, sondern in die Gottverlassenheit. War die Kurzlesung traditionell an allen Tagen des Jahres Jer 14,9b, so ist nun auch hier der Wochenrhythmus eingeführt worden, so dass für jeden Wochentag eine andere Lesung vorgesehen ist. Das Responsorium auf den Psalm bleibt mit Ps 30,6 jeden Abend gleich und bringt das Gottvertrauen zum Ausdruck. Die Komplet erreicht mit dem folgenden Nunc dimittis (Lk 2,29–32) ihren Höhepunkt, ähnlich der Laudes mit dem Benedictus und der Vesper mit der Magnificat, indem nun mit Simeon danksagend Abschied genommen wird. Das Nunc dimittis wird nicht variiert, sondern bleibt an allen Abenden gleich. Die sich anschließende Oration hingegen wird für alle Wochentage variiert. Die Orationen für Samstag, Sonntag und Freitag thematisieren Tod und Auferstehung Jesu Christi, die Orationen für Montag bis Donnerstag wertet Lumma dagegen als moralisierend, denn in ihnen wird statt der eschatologischen Bedeutung des Schlafengehens das vergangene und bevorstehende Tagwerk thematisiert. Mit dem abschließenden Segensspruch begibt sich der Betende ganz in Gottes Schutz, da der Schlaf dem Menschen seine Verfügungsgewalt über sich selbst nimmt. Nach dem Segen können noch marianische Antiphonen gesungen werden. Ein eigenes Kapitel würdigt die Wochentagsproprien. In einem weiteren Kapitel setzt sich Lumma unter dem Titel Ökumenische Aspekte mit „nichtrömischen okzidentalen Liturgien“ auseinander; damit gemeint sind das Evangelische Gesangbuch der EKD, das Evangelische Tagzeitenbuch der Michaelsbruderschaft, das Christkatholische Gebet- und Gesangbuch (Schweizer Altkatholiken), das anglikanische Book of Common Prayer der Church of England sowie die Komplet der orientalischen Liturgien des byzantinischen, koptischen, maronitischen, ostsyrischen, äthiopischen Ritus. In allen Kapiteln helfen Tabellen, um sowohl den Verlauf als auch den Vergleich der Kompletordnung zu überblicken. Das letzte Kapitel stellt in sechs Thesen die Theologie der Komplet dar, geht der Frage nach, ob es eine Idealgestalt der Komplet gibt, inwiefern sie eine Gemeinde- und Gemeinschaftsliturgie und / oder ein Ritual für das private Gebet ist und was für eine Revision der Komplet zu beachten wäre. Im Resümee hält Lumma fest, dass aufgrund des monastischen Pflichtgebets, zu dem auch die Komplet gehört, eine Variationsbreite erarbeitet wurde, die „ein[en] Verlust an theologischer Pointiertheit“ mit sich brachte, „die die Intention dieses Rituals nicht mehr in ausreichender Deutlichkeit hervor­treten lässt – dies zeigt sich auch im ökumenischen Vergleich.“ (209 f). Mölich, Georg / Nussbaum, Norbert / Wolter-von dem Knesebeck, Harald (Hg.): Die Zisterzienser im Mittelalter. Böhlau: Köln / Weimar / Wien 2017, 393 S. Der erstaunliche Aufstieg des Zisterzienserordens (650 Klostergründungen innerhalb von zweihundert Jahren) und seine effiziente Organisation veranlassen die Herausgeber zu der Schlussfolgerung, dass „die Zisterzienser den ersten echten ‚Orden‘ im Sinne einer abgeschlossenen Gemeinschaft innerhalb der Kirche mit festen Regeln“ (9) bildeten. Das trifft auch für die spirituelle Kompetenz zu, da im Mittelalter innerhalb kurzer Zeit viele Menschen in diesen Orden eintraten. Der Band verdeutlicht mit Beiträgen und Bildern, wie sich die Spiritualität in der Architektur der Klöster und in der Buch-Bildlichkeit zeigt. Das betrifft nicht nur die Klosterkirche und das Kloster selbst, sondern auch die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude. Das liturgische Singen und die damit verbundene Regulierung des liturgischen Vollzugs durch

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schriftliche Normierung ist hiervon ebenso geprägt wie die Regel, dass die liturgischen Bücher für den Gottesdienst überall einheitlich sein sollen. Zu den Beiträgen werden hilfreiche Abbildungen mittelalterlicher Handschriften geboten. Viele Abbildungen von Gebäuden etc. verdeutlichen, wie die Spiritualität der Zisterzienser sichtbar geworden und es bis heute geblieben ist. Das Buch wird eingeleitet mit Beiträgen über die rasche Ausbreitung des Zisterzienserordens, ebenso wird über das monastische Wirtschaftshandeln und über das Verhältnis von Orden und Herrschaft gehandelt. (Vgl. dazu auch unten unter IV. Kirchbau: LVR-LandesMuseum Bonn u. a.: Die Zisterzienser. Möllenbeck, Thomas / Schulte, Ludger (Hg.): Spiritualität. Auf der Suche nach ihrem Ort in der Theologie. Aschendorff: Münster 2017, 311 S., 113 schwarz-weiße und farbige Abb. Mit vier Beiträgen wird in den Begriff der Spiritualität eingeführt, indem die Relationen sowohl von Spiritualität und Kontemplation als auch von Spiritualität und Theologie erörtert werden, auch in die Theologie der Spiritualität wird eingeführt und abschließend eine Meditation geboten. Darauf folgen zahlreiche Beiträge, die den Ort der Spiritualität suchen: mit der Bibel, in der seelsorglichen Praxis, im Diskurs, oder die eine Begründung dafür entfalten, warum es einer Spiritualität bedarf. Unüberhörbar ist in den Beiträgen die Auffassung, dass es eigentlich ohne Spiritualität bzw. ohne Glauben gar keine Theologie, die dem Glauben angemessen ist, geben kann. Der Verlust von Spiritualität, Kontemplation, Frömmigkeit und – alles in allem – Glauben in der Kirche wie in der Gesellschaft erschwert eine angemessene Theologie, weil dem Glauben kein theoretisches Konstrukt zugrunde liegt, sondern Glaubenserfahrung bzw. spirituelle Erfahrungen. Nord, Ilona: Fest des Glaubens oder Folklore? Praktisch-theologische Erkundungen zur kirchlichen Trauung. Kohlhammer: Stuttgart 2017, 240 S., 8 Fotos. Der Titel des Buches ist als Frage formuliert; im Buch selbst wird diese Frage mit einem „und“ beantwortet: Die kirchliche Trauung ist ein Fest des Glaubens und der Folklore. Folklore wird aber nicht nur als etwas Kitschiges verstanden, sondern Folklore spiegelt die Lebensverhältnisse der Brautleute wider. Sitten und Bräuche geben Auskunft über die Ausführenden. Darum „ist die leitende These dieser kulturhermeneutisch orientierten Auslegung der Trauung, dass Glaube immer nur in kulturellen Praxen zugänglich wird.“ (11) Aufgrund der kulturellen Vielfalt in der Gesellschaft ist für viele Pfarrpersonen die Trauung zum Sorgenkind geworden ist, das meistens Probleme bereitet. Darauf reagiert Nord mit diesem Buch: „Die vorliegende Studien sollen in diesem Sinne vielmehr zeigen, welche Möglichkeiten sich in Zeiten kultureller Diversität und in Räumen mediatisierter Welten für gehaltvolle religiöse Kommunikationen bieten.“ (14) Mit acht Thesen wird die Problematik umrissen, um dann in ganz unterschiedlichen Zugängen Möglichkeiten des Verstehens und Handelns aufzuzeigen: Es geht um die theologische Deutung von Liebe einschließlich des Trausegens, um die Trauung als kulturelles Phänomen, um den Ort der Trauung, um Bibel und Musik, um die Vielfalt von Traugottesdiensten (z. B. Trauung und Taufe, Trauung nach Scheidung[en], interreligiöse Trauung, Trauung homosexueller Menschen etc.). Abschließend wird die Trauung als Fest des Glaubens und der Folklore beschrieben. Peng-Keller, Simon (Hg.): Gebet als Resonanzereignis. Annäherungen im Horizont von Spiritual Care (Theologische Anstöße 7). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 255 S. Gebet als Resonanzereignis zu verstehen bedeutet, sich auf die Unverfügbarkeit, auf Responsivität und Sinnlichkeit des Betens einzulassen. Im Kontext von Krankheit

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und Tod in Bezug auf Spiritual Care bedeutet dies, dass das Beten keine Kranken­ behandlung ist, „sondern antwortet auf den Widersinn von Krankheit, Behinderung, Tod und finaler Trennung. Auf leibsinnliche Art und Weise können sich in Gebetsvollzügen neue Sichtweisen auf das eigene Leben und Erfahrungen von Trost und Behütetsein erschließen.“ (7) Peng-Keller führt in der Einleitung in diesen Sachverhalt ein. Es folgen einige Beiträge, die sich mit grundlegenden Aspekten des Gebets befassen, danach zahlreiche thematische Fokussierungen im Horizont von Spiritual Care: Beten im Krankenhaus, Beten im Horizont von Krankheit und Gesundheit, Trosterfahrung, Sinnsuche, vergebliches Beten, Trauer, rituelles Beten etc. Pius-Parsch-Institut (Hg.): Protokolle zur Liturgie. Veröffentlichungen der Liturgiewissenschaftlichen Gesellschaft Klosterneuburg, Bd. 6. Echter Verlag: Würzburg 2017, 236 S. Es werden ganz unterschiedliche Themen angeboten: Ein Beitrag befasst sich anhand von Schulgottesdiensten mit der Liturgiepädagogik, ein anderer mit dem Kloster­ neuburger Liturgiestreit aus dem Jahr 1952. Des Weiteren geht es in diesem Band auch um das Gemeinsame Priestertum und das Amt in der Kirche. Pius-Parsch-Institut (Hg.): Protokolle zur Liturgie. Veröffentlichungen der Liturgiewissenschaftlichen Gesellschaft Klosterneuburg, Bd. 7. Echter Verlag: Würzburg 2017, 240 S., 1 Abb. Von den zahlreichen Beiträgen in diesem Buch zur Liturgiewissenschaft und zur Liturgie in Kontexten sei der Beitrag von Walter Kardinal Kasper über die Theologie als Dienst am Glauben ebenso hervorgehoben wie drei Beiträge, die sich aus unterschiedlicher Perspektive mit dem Reformationsjubiläum befassen: Helmut Krätzel (Weihbischof in Wien) befasst sich mit Ökumene und Reformationsgedenken, Michael Bünker (Bischof der evangelischen Kirche A. B. in Österreich) mit der Ökumene der Gaben und Alfred Ehrensperger (reformierter Theologie in der Schweiz) mit Sinn und Unsinn eines Reformationsjubiläums. Plüss, David / Kusmierz, Katrin / Zeindler, Matthias / Kunz, Ralph (Hg.): Gottesdienst in der reformierten Kirche. Einführung und Perspektiven (Praktische Theologie im reformierten Kontext 15). Theologischer Verlag Zürich: Zürich 2017, 551 S. Dies umfängliche Werk informiert unter folgenden Fragestellungen über den reformierten Gottesdienst: „Was zeichnet den Gottesdienst der reformierten Kirchen aus? Woher kommt er und aus welchen Quellen schöpft er? Welche biblischen Texte, Motive und Grundsätze waren und sind für ihn prägend? Welche Ursprünge und Entwicklungen gilt es zu kennen, um gegenwärtige Gestaltungsfragen historisch informiert, theologische reflektiert und liturgisch versiert beurteilen zu können?“ (9) So finden sich „informative, differenzierte und zugleich programmatische Beiträge“ (9), und zugleich ist dies quasi ein Lehrbuch für Studierende und Vikare und ihre Lehrenden. Selbstverständlich ist es auch für alle geschrieben, die im Pfarrdienst Gottesdienste gestalten und zu feiern haben. Viele Autoren haben dazu beigetragen, dieses Unternehmen zu verwirklichen. Jeder Beitrag wird mit einer kurzen Zusammenfassung eröffnet, es folgen einführende Literaturangaben und schließlich der Beitrag selbst mit zahlreichen Fußnoten. Das Buch ist in acht Teile gegliedert: Der erste Teil befasst sich mit der Geschichte des reformierten Gottesdienstes von der Reformation an bis heute, dazu gibt es Beiträge für die reformierten Gottesdienste in der Westschweiz und in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Der zweite Teil ist mit Empirie überschrieben und enthält einen Artikel, der sich mit dem empirischen Zugang zur Wirklichkeit von Gottesdiensten befasst. Der dritte Teil gilt der Theologie. Die Themen der Beiträge sind die Ekklesiologie, Gebet und Predigt, All-

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gemeines Priestertum und Amt, Sakramente, reformierter Gottesdienst im ökumenischen Kontext. Der vierte Teil ist mit Grundformen und Wegschritte betitelt. Es geht um folgende Formen: Predigtgottesdienst, Abendmahlsgottesdienst, Gottesdienst mit Taufe, Gebetsgottesdienst, Gottesdienst im Jahreskreis, Bestattung, Traugottesdienst, Konfirmation. Der fünfte Teil befasst sich mit Ästhetik und Performanz: Sprache und Sprechen, Symbole und symbolische Handlungen, Gesang und Musik, Raum und Bild, liturgische Körper. Der sechste Teil beschäftigt sich mit Funktionen und Dimensionen des reformierten Gottesdienstes: öffentliche Verantwortung, dann werden Bildung, Diakonie, Seelsorge und Gemeindeaufbau zusammen reflektiert, und darüber hinaus die Mission. Der siebte Teil erörtert die Vielfalt der Formen. Folgende exemplarische Konkretisierungen werden aufgeführt: Zielgruppengottesdienste, charismatische Gottesdienste, Gottesdienste für Distanzierte, Segnen und Salben. Als achter und letzter Teil folgen Brennpunkte der Praxis: feministische Taufpraxis, Leitung und Beteiligung, Gastfreundschaft und Prophetie (sich im Gottesdienst wohlfühlen, und doch sind Gottesdienste Orte von Protest und Klage), Milieuorientierung und Inklusion. Ein Autorenverzeichnis zeigt, von welchen Autoren und mit welcher Kompetenz die Beiträge für dieses fulminante Werk verfasst wurden. Raschzok, Klaus (hg. im Auftrag der Liturgischen Konferenz): Nordamerikanische Liturgische Theologie. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2017, 237 S. Die Liturgische Konferenz hat sich mit der Liturgischen Theologie beschäftigt, die vorrangig von orthodoxen und katholischen, aber auch von lutherischen, meist nordamerikanischen Liturgikern vertreten wird. Die Vertreter Liturgischer Theologie gehen davon aus, dass die wichtigste Quelle für Theologie zunächst die Feier der Liturgie ist. Der Gottesdienst wird also nicht primär als ein Gestaltungs- und Anwendungsbereich von Theologie verstanden. Das klingt für die meisten deutschsprachigen Liturgiker ungewöhnlich, und so hat die Liturgische Konferenz namhafte evangelische Vertreter der Liturgischen Theologie aus Nordamerika eingeladen und ist mit ihnen ins Gespräch gekommen. Die Gespräche werden in diesem Buch dokumentiert. Zunächst gibt es umfassende und multiperspektivische Einführungen: in die nordamerikanische Liturgische Theologie durch Klaus Raschzok (grundlegend einführend); durch Dorothea Haspelmath-Finatti (Ökumene), Jochen Arnold (deutschsprachige Theologie)  und Ralph Kunz (Hermeneutik der nordamerikanischen Liturgischen Theologie). Es folgen zwei Beiträge des lutherischen Liturgikers Gordon W. Lathrop sowie zwei Beiträge der reformierten Liturgikerin Martha Moore Keish. Lathrop stellt seine Liturgische Theologie vor, die sich am orthodoxen Liturgiker Schneeman wie an Luther orientiert, Moore Keish beleuchtet Calvins Theologie für eine Liturgischen Theologie und legt zehn Thesen zur reformierten eucharistischen Theologie vor. Allsion Werner Hoenen beschreibt, wie die Liturgische Theologie im Gottesdiensterneuerungsprozess der Evangelical Lutheran Church in America Einfluss gewann, Dorothea Haspelmath-Finatti deckt die leiblich-seelischen Verflechtungen von Sinn und Sinnlichkeit im Gottesdienst auf, Jochen Arnold befragt den Gottesdienst als Wegbereiter der Ethik. Stefanie Wöhrle stellt Überlegungen zum homiletischen Verständnis der Liturgischen Theologie an, dazu ist eine Predigt von Allsion Werner Hoenen abgedruckt. Konrad Müller kommentiert die Liturgische Theologie von Gordon w. Lathrop. Als Nächstes wird die Diskussion dokumentiert, die die Tagungsteilnehmer mit Lathrop und Moore Keish geführt haben. Zwei kurze Beiträge folgen: Christine Jahn gibt als Beobachterin dieser Tagung ihre Eindrücke wieder und Luca Baschera unterstreicht noch einmal, dass auch Calvin die Liturgische Theologie inspirieren kann. Das allerdings hat manchen Tagungsteilnehmer überrascht, weil man ja

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Calvin zunächst eigentlich eher nicht mit Liturgie in Verbindung bringe. Dem Band ist eine Kurzbibliographie der nordamerikanischen Liturgischen Theologie beigegeben. Schindehütte, Katrin: Der Kirchenraum als Topos der Dogmatik (Dogmatik in der Moderne 19). Mohr Siebeck: Tübingen 2017, 208 S. Kirchenräume, zumal wenn sie in größeren Städten zentral gelegen sind und eine gewisse Bekanntheit haben, werden von zahlreichen Touristen besucht: Kirchenräume faszinieren. Schindehütte geht in ihrem Buch der Frage nach: Was suchen Menschen in Kirchenräumen? Um eine Antwort zu formulieren, erörtert sie im ersten Teil der Arbeit die Perspektiven  – theologische, gesellschaftliche, individuelle  –, mit denen Kirchenräume gedeutet werden können. Im zweiten Teil bezieht sie den Diskurs des spatial turn der Kultur- und Geisteswissenschaften mit ein, allerdings mit der Beschwernis, dass es zahlreiche Raumkonzepte gibt, die sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Schindehütte reduziert die Komplexität auf den absoluten und relativen bzw. relationalen Raum und fragt nun nach der Struktur von Raum. Fruchtbar werden diese Erörterungen, indem Schindehütte beim Individuum ansetzt und dafür die Ausführungen von Ulrich Barth über die ästhetische und religiöse Erfahrung (Religion in der Moderne) zugrunde legt. Sie formuliert daraufhin ihre eigene Raumdefinition: „Raum ist Positionierungsaufgabe!“ (100) Denn der Raum ist seinerseits schon durch seine Art und Weise positioniert, aber auch der Mensch, der einen Raum betritt, ist seinerseits schon positioniert. Insofern zeigt sich der Raum, da nun ein Ineinander der Positionen relational eröffnet wird, von sinnlicher, emotionaler und reflexiver Art. „Ein umfassendes Verständnis des Raumes hat die beiden konstitutiven und relational aufeinander bezogenen Dimensionen des Raumes als aktive Positionierungsleistung des Menschen einerseits und als dessen zu erfahrende Positioniertheit andererseits im Ansatz zu integrieren.“ (111) Der Kirchenraum ist also ein positionierender Raum, weil er durch seinen historisch-architektonischen Ausdruck die menschliche Positioniertheit vor Gott darstellt und weil die kirchlichen Ausstattungsstücke (z. B.  Kreuz oder Taufbecken) als Symbole menschlicher Positioniertheit vor Gott erfahren werden können. Insofern ist der Kirchenraum ein ausgezeichneter Ort menschlicher Positioniertheit, weil es darum geht, „den Kirchenraum als möglichen Ort eigener Positioniertheit vor Gott für das Individuum erfahrbar werden zu lassen.“ (187) Vögele, Wolfgang: Sono auribus viventium. Kultur und Theologie des Glockenläutens in Reformation und Moderne (Ästhetik – Theologie – Liturgik 68). LIT: Berlin 2017, 257 S. Nicht nur die Reformation, sondern auch die Moderne bringt Veränderungen mit sich, wenn es um das Hören von Glockengeläut, hier speziell das Glockenläuten im religiösen Kontext, geht. Die Reformatoren haben dem „evangelischen“ Glockenläuten andere Bedeutungen gegeben als dem überkommenen „katholischen“ Läuten. Und heute muss sich das Glockenläuten in der modernen Geräusch- und Lärmwelt behaupten. Ausgehend vom musikwissenschaftlichen Begriff „Soundscape“ wird erörtert, in welcher Klangwelt, die sich mit den anderen sinnlich wahrnehmbaren Welten (Sehen, Riechen etc.) vermischt, Menschen in ihren jeweiligen Zeiten gelebt haben und leben. Dazu wird die akustische, theologische und soziale Bedeutung des Glockenläutens in historischen Kontexten erläutert. Schon die Reformationszeit hat das Glockenläuten erheblich verändert, und auch das 19. und das 20. Jahrhundert haben das Läuten und Hören von Glocken beeinflusst. Abschließend werden heutige Läuteordnungen dargelegt und Vorschläge unterbreitet, wie die Praxis des Glockenläutens den modernen Bedingungen angepasst werden kann. „Der akustische Sinn einer

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öffentlichen Theologie wäre im Gegenüber von Läuten und Stille in einer zunehmend pluralisierten Klanglandschaft zu sehen. Das Läuten muß verstanden werden als Einladung, sowohl zum Gottesdienst als auch zum Gebet, das den Tagesablauf für einen Moment der Stille unterbricht. Dieses Läuten der Glocke vom Kirchenturm ist eine akustische Quelle innerhalb einer Vielzahl von anderen akustischen Quellen, die zunehmend mehr Lärm erzeugen. In einer verlärmteren Welt ist das Läuten vorsichtig und mit Bedacht einzusetzen.[…] Und es ist darüber hinaus zu bedenken, daß die Gemeinden mit den Glocken nicht nur Klänge erzeugen, sondern daß diesen Klängen auch Räume und Zeiten der Stille gegenüberstehen müssen: Zeiten des Gebets, der spirituellen Betrachtung, des Gottesdienstes.“ (236) Zeiß-Horbach, Auguste: Evangelische Kirche und Frauenordination. Der Beitrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur deutschlandweiten Diskussion im 20. Jahrhundert (Historisch-theologische Genderforschung 8). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 455 S., 1 CD-ROM. Die Studie zeigt, „wie es zur schrittweisen Veränderung theologischer Ansichten und praktischer Regelungen hinsichtlich der Frage der Frauenordination kam.“ (15) Die Autorin stellt die deutschlandweite Diskussion zum Thema Theologin und Frauen­ ordination im 20. Jahrhundert und die sich daraus entwickelnde Theologinnengesetzgebung und Frauenordination dar. Anschließend wird die Entwicklung für die bayerische Landeskirche nachgezeichnet: 1919 immatrikulierte sich die erste Theologiestudentin in Erlangen, 1944 kam es zum Vikarinnengesetz, das in überarbeiteter Form bis 1970 galt. Die Frauenordination wurde 1975 eingeführt. Die historische Darstellung wird vertieft durch Beispiele von Frauen im geistlichen Amt und von ihrem Selbstverständnis als Theologinnen. Dazu wird der Diskussionsgang anhand der Argumente der VELKD und der bayerischen Landeskirche dargestellt; auch die Gegner der Frauenordination werden mit ihren Argumenten vorgestellt. Fragen der Geschlechterordnung und des Geschlechterverhältnisses werden formuliert, insbesondere werden amtstheologische und ekklesiologische Argumente in Anschlag gebracht. Zimmerling, Peter (Hg.): Handbuch Evangelische Spiritualität, Bd. 1: Geschichte. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 828 S. Zimmerling legt hiermit als Herausgeber den ersten Band eines auf drei Bände konzipierten Handbuches Evangelischer Spiritualität vor. Dieser Band nimmt die Geschichte der evangelischen Spiritualität in den Blick, der zweite Band wird sich mit der Theologie, der dritte Band mit den Praxisformen evangelischer Spiritualität befassen. Zimmerling legt in seiner Einführung dar, dass es das Ziel dieses mehr­bändigen Werkes sei, „die reichen Traditionen evangelischer Spiritualität in das theologische Bewusstsein zu bringen und für gegenwärtige wissenschaftliche Diskurse zur Verfügung zu stellen. Das Handbuch soll die Frage klären helfen, inwiefern es eine genuin evangelische Spiritualität gibt und worin ihre Konstitutionsbedingungen und theologischen Grundlagen, ihre Erscheinungsformen, ihre geschichtlichen Veränderungen, ihre Praxis und aktuelle Relevanz, aber auch ihre Gefährdungen bestehen.“ (16) Der Herausgeber hat den vielen Beiträgerinnen und Beiträgern keine Begriffsdefinition von Spiritualität vorgegeben, um nicht schon eingrenzend auf dieses große Themengebiet der Spiritualität einzuwirken. So haben die Beiträger meist zu Beginn ihres Artikels den Begriff so definiert, wie sie ihn verstehen und verwenden. Für sich selbst hält Zimmerling fest: „Ich verstehe unter Spiritualität den äußere Gestalt gewinnenden gelebten Glauben, der die drei Aspekte rechtfertigender Glaube, Frömmigkeitsübung und Lebensgestaltung umfasst. Evangelische, d. h. vom Evangelium geprägte

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Spiritualität wird dabei durch den Rechtfertigungsglauben sowohl motiviert als auch begrenzt. Die Erfahrung, durch Gott gerechtfertigt zu sein, befreit dazu, den Glauben in immer neuen Formen einzuüben und in der alltäglichen Lebensgestaltung zu bewähren. Umgekehrt bewahrt der Rechtfertigungsglaube davor, das eigene spirituelle und ethische Streben zu überschätzen.“ (18f) Die Beiträge stammen nicht allein von theologischen Fachvertretern, sondern auch von Fachleuten aus den Human-, Kultur-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften. Die ersten Beiträge setzen mit dem Spätmittelalter und der Reformationszeit ein und heben dabei besondere Personen wie Luther oder Melanchthon, Zwingli oder Calvin hervor, aber auch die Täufer. Danach folgen Beiträge zu anglikanischer Spiritualität, lutherischer Orthodoxie, Pietismus, methodistischer Spiritualität, Aufklärung, Erweckungsbewegung, Diakonie, freikirchlicher Spiritualität, wie z. B. dem Baptismus, zur Spiritualität der Gemeinschaftsbewegungen, z. B. der Michaelsbruderschaft, es wird ein Versuch über die Spiritualität der Deutschen Christen geboten und selbstverständlich ein Beitrag zur Spiritualität der Bekennenden Kirche. Ein Überblicksbeitrag zur evangelischen Spiritualität der Nachkriegszeit und ein weiterer zur pfingstlich-charismatischen Spiritualität beschließen den geschichtlichen Überblick. Immer wieder werden in den Beiträgen besonders herausragende Personen skizziert, die auch exemplarisch für jeweilige Spiritualitätsformen und -zeiten stehen: z. B. Jakob Böhme, Paul Gerhardt, Philipp Jakob Spener, August Hermann Francke, Gerhard Tersteegen, Friedrich D. E. Schleiermacher, Johann Hinrich Wichern, Adolf von Harnack, Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer.

IV. Kirchenbau LVR-LandesMuseum Bonn / Uelsberg, Gabriele / Alteringer, Lothar / Mölich, Georg /  Nuß­baum, Norbert / Wolter-von dem Knesebeck, Harald (Hg.): Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster. Bonn 2017, 368 S., zahlr. Abb. Dieses Begleitbuch zur Ausstellung über die Zisterzienser in Bonn zeigt das reiche und bis heute wirkende Erbe der mittelalterlichen Zisterzienser. Die abgedruckten Schätze dokumentieren, wie gebaut, geschrieben, gelesen, gebetet, gewirtschaftet, gelebt etc. wurde. Dabei stechen wie immer die Einheit und die Einfachheit der Architektur und der Raumkonzepte der Zisterzienser hervor. Einen besonderen Augenmerk darf man dem Beitrag über die Liturgie und ihre Dinglichkeit schenken. Hier wird die Ausstattung von Liturgie und Hochaltar beschrieben und bebildert: Kelche und Kelchschrank, Altartuch, Altarkreuze, Reliquientafel, Muttergottesfigur etc. Eindrücklich sind auch die Schriftlichkeitsabbildungen mit den Abdrucken von Antiphonaren, Gradualen etc. Es folgen einige Beiträge zur aktuellen Forschung. Der Band sammelt beeindruckende Zeugnisse aus dem mittelalterliche Wirken der „weißen Mönche“. Zimmerling, Peter (Hg.): Universitätskirche St. Pauli. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Festschrift zur Wiedereinweihung der Universitätskirche St. Pauli in Leipzig. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 298 S., zahlr. Abb. Am 3. Dezember 2017 konnte die Universitätskirche St. Pauli wieder eingeweiht werden. Die Kirche wurde 1968 durch das Betreiben der Universität und des SED-Regimes gesprengt und zerstört. Heute steht an ihrer Stelle nun ein moderner Neubau, der den Namen Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli trägt, weil sich hier Aula und Kirche einen Raumkomplex teilen. Dieser höchst umstrittene Vorgang wird

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in der Festschrift ebenso dargelegt wie die reiche Geschichte der Paulinerkirche, die als Klosterkirche des Dominikanerordens erbaut worden war und nach Einführung der Reformation der Universität übereignet wurde. Das Buch wird mit zahlreichen Grußworten eröffnet, denen einige Predigten folgen: Martin Luthers Predigt am 12. August 1545, Gottfried Olearius’ Predigt zur Eröffnung des regelmäßigen Universitätsgottesdienstes am 31. August 1710, Georg­ Rietschels Predigt zur Wiedereröffnung der umgebauten und restaurierten Paulinerkirche am 11. Juni 1899, Heinz Wagners Predigt vom 23. Mai 1968 im letzten Gottesdienst vor der Sprengung, Peter Zimmerlings Baustellenpredigt am 6. Dezember 2009 und Rüdiger Lux’ Baustellenpredigt am 31. Oktober 2010 während der Bauphase. In den beiden folgenden Kapiteln wird die Paulinerkirche in ihrer Geschichte und Wirkung gewürdigt, dann werden der Neubau und seine Umstrittenheit thematisiert. Das abschließende Kapitel widmet seine Beiträge zur Bedeutung der Universitätsgottesdienste und der Kirchenmusik dem Gottesdienst inmitten der Universität und insbesondere auch dem Gebäude, das zwischen Aula und Kirche changiert. Abgedruckt sind auch drei Urkunden, die bei der Altarsteingrundlegung verwendet wurden. Zahlreiche Abbildungen aus Geschichte und Gegenwart dokumentieren auf ihre Weise die Geschichte dieser Kirche und ihres Ortes.

V. Artikel Arx, Urs von: Revision der liturgischen Texte der christkatholischen Gottesdienste in der Schweiz. In: Internationale Kirchliche Zeitschrift 107 (2017), 149–156. Böntert, Stefan: Du hast uns geschaffen, doch wir kennen dich kaum. Gottesdienst feiern im Angesicht des Zweifels. In: LJ 67 (2017), 69–90. Deeg, Alexander: Von der vierfachen Gestalt des Wortes Gottes. Eine evangelische Perspektive zur Frage nach der Christusgegenwart in der Verkündigung der Schrift. In: LJ 67 (2017), 29–46. Dieter, Theodor: Der ökumenische Gottesdienst in Lund am 31. Oktober 2016. Ein theologischer Kommentar. In: Theologie der Gegenwart 60 (2017), 301–314. Heid, Stefan: Funktion und Ausrichtung des Ambo in der byzantinischen und römischen Tradition. In: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 112 (2017), 76–102. Kaiser, Jochen: „Gefeierte Ökumene“ im Widerstreit der Konfessionen? Eine Gegenthese zur Annahme einer gemischtkonfessionellen Stundenliturgie des Domkapitels in Halberstadt. In: ALw 56 (2014), 223–234. Kranemann, Benedikt: Gottesdienst und Moderne: Liturgiewissenschaft im Gespräch mit den „Ritual Studies“. In: Theologie und Glaube 107 (2017), 247–260. Langenbahn, Stefan K.: „… dass es auch heute solche gibt, die aus den Voraussetzungen heraus lesen, aus denen das Büchlein geschrieben ist.“ Plädoyer für eine historischkritische Lektüre und Edition von Romano Guardinis „Vom Geist der Liturgie“. In: LJ 67 (2017), 91–104. Melzl, Thomas: Text, Intertext, Archiv. Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis von Agende. In: Lutherische Theologie und Kirche 41 (2017), 71–92. Riegel, Jürgen: Die Stola – textile Symbolisierung des Dienstes vor Gott. In: LJ 67 (2017), 105–130. Rosenberger, Michael: Tiere bestatten? Theologische Überlegungen zu einem gesellschaftlichen Trend. In: Stimmen der Zeit (2017), 531–539.

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Rouwhorst, Gerard: Vielfalt von Anfang an. Pluralität in der Liturgiegeschichte. In: ALw 57 (2015) 1–23. Söding, Thomas: Gottes Gegenwart in seinem Wort. Lukanische Perspektiven zur Theologie der Liturgie. In: LJ 67 (2017), 3–28. Winter, Stephan: „… seid nicht gleichförmig …“ (Röm 12,2). Das Widerständige der Liturgie als Quelle christlicher Spiritualität. In: LJ 67 (2017), 139–159. Zerfaß, Alexander: Das Responsorium des Stundengebets in seiner Beziehung zur Psalmodie. Überlegungen zum Ursprung und Charakter einer liturgischen Gattung. In: ALw 56 (2014), 1–15. Zerfaß, Alexander: Und das Wort ist Fleisch geworden (Joh 1,14). Zur Gegenwart Christi in der gottesdienstlichen Schriftverkündigung. In: LJ 67 (2017), 47–62.

VI. Einführungen und Lehrbücher Blum, Heribert: Gottes Dienst an uns. Eine Einführung in die Liturgie. Kohlhammer: Stuttgart 2017, 209 S. Diese Einführung wurde von einem Laien für römisch-katholische Laien geschrieben, denn – so vermittelt es Blum in seinem Vorwort – viele Gläubige bemühen sich als Kommunionhelfer, Lektoren, Kantoren und Leitende von Wort-Gottes-Feiern oder ganz allgemein im Bereich von Vorbereitung und Gestaltung von Gottesdiensten, bei der Feier der Liturgie mitzuwirken. Da nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die bewusste und tätige Teilnahme an der Feier nahegelegt wird, sollen mit dieser Einführung auch jene erreicht und mit gutem Fachwissen ausgestattet werden, die als Laien entsprechende Fachbücher als eher nicht nachvollziehbar empfinden werden. Die zehn Kapitel sind in drei Bereiche unterteilt: Im ersten Teil werden grundlegende Fragen zur Liturgie beantwortet, wie etwa: was Liturgie bedeutet, das Zweite Vatikanische Konzil und die Liturgie, die Anrede Gottes in der Liturgie, das Kirchenjahr, die liturgischen Farben, der liturgische Tag und die umfangreiche Erklärung von liturgischen Begriffen. Im zweiten Teil werden die sonntägliche Messe und damit verbundene Grundfragen, wie die Realpräsenz oder die Sonntagspflicht, erklärt. Den Besonderheiten der Kar- und Osterliturgie wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Im dritten Teil werden weitere Gottesdienstformen aufgeführt: die Wort-Gottes-Feiern, die Tagzeitenliturgie und jene Feiern mit anderen Frömmigkeitsformen, wie z. B. die Kreuzwegandacht, der Rosenkranz, die Maiandacht, die Wallfahrten etc. Fechtner, Kristian / Hermelink, Jan / Kumlehn, Martina / Wagner-Rau, Ulrike: Praktische Theologie. Ein Lehrbuch (ThW 15). Kohlhammer: Stuttgart 2017, 289 S. Das Lehrbuch ist in zwei umfangreiche Teile gegliedert: Der erste Teil enthält vier Querschnittsthemen, die die Grundlegung der Praktischen Theologie zum Ausdruck bringen. Der zweite Teil umfasst zehn Handlungsfelder. Die vier Querschnittsthemen sind: Praktische Theologie als Theorie der christlichen Religionspraxis (WagnerRau), Christentum und moderne Gesellschaft (Fechtner), Religion und Gegenwartskultur (Fechtner), Religion und Individuum (Kumlehn). Die zehn Handlungsfelder sind: Kasualien (Fechtner), Kirchentheorie (Hermelink), Pastoraltheologie (WagnerRau), Liturgik (Fechtner), Homiletik (Hermelink), Seelsorge (Wagner-Rau), Religionspädagogik (Kumlehn), Diakonik (Braune-Krickau als Gastreferent), Publizistik (Hermelink), Frömmigkeit / Spiritualität (Kumlehn). Das erste Querschnittsthema legt den Gegenstand, die Zugangsweise und die Aufgabenstellung der Praktischen Theologie dar, sofern sie sich als Theorie der christ-

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lichen Religionspraxis versteht. Die nachfolgenden drei Querschnittsthemen thematisieren unterschiedliche Kontexte der christlichen Religionspraxis in der modernen bzw. spätmodernen Gesellschaft, Religion in der Gegenwartskultur, Religion hinsichtlich des Individuums. Die Beiträge zu den zehn Handlungsfeldern sind immer gleich aufgebaut: Herausforderungen der gegenwärtigen Praxis eröffnen das Handlungsfeld, es folgen Orientierungen am Handlungsfeld, empirische Befunde, historisch-systematische Anschlussstellen, praktisch-theologische Grundbestimmungen, aktuelle Diskurse, Zukunftsfragen und der Hinweis auf zwei weitere Lehrbücher für vertiefende Weiterarbeit. Der von Fechtner verfasste Beitrag zur Liturgik stellt als Herausforderung heraus, dass es eine Spannung zwischen der normativen Zuschreibung der Wichtigkeit des Gottesdienstes und der faktischen Teilhabe gibt. Die liturgischen Formen haben sich vervielfältigt, es ergibt sich eine typisch protestantische Pluralität. Daraus entstehen Fragen: Wodurch werden die Eigenart und die Identität des evangelischen Gottesdienstes definiert? Wodurch kommt seine geschichtliche Kontinuität zum Ausdruck, wenn sich neben traditionellen Formen auch neue liturgische Elemente etablieren? Die Orientierung im Handlungsfeld beschreibt den sonntäglichen Gemeindegottesdienst, die Festtagsgottesdienste im Jahreskreis, die Kasualgottesdienste, die Zielgruppengottesdienste, Fernseh- und Radiogottesdienste, Andachten, danach die liturgischen Elemente und Gesten, also das Gebet, die Predigt, das Abendmahl, die Musik und den Gesang, den Segen. Es folgen Ausführungen zum Gottesdienst in der Zeit und zum Raum des Gottesdienstes. Die empirischen Befunde zum Gottesdienstbesuch und zur Wahrnehmung des Gottesdienstes werden beschrieben. Die historisch-systematischen Anschlussstellen werden gefunden bei den reformatorischen Orientierungen, bei der neuzeitlichen Gottesdienstkultur und dem modernen Gottesdienstverständnis, die sich im 18. und 19. Jahrhundert gezeigt haben, dann bei der Orientierung der kirchlichen Gottesdienstpraxis durch Agenden nach dem Zweiten Weltkrieg. Die praktisch-theologische Grundbestimmung erörtert die Dimensionen und Funktionen des evangelischen Gottesdienstes, die Wechselbeziehungen und Spannungsfelder des gottesdienstlichen Geschehens, danach den rituellen Charakter des Gottesdienstes. Als aktueller Diskurs wird angegeben, dass Gottesdienst als Zeichenprozess (Semiotische Liturgik) verstanden werden kann und / oder als Inszenierung (Theatrale Liturgik). Zwei Zukunftsfragen werden formuliert: Wie steht es um die Partizipation und Stellvertretung für den gefeierten Gottesdienst? Wie entwickeln sich Gottesdienstorte, wenn die Teilnehmerzahl immer weiter sinkt? Als Lehrbücher werden die Gottesdienstlehre von Meyer-Blanck und die Liturgik von Deeg und Plüss angegeben.

