Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie: 2014 9783666572241, 9783525572245, 9783647572246


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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie: 2014
 9783666572241, 9783525572245, 9783647572246

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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie

53. Band 2014

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525572245 — ISBN E-Book: 9783647572246

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525572245 — ISBN E-Book: 9783647572246

J AHRBUCH FÜR L ITURGIK UND H YMNOLOGIE 53. Band – 2014

Herausgegeben von Alexander Deeg Ada Kadelbach Andreas Marti Michael Meyer-Blanck Jörg Neijenhuis Irmgard Scheitler Matthias Schneider Helmut Schwier in Verbindung mit der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie, dem Interdisziplinären Arbeitskreis Gesangbuchforschung Mainz, dem Liturgiewissenschaftlichen Institut Leipzig, der Liturgischen Konferenz Deutschlands

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525572245 — ISBN E-Book: 9783647572246

Begründet 1955 von Konrad Ameln, Christhard Mahrenholz und Karl Ferdinand Müller

Schriftleiter: Prof. Dr. theol. Jörg Neijenhuis, Mombertstr. 11, 69126 Heidelberg E-Mail: [email protected] (Liturgik) Prof. Dr. theol. Andreas Marti, Könizstr. 252, CH-3097 Liebefeld E-Mail: [email protected] (Hymnologie) Manuskripte und Rezensionsexemplare bitte nur an die Schriftleiter schicken.

Mit 7 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar ISBN 978-3-525-57224-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Liturgik Sehnsucht nach Einheit oder Lob der Vielfalt? Auf dem Weg zu einer neuen ‚Agende‘ für die evangelischen Kirchen in Deutschland Alexander Deeg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Ökumenische Reformen evangelischer Agenden in Deutschland Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

Liturgie an den Hauptkirchen Mindens. Einige Erwägungen in qualitativer Absicht Alexander Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Literaturbericht zur Liturgik Methodisch vielseitig und theologisch reflektiert. Literaturbericht zum Neuen Testament und der antiken Welt (2009–2013) Helmut Schwier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

Literaturbericht Liturgik der deutschsprachigen Länder 2013 (2012) Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

Hymnologie Images of a Hymnal. Criteria for selecting songs derived from constructed meaning of a hymnal Nienke van Andel, Martin J. M. Hoondert, Marcel Barnard . . . . . . . . . . . .

143

Liedboek – Zingen en bidden in huis en kerk. Ein Porträt des neuen niederländischen Gesangbuchs Christiaan van de Woestijne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

Verschollen geglaubte Gesangbücher der Reformationszeit wiederentdeckt Helmut Lauterwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

Das Jakobslied und seine Rezeption in der Frühen Neuzeit Irmgard Scheitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

Marderhunde im Gesangbuch Jens Lyster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200

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Inhalt

Der Sammelband Luzern-Crecelius. Rekonstruktion einer verschollenen Quelle von Liedflugschriften Eberhard Nehlsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208

Neues von Komponisten und Dichtern des Evangelischen Gesangbuchs und vergleichbarer Gesangbücher (10) Wolfgang Herbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252

Literaturbericht zur Hymnologie Literaturbericht Hymnologie. Deutschsprachige Länder (2011, 2012) 2013 Andreas Marti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254

Literaturbericht Hymnologie. Französischsprachige Länder 2012–2013 Édith Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264

Literaturbericht Ungarn 2006–2008 Ilona Ferenczi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Register Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277