VII. Arbeitshilfen Alfeyev, Hilarion: Katechismus. Kleine Wegbegleitung im orthodoxen Glauben. Übersetzt von Peter Knauer, redaktionell bearbeitet von Barbara Hallensleben (Epiphania 9). Aschendorff: Münster 2017, 179 S. Ein Katechismus, zumal ein orthodoxer, scheint in dieser Rubrik der Arbeitshilfen nicht recht eingeordnet zu sein. Gleichwohl ist diese Schrift aber als Arbeitshilfe gedacht, denn sie ist geschrieben „für alle, die sich auf die Taufe vorbereiten, die getauft sind, aber nicht vertraut sind mit dem Leben der Kirche, die den christlichen Glauben besser kennenlernen wollen.“ (Titelblatt) Der dritte ist Teil ist von besonderem

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Interesse, weil es darin um Kirche und Gottesdienst geht, so z. B. um das Gebet, um das orthodoxe Gotteshaus, Ikonen und Kreuz, kirchliche Festtage, wöchentlichen und täglichen Gottesdienstkreis, die Eucharistie – zum einen als Daseinsgrundlage der Kirche und zum anderen als Feier der Göttlichen Liturgie –, dann die weiteren Sakramente und Riten: Beichte, Ehe, Heilige Ölung, Sakrament der Weihe, kirchliche Riten. Der erste Teil des Katechismus befasst sich mit der Glaubenslehre: mit Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, Kirche, Taufe und Auferstehung der Toten. Der zweite Teil beinhaltet die christliche Lebensführung, z. B. die Zehn Gebote, die Bergpredigt, Sünde und Umkehr etc. Axt-Piscalar, Christine / Cordemann, Claas (hg. im Auftrag der Vereinigen EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands): Taufe und Kirchenzugehörigkeit. Zum theo­ logischen Sinn der Taufe, ihrer ekklesiologischen und kirchenrechtlichen Bedeutung. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 217 S. Mit mehreren Beiträgen werden für die VELKD der theologische Sinn der Taufe und die damit verbundenen ekklesiologischen und kirchenrechtlichen Implikationen beschrieben. Christine Axt-Piscalar führt in die Bedeutung der Taufe für das ganze Leben eines Christenmenschen ein, Ulrich Heckel beschreibt die Taufe im Neuen Testa­ ment, Michael Herbst stellt Taufe und Katechumenat aus praktisch-theologischer Perspektive dar, Heinrich de Wall klärt aktuelle Fragen des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts, Stefan Ark Nitsche beschreibt die Zusammengehörigkeit von Taufe und Kirchenmitgliedschaft. Abschließend wird aus Martin Luthers Schriften der Sermon vom heiligen hochwürdigen Sakrament der Taufe (1519) und der Abschnitt zur Taufe aus dem Großen Katechismus (1529) abgedruckt. Der Klappentext teilt mit, dass dieses Buch eine Orientierung gibt für „Pfarrerinnen und Pfarrer, Katechetinnen und Katecheten, Kirchenvorsteher und Ehrenamtliche, die mit theologischen Fragen nach dem Sinn der Taufe, mit deren rechtlichen Implikationen sowie der Gestaltung der konkreten Taufpraxis befasst sind. Die Texte richten sich aber auch an alle Getauften und solche, die die Taufe anstreben.“ Bartole, Tobias: Das große Schott-Fürbittenbuch. Für Kinder- und Jugendgottesdienste. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 366 S. Für alle Sonntage im Kirchenjahr sind Fürbitten zusammengetragen worden. Die erste Abteilung ist für Kinder, die zweite Abteilung für Jugendliche bestimmt. Dabei können die Gebete auch zu kleinen Andachten ausgeweitet werden, weil jedes Fürbittengebet mit einem Impuls eingeleitet wird; gegebenenfalls werden Symbole berücksichtigt, wie z. B. die Krippe zu Weihnachten, um dann nach den Fürbitten mit einem Lied zu schließen. Bertholdt, Anke / Messinger, Britta: Anspielgottesdienste für Jung und Alt. 20 komplette Entwürfe. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2017, 284 S., 8 Abb. Für die ganze Gemeinde, aber mit besonderer Berücksichtigung der jungen Gemeindemitglieder, sind hier Anspielgottesdienste zusammengestellt worden. Alle Texte, auch Gebete und Predigten, sind abgedruckt. Die Themen sind ganz unterschiedlich und bilden einen bunten Reigen: Mit Noah in der Arche, Riesenangst, Große Fußspuren, Warten, Tauferinnerung, Pfingst-Popcorn etc. Weitere Kapitel vermitteln Hilfe für die Vorbereitung und Durchführung. Brand, Fabian: Fastenzeit und Ostern feiern. Gottesdienste, Ideen und Impulse. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 221 S., 1 CD-ROM. Für die Fastenzeit werden – mit Aschermittwoch beginnend – Gottesdienstmodelle für die österliche Bußzeit und Modelle für den Kreuzweg angeboten. Sie sind jeweils gezielt auf Kinder, Jugendliche oder Erwachsene ausgerichtet und orientieren sich an

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den Sonntagen. Es folgen Gottesdienstmodelle für die Karwoche bis zur Osternachtfeier, und anschließend Modelle für die Osterzeit bis Pfingsten. Brantzen, Hubertus: „Füllt die Krüge“. Gottesdienste zu biblischen Symbolen. Herder: Freiburg i. Fr. 2017, 153 S. Brantzen präsentiert acht Gottesdienste, die zum Teil vollständig ausgeführt sind, zum Teil auch Hinweise für Gottesdienstadressaten enthalten. Z. B. wie der Weg nach Emmaus mit Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen gestaltet werden kann, wie solche Inhalte in Eucharistiefeiern zu verwenden sind. Alle Entwürfe implizieren ein Symbol, wie z. B. den Krug, den Stern. Für die Feier werden für die Hand der Feiernden Symbolkarten, Bilder etc. angeboten, die wie alles andere Material auch über einen QR-Code zum Downloaden bereitstehen. Brendel, Christiane / Wenzelmann, Adelheid: Martin Luther und Ignatius von Loyola. Entdeckung einer spirituellen Verwandtschaft. Echter Verlag: Würzburg 2017, 175 S. Zwei epochemachende Theologen werden in diesen Impulsen miteinander verbunden. Dabei dienen wichtige theologische Stichwörter – Beten und Meditieren, Fundament und Ziel, Umkehr und Versöhnung, Jesus Christus und Nachfolge, Kreuz und Auferstehung, Leben in der Kirche, Glauben im Alltag  – dazu, die Schätze geistlicher Väter nicht gegeneinander, sondern miteinander für den heute Glaubenden fruchtbar zu machen. Dinzinger, Anton / Förster, Michaela: Schön, dass du da bist. Im Kindergarten durchs Kirchenjahr. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 167 S. Zahlreiche thematisch gestaltete Gottesdienstentwürfe für Kindergärten bieten viele Ideen, wie mit Kindern im Kindergartenalter Gottesdienst gefeiert werden kann. Dabei ist die Struktur des Wortgottesdienstes immer festzustellen, so dass hier auch eine kirchliche Prägung erkennbar bleibt. Besonders bedacht werden der Beginn und das Ende des Kindergartenjahres, aber auch die üblichen Kirchenjahresfeste kommen vor. Im Anhang finden sich kindgemäße Lieder für das Kindergartenalter. Dyck, Rahel und Tim / Gottschick, Kathrin: Echt einzigartig. Familienandachten zum Staunen und Entdecken. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2017, 126 S. In diesem Buch geht es nicht um Andachten, die in einer Gemeinde bzw. in einer Kirche gefeiert werden, sondern es geht um Andachten zuhause im Kreis der Familie. Die Themen sind die fünf Sinne, die Bewegungen, die Gefühle, die Sprache, Du und andere, das Gehirn, der Körper. Alle bunten Seiten des Buches sind für die gemeinsame Familienzeit gemacht und können sofort verwendet werden. Fendler, Folkert / Binder, Christian / Gattwinkel, Hilmar (hg. im Auftrag des Zentrums für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst): Handbuch Gottesdienstqualität (Kirche im Aufbruch. Reformprozess der EKD 22). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 343 S. Das Zentrum für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst, das von 2009 bis 2017 am Michaeliskloster in Hildesheim angesiedelt war, legt mit diesem Handbuch die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse seiner Arbeit vor. In Kapitel A geht es um grundlegende Fragen: Was wird unter Qualitätsentwicklung im Gottesdienst verstanden? Was unterscheidet diesen Zugang von anderen Zugängen zum Gottesdienst? Ebenso wird die Qualitätsentwicklung theologisch reflektiert und verortet. Mit Kapitel B werden mehrere Qualitätsmodelle vorgestellt. Es wird Qualität betrachtet und analysiert. Es geht auch um Qualitätsmanagement. Denn es soll und muss möglich werden, dass unterschiedliche Fragestellungen, Erwartungen und Wirkungen von Gottesdiensten bewertet werden können. Im Kapitel C geht es um Qualitätsfelder: Musik, Predigt, Öffentlichkeitsarbeit, (Kirchen)raum. Kapitel D hält Qualitätsinstru-

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mente bereit, um die Qualitätsarbeit am Gottesdienst zu fördern: Verfahren, Methoden, Standards, Feedback, Gottesdienstcoaching, Predigtcoaching etc. Kapitel E verschafft einen Überblick über lokale, regionale, überregionale und landeskirchliche Initiativen und Projekte, die sich auf die Gottesdienstqualität beziehen. Fuchs, Guido (Hg.): Das große Buch der Fürbitten für alle Sonntage und Hochfeste der Lesejahre A/B/C. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 160 S. Quasi als Vorwort für die in diesem Buch abgedruckten Fürbitten macht Fuchs interessanterweise darauf aufmerksam, dass auch mit dem Gotteslob Fürbitten gestaltet werden können: durch im Gotteslob abgedruckte Fürbitten, durch Fürbittlieder, auch bei Andachten stehen Fürbitten und dann gibt es noch die gesungenen Fürbittrufe. Dieses Fürbittenbuch ist für alle drei Lesejahre gedacht, so dass für jeden Sonntag und für die Hochfeste je drei Fürbitten abgedruckt worden sind. Neben den Hochfesten der Heiligen werden auch besondere Anlässe wie z. B. Fürbitten für Kranke oder Verstorbene berücksichtigt. Gaidetzka, Petra (Hg.): Du bist in unserer Mitte. Die Feier der Haus- und Krankenkommunion. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 191 S. Gaidetzka hat von vielen Autoren Haus- und Krankenkommunionfeiern zusammengetragen und sie in sechs thematische Felder gruppiert: 1. Gott begleite dich (die häusliche Kommunionfeier), 2. … und der Herr wird ihn aufrichten (Kranken­salbung und Messfeier am Krankenbett), 3. Weil du mich trägst (Kommunionfeier mit demenzkranken Menschen), 4. Du bist bei mir, was auch geschieht (Kommunionfeier im Krankenhaus), 5. Stärkung auf den Weg (Kommunionfeier mit Schwerkranken und Menschen in der letzten Lebensphase), 6. Gott lädt uns zu seinem Fest (Kommunionfeier mit Kindern im Krankenhaus und zu Hause). Im Anhang finden sich noch weitere Gebete, Lieder, Texte etc., wobei jede vorgestellte Kommunionfeier alle Texte etc. schon enthält. Goldschmidt, Stephan (Hg.): Ausgezeichnete Gottesdienste. Modelle und Entwürfe für die Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 165 S. Die Karl-Bernhard-Ritter-Stiftung vergibt jährlich einen Gottesdienstpreis für besonders gelungene Gottesdienste. Hier sind acht Gottesdienste abgedruckt, die seit 2009 diesen Preis erhalten haben. Es sind ein ökumenischer Familiengottesdienst, ein Konfirmandengottesdienst zum Thema Vernichtung der Juden während des Nationalsozialismus, eine Tauferinnerung mit geistig und körperlich Behinderten, ein Gottesdienst für und mit Menschen mit Demenz, ein Gottesdienstkonzept für den städtischen und ländlichen Raum, ein Literaturgottesdienst, ein Trau- und Taufgottesdienst, ein Gottesdienst zur Erinnerungskultur. Zu jedem Gottesdienst ist die Laudatio abgedruckt, die bei der Preisverleihung gehalten wurde. Herlyn, Okko: Das Vaterunser. Verstehen, was wir beten. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2017, 149 S. Mit leichter Feder, Witz und Temperament wird das Vaterunser erklärt, damit man auch versteht, was man betet. Die einzelnen Bitten werden vorgestellt, erläutert und kommentiert. Herlyn versucht, sich gegen Kitsch und allzu schnellen (Ver)Brauch des Gebets zu wehren, und hebt die besondere Bedeutung für den Glaubensalltag hervor. Abschließend werden drei gute Gründe genannt, das Vaterunser zu beten: Weil Jesus gesagt hat, dass man beten soll, weil das Vaterunser eine Anleitung zum Beten ist, weil das Beten des Vaterunsers uns vernetzt in der Horizontalen mit jenen Betenden vor uns und uns verbindet mit jenen, die es noch beten werden. Jeggle-Merz, Birgit / Kirchschläger, Walter / Müller, Jörg: Mit der Bibel die Messe verstehen. Bd. 2: Die Feier der Eucharistie. Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2017, 219 S.

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Dieses Werk fußt auf der wissenschaftlichen Ausgabe des Luzerner Biblisch-Liturgischen Kommentars zum Ordo Missae. Mit dem nun erschienenen zweiten Band wird ein Text vorgelegt, der für Laien erarbeitet wurde, die sich in der Liturgie engagieren oder an ihr interessiert sind. Hatte der erste Band (vgl. JLH 55 [2016], 156) die Feier des Wortes Gottes zum Inhalt, so folgt hier der zweite Teil der Messe einschließlich der Entlassung. Die Eucharistiefeier wird erklärt und mit biblischen Texten erschlossen. Ein kleines Lexikon erklärt den Lesenden unbekannte Begriffe. Jensen, Renate / Hornstein, Erich: „Schaut auf den Stern“. Krippenspiele für Kindergarten, Schule und Gemeinde. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 152 S. Die zahlreichen Krippenspiele sind vier Ordnungen gegliedert: Zuerst werden solche für Kindergarten, Grundschule und Gemeinde geboten, danach Weihnachtsspiele für die ganze Gemeinde, drittens Krippenrundgänge für Schule und Gemeinde und zum Schluss die Feier einer Waldweihnacht. Es werden Hinweise gegeben zu Kostümen und Requisiten, einige Lieder sind abgedruckt. Alles Material kann man auch über den QR-Code downloaden. Jung, Martina (Hg.): Wort-Gottes-Feiern und Gestaltungselemente. Für alle Anlässe im Kirchenjahr. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 304 S. Die meisten Gottesdienstvorschläge sind für die Advents- und Weihnachtszeit sowie für die Fasten- und Osterzeit bestimmt. Einige Vorschläge werden aber auch für andere Feste und Anlässe im Kirchenjahr angeboten, wie z. B. für Heiligentage, Jahresschluss, Fasching, Johannis etc. Das Material ist für jeden Vorschlag ganz unterschiedlich: es gibt ausgearbeitete Gottesdienste, dann wieder nur Gebete, Ansprachen, Anspiele, Lieder, Gedichte, Meditationen etc. Eine Fundgrube auch für jene, die Abwechslung des Materials wollen oder besondere Gottesdienste vorbereiten. Jütten, Helga: Send herab uns deinen Geist. Gottesdienste für Pfingsten. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 144 S., 1 CD-ROM. Jütten legt hier 16 Gottesdienste für die Pfingstzeit vor. Der Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt steht an erster Stelle, ihm folgen Pfingstnovenen, Bußandachten, ökumenische Gottesdienste, eine Quatembermesse, eine Votivmesse, ein Gottesdienst zur Firmerinnerung, dann ein Gottesdienst zu Pfingsten im engeren Sinn einschließlich Pfingstausflug, eine Maiandacht, eine Rosenkranzandacht und zum Abschluss ein Gottesdienst zum Fest der Dreifaltigkeit. Pfingsten kann reich gefeiert werden! Meinhold, Sabine (Hg.): Gottesdienste mit Kindern. Handreichung 2018. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 342 S., 1 CD-ROM. Nach dem Plan für den Kindergottesdienst, den der Gesamtverband für Kindergottesdienst in der EKD herausgibt, sind diese Handreichungen erarbeitet worden. Für jeden Sonn- und Feiertag finden sich Texte und weitere Gestaltungsmodelle, die von der CD-ROM genommen werden können. Wenn nur ein Mal im Monat ein Kindergottesdienst möglich ist, ist auch dafür ein Vorschlag erarbeitet worden. Neben den kirchenjahreszeitlichen Themen werden auch Themen bedacht, die den Lebenssituationen von Kindern nahe sind: Familie, Segen, Ich wär so gern dein Freund, Starke Kinder, Gottes Schöpfung, oder besonders originell: Madita, Michel, Krümel und die anderen Kinder  – die Seligpreisungen begegnen Geschichten von Astrid Lindgren. Mönkebüscher, Bernd: Unterbrechen und aufbrechen. Impulse für die Fastenzeit. Echter Verlag: Würzburg 2017, 84 S. Von Aschermittwoch an und dann für jeden Fastensonntag bis zum Beginn der Karwoche werden nachdenkliche Texte geboten, die die Leser über die eigene Existenz, über den Glauben, über Gott, über das Leben und den Tod und über die Vergänglich-

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keit des Lebens nachsinnen lassen. Die Texte bieten Unterbrechungen für einen Alltag, der kaum noch Zeit zur Besinnung lässt. Palm-Scheidgen, Barbara: Sucht mein Antlitz! Frauengottesdienste. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 144 S. Dem Problem, dass männlich dominierte Gottesbilder manchen Frauen den Zugang zu Gott erschweren können, wird in diesem Buch mit Hilfe von Frauen begegnet, die auf ihre Weise Zugang zu Gott gefunden haben. Zuerst werden Gottesdienste im Kirchenjahr mit Frauengestalten gefeiert: Tochter Zion (!), Rebekka, Hanna, Rahab,­ Deborah, Maria, Maria von Magdala etc. Es folgen Lebenssituationen, in den Frauen in Lebensgemeinschaften Lebenserfahrungen teilen, wie z. B. Phöbe und Junia oder Zippora. So werden 23 Gottesdienste angeboten, die teilweise ausdrücklich ökumenischen Charakter tragen. Plieth, Martina (Hg.): Einmal durch das Kirchenjahr. 18 Bildandachten für die Seniorenarbeit. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2017, 2017, 46 S., 18 farbige Bildtafeln. Dies ist kein Buch, sondern eine Mappe mit Texten und Bildern. Die Bilder sind in der Größe DIN-A-3 gedruckt, so dass sie für den Einsatz in der Seniorenarbeit gut zu gebrauchen sind, zumal auf der Rückseite gleich die Texte, die verwendet werden können, abgedruckt sind. Der Aufbau ist wie folgt: In jeden Sonntag wird eingeführt, dann folgen ein Bibeltext, ein Lied, eine Erzählung und ein Gebet. Sauter, Hannes: Kreuz, auf das ich schaue. Kreuzwegandachten, Gottesdienste und Betrachtungen zur Passion Jesu. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 144 S. Sauter führt zunächst in die Entstehung und Bedeutung von Kreuzweg und Passionsandacht ein, um dann ganz unterschiedlich akzentuierte Kreuzwegandachten vorzulegen: mit Symbolen, als Gespräch zwischen den Generationen, auf der Pflege­ station, für Kinder, Eltern und Großeltern. Es folgen Andachten zum Thema Passion. Der Band wird mit Betrachtungen zum leidenden Jesus und einer Betrachtung zum Fest der Kreuzerhöhung beschlossen. Stoltze, Regine / Molz, Evamaria: Gottesdienste feiern mit Menschen mit Demenz. Verlag an der Ruhr: Mülheim an der Ruhr 2017, 198 S., 1 CD-ROM. In diesem Buch sind 24 fertige Gottesdienste in einfacher Sprache für Menschen mit Demenz abgedruckt. Für ihren Gebrauch wird zunächst gründlich in diese be­ sondere Kasualie eingeführt. Dabei geht es sowohl um die Gottesdienstform als auch um das besondere Erleben der Demenzkranken. Es folgen Gottesdienstentwürfe für die wichtigen Sonn- und Feiertage im Kirchenjahr und danach für Gottesdienste mit besonderen Themen: z. B. der gute Hirte, das verlorene Schaf, Schuhe, die durchs Leben tragen, Gänseblümchen, oder die Liedandacht: Geh aus, mein Herz, und suche Freud. Treutlein, Josef: Großes Werkbuch Wallfahrten und Prozessionen. Im Geiste von Papst Franziskus. Herder: Freiburg i. Br. 2017, 223 S., 1 CD-ROM. Der Wallfahrtspfarrer Treutlein bietet vieles über Wallfahrten und vieles für das Wallfahren an. Zuerst führt er ausführlich in die Vorbereitung des Wallfahrens ein, es geht z. B. um Organisatorisches, um geistliche Leitung, Gestaltung der Wallfahrt und ihre besonderen Anlässe. Im weiteren Teil ist Material für Wallfahrten und Prozessionen aufgeführt, hier kommt das Beten im Sinne des Papstes zum Zuge. In einem abschließenden Teil werden viele Bausteine für Wallfahrten und Prozessionen vorgelegt. Vogl, Wolfgang: Meisterwerke der christlichen Kunst zu den Schriftlesungen der Sonntage und Hochfeste. Lesejahr B. Friedrich Pustet: Regensburg 2017, 606 S., 72 farbige Abb.

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Für jeden Sonn- und Feiertag des Lesejahres B ist ein Bild zur Lesung des Evangeliums ausgewählt worden, das die Grundaussage des Evangeliums aufnimmt. In den meisten Fällen sind Bilder des Mittelalters bis zur Barockzeit ausgewählt worden, aber auch zwei Bilder der klassischen Moderne sind darunter. Die Bilder geben Zugang zum Evangelium und – so Vogl – verhelfen dazu, den Zugang mit dem in seinem Wort und Sakrament gegenwärtigen Herrn zu eröffnen. Denn es ist gerade die Kunst, „die Menschen zum Glauben zu führt. Das noch Übriggebliebene von der christlichen Zivilisation zieht die Menschen immer noch an, nicht mehr das säkularisierte Christentum.“ (16) Vogt, Fabian / Lungershausen, Christine / Matz, Sandra: Segen. Eine kleine Gebrauchsanleitung. Mit Fotografien von Pietro Sutera. Edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 155 S. Dieses handliche Büchlein soll eine Gebrauchsanleitung für den Segen bieten, die in zwölf Schritten angelegt ist. Es werden alltägliche Sätze mit biblischen Texten kombiniert, wie z. B. wie man Segen so richtig missversteht, oder: Segen hilft Träumen. Aussagekräftige Bilder und Texte führen dann von Schritt zu Schritt. Es werden biblische Geschichten nacherzählt, heutige Erfahrungen in Erzählungen wiedergegeben, und es wird Zuversicht ausgesprochen. Werner, Roland: Du legst die Hand mir auf die Schulter. Gedichte – Gedanken – Gebete. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2017, 127 S. Die zahlreichen Texte sind unter folgenden Überschriften gesammelt: Begegnung und Bewegung – Suchen und Fragen – Meister und Freund – Heimat und Horizont – Krippe und Kreuz – Geist und Kraft – Dank und Segen. Jeder Text wird mit einem biblischen Spruch eingeleitet, die Texte selbst sind so gestaltet, dass sie sogar dann, wenn sie nicht ausdrücklich als Gebetstext firmieren, doch als solche verwendet werden können.

Die Rezeption des geistlichen Liedes als Gegenstand der Hymnologie1  Andreas Marti

Vorbemerkung Die klassische Hymnologie, ein Erbstück des 19. Jahrhunderts, war lange Zeit hauptsächlich an der historischen Verifikation normativer Liedfassungen interessiert, dies zunächst im Kontext der Zeit nach der Aufklärung und deren teilweise stark veränderten Fassungen, im Bestreben nach einem postulierten deutschen Einheitsgesangbuch. Quellenforschung führte zurück zu den Ursprüngen, und diese Originalgestalten wurden zum Maßstab für die Gesangbucharbeit in der jeweiligen Gegenwart. Dabei hatte man häufig mit einer prinzipiellen methodischen Schwierigkeit zu kämpfen, indem nämlich solche Originalfassungen oft gar nicht zweifelsfrei festgestellt werden können – schon gar nicht bei vorreformatorischen Liedern aus der mündlichen und handschriftlichen Überlieferung, dann aber auch bei jüngeren Liedern. So sind Paul Gerhardts Texte in den verschiedenen Ausgaben der „Praxis Pietatis Melica“ und in der Vertonung durch Johann Georg Ebeling nicht immer völlig identisch. Heute stellt sich ein solches Problem auch bei Liedern des 20. Jahrhunderts, die häufig eine Art vorliterarisches Stadium in Abschriften und Vervielfältigungen durchlaufen haben, bevor sie in redigierte Sammlungen gerieten und dazu durch deren Redaktionen unter Umständen wieder Veränderungen erfuhren. Wir sprechen hier von der „weichen Identität von Kirchenliedern“, die sehr häufig als eine Art Textwolke mit Gemeinsamkeiten und Differenzen durch die Geschichte und die Gesangbücher wandern.

1 Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, der 2017 auf der Tagung der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie (IAH) im dänischen Løgumkloster gehalten wurde.

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1. Horizontale, synchrone Rezeption 1.1 Wechsel von einer Sprache in die andere Eine besonders einschneidende Wanderung ist dabei die Übernahme von Liedern in andere Sprachen. Das ging schon früh vom Lateinischen ins Deutsche, nach der Reformation vom Deutschen etwa ins Dänische oder vom Französischen in viele mitteleuropäische Sprachen, in der Zeit der Kolonisation Nordamerikas aus den kontinentaleuropäischen Sprachen ins Englische, und vor allem im 20. Jahrhundert aus Sprachen aller Welt ins Deutsche. Ich erinnere hier an unseren verstorbenen Kollegen und Freund Jürgen Henkys, der vor allem niederländische und schwedische, aber auch englische Texte ins Deutsche geholt und ausführlich über die Problematik dieses Unterfangens berichtet hat. 2 Auch wäre hier ein Seitenblick zu werfen auf die aktuellen Schwierigkeiten der römischkatholischen Kirche mit der Übersetzung der verbindlichen lateinischen Liturgietexte in die Landessprachen: Übersetzung ist immer Interpretation, verlangt Entscheidungen für die eine oder andere Möglichkeit, und Entscheidungen sind theologisch nicht neutral. Darum dann die rigorose Einschränkung der Interpretationsfreiheit durch die von Joseph Ratzinger formulierte und von Karol Józef Woityla (Papst Johannes Paul  II.) 2001 erlassene Instruktion „Liturgiam authenticam“. Sie hat in verschiedenen Sprachgebieten zu völlig unbrauchbaren und von Bischöfen und Bischofskonferenzen zurückgewiesenen Ergebnissen geführt.3 Am Beispiel des berühmt-berüchtigten „Gras-und-Ufer-Liedes“ (Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer) soll ansatzweise gezeigt werden, welche Fallen sich da stellen können. Im schwedischen Text steht das Wort „stranden“. Dem würde das deutsche „Strand“ entsprechen; es steht im Lied aber „Ufer“. Was ist der Unterschied? Am Strand sitzt man und schaut aufs weite Meer hinaus – ein Bild für Weite und Freiheit, entsprechend der ursprünglichen Intention des deutschen Liedes Gott schenkt Freiheit (Die ganze Welt hast du uns überlassen) von Christa Weiß, nach dessen Vorbild das schwedische Lied gedichtet wurde. Ans Ufer, gar ans sichere Ufer rettet man sich vom Wasser aus – ein Bild für Sicherheit, das die Intention des Textes gleich zu Beginn verschleiert oder gar auf den Kopf stellt. Dass auch in der Fortsetzung des Textes Fehler passiert sind, die in dieselbe Richtung gehen, sei nur eben erwähnt: Aus „oändligt hem“ – unendliches Heim – wird „ein Zuhaus“, in der Schweizer Fassung von Markus Jenny, Weit wie das Meer ist Gottes große Liebe,4 die wenigstens den „Ufer“-Fehler vermeidet, wird daraus noch schlimmer ein „ewiges Daheim“. Das klingt schon fast nach den ewigen Jagdgründen … 2 Henkys, Jürgen: Gott loben mit einem Mund. Zur Nachdichtung fremdsprachlicher Kirchenlieder. In: JLH 37 (1998), 179–195. 3 Inzwischen hat Papst Franziskus im Motu Proprio „Magnum Principium“ vom 3.9.2017 den Vorrang der Verständlichkeit in der Volkssprache betont und „Liturgiam authenticam“ damit korrigiert. 4 Reformiertes Gesangbuch, Zürich/Basel 1998 (RG), Nr. 700.

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Es muss nicht immer zu solchen Katastrophen kommen, aber es ist unter anderem auch eine hymnologische Aufgabe, Bedeutungs- und Akzentverschiebungen durch die Übersetzungen zu analysieren. 1.2 Wechsel von einer Konfession in die andere Konfessionswechsel von Liedern sind in unserer grundsätzlich auf gute Nachbarschaft und geschwisterliche Gemeinschaft ausgerichteten Zeit kein Problem. In großem Stil ist im deutschen Sprachraum diese Rezeption über die Konfessionsgrenzen hinweg vor allem im 20. Jahrhundert geschehen: katholisch-evangelisch bereits seit der Jugendbewegung um und nach 1900, 5 evangelisch-ka­ tholisch zuerst in der Sammlung „Kirchenlied“ von 1938,6 dann vor allem nach der Liturgiereform in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils, als das Bedürfnis nach liturgietauglichen Liedern förmlich explodierte. In der „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut“ (AÖL) ab 1969 gab es in dieser Hinsicht nur selten Schwierigkeiten, so aber etwa bei Luthers Liedfassung von Psalm 130, Aus tiefer Not schrei ich zu dir: Hier konnte die katholische Seite die radikale Formulierung in der zweiten Strophe „es ist doch unser Tun umsonst, auch in dem besten Leben“ zunächst nicht akzeptieren. Abhilfe schuf eine gemeinsam formulierte Fußnote, die es allerdings nicht in die Gesangbücher schaffte. Sie lautet: Sittliche und persönliche Verantwortung werden in dem Lied (Str. 2) nicht ausgeschlossen, sondern vorausgesetzt. „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (Lk 17,10). Es geht dem Dichter um die Schlüsselstellung des Glaubens.

Das katholische „Gotteslob“ 1975 nahm nur eine verkürzte dreistrophige,7 das Nachfolgegesangbuch von 2013 eine vierstrophige Fassung auf.8 Beide vermeiden die scharfe Aussage der zweiten Strophe. Das Schweizer Katholische Gesangbuch von 1998 enthält den vollen Text, aber ohne die salvatorische Nachbemerkung,9 und für die evangelischen Gesangbücher stellte sich das Problem mindestens in dogmatisch-theologischer Hinsicht nicht. Interessant in dieser Hinsicht ist die katholische Rezeption weniger von einzelnen Liedern als der Gattung des deutschen geistlichen Liedes überhaupt in der Reformationszeit, zu beobachten zuerst im katholischen Gesangbuch von Mi 5 Neuhaus, Andrea: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. Zur literarischen Sakralität um 1900. Tübingen 2005. – Dies.: Geistliche Lieder in außerkirchlichen Kontexten: Die Lieder der Jugendbewegung. In: Fischer, Michael / Senkel, Christian (Hg.): Säkularisierung und Sakralisierung. Literatur – Musik – Religion. Tübingen 2004, 143–154. 6 Diewald, Josef / Lohmann, Adolf / Thurmair, Georg (Hg.): Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder für die Jugend. Düsseldorf 1938. – Dazu: Labonté, Thomas: Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938). Entstehung, Corpusanalyse, Rezeption. Tübingen 1938. 7 Katholisches Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ (GL) 1975, Nr. 163. 8 Katholisches Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ (GL2) 2013, Nr. 277. 9 Katholisches Gesangbuch. Gesang- und Gebetbuch der deutschsprachigen Schweiz, Zug 1998 (KG). Nr. 384.

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chael Vehe, Leipzig 1537.10 Dort wollte man offenbar den Lutheranern das Alleinstellungsmerkmal (den „unique selling point“, wie man heute sagen würde) des volkssprachlichen geistlichen Singens und damit ein Propagandamittel aus der Hand nehmen. In Vehes Buch findet sich beispielsweise wie in den lutherischen Büchern das Weihnachtslied Gelobet seist du, Jesu Christ, dessen erste Strophe aus dem Spätmittelalter stammt. Wie Luther hat Vehe (oder ein nicht zu identifizierender Autor) daraus ein mehrstrophiges Lied gemacht, jedoch mit eigenen Fortsetzungsstrophen. Bei dem Lied Mitten wir im Leben sind ist Vehe offenbar von Luthers dreistrophiger Fassung statt von der mittelalterlichen einzigen Strophe ausgegangen und hat einige Korrekturen angebracht. Wo Luther von der Hölle spricht, setzt er – weniger radikal – das Urteil Gottes, die Sünde, die Feinde. Relativ unproblematisch scheint die Übernahme von Melodien aus dem Bereich der Reformationslieder gewesen zu sein: Im Gesangbuch von Johannes Leisentrit, Bautzen 1567,11 steht Luthers Vom Himmel hoch, da komm ich her mit stark verändertem Text und der in späteren katholischen Sammlungen häufig anzutreffenden Eröffnungsstrophe Es kam ein Engel hell und klar, wohl aber mit Luthers Melodie, die unzweifelhaft lutherische Assoziationen geweckt haben mag. Dass „katholische“ Lieder umgekehrt auch in evangelischen Gesangbüchern jener Zeit zu finden sind, liegt daran, dass sie aus der mittelalterlichen Tradition bekannt waren und weiter gesungen wurden  – da handelte es sich nicht um Neudichtungen und damit nicht um eine explizite Überschreitung der Konfessionsgrenze.

2. Diachrone Rezeption durch die Generationen Vorbemerkung Wenn Lieder früherer Generationen für den liturgischen und den weiteren kirchlichen und privaten Gebrauch weiter übernommen werden, ist dies zunächst einmal im positiven Sinne der Kontinuität zu werten. Die Weitergabe des Glaubenszeugnisses ist elementar für die christliche Kirche; sie kann nicht alles in jeder Generation neu erfinden, und die tradierte Sprache ist ein Reservoir, aus dem immer wieder geschöpft werden kann. Die Schwierigkeiten sind demgegenüber bekannt: Auch eine möglichst originalgetreue Ausgabe wird die Orthographie modernisieren müssen, dazu even 10 Scheidgen, Andreas: Katholische Gesangbücher im Reformationsjahrhundert. In: Fugger, Dominik / Scheidgen, Andreas (Hg.): Geschichte des katholischen Gesangbuchs. Tübingen 2008, 4–8, bes. 5. – Vehe, Michael: Ein New Gesangbüchlin Geystlicher Lieder / vor alle gutthen Christen nach ordenung Christlicher kirchen. Leipzig 1537; Faks. hg. von Walther Lipphardt. Mainz 1970. 11 Leisentrit, Johann: Geistliche Lieder und Psalmen / der alten Apostolischer recht und wargläubiger Christlicher Kirchen. Bautzen 1567, Faks. hg. von Walther Lipphardt. Kassel 1966.

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tuell grammatikalische Phänomene, und bald einmal ist man an den Grenzen zum Eingriff in die Substanz. Dazu kommt der Sprachwandel. Was in früheren Jahrhunderten geläufige Wörter und Ausdrücke waren, kann mit der Zeit unüblich, schwer verständlich oder gar missverständlich werden. Will man einen Text seinem Sinn nach behalten, muss man solche Stellen ändern. Noch schwieriger ist es mit den theologischen Inhalten. Gottesbild und Menschenbild verschieben sich mit der Zeit. Vielerorts bereiten heute die einseitigen Herrschafts- und Autoritätsbegriffe im Gottesbild Mühe, und ebenso ist ein auf das passive Erdulden von allerlei irdischem Leiden ausgerichtetes Menschenbild nicht mehr das unsre. Ein besonders mühsames Feld sind die Passionslieder. Sie vermitteln in ihrer Mehrheit ein mittelalterliches System von Lösegeld, von Schuld und Sühne durch das Kreuz, das heute nicht die einzige und schon gar nicht die dominante Interpretation des Karfreitags sein dürfte. Ein eigenes Kapitel wäre die Weitergabe der Melodien. Auch sie verändern sich ständig, im Blick auf die Ausführungsbedingungen und -gewohnheiten vielleicht noch stärker als die Texte. Andererseits sind aber die Probleme des historischen Abstands wohl geringer. Eine schlichte mittelalterliche Hymnenmelodie lässt sich auch heute noch gut vermitteln. Wir werden uns im Folgenden daher mehr an die Texte halten. 2.1 Luther und die mittelalterliche Tradition Martin Luther hat fast alle seine Lieder auf der Grundlage bereits bestehender Texte geschaffen. Seine Kreativität bewegt sich hauptsächlich im Rahmen einer besonderen Art von Rezeption. Man könnte hier eine lange Reihe von Liedern unter diesem Gesichtspunkt untersuchen. Greifen wir das Weihnachtslied Gelobet seist du, Jesu Christ heraus. Die Vorlage ist eine einstrophige mittelalterliche Leise, gesungen als eine Art Gemeinde-Respons zwischen den Strophen der Weihnachtssequenz Grates nunc omnes reddamus. Inwiefern Luther in dieser Strophe, der ersten seines siebenstrophigen Liedes, Veränderungen vorgenommen hat, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, da wir nicht wissen, in welcher Form ihm der Text vorgelegen hat; die mittelalterlichen Texte sind meist in diversen Varianten überliefert. Entscheidend für den Rezeptionsprozess ist die Tatsache, dass er der einen Strophe sechs weitere hinzugefügt hat. Die Analyse des so neu entstandenen Liedes ergibt Erstaunliches: Eine Symmetrie um das mittlere Wort der mittleren Zeile der mittleren vierten Strophe „Es leucht’ wohl mitten in der Nacht“ und der Übergang – genau an dieser Stelle – von der Christologie zur Soteriologie, von der Darstellung dessen, was Christus ist, zur Erzählung, was er „für uns“ tut. Dazu verwendet Luther immer wieder Formulierungen aus dem Credo, speziell dem Nicäno-constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, das in der lateinischen Messe seinen liturgischen Platz gefunden hat: „Der Sohn des Vaters, Gott von Art“ zitiert den Satz „wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“ / „Deum verum de Deo vero, genitum non factum, consubstantialem patri“.

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Eine so vollständige theologische Reflexion über das, was mit der Menschwerdung Gottes geschehen ist, bedeutet auch einen Wechsel der Funktion des Liedes. War die mittelalterliche Strophe eine zusammenfassende Reaktion der Gemeinde auf die Verkündigung der Weihnachtsbotschaft in der vom liturgischen Chor gesungenen Sequenz, hat die Gemeinde nun selber die Verkündigung übernommen. Darin manifestiert sich das neue Verständnis der Gemeinde als einer Gemeinschaft mündiger Christinnen und Christen, welche in der Reformation, wenn auch nicht in der kirchlichen Praxis umgesetzt, so doch im Konzept angelegt war. Immerhin war im gemeinsamen Gesang – sofern er denn praktisch umgesetzt werden konnte – eine partizipatorische Liturgie angelegt, wie sie vor gut 100 Jahren in dem oft zitierten Motu Proprio Pius’ X. auch für den katholischen Gottesdienst gefordert wurde, unter dem Stichwort „participatio actuosa“. Die Transformation des Liedes geht einher mit der Transformation von Gemeindeverständnis und Gottesdienst. Ähnliches wäre zu sagen über Luthers Osterlied Christ lag in Todesbanden. Er bezeichnet es selber als „Christ ist erstanden gebessert“ (im Wittenberger Gesangbuch von 1529 bzw. 1533 auf Blatt 8). Die Verbesserung besteht auch hier darin, dass aus der refrainartigen Gemeindeantwort der mittelalterlichen Leise ein durchdachter, theologisch weit ausgreifender Text geworden ist, der Passion und Ostern eng zusammendenkt. Die Gemeinde selbst verkündigt die Botschaft des „mysterium paschale“ – wie die katholische Theologie heute sagt. Als drittes Lied nenne ich den Advents- bzw. Weihnachtshymnus Nun komm, der Heiden Heiland nach Veni redemptor gentium des Ambrosius von Mailand. Hier hat sich Luther eng an den lateinischen Text gehalten, so eng, dass man ihn im Grunde nur begreift, wenn man ihn ins Latein und in seinen altkirchlichen Kontext der Diskussion um das innertrinitarische Verhältnis zurücktransferiert. Hingegen finden wir hier ein Beispiel, wie die aneignende Transformation auch die Melodie betreffen kann. Luther hat nämlich die Melodie nicht unverändert übernommen, sondern sie so umgestaltet, dass sie der für die deutsche Sprache bezeichnenden Betonung der Akzentsilben entsprach. Im lateinischen Text liegt der Hochton in der ersten Zeile auf gen-tium, Luther verschiebt den Hochton so, dass er auf Hei-den zu liegen kommt. Er hat also gewissermaßen die Melodie mit übersetzt (auch wenn wohl für die lateinische Fassung diese Verbindung von Akzent und Hochton gar nicht so wichtig gewesen sein mag).12 Wenn er später aus derselben Melodie durch wenige Änderungen jene zu Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort gewinnt, vollzieht er damit den Transfer in ein anderes Genus, von der rezitierend, formal organisierten mittelalterlichen Melodie in einen am Textsinn und sogar am Textaffekt orientierten Melodietypus: Ein einziger Ton ist in der ersten Zeile geändert, und aus der Rezitation ist ein drängender Anruf geworden, affektiv gesteigert durch den zweimaligen Anlauf durch die Terz. 12 Ameln, Konrad: Lateinischer Hymnus und Deutsches Kirchenlied. In: Musik und Kirche 6 (1934), 128–148. – Marti, Andreas: Veni redemptor gentium. In: Ökumenischer Liederkommentar zum Katholischen, Reformierten und Christkatholischen Gesangbuch der Schweiz, Lfg. 2. Freiburg CH / Basel / Zürich 2003.

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2.2 Literarische Ansprüche im Barock Eingriffe in die Textgestalt schreiben wir in der Hymnologie vor allem den Gesangbuchherausgebern der Aufklärungszeit zu. Die Herausbildung einer literarischen Ästhetik für die deutsche Dichtung am Anfang des 17. Jahrhunderts – als Stichdatum gilt die Publikation von Martin Opitz’ „Von der deutschen Poeterey“ 1624 – hat jedoch bereits zu kräftigen Eingriffen in ältere Texte geführt. Auf der formalen Ebene stehen dort die Forderung nach reinen Reimen, nach vollständigen Wörtern ohne Elisionen, nach dem Verzicht auf Fremdwortreime, nach der Übereinstimmung von Vers- und Wortakzent. Eines der berühmtesten deutschen Kirchenlieder, Philipp Nicolais Wie schön leuchtet der Morgenstern war kurz vorher, nämlich 1599, erschienen und damit nach kurzer Zeit formal-ästhetisch überholt. So kommt es, dass im Hannoverschen Gesangbuch von 1646, kein halbes Jahrhundert nach der Erstpublikation, der Liedtext geglättet und zum Teil tiefgreifend verändert wird.13 Aus dem Schluss der 2. Strophe „Ey mein Blümlein / Hosianna / Himmlisch Manna / Das wir essen / Deiner kann ich nicht vergessen.“ wird „Hertzlich Will ich Dich drumb preysen / Vnd erweisen / Daß man mercke In mir deines Geistes Stärcke“. Das geht kaum weniger weit als die vielgescholtenen Redaktionen der Aufklärung gegen 1800. Radikaler noch waren die Versuche, die von Ambrosius Lobwasser 1565 geschaffene und 1573 erstmals publizierte deutsche Nachdichtung des französischen Psalters gleich ganz zu ersetzen, weil seine Verse nicht den formalen Prinzipien des Barock entsprachen. Opitz selbst veröffentlichte 1637 eine Neubereimung, die sich aber nicht durchsetzen konnte. Lobwasser war inzwischen zu fest im reformierten Gebrauch verwurzelt, und die Opitz’sche Texttreue verhinderte die den Lutheranern wichtige christologische Interpretation der Psalmen im Text selbst. Es sei dazu eben nur angemerkt, dass Lobwassers Versgestaltung sich den Prinzipien der französischen Metrik annähert und deshalb in Verbindung mit den Melodien gut funktioniert  – die barocke Kritik greift darum nur bedingt. 2.3 Inhaltliche Ansprüche in der Aufklärung Was hat die Hymnologie doch immer wieder über die Aufklärer gespottet und geschimpft! Anlass dazu waren Korrekturen wie in Paul Gerhardts Nun ruhen alle Wälder, wo aus „es schläft die ganze Welt“ mit Rücksicht auf die Kugelgestalt der Erde und die Verschiebung der Tageszeiten „es schläft die halbe Welt“ gemacht wurde: Wenn wir in Europa zu Bett gehen, sind unsere amerikanischen Freunde ja erst bei der „happy hour“ … Freilich steht dahinter die Verkennung 13 Vgl. dazu Drömann, Hans-Christian: Das Hannoversche Gesangbuch 1646. In: JLH 27 (1983), 164–192. – Zum genannten Lied: Sauer-Geppert, Waldtraut Ingeborg: Sprache und Frömmigkeit im deutschen Kirchenlied. Vorüberlegungen zu einer Darstellung seiner Geschichte. Kassel 1984, 170–212. Zitate 174 und 181.

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der poetisch-symbolischen Ebene der Sprache, aber es gilt eben auch der Anspruch an intellektuelle Redlichkeit und das Bestreben, Rezeptionshindernisse zu vermeiden. Schön formuliert hat dies Friedrich Ferdinand Traugott Heerwagen in seiner „Literatur-Geschichte der geistlichen Lieder“ 1797, worin er unter die Fehler von Texten deren „Einseitigkeit“ rechnet: Die Fehler eines Kirchenliedes insonderheit. Hierher gehören folgende: 1. Wenn die Ausdrücke und der Inhalt des Liedes individuell oder einseitig sind. Unter die einseitigen Ausdrücke gehören die Worte: Jüngling, Knecht, Greis, Brüder, welche das weibliche Geschlecht in seiner Andacht aufhalten. Dem Inhalte nach aber ist ein Lied individuell, wenn es auf einen besondern Zustand gerichtet ist, z. B. Valet will ich dir geben; … Das sind wohl Lieder für alte abgelebte, sieche und kummervolle Menschen …14

Heute würde man von inklusiver Sprache und von Gendergerechtigkeit sprechen, und es hat fast zweihundert Jahre gedauert, bis diese Fragen für das Kirchenlied neu gestellt wurden. Die Hymnologie und die Gesangbucharbeit haben die „Überwindung der Aufklärung“ nach 1820 wohl doch etwas zu gründlich angegangen. Es gibt ja durchaus auch Beispiele gelungener Modernisierungen aus der vielgeschmähten Aufklärungszeit. Hier weise ich auf die Neubereimungen des Psalters (auf die französischen Melodien) Ende des 18. Jahrhunderts hin. Diejenige von Matthias Jorissen aus dem Jahr 179815 ist nach wie vor teilweise im Gebrauch, und auch von jener, die Johannes Stapfer für das Berner Psalmenbuch von 177516 geschaffen hat, sind größere Textpassagen noch heute im reformierten Gesangbuch zu finden. Weil in diesen Fällen letztlich der biblische Text die Grundlage bildet, bestand hier nicht die Gefahr, dass die poetisch-symbo­lische Substanz verloren ging – Christian Fürchtegott Gellert hatte ja im Vorwort seiner „Geistlichen Oden und Lieder“ von 1757 ausdrücklich die Bibel als Quelle aktueller geistlicher Sprache postuliert. Aber sowohl bei Jorissen wie bei Stapfer ging es um die Beseitigung von Rezeptionshindernissen und damit um die Erhaltung des Psalters im Gesangsrepertoire. Das Gegenbeispiel lässt sich in Zürich beobachten: Dort wurde eine von Johann Rudolf Ziegler verfasste Neubereimung nicht in den kirchlichen Gebrauch übernommen; man hielt am Lobwasser-Psalter aus dem 16. Jahrhundert fest, mit dem Resultat, dass er um 1800 als völlig unzeitgemäß bekämpft wurde und außer Gebrauch kam. Im Zürcher Kantonalgesangbuch von 1853 finden sich kaum noch Psalmen, während das im selben Jahr erschienene Berner Gesangbuch17 immerhin noch etwa die Hälfte des Psalters enthielt.

14 Heerwagen, Friedrich Ferdinand Traugott: Literatur-Geschichte der geistlichen Lieder und Gedichte neuer Zeit. Schweinfurt 1797, Faks. Hildesheim 1982. 2. Teil, 314. 15 Jorissen, Matthias: Neue Bereimung der Psalmen, bestimmt für die deutschen Gemeinden im Grafenhaag und Amsterdam. Wesel / den Haag / Amsterdam 1798 (DKL 1798 06). 16 Die Psalmen und Festlieder für den öffentlichen Gottesdienst der Stadt und Landschaft Bern. Bern 1775 (DKL 177502). 17 Berner Gesangbuch. Psalmen, Lieder und Festlieder. Bern 1853.

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2.4 Die Perversion der Korrektheit im Nationalsozialismus18 Dass in dem ohnehin schon nationalistischen Lied Ein Haupt hast du dem Volk gesandt von Julius Sturm der „Kaiser“ durch den „Führer“ ersetzt wurde, überrascht kaum und änderte auch am Gehalt des Liedes wenig.19 Eine heftige Diskussion entspann sich um die Beseitigung der so genannten Judaismen im traditionellen Kirchenlied, also die Vermeidung hebräischer Begriffe und alttestamentlicher Symbolnamen wie „Israel“ oder „Zion“. Allerdings wird auf einer anderen Ebene die theologische Differenz zum Judentum gerade kleiner, wenn gefordert wird, „pointierte Aussagen über die Gottheit Christi zu vermeiden“. 20 Freilich schießt die neuere Hymnologie da und dort mit den Entjudungsvorwürfen übers Ziel hinaus. Dass „Abrahams Samen“ in der letzten Strophe von Joachim Neanders Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren in der ökumenischen Fassung der Zeile „die seine Verheißung bekamen“ Platz machen musste, hat weniger mit der Vermeidung des alttestamentlichen Erzvaters Abraham zu tun als mit dem ungebräuchlich bis befremdlich gewordenen „Samen“ im Sinne von Nachkommenschaft. Diese oft gescholtene Änderung stammt denn auch nicht aus einem deutschchristlichen Gesangbuch, sondern aus dem Schweizer Gesangbuch von 1891 und ist von da in die ökumenische Fassung gelangt. 2.5 Kirchenliedrestauration im 20. Jahrhundert Bereits mit dem Historismus des 19. Jahrhunderts hatte eine Bewegung zurück zu den originalen Textgestalten eingesetzt. Was einfach und plausibel klingt, ist aber höchst problematisch. Zum einen ist gerade bei alten Texten eine als Norm fungierende Originalgestalt von der Quellenlage her gar nicht auszumachen. Zum andern ist der Grundsatz, dass das Ältere das Richtige ist, eine ideologische Vorgabe des Historismus, die sich zudem selbst in Widersprüche verstrickt, sobald etwa von einer Fassung „letzter Hand“ gesprochen wird. Hier ein Beispiel, das die Melodieverwendung betrifft: Martin Luther hatte zu Nun freut euch, lieben Christen gmein, seinem dramatischen Erzähllied „wie der Sünder zur Gnade kommt“21 eine entsprechend dramatisch bewegte Melodie gewählt, die mit den beiden aufeinander folgenden 18 Vgl. dazu Kück, Cornelia: Kirchenlied im Nationalsozialismus. Die Gesangbuchreform unter dem Einfluss von Christhard Mahrenholz und Oskar Söhngen. Leipzig 2003, 194–210. 19 Riehm, Heinrich: Das 20. Jahrhundert. In: Möller, Christian (Hg.): Kirchenlied und Gesangbuch. Quellen zu ihrer Geschichte. Tübingen 2000, 289. Sturms Lied findet sich beispielsweise im Brandenburger Gesangbuch, Berlin 1884 unter der Nummer 506 (mit Melodiezuweisung von Allein Gott in der Höh sei Ehr). 20 Hoffmann, Heinz: „… und ist kein andrer Gott“? Bemerkungen zur Gesangbucharbeit der „Deutschen Christen“. In: Hermann, Siegfried / Söhngen, Oskar (Hg.): Theologie in Geschichte und Kunst. Walter Elliger zum 65. Geburtstag, Witten 1968, 83–93. Zit nach: Kück, Cornelia: Kirchenlied im Nationalsozialismus (s. Anm. 18), 209. 21 So im Wittenberger Gesangbuch (1529) 1533 (DKL 153302), Bl. 24b.

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Quartsprüngen nach oben eine Aufmerksamkeit heischende melodische Dissonanz erzeugt – geeignet fürs Singen (oder eher Schreien) auf dem Markt, um sich im allgemeinen Lärm durchzusetzen. 22 Als Luther das Lied ein paar Jahre später ins so genannte Klugsche Gesangbuch aufnahm, gab er ihm eine andere Melodie, viel ruhiger, mit kreisenden Bewegungen, geeignet für ein betrachtendes Nachdenken über Gottes Handeln in der Rechtfertigung des Sünders. Mit dieser zweiten Melodie – wir kennen sie auch beispielsweise mit dem Text Es ist gewisslich an der Zeit und als „Tune LUTHER“ – hat sich der Text über Jahrhunderte in den Gesangbüchern gehalten; erst das 20. Jahrhundert ist zur ersten Melodie zurückgekehrt. Das entspricht dem Prinzip des Ursprünglichen, widerspricht aber andererseits Luthers Intention, das Propagandalied zum gottesdiensttauglichen Gemeindelied zu machen (sofern man für diese frühe Zeit überhaupt von einem solchen sprechen kann – die neuere Forschung ist im Blick auf die tatsächliche liturgische Praxis etwas skeptisch). Hinlänglich bekannt ist die Problematik der „Sternchenlieder“: In dem durch die historisch oder eben historistisch ausgerichtete Hymnologie geprägten „Evangelischen Kirchengesangbuch“ (EKG) von 1950 mussten zahlreiche Wörter oder Textpassagen in Anmerkungen erklärt werden, weil sie zwar dem Original (was immer das auch gewesen sein mochte) entsprachen, durch die Sprachentwicklung aber unverständlich geworden waren. Immerhin hat auch das EKG nicht wenig anpassen müssen. Christhard Mahrenholz, einer der verantwortlichen Hymnologen, hat darüber ausführlich Bericht gegeben. Er warnt vor einer Verengung des Sprachschatzes durch die Reduktion auf Gegenwartssprache, räumt aber redaktionelle Änderungen aus Gründen des grammatikalischen und semantischen Sprachwandels ein, ferner solche der Verständlichkeit, der Theologie, der Logik, des Reims, der Ästhetik, der Metrik, der Musik oder der Aussage ganzer Strophen oder Strophenteile. 23 Das damalige Schweizer Gesangbuch von 1952 und die neueren deutschsprachigen Gesangbücher orientieren sich demgegenüber stärker am aktuellen Sprachstand, doch sind auch hier Stellen stehen geblieben, die man ohne poetischen Verlust hätte ändern können, ja müssen. Ein schönes (oder eher übles) Beispiel für ein auch im neuen Gesangbuch wieder übersehenes Problem ist Luthers „Kinderlied wider die zwei Erzfeinde Christi, den Papst und den Türken“, Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort. Die zweite Zeile lautet bekanntlich „und steur’ des Papsts und Türken Mord“. Schon im 18. Jahrhundert wurde geändert in „und steure deiner Feinde Mord“. Damit war der grösste Anstoß, die explizite und auf Personen gezielte Polemik, beseitigt, nicht aber ein sprachliches Missverständnis. Kaum jemand versteht heute noch das Verbum „steuern“ mit Genitiv, das „abwehren“, „verhindern“ bedeutet. Gebraucht wird es nur noch mit Akkusativ­objekt im Sinne von „lenken“. Das führt zu der absurden Vorstellung, 22 Im Hymn Tune Index von Nicholas Temperley, Oxford 1998, erscheint die Melodie unter der Nummer 1b, trägt aber keinen tune name. 23 Mahrenholz, Christhard: Das Evangelische Kirchengesangbuch. Ein Bericht über seine Vorgeschichte, sein Werden und die Grundsätze seiner Gestaltung. Kassel 1950, 58–81.

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dass Gott gewissermaßen das Steuergerät einer Drohne in der Hand halten und seine Feinde töten soll. Es wäre ein Leichtes gewesen, zu ändern in „und wehre deiner Feinde Mord“. Die Gesangbuchausschüsse haben das Problem übersehen – auch die Kommission für das schweizerische Reformierte Gesangbuch, der ich selber angehört habe. Asche über mein Haupt! Für die Rezeptionsgeschichte des Kirchenliedes im 20. Jahrhundert ist zudem die Behandlung der Melodien zentral. Im Zusammenhang mit der Verlangsamung des Singtempos, die wohl schon um 1600 eingesetzt hatte und im 19. Jahrhundert zu Exzessen geführt hatte – 2 bis 4 Sekunden pro Melodienote –, waren ursprüngliche rhythmische Gestaltungen und Differenzierungen obsolet geworden, da in diesem langsamen Tempo ein Dreierrhythmus oder eine Punktierung jeden Sinn verliert. Etwas pauschal lässt es sich so sagen: Wenn der musikalische Pulsschlag mit den Akzentsilben übereinstimmt (d. h. in der Regel zwei Silben pro Pulsschlag), ist rhythmische Gestaltung möglich und sinnvoll; wenn dagegen auf jede Silbe ein ganzer Pulsschlag fällt (oder sogar deren zwei und mehr), erstarrt der Ablauf, hat keinen rhythmischen Spielraum mehr, es sei denn in den Begleitstimmen zwischen den Silben, wie sich bei Bachs Choralsätzen, aber auch schon bei Michael Praetorius in den „Musae Sioniae“ von ­1607–1610 zeigt. Das 20. Jahrhundert hat im Gefolge der Singbewegung das natürliche Tempo – Pulsschlag auf den Akzentsilben statt auf jeder Silbe – zurückgewonnen. Damit waren nun wieder die rhythmisch gleichförmigen Fassungen des 18. und 19. Jahrhunderts obsolet geworden, und die Wiedergewinnung des „rhythmi­ schen Chorals“ stand auf der Tagesordnung. Dies gelang teilweise erst im zweiten Anlauf in den Gesangbüchern gegen Ende des Jahrhunderts, während man in der Jahrhundertmitte bei bekannten Melodien die Veränderung offensichtlich noch nicht gewagt hatte. Ich denke hier an die Auftaktverlängerung und die quantitierende Punktierung bei Nun danket alle Gott oder an die Auftaktverlängerung in der Valet-Melodie, die gegenüber vorher keine Verlängerung der ersten Note, sondern eine Beschleunigung der folgenden bedeutet. 2.6 Der Sprachwandel nach 1970 „Schwestern, wo seid ihr?“ lautete eine Frage, schon fast ein Kampfruf, in den 1970er, 1980er Jahren. Dass Frauen bei den grammatisch männlichen Begriffen eingeschlossen seien, wurde nicht mehr akzeptiert, „mitgemeint“ wurde zum Schimpfwort. Viele von uns erinnern sich an das Aufkommen dieser Diskussionen, die nicht selten mit erbitterter Schärfe geführt wurden. Wenn es in liturgischen Texten noch anging, „Schwestern und Brüder“ statt „Brüder“ zu sagen, kam man da bei Liedtexten sehr schnell an die Grenzen von Reim, Silbenzahl, Akzent und Rhythmus. Die Kommission für das Reformierte Gesangbuch der Schweiz bekam in den letzten Jahren vor der Fertigstellung, um 1995 herum, Hunderte von Postulaten, was alles in dieser Hinsicht geändert werden müsste. Der größere Teil dieser Vorschläge war schlicht nicht realisierbar oder hätte zu

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ästhetisch ziemlich fürchterlichen Gebilden geführt – umso schlimmer, wenn dann eine Argumentation auf dieser Ebene als patriarchalisch und frauenfeindlich diskriminiert wurde: Literarische Qualität ist uns egal, Hauptsache, die Sprache ist gendergerecht (damals war dieser Begriff noch nicht üblich). Immerhin konnte eine stolze Zahl von Anpassungen vorgenommen werden, etwa in manchen Fällen der Ersatz der als patriarchalisch-hierarchisch empfundenen Gottesbezeichnung bzw. Gottesanrede „Herr“ durch das neutralere (wenn auch grammatikalisch immer noch männliche) „Gott“. Das war im Blick auf die Struktur der Melodie nicht immer möglich, weil „Herr“ sowohl zu kurzen wie zu langen Noten gut zu singen ist, „Gott“ dagegen bei langen Noten nicht optimal liegt. Auch wurde in jenen Fällen an „Herr“ festgehalten, wo es um den „Kyrios“ Christus ging. Für dieses Bemühen, auf die gewandelten Sprachgewohnheiten einzugehen, haben die Gesangbuchverantwortlichen dann dennoch von deutscher evangelischer Seite Prügel bezogen. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet und die angepassten Fassungen sind bei uns selbstverständlich geworden. Poetische Sprache verwendet Metaphern, Bilder. Manche Metaphernbereiche sind der Kirchenlieddichtung abhandengekommen: Erotische Bilder der spätmittelalterlichen Jesusminne, im Barock noch weit verbreitet – man denke an manche Kantatentexte  – sind heute nur noch peinlich oder unfreiwillig komisch. Die politische, die Herrschaftsmetaphorik suggeriert ein problema­ tisches Gottesbild und wird teilweise als theologische Überhöhung einer hierarchischen Gesellschaftsstruktur gewertet. Kriegsmetaphorik ist seit dem Horror des 2. Weltkriegs und allem was seither noch an Schlimmem geschehen ist, nicht mehr erträglich. Noch 1933 erschien dagegen eine Sammlung unter dem Titel „Christliche Kampflieder der Deutschen“, die Nationales und Christliches problemlos in einer Linie wahrnahm und eine Haltung propagierte, die „fromm und kriegerisch wie die der Landsknechte im Mittelalter“ sein sollte. 24 Immerhin hat um die Jahrhundertmitte die konfliktgeprägte jüngste Vergangenheit die Vorstellung der kämpfenden Kirche noch durchaus plausibel bleiben lassen, so dass im Schweizer Gesangbuch von 1952 das Kapitel „Kirche in Kampf und Leiden“ enthalten war. Darin war natürlich Luthers Ein feste Burg zu finden oder auch das Lied Wir stehn im letzten Kampf und Strauß. Mag sein, dass die neueren Gesangbücher sich etwas zu leicht davon verabschiedet haben: Die Welt ist nicht durchgehend friedlicher geworden, und singend und klagend darauf zu reagieren, muss wohl für uns dazugehören. Im Reformierten Gesangbuch findet sich denn auch ein Lied aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, das sehr explizit vom Krieg spricht, allerdings aus der pazifistischen Perspektive: Wir schauen aus nach Frieden von jedem Berg und Turm und sehn, wie Teufel schmieden zu neuem Krieg und Sturm.25

24 Christliche Kampflieder der Deutschen. Gesammelt und in Verbindung mit Konrad Ameln und Wilhelm Thomas herausgegeben von Ernst Sommer. Kassel 1933. Zitat aus dem Vorwort (S. 2). 25 RG Nr. 820, Text: Adolf Maurer 1936.

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Die Naturmetaphorik, von Hermann Kurzke in seinem Aufsatz über den Metaphernverlust 26 nicht unter die unbrauchbar gewordenen gerechnet, könnte an sich unverdächtig sein, doch hat sie in unseren urbanen Gesellschaften leicht etwas Nostalgisches, Schiefes an sich, besonders, wenn dann noch agrarische Bilder dazukommen wie in Jochen Kleppers Mittagslied Der Tag ist seiner Höhe nah. Dort heißt es in der 6. Strophe: „Er segnet deiner Bäume Frucht, dein Kind, dein Land, dein Vieh“. 27 Dazu, dass dies aus der Feder des Stadtmenschen leicht sonderbar klingt, kommt hier noch die unerträglich patriarchalische Einreihung des Kindes in die Besitztümer. Hermann Kurzke hat aus diesem Verlust der Metaphernbereiche geschlossen, dass es heute nahezu unmöglich sei, Kirchenliedtexte zu dichten, die mehr seien als „gereimte Sozialdemokratie“. 28 Dem ist insofern ein Stück weit zu widersprechen, als poetische Gestaltung nicht ausschließlich an der Metaphorik, sondern auch an der inneren Struktur eines Textes hängt, an Beziehungen, Gegensätzen, Wiederholungen und Variationen von Wörtern und Wortverbindungen, an klanglichen und formalen Entsprechungen. Hingegen kann der Metaphernverlust ein ernsthaftes Rezeptionshindernis bedeuten und uns den Zugang zu bedeutenden Teilen des überkommenen Repertoires verunmöglichen.

3. Rezeption als historisch-hymnologische Aufgabe Ich habe es noch erlebt, wie von einem Altmeister der „klassischen“ Hymnologie, meinem verehrten hymnologischen Mentor Konrad Ameln, der Rezeptionsforschung eine durchaus abwertende Reserve entgegengebracht wurde. Da galt noch das „ad fontes“, die Suche nach den Ursprüngen als das vornehmste Unterfangen der Forschung. Die Erkenntnis der „weichen Identität“ und noch mehr die Wahrnehmung der geschichtlichen Dynamik überhaupt erfordern hier ein Umdenken. Es ist nicht nur angemessen, sondern notwendig, zu fragen, wie Texte und Melodien sich gewandelt, wie sie auf sprachliche, musikalische, gesellschaftliche und theologische Entwicklungen reagiert haben. Außer einem prinzipiellen historischen Erkenntnisgewinn liefert eine solche Arbeit auch Kriterien, die bei der Herausgabe neuer Gesangbücher zur Anwendung kommen. Dass dabei die klassische Quellenforschung ihren Platz behält, ist selbstverständlich, doch liefert sie nicht normative Liedgestalten, sondern die ersten Schritte des dynamischen Rezeptionsprozesses.

26 Kurzke, Hermann: Poetik und Metaphorik in der Geschichte des Kirchenliedes. In: Kurzke, Hermann / Ühlein, Hermann: Kirchenlied interdisziplinär. Hymnologische Beiträge aus Germanistik, Theologie und Musikwissenschaft. Frankfurt a. M. 1999, 9–26. 27 EG 457, RG 584, Str. 6. 28 Kurzke, Hermann: Poetik und Metaphorik in der Geschichte des Kirchenliedes (s. Anm. 26), 25.

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Die Frage heißt also rezeptionsgeschichtlich: „Wie ist die heutige Fassung eines Liedes entstanden?“ und nicht mehr nur historistisch „Wie lautete die Urfassung?“.

4. Rezeption als systematisch-hymnologische Aufgabe In Verbindung mit der historisch-hymnologischen Forschung hat die systematische die Analyse der Tendenzen zu leisten, welche sich in einer Epoche oder in einem bestimmten Gesangbuch manifestieren. Diese sind zu interpretieren in ihrer Verknüpfung mit der theologischen, kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Situation. Hymnologie als Rezeptionsforschung erweist sich dabei wieder einmal als eine Kulturwissenschaft von großer Reichweite, und es bleibt zu hoffen, dass die Hymnologie das wissenschaftspolitische Tief, in dem sie sich zur Zeit mindestens im deutschen und im französischen Sprachraum befindet, in nicht allzu ferner Zukunft überwinden kann. Unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Relevanz gilt es dann, den individuellen Rezeptionsprozess zu bedenken. Er steht beim Kirchenlied im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung eines literarisch-musikalischen Kunstwerks (auch wenn der Kunstwert im Einzelnen durchaus unterschiedlich ist) und der Aneignung im Sinne eines persönlichen religiösen Vollzugs. Kurz gesagt: Wenn ich singe, bete ich mit den Worten eines Anderen. Daraus ergibt sich in der Praxis leicht das fast vollständige Überwiegen dieser identifikatorischen Seite der Rezeption, während die distanzierte Rezeption eines Textes als eines mir gegenüber stehenden Objekts, eben eines „Gegen-Standes“, ausgeblendet oder explizit abgelehnt wird. Wir entrinnen aber dieser „ästhetischen Dialektik“29 von Distanz und Identifikation nicht, und daher hat sich die Hymnologie immer wieder mit ihr zu befassen, sei es grundsätzlich oder im Blick auf bestimmte Lieder oder Situationen. Dabei ist die biographische Komponente mit einzubeziehen: Lieder, die wir uns als Kinder aneignen, werden trotz möglicher historischer und sprachlicher Distanz als eigene wahrgenommen; die Dialektik von Distanz und Iden­tifikation ist in die persönliche Geschichte mit Liedern eingebettet. Da wäre dringend das Gespräch der Hymnologie mit der Katechetik gefordert  – vielleicht eines der größten Kommunikationsdefizite in der kirchlichen Arbeit der Gegenwart. Angesichts des manifesten Traditionsabbruchs kann Rezeption nicht nur als ein Vorgang behandelt werden, den man beobachtet und beschreibt, sondern den wir mit den Methoden von Katechetik, Gemeindepädagogik und Musikvermittlung zu befördern haben, soll uns nicht unser Gegenstand in ein bis zwei Generationen unter den Händen zerrinnen. 29 Vgl. dazu Grözinger, Albrecht: Praktische Theologie und Ästhetik. Ein Beitrag zur Grundlegung der praktischen Theologie. München 1987.

Singende Kirche Die Lieder der neuen Perikopenordnung Ein Werkstattbericht zum neuen Wochenliedplan

Stephan Goldschmidt

Die Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder löst ab dem 1. Advent 2018 die bisherige Lese- und Predigttextordnung von 1977/78 ab. Sie wurde in den Jahren 2010 bis 2017 in einem aufwändigen und zugleich transparenten Prozess von zwei Arbeitsgruppen (Texte, bzw. Wochenlieder) erarbeitet. Immer wieder gab es für Interessierte die Möglichkeit, sich über den Revisionsprozess zu informieren. Außerdem wurde im Kirchenjahr 2013/2014 ein Erprobungsverfahren durchgeführt und um Rückmeldungen gebeten. Zahlreiche Änderungsvorschläge wurden anschließend geprüft und zum Teil eingearbeitet. Ende 2017 wurden dann die kirchenleitenden Beschlüsse zur Einführung der neuen Ordnung gefasst. Sie wird ab dem Kirchenjahr 2018/2019 von den EKD -Gliedkirchen für den Gebrauch empfohlen. Vermutlich wird sie allerdings weit über Deutschland hinaus rezipiert werden. Vergleicht man die neue Ordnung mit ihrer Vorgängerin, kann man im Wesentlichen von einer Weiterentwicklung sprechen. Das 6-jährige System der miteinander verschränkten Lese- und Predigttexte bleibt erhalten und auch der Zuschnitt des Kirchenjahres orientiert sich weitgehend an der bisherigen Ordnung, auch wenn es einige signifikante Änderungen gibt. Zu den größten Änderungen gehört neben dem Versuch, die ganze Bibel zu Wort kommen zu lassen (mehr Texte aus dem Alten Testament, aber auch aus bisher wenig berücksichtigten Gattungen), die Änderung bei den Wochenliedern. Gab es bisher an manchen Sonn- und Feiertagen ein Wochenlied und an manchen zwei, so werden mit der neuen Ordnung durchgängig zwei Lieder pro Proprium vorgeschlagen, die sich von ihrer Entstehungszeit, ihrem Charakter oder ihrem Genre in der Regel unterscheiden. Dennoch klingen sie mit den Texten der jeweiligen Sonnund Feiertage im Sinne der Konsonanz zusammen und erweitern den Textraum zum Klangraum. Entstammten die meisten Wochenlieder bisher der Reformationszeit oder der Zeit des Konfessionalismus, bilden nun die Lieder aus dem 20. Jahrhundert die größte Gruppe. 32 Lieder gehen sogar über den Stammteil des Evangelischen Gesangbuches hinaus. So ist es kein Wunder, dass gegen Ende der Perikopenrevision gerade über den Wochenliedplan besonders intensiv diskutiert wurde. Bei kaum einer anderen Frage waren so viele Emotionen im Spiel wie bei der, welche Lieder zum „Klangraum“ der verschiedenen Sonn- und Fei-

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ertage gehören sollten. Dabei spielten weniger die konzeptionellen Grundentscheidungen eine Rolle als vielmehr Fragen des persönlichen Geschmacks. Bevor der neue Wochenliedplan und sein vielschichtiger Entstehungsprozess beschrieben werden, scheint es sinnvoll zu sein, in der gebotenen Kürze grundsätzliche Fragen über die Bedeutung des Singens anzusprechen, insbesondere über das Singen im Gottesdienst. Danach sollen die Geschichte und die Bedeutung des Wochenliedplanes in den Blick genommen werden.

1. Zur Bedeutung des Singens im Gottesdienst Das Singen von Liedern wird in seiner Bedeutung häufig unterschätzt. Aus der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschung wissen wir, wie wichtig das regelmäßige Singen oder auch nur das Hören von Musik für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist. Es stimuliert das Gehirn und kann nach einem Schlaganfall sogar dazu beitragen, verloren geglaubte Kompetenzen wieder neu zu erlernen.1 Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig singen oder musizieren, können sich besser konzentrieren und leichter Fremdsprachen lernen. Singen macht nach Ansicht mancher Experten klug, 2 aber es macht zugleich auch glücklich, wie alle wissen, die es regelmäßig tun. Darüber hinaus schließt gemeinsames Singen beispielsweise in einem Chor die Sängerinnen und Sänger zu einer intensiven Gemeinschaft zusammen. Zum Glück trifft nach einer von der Liturgischen Konferenz herausgegebenen Doppelstudie das weitverbreitete Klischee nicht zu, dass im Gottesdienst kaum mehr gesungen wird.3 In der 2010 durchgeführten ersten Studie gaben 68,4 % der Befragten an, sie sängen im Gottesdienst immer mit. 24,4 % sagten, sie täten dies meistens.4 Doch es gibt Gründe, die das Singen erschweren. Als die drei wichtigsten Hinderungsgründe wurden von den Befragten sowohl in der ersten als auch der zweiten Studie 2012 folgende Punkte genannt: a. ich kenne das Lied nicht; b. ich mag das Lied nicht; c. es singen zu wenige mit.5

1 Vgl. Altenmüller, Eckert: Vom Neandertal in die Philharmonie. Warum der Mensch ohne Musik nicht leben kann. Berlin 2018, 108–110, 417–430. 2 Vgl. zur Frage, ob Musik klug macht, aber auch Altenmüller, Eckert: Vom Neandertal in die Philharmonie (s. Anm. 1), 437–446. 3 Danzeglocke, Klaus / Heye, Andreas / Reinke, Stephan A./ Schroeter-Wittke, Harald: Singen im Gottesdienst. Ergebnisse und Deutungen einer empirischen Untersuchung in evangelischen Gemeinden. Gütersloh 2011. – Gembris, Heiner / Heye, Andreas: Bericht über eine Replikationsstudie zum Singverhalten in evangelischen Gemeinden, in: Liturgie und Kultur 1 (2014), 5–41. 4 Heye, Andreas / Gembris, Heiner / Schroeter-Wittke, Harald: Singen im Gottesdienst. Eine empirische Untersuchung, in: Danzeglocke, Klaus / Heye, Andreas / Reinke, Stephan A./ SchroeterWittke, Harald: Singen im Gottesdienst (s. Anm. 3), 17–57, hier: 41.

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Auch unter theologischen und liturgischen Gesichtspunkten ist das Singen im Gottesdienst von hoher Bedeutung. Es dient entsprechend der bekannten Torgauer Formel Luthers zunächst dem Lob Gottes, mit dem die Gemeinde im Gottesdienst auf die Zusage des Wortes Gottes antwortet. Damit ist das Kirchenlied nach evangelischem Verständnis weit mehr als eine willkommene Unterbrechung zwischen Wortbeiträgen und liturgischen Stücken. Es soll auch nicht den eigentlichen Inhalt des Gottesdienstes ästhetisch schmücken oder emotional unterlegen. Das Kirchenlied hat sein eigenes Gewicht. Es ist zweitens selbst Verkündigung, und zwar in einer vertieften Form: Herz und Mund aller am Gottesdienst Teilnehmenden sind an der Kommunikation des Evangeliums beteiligt, und zwar gemeinsam und mit ihrem ganzen Körper. Die Rollen der Predigenden und der Hörenden, der Liturgen und der Gemeinde werden hier aufgelöst. Manches Lied ist schließlich wie ein Gebet formuliert und wer es singt, betet nach Augustin doppelt. Deshalb ist es aller Mühe wert, den Gemeindegesang zu pflegen und ihm – da wo er schwach zu werden droht – wieder neue Impulse zu geben. Ziel des Wochenliedplanes ist nicht zuletzt, solch einen Impuls zu geben, indem er Lieder bereithält, die entweder schon heute von den Gemeinden gern gesungen werden oder das Potential haben, nach und nach von den Gemeinden adaptiert zu werden.

2. Zur Geschichte und zur Bedeutung des Wochenliedes und des Wochenliedplans Das Konzept des Wochenliedes ist erstaunlicherweise noch relativ jung, auch wenn seine liturgische Funktion auf das Graduallied zurückgeht, das seit dem Mittelalter in der Messe zwischen den biblischen Lesungen angeordnet war. Auch die de-Tempore-Lieder und frühere Zuordnungen von Liedern zu den Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres heben auf diese liturgische Funktion der Wochenlieder ab. Allerdings setzt das Wochenlied einen darüber hinaus­ gehenden Akzent, indem es Sonn- und Werktage miteinander verbindet und auch der Alltagsspiritualität dient. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts gehören die Wochenlieder offiziell zur Perikopenordnung hinzu, indem sie in die Agenden aufgenommen wurden, 1955 in Agende I der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands (VELKD) und 1959 in Agende I der Evangelischen Kirche der Union (EKU). Vorausgegangen waren ein pointierter Vorschlag von Seiten der liturgischen Erneuerungsbewegung sowie eine Initiative aus dem Umkreis des Verbandes evangelischer Kirchenchöre Deutschlands (VeK). Von Bedeutung war zunächst der Vorschlag von Theodor Knolle und Wilhelm Stählin in ihrer 1934 herausgegebenen Kirchenjahresdenkschrift, die Proprien der 5 Heye, Andreas / Gembris, Heiner / Schroeter-Wittke, Harald: Singen im Gottesdienst (s. Anm. 4), 44 – Gembris, Heiner / Heye, Andreas: Bericht über eine Replikationsstudie zum Singverhalten in evangelischen Gemeinden (s. Anm. 3), 16.

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Sonn- und Feiertage künftig um einen Wochenspruch und ein Wochenlied zu ergänzen.6 Schon im folgenden Jahr gaben Wilhelm Thomas und Konrad Ameln in Abstimmung mit dem VeK die „Lieder für das Jahr der Kirche“ heraus.7 Der erste offizielle Wochenliedplan wurde dann nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 vom VeK herausgegeben und fand anschließend seinen Weg in die großen Agendenwerke. Von Beginn an stand zwar nicht der Wochenliedplan an sich, aber die getroffene Liedauswahl in der Kritik. Er bot vor allem Lieder aus der Reformationszeit und der Zeit des Konfessionalismus.8 Diese waren z. T. schwer verständlich und auch nicht leicht zu singen. Manche Wochenlieder konnten so keine erkennbare Bekanntheit in den Gemeinden erlangen und wurden kaum gesungen. So hatte bereits 1970 der VeK in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Kirchenchorwerke in der DDR eine Liste mit Ausweichliedern herausgegeben, die anstelle mancher wenig geliebten Wochenlieder vorgeschlagen wurden. Sie zeichnen sich im Großen und Ganzen durch eine leichtere Singbarkeit oder einen höheren Bekanntheitsgrad aus. Im Zusammenhang mit der Revision der Perikopenordnung in den 70er Jahren wurde der Wochenliedplan erneut unter Federführung des VeK um 48 Lieder ergänzt, von denen 25 aus der Liste der Ausweichlieder stammten. Seither gibt es an ca. 50 % der Sonn- und Feiertage zwei Wochenlieder, wobei die bisherigen Lieder bis auf wenige Ausnahmen einfach weiterhin im Gebrauch blieben. Lediglich 13 Lieder wurden aus der bisherigen Wochenliedliste gestrichen, darunter auch zwei Lieder Martin Luthers: Christ unser Herr zum Jordan kam (EG 202) und Jesus Christus, unser Heiland (EG 215). Dafür wurde sein Lied Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362) neu aufgenommen. Von einer Ausgewogenheit der Liedepochen konnte aber weiterhin keine Rede sein. Aus den Zeiten der Reformation (inklusive der vorreformatorischen Zeit) und des Konfessionalismus stammten 87 % der Lieder. Die Epoche Pietismus und Aufklärung wurde nur mit 9 % berücksichtigt. Die erste Hälfte des 20. Jahrhundert, von Hans-Christian Drömann als „Neuzeit“ bezeichnet, hatte lediglich mit 4 % Anteil am neuen Wochenliedplan9. Die Gelegenheit, im Zusammenhang mit der Einführung des Evangelischen Gesangbuchs (der Stammteil erschien 1993) oder des Evangelischen Gottesdienstbuches (1999) den Wochenliedplan zu überarbeiten, ließ man weithin ungenutzt. Es wurden einschließlich der Lieder für die feststehenden Feste und Gedenktage lediglich zehn neue Lieder ergänzt, die vorher nicht im EKG vor 6 Knolle, Theodor / Stählin, Wilhelm (Hg.): Das Kirchenjahr. Eine Denkschrift über die Kirchliche Ordnung des Jahres. Im Auftrag der Niedersächsischen Liturgischen Konferenz und des Berneuchener Kreises. Kassel 1934. 7 Vgl. Drömann, Hans-Christian: Der revidierte Wochenliedplan. In: JLH 22 (1978), 186–195, hier 186. 8 Drömann, Hans-Christian: Der revidierte Wochenliedplan (s. Anm. 7), 193 nennt folgende Prozentsätze: 63 % Lieder „aus der Reformation, einschließlich der vorreformatorischen Zeit, 22 % aus dem Zeitalter der Gegenreformation und 15 % aus der Zeit des 30jährigen Krieges“. 9 Drömann, Hans-Christian: Der revidierte Wochenliedplan (s. Anm. 7), 193.

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handen waren. An nur sieben Stellen wurden Lieder ausgetauscht oder aus dem Wochenliedplan gestrichen. Lieder aus dem Bereich des neuen geistlichen Liedgutes sind nahezu unberücksichtigt geblieben. Aus heutiger Sicht fehlte bei der Revision des Wochenliedplans von 1977/78 und in der der 90er Jahre der Mut, nicht als Wochenlieder geeignete Lieder (zu den Kriterien s. den folgenden Abschnitt) zu ersetzen. Dies schwächte in der Folgezeit die Akzeptanz der Wochenlieder und begrenzte ihren Gebrauch weitgehend auf den Gottesdienst. Aus heutiger Sicht ist ebenso problematisch, dass die Änderung des Ensembles der für die gottesdienstlichen Lesungen vorgesehen Texte10 (u. a. die Einführung der AT-Reihe, aber auch neue Evangelien- und Episteltexte) bei der Auswahl der Wochenlieder kaum berücksichtigt wurde. Schon die Entstehungsgeschichte zeigt, dass unabhängig von der liturgischen Funktion des Wochenliedes mit dem Wochenliedplan von Anfang an unterschiedliche Interessen verbunden waren: Von Seiten der liturgischen Erneuerungsbewegung wurden Wochenlieder als Bereicherung des geistlichen Lebens verstanden. Von Seiten des Chorverbandes wird noch die Hoffnung auf Planungssicherheit für die langfristige Vorbereitung auf die Gottesdienste eine Rolle gespielt haben. Aber entscheidend scheint doch für die Verantwortlichen des Wochenliedplans von 1948 gewesen zu sein, den nach der NS -Zeit sich neu orientierenden Gemeinden ein Liedrepertoire nahezubringen, das theologisch direkt an die Reformation anknüpfte. Dieses Anliegen mag in der Nachkriegszeit sein gutes Recht gehabt haben. Heute wirkt die ursprüngliche Liedauswahl schlicht einseitig.

3. Zum Erarbeitungsprozess des neuen Wochenliedplans und zu seinen Kriterien Zu Beginn der Arbeit am neuen Wochenliedplan sprach also viel dafür, stärker als bisher auf Lieder zu setzen, die in den Gemeinden bekannt sind und gern gesungen werden. So kann die Attraktivität des Wochenliedplans deutlich gesteigert werden. Dies geschieht auch dadurch, dass für alle Sonn- und Feiertage durchgängig zwei Lieder vorgeschlagen werden, von denen mindestens eines zum erweiterten Kernliederbestand11 gehört oder auch für Ungeübte leicht zugänglich ist. Der für das Erprobungsverfahren im Kirchenjahr 2013/14 vorgeschlagene Wochenliedplan bietet vor diesem Hintergrund eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber dem bisherigen Wochenliedplan. Entscheidend für die Auswahl geeigneter Wochenlieder waren für die engagierte von der Ständigen Konferenz 10 Eine Übersicht der bisherigen Lese- und Predigttexte (Liturgischer Kalender) findet sich in den meisten Ausgaben des EG unter der Nr. 954. 11 Vgl. die Kernliederliste der badischen und württembergischen Landeskirchen, die von der Liturgischen Konferenz anschließend für die gesamte EKD empfohlen wurde: https://www. liturgische-konferenz.de/download/Bernhard_Leube_-_Die_Kernlieder-Liste.pdf (abgerufen am 1. Juni 2018).

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für Kirchenmusik und dem Fachreferat im Kirchenamt der EKD eingesetzte fünfzehnköpfige Arbeitsgruppe12 transparente und nachvollziehbare Kriterien, deren wichtigste neben der theologischen und musikalischen Qualität der Lieder folgende waren: a. Die Wochenlieder sollen als Teil der Perikopenordnung mit den Lese- und Predigttexten der jeweiligen Sonn- und Feiertage im Sinne der Konsonanz „deutlicher zusammenklingen als bisher“. b. Es sollen bekannte und gern gesungene Lieder gegenüber wenig bekannten Liedern bevorzugt werden. c. Es soll darauf geachtet werden, möglichst viele Lieder in der von der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut erarbeiteten Fassung aufzunehmen (Ö-Lieder). d. Die Epochen der Lied- und Musikgeschichte sowie der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte sollen ausgewogen vertreten sein. Außerdem wurden folgende konzeptionelle Entscheidungen getroffen: a. Es sollte versucht werden, für die Sonn- und Feiertage jeweils zwei Lieder mit unterschiedlichen Profilen auszuwählen. b. Aus Sicht der Arbeitsgruppe sollte mindestens eines der Lieder dem Stammteil des EG angehören, das zweite sollte aber über den Stammteil hinaus­gehen können. In der Erprobungsphase sollte geklärt werden, ob diese konzeptionelle Neuerung mehrheitlich befürwortet würde. c. Beide Wochenlieder sind gleichrangig. Es soll also künftig nicht das Wochenlied und ein Ausweichlied geben, das nur unter Umständen gesungen werden soll. d. Beide Wochenlieder ergänzen sich idealerweise. Es ist daher wünschenswert, dass beide Lieder im Gottesdienst und unter der Woche gesungen werden. e. Jedes Wochenlied soll jeweils nur für eine Woche im Jahr vorkommen und nicht für zwei unterschiedliche Wochen, wie es im bisherigen Wochenliedplan hin und wieder der Fall war. In Ausnahmefällen kann aber ein Wochenlied zugleich als Tageslied genannt werden. Beispielsweise bildet das Lied Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr (EG 382) das Wochenlied für den 1. Sonntag nach Trinitatis und zugleich das Tageslied für den Gedenktag des Thomas. f. Darüber hinaus wurde von der Arbeitsgruppe zunächst entschieden, den liturgischen Ort für das Singen der Wochenlieder nicht festzulegen. Hier wurde allerdings im Zuge der Rückmeldungen im Rahmen des Erprobungsverfahrens deutlich, dass damit eine Frage der Gottesdienstordnung berührt ist, die von anderer Seite entschieden werden müsste. Der Erarbeitungsprozess war dadurch geprägt, dass zur Arbeitsgruppe Vertreterinnen und Vertreter mit unterschiedlicher konfessioneller Prägung sowie der unterschiedlichen kirchenmusikalischen Stilrichtungen zählten. Ebenso waren 12 Zur Besetzung der Arbeitsgruppe siehe: Neuordnung der gottesdienstlichen Lesungen und Predigttexte. Entwurf zur Erprobung im Auftrag von EKD, UEK und VELKD, hrsg. von Christine Jahn, Hannover 2014, 33.