Verzeichnis der Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

Ständige Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geleitwort Im liturgischen Teil des 53. Bandes sind zwei Beiträge publiziert, die zunächst als Vorträge während des Kongresses der internationalen ökumenischen Vereini­ gung Societas Liturgica in Würzburg im August 2013 gehalten wurden. Der Kongress, an dem etwa dreihundert Liturgiewissenschaftler teilnahmen, stand unter dem Thema der Liturgiereformen in den Kirchen. Mit diesem Thema haben sich auch die beiden Beiträge auseinandergesetzt, die im Jahrbuch nun in überarbeiteter und erweiterter Form abgedruckt sind: Alexander Deeg hat sich mit der zukünftigen Agendenarbeit der Evangelischen Kirchen in Deutschland befasst, deren Motive sowohl eine Sehnsucht nach Einheit als auch ein Lob der Vielfalt sein könnten. Er plädiert dafür, Abstand von einer „Wut des Gestaltens“ zu nehmen und sich eher dem Wesen des Spiels zu nähern, um auf diesem Weg zukünftig Agenden zu erarbeiten. Jörg Neijenhuis zeichnet die ökumenischen Bemühungen nach, die sich in den Agenden zeigen: Das Evangelische Gottes­ dienstbuch 1999 hat erkennbar an ökumenischer Gestalt gewonnen, und auch die Kasualagenden, die in den nachfolgenden Jahren erarbeitet und veröffent­ licht wurden für die Tauf-, Konfirmations-, Trauungs- und Bestattungsfeiern, für die Feiern zu Passion und Ostern, aber auch zur Amtseinsetzung, lassen ökumenische Spuren erkennen. Aber auch Grenzen des ökumenisch Möglichen werden deutlich. Alexander Völker hat als sich nunmehr im Ruhestand befind­ ender Liturg seine Gottesdiensterfahrungen notiert, die er als Gemeindeglied in seinem Wohnort Minden macht. Sein Perspektivenwechsel veranlasst ihn zu ganz unterschiedlichen Reflexionen, aber auch zu Kritik und Forderungen an einen evangelischen Gottesdienst. Den Literaturbericht zum Neuen Testament hat diesmal Helmut Schwier ver­ fasst, da Christfried Böttrich, der in den vergangenen Jahren diesen Bericht geschrieben hat, aufgrund anderer Aufgaben davon entbunden werden wollte. Die Herausgeber danken ihm von Herzen für seine gewissenhafte Arbeit und die damit verbundenen großen Mühen! Wir freuen uns, dass Helmut Schwier diese Aufgabe weiterführen wird, denn er ist dazu geradewegs prädestiniert, da er auf seinem Lehrstuhl in Heidelberg das Neue Testament mit der Praktischen Theologie verbindet. Jörg Neijenhuis hat wie jedes Jahr den deutschsprachigen Literaturbericht Liturgik verfasst, dieses Mal für das Jahr 2013. Die hymnologischen Beiträge gehen die Geschichte des Gesangbuchs gleichsam von beiden Extremen her an: Am neuen niederländischen Gesangbuch zeigt Nienke van Andel mit zwei Mitautoren, wie sich bei der Gesangbucharbeit Kri­ terien bilden, dies auf der Basis ihrer langjährigen methodischen Beobachtung der Beratungen. Dasselbe Gesangbuch erfährt eine charakterisierende Darstel­ lung durch Christaan van de Woestijne. Auf die Beiträge zu dieser neuesten Edi­ tion folgen im Band jene zu den ältesten: ein Bericht von Helmut Lauterwasser über sensationelle Funde von Gesangbüchern des ersten Reformationsjahr­

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Geleitwort

zehnts und die Rekonstruktion des Inhalts eines verschollenen und wahrschein­ lich definitiv verlorenen Sammelbandes von Liedflugschriften durch Eberhard Nehlsen. Mit der Rezeption von Liedern durch die Jahrhunderte befassen sich zwei weitere Texte: Die Jahrbuch-Mitherausgeberin Irmgard Scheitler stellt das Lied der Jakobspilger in seinen verschiedenen Phasen und Fassungen vor, und Jens Lysters „Marderhunde“ sind Lieder, die sich unter manchmal merkwürdi­ gen Umständen in Gesangbücher eingeschlichen haben. Wie üblich ist die hymnologische Dokumentation gewährleistet durch Wolf­ gang Herbsts Nachträge zur Biographie von Liedautoren und durch die Litera­ turberichte für den deutsch-, französisch- und ungarischsprachigen Raum. Im Juni 2014

Die Herausgeber

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Sehnsucht nach Einheit oder Lob der Vielfalt? Auf dem Weg zu einer neuen ‚Agende‘ für die evangelischen Kirchen in Deutschland1

Alexander Deeg

1. Der evangelische Gottesdienst und die vielen evangelischen Gottesdienste. Grundlegendes zur Zukunft der Agendenarbeit Den evangelischen Gottesdienst gab es noch nie. Oder es gab ihn schon immer. Beide Aussagen sind richtig und hängen zentral davon ab, wie das Adjektiv evangelisch in Verbindung mit dem Substantiv Gottesdienst verstanden wird. Den evangelischen Gottesdienst gab es noch nie – und Luther meinte in der Vorrede zur Deutschen Messe (1526), dies sei auch gut und richtig so. Es müsse nicht überall derselbe Gottesdienst in seinem Ablauf, in seinen Worten und Lie­ dern gefeiert werden. Innerhalb eines bestimmten Gebietes freilich sei dies – aus rein pragmatischen Gründen – hilfreich. Aber selbst da werde es immer unter­ schiedliche Gestalten des Gottesdienstes geben, die Luther als die drei Formen der lateinischen Messe, der deutschen Messe und des Gottesdienstes für die, „die mit Ernst Christen zu sein begehrten“, vorstellt.2 Unterschiedliche Tradi­ tionen und Gewohnheiten, unterschiedliche Prägungen und Vorlieben der Feiernden führen immer zu einer Vielzahl der evangelischen Gottesdienste – und führten bereits im 16. Jahrhundert zu einer recht bunten Fülle von Agen­ den, die sich in 500 Jahren Reformationsgeschichte immer weiter ausdifferen­ zierten (trotz aller zwischenzeitlicher Einigungsversuche auf unterschiedlichen Ebenen!3). Den evangelischen Gottesdienst gibt es schon immer – als den Gottesdienst, den Eberhard Jüngel als den evangelisch verstandenen Gottesdienst bezeich­ nete.4 Es ist dies der Gottesdienst, der nicht nur vom Evangelium, von der fro­ 1 Es handelt sich bei diesem Beitrag um die deutlich überarbeitete Fassung eines Vortrags, der zuerst auf der Konferenz der Societas Liturgica im Sommer 2013 in Würzburg gehalten wurde. 2 Vgl. WA 19,44–113; in Auszügen auch zitiert bei Meyer-Blanck, Michael: Liturgie und Litur­ gik. Der Evangelische Gottesdienst aus Quellentexten erklärt. Göttingen 22009, 44–74, hier: 45–49, Zitat: 48. 3 Vgl. dazu Meyer-Blanck, Michael: Agenda. Zur Theorie liturgischen Handelns. Tübingen 2013, 15–54 [Freiheit der Mitteilung und Darstellung. Das Verhältnis von liturgischer und kirchli­ cher Ordnung anhand der Entstehung der preußischen Agenden von 1822 und 1895]. 4 Vgl. Jüngel, Eberhard: Der evangelisch verstandene Gottesdienst. In: ders., Wertlose Wahrheit.