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mit dem Chorverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland (CEK , hervorgegangen aus dem VeK) und der Evangelischen Michaelsbruderschaft zwei Institutionen berücksichtigt, die in der Vergangenheit bei der Erstellung der Wochenliedpläne jeweils eine wichtige Rolle gespielt hatten (s. o.). Auch die Liturgische Konferenz in der EKD war in dem Gremium vertreten, ebenso die Ständige Konferenz für Kirchenmusik und die Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut im deutschen Sprachbereich (AÖL). Darüber hinaus wurde noch vor Beginn der Erprobungsphase manchen Gremien und Institutionen die Möglichkeit gegeben, Anfragen an den revidierten Wochenliedplan zu stellen und Änderungsvorschläge zu unterbreiten, die zum Teil aufgenommen werden konnten. In diesen Diskussionen wurde von den einen der Wegfall mancher Lieder aus der Reformationszeit bemängelt, andere rügten den fehlenden Mut, noch mehr zeitgenössisches geistliches Liedgut in den revidierten Wochenliedplan aufzunehmen. Vermutlich aber ist diese Kritik von unterschiedlichen Seiten ein Zeichen dafür, dass der zur Erprobung vorgelegte Wochenliedplan insgesamt als ausgewogen bezeichnet werden kann. Ein weiteres Indiz für die Qualität des zur Erprobung vorgelegen Wochenliedplanes ist die Tatsache, dass ca. 80 ökumenische Lieder enthalten waren, die der von der AÖL erarbeiteten Fassung völlig oder weitgehend entsprechen. Das Ö oder das (Ö), mit dem diese Lieder in den Gesangbüchern gekennzeichnet werden, ist inzwischen ja nicht nur ein Zeichen, dass diese Lieder die Konfessionsgrenzen überschritten haben, sondern zugleich ein Qualitätssiegel. Kurz vor Beginn der Erprobungsphase wurde im Rat der EKD der Vorschlag der Arbeitsgruppe infrage gestellt, bei einem der beiden Wochenlieder über den Stammteil des EG hinausgehen zu können. Der Hinweis, das Erprobungsverfahren zur Klärung zu nutzen, verhinderte zwar, dass dieser Vorschlag komplett abgelehnt wurde. Dennoch musste nun der Wochenliedplan in wenigen Wochen noch einmal grundsätzlich überarbeitet werden. Für die 27 Sonn- und Feiertage, an denen ein Lied ausgewählt war, das über den Stammteil des EG hinausging, musste die Arbeitsgruppe ein weiteres Wochenlied ergänzen. Hier standen nun für die Erprobung in 27 Fällen drei Lieder zur Diskussion, die aber am Ende wieder auf zwei reduziert werden sollten. Außerdem wurden die Landeskirchen gebeten, ein Votum abzugeben, ob der künftige Wochenliedplan a. zwei Lieder enthalten soll, die ausschließlich dem Stammteil des Evange­ lischen Gesangbuches angehören oder b. zwei Lieder enthalten soll, von denen mindestens eines dem Stammteil angehört, eines aber auch aus den EG -Regionalteilen oder aus neuen kirchlichen Veröffentlichungen stammen kann. Die Rückmeldungen sowohl der Landeskirchen, aber auch der Fachstellen und Verbände sowie viele Einzelrückmeldungen waren im Großen und Ganzen eindeutig. Im Blick auf ein neues Evangelisches Gesangbuch wurde mit deutlicher

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Mehrheit für die Öffnung des Wochenliedplans plädiert. Der neue Wochenliedplan darf nun also für die Sonn- und Feiertage jeweils ein Lied enthalten, das über den Stammteil des EG hinausgeht.

4. Zur Erprobungsphase des neuen Wochenliedplans und zu seiner anschließenden Überarbeitung Der Wochenliedplan wurde im Erprobungsverfahren 2013/14 als integrativer Bestandteil der revidierten Perikopenordnung in zahlreichen Gemeinden der EKD erprobt. Dabei standen nicht allein die jeweiligen Lieder im Fokus, sondern auch die noch offene Frage, ob das Maß der Veränderung am vorgeschlagenen Wochenliedplan gegenüber dem von 1977/78 eher als zu groß oder im Gegenteil als zu gering eingeschätzt wurde. Wie zu erwarten, gab es divergierende Voten zu den neuen Wochenliedern, wobei den großen Linien und dem Maß an Veränderungen weitgehend zugestimmt wurde, während an einzelnen Liedern im Einzelfall Kritik geübt wurde. Die Rückmeldungen zum neuen Wochenliedplan wurden in der Ständigen Konferenz für Kirchenmusik und insbesondere in der von der Kirchenkonferenz der EKD berufenen „Steuerungsgruppe Perikopenrevision“ intensiv gesichtet. Über die Ständige Konferenz waren die dort vertretenen Kirchenmusikverbände über den Wochenliedplan und über die Ergebnisse der Rückmeldungen zeitnah informiert. Zunächst wurden die Rückmeldungen kategorisiert in Voten von Landeskirchen, Voten von Fachgremien oder Institutionen, Voten von Fachleuten und Einzelvoten, wobei letztere z. T. online abgegeben wurden. Jede dieser Rückmeldungen sollte ernst genommen werden, wobei die Voten der Landeskirchen, die später die neue Perikopenordnung in ihren Bereichen einführen sollen, natürlich eine besondere Dignität besaßen. Dennoch mussten beispielsweise auch die 250 Personen berücksichtigt werden, die sich am Onlineverfahren beteiligt und zum Wochenliedplan geäußert hatten. Auf die Frage, ob die Veränderungen am Wochenliedplan zu groß oder zu gering erschienen, antworten lediglich 16 Einzelpersonen, dass ihnen die Veränderungen als zu groß erschienen, 144 Personen erschien die Änderung richtig zu sein und 90 zu gering. Dieses Ergebnis deckte sich weitgehend mit den Voten der Landeskirchen, von denen die meisten bei grundsätzlicher Zustimmung mehr Mut bei der Revision des neuen Wochenliedplans wünschten und die im Blick auf die konkreten Proprien dezidiert ein neues geistliches Lied als eines der beiden Wochenlieder vorschlugen. Am Ende fasste die Steuerungsgruppe die teilweise disparaten Rückmeldungen in folgenden drei Punkten zusammen, denen anschließend durch die kirchenleitenden Gremien zugestimmt wurde: 1. Der neue Wochenliedplan soll jeweils zwei Lieder für alle Sonn- und Feiertage ent­ halten, von denen eines über den Stammteil des EG hinausgehen kann.

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2. Die vorgeschlagenen Kriterien der Konsonanz mit den Lese- und Predigttexten, der Berücksichtigung von Ö-Liedern sowie ein ausgewogenes Verhältnis von Liedern aus verschiedenen Epochen der Lied-, Musik-, Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte sollen bei der Auswahl der Lieder angewandt werden. Anstatt bekannte und gern gesungene Lieder gegenüber wenig bekannten zu bevorzugen, soll auf die Singbarkeit der Wochenlieder geachtet werden. 3. Bei der Überarbeitung des Wochenliedplans soll schließlich berücksichtigt werden, dass das Wochenlied seinen liturgischen Ort im Verkündigungsteil hat und Eingangs­ lieder sowie Kanons oder Singsprüche als Wochenlieder ungeeignet erscheinen.

Anhand dieser Kriterien und anhand eines Readers mit einer Zusammenfassung der Rückmeldungen wurde der zur Erprobung vorgeschlagene Wochenliedplan von 2013/14 anschließend durch die Arbeitsgruppe überarbeitet. Hierbei kam es zu zahlreichen Änderungen, weil Kanons und Singsprüche sowie Eingangs­lieder ersetzt werden mussten und weil dem Wunsch nach einem höheren Anteil neuer geistlicher Lieder entsprochen wurde. An mehr als 80 Stellen wurden gegenüber dem Erprobungsentwurf Änderungen bei den Liedern durchgeführt. Hinzu kamen noch drei neue Proprien für Gedenktage im zweiten Teil der Perikopenordnung (Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar; Martinstag und Nikolaustag), die aufgrund der Rückmeldungen ergänzt wurden und für die jeweils zwei Lieder ausgewählt werden mussten. Gingen im Wochenliedplan, der 2013/14 erprobt wurde, bereits 27 Lieder über den Stammteil des EG hinaus, so sind es nun im überarbeiteten Wochenliedplan 32 Lieder,13 von denen einige zu seiner stilistischen Erweiterung beitragen. Für einige sollen hier exemplarisch Gründe genannt werden, die zu ihrer Aufnahme in den Wochenliedplan geführt haben. Die Lieder Du bist der Weg und die Wahrheit und das Leben von Christoph Zehendner und Johannes Nitsch (Neujahrstag) und Unser Vater (Rogate) von Christoph Zehendner und Hans-Werner Scharnowski zählen zu Klassikern der Worship-Lieder. An Neujahr knüpft das neue Wochenlied mit seinem Kehrvers an den Predigttext aus Johannes 14 an und fügt sich auch ansonsten gut in den Textraum des Tages ein. Am Beginn des neuen Jahres setzt es zusammen mit dem Wochenspruch einen christologischen Akzent. Die Ich-Bin-Worte Jesu, die im Kehrvers und den Strophen „durchbuchstabiert“ werden, passen auch zum Gedenktag der Beschneidung und Namensgebung Jesu, der wie bisher am gleichen Tag begangen werden kann. Das Wochenlied für Rogate paraphrasiert in den Strophen das Vaterunser, der Kehrvers rückt insbesondere die Bitte „Dein Name werde geheiligt“ wiederholt ins Bewusstsein. Es bildet als modernes Worship-Lied ein Gegenstück zum zweiten Wochenlied, Luthers Vater unser im Himmelreich (EG 344). 13 Sie werden als Ergänzungsheft zum EG zusammen mit den Wochenpsalmen unter dem Titel „Lieder und Psalmen für den Gottesdienst“ noch in diesem Jahr von der EKD in Leipzig herausgegeben.

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Das Lied Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen von Gerhard Schnath, Otto Wiemer und Peter Janssens mag auf den ersten Blick nicht zum 2. Advent passen. Wer es aber im Zusammenhang mit den Lesungs- und Predigttexten dieses Sonntags betrachtet, erkennt darin die Verheißungen, die mit dem Messianischen Friedensreich verbunden sind, in dem Friede, Freude und Gerechtigkeit für alle Kreatur herrschen wird. Auch beim Lied Die Nacht ist vorgedrungen von Jochen Klepper und Johannes Petzold (EG 16) mag sich die Frage stellen, warum es nicht wie bisher für den 1. Advent ausgewählt wurde, sondern für den 3. Advent. Auf den ersten Blick nimmt Klepper hier Bezug auf einen Vers aus der Epistellesung des 1. Advent (Röm 13,12), interpretiert diesen aber auf eigene Weise, sodass ein Lied entsteht, das auf den zweiten Blick weniger zum 1. Advent mit den Texten vom Einzug Jesu in Jerusalem und der Freude der Tochter Zion passt als vielmehr in den Übergang zwischen Advent und Weihnachten. Die symbolische Deutung der Nacht in diesem Lied stellt eher eine Nähe mit den Lesetexten des 3. Advent dar wie den Lobgesang des Zacharias und das Trostlied in Jesaja 40. Ähnlich wie am Sonntag Rogate, an dem durch das Zusammenklingen von Luthers Vater unser im Himmelreich und Zehendners Unser Vater eine spannungsreiche hymnologische Bandbreite entstanden ist, wird an Pfingsten das traditionelle Pfingstlied Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist (EG 126, nach dem Hymnus Veni creator spiritus) von Martin Luther ergänzt durch ein modernes Pfingstlied der Gemeinschaft Emmanuel mit dem Titel Atme in uns, Heiliger Geist. Wird in EG 126 dem Heiligen Geist auch eine Schöpferkraft zugeschrieben, zielt das Lied Atme in uns auf die Wirkung des Heiligen Geistes im Menschen: der Atem Gottes, der erfüllt und belebt und deshalb von den Menschen ersehnt wird. Heiligkeit, Wahrheit und Liebe (Strophe 2) schließen gut an den „Geist der Wahrheit“ aus der Evangelienlesung sowie an die in der Epistel zitierte Rede des Petrus an. Auch die Herkunft des Liedes aus einer französischen Gemeinschaft und seine Aufnahme ins Gotteslob 2013 (GL2 346) unterstreichen die ökumenische und damit eine weitere pfingstliche Dimension. Die Melodie ist leicht zu erlernen, da sie mit motivischen Wiederholungen arbeitet. Das erste Motiv des Refrains mit Abwärtsquart und Synkope unterstreicht dabei die Bitte um das Kommen des Geistes. Am 10. Sonntag nach Trinitatis wurde die neue Perikopenordnung flexibel gestaltet. Neben dem bisherigen Israelsonntag gibt es ein zweites Proprium mit dem Gedenktag der Zerstörung Jerusalems. Hier schlug die Arbeitsgruppe Wochenlied bereits 2013 mit Und suchst du meine Sünde von Schalom Ben-Chorin (EG 237) ein besonders geeignet erscheinendes Lied vor. In den Rückmeldungen wurde die Melodie von Kurt Bossler von manchen allerdings als schwer singbar kritisiert. Nach intensiver Diskussion wird das Lied aber weiterhin für den 10. Sonntag nach Trinitatis vorgeschlagen, weil der Arbeitsgruppe die Kritik an der Melodie nicht einleuchtete. Sie ist sehr einfach gebaut und besteht aus zwei Teilen, deren zweiter weitgehend eine um eine Quint höher transponierte Variante des ersten Teiles ist. Die sehnsüchtig-flehenden Elemente der Melodie korrespondieren gut mit dem Text als Gebet. So wie der Beter im Text immer wieder

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auf das angesprochene „Du“ zurückkommt und zu ihm hingezogen wird, kommen die einzelnen Melodieabschnitte auf ihre Ausgangstöne zurück. Das Ende in der Oktave des Anfangstones symbolisiert die Beziehung des Beters zum angeredeten „Du“, von dem weg und zu dem hin er zugleich flieht: „flieh ich von dir zu dir“. Auch wenn das Lied bisher in vielen Gemeinden noch wenig bekannt ist, kann es mit wenig Aufwand eingeübt werden.

5. Zur Endfassung des neuen Wochenliedplans Die Endfassung des neuen Wochenliedplans umfasst für alle Sonn- und Festtage sowie die datumsgebundenen Gedenktage zusammen insgesamt 166 Lieder. Geht man davon aus, dass im Vergleich zum bisherigen Wochenliedplan im Bereich der Sonn- und Feiertage an 105 Stellen und bei den sonstigen Festen und Gedenktagen an 33 Stellen Änderungen durchgeführt wurden und dass noch für die 7 neuen Proprien 14 Lieder vorgeschlagen werden mussten, kann man von einer grundlegenden Änderungen des Wochenliedplans sprechen. Von den 166 Liedern des neuen Plans sind 44 % ökumenisch und entsprechen den von der AÖL erarbeiteten Fassungen ganz oder zum Teil. Nach Liedepochen aufgeteilt entstammen 25 % der Lieder dem Reformationsjahrhundert oder der Zeit zuvor, 17 % dem 17. Jahrhundert. 12 % stammen aus dem 18. und 7 % aus dem 19. Jahrhundert14. 7 % der neuen Wochenlieder sind in den ersten sechs Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstanden und unterscheiden sich textlich und musikalisch erheblich von den Liedern, die nach 1960 gedichtet und komponiert wurden. Mit 31 % besitzen die Lieder, deren Entstehungszeit zwischen 1960 und 2000 liegt, den höchsten Anteil am neuen Wochenliedplan. Zwei Lieder entstammen dem noch jungen 21. Jahrhundert. Mit dieser Aufteilung entspricht der neue Wochenliedplan sowohl dem Kriterium der Ausgewogenheit der Lied- und Musikepochen sowie der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte und kommt dem Wunsch aus dem Rückmeldeverfahren nahe, pro Proprium möglichst ein neues geistliches Lied vorzuschlagen. In der folgenden Tabelle ist der neue Wochenliedplan 2018 dargestellt. Änderungen gegenüber dem bisherigen Wochenliedplan (2. Spalte) sind fett markiert. Außerdem wurden die Lieder, die den von der AÖL erarbeiteten Fassungen ganz oder zum Teil entsprechen mit Ö bzw. (Ö) gekennzeichnet. Die 32 Lieder, die über den Stammteil des EG hinausgehen, werden nach dem künftigen Ergänzungsheft zum EG zitiert „Lieder und Psalmen für den Gottesdienst“ (EG.E).15

14 Die geringere Zahl an Liedern des 18. und 19. Jahrhunderts hängt mit der Liedauswahl des EG zusammen, in denen diese beiden Jahrhunderte unterrepräsentiert sind. 15 Lieder und Psalmen für den Gottesdienst. Ergänzungsheft zum EG, hg. vom Kirchenamt der EKD. Leipzig 2018.

190

  Stephan Goldschmidt

1. Wochenlieder für die Sonn- und Feiertage Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

1. Advent

EG 4: Nun komm, der Heiden Heiland

EG 4: Nun komm, der Heiden Heiland

EG 16: Die Nacht ist vorgedrungen

EG 11: Wie soll ich dich empfangen Ö

EG 6: Ihr lieben Christen, freut euch nun

EG 7: O Heiland, reiß die Himmel auf (Ö)

2. Advent

EG.E 8: Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen 3. Advent

EG 10: Mit Ernst, o Menschenkinder

EG 10: Mit Ernst, o Menschen­ kinder (Ö) EG 16: Die Nacht ist vorge­ drungen Ö

4. Advent

EG 9: Nun jauchzet, all ihr Frommen

EG 9: Nun jauchzet, all ihr Frommen EG 19: O komm, o komm, du Morgenstern

Christvesper

Christnacht

EG 23: Gelobet seist du, Jesu Christ

EG 24: Vom Himmel hoch Ö

EG 27: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich

EG 30: Es ist ein Ros entsprungen (Ö)

EG 27: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich Ö

EG 37: Ich steh an deiner Krippen hier (Ö) 1. Weihnachtstag

EG 23: Gelobet seist du, Jesu Christ

EG 23: Gelobet seist du, Jesu Christ Ö EG 45: Herbei, o ihr Gläub’gen

2. Weihnachtstag

1. Sonntag nach Weihnachten

EG 23: Gelobet seist du, Jesu Christ

EG 32: Zu Bethlehem geboren (Ö)

EG 38: Wunderbarer Gnadenthron

EG 39: Kommt und lasst uns Christus ehren

EG 25: Vom Himmel kam der Engel Schar

EG 34: Freuet euch, ihr Christen alle

EG 34: Freuet euch, ihr Christen alle

EG 36: Fröhlich soll mein Herze springen (Ö)

191

Singende Kirche  Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

Altjahrsabend

EG 59: Das alte Jahr vergangen ist

EG 58: Nun lasst uns gehn und treten

EG 64: Der du die Zeit in H ­ änden hast

EG 65: Von guten Mächten Ö

EG 64: Der du die Zeit in H ­ änden hast

EG 64: Der du die Zeit in Händen hast Ö

EG 65: Von guten Mächten

EG.E 23: Du bist der Weg und die Wahrheit

EG 51: Also liebt Gott die arge Welt

EG 56: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen Ö

EG 72: O Jesu Christe, wahres Licht

EG 73: Auf, Seele, auf und säume nicht

EG 70: Wie schön leuchtet der Morgenstern

EG.E 1: Stern über Bethlehem Ö

EG 71: O König aller Ehren

EG 70: Wie schön leuchtet der Morgenstern (Ö)

EG 68: O lieber Herre Jesu Christ

EG 410: Christus, das Licht der Welt Ö

EG 441: Du höchstes Licht, du ewger Schein

EG 441: Du höchstes Licht, du ewger Schein Ö

EG 5: Gottes Sohn ist kommen

EG 74: Du Morgenstern, du Licht vom Licht

EG 398: In dir ist Freude

EG 398: In dir ist Freude Ö

EG 293: Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all

EG 293: Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all

Neujahr

2. Sonntag nach Weihnachten

Epiphanias

1. Sonntag nach Epiphanias

2. Sonntag nach Epiphanias

3. Sonntag nach Epiphanias

EG.E 13: In Christus gilt nicht Ost noch West Letzter Sonntag nach Epiphanias

EG 67: Herr Christ, der einig Gotts Sohn

EG 67: Herr Christ, der einig Gotts Sohn EG 450: Morgenglanz der Ewigkeit (Ö)

5. Sonntag vor der Passionszeit (früher 5. Sonntag n. Epiphanias)

EG 246: Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ

EG 246: Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ EG 409: Gott liebt diese Welt Ö

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  Stephan Goldschmidt

Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

4. Sonntag vor der Passionszeit (früher 4. Sonntag n. Epiphanias)

EG 244: Wach auf, wach auf, ’s ist hohe Zeit

EG 244: Wach auf, wach auf, ’s ist hohe Zeit Ö

EG 346: Such, wer da will, ein ander Ziel

EG.E 21: Stimme, die Stein zerbricht

Septuagesimae

EG 342: Es ist das Heil uns kommen her

EG 342: Es ist das Heil uns kommen her

EG 409: Gott liebt diese Welt

EG 452: Er weckt mich alle ­ Morgen (Ö)

EG 196: Herr, für dein Wort sei hoch gepreist

EG 196: Herr, für dein Wort sei hoch gepreist

EG 280: Es wolle Gott uns gnädig sein

EG 199: Gott hat das erste Wort

EG 413: Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt

EG 401: Liebe, die du mich zum Bilde (Ö)

EG 384: Lasset uns mit Jesus ziehen

EG.E 3: Wir gehn hinauf nach Jerusalem

EG 384: Lasset uns mit Jesus ziehen

EG 235: O Herr, nimm unsre Schuld Ö

Sexagesimae

Estomihi

Aschermittwoch

EG 389: Ein reines Herz, Herr, schaff in mir Invokavit

Reminiszere

Okuli

Laetare

EG 362: Ein feste Burg ist unser Gott

EG 347: Ach bleib mit deiner Gnade (Ö)

EG 347: Ach bleib mit deiner Gnade

EG 362: Ein feste Burg ist unser Gott

EG 366: Wenn wir in höchsten Nöten sein

EG 94: Das Kreuz ist aufgerichtet

EG 82: Wenn meine Sünd mich kränken

EG 391: Jesu, geh voran Ö

EG 96: Du schöner Lebensbaum des Paradieses

EG.E 22: Kreuz, auf das ich schaue Ö

EG 98: Korn, das in die Erde

EG 98: Korn, das in die Erde Ö

EG 396: Jesu, meine Freude

EG 396: Jesu, meine Freude Ö

EG 96: Du schöner Lebensbaum des Paradieses

193

Singende Kirche  Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

Judika

EG 76: O Mensch, bewein dein Sünde groß

EG 76: O Mensch, bewein dein Sünde groß EG 97: Holz auf Jesu Schulter Ö

Palmarum

EG 87: Du großer Schmerzensmann

EG 14: Dein König kommt in niedern Hüllen EG 91: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken

Gründonnerstag

EG 223: Das Wort geht von dem Vater aus

EG 223: Das Wort geht von dem Vater aus EG.E 11: Ich bin das Brot, lade euch ein

Karfreitag

Karsamstag

EG 83: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld

EG 85: O Haupt voll Blut und Wunden Ö

EG 92: Christe, du Schöpfer aller Welt

EG.E 4: In einer fernen Zeit

EG 79: Wir danken dir, Herr Jesu Christ

EG 80: O Traurigkeit, o Herzeleid (Ö) EG 485: Du Schöpfer aller Wesen

Osternacht

EG 99: Christ ist erstanden

EG 98: Korn, das in die Erde Ö EG 99: Christ ist erstanden (Ö)

Ostersonntag

Ostermontag

Quasimodogeniti

Misericordias Domini

EG 101: Christ lag in Todesbanden

EG 101: Christ lag in Todesbanden

EG 106: Erschienen ist der herrlich Tag

EG.E 5: Wir stehen im Morgen

EG 101: Christ lag in Todesbanden

EG 100: Wir wollen alle fröhlich sein Ö

EG 105: Erstanden ist der heilig Christ

EG 116: Er ist erstanden, Halleluja

EG 102: Jesus Christus unser Heiland, der den Tod überwand

EG 108: Mit Freuden zart

EG 274: Der Herr ist mein getreuer Hirt

EG 274: Der Herr ist mein getreuer Hirt

EG 117: Der schöne Ostertag

EG 358: Es kennt der Herr die Seinen

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  Stephan Goldschmidt

Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

Jubilate

EG 108: Mit Freuden zart zu dieser Fahrt

EG 110: Die ganze Welt, Herr Jesu Christ Ö EG 432: Gott gab uns Atem Ö

Kantate

Rogate

Christi Himmelfahrt

EG 243: Lob Gott getrost mit Singen

EG 302: Du meine Seele, singe (Ö)

EG 341: Nun freut euch lieben Christen g’mein

EG.E 19: Ich sing dir mein Lied

EG 133: Zieh ein zu deinen Toren

EG 344: Vater uns im Himmelreich

EG 344: Vater unser im Himmelreich

EG.E 9: Unser Vater

EG 121: Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du gen Himmel

EG 123: Jesus Christus herrscht als König EG.E 6: Wir feiern deine Himmelfahrt

Exaudi

EG 128: Heilger Geist, du ­Tröster mein

EG 128: Heilger Geist, du ­Tröster mein EG 136: O komm, du Geist der Wahrheit (Ö)

Pfingstsonntag

EG 125: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott

EG 126: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist EG.E 7: Atme in uns, Heiliger Geist

Pfingstmontag

Trinitatis

1. So. n. Trinitatis

EG 125: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott

EG 129: Freut euch, ihr ­Christen alle

EG 129: Freut euch, ihr Christen alle

EG 268: Strahlen brechen viele Ö

EG 126: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist

EG 139: Gelobet sei der Herr

EG 139: Gelobet sei der Herr, mein Gott

EG 140: Brunn alles Heils, dich ehren wir Ö

EG 124: Nun bitten wir den Heiligen Geist

EG 365: Von Gott will ich nicht lassen (Ö) EG 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr Ö

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Singende Kirche  Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

2. So. n. Trinitatis

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 213: Kommt her, ihr seid geladen

EG 363: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn

EG 225: Komm, sag es allen weiter (Ö)

EG 232: Allein zu dir, Herr Jesu Christ

EG 353: Jesus nimmt die Sünder an

EG 353: Jesus nimmt die Sünder an

EG.E 17: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt Ö

EG 428: Komm in unsre stolze Welt

EG 428: Komm in unsre stolze Welt

EG 495: O Gott, du frommer Gott

EG 495: O Gott, du frommer Gott

EG 245: Preis, Lob und Dank sei Gott, dem Herren

EG 241: Wach auf, du Geist der ersten Zeugen

EG 241: Wach auf, du Geist der ersten Zeugen

EG 313: Jesus, der zu den Fischern lief

EG 200: Ich bin getauft auf deinen Namen

EG 200: Ich bin getauft auf deinen Namen

3. So. n. Trinitatis

4. So. n. Trinitatis

5. So. n. Trinitatis

6. So. n. Trinitatis

EG.E 10: Ich sage Ja zu dem, der mich erschuf 7. So. n. Trinitatis

8. So. n. Trinitatis

EG 221: Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen

EG 320: Nun lasst uns Gott, dem Herren

EG 326: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut

EG 418: Brich dem Hungrigen dein Brot Ö

EG 318: O gläubig Herz, gebenedei

EG 262/263: Sonne der Gerechtigkeit Ö EG.E 25: Lass uns in deinem Namen, Herr Ö

9. Sonntag nach Trinitatis

EG 497: Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun

EG 397: Herzlich lieb hab ich dich, o Herr Ö EG.E 32: Die Erde ist des Herrn

10. Sonntag nach Trinitatis (grün)

EG 138: Gott der Vater steh uns bei

EG 290: Nun danket Gott, erhebt und preiset Ö

EG 146: Nimm von uns, Herr du treuer Gott

EG 429: Lobt und preist die herrlichen Taten

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  Stephan Goldschmidt

Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

10. Sonntag nach Trinitatis (violett)



EG 144: Aus tiefer Not lasst uns zu Gott

Dazu s. S. 188.

EG 237: Und suchst du meine Sünde 11. Sonntag nach Trinitatis

EG 299: Aus tiefer Not schrei ich zu dir

EG 299: Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Ö) EG.E 12: Meine engen Grenzen Ö

12. Sonntag nach Trinitatis

EG 289: Nun lob, mein Seel, den Herren

EG 289: Nun lob, mein Seel, den Herren (Ö) EG.E 20: Wir haben Gottes Spuren festgestellt

13. Sonntag nach Trinitatis

EG 343: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ

EG 412: So jemand spricht: „Ich liebe Gott“ EG.E 28: Wenn das Brot, das wir teilen Ö

14. Sonntag nach Trinitatis

EG 365: Von Gott will ich nicht lassen

EG 333: Danket dem Herrn! Wir danken dem Herrn EG.E 14: Lobe den Herrn, meine Seele (Ö)

15. Sonntag nach Trinitatis

16. Sonntag nach Trinitatis

17. Sonntag nach Trinitatis

EG 345: Auf meinen lieben Gott EG 369: Wer nur den lieben Gott lässt walten

EG 369: Wer nur den lieben Gott lässt walten Ö EG 427: Solang es Menschen gibt auf Erden Ö

EG 113: O Tod, wo ist dein Stachel nun?

EG 115: Jesus lebt, mit ihm auch ich

EG 364: Was mein Gott will, gescheh allzeit

EG.E 16: Gelobt sei deine Treu

EG 346: Such, wer da will, ein ander Ziel

EG 346: Such, wer da will, ein ander Ziel EG.E 26: Mit dir, o Herr, die Grenzen überschreiten

18. Sonntag nach Trinitatis

EG 397: Herzlich lieb hab ich dich, o Herr

EG 414: Lass mich, o Herr, in allen Dingen

EG 494: In Gottes Namen fang ich an

EG.E 30: Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn

197

Singende Kirche  Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

19. Sonntag nach Trinitatis

EG 320: Nun lasst uns Gott dem Herren

EG 324: Ich singe dir mit Herz und Mund (Ö) EG.E 24: Da wohnt ein Sehnen tief in uns

20. Sonntag nach Trinitatis

EG 295: Wohl denen, die da wandeln

EG 295: Wohl denen, die da wandeln EG 408: Meinem Gott gehört die Welt Ö

21. Sonntag nach Trinitatis

22. Sonntag nach Trinitatis

EG 273: Ach Gott, vom Himmel sieh darein

EG 377: Zieh an die Macht, du Arm des Herrn (Ö)

EG 377: Zieh an die Macht, du Arm des Herrn

EG.E 31: Damit aus Fremden Freunde werden

EG 404: Herr Jesu, Gnadensonne

EG 251: Herz und Herz vereint zusammen EG.E 29: Wo Menschen sich vergessen

23. Sonntag nach Trinitatis

EG 275: In dich hab ich gehoffet, Herr

EG 351: Ist Gott für mich, so trete

24. Sonntag nach Trinitatis

EG 518: Mitten wir im Leben sind

EG 345: Auf meinen lieben Gott (Ö)

EG 430: Gib Frieden, Herr, gib Frieden

EG 518: Mitten wir im Leben sind Ö Drittletzter So. im Kirchenjahr

Vorletzter So. im Kirchenjahr

EG 152: Wir warten dein, o Gottes Sohn

EG 426: Es wird sein in den letzten Tagen (Ö)

EG 518: Mitten wir im Leben sind

EG 152: Wir warten dein, o Gottes Sohn

EG 149: Es ist gewisslich an der Zeit

EG 149: Es ist gewisslich an der Zeit EG 378: Es mag sein, dass alles fällt

Buß- und Bettag

EG 144: Aus tiefer Not lasst uns zu Gott

EG 299: Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Ö)

EG 146: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott

EG 428: Komm in unsre stolze Welt Ö

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  Stephan Goldschmidt

Sonntag / Festtag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

Letzter So. im Kirchenjahr

EG 147: Wachet auf, ruft uns die Stimme

EG 147 (535): Wachet auf, ruft uns die Stimme Ö EG 153: Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt Ö

Gedenktag der Entschlafenen

EG 370: Warum sollt ich mich denn grämen

EG 526: Jesus, meine Zuversicht (Ö) EG 533: Du kannst nicht tiefer fallen

2. Lieder für die sonstigen Feste und Gedenktage Fest / Gedenktag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

1. Januar: Tag der Beschneidung und Namensgebung Jesu

EG 60: Freut euch, ihr lieben Christen all

EG 62: Jesus soll die Losung sein

25. Januar: Tag der Berufung des Apostels Paulus

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 359: In dem Herren freuet euch

27. Januar: Tag des Gedenkens an die Opfer des Na-tionalsozialismus



EG 146: Nimm von uns, Herr du treuer Gott

2. Februar: Tag der Darstellung des Herrn

EG 222: Im Frieden dein, o Herre mein

EG 222: Im Frieden dein, o Herre mein Ö

EG 519: Mit Fried und Freud ich fahr dahin

EG 519: Mit Fried und Freud ich fahr dahin

24. Februar: Tag des Apostels Matthias

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 264: Die Kirche steht gegründet Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

25. März: Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn

EG 68: O lieber Herre Jesu Christ

EG 68: O lieber Herre Jesu Christ

EG 65: Von guten Mächten treu und still umgeben Ö

EG.E 2: Menschen gehen zu Gott in ihrer Not

EG.E 18: Mit dir, Maria singen wir

199

Singende Kirche  Fest / Gedenktag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

25. April: Tag des Evangelisten Markus

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

3. Mai: Tag der Apostel Philippus und Jakobus des Jüngeren

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 264: Die Kirche steht gegründet Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

24. Juni: Tag der Geburt Johannes des Täufers

EG 141: Wir wollen singn ein’ Lobgesang

EG 141: Wir wollen singn ein’ Lobgesang

25. Juni: Gedenktag der Augsburgischen Konfession

EG 342: Es ist das Heil und kommen her

29. Juni: Tag der Apostel Petrus und Paulus

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 264: Die Kirche steht gegründet Ö

2. Juli: Tag der Heimsuchung Mariae (Besuch Marias bei Elisabeth)

EG 308: Mein Seel, o Herr, muss loben dich

EG 308: Mein Seel, o Herr, muss loben dich

EG 309: Hoch hebt den Herrn mein Herz und meine Seele

EG 309: Hoch hebt den Herrn mein Herz und meine Seele

3. Juli oder 21. Dezember: Tag des Apostels Thomas

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

22. Juli: Tag der Maria Magdalena



EG 269: Christus ist König, jubelt laut

EG 312: Kam einst zum Ufer nach Gottes Wort und Plan EG 342: Es ist das Heil uns kommen her EG 351: Ist Gott für mich, so trete

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran 25. Juli: Tag des Apostels Jakobus des Älteren

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 498: In Gottes Namen fahren wir

200

  Stephan Goldschmidt

Fest / Gedenktag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

24. August: Tag des Apostels Bartholomäus

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 264: Die Kirche steht ge­ gründet Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

29. August: Tag der Enthauptung Johannes des Täufers



EG 275: In dich hab ich gehoffet, Herr

21. September: Tag des Apostels und Evangelisten Matthäus

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 30: Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn

29. September: Tag des Erzengels Michael und aller Engel

EG 143: Heut singt die liebe Christenheit

EG 142: Gott, aller Schöpfung heilger Herr (Ö)

Erster Sonntag im Oktober: Erntedank

EG 324: Ich singe dir mit Herz und Mund

EG 502: Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit

EG 502: Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit

EG.E 15: Auf, Seele, Gott zu loben

18. Oktober: Tag des Evangelisten Lukas

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

28. Oktober: Tag der Apostel Simon und Judas

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 264: Die Kirche steht gegründet Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

31. Oktober: Gedenktag der Reformation

EG 341: Nun freut euch, lieben Christen g’mein

EG 341: Nun freut euch, lieben Christen g’mein

EG 351: Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich

EG 360: Die ganze Welt hast du uns überlassen

1. November: Gedenktag der Heiligen

EG 351: Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich

EG 253: Ich glaube, dass die Heiligen

EG 378: Es mag sein, dass alles fällt

EG 331: Großer Gott, wir loben dich Ö

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

201

Singende Kirche  Fest / Gedenktag

bisherige Wochenlieder

Wochenlieder 2018

9. November: Gedenktag der November­ pogrome



EG 146: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott

11. November: Martinstag



EG 235: O Herr, nimm unsre Schuld Ö EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

30. November: Tag des Apostels Andreas

EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt

EG 264: Die Kirche steht gegründet Ö

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

6. Dezember: Nikolaustag



EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö EG.E 27: Die Heiligen uns weit voran

26. Dezember: Tag des Erzmärtyrers Stephanus

EG 25: Vom Himmel kam der ­ Engel Schar

27. Dezember: Tag des Apostels und Evangelisten Johannes

EG 38: Wunderbarer Gnadenthron

28. Dezember: Tag der unschuldigen Kinder

EG 25: Vom Himmel kam der ­ Engel Schar

Kirchweih

EG 245: Preis, Lob und Dank

EG 245: Preis, Lob und Dank

EG 250: Ich lobe dich von ganzer Seelen

EG 264: Die Kirche steht ge­ gründet Ö

EG 137: Geist des Glaubens, Geist der Stärke EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö EG 154: Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt Ö EG 267: Herr, du hast darum gebetet EG 25: Vom Himmel kam der Engel Schar EG 378: Es mag sein, dass ­alles fällt

EG 264: Die Kirche steht gegründet

„Ein kleines neuzeitliches Adventslied“: Komm in unsre stolze Welt Harald Storz

Neben dem Danke-Lied von Martin Gotthard Schneider (EG 334) gibt es im Evangelischen Gesangbuch von 1994 nur wenige Lieder aus den 1960er Jahren, die bis heute in evangelischen Gottesdiensten in Gebrauch sind. Eines, das sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit erfreut, ist das Gedicht Komm in unsre stolze Welt (EG 428) von Hans Graf von Lehndorff in der Vertonung von Martin Schlenker. Die Autorenangabe im EG und anderen Liederbüchern1 datiert den Text auf das Jahr 1968, doch diese Angabe ist nicht nur unter Verweis auf einen Brief des Autors an den Theologen und Komponisten Ulrich Gohl zu korrigieren, in dem Lehndorff von seinem „Adventsgedicht 1967“ spricht. 2 Auch das bisher als Erstnachweis geltende Notenblatt für Männerchor, herausgegeben vom Evangelischen Sängerbund 1973 (Vertonung von Emanuel Vogt)3 nennt als Entstehungsdatum das Jahr 1967. Erst das Liederbuch „Gottes Volk geht nicht allein“ von 1975 (Vertonung von Fritz Werner) datiert den Text auf das Jahr 1968.4 Hymnologen und Prediger haben seit Erscheinen des EG zahlreiche Beiträge zu diesem Lied publiziert, zuletzt 2017 Hans-Jürg Stefan,5 doch eine frühe Veröffentlichung des Textes ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben:6 Mit seinem Ad 1 Z. B. Unterwegs. Lieder und Gebete. Hg. vom Deutschen Liturgischen Institut. Trier 32013, Nr. 258; freiTöne, Liederbuch zum Reformationssommer 2017. Kassel / Berlin 2017, Nr. 166. 2 Henkys, Jürgen / Stefan, Hans-Jürg: Komm in unsre stolze Welt. In: Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch. Bd. 3. Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch 17 (2012), 79–85 (mit umfangreichem Verzeichnis bis dahin erschienener Literatur), 81 der Hinweis auf den Brief an den Komponisten Ulrich Gohl vom 10. Dezember 1976. – Der Brief selbst ist z.Z. leider nicht greifbar. Möglicherweise hat Gohl Lehndorff 1976 im Zusammenhang eigener Vertonungspläne kontaktiert. Ulrich Gohl ist 2015 verstorben. 3 Für Übersendung des 238. Notenblattes für Männerchor, hg. vom Verlag des Evangelischen Sängerbundes, Wuppertal 1973, das in keiner Bibliothek nachzuweisen ist, danke ich Berthold Schmitt vom Evangelischen Sängerbund. 4 Gottes Volk geht nicht allein. Lieder für die Gemeinde heute. Hg. von Otto Brodde. Hamburg 1975, Nr. 925. 5 Stefan, Hans-Jürg: Das Adventslied Komm in unsre stolze Welt – ein „Erinnerungsort“. In: Liturgie und Kultur. Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst 8,3 (2017), 67–79. Vgl. auch Thust, Karl Christian: Die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs. Bd. 2. Kassel 2015, 323–326. 6 Den Hinweis verdanke ich einem Radiobeitrag von Pfarrer Christian Casdorff vom 17.07.2010 (http://www.kirchezumhoeren.de/archiv/4507.php, eingesehen am 24.1.2018), der Lehndorffs Vortrag fälschlich auf das Jahr 1968 datiert.

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ventsgedicht beendete Lehndorff im März 1969 einen Vortrag, der wenige Monate später auch als Aufsatz in der Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel erschien.7 Dieser Text wurde in vollem Wortlaut einschließlich des Gedichtes erneut abgedruckt in den Rundbriefen „Die ostpreußische Arztfamilie“ 1970.8 Diese Erstveröffentlichung möchte ich im Folgenden als zeitgeschichtlichen Resonanzraum des Gedichtes vorstellen. In einem zweiten Teil werde ich vor allem bisher wenig beachtete Erlebnisse aus Lehndorffs „Ostpreußischem Tagebuch“ als Erfahrungshintergrund des Liedes heranziehen.9 Abschließend folgen Überlegungen zur Aufnahme des Liedes in ein zukünftiges Gesangbuch.

Die Erstveröffentlichung des Liedtextes in Lehndorffs Vortrag „Vom Sinn der Barmherzigkeit in der modernen Welt“10 Im März 1969 wurde Hans Graf von Lehndorff, Chirurg und Chefarzt am Viktoria-Hospital in Bonn-Bad Godesberg, zu einem Vortrag nach Bethel ein­ geladen. Sein Referat gehörte zu einer dreiteiligen Vortragsreihe zur Zukunft der Mutterhausdiakonie in Bethel aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Diakonissenmutterhauses Sarepta.11 Die Mutterhausdiakonie steuerte seit einigen Jahren auf eine Krise zu, da die Eintrittszahlen in die Schwesternschaft deutlich zurückgegangen waren.12 7 Lehndorff, Hans Graf von: Vom Sinn der Barmherzigkeit in der modernen Welt. In: ­Bethel. Beiträge aus der Arbeit der v. Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Bielefeld Heft 5 (Juli 1969), 12–26. Die Herkunftsangabe in einem zukünftigen Gesangbuch müsste somit lauten: „T: Hans Graf [!] von Lehndorff 1967 (1969)“. 8 Die ostpreußische Arztfamilie 1970. Der Text erschien in drei Teilen jeweils auf den letzten Seiten des Oster-, Sommer- und Adventsrundbriefes 1970, das Gedicht im Adventsrundbrief, 26 mit einem amüsanten Druckfehler in der 4. Strophe: „der du nackt und ungeboren“. – Zu „Die ostpreußische Arztfamilie“ s. Hensel, Joachim: Medizin in und aus Ostpreußen. Nachdrucke aus den Rundbriefen der „Ostpreußischen Arztfamilie“ 1945–1995, Bockhorn 1996, S. 251 ff. Die ostpreußische Arztfamilie wurde 1945 von Dr. Paul Schröder gegründet und war ein Zusammenschluss von in Ostpreußen beheimateten oder früher dort tätig gewesenen Ärzten und ihren Familien. Die Mitglieder trafen seit 1951 jährlich zu Familientagen in Göttingen zusammen. Jährlich erschienen drei Rundbriefe. – Das Vortragsthema hat Lehndorff auch in den folgenden Jahren beschäftigt. Eine überarbeitete Fassung (ohne das abschließende Gedicht) übernahm er in Lehndorff, Hans Graf von: Humanität im Krankenhaus. Christliche Vorschläge für den Umgang mit Kranken. München-­Luzern 1975, 27–46. 9 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch. Aufzeichnungen eines Arztes in den Jahren 1945–1947. München 11961 / Taschenbuchausgabe München 342017. Ich zitiere im Folgenden nach der Taschenbuchausgabe (identische Seitenzählung mit früheren Auflagen). 10 Lehndorff, Hans Graf von: Vom Sinn der Barmherzigkeit in der modernen Welt (s. Anm. 7). Sämtliche Zitate werden der Einfachheit halber durch Seitenzahlen im laufenden Text belegt. 11 Bethel. Beiträge aus der Arbeit der v. Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Bielefeld. H. 5, Juli 1969, 1 (Vorwort). Zum Kontext s. https://www.bethel.de/ueber-uns/geschichte-bethels. html (eingesehen am 8.12.2017). 12 1969 hatte das Diakonissenmutterhaus Sarepta nur noch 931 aktive und 481 Schwestern im Feierabend.

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Lehndorff geht in der Einleitung seines Vortrags auf dieses Jubiläum und auf die Krise ein und versucht mit kritischen Beobachtungen zu gesellschaftlichen Veränderungen der Nachkriegszeit eine Situationsbestimmung. Mit der ihm eigenen Sensibilität für den Wandel von Sprache steigt er mit der Frage ein, ob das Wort Barmherzigkeit noch eine „glückliche Bezeichnung ist für das, worum es uns heute geht.“ Insbesondere jungen Menschen sei es nur noch schwer zu vermitteln, weil es zu pathetisch sei. Im Kontext staatlicher Sozialfürsorge habe jeder „sein institutionell begründetes Recht auf ausreichende Versorgung in gesunden wie in kranken Tagen“ (S. 13). Da es jedoch kein zeitgemäßes Äquivalent für jenes Wort gebe, wählt Lehndorff eine programmatische Umschreibung: Barmherzigkeit ist „die Fähigkeit, den Mitmenschen in seiner Not zu erkennen und […] die Bereitschaft, ihm darin beizustehen.“ Diese Definition gliedert im Folgenden seinen Vortrag. Es folgt eine ausführliche kulturkritische Beschreibung der „besonderen Nöte unserer Zeit“, beginnend mit den Problemen einer älter werdenden Gesellschaft. Er „wohne in einer Stadt, in der es besonders viel alte Leute gibt. Ich sehe, wie sie sich schinden müssen, weil die meisten von ihnen alleinstehend sind und nur selten jemand haben“, der ihnen beisteht. In Pflegeheimen seien „die Menschen, die dort arbeiten, bereits völlig überfordert und überlastet“. Um Verständnis für die Situation junger Menschen werbend, spricht Lehndorff deren geringe Neigung zu den körperlich und seelisch belastenden Pflegeberufen an. Die zweite Not, die Lehndorff als Chirurg am Bonner Viktoria-Hospital nur allzu gut kennt, sei „die ständig zunehmende Zentralisierung, Intensivierung und Mechanisierung des Krankenhausbetriebes“. Kleine Häuser unter 300 Betten müssten wegen Unwirtschaftlichkeit großen „Gesundheitsfabriken“ weichen, und die Person des Kranken werde „immer mehr in den Hintergrund gedrängt“. Der leidende Mensch werde zum reparaturbedürftigen Gegenstand, und der Arzt spiele nur noch „die Rolle eines gehobenen Klempners oder Installateurs“ (S. 16). Lehndorff wird bei dieser Analyse die jüngsten Entwicklungen in der Chirurgie vor Augen haben: Die erste Herzverpflanzung am 3. Dezember 1967 durch den Chirurgen Christiaan Barnard in Kapstadt hatte riesiges Aufsehen erregt. 1968 gab es weltweit 102 solcher Transplantationen; die meisten Patienten sind jedoch nach wenigen Tagen verstorben. In solchen Gesundheitsfabriken sei weder ein menschenwürdiges Sterben noch ein befriedigendes Arbeiten mehr möglich. (S. 15 f) Als weitere Not benennt Lehndorff die zunehmende Vereinsamung. „Noch nie hat es wohl so viel einsame Menschen gegeben, wie in unser Wohlstandswelt, und so viel Krankheiten und krankheitsähnliche Zustände, die aus dieser Einsamkeit entstehen.“ (S. 17)13 Der Jugend fehle es zunehmend an mensch 13 Ähnlich äußert sich Lehndorff in einem Vortrag, den er bereits im August 1962 in der Frankfurter Paulskirche zum „Tag der Heimat“ gehalten hat, erschienen in der Silvesterausgabe DIE ZEIT 1962 unter dem Titel „Wohlstand und Trostlosigkeit“, erneut abgedruckt unter dem Titel „Unser fragwürdiger Wohlstand“ in: Der Aquädukt 1963. Im 200. Jahre ihres Bestehens hg. von der C. H. Beck’schen Verlagsbuchhandlung. München 1963, 1–5.

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lichen Autoritäten und geistiger Heimat. Ihnen könne geholfen werden, „wenn es gelänge, sie aus ihrer utopischen Theorie vom unterdrückten und benachteiligten Menschen in die Wirklichkeit des leidenden Menschen zu führen.“ (S. 18) Als Beispiel leidender Menschen erinnert er im Folgenden an aktuelle Not­lagen der sogenannten Contergankinder, an Sozialwaisen und „Heimkinder, deren Zahl in die Millionen geht, die ohne Nestwärme aufwachsen müssen“, durch Downsyndrom oder Nervenkrankheiten geschädigte Kinder und „an das vielschichtige Problem der sogenannten Asozialen, […], die in den Randgebieten unserer Großstädte ein […] trostloses und allen negativen Einflüssen ausgesetztes Dasein fristen.“ (S. 19) Sodann kommt Lehndorff auf den Strafvollzug zu sprechen, der wie in den nördlichen Nachbarländern modernisiert werden müsse. Dort habe man sich „dazu entschlossen, schuldig gewordene Menschen nicht grundsätzlich als Verbrecher anzusehen, sondern ihnen während ihrer Haftzeit eine Behandlung und Erziehung angedeihen zu lassen.“ (S. 20) Als letzte Beispiele für Tätigkeitsfelder barmherzigen Handelns erwähnt Lehndorff die Aufgaben, „die uns aus der Tatsache erwachsen, daß wir ein reiches Land sind, nämlich die Entwicklungshilfe und die Sorge um den Hunger in fremden Ländern. Dazu kommt die Arbeit in den Organisationen, die der Versöhnung mit den vom zweiten Weltkrieg betroffenen Nachbarvölkern dienen.“(S. 20) Damit greift Lehndorff gesellschaftspolitische Themen der 1960er Jahre auf, zu denen auch die evangelischen Kirchen Stellung bezogen haben.14 Im zweiten Teil seines Vortrags kommt Lehndorff zur Frage, wie der Mensch beschaffen sein muss, „damit er Aufgaben an seinen leidenden Mitmenschen wahrnehmen kann“. Die wichtigste menschliche Eigenschaft sei die tätige Dankbarbarkeit (S. 20). Anhand der Geschichte vom dankbaren [!] Samariter (Lk 17,11–19) erläutert er, dass sich Dankbarkeit nicht von selbst verstehe. Sie eröffne „eine Freiheit des Seins und Tuns, eine Freiheit von sich selbst und von der Zufälligkeit des Augenblicks. Wer danken kann, […] weiß auch, daß es nicht eigene Kraft ist, die er weiter gibt, sondern empfangene“ (S. 21). „Ein Mensch, der danken kann, hat auch Zeit. Er nimmt sie sich: Zeit für Wesentliches, Zeit für den anderen. Er weiß, daß die Frage: Wer ist denn mein Nächster? […] eine Existenzfrage ist“ (S. 22). Diesen Gedanken entfaltet Lehndorff mit einer eigensinnigen Interpretation des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37). Die Identifikationsfigur, die Jesus dem fragenden Pharisäer anbietet, sei nicht der Samariter, sondern der unter die Räuber gefallene Mensch. Der Pharisäer werde aufgefordert, „die Situation einmal von der Seite des Hilfsbedürftigen zu sehen.“ So gesehen verliere das Gleichnis „alles Moralisierende, das wir mit ihm zu verbinden gewohnt sind und das uns schon so oft 14 1965 hatte die EKD die sogenannte Ostdenkschrift zur Lage der Vertriebenen und zum Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn veröffentlicht. 1968 empfahl die Synode der EKD den Landeskirchen, mindestens zwei Prozent der Kirchensteuereinnahmen für die Bekämpfung der Armut in der Welt bereitzustellen. 1970 wurde die „Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst“ gegründet.

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gestört hat. Es führt nämlich zu nichts Positivem, wenn man sich nur mit einem der beiden frommen Juden verglichen sieht, die da vorübergehen und nicht helfen.“ Die Identifikation mit dem Samariter dagegen „würden wir doch nie wagen. Vom Standpunkt dessen, der am Boden liegt, bekommt die ganze Erzählung“ einen nicht moralisierenden Sinn: Wenn „wir selber einmal am Boden gelegen haben und wieder aufgerichtet worden sind“, werden wir aus Dankbarkeit für die erfahrene Barmherzigkeit bereit und fähig, anderen zu helfen. Deshalb sei die Dankbarkeit „der Schlüssel für alles, was dazugehört, um sich seinen Mitmenschen in der richtigen Weise zuzuwenden“. Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen geht Lehndorff auf den Anlass seines Vortrag ein, die Krise der Mutterhausdiakonie, und fragt, was zu tun sei, „damit in unserer Umgebung der Blick für die Not des Mitmenschen geweckt und die Bereitschaft zum Helfen gefördert wird“ (S. 23). Das wichtigste seien im Laufe seines Lebens Menschen gewesen, die für ihn „in ihrer Güte, ihrer Geduld, ihrem Einfühlungsvermögen, ihrer Weisheit“ Vorbilder gewesen seien.15 Daraus „ergibt sich für mich die außerordentliche Bedeutung unsres eigenen Verhaltens im Alltag unseres Berufes. Wir können nicht erwarten, daß unsere Mitarbeiter Befriedigung in ihrem Beruf finden, wenn wir ihn selber ohne Hingabe betreiben.“ Das gelte insbesondere „für den Mangelberuf der Schwester und des Krankenpflegers. Hier ist das Leitbild von entscheidender Bedeutung für alles, was mit Werbung und Nachwuchsfragen zu tun hat.“ (S. 23 f) Sodann wirbt Lehndorff um Verständnis für junge Menschen, die zum Helfen bereit sind. Der Generationenunterschied spiele heute eine viel größere Rolle als früher. „Wir kommen mit unserer Jugend einfach nicht mit. Wir klammern uns an Institutionen und Gewohnheiten, die vielleicht schon überholt sind. Wir sprechen eine Sprache, die den jungen Menschen oft unverständlich und zuwider ist.“ So sei z. B. das Wort „dienen“ in Verruf geraten, weshalb er empfehle, dieses „Wort aus unserem Vokabularium – jedenfalls in der Arbeit für unsere Kranken“ – zu streichen. „Die jungen Menschen kommen unter ganz anderen Voraussetzungen zu uns, als wir sie damals mitgebracht haben, als wir jung waren.“ In solidarischer Wir-Form spricht Lehndorff die Diakonissen des Mutterhauses Sarepta auf den Generationenkonflikt an und schließt mit dem Satz: „Umso größer ist das Verdienst derjenigen Schwestern und Pfleger, die sich dieser Menschen annehmen, sie gelten lassen, ihre Bereitschaft zum Helfen anerkennen und ihnen Mut machen, bei der Sache zu bleiben.“ (S. 25) Als drittes und letztes Erfordernis für eine Förderung der helfenden Berufe kommt Lehndorff auf „unsere evangelische Kirche“ zu sprechen. Die Kirche der Reformation habe mit ihrer Verkündigung „zu einer Vernachlässigung, gelegentlich sogar zu einer Verdächtigung der Werke geführt. […] Wenn mich nicht alles täuscht, wäre heute so etwas wie eine diakonische, auf die Praxis gerichtete Theologie nicht nur geboten, sondern aktuell.“ (S. 25)

15 Seine eigenen Vorbilder hat Lehndorff anschaulich vorgestellt in Lehndorff, Hans Graf von: Humanität im Krankenhaus (s. Anm. 8), 47–49 und 58 f.

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Lehndorff schließt seinen Vortrag mit Gedanken, dass das Leiden niemals beseitigt werden kann, […] weil es ein Element unseres Menschseins ist. […] Darum gebührt es uns, dem Leiden mit Ehrfurcht zu begegnen. […] Vielleicht findet menschliche Barmherzigkeit auch heute ihren höchsten Ausdruck dort, wo wir mit machtlosen Händen bei dem Leidenden ausharren und gegen allen Augenschein darauf vertrauen, daß Gottes Barmherzigkeit ihr Werk an ihm bereits begonnen hat. Ich schließe mit einem kleinen neuzeitlichen Adventslied: 1. Komm in unsere stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, daß die Völker nicht verderben. Wende Haß und Feindessinn auf den Weg zum Frieden hin! 2. Komm in unser reiches Land, Herr, in deiner Armut Blöße, daß von Geiz und Unverstand willig unser Herz sich löse. Schaff aus unserm Überfluss Rettung dem, der hungern muss! 3. Komm in unsere laute Stadt, Herr, mit deines Schweigens Mitte, daß, wer keinen Mut mehr hat, sich von dir die Kraft erbitte, für den Weg durch Lärm und Streit hin zu deiner Ewigkeit. 4. Komm in unser festes Haus, der du nackt und ungeborgen. Mach ein leichtes Zelt daraus, das uns deckt kaum bis zum Morgen; denn wer sicher wohnt, vergißt, daß nur unterwegs er ist. 5. Komm in unser dunkles Herz, Herr, mit deines Lichtes Fülle, daß nicht Hochmut, Angst und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle, die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.16

Dass er selbst diese Verse geschrieben hat, verschweigt Lehndorff in der ihm eigenen Bescheidenheit.

Das „Ostpreußische Tagebuch“ und die 1960er Jahre Mit dem Namen Hans Graf von Lehndorff verbindet sich der Titel eines ergreifenden Buches: „Ostpreußisches Tagebuch. Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945–1947“. Es erschien unter diesem Titel erstmals 1961, wurde zu einem der ersten und wirkungsmächtigsten Dokumente über Flucht und Vertreibung der Deutschen nach 1945 und wird bis heute immer wieder neu aufgelegt.17 16 Lehndorff, Hans Graf von: Vom Sinn der Barmherzigkeit in der modernen Welt (s. Anm. 7), 26. Die Abweichungen vom Wortlaut des EG sind kursiv gesetzt (vgl. auch die hymnologischen Nachweise zu Henkys, Jürgen / Stefan, Hans-Jürg: Komm in unsre stolze Welt [s. Anm. 2], 79). 17 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9). Dazu auch in Vorb.: Storz, Harald: Von Ostpreußen nach Südniedersachsen. Die unbekannten Jahre Hans Graf von Lehndorffs 1947–1950. In: Göttinger Jahrbuch 66 (2018).

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Lehndorff war nach der Besetzung von Königsberg im Januar 1945 durch die sowjetische Armee in der Stadt geblieben und blieb bis zu seiner Ausweisung im Mai 1947 in Ostpreußen, zunächst im russischen und später im polnischen Teil der Provinz. In seinem Bericht schildert er Plünderungen, Verhaftungen, Erschießungen, Verschleppungen, Vergewaltigungen, berichtet vom Hunger in diesen Monaten und von Krankheiten, die sich infolge des Hungers ausbreiteten. Zwischen den Erlebnissen, die Lehndorff in seinem „Ostpreußischen Tage­ buch“ erzählt, und der Entstehung des Liedes 1967 liegen zwei Jahrzehnte. „Daher darf man seinen Bericht nicht als den nächstliegenden Kontext des Liedes ansehen.“18 Dennoch ist es keineswegs abwegig, diese Erinnerungen als Kontext des Gedichtes heranzuziehen, denn Krieg, Flucht und Vertreibung haben Lehndorffs Leben und Denken bis weit in die 1960er Jahre geprägt. Davon zeugt nicht nur die Veröffentlichung des Tagebuches 1961, sondern auch die Herausgabe anderer Kriegserinnerungen in diesem Jahrzehnt.19 Einen solchen Erlebenszusammenhang legen erst recht die ersten Entwürfe für das „Ostpreußische Tagebuch“ nahe. Als Lehndorff im Juni 1947 wenige Tage nach seiner Aussiedlung aus Polen auf dem Weg Richtung Westen seinen Freund Hugo Kükelhaus in Caputh bei Potsdam besuchte, 20 regte dieser Lehndorff in einem „nächtlichen Gespräch“ an, seine Erinnerungen an die Jahre 1945–1947 aufzuschreiben. Wenige Tage danach schickte Lehndorff an Kükelhaus einen Brief, in dem er einen ersten Aufriss mit sechs Kapitelüberschriften vorstellte. Als Überschrift für seine Erinnerungen schlug er in Anlehnung an die Schlussworte der Offenbarung des Johannes (22,22) „Komm, Herr Jesu“ vor. Auch wenn Lehndorff in der Endfassung des Tagebuches eine andere Gliederung in acht Kapitel und einen anderen Titel wählte, zeigt dieser erste Entwurf, dass der adventliche Ruf um das Kommen Christi den Autor schon beim Schreiben des „Ostpreußischen Tagebuchs“ umtrieb. Eine Spur dessen findet sich auch in der Endfassung des Tagebuchs: Eine junge Ärztin, die „Doktora“, mit der Lehndorff seit Monaten Tausende von Internierten versorgt hatte, nahm nach einer Vergewaltigung durch russische Soldaten, nach dem Suizid ihrer Eltern und nächtelanger Schlaflosigkeit eine hohe Dosis Schlaftabletten und kam nicht wieder zu Bewusstsein. Am Freitagabend hat das Herz aufgehört zu schlagen. […] Ein Landser, der im Hause arbeitet, bringt mir ein Holzkreuz, das er gemacht hat. Darauf schreiben wir ihren Namen, sowie das Geburts- und Todesdatum. Und auf die Rückseite schreiben wir die Schlussworte der Heiligen Schrift: Amen, ja komm, Herr Jesu. 21

18 Henkys, Jürgen: Komm in unsre stolze Welt (s. Anm. 2), 80. Aber auch Henkys weist vereinzelt auf Verbindungen zwischen Lehndorffs „Ostpreußischem Tagebuch“ und seinem Lied hin. 19 Lehndorff, Hans Graf von (Hg.): Die Briefe des Peter Pfaff 1943–1944. Wuppertal-Barmen 1 1964; Skrjabin, Elena: Leningrader Tagebuch. Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren 1941–1945. Mit einer Einführung von Hans Graf von Lehndorff. München 1972. 20 Hierzu und zum Folgenden: Stadtarchiv Soest, P 56 Nachlass Hugo Kükelhaus, Karton P 106 Korrespondenz mit Lehndorff: Schreiben Lehndorffs an Kükelhaus vom 5.6.1947. 21 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 153.

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Im Folgenden möchte ich auf weitere zeitgeschichtliche Zusammenhänge sowohl aus den 1960er Jahren als auch aus den Jahren 1945–1947 hinweisen, die sich in den einzelnen Strophen des Liedes widerspiegeln. Die erste Strophe: „Komm in unsere stolze Welt“ Stolz war die Welt der späten 1960er Jahre, stolz auf die jüngsten Entwicklungen in Wissenschaft und Technik. Die Sensation der ersten Herztransplantation im Dezember 1967 hatte weltweit ebenso großes Aufsehen erregt wie die erste Landung einer Raumsonde auf dem Mond im Juni 1966. Gleichzeitig drohten kriegerische Auseinandersetzungen. Der Mauerbau, die Kubakrise und der Vietnamkrieg nährten die Angst vor weiterer Eskalation des Ost-West-Konfliktes. Schon drei Jahre vor der Ostdenkschrift der EKD (1965)22 hat sich Lehndorff am 9. September 1962 in der Paulskirche in Frankfurt auf dem „Tag der Heimat“ gegen den Mainstream der Heimatvertriebenen-Verbände für Versöhnung mit Polen eingesetzt. Er sagte: Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als daß meine Kinder dort aufwachsen, wo mehr als zehn Generationen meiner Familie gelebt […] haben. […] Und doch wäre ich nicht in der Lage, dies alles einfach zurückzufordern, meinen Anspruch darauf geltend zu machen. Denn ich weiß genau: Sollte es sich fügen, daß wir eines Tages wieder dorthin zurückkehren könnten, dann würden sich erst einmal die Schatten der Vergangenheit in ihrer ganzen Größe erheben, und das namenlose Leid, das im Osten gelitten worden ist, würde Rechenschaft von uns fordern. Es wäre für mich nicht denkbar, nach Ostpreußen zurückzukehren und dort so zu weiterzuleben, als sei nichts geschehen. 23

Dieser Verzicht auf „Hass und Feindessinn“ in seinem Lied und in seiner Rede 1962 hat auch im „Ostpreußischen Tagebuch“ Spuren hinterlassen. Seine Erinnerungen enthalten sich allen Russenhasses. Angesichts der täglichen Greuel, die er 1945 in Königsberg erlebte, stellt er sich im Tagebuch in einer der wenigen Reflexionen die Frage: Was ist das eigentlich, so fragte ich mich, was wir hier erleben? Hat das noch etwas mit natürlicher Wildheit zu tun oder mit Rache? […] Das hat nichts mit Rußland zu tun, nichts mit einem bestimmten Volk oder einer Rasse – das ist der Mensch ohne Gott, die Fratze des Menschen. 24

22 Zur Entstehung der Denkschrift s. Rudolph, Hartmut: Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972. Bd. 2, Göttingen 1985, 69–149, zu Lehndorffs Position ebd., 80, 89, 95, 101. 23 Lehndorff, Hans Graf von: Unser fragwürdiger Wohlstand (s. Anm. 13), 4 f. 24 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 67.

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Die zweite Strophe: „Komm in unser reiches Land“ 1967, als mit wachsendem Wohlstand Schwarzweißfernseher in bundes­deutschen Wohnzimmern Einzug hielten, verstörten im Wirtschaftswunderland die Bilder verhungernder Kinder in Biafra viele Menschen: Kinder, nur noch Haut und Knochen, mit geschwollenen Hungerbäuchen. Lehndorff hatte zwei Jahrzehnte zuvor Ähnliches im Lazarett in Königsberg gesehen: Die Menschen, die man uns bringt, befinden sich fast alle in dem gleichen Zustand. Oben sind sie zu Skeletten abgemagert, unten schwere Wassersäcke. […] Ein merkwürdiges Sterben ist dieser Hungertod. Nichts von Revolte. Die Menschen machen den Eindruck, als hätten sie den eigentlichen Tod schon hinter sich. Sie gehen noch aufrecht, man kann sie auch noch ansprechen, sie greifen nach einem Zigarettenstummel eher übrigens als nach einem Stück Brot, mit dem sie nichts mehr anzufangen wissen und dann sinken sie auf einmal in sich zusammen, wie ein Tisch, der unter einem Höchstmaß an Belastung so lange noch standhält, bis das zusätzliche Gewicht einer Fliege ihn zusammenbrechen läßt. 25

Die dritte Strophe: „Komm in unsere laute Stadt“ Lehndorff war ein „Landkind“, groß geworden auf einem Gutshof und fühlte sich bei ersten Begegnungen mit lauten und geschäftigen Großstädten fremd. 26 Auch Bad Godesberg war kein beschauliches Kleinstädtchen mehr. Das fiel auch Lehndorffs Freund, dem Schriftsteller Willy Kramp, der Anfang der 1930er Jahre in Bonn studiert hatte und Ende der 1960er Jahre zu Besuch war, auf: „Aus dem stillen Godesberg ist eine laute, elegante Stadt geworden. Durch die engen Straßenschluchten quetschen sich Autos. Menschentrauben sammeln sich bei den Fußgängerampeln.“27 Vermutlich hat Lehndorff mit der Redewendung „Lärm und Streit“ auch die Demonstrationen in der damaligen Bundeshauptstadt im Sinn. Wie sehr sich Lehndorff inmitten des Kriegslärms nach Stille sehnte, als die ersten russischen Bomber über der Stadt Insterburg auftauchten und anfingen „zu blitzen und zu knattern“ (S. 12) beschreibt folgende Szene: Am Nachmittag bleibt alles still. Nur hoch am Himmel ziehen unsichtbare Flieger ihre kühnen Kondensstreifen. Ich gehe noch einmal über den Turnierplatz und an der Angerapp entlang, durch Sonne und tiefen Schnee. […] Und abends bei Dunkelheit bin ich noch einmal in unserer Kirche. Seit dem Bombenangriff im letzten Sommer sind wir hier täglich zur Abendandacht zusammengekommen. Die Türen sind herausgeschlagen,

25 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 145. 26 Lehndorff, Hans Graf von: Menschen, Pferde, weites Land. München 2002, 218. In diesem Rückblick auf den Anfang seiner Studienzeit beschreibt er seine erste Begegnung 1928 mit „Frankfurt, eine wunderschöne Stadt. Das mußte ich selbst unter dem Vorbehalt, den man als Landkind gegen jede Stadt hat, anerkennen.“ 27 Kramp, Willy: Der letzte Feind. Aufzeichnung. München 21969, 233.

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durch den Haupteingang läuft eine Schneewehe zwischen den Bänken hin. Ich setze mich unter die Kanzel und singe zum Abschied das Lied: Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du, Herr Jesus Christ. Dich will ich lassen walten.28

Die vierte Strophe: „Komm in unser festes Haus“ Wie unsicher irdischer Besitz ist, hatten alle Flüchtlinge seinerzeit erlebt. Gerade in der Zeit wachsenden Wohlstands der 1960er Jahre hielt Lehndorff die Erinnerung an den Verlust allen Besitzes wach. In seinem Vortrag in der Paulskirche 1962 erinnerte er seine Zuhörer, Flüchtlinge und Vertriebene, daran, dass sie genau diese Erfahrung in die trostlose Wohlstandswelt einzubringen hätten. Er frage sich, ob wir Heimatvertriebenen nicht in erster Linie dazu vorbereitet und berufen wären, den Kampf gegen diese Trostlosigkeit aufzunehmen. Wir haben es doch erfahren, daß man auch ohne Besitz leben kann, ja, daß man in besitzlosen Zeiten sogar ein innerlich freierer und glücklicherer Mensch sein kann als im allgemeinen Wohlstand. 29

Eindrücklich schildert Lehndorff in seinem „Ostpreußischen Tagebuch“ eine Begegnung mitten im Insterburger Bombenhagel, Januar 1945. Eine Dame steht, von Paketen umgeben, am Straßenrand. Als ich zögernd vorübergehe, spricht sie mich an: „Ach, würden Sie mir bitte eine Speditionsfirma nennen! Ich möchte meine antike Wohnungseinrichtung von hier aus weiterbefördern. […] Es sind alles wertvolle Stücke, die ich wegen der Bomben vor zwei Jahren aus Wuppertal zu Bekannten nach Gumbinnen gebracht habe. Dies hier sind nur die kleinen Sachen, die großen stehen dort drüben in einem Hof.“ Wir gehen über die Straße, um sie in Augenschein zu nehmen. Es handelt sich um acht riesige Stücke, darunter ein eichenes Büfett von mindestens zehn Zentnern Gewicht. […] Eine aktionsfähige Speditionsfirma dürfte kaum mehr aufzutreiben sein. Inzwischen nehme ich einen schüchternen Anlauf, die Dame zur Abreise ohne ihre Möbel zu bewegen. Aber davon will sie nichts wissen. Ihr Mann ist gefallen, Kinder hat sie nicht, ihr Haus ist zerstört – dies ist das einzige, was ihr noch gehört und woran sie hängt.30

Die fünfte Strophe: „Komm in unser dunkles Herz“ Der Anfang der Strophe, der um das Kommen des Herrn ins Herz des Gläubigen bittet, entspricht traditioneller Adventsfrömmigkeit, doch der Schluss der Strophe, dass die Wahrheit „noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht“, greift Erfahrungen auf, die Lehndorff in seinem „Ostpreußischen Tage­ buch“ erzählt. 28 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 12. 29 Lehndorff, Hans Graf von: Unser fragwürdiger Wohlstand (s. Anm. 12), 1–5. 30 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 12–13.

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Ursprünglich hatte er dem Verlag für seine Erinnerungen als Titel „Wir sahen seine Herrlichkeit“ vorgeschlagen, worin eine ausgesprochen provokative, geistliche Gesamtdeutung seiner Erlebnisse in Ostpreußen gelegen hätte. Dieser Vorschlag wurde jedoch zugunsten des sachlicheren „Ostpreußisches Tagebuch“ verworfen.31 Lediglich seinem Vorwort hat er diesen Titel aus dem Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,14) als Motto vorangestellt. Entsprechend deutet Lehndorff einzelne Erlebnisse in seinem Tagebuch. Am 27. Januar 1945, kurz vor der Besetzung Königsbergs durch die Rote Armee, schreibt er in seinem Tagebuch: Der Artilleriebeschuß ist etwas stärker geworden, und da nichts darauf hindeutet, daß die Stadt verteidigt wird, nehmen wir an, daß die Russen im Laufe des Tages bei uns erscheinen werden. Die Losungen haben heute eine besondere Überraschung für mich: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz und laß deinen Augen meine Wege wohlgefallen.“32 Das ist mein Taufspruch und kann nur höchste Alarmbereitschaft bedeuten. Bleib hier, halt die Augen offen! Denk nicht mehr: Wie komm’ ich hier heraus? Sieh doch, wie sie alle den Kopf verlie­ren, die so denken. Bleib hier, ganz nah bei mir, dann sollst du meine Herrlichkeit sehen.33

In den Tagen um Pfingsten herum im Mai 1945 halten einige Mitarbeiter des Krankenhauses Andacht in verschiedenen Krankenräumen, in denen man darum gebeten hat. Auch ich habe wieder Mut gewonnen, zu den Kranken über einen Bibeltext zu sprechen. Im Keller der Ruhrabteilung hat die Stationsschwester […] einen kleinen Tisch mit zwei Kerzen zurechtgemacht und ein Kruzifix aufgestellt. Riesig fällt mein Schatten in den Raum. Ins Dunkel hinein fällt das Sprechen nicht schwer, und das Evangelium vom reichen Mann und dem armen Lazarus gibt die Worte von selbst. Denn viele von denen, die jetzt sterbend auf den Brettern liegen, waren früher wohlhabende Leute. Ich sage ihnen, daß Gott uns nicht verdammen will, sondern daß Seine Güte aus dem reichen Mann noch zu Lebzeiten den armen Lazarus macht, um ihm Gelegenheit zu geben, Seine Herrlichkeit zu erkennen und sich ihr aufzutun. Als ich später durch die Reihen gehe, finde ich zwei von den Männern schon tot.34

Auch wenn Lehndorffs „Ostpreußisches Tagebuch“ sicher nicht als nächst­ liegender Kontext des Liedes anzusehen ist,35 haben die Erfahrungen jener Zeit seine Weltsicht, seinen Glauben, seine Hoffnung und sein Handeln zutiefst geprägt und spiegeln sich auch in seinem Gedicht Komm in unsre stolze Welt. 31 Rebenich, Stefan: C. H. Beck 1763–2013. Der kulturwissenschaftliche Verlag und seine Geschichte. München 2013, 465. Ein bisher kaum beachteter Druck des Tagebuchs erschien in drei Folgen unter dem Titel „Wir sahen seine Herrlichkeit“ in der Zeitschrift: Die Ostpreußische Arztfamilie. Adventsrundbrief 1960 bis Sommerrundbrief 1963 (s. Hensel, Joachim (Hg.): Medizin in und aus Ostpreußen. Nachdrucke aus den Rundbriefen „Ostpreußische Arztfamilie“ 1945–1995, Bockhorn 1996, 11, 103–140, 256. 32 Spr 23,26. 33 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 22 f. 34 Lehndorff, Hans Graf von: Ostpreußisches Tagebuch (s. Anm. 9), 129. 35 Vgl. Anm. 18.

„Ein kleines neuzeitliches Adventslied“: Komm in unsre stolze Welt 

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Textgestalt und Rubrizierung Seit der Veröffentlichung im Liederbuch „Gottes Volk geht nicht allein“ 197536 wird Lehndorffs Gedicht in einer revidierten Fassung überliefert, die auch ins EG übernommen worden ist und vom Erstdruck 1969 und von der ersten Liedfassung 1973 abweicht.37 Bei Aufnahme in ein zukünftiges Gesangbuch wird kritisch zu prüfen sein, welche dieser Textrevisionen notwendig und sinnvoll ist. Lehndorff vermeidet in der ihm eigenen Sensibilität für den Sprachwandel38 traditionelle Begriffe wie „Gnade“, „Schuld“, „Vergebung“ oder „Sünde“, 39 aber die Form des Gedichtes orientiert sich an poetischen Traditionen der Barockzeit (Strophenform, Reim, inverse Wortstellung). Daher wirkte sein Gedicht schon zur Zeit der Entstehung ein wenig „altertümlich“.40 Diesen Sprachduktus durch einzelne Textänderungen zu „modernisieren“, halte ich in den meisten Fällen für unnötig. 1. Strophe: „Überwinde Macht und Geld, daß die Völker nicht verderben“.41

Auch wenn das konsekutive „daß die Völker nicht verderben“ im Sinn von „auf dass“ altertümlich sein mag, ist der Austausch durch einen zweiten Imperativ („lass die Völker nicht verderben“) nicht einleuchtend, zumal Lehndorff in der 2., 3. und 5. Strophe ebenfalls dieses konsekutive „daß“ verwendet. 1. Strophe: „Richte unsern Mut und Sinn auf den Weg zum Frieden hin“.

Die klanglich gefälligere Variante „Weg des Friedens“ (Anklang an den Lobgesang des Zacharias, Lk 1,79) impliziert eine Sinnverschiebung: Im ursprünglichen Text scheint „Frieden“ als Ziel, in der revidierten Version dagegen als Weg im Sinne menschlicher Friedfertigkeit verstanden zu sein. Phonetische Gründe und der Anklang an den Lobgesang des Zacharias könnten aber durchaus für die Beibehaltung der revidierten Version sprechen. 2. Strophe: „Komm in unser reiches Land, Herr, in deiner Armut Blöße, dass von Geiz und Unverstand willig unser Herz sich löse.“

Die inverse Wortfolge „in deiner Armut Blöße“ mag altertümlich klingen, wird aber beabsichtigt sein: Analog spricht Lehndorff in den übrigen Strophen von „deiner Liebe Werben“, „deines Schweigens Mitte“ und „deines Lichtes Fülle“. Sie ist zudem bildhafter als die Revision „der du Arme liebst und Schwache“. Dies gilt auch für den zweiten Vers „dass von Geiz und Unverstand willig unser 36 Gottes Volk geht nicht allein (s. Anm. 4). 37 Vgl. die hymnologischen Nachweise zu Henkys, Jürgen / Stefan, Hans-Jürg: Komm in unsre stolze Welt (s. Anm. 2), 79. 38 S. o. S. 204 Lehndorffs Gedanken zum Begriff der Barmherzigkeit. 39 Stefan, Hans-Jürg: Das Adventslied Komm in unsre stolze Welt (s. Anm. 5), 73. 40 Henkys, Jürgen: Komm in unsre stolze Welt (s. Anm. 2), 80. 41 „Laß“ schon in: Notenblatt für Männerchor (s. Anm. 3); die Textversion in „Gottes Volk geht nicht allein“ (s. Anm. 4) ist der einzige Lieddruck, der das „daß“ beibehalten hat.

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  Harald Storz

Herz sich löse“. Der unreine Reim „Blöße – löse“ entspricht dem traditionellen Stil der Lehndorffschen Dichtung und bedarf keiner Korrektur. 4. Strophe: „Komm in unser festes Haus […], denn wer sicher wohnt, vergißt, dass nur unterwegs er ist.“42

Das trochäische Versmaß des Gedichtes bedingt ein unbetontes „nur“. Die holperige Wortfolge – eigentlich erwartet man „dass er nur unterwegs ist“– spricht dafür, die Revision „dass er auf dem Weg noch ist“ beizubehalten oder – eine Revision, die näher am Erstdruck wäre – zu ersetzen durch „dass er auf dem Weg nur ist“. 5. Strophe: „Komm in unser dunkles Herz […], dass nicht Hochmut, Angst und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle“.43

Die Revision zu „dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz“ stört mit der Reihung einsilbiger, betonter Worte das trochäische Versmaß. Das Wort „Angst“ bleibt in dieser Wortfolge unbetont, und die Ergänzung „Not“ fügt sich nur bedingt in die Aufzählung starker Gefühle wie Neid, Angst und Schmerz ein. Das zweisilbige Wort „Hochmut“ dagegen entspricht nicht nur dem Versmaß, sondern auch Lehndorffs Intention, wie sie in der Titelzeile Komm in unsre stolze Welt bereits angeklungen ist. Da die Gesangbuchausschüsse, die seinerzeit das Evangelische Gesangbuch zusammengestellt haben, für das Themenfeld „Erhaltung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit“ wenig geeignetes Liedgut zur Auswahl hatten, wurde Lehndorffs Adventslied dieser Sparte zugeordnet.44 Doch legen nicht nur Lehndorffs Bezeichnung des Textes als „kleines neuzeitliches Adventslied“ bzw. als „Adventsgedicht“ nahe, dieses Lied in einem zukünftigen Gesangbuch unter die Adventslieder einzureihen. Dafür spricht auch der fünffache Bittruf um das Kommen des Herrn zu Anfang jeder Strophe. Diese Zuordnung würde das Spektrum der Adventslieder, deren präsentische Eschatologie sich stark auf den einzelnen Gläubigen konzentriert45 und deren futurische Eschatologie heute sehr sperrig ist,46 sinnvoll erweitern in den Raum einer theologisch reflektierten, präsentischen Eschatologie mit politisch-gesellschaftlichen Implikationen. 42 Die Variante in „Notenblatt für Männerchor“ (s. Anm. 3) „vergißt bald, daß unterwegs er ist“ ist wegen des kurzen Enjambements und des unmittelbar anschließenden Objektsatzes mit Inversion eine ebenfalls holperige Alternative. 43 Eine ähnlich holperige Variante bietet Walter Hubatsch in seiner Laudatio für Lehndorff zur Verleihung der Agnes-Miegel-Medaille (Universitätsarchiv Bonn, 6.4, Nachlass Walther Hubatsch, Nr. 136, Laudatio für Hans Graf von Lehndorff, Münster 28.10.1977: „daß nicht Neid, Angst, Trotz und Schmerz“. 44 Stefan, Hans-Jürg: Das Adventslied Komm in unsre stolze Welt (s. Anm. 5), 77 f. 45 Z. B. EG 1,5 („meins Herzenstür dir offen ist“), EG 10,1 („das Herz in euch bestellt“), EG 11,2 („mein Herze soll dir grünen“). 46 Z. B.  EG 6,2 („Der jüngste Tag ist nun nicht fern“), EG 6,5 („Ach lieber Herr, eil zum Gericht“).

„Ein kleines neuzeitliches Adventslied“: Komm in unsre stolze Welt 

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Die vielfältigen Bezüge des Gedichtes zur Lebens- und Gedankenwelt Lehndorffs, die ich in diesem Beitrag sichtbar gemacht habe, mögen zu bestimmten Anlässen als Material für eine Liedpredigt oder einen Liedgottesdienst taugen.47 Doch die Sprache in Lehndorffs Dichtung ist zugleich offen auch für gegenwärtige Kontextualisierungen, die neben oder abseits der historischen stehen können. Nicht nur in Adventsgottesdiensten, sondern an jedem beliebigen Sonntag der Trinitatiszeit48 kann das Lied z. B. im Fürbittengebet oder im Eingangsteil eines Gottesdienstes (Eröffnung und Anrufung) kontextualisiert werden: Vor dem Singen (oder gemeinsamen Sprechen) jeder Strophe als Gebetsvollzug wird parataktisch im Originalton eine möglichst aktuelle Pressemeldung gelesen, die durch Konsonanzen zur folgenden Strophe hinführt.49

47 Z. B. der diakonische Kontext des Vortrags in Bethel für einen Gottesdienst zum Diakoniesonntag, die Bezüge zum „Ostpreußischen Tagebuch“ in einem Gottesdienst oder einer Gedenkstunde zum Volkstrauertag. Vgl. auch dazu auch die zwei im Literaturbericht S. 244 genannten Beiträge von Werner Horn und Alexander Völker. 48 EG 428 ist in der neuen Perikopenordnung der Evangelischen Kirche Deutschlands, die zum 1. Advent 2018 eingeführt wird, als eines der beiden Wochenlieder für den 4. Sonntag nach Trinitatis sowie zum Buß- und Bettag vorgesehen (vgl. den Beitrag von Stephan Goldschmidt in diesem Band). 49 S. Nicol, Martin: Weg im Geheimnis. Plädoyer für den Evangelischen Gottesdienst. Göttingen 2009: „In den Fürbitten tritt die Welt mit ihren Problemen und Nöten in den Raum des Gebetes.“ (203) Wichtig für diese Collagetechnik ist die Unterscheidung der Sprechakte (204): Die Pressemeldungen wenden sich – anders als die gesprochene oder gesungene Bitte um das Kommen Gottes – durch Verlesung am Lesepult (nicht am Altar) an die mitbetende Gemeinde. Das unkommentierte Nebeneinander von Pressemeldungen und Liedstrophen inszeniert die „Differenz zwischen Gottesglauben und Welterfahrung“ (205).

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert /  Menno M. van Zaanen

Introduction To be able to perform computational, quantitative as well as qualitative research on Anglican chants,1 access to a large body of chants is essential. In this article, we present a collection of Anglican chants, describe how these are represented, and we discuss the choices we made in the design of the collection. Additionally, a web-based interface2 is described that allows instant and easy access using various indexes. A key element of the collection is the way a chant can be found based on its melody. Each chant has a melodic fingerprint that can be used for identification purposes. We compare several existing fingerprint systems as well as their advantages and disadvantages. The collection currently contains over 20,000 chant references from over 70 chant books. This already allows for a wide range of initial research, but expanding the collection is an ongoing effort.