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Alexander Deeg

hen Botschaft ‚herkommt‘, sondern dieses Evangelium feiert, es in Brot und Wein, im Wasser der Taufe und im Wort der Verkündigung Gestalt gewinnen lässt. Es ist der Gottesdienst, der auf die Gabe Gottes und seine Aktivität grün­ det und insofern Gottes Dienst an uns ist (im Sinne eines genitivus subjectivus) – und nicht zuerst unser Dienst Gott gegenüber. Es ist dies der Dienst, den Gott an uns tut, indem er spricht und wir ihm antworten.5 Es ist dies der Gottes­ dienst, der vom Menschen aus in einer pathisch-responsiven Struktur beschrie­ ben werden kann, wie sie der Philosoph Bernhard Waldenfels in kulturwissen­ schaftlicher Perspektive analysiert hat.6 Zuerst das Pathos, das Erleiden, die Pas­ sivität, dann die Antwort, die Reaktion – ein Wechselspiel, das in die so schwer zu beschreibende und noch schwerer zu realisierende aktive Passivität derer führt, die im Gottesdienst immer neu zu Christenmenschen und zur Gemeinde des lebendigen Gottes werden.7 Nimmt man die beiden Antworten auf die Frage, ob es den evangelischen Gottesdienst gibt oder nicht, zusammen, so ließe sich leicht wie folgt antworten: theologisch ja, liturgisch-praktisch nein. Als Hintergrund oder leitende Idee ja, in der Praxis der Feiergestalt aber nein. Diese Antwort klingt suggestiv und erscheint gut erschwinglich. Sie leidet freilich unter einem Problem, das m. E. als das philosophische und damit auch theologische Problem der Neuzeit beschrie­ ben werden kann: die Trennung von Inhalt und Form, die dann meist mit der faktischen Geringschätzung oder mindestens Beliebigmachung der äußeren Form einhergeht. Unter anderem auch bei Martin Luther lässt sie sich vielfach greifen8 – und durchzieht die Geschichte der Philosophie und der Theologie bis zum Höhepunkt des Idealismus Hegels, aber auch bis in die Gegenwart. Im Blick auf die liturgische Gestaltung hat dies dann zur Folge, dass liturgie­ theologische Überlegungen und praktische Gestaltungsfragen eigentümlich getrennt voneinander betrachtet werden. Das theologische Fundament scheint klar – und man ist überzeugt, dass man auf dieser Grundlage recht frei und viel­ fältig zur Gestaltung fortschreiten kann. Die Argumente für diese oder jene Feiergestalt sind dann nicht selten rein pragmatisch, manchmal ganz offen funk­ tional: Menschen seien besser ansprechbar durch diese oder jene Feiergestalt; Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens. Theologische Erörterungen III (BEvTh 107). München 1990, 283–310. 5 So auch die Wendung Martin Luthers aus seiner Torgauer Kirchweihpredigt (vgl. WA 49, 588), die seit dem 19. Jh. „Torgauer Formel“ genannt wurde und sich in vergleichbarem Wortlaut auch in „Sacrosanctum Concilium“, der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, findet (SC 33). 6 Vgl. Waldenfels, Bernhard: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden. Frankfurt/M. 2006, 34–55. 7 Vgl. zu diesen Bestimmungen des evangelischen Gottesdienstes auch meine Überlegungen in: Deeg, Alexander: Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt. Überlegungen zu einer evangeli­ schen Fundamentalliturgik (APTLH 68). Göttingen 2012, bes. Kap. 5; vgl. auch Meyer-Blanck, Michael: Agenda (s. Anm. 3), 15, der von „aktivische[r] Passivität“ oder vom „handelnde[n] NichtHandeln“ spricht. 8 Vgl. Deeg, Alexander: Das äußere Wort (s. Anm. 7), Kap. 2 (etwa im Kontext von Luthers Bildtheologie greifbar).

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Sehnsucht nach Einheit oder Lob der Vielfalt?

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dieses oder jenes werde heute nicht mehr verstanden und müsse daher weggelas­ sen werden; ‚Besucherinnen‘ und ‚Besucher‘ wollen dies oder jenes im Gottes­ dienst erleben – und daher müsse so gehandelt werden. Zum Beispiel lieber nur eine Lesung aus der Bibel, denn die Lesungen seien ja ohnehin recht schwer ver­ ständlich. Oder besser kein trinitarisches Votum zu Beginn, sondern schlicht eine freie Begrüßung. Oder vielleicht kein Abendmahl, denn das dauert vielen zu lang. Es ist überhaupt nicht verwerflich, auch solche Fragen in den Blick zu neh­ men. Und es wäre grotesk, wenn die Wünsche und Erfahrungen derer, die Got­ tesdienst feiern, keine Rolle spielten.9 Das Problem aber liegt darin, dass die theologische Grundlage geklärt scheint und der Zusammenhang von Theologie und Gestalt, von Form und Inhalt, der seit vielen Jahren im ästhetischen Para­ digma der (Praktischen) Theologie betont wurde, ausgeblendet wird. Eine Konsequenz daraus ist, dass auf der liturgie-praktischen Ebene viel Energie in die Entwicklung neuer Gottesdienstformate fließt – und der „andere Gottesdienst“ oder das „zweite Programm“ zum eigentlichen Ort liturgischer Leidenschaft im Protestantismus wird.10 Die Vielfalt, die entsteht, kann gerade zum Ausweis für das nicht nachlassende Wirken des Heiligen Geistes in den evangelischen Kirchen erklärt werden. Bunt, wie der Geist eben sei, so sei auch das Gottesdienstangebot und genauso entspreche es dem Selbstbild der evangeli­ schen Kirche in der Gegenwart.11 Die Vielfalt wird in solcher Argumentation schon für sich genommen zum theologischen Qualitätskriterium. Es gibt Gegenbewegungen gegen dieses Lob liturgischer Pluralität und gegen das Pathos der Vielfalt. Drei benenne ich: (1) Pointiert hat der Erlanger Praktische Theologe Martin Nicol eine theologisch und ästhetisch akzentuierte Programmschrift zum evangelischen Gottesdienst mit dem Untertitel „Plädoyer für den Evangelischen Gottesdienst“ vorgelegt.12 Nicol wagt es, von dem evangelischen Gottesdienst zu sprechen – und dazu wechselweise auch die