The chant collection The work presented here describes several aspects that set the requirements for the implementation of the database. First, given the huge number of Anglican chants that have been published in hundreds of individual chant books, we would like to create  a combined collection of chants that, as far as possible, 1 Anglican chant is the characteristic way of singing prose text (unmetrical) like the psalms and other texts from the Bible in the Anglican church. Chants usually have a strict form: they are in four-part harmony with a repetitive structure of two sections: one of three and one of four bars (the single chant). The larger part of a text (half verse) is sung on the first note of each section (the reciting note), the remaining words on the remaining notes. A single chant (S) thus accomodates one psalm verse, one section for each half verse. Double chants (D) have four sections (3-4-3-4 bars), triple (T) six and quadruple (Q) eight. Other, non-standard forms (irregular—X) are also in use. It depends on the structure of a specific psalm which type of chant is best used, there is no fixed association between psalm and chant. 2 http://www.anglicanchant.nl

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

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contains all (known) chants. Here, the current state of the collection will be described in detail. Second, in order to create the collection, we require tools that allow us to record (input), store, and retrieve the chants. These tools are essential if we are to construct  a ‘complete’ or aggregate Table of Contents for the collection of (known) chant books in a consistent format and in an efficient manner. In this article we do not elaborate on these tools, as they are industry standard tools like a database implementation and a music notation program. Third, the collection contains information for each chant. This information can be subdivided into two types: metadata, which can again be subdivided into descriptive metadata, which consists of data about the chant itself (such as type, composer and year) and structural metadata, which indicates the chant book or books the chant is found in. Next to the metadata, the musical data is stored. This describes the musical properties of the chant, including notes, rests, voices, and keys. Fourth, the representations of the data should be standardized, which allows for access and retrieval in several formats. For instance, one should be able to identify all the chants of a particular composer, or chants that start with certain notes. As the data of the chants is structured, the information can then be shown in a variety of ways. For example, the music is represented symbolically, which allows us to present the music of the chants in various ways, such as a computer readable representation, a sheet music representation, but also as audio. Searching and accessing the data in the collection in this way is called ‘elementary’ access. Here, we will show how the process of accessing the chants in various ways is accomplished. Finally, once the chants are collected, stored, and made accessible, more advanced research on the chants can be performed. This research may be of different types: qualitative, by searching for specific chants and investigating their properties, or quantitative, where we make use of the aggregation of the entire collection, which allows us to perform big data analyses. For example, researchers can investigate how a particular chant was modified over time (passing notes, etc.) and how this relates to style periods, in particular with respect to the way how chants were performed. Additionally, the mere size of the collection and the computational access also allows us to investigate the internal consistency of the collection. For instance, if a chant is attributed to a particular composer in one chant book, but we then find that the same chant is already published in a chant book before the birth date of the composer, this is likely to be incorrect. This type of investigations requires more complex access to the collection, and hence is called ‘advanced’ access. In the remainder of this article we will describe the elementary access.

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  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

The data collection process Chants have been published in  a large number (several hundreds) of chant books. Some of these are published for sale to the public while others were produced for use in a particular cathedral or chapel. An example of the former is the well-known Parish Psalter, 3 compiled by Sidney Nicholson. An example of the latter is the St. Mary’s Chant book.4 Chant books usually contain chants from several composers (these books are ‘collections’ compiled by an editor) or they may have chants from just one composer.5 However, occasionally chants are simply written down by a composer on a piece of paper and given to an organist or choir director. Often no further track record of that chant can be found. Since we aim at making the collection as complete as possible (i. e. including all occurrences of all chants) these loose notes are also included. We represent this by creating a ‘virtual’ chant book for this purpose, the ‘Loose Leaf Collection’.6 With the advent of the Internet a new possibility for publishing chants appeared. The first, more or less trivial, case is the use of electronic mail to send a chant to somebody else. These instances are treated as if they were on paper and are included in the ‘Loose Leaf Collection’. More interestingly, some chant composers have their own websites on which they publish their chants. From this website chants can be downloaded, either free of charge or for a small fee. We treat these websites each as ‘virtual’ chant books.7 Social media are also increasingly popular to discuss and distribute chants. The best example is the Facebook Group ‘The Anglican Chant Appreciation Society’.8 In this discussion group existing chants are discussed and compared, but composers also use this group as a vehicle to distribute their chants9 (free of charge). Over the years we have collected the chants from this group in yet another ‘virtual’ chant book.10 Another possibility with the Internet is to create  a website with  a collection of chants,11 just like a physical chant book. Such a website is also treated like a physical chant book in the current collection. A chant can be used multiple times in a chant book and also in multiple chant books. A chant ‘reference’ in the database is just one occurrence of a chant (or a 3 Nicholson, Sydney H.: The Parish Psalter with Chants. Croydon 1932/1985. 4 Anonymous (Ed.): The Saint Mary’s Chant book. London 1880. 5 E.g. Metcalfe, William: Metcalfe’s 300 Single and Double Chants. London ca. 1875. 6 Meijer, Ton: The Loose Leaf Collection, Private Collection 2014. 7 E.g. Williams, Laurie: Laurie Williams Music Collection (https://lauriewilliamsmusic.com). Adelaide 2014. 8 https://www.facebook.com/groups/116338045052961 9 The British composer Laurence Caldecote has published over one hundred chants in this Facebook group (cf. n. 8). 10 Meijer, Ton (Ed.): The Anglican Chant Appreciation Society (ACAS) Collection: Chants from the ACAS Facebook Pages, 2012–2017 (cf. n. 8). 11 E.g. Speller, John: John Speller’s Webpages—Anglican Chant, https://spellerweb.net/cmindex/ Chant/Psalms.html

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

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variation thereof) in a particular chant book. Currently our collection contains over 20,000 chant references from 75 chant books. A first estimate results in approximately 4,300 unique chants, but further analysis of the chants will result in a lower number since several chants are just variations of another chant. It is part of the research project to identify how many actual unique chants are in the collection. It is impossible to estimate how many chant books exist in total. As we intend to make the collection as complete as possible, we will continue to search for additional chant books to add. As a comparison, in the United Kingdom, Peter Kirk is compiling what he calls The National Archive of Anglican Chant. He claims to have included 600 chant books and over 18,000 unique chants.12 The archive is not yet published and it will not be in the form of a computer accessible database, so it does not allow for quantitative analysis and qualitative analysis may prove hard with a collection of this size without easy computer access. We will, however, try to collaborate closely with Peter Kirk wherever possible and use data from his collection where we can.

The database representation In our collection, two types of data are stored for a chant, the metadata and the musical data. The metadata, both about the chants and the chant books is stored in tables in a relational database. This allows us to formulate queries that identify relevant chants in the collection for the research questions we want to address. The musical data is stored in separate files, coded in MusicXML .13 In Figure 1, a schematic representation of the individual data fields that are represented in the collection is provided. The chant as printed in a chant book (or equivalent), which we call the chant ‘reference’ (which is represented using Chant ID), is chosen as the elementary entity in the database. A chant reference is associated with one book and one composer. However, a chant reference in a chant book may be paired with one psalm, part of a psalm (a number of verses) or even several psalms. These relationships are included in the database to allow further analysis of patterns in the use of certain chants for specific psalms (or other interesting relationships).

12 Private communication from Peter Kirk to the first author (May 23, 2018) and his postings on the Anglican Chant Appreciation Society Facebook page (cf. n. 8). 13 MusicXML is a special dialect of XML—the eXtensible Markup Language. It represents musical structures in a standardized way and is used for exchange of music between music notation programs (like Finale, Sibelius and others). MusicXML was originally developed by Recordare and continued by Makemusic Inc. (makers of Finale software). The development of MusicXML was transferred to the W3C Music Notation Community Group in 2015.

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  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

Chant

Chant book

Composer

ID Type Key Composer Arranger Theme composer Chant book Page Chant number Fingerprint Musicdata

ID Title Editor/Author Publisher Publication date Pointed psalms? Language Bible version Chants numbered? Pages numbered? ISBN Format Source Comments

ID Name Birthdate Date of death Biographical text

Psalm Number

Figure 1: Schematic representation of the data stored in the collection.

The identification of a chant Figure 1

With such a large collection of chants it is essential to have a tool to identify a particular chant based on certain properties. For the metadata this can be done using regular database techniques, for example, searching for chants by a particular composer. For the musical data this is more difficult. Here we require a specialized tool to find a chant if the melody is known. For music recordings this can be performed by services like Shazam,14 Soundhound,15 etc., which use a fragment of the music and compare it with a database of actual recordings. Musipedia,16 an Open Source project like Wikipedia (but not affiliated), can also search for actual recordings, but it can also search on a coded representation of the music (or even the rhythm). Since our collection does not contain recordings but only  a symbolically-coded representation of the music, we need an approach similar to Musipedia. In the section ‘Issues in building the collection’ we will compare the method used by Musipedia (Parsons coding) with our own method as described below. Our identification system is based on the succession of (semitone) intervals in the melody.17 We call this sequence the ‘fingerprint’. Figure 2 illustrates the method for an F-major single chant. This sequence is easily established once one 14 https://www.shazam.com 15 https://soundhound.com/soundhound 16 https://www.musipedia.org 17 In the section ‘Issues in building the collection’ this particular fingerprint technique is compared with techniques used by others.

221

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

has the melody. Sitting at the piano or the organ one can fairly simply determine the intervals. 0

2

2

3

-2

-1

-2

0

-2

Figure 2: The fingerprint (numbers above the staff) for a single chant.

The fingerprint is fully independent of the actual key in which the melody is composed (and the first tone). Even though chants are often transposed in the various chant books, each such version will still give rise to the same fingerprint. The resulting (full) fingerprint for the example is: 0 2 2 3 -2 -1 -2 0 -2. For use in a practical index, only part (the beginning) of the full fingerprint is used. In the remainder of this article we will use the term fingerprint for this shortened version. The length of this fingerprint (the number of intervals included) is directly related to the usability of the index: a shorter fingerprint means that fewer intervals have to be specified in order to find a chant. This trade-off between the length of the fingerprint and the selectiveness (i. e. to point to the correct chant and composer) is illustrated in Figure 3. The figure shows the results of an analysis for the current collection of the effect of the length of the fingerprint on the effectiveness of the fingerprint. The dotted lines show the percentage of fingerprints which point to only one unique melody, to two melodies or to three and more melodies (the left-hand vertical axis). The solid line in the figure shows the total number of fingerprints generated (the right-hand vertical axis).

Figure 3: Number of fingerprints and effectiveness versus the length of the fingerprint.

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  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

For increasing fingerprint length this number approaches a limit that represents the total number of unique melodies in the collection. Based on Figure 3 we consider  a fingerprint of five intervals  a reasonable trade-off for practical purposes. In that case, 77 % of the fingerprints point to chant references for one unique melody only, whereas only 9 % of the fingerprints point to references for three or more melodies. Using five intervals in the fingerprint results for the example in Figure 2 in the fingerprint 0 2 2 3 -2. We must emphasize that these considerations apply only to the user interface. For additional computational, database oriented access the full fingerprint is always available, if necessary. Traditionally, chants consist of measures with semibreves18 and minims (as in Figure 2). Whenever a semibreve is used in a measure where normally two minims are used, we use minims for the fingerprint. In a few chant books the music is printed using minims and crotchets. Although this has no effect on the fingerprint, this is converted to semibreves/minims during data entry for consistency in the musical representation.

Access to the data Earlier in this article we introduced the two forms of access to the data in our database. These are the ‘elementary access’ and the ‘advanced access’. In this section we will describe the elementary access in more detail. From the start of the project it has been envisaged to make the data immediately available, as widely as possible, even though the collection is far from complete. There is no point in waiting for completion of the data collection as that will never happen. Chants are still being composed and older, unknown chants are still being discovered. The obvious vehicle for allowing general public access to the information in the collection is via the web interface of the Internet. From our database various sets of interlinked web pages are constructed automatically, which we call the indexes.19 They are published on the website http://www.anglicanchant.nl. The five indexes are: – list of chant books / sources; – the melodic index;

18 Since this article is about Anglican chants, we will use the English note names semibreve, minim and crotchet instead of whole note, half note and quarter note. 19 The noun ‘index’ can have two meanings. The first is ‘a pointer to an item in a collection’, the second is ‘a collection of such pointers that constitutes some form of table of contents’. Since the word ‘index’ can also have two different plural forms (indices and indexes) and both are widely used, we will use the plural ‘indices’ for multiple pointers and the plural ‘indexes’ for multiple index tables.

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

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– the (musical) key index; – the composer index; – the psalm index. Generally speaking, each index is a sequential list of all chants with the chant number, the page number, the fingerprint, the key, the first note, the composer, the pairing with a particular psalm (if applicable), and any relevant comments. Since the indexes are web pages, extensive use is made of the hypertext linking facilities. For instance, if the user clicks within an index entry for a chant on the name of the composer, a page showing information about that composer is displayed. Apart from the chant book index, all the entries in all other indexes show a list of number pairs in the form b-p-n, which stands for book number— page number—chant number. The book number is a link to the chant book where this instance of the chant was found. The fact that the musical data is stored in a coded way allows for a special feature of our index: the chant number can be clicked on to hear  a MIDI 20 representation of the chant. This can be used to verify that the proper chant was found or to get an impression what the chant sounds like. 21 If a printed version of a chant is needed, the chant book index provides the information in which chant book it was published. The index is not meant to provide further assistance in obtaining a copy of the chant. Eventually this service may be provided by Peter Kirk with the National Archive. 22 The chant book index For every chant book in the collection,  a web page is created. Each page has two sections, the metadata and the table of contents. The first section displays the metadata such as the title, author / editor, publisher, year of publication, whether pointed psalms are included, and the chant numbering system used (see Figure 4a). The second section contains the table of contents of the book. This is a simple list, ordered by page number / chant number (see Figure 4b), providing the metadata about the chant like the composer and its fingerprint. This screen is part of the same web page as shown in figure 4a, so there is no new overall heading with the chant book title. For the abbreviations in column T see footnote 1.

20 MIDI stands for Musical Instrument Digital Interface, a digital system for the real-time exchange of musical data between electronic instruments and processors. 21 Many, mostly contemporary, chants are still under copyright. It is not feasible (and not useful) to obtain copyright permission for all chants and therefore the ‘print version’ of a chant is not available. This restriction does not apply to MIDI files. 22 Cf. n. 12.

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  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen Additional information for

Chants Ancient and Modern, Responses Number Status Full Title Author(s) Publisher Year of Publication ISBN Pointed tekst included Chants numbered continuously Chants assigned to Psalms Format Source Additional comments

71 Included Chants Ancient and Modern, Responses Stewart, Robert P. Association for promoting Christian Knowledge, Dublin 1883 No Yes No Hardcopy Own property Responses are not included in this index.

Figure 4a: Metadata section of the chant book index. Figure 4a

Table of Contents The reference format is “p-n” where “p” is the page number and “n” the chant number If the chant number is bold, click on it to play the midi The column “T” indicates the type of chant (S=Single, etc. – refer to the page Types) Click on the fingerprint to go to an overview page for that fingerprint Click on the composer name to go to the page for that composer

p-n

T

Key

Composer

9-1 9-2 9-3 9-4 9-5 9-6 9-7 9-8 9-9 9-10 10-11 10-12 10-13 10-14 10-15 10-16 10-17 10-18

S S S S S S S S S S S S S S S S S S

A B♭ e A B♭ E♭ E E♭ A B♭ e A C b C d F A

Alcock sr., John Alcock sr., John Aldrich, Henry Aldrich, Henry Arnold, Samuel Ayrton, Edmund Barnby, Joseph Battishill, Jonathan Battishill, Jonathan Battishill, Jonathan Blow, John Camidge, Matthew Child(e), William Croft, William Crotch, William Crotch, William Crotch, William Crotch, William

Fingerprint print 1 -3 -1 -2 -4 5 -3 -5 -5 2 0 0 0 -2 2 1 5 0

-1 5 1 2 2 -7 3 0 9 2 2 0 0 -2 2 -1 -3 -1

-2 -3 2 1 -3 -1 -2 -7 -2 1 2 -1 2 -1 -7 -2 1 1

3 -1 5 -4 3 -6 -1 -2 1 -3 5 -2 -1 -2 0 9 3 -1 0 2 0 -2 1 5 0 2 8 -1 5 -7 2 -4 -5 2 -3 -2

Figure 4b Figure 4b: Table of contents of the chant book index.

Psalms/ Notes

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

225

The melodic index The melodic index is set up based on the fingerprint. The first page (Figure 5a) is a display of all pairs of first intervals (the example in Figure 2 can be found under the pair [0,2]). Each of these pairs can be clicked on to go to a page for that pair of intervals (Figure 5b). First interval of the Chant fingerprints In the list below the bold numbers represent the first interval of the fingerprint The numbers in parentheses represent the number of fingerprints starting with that interval Click on the number to go to the row for the second interval of that fingerprint Choose first interval: -12(5) -9(10) -8(28) -7(73) -5(138) -4(162) -3(215) -2(442) -1(282) 0(731) 1(345) 2(629) 3(371) 4(267) 5(375) 7(92) 8(38) 9(72) 10(4) 12(14) First interval: -12 Click on second interval: 0(1) || 2(3) || 4(1) First interval: -9 Click on second interval: -1(2) || 2(4) || 4(1) || 5(3) First interval: -8 Click on second interval: -2(2) || 1(16) || 3(3) || 5(7) First interval: -7 Click on second interval: -1(3) || 0(5) || 2(31) || 3(5) || 4(9) || 5(10) || 7(2) || 8(2) || 9(3) || 10(2) || 12(1) First interval: -5 Click on second interval: -4(2) || -3(12) || -2(16) || -1(1) || 0(12) || 1(22) || 2(38) || 3(8) || 4(4) || 5(16) || 8(2) || 9(4) || 11(1) First interval: -4 Click on second interval: -8(3) || -5(2) || -4(1) || -3(28) || -1(19) || 0(5) || 1(6) || 2(54) || 3(2) || 4(25) || 5(10) || 7(2) || 9(5) First interval: -3 Click on second interval: -5(1) || -4(43) || -2(42) || 0(7) || 1(22) || 2(27) || 3(45) || 4(1) || 5(22) || 7(2) || 8(3)

Figure 5a: The first page of the melodic index Figure 5a

Index of chants that start with the interval combination (0, 2) The column “Type”indicates the type of chant (S=Single, etc. – refer to the page Types) Click on the fingerprint to go to an overview page for that fingerprint Fingerprint 0 2 -9 2 0 2 -7 0 0 2 -7 0 0 2 -7 3 0 2 -7 5 0 2 -7 9 0 2 -5 -2 0 2 -5 0 0 2 -5 0 0 2 -5 1

5 0 5 -1 5 -2 0 1 2 -1

0 2 2 3 -7 0 2 2 3 -3 0 2 2 3 -2

Type D S D S D S S D D S

Key D d G G g A F B♭ C B♭

First note a' d" g' d" g' a' c" f' c" c"

Composer Barnard, John Wulstan, David Tordoff, Philip Anonymous (i.e. as yet unknown) Marsh, John Garrett, George Mursell Jackson, Francis Alan Winter, Christiaan Vann, William Stanley Metcalfe, William

References 54-1-2 27-11-49-ii 74-*-34 26-40-23 13-181-479 53-280-49 74-*-227 14-57-1 36-80-215; 92-5-6 70-26-87

D S S S

G F D E

g' f' d' e'

Prout, Ebenezer Bridges (-Waterhouse), Mary Monica Farrant, Richard Farrant, Richard

S

F

f'

Farrant, Richard

13-182-482 8-61-348 16-282-288; 57-36-1; 57-36-2 17-708-619; 17-729-672; 20-*-S--206-2; 81-44-1 2-3-6; 3-3-9; 4-viii-10; 4-x-33; 5-viii-10; 5-x-37; 5-165-2; 5-186-3; 7-12-15; 8-62-351; 12-810-16; 12-822-62; 12-826-80; 13-42-162; 16-46-55; 16-291-310; 16-300-326; 21-253-4; 22-52-154; 24-82-306; 25-96-40; 28-11-33;

Figure 5b: A melodic index detail page. Figure 5b

On this specific page, the index is again a simple list with all fingerprints that start with [0,2], now ordered by fingerprint.

226

  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

The entries in the list are similar to the ones in the chant book index. But each chant entry now also contains a list of references to the chant books (for ­example 54-1-2 = book 54, page 1 chant 2) where the chant was published. The references can be clicked on to go to the chant book concerned or to listen to the MIDI representation of the chant. The fingerprint in each line can also be clicked on to go to the page for that specific fingerprint. On the index page in F ­ igure 5b we find that the chant of Figure 2, with fingerprint 0 2 2 3 -2, was composed by ­R ichard Farrant and published in many books. The key index The key index is arranged in the order of the musical key in which the chant is composed, starting with A major all the way to G-sharp minor (not all keys have yet been found in the chants that are currently indexed). The first page is again a table that lists the keys present and each entry can be clicked on to display the page with a listing of all chants in that particular key. The listing is subdivided in sections for each type of chant (single, double, etc.) and within each section the list is arranged according to the first note and the fingerprint. This index is particularly useful if one tries to find a suitable chant in a particular key. The composer index The composer index starts with a page where all composer names (with their birth and death dates, if known) are tabulated in alphabetical order of the last names (a clickable alphabet helps maneuvering through this table). When a composer name is clicked on, the page for that composer is displayed. The composer pages are also subdivided in sections for each chant type and within each section ordered according to the fingerprint and the key. The psalm index The psalm index gives references to those chants that have explicitly been paired with a particular psalm. Actually, the term ‘psalm’ is used here in a somewhat generic manner, since chants are also used for the Canticles and for other scriptural passages. The first page of this index has a number of sections. It starts with a table with all 150 psalms, next a table with the Canticles (like the Magnificat) and hymns (like the Te Deum). The third section lists other scriptural passages. All entries in the tables can be clicked on to display the page for that particular psalm. This page has a layout similar to the ones for the keys and the composers. This index is particularly useful if one looks for a chant for a particular psalm: it shows which chants have been considered suitable by their composer or by the editor of a collection.

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

227

Issues in building the collection In collecting the chant books and entering them into the database we have had to make decisions on several issues. We will not discuss all of these in detail in this article, but just mention the most important ones. Obtaining a sufficient number of chant books is not a trivial task. 23 Some were acquired either from a regular bookstore (for recent chant books) or through second hand bookstores on the Internet. Others could be borrowed from interested individuals. Other books were scanned (by libraries or by Google) and were made available either as a PDF document or as an e-book on the Internet. As discussed before, these are all treated like physical books. A list of the chant books included in the collection at the moment of writing of this article is provided in the Appendix. Significant differences can be found between chant books. The most important difference being that some chant books include pointed psalm text with the chants, 24 others only have chants. 25 In the latter case sometimes, although no psalm text is present, pairing with  a particular psalm is suggested. 26 Further differences between chant books are whether pages and / or chants are numbered and whether chants are attributed to composers. A few chant books do not mention the composers at all. In such cases we tried to attribute the composer of a chant based on the attributions in other chant books. A difficult problem is that many chant books, although they list the composers, do not include any biographic detail, like birth and death (if applicable) dates. This information is necessary for research on the evolution of chant details over time and style periods. In cases where information about a composer could not be found through other sources, the century in which the chant book was printed was used as an indicator. For contemporary composers we tried to find as much information as possible through direct contact with the composer in question. This is an ongoing effort, which is time consuming and not always successful. If a chant is listed as ‘Anonymous’ there are also two options: the composer may have been unknown to the editor of the chant book, 27 or the source is indeed anonymous (as far as known). If no composer is given for a chant and we could not (yet) identify  a composer, the composer is listed as ‘Anonymous, i. e. as yet unknown’. These will have to be investigated further in a future effort to complete the data.

23 Since this project started as a private project by the first author, access to academic libraries was limited. Now that the project is taken over by Tilburg University, these libraries will be used for further expansion of the database. 24 E.g. Scott, John: The Anglican Psalter (The New St. Paul’s Cathedral Psalter). Norwich 1997. 25 E.g. Stephens, Charles E.: Bemrose’s Choir Chant Book. London 1882. 26 E.g. Vincent, Charles: The Chantbook Companion to the Book of Common Prayer. London 1881. 27 A typical example is a chant by John Leman Brownsmith in Wesley, Samuel Sebastian: The Psalter (cf. Appendix A 72, 116.) which is listed by Wesley as ‘Anonymous’.

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  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

Chants that are based upon  a Gregorian melody are sometimes listed as ‘Anonymous’, as ‘Gregorian’, as ‘Anonymous on an ancient tune’, or under the name of the composer of the harmony. These chants also require further research to make our collection more consistent. For our database we have chosen the fingerprint system explained earlier in this article. This system is very similar to the system used by John Scott, 28 although Scott uses the distance in semitone intervals relative to the first note of the chant for every note in the chant. Scott’s fingerprint can be derived from ours by adding the intervals from our fingerprint (as shown in Figure 6). The reverse is also true. Taking the differences between successive notes in Scott’s fingerprint leads to our fingerprint type. The resulting fingerprint for the chant in Figure 2 is in Scott’s system: 0 2 4 7 5 4 2 2 0. 29 Scott’s system is derived from the system used by Bryden and Hughes30 to index Gregorian chants. Scott [0] Ours

+

=

0

0

+

=

2

2

+

2

=

4

+

=

3

7

+

=

-2

5

+

-1

=

4

+

-2

=

2

2

+

=

0

+

=

0

-2

Figure 6: The relationship between our fingerprint representation and that by Scott.

The main benefit of representing music like this (this holds for both types of fingerprints) is that it is completely independent of the key in which the chant is composed and / or executed. However, we consider our system easier to use, particularly for non-professionals, as the next value in the fingerprint only depends on the previous note, not on the initial note. Another point of interest is the fact that Scott removes all passing notes from the melody before calculating the fingerprint. In his situation (the index is meant for his chant book only) this may be acceptable. However, leaving out passing notes makes it more difficult to recognize the fingerprint. The passing notes usually make up the difference between various versions of a chant and allowing for research of different versions and their historical context is one of our aims. Another aspect of the fingerprint is the use of interval 0 for repeated notes. Bryden31 ignores repetitions and it is indeed sometimes difficult to judge for long recitations whether this is one sustained note or a repetition. For Anglican chants this is a lesser problem, but our analysis (similar to Figure 3) shows that suppressing the repetitions makes the fingerprint less specific. With a fingerprint of length 5, constructed after removing repetitions from the full fingerprint, only 63 % of the fingerprints point to a single unique melody against 77 % if repetitions are included.

28 Scott, John: The Anglican Psalter (cf. App. A 57), 347. 29 The example chosen is not in Scott’s book (ibid, 349), so it will not be found in his index. 30 Bryden, John R./ Hughes, David G.: An Index of Gregorian Chant, Vol 1. Harvard 1969. 31 Bryden, John R./ Hughes, David G.: An Index of Gregorian Chant (cf. n. 30), ix.

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

229

Parsons uses a very simple contour method for his ‘Directory of Tunes and Musical Themes’.32 Instead of using the actual interval between successive notes he only indicates whether the melody goes up (U), down (D), or the note has the same pitch (R). The first note is represented by an asterisk (*). For the chant in Figure 2 the resulting contour description becomes the string *RUUUDDDRD. This method is much less specific than our method, particularly for short melodies (as chants inherently are). Since this is a three-valued code, even a string length of 6 could only identify 36 or 729 unique melodies. Analysis on our database shows that when using Parsons’ representation, even with  a code length of 10, only 74 % of the codes point to references for one unique melody only. This means that for practical use with our collection, the full contour would have to be used, to be sufficiently specific. Another fingerprint method worth mentioning is the system used by Harold Barlow and Sam Morgenstern.33 This work contains about 10,000 musical (instrumental) themes. The themes are printed as one music staff, in alphabetical order of the composer name. The index into these 500 pages is devised by Barlow and based on note names: first the melody is transposed to C major for major keys or C minor for minor keys. Then the successive notes are listed with their note names relative to the C major / minor scale. For example, the chant in Figure 2, if transposed to C major would result in the fingerprint C C D E G F E D D C. Since the octave to which the note belongs is ignored, Bach’s wellknown Prelude no. 1 from ‘The Well-tempered Clavier’ results in C E G C E G etc. (the second C E is an octave higher than the first C E). 34 These fingerprints are listed alphabetically and each entry points to the music printed under the composer’s name. As long as one is able to play the theme in the key of C major or C minor one can find the index entry, even without knowing the exact key. However, playing the melody in the key of C major (or minor) may be difficult without good knowledge of musical keys and transposition between them. A similar index is used by Peter Kirk 35 (who uses the term ‘thumbprint’). In his system the notes are named with their real names. The first note is always a capital letter. For subsequent notes small letters are used if the melody goes down, capital letters if the melody goes up. If the melody remains on the same note, the style of the preceding note is used. The chant in Figure 2 would result in the thumbprint F F G A C b-flat a g g f. This thumbprint would then be listed in the section for key F major. The disadvantage of this method is that one has to know the key and if one ‘thinks’ the chant is in G major and does not find G G A B D c b a a g (the transposed thumbprint for the example in Figure 2) in the G major section, one has to transpose the thumbprint to nearby keys and look in the relevant sections.

32 Parsons, Denys: The Directory of Tunes and Musical Themes. Cambridge (GB) 1975. 33 Barlow, Harold / Morgenstern, Sam: A dictionary of musical themes. New York 1975. 34 Barlow, Harold / Morgenstern, Sam: A dictionary of musical themes (cf. n. 33) 555, 36. 35 Kirk, Peter, (cf. n. 12).

230

  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

Our method Scott

0

2

2

3

-2

-1

-2

0

-2

[0]

0

2

4

7

5

4

2

2

0

Parsons

*

R

U

U

U

D

D

D

R

D

Barlow / Morgenstern

C

C

D

E

G

F

E

D

D

C

Kirk º)

F

F

G

A

C

b-flat

a

g

g

f

Table 1: Comparison of five fingerprint methods for the chant in Figure 2. º) not key independent.

Based on the arguments discussed before, we found our fingerprint system sufficiently specific and easier to use, particularly for non-professional users, than the systems devised by Parsons, Scott, Barlow and Morgenstern and the one by Kirk. A number of websites36 exist that allow searching for a melody by keying the melody on a virtual keyboard. Here the step to ‘code’ the fingerprint is done by the website. These are online methods that do not only search for the first part of the melody, but they can also search for a fragment anywhere in the melody. The virtual keyboard is a matter of user friendliness, that could eventually be added to the website-part of our database. The search for a fragment or even variations thereupon makes the search much more powerful, but this is currently beyond the scope of our project. It could also be added at a later stage as this is a computational issue that can be solved on top of our database.

Follow-on research In addition to the elementary access to the collection, there is also  a definite scientific interest to investigate collections of chants. It allows for research into changes in chants over time, comparing chants of different composers, or trends in pairing the music with the psalms. The collection is currently far from complete but we feel it is already  a useful tool for research and practical use and we invite hymnologists and musicians to make use of the database. We will continue to expand the collection and perform research using computational methods to analyze the data.

36 Musipedia (cf. n. 16). – Meertens Instituut (Netherlands): Nederlandse Liederenbank, www. liederenbank.nl, Amsterdam 2014. – Koláček, Jan: http://www.globalchant.org, Prag 2009. This database is partly based on the index of Bryden and Hughes (cf. n. 30).

Chant Finder: A melodic index to Anglican chants 

231

Appendix List of chant books currently included [1] Alcock, John: Divine Harmony. Oxford 1752. [2] Allon, Henry: The Congregational Psalmist. London 1868. [3] English Priest: The Book of psalms, pointed for chanting, and adapted to appropriate chants. London 1858. [4] Anonymous: The Ad Majorem Collection of Psalter Chants. London 1930. [5] Anonymous (Ed.): The Saint Mary’s Chantbook. London 1880. [6] Archives of Sound: The Guildford Cathedral Collection. Guildford 2015–2017. [7] Association for Promoting Christian Knowledge: The Irish Chantbook. London 1938 (1970). [8] Barnard, John: Twenty Anglican Chants. Banchory 2014. [9] Beatch, Stuart: Modern Psalter, http://stuartbeatch.com, 2015. [10] Bennett, Alfred / Marshall, William: Cathedral Chants. London ca 1825. [11] Bertalot, John: The Blackburn Cathedral Chant Book (T. L. D. Memorial Chant Book). Blackburn 1971. [12] Brown, Arthur H.: The Anglican Psalter and Canticles. London 1878. [13] Brunton, Barry (ed.): One Hundred Twentieth Century Chants. Banchory 1976. [14] Carlyle, Benjamin F.: A manual of Psalmody. London 1861. [15] Church Music Committee, Diocese of Toronto: The Canticles with appropriate chants, Anglican and Gregorian. Toronto 1889. [16] Church of England: The Cathedral Psalter. London ca 1890. [17] Church of Scotland: The Scottish Prose Psalter (1906). Edinburgh / New York 1906. [18] Crossland, Anthony: Chants Old and New—A treasury of Anglican Psalmody. Stowmarket 1994. [19] Dakers, Lionel / Taylor, Cyril: The Alternative Service Book (ASB) Psalter and Canticles. London 1981. [20] Dakers, Lionel / Taylor, Cyril: The Liturgical Psalter and Canticles. London 1981. [21] Elliot, J. W.: The Choral Service Book. London 1894. [22] Flood Jones, S. / Turle, J. / Troutbeck, J. / Stainer, J. / Barnby, J.: The Cathedral Psalter Chants. London ca. 1890. [23] Fox, Alfred / Hervey, D. E. / King, Henry: The Cathedral Psalter, adapted to the use of the American Church. New York 1890. [24] Free Church of Scotland: The Scottish Psalter (Free Church of Scotland). Edinburgh 1887. [25] Guest, George H.: The Psalms of David. Brewster 2012. [26] Harper, John: The Common Worship Psalter with Chants. Salisbury 2002. [27] Havergal, W. H.: Havergal’s Psalmody and century of chants from “Old church Psalmody”. London 1871.

232

  Ton Meijer / Martin J. M. Hoondert / Menno M. van Zaanen

[28] Hopkins, E. J. / Smyth, W. H.: The Choral Psalter. London 1869. [29] Hopkins, E. J.: The Temple Church Choral Service Book, 2nd Edition. London 1869. [30] Hoyle, Vernon / Wainwright, Jonathan: Cantica Nova. Brighouse 1997. [31] Hoyle, Vernon / Wainwright, Jonathan: Cantica Nova 2. Banchory 2017. [32] Hutchins, Charles L.: The Church Psalter. Boston 1897. [33] Lamb, Benjamin: The Lichfield Psalter. Lichfield 2012. [34] Langdon, Richard: Divine Harmony. London 1774. [35] Lloyd, Charles H.: The New Cathedral Psalter Chants (**), For Parish Church Use. London 1909. [36] Lloyd, Charles H. / Martin, George C.: The New Cathedral Psalter with Chants. London 1909. [37] MacPherson, Charles: The New Cathedral Psalter Chants (***), For Village Church Use. London 1909. [38] Marlow, Richard K.: The Trinity Chant-book. Matfield 1997. [39] Martin, G. W.: The Handbook of One Hundred Chants. London 1889. [40] Martin, George C.: The New Cathedral Psalter Chants (*), The St. Paul’s Cathedral Chantbook. London 1909. [41] Mason, Lowell: Mason’s Book of Chants. New York 1856. [42] Meijer, Ton: The Loose Leaf Collection. Private Collection 2014. [43] Meijer, Ton (Ed.): The Anglican Chant Appreciation Society (ACAS) Col­ lection: Chants from the ACAS Facebook Pages, http://www.anglicanchant. nl/books/book034.html. 2012-2017. [44] Mercer, William / Goss, John: The Church Psalter and Hymnbook Part I Canticles-Psalter-Hymns. London 1863. [45] Metcalfe, William: Metcalfe’s 300 Single and Double Chants. London ca. 1875. [46] Monk, Edwin G.: The York Chantbook, Chants for the Daily Psalms as used in York Minster. London 1869. [47] Nicholson, Sydney H.: The Parish Psalter with Chants. Croydon 1932/1985. [48] Ouseley, F. A. G. / Monk, E. G.: The Psalter. London 1861(?). [49] Ouwens, Koenraad: Het boek der Psalmen, deel II. Netherlands 2000. [50] Ouwens, Koenraad: Het boek der Psalmen, deel I. Netherlands 2000. [51] Pritchard, T. C. L.: The Scottish Psalter (1929). London 1929. [52] Protestant Episcopal Church of the United States of America: The Hymnal revised and enlarged. New York 1894. [53] Richardson, A. M. / Westcott, B. F.: The Southwark Psalter. London 1905. [54] Riding, J. D. / Hale, N. J.: The Wessex Psalter. London 2009. [55] Rimbault, Edward F.: Cathedral Chants of the XVI , XVII & XVIII Centuries, 3rd ed. London 1844. [56] Roper, Stanley / Walker, Arthur E.: Oxford Chant Book No. 1. Oxford 1933. [57] Scott, John: The Anglican Psalter (The New St. Paul’s Cathedral Psalter). Norwich 1997. [58] Sibthorp, R. E. / Chambers, H. A.: The Anglican Chant book. Bury St. Edmonds 1956.

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[59] [60] [61] [62]

233

Stephens, Charles E.: Bemrose’s Choir Chant Book. London 1882. Stewart, Robert P.: Chants Ancient and Modern, Responses. Dublin 1883. Stone, Alfred et. al.: The Bristol Tune-Book. London 1891. The Episcopal Church: The Hymnal 1940 with Supplements I and  II. New York 1940, 1943, 1961. [63] The Episcopal Church: The Hymnal 1982. New York 1982. [64] The Royal School of Church Music: RSCM Chant book. London 1981. [65] Tielstra, Wiebe / Schilling, Arie / Kapteyn, Jo: Psalter Gregoriaans en Chants. Netherlands 2006. [66] Toorn, Arend van der: Graduaalpsalmen voor de kerstkring. Den Haag 1977. [67] Toorn, Arend van der: Graduaalpsalmen voor de paaskring. Den Haag 1979. [68] Troutbeck, John / Bridge, Frederick: The Westminster Abbey chant book. London 1894. [69] Turle, James: The Psalter and Canticles with appropriate Chants Ancient and Modern. London 1865. [70] Vincent, Charles: The Chantbook Companion to the Book of Common Prayer. London 1881. [71] Vlaming, Nico / Winter, Christiaan: Heel mijn ziel, Nieuwe psalmen voor kerk en koor. Netherlands 2012. [72] Wesley, S. S.: The Psalter, or Psalms of David: with Chants arranged for the Daily Morning and Evening Service. Leeds 1843. [73] Williams, Laurie: Laurie Williams Music Collection. Adelaide 2014. [74] Wulstan, David: The Coverdale Chant book. Oxford 1978. [75] Wyton, Alec: The Anglican Chant Psalter. New York 1987.

Literaturbericht Hymnologie. Deutschsprachige Länder (2015, 2016) 2017 Daniela Wissemann-Garbe

Abkürzungen: DKL

EG FKM GL2 KMJ LK MGD MuK MS(D) MuL SiK WBK

Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Kassel usw. I Verzeichnis der Drucke, 1975–1980. II Geistliche Gesänge des deutschen Mittelalters, 2003–2009. III Die Melodien aus gedruckten Quellen, 1993–2010 Evangelisches Gesangbuch, Stammausgabe 1993 Forum Kirchenmusik, München (früher: Der Kirchenmusiker) Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 2013 Kirchenmusikalisches Jahrbuch, Regensburg / Köln Liturgie und Kultur, Hannover Musik und Gottesdienst, Basel Musik und Kirche, Kassel Musica Sacra, Regensburg Musik und Liturgie, Gossau CH (früher: Singen und Musizieren im Gottesdienst / Katholische Kirchenmusik) Singende Kirche. Zeitschrift für katholische Kirchenmusik, Salzburg Württembergische Blätter für Kirchenmusik, Stuttgart

Wir danken Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für Hinweise auf Neuerscheinungen.

Übergreifende Sammelschriften Gartmann, Thomas / Marti, Andreas (Hg.): Der Kunst ausgesetzt. Beiträge des 5. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik, 21.–25. Oktober 2015 in Bern (Publikationen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft II 57). Peter Lang: Bern / Brüssel / Frankfurt/M. usw. 2017, 339 S., Abb., Noten. Aus dem breit aufgestellten Programm des interkonfessionellen Kongresses seien im Folgenden die Titel genannt, die im weitesten Sinne das Profil des vorliegenden Literaturberichtes treffen: Plüss, David: Funktionsäquivalenz von Religion und Musik – oder: Das Werk ist der Ritus (33–37); Dohms, Lennart: Das Werk ist der Ritus (39–49); Pietschmann, Klaus: Tradition, Reform, Innovation – Kirchenmusik im Spannungsfeld von Geschichtlichkeit und Gegenwärtigkeit (61–73); Zeindler, Matthias: Zur Aufgabe einer Theologie der Musik (83–89); Koch, Alois: Nil impurum aut lascivum. Fragen zur musikalischen Theologie der katholischen Kirche (91–100);

Deutschsprachige Länder (2015, 2016) 2017 

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Berg, Stefan: Klingende Asche, tönender Staub. Musiktheologische Überlegungen in evangelischer Perspektive (101–126); Hobi, Martin: Wie klingt katholisch? (127–134); Marti, Andreas: Musik und Liturgie (135–143); Kusmierz, Katrin / Schubert, Benedict: Weltmusik Kirchenmusik. Zwischen Globalisierung und Kontextualisierung (145–157); Budwey, Stephanie A.: Letting the Entire Body of Christ Speak. Moving Beyond the Female / Male Binary in Liturgy (189–199); Novak, Manfred: Liturgische Musik mit Gemeindebeteiligung nach dem zweiten Vatikanischen Konzil ­(201–203); Koll, Julia: Kirchenmusikalische Gruppen als Praktiken der Selbsttranszendenz ­(205–208); Holzer, Irene: Liturgical Bodies in Motion – Klangliche Gestik und visueller Gesang in der mittelalterlichen Visitatio Sepulchri (209–213); Langlotz, Lukas /  Schläpfer, Esther: Herausforderungen liturgischen Komponierens. Zum Schluss­ gottesdienst am 25. Oktober 2015 im Berner Münster (275–287). Hartlapp, Johannes / Cramer, Andrea (Hg.): „Und was ich noch sagen wollte …“. Festschrift für Wolfgang Kabus zum 80. Geburtstag. Frank & Timme: Berlin 2016, 350 S., Abb., 1 CD. Ein guter Teil der Beiträge beschäftigt sich mit ganz verschiedenen hymnologischen oder grundsätzlich kirchenmusikalischen Fragestellungen: Pop in der Kirche? Überlegungen zur Funktion von populärer Musik in der Erlebnisgesellschaft (Helmut Rösing, 11–36); Morning has broken [Morgenlicht leuchtet]. Von der Hitparade ins Gesangbuch? (Andreas Marti, 37–42); Geistliche Volkslieder – Motoren der Reformation und lebensnaher Ausdruck des Glaubens bis heute (Fritz Baltruweit, ­77–94); „Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein …“. Zum Sonnenmotiv bei Paul Gerhardt (Christian Bunners, 95–103); Das Neue Geistliche Lied als Ausdrucksmedium religiöser Milieus (Peter Bubmann, 105–113); Stille Nacht, heilige Nacht. Ein Streifzug durch Natur und Musik (Volker Bräutigam, 147–155); Wer verfasste den Text des Liedes Christus, der ist mein Leben? (Günter Balders, 157–160, Balders vermutet auf Grund eines Anagramms im ursprünglichen Wortlaut der letzten Strophe Melchior Fuchs = Vulpius als Text- und wohl auch Melodieautor, nicht nur als Herausgeber des Gesangbuches Jena 1609); Der Sound des dreieinigen Gottes. Biblisch-reformatorische Perspektiven zu einer Theologie der Musik (Jochen Arnold, 161–176); Musik als letztes Wort? Eine Annäherung an den Klang der Musik in der Theologie Karl Barths (Dietmar Päschel, 177–191); Christusklänge – oder: Hat Jesus eigentlich gesungen? (Jochen Arnold, 249–252); Martin Luthers Vorrede zu den „Symphoniae iucundae“ – eine vergessene Kosmologie des Reformators? (Johannes Hartlapp, 283–288). Hoondert, Martin J. M. (Hg.): Hymns in Liturgy and Life. Kirchenlieder in Liturgie und Leben. Tagungsbericht der gemeinsamen Internationalen Hymnologischen Konferenz. Cambridge, UK, 2015. Teil II. Beiträge. (I. A. H. Bulletin 44/2016). [ohne Verlag] Tilburg 2017, 117 S. Ranta, Aija-Leena: Medieval hymns in liturgy. A case study from the Evangelical Lutheran Church of Finland (9–14); Watzatka, Ágnes: Learning about Faith by Singing: Narrative and Catechetic Hymns (15–29); Giles, Gordon: I vow to thee, my country: Reflections after a media storm (30–35); Hong, Lionel Li-Xing: A study of the Chinese Catholic chant books and hymnals in the „des Fontaines“ Jesuit Collection (36–51); Chiang Yu-Ring: O come, let us sing – Die hundertjährige Geschichte eines­ Anthems in taiwanischen Gemeindeliederbüchern (52–62); Graham, Nancy L.: African American spirituals and their British connection (63–70); Gray, Scotty: „Hermeneutics of hymnody“: A comprehensive and integrated approach to understanding hymns (71–80); Herl, Joseph / Reske, Peter C.: Producing a hymnal companion using

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primary sources (81–85); Tel, Martin: „Psalms for All Seasons“ (86–92); Taylor, Gordon: 150 Years of Salvation Army Song (93–95); Grindal, Gracia: A treasury of faith. Hymn texts on the epistle lessons in the Revised Common Lectionary (96–103); Neitsov-Mauer, Kristel: Von Preußen nach Rom – Wandlung der estnischen Liturgie in den letzten 20 Jahren (104–112); Purcell, Christine: The Pratt Green Collection of Hymns and Hymnology in Durham University Library (113–117). Wabel, Thomas / Höhne, Florian / Stamer, Torben (Hg.): Öffentliche Theologie zwischen Klang und Sprache. Hymnen als eine Verkörperungsform von Religion (Öffentliche Theologie 34). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 172 S. Krüger, Malte Dominik: Musikalisch religiös. Der Hymnus als komplexe Verkörperung des Bildvermögens (69–87); Volp, Ulrich: „Verlässliches Steuer“, „Hoffnung des Hahnenrufs“. Beobachtungen zur doxologischen Ethik im Hymnus als Kasus öffentlicher Theologie des antiken Christentums (111–128); Bubmann, Peter: Freuden-Ode und Trauer-Choral. Hymnisches Singen als Ausdruck öffentlicher Religion (149–166).

I. Theologie und Kirchenmusik A Grundsätzliche Besinnung Bubmann, Peter / Klek, Konrad (Hg.): „Ich sing Dir mein Lied“. Kirchliches Singen heute. Analysen und Perspektiven (Edition 9183). Strube: München 2017, 176 S.  Die Beiträge des Sammelbandes gehen auf eine nicht näher benannte Tagung 2016 an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen zurück und sollen exemplarisch Aspekte und Perspektiven des Singens insbesondere in der evangelischen Kirche darlegen. Sie bewegen sich zwischen praktischen Statements und Forschungsskizzen. – A. Aufgaben des Singens in der Kirche: Nun singe Lob, du Christenheit – zur Notwendigkeit des Hymnischen in christlicher Lebenskunst und Liturgie (Peter Bubmann, 11–19); „Wer singt, verkündigt doppelt“ – Singen als Verkündigung heute (Jochen Arnold, 20–37); Singen bei Kasualien (Stephan A. Reinke, 38–50); Singen als Seelsorge – was hat die Arbeit über Musikalische Seelsorge gebracht (Michael Heymel, 51–64); Singen im Religionsunterricht (Teresa Tenbergen, 65–73); Singen in der Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden (Peter Bubmann, 74–81); Ein-Stimmen in den Dialog  – Vokalmusik in interreligiösen Begegnungen (Verena Grüter, 82–94)  – B.  Empirische Forschungsergebnisse zum Singen in der Kirche: Singen in der evangelischen Kirche als emotionaler und begeisternder Glaubensausdruck (Jochen Kaiser, 96–115); Singen in (Riesen-)Chorprojekten (Jonathan Cornelius Kühn, 116–123)  – C.  Analysen und Empfehlungen für die Praxis: Die Kernliederliste – eine elementare Klaviatur des Glaubens (Bernhard Leube, 126–137, enthält auch Informationen zur Entstehung dieser Kernliederliste); Praise-Songs  – eine theologische Kritik (Peter Bubmann, 138–144); Das Wort und seine Klanggestalt – Deutschsprachige Psalmodie (Andreas Schmidt, 145–156); Singen im Gottesdienst – praktische Hinweise (Peter Bubmann, 157–161); Orgel und Gemeindegesang – Lamento und Loblied (Konrad Klek, 162–172). Kaiser, Jochen: Singen in Gemeinschaft als ästhetische Kommunikation. Eine ethnographische Studie. Springer Fachmedien: Wiesbaden 2017, 479 S. A Annäherungen (Singen als ästhetische Kommunikation / Singende Gesellschaft; 1–54), B Wissenschaftstheoretischer Hintergrund (Phänomenologie und Singen / Singen

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erleben; 55–200), C Die empirische Studie: Das Erleben beim Singen, Forschungsdesign, Singen christlicher Lieder, Singen als ästhetische Kommunikation, Fazit, 201–459). 37 Lieder aus evangelischem Liedrepertoire werden berücksichtigt. Klek, Konrad: Kirchenlieder – der Schatz unserer Kirche. In: Lutherische Kirche in der Welt 62 (2015), 31–44.

B Kirchenlied und Musik in der Ordnung des Gottesdienstes Frère Alois: Gesang, der zur Begegnung mit dem lebendigen Gott führt. Gottesdienst und Kultur 50 Jahre nach „Musicam sacram“. In: SiK 64 (2017), 155–157. Bretschneider, Wolfgang: Musik in der Liturgie – Dienerin oder Rivalin? Zum 50. Jahrestag der Veröffentlichung der Instruktion Musicam sacram. In: MS(D) 137 (2017), 196–200. Fuhrmann, Wolfgang: Kirchenmusik und Gemeindegesang in der Römischen Kirche vor und nach der Reformation. In: Kohnle, Armin / Winter, Christian (Hg.): Zwischen Reform und Abgrenzung. Die Römische Kirche und die Reformation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 37). Steiner: Stuttgart 2014, 127–155. Heitmeyer, Erika / Kohle, Maria: Vom Sursum corda zum Gotteslob. Gemeindegesang und -gebet im Erzbistum Paderborn vor und nach dem II. Vatikanischen Konzil. In: Pahlke, Georg (Hg.): Aufbruch im Umbruch. Das Zweite Vatikanische Konzil und das Erzbistum Paderborn. Bonifatius: Paderborn 2017, 83–114. Der Beitrag behandelt die Gesangbücher „Sursum corda“ von 1874 und 1948 sowie die beiden „Gotteslob“ von 1975 und 2013. Hofmann, Andrea: Lieder in den evangelischen Ordnungen des 16. Jahrhunderts. In: Arend, Sabine / Dörner, Gerald: Ordnungen für die Kirche – Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (SMHR 84), Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 75–92. Nach einem grundlegenden Kapitel über Entwicklung, Vorkommen, Praxis und theologische Begründung von Liedern in Kirchenordnungen geht die Autorin auf den Genfer Psalter und dessen Spuren in deutschen evangelischen Kirchenordnungen ein. In ihrem Resümee regt sie eine systematische Untersuchung an, um das Material, das Kirchenordnungen bieten, zu erfassen und zu erforschen. Koll, Julia: Kirchenmusik als sozioreligiöse Praxis. Studie zu Religion, Musik und Gruppe am Beispiel des Posaunenchors (Arbeiten zur Praktischen Theologie 63), Leipzig 2016. Enthält auch ein Kapitel zum Musizieren im Gottesdienst. Loetz, Francisca / Eggimann, Franziska: Differenzierende musikalische Abstinenz – die Einführung des Kirchengesangs im reformierten Zürich. In: Archiv für Reforma­ tionsgeschichte 107 (2016), 217–241. Marti, Andreas: Psalmen im Gottesdienst beten, lesen, singen. In: MGD 71 (2017), ­222–231 [auch online zugänglich]. Menzel, Stefan: Ein neues Proprium? Zum liturgischen Ort des lutherischen Kirchenlieds im 16. Jahrhundert. In: KMJ 100 (2016), 47–64. Ausgehend vom Postulat einer „kritischen Kulturgeschichte des deutschen Kirchenliedes“ untersucht der Verfasser den liturgischen Ort des frühen Liedrepertoires in verschiedenen Gottesdienstordnungen und verweist auf die außerliturgischen Funktionsfelder eines großen Teils der zwischen ca. 1525 und 1585 entstandenen Lieder und die Konkurrenzsituation mit anderen Repertoires.

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Schilling, Johannes: Luther, die Musik und der Gottesdienst. In: Heckel, Ulrich (Hg.): Luther heute. Ausstrahlungen der Wittenberger Reformation (utb 4792). Mohr Siebeck: Tübingen 2017, 194–210. Wendebourg, Dorothea: Reformation und Gottesdienst. In: ZThK 113 (2016), 323–365. Ein wesentlicher Aspekt des Artikels betrifft die Rolle des Gesangs in Theorie und Praxis.

II. Hymnologie A Hymnologische Forschung, Geschichte und Quellen des Kirchenliedes Ackermann, Andrea / Franz, Ansgar: Maranatha! Ein urchristlicher Ruf und sein Echo im Kirchenlied der Gegenwart. In: LuK 8 (2017), H. 3, 21–37. Nach zwei grundlegenden Abschnitten werden drei Beispiele näher untersucht: Maranatha  – Du, Herr, wirst kommen (Abendmahlslied 1990; Text: Helmut Schlegel; ­Melodie: Dietmar Fischenich), Du bist vor allen Zeiten (Adventslied; Text: nach Stundenbuch; Melodie: nach Winfried Heurich 2011); Vielleicht, dass dein Kreuz allzu oft beschrieben (Passionslied 2010; Hartmut Handt 2010; Melodie: Christoph Georgii). Bubmann, Peter: Flucht ins Formelhafte? Praise-Songs – eine theologische Kritik. In: MGD 71 (2017), 50–57 [auch online zugänglich]. Ebinger-Möll, Katrin: Die Liedersammlung Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Don. A III 18. Edition und Kommentar (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 19). Waxmann: Münster / New York 2016, 261 S., mit Faks. der Handschrift. Die Sammlung von 15 lateinischen und volkssprachigen Liedtexten vermutlich aus der Mitte des 16. Jahrhunderts aus der niederländisch-deutschen Grenzregion hat ein eindeutiges Profil durch die Zusammenstellung von Weihnachtsliedern, nur ein Nachtrag fällt aus dem Rahmen. Die Autorin weist auf einen Zusammenhang mit Handschriften aus der Devotio moderna hin. Eine eindeutige Zuordnung zu einer Benutzerschicht oder Konfession ist nicht möglich. Es finden sich Textgestalten sowohl katholischer als auch reformatorischer Provenienz. Enthalten sind: Puer nobis nascitur; Ons wort geboeren een kyndelyn; Dies est letitie in ortu regali; Hedt is een dach der vroelickheyt; Een kyndekyn soe lauelick; Drie kooninghen vtuercoeren; Dies est letitiae nam processit hodie; Totus mundus iocundetur; Magnum nomen domini Emanuel; In dulci iubilo; Puer natus in Bethleem; Mit disen nijen iaere; Christe, die du byst dach ende licht; Wie wyl mede toe Bethleem; Waer ys die dochter van Zion. Föllmi, Beat: Musik und Gesang in der reformatorischen Bewegung. In: Zeller, Madeleine / Herrmann, Christian (Hg.): Der Sturmwind der Reformation: Luther 1517. Ausstellungskatalog. Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNU): Straßburg 2017, 110–143. S. Literaturbericht Frankreich, S. 247 Föllmi, Beat: Bedeutung und Funktion des Kirchenliedes für die Kriegspredigten. In: Arnold, Matthieu / Dingel, Irene (Hg.): Predigt im Ersten Weltkrieg. La prédication durant la „Grande Guerre“ (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 109). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 75–95.

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Horn, Werner: Die Theologie der neueren Lieder unserer Kirche. In: Lutherische Kirche in der Welt 62 (2015), 61–72. Jacobshagen, Arnold / Kreutziger-Herr, Annette (Hg.): 1863 – Der Kölner Dom und die Musik (Musik Kultur Geschichte 2). Königshausen & Neumann: Würzburg 2016, 229 S. Die Publikation zum gleichnamigen Symposium 2013 enthält u. a.: Gerhards, Albert: Orte des Gesangs und der Musik für die Liturgie im Kölner Dom (141–148); Marx, Alexandra: „Gott den Herrn aus allen Kräften loben und preisen“. Gemeindegesang und Gesangbücher im Erzbistum Köln (187–204). Kaiser, Jochen: Die Evangelischen und ihre Lieder. Ein hymnologischer Überblick vom 16. bis 21. Jahrhundert. In: Klöcker, Michael / Tworuschka, Uwe (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum. Olzog: München seit 1997, II/2.1.2.6.2 = 48. Ergänzungslieferung, Juni 2016, 1–55. Kaisers Ziel ist es, am EG orientiert kursorisch einen Überblick zu geben über gesellschaftlich-religiöse Entwicklungen, Liederdichter und Lieder, die für ihre Zeit und das Singen heute Bedeutung haben. Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL; Hg.): Klang der Frömmigkeit. Luthers musikalische Erben. LWL: Münster 2016, 221 S., zahlr. Abb. Das LWL-Museumsamt für Westfalen (Münster) und das rock’n’popmuseum Gronau haben sich zusammen getan und mit Unterstützung der Evangelischen Kirche von Westfalen eine von Silke Eilers, Verena Burhenne und Thomas Mania konzipierte Wanderausstellung erarbeitet. Der lesenswerte Begleitband legt wesentliche Themen hochkarätig aber allgemeinverständlich dar. Abbildungen, die man nicht überall zu sehen bekommt, bereichern die Darstellung. Folgende Beiträge sind enthalten: Der Einfluss der Reformation auf die Musik (Jürgen Heidrich, 22–37); Von Advent bis Totensonntag – das Kirchenjahr und seine Lieder (Konrad Klek, 38–53); Von der Wiege bis zur Bahre – Gesangbuchlieder im Lebenslauf (Harald Schroeter-Wittke, 54–71); „Ermuntert einander mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern“ – Musik im Spiegel der evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Sabine Arend, ­72–85); Wachet auf, ruft uns die Stimme: Der lutherische Theologe und Dichterkomponist Philipp Nicolai und sein FrewdenSpiegel deß ewigen Lebens“ (1599; Peter Schmitz, 86–99); „Singet dem Herrn ein neues Lied“ – Einblicke in die westfälische Gesangbuchgeschichte (Erik Dremel (100–121); Wehr und Waffe – Der Münsteraner Theologe Wilhelm Nelle und die nationalistische Aufladung der Kirchenlieder (Michael Fischer, 122–133); Klang der Frömmigkeit – von der Stimme über die Orgel bis hin zur Glocke: Jauchzet und frohlocket! (Daniel Glowotz, Hannalore Reuter, Claus Peter, 134–153); Zwischen Beruf und Berufung – die Kantorin / der Kantor (Ulrich Hirtzbruch, 154–169); Jesus rocks? Moderne Kirchenmusik in Deutschland als Generationenfrage (Michael Custodis, 170–183); Gitarren zum Gebet? Der absichtsvolle Gebrauch der Popmusik (Thomas Mania, 184–203). Malink (auch: Mahling), Jan. Das erfolgreichste sorbische Buch. Das Gesangbuch. In: Malink, Jan (Hg.): Fünf Jahrhunderte. Die Sorben und die Reformation. Bautzen 2017, 56–63. Mańko-Matysiak, Anna: Zur Wirkungsgeschichte eines Gesangbuchmodells aus der Reformationszeit. Die „Geistlichen Lieder vnd Psalmen“ Luthers (1529) und ihre Breslauer Ausgaben. In: Weber, Matthias (Hg.): Reformation (Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa 22). DeGruyter Oldenbourg: München 2015, 237–251. Miersemann, Wolfgang: „anstößige und höchst verdächtige Redens=Arten“. Orthodoxe

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Kritik an sprachlicher „Neurung“ in Liedern des Pietismus. In: Sahmland, Irmtraut, Schrader, Hans-Jürgen (Hg.): Medizin- und kulturgeschichtliche Konnexe des Pietismus. Heilkunst und Ethik, arkane Traditionen, Musik, Literatur und Sprache (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 61). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 279–301. Nehlsen, Eberhard: In Wittenberg gedruckte Liedflugschriften des 16. Jahrhunderts. In: Oehmig, Stefan (Hg.): Buchdruck und Buchkultur im Wittenberg der Reformationszeit (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 21). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 205–229. Römer, Jürg: „… mögen recht schön sein, aber sie tönen gar so protestantisch.“ Luthers Weg in katholische Gesangbücher. In: MuL 142 (2017), H. 6, 13–18. Runowski, Michael F.: August Freyer (1803–1883). Leben, Werk und Wirken eines deutschen Musikers in Warschau. Ein Beitrag zur Geschichte der polnischen Organistentradition, zur Kirchenmusikgeschichte der evangelisch-augsburgischen Kirche in Polen und zum Musikleben Warschaus im 19. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung 26). Siebenquart: Köln 2016, 523 S., Abb., Noten. Die Greifswalder Dissertation widmet sich im 65seitigen Kapitel V auch dem deutschund polnischsprachigen Liedgut und Gesangbüchern des 19. Jahrhunderts in Polen, insbesondere in Warschau. Die Frage der Zeilenzwischenspiele in der Begleitung des evangelischen Gemeindegesanges wird anhand von Zeitdokumenten genauso behandelt wie die Einführung von Singmessen katholischerseits. Scheitler, Irmgard: Konfessionelle Differenzen in Verbreitung und Gebrauch religiöser Gesangslyrik. In: Alt, Peter-André / Wels, Volkhard (Hg.): Religiöses Wissen in der Lyrik der Frühen Neuzeit (Episteme in Bewegung 3). Harrassowitz: Wiesbaden 2015, 11–29 [Open access über die homepage des Verlags]. Die Autorin untersucht die Möglichkeiten, im (16.) 17. Jahrhundert im Gottesdienst zu singen und Zeugnisse des geistlichen Liedgesanges im Alltag. Ausgehend von dem Befund, dass das Kirchenlied evangelischerseits im Gottesdienst gehört, in der Kinderlehre erlernt, in Liedpredigt und Postille aufgegriffen und erläutert wurde und dadurch im Alltag gegenwärtig war und zu verschiedensten Gelegenheiten genutzt wurde, spürt Scheitler der religiösen Gesangslyrik in sieben Bereichen auf katholischer Seite nach: Gottesdienst, Neudichtung zur persönlichen Erbauung, Popularität, Liedverweise bei katholischen Autoren des 17. Jahrhunderts, Bezüge in mehrstimmiger Vokalmusik sowie in Instrumentalmusik und schließlich in Schauspielen. Nachdenkenswert ist die Vermutung, dass die geringe gottesdienstliche Verwendung der Ausgangpunkt für die erheblichen Unterschiede zur evangelischen Konfession ist: Die mangelnde Würde des Liedes im Gottesdienst und seine Wertschätzung hängen ebenso zusammen wie die geringe Stellung des Laien und ein kleines Angebot zur persönlichen Erbauung. Wenn für deutsche Vokalmusik in der katholischen Kirche wenig Platz war, so konnte sie auch nicht im Zentrum gottesdienstlicher Kunstmusik stehen. Die von Scheitler verfolgte Methode, Belege für dieses Phänomen in den genannten Bereichen zu suchen, zeigt wieder einmal überzeugend, wie unabdingbar es ist, große Mengen an Quellen zu sichten, um nicht auf Grund von einzelnen Beispielen generelle Aussagen zu machen. Ihre Idee, die Bekanntheit von Liedern nicht anhand ihres Vorkommens in Gesangbüchern, sondern anhand von Kontrafakturen und Zitaten zu beweisen, leuchtet ein. So ist der Gebrauch von evangelischen Liedern sehr häufig zu belegen, aber nur bei zwei katholischen: Maria zart und Der grimmig Tod mit seinem Pfeil.

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Spichtig, Peter: Das Heiligenlied: ein schwieriges Genre. Bruder Klaus im Gemeindelied. In: MuL 142 (2017), H. 4, 7–9. Darin: Vom Himmel blickt ein heller Stern (Text Str. 1–3: Heinrich Bone, Str. 4: A. M. Braun; Melodie: Joseph Frei) und Hüter der Heimat (ohne Angaben). Strosche, Patrick: „Wohin soll ich mich wenden?“ Das Ringen um die Aufnahme ostdeutscher Kirchenlieder in das Gesangbuch des Bistums Mainz. Gerhard Hess Verlag: Bad Schussenried 2017, 191 Seiten. Dem kleinen Büchlein mit einem Vorwort von Ansgar Franz gebührt größere Aufmerksamkeit als das Publikationsformat erwarten lässt. Das Thema ist in Archiven und Bibliotheken gut recherchiert und nicht nur von historischem Interesse. Die Kraft von Kirchenliedern für religiöse und kulturelle Identitäten wird gut heraus gearbeitet. Und die Situation, Geflüchtete in eine bestehende Gesellschaft zu integrieren, hat bei allen Unterschieden durchaus Parallelen zu der heutigen. Zu Grunde liegt „Gelobt sei Jesus Christus. Gebet- und Gesangbuch für das Bistum Mainz. Mainz 1952“ samt dem Anhang „Kirchenlieder unserer Brüder aus dem Osten“. Eine besondere Rolle spielen dabei die sogenannten Liedermessen von Michael Haydn und Franz Schubert. Ein umfangreiches Quellenverzeichnis vornehmlich aus dem Mainzer Gesangbucharchiv belegt die Wurzeln der edierten Lieder (ohne allerdings auf mögliche Abweichungen einzugehen). Das einzige als Faksimile vorgelegte Lied ist eines, das auf der Flucht entstanden ist – das Thema wird nur kurz im Vorwort von Rudolf Grulich angerissen: Von Krieg und Not geschlagen (unter der Überschrift „Lied der Heimat­losen an Maria, Worte von F. L., Weise von Walther Hensel). Strungytė-Liugienė, Inga: Die Gemeinschaftsbewegung in Kleinlitauen und ihre Gesangbücher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Annaberger Annalen 24 (2016), 274–307. Tenhaef, Peter / Walter, Axel E. (Hg.): Dichtung und Musik im Umkreis der Kürbishütte. Königsberger Poeten und Komponisten des 17. Jahrhunderts (Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 22). Frank & Timme: Berlin 2016, 343 S., Abb. Noten. Dass einige der Königsberger Poeten und Komponisten auch Spuren im Kirchenlied hinterlassen haben, ist bekannt. Dass man aber von einem Sonderweg Königsberg auf dem Gebiet der Gelegenheitsdichtung sprechen muss, hat Irmgard Scheitler umfassend in einem zentralen Beitrag dargelegt. Königsberger Casualia, von Johann­ Stobaeus, Heinrich Albert und Simon Dach verknüpft, hatten eine eigene Prägung, wurden überregional gesammelt und gingen anders als andere in großer Zahl in Gesangbücher ein. Titel: Königsbergs Leichencarmina – ein Sonderweg (Irmgard Scheitler, 153–190) – Weitere Beiträge: Peter Hagius – Königsberger Poet und Lehrer Simon Dachs (Fréderíque Renno, 11–31); Simon Dachs Rezeption in der lettischen Kultur – Vom Kirchenlied bis zur sozialen Satire (45–56); Christoph Kaldenbachs musikalische Lyrik (Astrid Dröse, 133–152); Georg Neumark in Königsberg (Peter Tenhaef, 323–325). Zerfaß, Alexander: „Wecke deine Macht und komm“. Advent im Weihnachtshymnus des Ambrosius von Mailand. In: LuK 8 (2017), H. 3, 38–51. Bei der Analyse des Textes Intende, qui regis Israel vergleicht Zerfaß auch die Übertragungen Martin Luthers Nun komm, der Heiden Heiland (EG 4) und Markus Jennys Komm, du Heiland aller Welt (GL2 227) und findet einen Großteil der Intention nicht wieder.

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B Leben und Werk der Dichter und Melodieschöpfer (nach deren Namen alphabetisch geordnet) Matthias, Markus: Geistliche Liebestöne Beobachtungen zur Lyrik Gottfried Arnolds (1666–1714). In: Sahmland, Irmtraut / Schrader, Hans-Jürgen (Hg.): Medizin- und kulturgeschichtliche Konnexe des Pietismus. Heilkunst und Ethik, arkane Traditionen, Musik, Literatur und Sprache (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 61). Vanden­ hoeck Ruprecht: Göttingen 2016, 255–277. Scheitler, Irmgard: „Der Klopstock der Musik“. Carl Philipp Emanuel Bach und das Erhabene. In: Janz, Tobias / Kirsch, Kathrin / Rentsch, Ivana (Hg.): C. P. E.  Bach und Hamburg. Generationenfolgen in der Musik. Zum 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach (Studien und Materialien zur Musikwissenschaft 97). Georg Olms: Hildesheim / Zürich / New York 2017, 193–219. Scheitler untersucht in großem Kontext die Psalmen von Johann Andreas Cramer („Poetische Uebersetzung der Psalmen mit Abhandlungen über dieselben“, 1­ 755–1764) in den Vertonungen von Carl Philipp Emanuel Bach von 1774. Sie waren zur „Privat-Erbauung“ bestimmt, in verschiedenen Stilen gesetzt und sollten die Erhabenheit des Textes in „Miniaturbildern“ hörbar machen. Ausführlicher werden besprochen: Jehova sprach zu Gott, dem Sohne (Ps 110), Erhebet Gott durch neue Lieder (Ps 96), Der Herr regiert, die Völker zittern (Ps 99), Tag und Nacht, du Heil der Frommen (Ps 88), Frohlocket ihr Völker (Ps. 47). Ahuis, Ferdinand: Elisabeth Cruciger, geb. von Meseritz – Luthers „Liebe Els“. In: Lutherjahrbuch 84 (2017), 224–264. Betr. auch ausführlich die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte von Herr Christ, der einig Gotts Sohn. Schneider-Böklen, Elisabeth: Elisabeth Cruciger. Nun, Minister’s Wife and First Lutheran Poetess. In: Journal of the European Society of Women in Theological Research 25 (2017), 117–129 Herr Christ, der einig Gotts Sohn open access: http://poj.peeters-leuven.be/content. php?url=article&id=3251307 oder DOI-Link: http://dx.doi.org/10.2143/ESWTR.25. 0.3251307 (Stand: 26.9.2018). Balders, Günter / Böttler, Winfried / Weichenhan, Susanne (Hg.): „Doch der ist am besten dran / Der mit Andacht singen kann“. Festschrift der Paul-Gerhardt-Gesellschaft für Christian Bunners (Beiträge der Paul-Gerhardt-Gesellschaft 10). Frank & Timme: Berlin 2016, 218 S., Abb., Noten. Wie bei Festschriften üblich ist das Thema nicht eng begrenzt, doch liegt hier – angesichts des Geehrten kann es gar nicht anders sein – der Schwerpunkt bei Paul Gerhardt. Unter anderem folgende Beiträge sind enthalten: Ich steh an deiner Krippen hier. Paul Gerhardts Weihnachtslied im Kontext der Erbauungsliteratur (Elke A ­ xmacher, 23–42); Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld in der niederländischen Fassung von Ad den Besten (Jürgen Henkys, 71–83, Daar gaat een lam); „Beschauliches und Erbauliches“. Paul Gerhardt im Werk von Ludwig Richter (Ada Kadelbach, 84–112); Luther als Begründer des evangelischen Kirchenliedes in Wittenberg (Konrad Klek, 113–127); Das „Berlinische Gesangbuch“ Johann Crügers und Johann Anastasius Freylinghausens „Hallisches Gesangbuch“ (Hans-Otto Korth / Wolfgang Miersemann, 129–141); „… viel schöner … als Salomonis seyde“ – Paul Gerhardt und „die Tulipan“ (Susanne Weichenhan, 145–193). Grosse, Sven: Die Spiritualität Paul Gerhardts (1607–1676). In: Zimmerling, Peter: Hand-

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buch Evangelische Spiritualität. Bd. 1 Geschichte. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 281–298. Henkys, Jürgen: Du hebst die Erde an das Licht. Lieder aus anderen Ländern. Nachdichtungen (Edition 6927). Strube: München 2016, 104 S., Noten. Enthält Nachdichtungen aus Dänemark (N. F. S. Grundtvig, Jakob Knudsen), England (Albert F. Bayly, John Ellerton, John Newton, Charles Wesley), Kanada (Margaret Clarkson), Niederlande (Willem Barnard, Ad den Besten, Sytze de Vries, Marijke Koyck-de Bruiyne, René van der Loenen, Huub Oosterhuis, Joke Ribbers, Jan Wit, Jaap Zijlstra), Norwegen (Svein Ellingsen), Schweden (Ewert Amnefors, Fredrik Natanael Beskow, Karin Boye, Ylva Eggehorn, Anders Frostenson, Emil Liedgren, Oscar Mannström, Carl David af Wirsén), USA (Thomas H. Troeger). Rößler, Martin: „Nicht klagen sollst du: loben!“. Jochen Klepper – Leben und Lieder. Calwer: Stuttgart 2017/22018, 80 S., Fotos. Es ist dem Calwer-Verlag zu danken, dass im Jahr des 500. Reformationsjubiläums­ Jochen Kleppers 75. Todestag nicht ganz unter geht. Martin Rößler hat dazu eine völlig neubearbeitete und erweiterte Fassung des Kapitels aus seinem Buch „Liedermacher im Gesangbuch. Liedgeschichten in Lebensbildern“ aus dem Jahr 2001 vorgelegt. In dem gut lesbaren Bändchen lässt Rößler Klepper häufig in Tagebuchnotizen zu Wort kommen. Eine Reihe von Liedern wird komplett abgedruckt, die meisten werden umfassend erwähnt, manchmal auch gedeutet. Schade nur, dass es kein Liedregister gibt. Beutel, Albrecht (Hg.): Luther Handbuch, 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Mohr Siebeck: Tübingen 2017, XVI, 611 Seiten. Darin: B Person / IV Prägungen / 2 Musik (Johannes Schilling), 276–284, und: C Werk /  I Gattungen / 6 Dichtungen (Jens Wolff), 355–358. Leube, Bernhard: Die Gegner niedersingen? Juden, Türken und der Papst in Luthers Liedern. FKM 68 (2017), H. 5, 2–15 (auch in: WBK 84 [2017], H. 2, 4–13). Rößler, Martin: Die Wittenbergisch Nachtigall. Martin Luther und seine Lieder. In: WBK 84 (2017), H. 6, 6–15. Mattmann, Erwin: Kurt Marti (1921–2017). Das könnte den Herren der Welt ja so passen. In: MuL 142 (2017), H. 6, 10–12. Wöhler, Arnd: Die handschriftlichen Kantionale des Franziskus Valentin Ruthen (1674– 1734): Untersuchungen zu Quellen und Aufbau katholischer Gesangbücher des späten Barock in Pomerellen (Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte. Reihe A Slavistische Forschungen 27). Böhlau: Köln 1999 / Neuauflage 2016, 335 S. Der Anhang enthält u. a. ein Melodieverzeichnis in deutscher, polnischer und lateinischer Sprache. Marti, Andreas: Heinrich Schütz über seine Vertonung des „Becker-Psalters“. In: MGD 71 (2017), 58–64 [auch online zugänglich] und in: SiK 64 (2017), 239–242. Brusniak, Friedhelm: Johann Walter (1496–1570): das „Urbild des protestantischen Kantors“ (Walter Blankenburg) und der Wandel eines musikhistoriographischen Mythos. In: Niedersen, Uwe (Hg.): Reformation in Kirche und Staat. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung: Dresden / Torgau 2017, 63–68. Schabram, Kai Marius: Die Ernestiner und der protestantische „Urkantor“ Johann Walter. In: Westphal, Siegrid / Hahn, Hans-Werner / Schmidt, Georg (Hg.): Die Welt der Ernestiner. Ein Lesebuch. Böhlau: Köln / Weimar / Wien 2016, 64–71. Schmitt-Engelstadt, Christian (Hg.): Johann Walter (1496–1570). Geistliches Gesangbüchlein Worms 1525. Geystliche Gsangbüchlin / Erstlich zů Wittenberg / und [recte

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muss es heißen: vnd] volgend durch Peter Schoͤ ffern [recte muss es heißen: schoͤ ffern] getruckt / im jar. M. D. XXV (Edition Dohr 11308). Dohr: Köln 2017. Johann Walters Gesangbüchlein liegt hier in einer praktischen Ausgabe nach dem Zweitdruck DKL 152522 vor. Er unterscheidet sich außer durch einen neuen Blockdruck von der Wittenberger Ausgabe DKL 152418, von der nur Tenor und Bassstimmbuch erhalten sind, allein durch eine Umstellung der Lieder 34–36. Das Notenbild der Edition ist sehr klar und übersichtlich, die „normalen“ Taktstriche als Zugeständnis an eine praktische Edition muss man hinnehmen. Interessant das Bild auf dem Umschlag, „Die Gesandten“ von Hans Holbein d. J., auf dem die edierte Ausgabe identifiziert wurde (Markus Jenny in JLH 8[1963],125), allerdings in einer künstlichen Zusammenstellung der Lieder II und XIX noch dazu mit abweichenden Schlüssen.

C Untersuchung und Auslegung einzelner Lieder (Zu Liedern, die in thematischen Zusammenhängen berücksichtigt sind s. auch andere Rubriken) C.2 Einzeluntersuchungen (nach Liedanfängen alphab. geordnet) Axmacher, Elke: Dichtung und Dogma. Zu Paul Gerhardts Lied Befiehl du deine Wege. In: Lutherische Kirche in der Welt 62 (2015), 45–60. Stefan, Hans-Jürg: Der du uns weit voraus ins Reich der Ängste gingst. Grenzen überschreiten mit einem neuen Lied. In: LuK 8 (2017), H. 3, 118–120. Ottermann, Annelen: Von der Prägekraft eines „alten“ neuen Liedes. FKM 68 (2017), H.3, 26 f. Betr. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt. Hagemeyer, Kerstin: Autographe der Reformationszeit. Das Lutherlied Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort. Die DNN [Dresdner Neueste Nachrichten] begleiten eine onlineAusstellung der SULB. In: DNN 27 (2017), 163 (vom 15./16.7.2017, S. 10) Bei dem besagten Autograph handelt es sich, anders als der Titel suggeriert, nicht um ein Autograph des Lutherliedes, sondern um die Motette von Paul Schedius im Stammbuch von Christoph Nostwitz, eingetragen von Onophirus [sic] John. (https:// reformation.slub-dresden.de/autograph/onophirus-john-notenhandschrift-deslutherliedes-erhalt-uns-herr-bei-deinem-wort-1595/#prettyPhoto) (Stand: 26.9.2018). Spichtig, Peter: Neues Kirchenlied zu Ehren des Gott-Suchers Bruder Klaus (Glauben, hoffen und sich sehnen). In: MuL 142 (2017), H. 4, 23–26 Lengerich, Martina von: Ein neues Lied. Im Lande der Knechtschaft (Text und Melodie: Claudia Mitscha-Eibl). In: MuK 87 (2017), 388–389. Horn, Werner: Komm in unsre stolze Welt. Liedpredigt. In: Lutherische Kirche in der Welt 62 (2015), 73–77. Stefan, Hans-Jürg: Das Adventslied Komm in unsre stolze Welt – ein „Erinnerungsort“. In: LuK 8 (2017), H. 3, 67–79. Völker, Alexander: Komm in unsre stolze Welt, eine Liedbetrachtung. In: Böntert, ­Stefan (Hg.): Gemeinschaft im Danken. Grundfragen der Eucharistiefeier im ökumenischen Gespräch (Studien zur Pastoralliturgie 40). Pustet: Regensburg 2015, 238–246. Fischer, Michael: Religion, Politik und Bürgergesellschaft. Das Lied Nun danket alle Gott in Mendelssohns Symphonie Nr. 2 „Lobgesang“. Onlinepublikation 2017: https:// freidok.unifreiburg.de/data/13944 (Stand: 26.9.2018).

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Bubmann, Peter: Ein neues Lied. Schmecket und sehet (Text und Musik: Jochen Arnold). In: MuK 87 (2017), 250–251. Arnold, Jochen: Zwei neue Lieder. Was soll ich tun? – Welch ein Tag, welche Freude (so der Aufsatztitel; Textanfang: Was kann ich tun; Text: Eugen Eckert; Melodie: Thomas Quast) / Zachäus (Titel; Textanfang: Klar, das sieht dir wieder ähnlich; Text: Lothar Veit; Melodie: Eddi Hüneke). In: MuK 87 (2017), 316–318.

D Gesangbücher und Liedersammlungen (Ausgaben und Kommentare; Ausgaben und Kommentare einzelner Personen s. II.B) Reinke, Stephan: freiTöne  – neues Liederbuch der EKD und des Deutschen Evange­ lischen Kirchentags. FKM 68 (2017), H.1, 8–10. Franz, Ansgar / Kurzke, Hermann / Schäfer, Christiane (Hg.): Die Lieder des Gotteslob. Geschichte – Liturgie – Kultur. Mit besonderer Berücksichtigung ausgewählter Lieder des Erzbistums Köln, mit Unterstützung von Richard Mailänder unter Mitwirkung von Andrea Ackermann. Verlag Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2017, 1314 S., Noten. Es ist ein bibliophiles Schwergewicht, zum Studieren und Stöbern, zum gezielten Nachlesen und zur freien Anregung, das die Autoren aus der Forschungsstelle Kirchenlied und Gesangbuch der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz da vorgelegt haben. Es enthält alle 293 Lieder (also keine Kanons, Liedrufe, Psalmen, Gebete usw. der insgesamt 684 Nummern) des Stammteils des GL2 und 20 Lieder des Kölner Eigenteils – und zwar mit Melodie und allen Strophen – sowie eben den Kommentar, der eine starke wirkungsgeschichtliche Komponente hat. Die Lieder werden nicht nur von ihren Quellen her gedeutet, sondern auch auf dem Weg durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart verfolgt. Dadurch entfaltet sich zuweilen ein liedgeschichtliches Panorama ganz eigener Art – mit theologischen, liturgischen, frömmigkeitsgeschichtlichen, kulturhistorischen, philologischen, literarischen und ästhetischen Aspekten. Die Forderung, in der Hymnologie auch Rezeptionsgeschichte zu berücksichtigen, die Andreas Marti in seinem Beitrag zu diesem Jahrbuch vertritt, ist hier also bereits angewandt. Ursprüngliche Liedtexte werden ebenso berücksichtigt wie fassungsgeschichtlich interessante. Gibt es eine fremdsprachliche Vorlage wird sie stets mit einer Prosaübersetzung abgedruckt, um den Rezeptionsvorgang deutlich zu machen. Die Autorinnen und Autoren der Kommentare aus verschiedenen Konfessionen wurden vom Gesangbucharchiv mit allen nötigen Materialien beliefert, die entstandenen Texte gingen durch eine strenge Redaktion, und so ist ein stilistisch einheitliches Werk auf hohem Niveau entstanden. Es besteht aber nicht der Anspruch, wissenschaftlich umfänglich Quellen und Literatur zu erfassen, letztere ist bewusst sehr knapp gehalten. Die gut lesbaren Texte mit lockenden Zwischenüberschriften halten wo nötig nicht mit Kritik an einzelnen Liedern oder Strophen hinterm Berg. Weniger Aufmerksamkeit finden die Melodien, die z. T. gar nicht, manchmal aber auch ausführlich behandelt werden. Die in den hymnologischen Nachweisen unter den Liedern genannten Quellen werden in einem 47seitigen Verzeichnis aufgeschlüsselt, ein Liedregister erschließt auch zitierte Lieder, das Bibelstellenregister kann genutzt werden, um von Bibeltexten zu Liedern zu finden und auch ein Namensverzeichnis ist selbstverständlich enthalten – schön das Verfahren, biblische Namen hier rot hervor

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zu heben. Schade ist allerdings, dass es als Register der Dichter und Komponisten nur umständlich taugt, da natürlich jede Namensnennung erfasst ist (Idee für eine mögliche Neuauflage: eine kursivierte Seitenzahl könnte für Namen in den hymnologischen Nachweisen reserviert werden). Lose beigelegt ist ein Rechteverzeichnis, das aber alle Lieder in ihrer numerischen Abfolge erfasst, auch die rechtsfreien. Gerhards, Albert: Das neue „Gotteslob“ (2013) und die Hebräische Bibel. Ein kritischer Durchblick. In: Petschnigg, Edith / Fischer, Irmtraud (Hg.), Der „jüdisch-christliche“ Dialog veränderte die Theologie. Ein Paradigmenwechsel aus ExpertInnensicht. Böhlau: Wien usw. 2016, 164–172. Zugänglich unter: http://unipub.uni-graz.at/obvugroa/ download/pdf/963781?originalFilename=trueBetr (Stand: 26.9.2018). Jetschke, Ludwig M.: „Gotteslob 2013“. Erste Erfahrungen mit dem neuen katholischen Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“. In: MGD 71 (2017), 232–237. [auch online zugänglich] Walter, Meinrad / Urban, Albert (Hg.): Das Gebet- und Gesangbuch Gotteslob. Kirchenmusikalische Impulse. Kommentierte Einblicke. Pastoralliturgische Perspektiven. Deutsches Liturgisches Institut: Trier 2017. Der Band publiziert eine Reihe von Vorträgen der 13. Trierer Sommerakademie des Deutschen Liturgischen Instituts 2014 samt einigen dazu passenden Beiträgen – ausdrücklich auch in ökumenischer Perspektive. Der Blick auf das Gotteslob wird dabei in aller Breite entfaltet, Überlegungen zu einem möglichen neuen evangelischen Gesangbuch klingen gelegentlich an. Die 16 Artikel sind in die vier Kapitel „Vom alten zum neuen Gotteslob: Rückblick und Einblicke“, „Von Gregorianik bis zum Neuen Geistlichen Lied: Kirchenmusikalische Chancen“, „Von Liedportrait bis Dankandacht: Musikalische Impulse für Gottesdienste und Konzerte“ und „Von Zwischenbilanz bis Zukunftsmusik: Begleitpublikationen und Perspektiven“ eingeteilt. Einige wenige Lieder werden darin ausführlicher hymnologisch behandelt: Heilig bist du, großer Gott (GL2 198; vgl. auch Michael, du Himmelsheld; Heilig ist Gott Sabaoth) und Für alle Heiligen in der Herrlichkeit (GL2 548)/ Herr mach uns stark im Mut (GL2 552ö), beide von Matthias Kreuels. Der Beitrag von Christoph Krummacher (er geht auf den im JLH 54 [2015], 162 angezeigten zurück) beinhaltet einen Vergleich zweier Bereimungen von Psalm 23: Der Herr ist mein getreuer Hirt (EG 274) und Mein Hirt ist Gott der Herr (GL2 421). Marti, Andreas: Reformiertes im Reformierten Gesangbuch. In: MGD 71 (2017), 65–77 [auch online zugänglich] We Hymn You. Lieder für Europa aus dem Reformationslied-Wettbewerb der GEKE [Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa]. Wien 2017, 24 S. [online verfügbar: http://www.leuenberg.net/sites/default/files/basic-page/we_hymn_you_jav2.pdf] (Stand: 26.9.2018).