9 Vgl. nur die wichtigen empirischen Erkenntnisse zu Feierlogiken des evangelischen Gottes­ dienstes bei Pohl-Patalong, Uta: Gottesdienst erleben. Empirische Einsichten zum evangelischen Gottesdienst. Stuttgart 2011, oder auch in der Untersuchung des Gottesdienstinstituts der ELKB (vgl. www.gottesdienstinstitut.org). – Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags liegen die Ergebnisse der neuen, fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung nur in sehr begrenzter Auswahl vor. 10 Vgl. ähnlich auch Raschzok, Klaus: Die notwendige Fortsetzung des agendarischen Erneue­ rungsprozesses. Ergebnisse einer Ausschussarbeit. In: Meyer-Blanck, Michael/ders./Schwier, Hel­ mut (Hg.), Gottesdienst feiern. Zur Zukunft der Agendenarbeit in den evangelischen Kirchen, Gütersloh 2009, 9–25, 23: „Augenblicklich stehen die deutschen evangelischen Landeskirchen in der Gefahr, die Bedeutung ihrer traditionellen Gottesdienstformen am Sonntagmorgen über ihrer zu starken Fixierung auf die ‚ganz anderen‘ Gottesdienste zu unterschätzen. […] Im Grunde sind es inzwischen die ‚ganz anderen‘ Gottesdienste, welchen die amtskirchlichen Sympathien gelten.“ 11 Vgl. zum Wechselspiel von Kirchenbildern und Liturgiegestalt Deeg, Alexander: Kirche aus dem Wort. Ekklesiologische Implikationen für eine Theologie des Gottesdienstes aus lutherischer Sicht. In: Jeggle-Merz, Birgit/Kranemann, Benedikt (Hg.): Liturgie und Konfession. Grundfragen der Liturgiewissenschaft im interkonfessionellen Gespräch, Freiburg/Basel/Wien 2013, 180–196. 12 Hervorhebung von mir [AD].