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II . Hymnologie

A. Zur Geschichte und Bibliographie des Kirchenliedes Guillo, Laurent: Le Cantique sur la prinse du Havre de Grâce (1563): une œuvre inconnue de Claude Goudimel? In: Revue de Musicologie 102 (2016), Nr 2, 363–378. Guillo, Laurent: Découverte à la Bibliothèque de Fels (Institut Catholique de Paris) d’un recueil de Messes contenant des œuvres retrouvées de Titelouze, Du Caurroy, Fontenayet Bournonville (Paris, 1587–1626), ebda, 379–394.

B. Lutherchoral Föllmi, Beat: Rôle de la musique et du chant dans le mouvement de la Réforme. In: Zeller, Madeleine / Arnold, Matthieu / Jordan, Benoît (Hg.): Le vent de la Réforme: Luther 1517. Catalogue de l’exposition à la Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNU). Straßburg 2017, 115–143. Der Artikel behandelt die Anfänge des evangelischen Singens in Straßburg, sowohl in den deutschsprachigen Kirchen als auch in der französischsprachigen Exilgemeinde unter der Leitung von Johannes Calvin. Föllmi, Beat: Luther et la musique. Concepts théologiques et anthropologiques. In: Boes­ pflug, François / Foglidini, Emanuela (Hg.): Lutero, la Riforma e le arti. L’articolato rapporto con la pittura, la musica et il cinema. Glossa: Mailand 2017, 99–122. Luther, Martin: Quarante-trois chants harmonisés à quatre voix pour orgue et chœur par Yves Kéler et Danielle Guerrier Koegler. Chants d’assemblée et de chœur, Paris, Beauchesne, Collection: Guides musicologiques, 2017, 137 S. Betrifft 43 Lutherchoräle, singbare französische Paraphrasen, Einführungen von David Brown u. Guylène Dubois (Interview), Alain Joly und Vorwort: Édith Weber.

D. Gregorianik Clément, Gisèle: Le Processionnal en Aquitaine, IXe-XIIIe siècle. Genèse d’un livre et d’un répertoire. Classiques Garnier: Paris 2017, 319 S., CD. Föllmi, Beat / Viret, Jacques (Hg.): Le chant liturgique aujourd’hui et la tradition grégorienne. Editions Hermann: Paris 2016, 342 S.

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Literaturbericht Hymnologie. Beat Föllmi / Édith Weber

Betrifft gegenwärtigen liturgischen Gesang und gregorianische Tradition. Mit Beiträgen von: Michel Steinmetz (Zweites Vatikanisches Konzil und Musik), Martin ­Saffer (liturgische Erneuerung nach Vatikan II), Michel Wackenheim (liturgischer Gesang in Frankreich nach Vatikan II), Jacques Viret (Gregorianischer Choral und seine Tradition; Gregorianischer Choral heute), Marcel Pérès (hermeneutische Überlegungen zum Gregorianischen Choral), Philippe Robert (traditionelle Formen im französischsprachigen Gregorianischen Choral), Jo Akepsimas („chant rythmé“), Damien Poisblaud (2 Beiträge zur Rolle des Kantors), François Cassingena-Trévedy (Aktua­ lität des Gregorianischen Chorals), Alexandre Traube (Beitrag der Orthodoxie für den französischsprachigen liturgischen Gesang), Henri Fichter (der evangelische Gemeindegesang und Vatikan II), Beat Föllmi (Psalmodie bei den kanadischen Lutheranern französischer Sprache). Geoffroy, Olivier: Le chant grégorien, inspirateur de la musique pour orgue de la première moitié du XXe siècle, in: Préludes, Association nationale de Formation des Organistes Liturgiques (ANFOL) 98 (2017), 32–33.

III. Kirchenmusik A. Zur Geschichte und Bibliographie der Kirchenmusik Bosseur, Jean-Yves: Du son au signe. Histoire de la notation musicale, Éditions Delatour France, Sampzon 2017, BDT 0042, 143 S. Burmeister, Joachim: Poétique musicale, suivi de David Chytraeus: De la Musique. Traduction, introduction, notes et lexique par Agathe Sueur et Pascal Dubreuil, Édi­tions Rhuthmos 2017, 288 S. Neue überarbeitete Übersetzung (nach der Ausgabe Mardaga, Sprimont 2007).

C. Zur Aufführungspraxis der Kirchen- und Orgelmusik Canonne, Clément: L’improvisation libre à l’épreuve du temps. Logiques de travail et dynamiques créatives d’un duo d’improvisateurs, in: Revue de Musicologie 103 (2017), n°1, 137–168. Farago, Pierre: André Isoir, un hommage de l’un de ses élèves…, in: Préludes, Association nationale de Formation des Organistes Liturgiques (ANFOL) 99 (Juillet 2017), 30. Kéler, Yves: 130 Poèmes et Chants des Camps Nazis. 130 Gedichte und Lieder der NaziLager. Do Bentzinger: Colmar 2017, 632 S. Weber, Édith: Les métiers de la musique (IV). La pratique musicale. Chanteurs et choristes, hier et aujourd’hui, in: Préludes, Association nationale de Formation des Organistes Liturgiques (ANFOL), 97 (Janvier 2017), 33–34.

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D. Leben und Werk der Meister (alphab. geordnet) Rautenberg, Alan Dergal: Analyse minutieuse et présentation des manuscrits autographes de Bach dans les collections numérisées de la Bibliothèque d’État de Berlin et dans la bibliothèque numérique européenne Europeana, in: Bulletin d’information, hiver 2016/2017, Neue Bach Gesellschaft, Leipzig, 32–34. Föllmi, Beat: Art. Gérold, Théodore, in: Recht, Roland / Richez, Jean-Claude (Hg.): Dictionnaire culturel de Strasbourg, 1880–1930. Presses Universitaires de Strasbourg: Straßbourg 2017, 224 S. Théodore Gérold war der erste französische Professor für Musikwissenschaft an der Universität Straßburg nach dem Ersten Weltkrieg und ein Pionier der Hymnologie in Frankreich. Bellanger, Emmanuel: Nivers, le précurseur, in: Préludes, Association nationale de Formation des Organistes Liturgiques (ANFOL) 98 (2017), 4–5. Föllmi, Beat: Art. Spitta, Friedrich, in: Recht, Roland / Richez, Jean-Claude (Hg.): Dictionnaire culturel de Strasbourg, 1880–1930. Presses Universitaires de Strasbourg: Straßbourg 2017, 507 S. Biographie und Würdigung des bedeutenden in Straßburg wirkenden Theologen und Hymnologen.

IV. Zur Geschichte Balmer, Yves; Lacombe, Hervé (Hg.): Un siècle de musicologie en France. Histoire intellectuelle de la Revue de musicologie, Vol. 1. Structuration nationale et interactions internationales, Revue de Musicologie 103 (2017), N°2, 723. Bisaro, Xavier; Clément, Gisèle; Thoraval, Fanch (dir.): La circulation de la musique et des musiciens d’église – France, XVIe-XVIIIe siècle, Classiques Garnier, Coll. Musicologie, n°3, Paris 2017, 395 S. Eber, Philippe: Les 500 ans de la Réforme protestante, in: Préludes, Association nationale de Formation des Organistes Liturgiques (ANFOL) 99 (Juillet 2017) 99, 28–29. Foi&Vie, n° 1, Februar 2017: Protestantisme et musique contemporaine. Mit Beiträgen von Beat Föllmi (Passionsmusik 20. Jahrhundert), Jean-Luc Gadreau (christliche Popmusik), Didier Godart (Komponist Michel Wiblé), Pierre de Mareuil (christliche Heavy Metal Musik), François Vouga (theologische Überlegungen zu Protestantismus und Musik). Föllmi, Beat: Musique luthérienne et polémique confessionnelle. La musique solennelle Gaudium Christianum de Michael Altenburg pour le premier centenaire de la Réforme en 1617, in: Revue de l’Histoire et de la Philospohie Religieuses 97/4 (2017), 545–558. Föllmi, Beat: Art. Musique et protestantisme [à Strasbourg], in: Recht, Roland / Richez, Jean-Claude (Hg.): Dictionnaire culturel de Strasbourg, 1880–1930. Presses Universitaires de Strasbourg: Straßburg 2017, 380–382. Tétaz, Jean-Marc / Gisel, Pierre: Une passion après Auschwitz. Autour de la Passion selon Marc de Michaël Levinas. Beauchesne: Paris 2017. Weber, Édith: Jean Sturm (1507–1589), son apport à la pédagogie musicale et théâtrale à la Haute École et à l’Académie de Strasbourg, in: Vénuat, Monique / Vulcan, Ruxandra

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Literaturbericht Hymnologie. Beat Föllmi / Édith Weber

(Hg.): La naissance des Académies protestantes (Lausanne, 1537 – Strasbourg, 1538) et la diffusion du modèle. IHRIM: Clermont-Ferrand 2017, 65–78.

V. Ästhetik Frangne, Pierre-Henry / Lacombe, Hervé / Massin, Marianne / Picard, Timothée (dir.): La valeur de l’émotion musicale. Presses Universitaires de Rennes, Coll. Aesthetica: Rennes 2017, 272 S. Marry, Laurent Olivier: Orgue et hubris [démesure]: l’orgue, instrument des monstres de cinéma, in: Quetin, Laurine: Revue Musicorum: La musique et le mal. (Figures, lectures, représentations 18). Tours 2017, 109–120. Betrifft den Gebrauch der Orgel als Kinomonsterinstrument. Münch, Marc-Mathieu: L’objet esthétique et la création, in: Les Cahiers de sociologie économique et culturelle Dez. 2016, Le Havre 2017, 43–62.

VI. Nachschlagewerke Gurrieri, Marco: Catalogue des fonds musicaux anciens conservés dans les Pays-de-laLoire, Tome 1: Angers, Classiques Garnier, Programme Patrimoine musical régional, 2017, 416 S. Betrifft Regionalbefunde. Bost, Hubert (Hg.): Le Luther des Français (Revue d’Histoire du Protestantisme 2). Droz: Genf 2017, 298 S.

Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen Allein Gott in der Höh sei Ehr  173 Atme in uns, Heiliger Geist  188 Aus tiefer Not schrei ich zu dir  167 Befiehl du deine Wege  244 Christe, die du byst dach ende licht  238 Christ lag in Todesbanden  170 Christ unser Herr zum Jordan kam  182 Christus, der ist mein Leben  235 Daar gaat een lam  242 Der du uns weit voraus ins Reich der Ängste gingst  244 Der grimmig Tod mit seinem Pfeil  240 Der Herr ist mein getreuer Hirt  246 Der Herr regiert, die Völker zittern  242 Der Tag ist seiner Höhe nah  177 Die ganze Welt hast du uns überlassen  166 Die Nacht ist vorgedrungen  188 Dies est letitiae nam processit hodie  238 Dies est letitie in ortu regali  238 Drie kooninghen vtuercoeren  238 Du bist der Weg und die Wahrheit und das Leben  187 Du bist vor allen Zeiten  238 Een kyndekyn soe lauelick  238 Ein feste Burg ist unser Gott  176, 182 Ein Haupt hast du dem Volk gesandt  173 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld  242 Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt  244 Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort  170, 174, 244 Erhebet Gott durch neue Lieder  242 Es ist gewisslich an der Zeit  174 Es kam ein Engel hell und klar  168 Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen  188 Frohlocket ihr Völker  242

Gelobet seist du, Jesu Christ  168, 169 Glauben, hoffen und sich sehnen  244 Gott schenkt Freiheit  166 Grates nunc omnes reddamus  169 Hedt is een dach der vroelickheyt  238 Heilig bist du, großer Gott  246 Heilig ist Gott Sabaoth  246 Herr Christ, der einig Gotts Sohn  242 Hüter der Heimat  241 Ich steh an deiner Krippen hier  242 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr  184 Im Lande der Knechtschaft  244 In dulci iubilo  238 Intende, qui regis Israel  241 I vow to thee, my country  235 Jehova sprach zu Gott, dem Sohne  242 Jesus Christus, unser Heiland  182 Klar, das sieht dir wieder ähnlich  245 Komm, du Heiland aller Welt  241 Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist  188 Komm in unser dunkles Herz  207, 211, 214 Komm in unser festes Haus  207, 211, 214 Komm in unser reiches Land  207, 210, 213 Komm in unsre laute Stadt  207, 210 Komm in unsre stolze Welt  202, 207, 208, 209, 212, 213, 214, 244 Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren  173 Magnum nomen domini Emanuel  238 Maranatha – Du, Herr, wirst kommen  238 Maria zart  240

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Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen

Mein Hirt ist Gott der Herr  246 Mein schönste Zier und Kleinod bist  211 Michael, du Himmelsheld  246 Mit disen nijen iaere  238 Mitten wir im Leben sind  168 Morgenlicht leuchtet  235 Morning has broken  235 Nun danket alle Gott  175, 244 Nun freut euch, lieben Christen gmein  173 Nun komm, der Heiden Heiland  170, 241 Nun ruhen alle Wälder  171 O come, let us sing  235 Ons wort geboeren een kyndelyn  238 Puer natus in Bethleem  238 Puer nobis nascitur  238 Schmecket und sehet  245 Stille Nacht, heilige Nacht  235 Tag und Nacht, du Heil der Frommen  242 Totus mundus iocundetur  238

Und suchst du meine Sünde  188 Unser Vater  187, 188 Valet will ich dir geben  172, 175 Vater unser im Himmelreich  187, 188 Veni creator spiritus  188 Veni redemptor gentium  170 Vielleicht, dass dein Kreuz allzu oft beschrieben  238 Vom Himmel blickt ein heller Stern  241 Vom Himmel hoch, da komm ich her  168 Von Krieg und Not geschlagen  241 Wachet auf, ruft uns die Stimme  239 Waer ys die dochter van Zion  238 Was kann ich tun  245 Weit wie das Meer ist Gottes große Liebe  166 Welch ein Tag, welche Freude  245 Wie schön leuchtet der Morgenstern  171 Wie wyl mede toe Bethleem  238 Wir schauen aus nach Frieden  176 Wir stehn im letzten Kampf und Strauß  176 Zachäus  245

Verzeichnis der Personennamen Achtner, Wolfgang  138 Ackermann, Andrea  238, 245 Ahuis, Ferdinand  242 Akepsimas, Jo  248 Albert, Heinrich  241 Alfeyev, Hilarion  158 Alois (Frère)  237 Alt, Peter-André  240 Altenburg, Michael  249 Altenmüller, Eckert  180 Alteringer, Lothar  155 Ambrosius von Mailand  170, 241 Ameln, Konrad  170, 176, 177, 182 Amnefors, Ewert  243 Anderson, E. Byron  123 Antonenko, Ekaterina  75 Arend, Sabine  135, 237, 239 Arnold, Gottfried  242 Arnold, Jochen  235, 236, 245 Arnold, Matthieu  238, 247 Arslanov, Vasily  136 Artmuß, Alexander  136 Arx, Urs von  156 Augustin (Kirchenvater)  181 Axmacher, Elke  242, 244 Axt-Piscalar, Christine  51, 159 Bach, Carl Philipp Emanuel  242 Bach, Johann Sebastian  229, 249 Baini, Giuseppe  75 Balders, Günter  235, 242 Balmer, Yves  249 Baltruweit, Fritz  235 Barlow, Harold  229, 230 Barnard, Christiaan  204 Barnard, Willem  243 Barth, Karl  235 Bartole, Tobias  159 Baschera, Luca  74, 138 Bayly, Albert F.  243 Becker, Cornelius  243 Beckmayer, Sonja  20 Bedford-Strohm, Heinrich  84 Beetschen, Fanziska  139

Bellanger, Emmanuel  249 Ben-Chorin, Schalom  188 Ben Zvi, Ehud  117 Benedikt XVI., Papst  50 Berg, Stefan  235 Berger, Rupert  32 Berger, Teresa  120 Berlis, Angela  74 Bertholdt, Anke  159 Beskow, Fredrik Natanael  243 Beutel, Albrecht  243 Bieberstein, Klaus  115 Bieritz, Karl-Heinrich  27, 46, 53 Binder, Christian  160 Bisaro, Xavier  249 Blankenburg, Walter  243 Blenkinsopp, Joseph  118 Block, Johannes  33 Blum, Heribert  157 Boersma, Hans  122 Boespflug, François  247 Böhm, Martina  115 Boltenstern, Friedrich Wilhelm von  59, 70 Bone, Heinrich  241 Böntert, Stefan  156, 244 Bornkamm, Heinrich  27 Bortnjanskij, Dimitrij  75 Bosseur, Jean-Yves  248 Bossler, Kurt  188 Bost, Hubert  250 Both, Peter C.  58 Böttler, Winfried  242 Bousset, Wilhelm  62 Boye, Karin  243 Brand, Fabian  159 Brantzen, Hubertus  160 Braun, A. M.  241 Bräutigam, Volker  235 Bremer, Johannes  109 Brendel, Christiane  160 Bretschneider, Wolfgang  237 Brewer, Brain C.  120 Brodbeck, David  82 Brodde, Otto  202

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Verzeichnis der Personennamen

Brodersen, Alma  111 Brown, David  247 Brownsmith, John Leman  227 Brüske, Gunda  51 Brusniak, Friedhelm  243 Bryden, John R.  228, 230 Bubmann, Peter  235, 236, 238, 245 Buchmüller, Wolfgang  140 Budwey, Stephanie A.  235 Bukowski, Peter  17 Bunners, Christian  235, 242 Bünz, Enno  140 Burhenne, Verena  239 Burmeister, Joachim  248 Calvin, Johannes  247 Canonne, Clément  248 Casdorff, Christian  202 Cassingena-Trévedy, François  248 Chiang Yu-Ring  235 Church, Philip  116 Chytraeus, David  248 Clarkson, Margaret  243 Clément, Gisèle  247, 249 Cordemann, Claas  159 Correns, Carl  67 Cramer, Andrea  235 Cramer, Johann Andreas  242 Cruciger, Elisabeth  242 Crüger, Johann  242 Crüsemann, Frank  31 Cuneo, Terence  123 Dach, Simon  241 Danzeglocke, Klaus  180 Darwin, Charles  72 de Lamarck, Jean-Baptiste  72 de Mareuil, Pierre  249 de Michaël Levinas, Marc  249 de Vries, Sytze  243 de Wette, Wilhelm Martin Leberecht  62 Deeg, Alexander  11, 12, 14, 15, 18, 19, 25, 26, 38, 44, 140, 156 Demel, Sabine  141 den Besten, Ad  242, 243 Denysenko, Nicholas E.  121 Dieter, Theodor  156 Dietrich, Walter  100 Diewald, Josef  167

Dilthey, Wilhelm  61 Dingel, Irene  238 Dinzinger, Anton  160 Dohms, Lennart  234 Dörner, Gerald  237 Dremel, Erik  239 Drömann, Hans-Christian  171, 182 Dröse, Astrid  241 Dubois, Guylène  247 Dyck, Rahel  160 Dyck, Tim  160 Ebach, Jürgen  23 Eber, Philippe  249 Ebinger-Möll, Katrin  238 E. Bryon Anderson  120 Eckert, Eugen  245 Eder, Sigrid  112 Eggehorn, Ylva  243 Eggimann, Franziska  237 Eilers, Silke  239 Eisen, Ute E.  102 Elliger, Walter  173 Ellingsen, Svein  243 Erne, Thomas  141 Etzelmüller, Gregor  74 Farago, Pierre  248 Farrant, Richard  226 Fechtner, Kristian  157 Fendler, Folkert  160 Fichter, Henri  248 Fischenich, Dietmar  238 Fischer, Irmtraud  246 Fischer, Michael  167, 239, 244 Flebbe, Jochen  115 Foglidini, Emanuela  247 Föllmi, Beat  238, 247, 248, 249 Förster, Michaela  160 Fraas, Hans-Jürgen  61 Frangne, Pierre-Henry  250 Franz, Ansgar  18, 238, 241, 245 Franziskus, Papst  84, 166 Frei, Joseph  241 Frenzel, Nina  142 Frevel, Christian  102 Freyer, August  240 Freylinghausen, Johann Anastasius  242

Verzeichnis der Personennamen Friedrich Wilhelm III., König  75 Frostenson, Anders  243 Fuchs, Guido  161 Fuchs, Melchior  235 Fugger, Dominik  168 Fuhrmann, Wolfgang  237 Gadreau, Jean-Luc  249 Gaidetzka, Petra  161 Garhammer, Erich  25 Gartmann, Thomas  234 Gattwinkel, Hilmar  160 Geest, Paul van  113 Gellert, Christian Fürchtegott  172 Gembris, Heiner  180, 181 Geoffroy, Olivier  248 Georgii, Christoph  238 Gerhards, Albert  58, 73, 239, 246 Gerhardt, Paul  165, 171, 235, 242, 244 Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara  140 Gérold, Théodore  249 Gertz, Jan C.  103 Giles, Gordon  235 Gillmann, Nicolas  99 Gisel, Pierre  249 Glowotz, Daniel  239 Godart, Didier  249 Gohl, Ulrich  202 Goldschmidt, Stephan  161, 179 Goltz, Eduard Freiherr von der  73 Gonzalez, Justo L.  121 Gottschick, Kathrin  160 Goudimel, Claude  247 Graham, Nancy L.  235 Graulich, Markus  144 Gray, Scotty  235 Greiling, Werner  140 Grethlein, Christian  14, 15, 26, 139 Grindal, Gracia  236 Grohmann, Marianne  105 Grosse, Sven  242 Grözinger, Albrecht  178 Grulich, Rudolf  241 Grundtvig, N. F. S.  243 Grüter, Verena  236 Guerrier Koegler, Danielle  247 Guillo, Laurent  247 Gunkel, Hermann  61, 62 Gurrieri, Marco  250

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Hagemeyer, Kerstin  244 Hagius, Peter  241 Hahn, Ferdinand  58 Hahn, Hans-Werner  243 Haller, Klaus  144 Handke, Emilia  145 Handt, Hartmut  238 Härle, Wilfried  145 Harnack, Adolf von  62 Hartenstein, Friedhelm  103 Hartlapp, Johannes  235 Haunerland, Winfried  50 Hausmann, Jutta  103 Haustein, Christine  136 Haydn, Michael  241 Heckel, Ulrich  238 Heerwagen, Friedrich Ferdinand Traugott  172 Heid, Stefan  156 Heidrich, Jürgen  239 Heiler, Friedrich  73 Heitmeyer, Erika  237 Henkel, Jürgen  146 Henkys, Jürgen  166, 202, 207, 208, 213, 242, 243 Hensel, Benedikt  106 Hensel, Joachim  203, 212 Hensel, Walther  241 Herl, Joseph  235 Herlyn, Okko  161 Hermann, Siegfried  173 Hermelink, Jan  157 Herms, Eilert  146 Herrmann, Christian  238 Herrmann, Florian  17 Heuft, Gereon  147 Heurich, Winfried  238 Heye, Andreas  180, 181 Heymel, Michael  236 Hirtzbruch, Ulrich  239 Hobi, Martin  235 Hoffmann, Heinz  173 Hofmann, Andrea  237 Höhne, Florian  236 Holbein, Hans d.J.  244 Holzer, Irene  235 Hong, Lionel Li-Xing  235 Hoondert, Martin J. M.  216, 235 Hoping, Helmut  50

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Verzeichnis der Personennamen

Horn, Werner  215, 239, 244 Hornstein, Erich  162 Hossfeld, Frank-Lothar  109, 110 Hubatsch, Walter  214 Hughes, David G.  228, 230 Hüneke, Eddi  245 Irsigler, Hubert  104 Isoir, André  248 Jacobshagen, Arnold  239 Jahn, Christine  12, 14, 184 Janssens, Peter  188 Janz, Tobias  242 Jeggle-Merz, Birgit  161 Jendrek, Matthias  114 Jenny, Markus  241, 244 Jensen, Renate  162 Jetschke, Ludwig M.  246 Johannsen, Wilhelm Ludvig  68 John, Onophirus (Onophrius / Onuphrius)  244 Joly, Alain  247 Jordan, Benoît  247 Jorissen, Matthias  172 Jörns, Klaus-Peter  37 Jung, Martina  162 Junge, Martin  84 Junghans, Helmar  45 Jussen, Bernhard  67, 68 Jütten, Helga  162 Kabus, Wolfgang  235 Kadelbach, Ada  242 Kaiser, Jochen  156, 236, 239 Kaldenbach, Christoph  241 Keel, Othmar  105 Kegel, Sandra  39 Kéler, Yves  247, 248 Kerner, Hanns  11, 147 Kierkegaard, Sören  31 Kirchschläger, Walter  161 Kirk, Peter  219, 223, 229, 230 Kirsch, Kathrin  242 Klek, Konrad  236, 237, 239, 242 Klepper, Jochen  177, 188, 243 Klie, Thomas  148 Klöcker, Michael  239 Klopstock, Friedrich Gottlieb  242

Knolle, Theodor  181, 182 Knudsen, Jakob  243 Koch, Alois  234 Koch, Kurt  84 Kohle, Maria  237 Kohnle, Armin  136, 237 Koláček, Jan  230 Koll, Julia  235, 237 Körtner, Ulrich H. J.  28, 31, 42 Köszeghy, Miklós  103 Koyck-de Bruiyne, Marijke  243 Kramp, Willy  210 Kranemann, Benedikt  25, 51, 156 Kreuels, Matthias  246 Kreutziger-Herr, Annette  239 Krüger, Malte Dominik  236 Krummacher, Christoph  246 Kück, Cornelia  173 Kühn, Jonathan Cornelius  236 Kükelhaus, Hugo  208 Külpe, Owalds  61 Kumlehn, Martina  157 Kunz, Ralph  74, 151 Kurzke, Hermann  177, 245 Kusmierz, Katrin  151, 235 Labonté, Thomas  167 Lacombe, Hervé  249, 250 Langenbahn, Stefan K.  156 Langlotz, Lukas  235 Lathrop, Gordon  122 Lauber, David  123 Lebedeva-Jemelina, Antonina  75 Lehmann, Karl  49 Lehndorff, Hans Graf von  202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215 Lehnert, Christian  28, 140, 148 Leisentrit, Johannes  168 Lengerich, Martina von  244 Leube, Bernhard  236, 243 Leupold, Ulrich  76 Levin, Christoph  117 Liebhart, Wilhelm  144 Liedgren, Emil  243 Lienhard, Fritz  139 Lim, Swee Hong  121 Lipphardt, Walther  168 Lobwasser, Ambrosius  171, 172

Verzeichnis der Personennamen Loetz, Francisca  237 Lohmann, Adolf  167 Lumma, Liborius Olaf  148 Lungershausen, Christine  164 Luther, Martin  26, 27, 34, 44, 46, 73, 167, 168, 169, 170, 173, 174, 176, 181, 182, 187, 188, 235, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 247 Lynch, Reginald  121 Maag, Karin  121 MacDonald, Nathan  113 Mahling, Jan  239 Mahrenholz, Christhard  173, 174 Mailänder, Richard  245 Malink, Jan  239 Mania, Thomas  239 Mańko-Matysiak, Anna  239 Marry, Laurent Olivier  250 Marti, Andreas  165, 170, 234, 235, 237, 243, 245, 246 Marti, Kurt  243 Marx, Alexandra  239 Marx, Reinhard  84 Massin, Marianne  250 Mathis, Eric  121 Matthias, Markus  242 Mattmann, Erwin  243 Matz, Sandra  164 Maurer, Adolf  176 Mayr, Ernst  67 McLuhan, Marshall  38 McNutt, Jennifer Powell  123 Meijer, Ton  216, 218, 232 Meinhold, Sabine  162 Meinhold, Wiebke  99 Melzl, Thomas  17, 26, 58, 156 Mendel, Gregor  67 Mendelssohn-Bartholdy, Felix  244 Menzel, Stefan  237 Messinger, Britta  159 Meßner, Reinhard  44, 48, 49 Metcalfe, William  218, 232 Meyer-Blanck, Michael  25, 29, 30, 34, 42 Miersemann, Wolfgang  239, 242 Mildenberger, Irene  18 Miron, Constantin  89 Mitscha-Eibl, Claudia  244 Mölich, Georg  149, 155

Möllenbcck, Thomas  150 Möller, Christian  173 Molz, Evamaria  163 Mönkebüscher, Bernd  162 Morgenstern, Sam  229, 230 Móricz, Nikolett  103 Müller, Jörg  161 Müller, Konrad  11 Müller, Reinhard  99 Müllner, Ilse  102 Münch, Marc-Mathieu  250 Müntzer, Thomas  136 Nagel, William  73 Naumann, G.  58 Neander, Joachim  173 Nehlsen, Eberhard  240 Neijenhuis, Jörg  7, 41, 49, 54, 58 Neitsov-Mauer, Kristel  236 Nelle, Wilhelm  239 Neuhaus, Andrea  167 Neumann, Friederike  111 Neumark, Georg  241 Newton, John  243 Nicholson, Sidney  218, 232 Nicolai, Philipp  171, 239 Nicol, Martin  20, 25, 32, 34, 51, 215 Niebergall, Friedrich  58 Niedersen, Uwe  243 Nitsch, Johannes  187 Nord, Ilona  150 Novak, Manfred  235 Nussbaum, Norbert  149, 155 Oehmig, Stefan  240 Oeming, Manfred  107 Oesterreich, Traugott Konstantin  61 Oosterhuis, Huub  243 Opitz, Martin  171 Ottermann, Annelen  244 Pahlke, Georg  237 Palm-Scheidgen, Barbara  163 Pannenberg, Wolfhart  37 Park, Andy  122 Parnes, Ohad  72 Parsons, Denys  220, 229, 230 Päschel, Dietmar  235 Peng-Keller, Simon  150

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Verzeichnis der Personennamen

Penner, Jeremy  109 Pérès, Marcel  248 Peter, Claus  239 Petschnigg, Edith  246 Petzold, Johannes  188 Pfaff, Peter  208 Pfleger, Michael  141 Picard, Timothée  250 Pickel, Gert  13, 15, 18, 27, 29 Pietschmann, Klaus  234 Plieth, Martina  163 Plüss, David  151, 234 Pohl-Patalong, Uta  25 Poisblaud, Damien  248 Poorthuis, Marcel  113 Purcell, Christine  236 Quast, Thomas  245 Quetin, Laurine  250 Raithel, Andreas  34 Ranta, Aija-Leena  235 Raschzok, Klaus  11, 152 Ratzinger, Joseph  166 Ratzmann, Wolfgang  13, 15, 18, 27, 29 Rautenberg, Alan Dergal  249 Rebenich, Stefan  212 Recht, Roland  249 Rehm, Johannes  147 Reif, Stefan C.  118 Reinke, Stephan A.  180, 236, 245 Rendtorff, Franz  58 Rentsch, Ivana  242 Reske, Peter C.  235 Rethmeier, Cindy  122 Rettinghaus, Karl  83 Reuter, Hannalore  239 Ribbers, Joke  243 Richez, Jean-Claude  249 Richter, Ludwig  242 Riegel, Jürgen  156 Riehm, Heinrich  173 Robert, Philippe  248 Rochol, Hans  31 Roessler, Roman  11 Römer, Jürg  240 Rose, Els  113 Rosenberg. Michael  156 Rösing, Helmut  235

Rößler, Martin  243 Rouwhorst, Gerard  157 Rouwhorst, Gerard A. M.  114 Rudolph, Hartmut  209 Runowski, Michael F.  240 Ruthen, Franziskus Valentin  243 Ruth, Lester  121, 122 Ruwe, Andreas  110 Rytsareva, Marina  76 Saffer, Martin  248 Sahmland, Irmtraut  240, 242 Sauer-Geppert, Waldtraut Ingeborg  171 Sauter, Hannes  163 Schabram, Kai Marius  243 Schäfer, Christiane  245 Scharnowski, Hans-Werner  187 Schedius, Paul  244 Scheidgen, Andreas  168 Scheitler, Irmgard  240, 241, 242 Schilling, Johannes  238, 243 Schindehütte, Katrin  153 Schirmer, Uwe  140 Schläpfer, Esther  235 Schlegel, Helmut  238 Schleiermacher, Friedrich  30 Schlenker, Martin  202 Schlink, Edmund  49 Schmidt, Andreas  236 Schmidt, Georg  243 Schmitt, Berthold  202 Schmitt-Engelstadt, Christian  243 Schmitz, Heinz-Walter  138 Schmitz, Peter  239 Schnath, Gerhard  188 Schneider, Martin Gotthard  202 Schneider-Böklen, Elisabeth  242 Schnocks, Johannes  110 Schöffer, Peter  244 Schrader, Hans-Jürgen  240, 242 Schröder, Paul  203 Schroeter-Wittke, Harald  180, 181, 239 Schubert, Anselm  75, 76, 78 Schubert, Benedict  235 Schubert, Franz  241 Schüle, Andreas  104 Schulte, Ludger  150 Schulz, Claudia  30 Schütz, Heinrich  243

Verzeichnis der Personennamen Schwaetzer, Irmgard  86 Schwarz, Reinhard  43, 45, 56 Scott, John  227, 228, 230, 232 Sehling, Emil  135 Senkel, Christian  167 Senn, Frank C.  123 Simon, Wolfgang  49 Skrjabin, Elena  208 Slenczka, Notger  22 Smend, Rudolf  101 Söding, Thomas  51, 157 Söhngen, Oskar  173 Sommer, Ernst  176 Sparre, Sieglinde  148 Speller, John  218 Spichtig, Peter  241, 244 Spieß, Tabea  30 Spinks, Bryan  120 Spitta, Friedrich  249 Stählin, Wilhelm  61, 181, 182 Stamer, Torben  236 Stăniloae, Dumitru  146 Stapfer, Johannes  172 Stefan, Hans-Jürg  202, 207, 213, 214, 244 Steiner, Till Magnus  109 Steinmetz, Michel  248 Stengel, Friedemann  37 Stephens, Charles E.  227, 233 Sternberg, Thomas  51, 86 Stobaeus, Johann  241 Stoltze, Regine  163 Storz, Harald  202, 207 Strosche, Patrick  241 Strungytė-Liugienė, Inga  241 Sturm, Jean  249 Sturm, Julius  173 Taylor, Gordon  236 Tel, Martin  236 Temperley, Nicholas  174 Tenbergen, Teresa  236 Tenhaef, Peter  241 Tétaz, Jean-Marc  249 Thiessen, Jacob  118 Thomas, Wilhelm  176, 182 Thoraval, Fanch  249 Thurmair, Georg  167 Trappe, Christian  13, 35 Traube, Alexandre  248

Treutlein, Josef  163 Troeger, Thomas H.  243 Tumanov, Rostislav  137 Tworuschka, Uwe  239 Uelsberg, Gabriele  155 Ühlein, Hermann  177 Urban, Albert  246 Vajta, Vilmos  45 van der Loenen, René  243 van Zaanen, Menno M.  216 Vehe, Michael  168 Veit, Lothar  245 Vénuat, Monique  249 Verebics, Petra  103 Vette, Manfred  107 Vincent, Charles  227, 233 Viret, Jacques  247, 248 Vögele, Wolfgang  153 Vogel, Wolfgang  163 Vogt, Emanuel  202 Vogt, Fabian  164 Völker, Alexander  7, 215, 244 Volp, Ulrich  236 von Meseritz, Elisabeth  242 Vouga, François  249 Vulcan, Ruxandra  249 Vulpius, Melchior  235 Wabel, Thomas  236 Wackenheim, Michel  248 Wagner-Rau, Ulrike  157 Wahle, Stephan  50 Walter, Axel E.  241 Walter, Johann  243, 244 Walter, Meinrad  246 Watzatka, Ágnes  235 Weber, Édith  247, 248, 249 Weber, Matthias  239 Weichenhan, Susanne  242 Weigel, Sigrid  67, 68 Weiling, Christoph  58 Weiß, Christa  166 Weiss, Hans-Martin  147 Wels, Volkhard  240 Wendebourg, Dorothea  49, 238 Wenner, Rosemarie  88 Wenzelmann, Adelheid  160

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Verzeichnis der Personennamen

Werner, Fritz  202 Werner, Roland  164 Wesley, Charles  243 Wesley, Samuel Sebastian  227 Westphal, Siegrid  243 Wiblé, Michel  249 Wick, Peter  73 Wiemer, Hans-Ulrich  117 Wilckens, Ulrich  28 Wilk, Florian  113, 119 Willer, Stefan  67, 68 Willgren, David  108 Williams, Laurie  218, 233 Winkler, Eberhard  58 Winter, Christian  237 Winter, Stephan  157 Wissemann-Garbe, Daniela  234 Wit, Jan  243 Witte, Markus  103 Wöhler, Arnd  243

Woityla, Karol Jósef  166 Wolff, Jens  243 Wolgast, Eike  136 Wolgast, Emil  135 Wolter-von dem Knesebeck, Harald  149, 155 Wundt, Wilhelm  61 Younan, Munib  84 Žák, Lubomir  146 Zehendner, Christoph  187 Zeindler, Matthias  151, 234 Zeiß-Horbach, Auguste  154 Zeller, Madeleine  238, 247 Zerfaß, Alexander  157, 241 Ziegler, Johann Rudolf  172 Zijlstra, Jaap  243 Zimmerling, Peter  154, 155, 242 Zwickel, Wolfgang  106

Ständige Berater Pfarrerin Dr. Ilsabe Alpermann, Berlin Dozent Günter Balders, Berlin Kantor Pfarrer Peter Ernst Bernoulli, Rümlingen / BL (Schweiz) Prof. Dr. Christfried Böttrich, Greifswald Prof. Dr. Bruno Bürki, Neuchâtel (Schweiz) Prof. Dr. Joachim Conrad, Püttlingen Prof. Dr. Peter Cornehl, Hamburg Dr. Ilona Ferenczi, Budapest (Ungarn) Prof. Dr. Gerhard Hahn, Regensburg Canon Prof. Dr. David R. Holeton, Toronto / Prag (Kanada / Tschechische Republik) Dr. Ada Kadelbach, Lübeck Prof. Dr. Konrad Klek, Erlangen Prof. Dr. Dr. Elsabé Kloppers, Pretoria (Südafrika) Prof. Dr. Hermann Kurzke, Mainz Dr. Helmut Lauterwasser, München Rev. Prof. Dr. Robin A. Leaver, Dover (USA) Pfarrer em. Dr. h. c. Jens Lyster, Broager (Dänemark) Dr. Andreas Marti, Liebefeld (Schweiz) Prof. Dr. Michael Niemann, Rostock Prof. Dr. Franz Karl Praßl, Graz (Österreich) Prof. ém. Dr.ès lettres Édith Weber, Paris (Frankreich)

Autorinnen und Autoren Autoren Liturgik Prof. Dr. E. Byron Anderson Garrett-Evangelical Theological ­ Seminary 2121 Sheridan Road Evanston, Illinois 60201 (USA) E-Mail: [email protected] www.garrett.edu Dr. Ekaterina Antonenko 119313 Moskau Leninski prospekt 93–167 E-Mail: [email protected] www.mosconsv.ru Prof. Dr. Alexander Deeg Theologische Fakultät der Universität Leipzig Institut für Praktische Theologie Martin-Luther-Ring 3 04109 Leipzig E-Mail: [email protected] http://pt.theol.uni-leipzig.de/ personen/prof/deeg/ Dr. Thomas Melzl Gottesdienst-Institut der Evang.Luth. Kirche in Bayern Sperberstr. 70 90461 Nürnberg E-Mail: [email protected] www.gottesdienstinstitut.org

Prof. Dr. Reinhard Müller Institut für Altes Testament Evang.-Theol. Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Universitätsstr. 13–17 48143 Münster E-Mail: [email protected] www.uni-muenster.de Prof. Dr. Jörg Neijenhuis Ruprecht-Karls Universität Heidelberg Praktische Theologie Mombertstr. 11 69126 Heidelberg E-Mail: [email protected] www.neijenhuis.de www.theologie.uni-heidelberg.de/ fakultaet/personen/neijenhuis.html Prof. Dr. Anselm Schubert Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Fachbereich Theologie Kochstr. 6 91054 Erlangen E-Mail: [email protected] www.theologie.uni-erlangen. de/institute/institut-fuerkirchengeschichte/lehrstuhlfuer-kirchengeschichte-ii-neuerekirchengeschichte.html

Autorinnen und Autoren

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Autoren Hymnologie Prof. Dr. Beat Föllmi Professeur de Musique sacrée et d’hymnologie Université de Strasbourg Faculté de Théologie Protestante Palais Universitaire 9 place de l’Université / BP 90020 F-67084 Strasbourg Cedex [email protected] http://theopro.unistra.fr/presentation/ enseignants-chercheurs/equipeactuelle/b-foellmi/ Dr. Stephan Goldschmidt Theologischer Referent und ­ Geschäftsführer der Liturgischen Konferenz in der EKD Appelstraße 18 30167 Hannover [email protected] Dr. Martin J. M. Hoondert Associate Professor Tilburg University – School of Humanities and Digital Sciences Department of Culture Studies PO Box 90153 5000 LE Tilburg The Netherlands [email protected] https://www.tilburguniversity.edu/ webwijs/show/m.j.m.hoondert-1.htm Dr. Andreas Marti Könizstr. 252 CH-3097 Liebefeld [email protected]

Antonie (Ton) Meijer Tilburg University – School of Humanities and Digital Sciences PO Box 90153 5000 LE Tilburg The Netherlands [email protected] www.anglicanchant.nl Pastor Harald Storz Jacobikirchhof 1 37073 Göttingen [email protected] Prof. ém. Dr. Édith Weber 10–16 rue Thibaud F-75014 Paris [email protected] Dr. Daniela Wissemann-Garbe Moischter Str. 52 35043 Marburg [email protected] Dr. Menno M. van Zaanen Assistant Professor Tilburg University – School of Huma­n ities and Digital Sciences Department of Cognitive Science and Artificial Intelligence PO Box 90153 5000 LE Tilburg The Netherlands [email protected] https://www.tilburguniversity.edu/ webwijs/show/m.m.vanzaanen-1.htm