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Alexander Deeg

Wendung „agendarischer“ oder „traditioneller“ Gottesdienst zu verwenden.13 Diesem gelten seine Leidenschaft und sein Plädoyer. Er lasse sich vielleicht am ehesten negativ definieren als all jene Feierformen, die nicht dem „zweiten Programm“ zugehören, als all das, was den ‚normalen‘, den ‚ganz normalen‘ Gottesdienst bezeichnet, der – wie Nicol schreibt – „sonntäglich zwischen der Messform lutherischer und dem Predigtgottesdienst reformierter Provenienz begangen wird“, den Gottesdienst, wie er „mit reichem Erbe und manchen Geburtsfehlern auf uns gekommen ist.“14 Dieser Gottesdienst, der faktisch auch das Leitbild des Evangelischen Gottesdienstbuches sei, habe gegenwärtig Fürspra­ che nötig, weil er als der ganz normale Gottesdienst allzu stark in Bedrängnis geraten sei. (2) In der Liturgischen Konferenz machte man sich Mitte des vergangenen Jahrzehnts Gedanken zur Fortführung des agendarischen Erneuerungsprozesses und kam auch dort zu dem in der Schrift „Gottesdienst feiern“15 vorgestellten Ergebnis, dass es der von Klaus Raschzok „traditionskontinuierlich“16 genannte Gottesdienst sei, dem zunächst die Aufmerksamkeit gelten sollte.17 Jenem Gottesdienst also, der noch immer die Mehr­ heit der am Sonntagmorgen gefeierten Gottesdienste ausmache, der sich in einer langen Geschichte aus der Tradition der abendländischen Messe entwickelte und der sich über die Agende I bis zum Evangelischen Gottesdienstbuch erhalten habe. Er wird u. a. einge­ zeichnet in kulturwissenschaftliche Diskussionen zum kulturellen Gedächtnis und wird in dieser Hinsicht auch als Archiv des Gedächtnisses der Kirche verstanden.18 Im Hintergrund dieser Konzentration auf den traditionskontinuierlichen Gottesdienst steht dabei auch die Einsicht, dass sich eine der Grundideen des Evangelischen Gottes­ dienstbuches nicht bewährt habe. Die Idee nämlich, dass die Ermittlung einer gemeinsa­ men Struktur des Gottesdienstes dazu beiträgt, die verschiedenen Feierformen (eines ‚ersten‘ und ‚zweiten Programms‘) so zu verbinden, dass die Einheit des evangelischen Gottesdienstes erlebt wird.19 Erlebt werden (das zeigt inzwischen auch die Rezeptions­ studie zum Evangelischen Gottesdienstbuch20 und das hatte vor Jahren bereits Manfred Josuttis in seiner Kritik an dem formalen Strukturbegriff herausgearbeitet21) nicht Struk­ turen, sondern Gestalten. 13 Inzwischen spricht Nicol auch vom „traditionsoffenen“ Gottesdienst (vgl. Nicol, in: Nach­ richten der ELKB). 14 Nicol, Martin: Weg im Geheimnis. Plädoyer für den evangelischen Gottesdienst. Göttingen 3 2010, 10. 15 Meyer-Blanck, Michael/Raschzok, Klaus/Schwier, Helmut (Hg.): Gottesdienst feiern. Zur Zukunft der Agendenarbeit in den evangelischen Kirchen. Gütersloh 2009. 16 Vgl. Raschzok, Klaus: Die notwendige Fortsetzung des agendarischen Erneuerungsprozesses (s. Anm. 10), 10.15 u. ö. 17 Vgl. inzwischen auch Raschzok, Klaus: Traditionskontinuierlicher Gottesdienst. Eine termi­ nologische Neuschöpfung und ihre Begründung. In: Quatember 11 (2013) 205–213; vgl. kritisch dazu: Fechtner, Kristian: „Traditionskontinuierlicher Gottesdienst“? Zum Verhältnis von Tradition und Erneuerung in der evangelischen Kirche, in: Jeggle-Merz, Birgit/Kranemann, Benedikt (Hg.): Liturgie und Konfession. Grundfragen der Liturgiewissenschaft im interkonfessionellen Gespräch. Freiburg i. Br. 2013, 45–54. 18 Vgl. Raschzok, Klaus: Die notwendige Fortsetzung (s. Anm. 16), 19 f. 19 Anders urteilt hier Fechtner, Kristian: „Traditionskontinuierlicher Gottesdienst“? (s. Anm. 17), 52 f. 20 Vgl. Schulz, Claudia/Meyer-Blanck, Michael/Spieß, Tabea (Hg.): Gottesdienstgestaltung in der EKD. Ergebnisse einer Rezeptionsstudie zum „Evangelischen Gottesdienstbuch“ von 1999. Gütersloh 2011, bes. 50f-52.237 f. 21 Vgl. grundlegend Josuttis, Manfred: Die Erneuerte Agende und die agendarische Erneuerung.

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Sehnsucht nach Einheit oder Lob der Vielfalt?

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Am deutlichsten kann dies m. E. an der Entwicklung des Kollektengebetes in den ver­ gangenen Jahren abgelesen werden. Dass hier ein Gebet vorliegt, das den „Eröffnungsund Anrufungsteil“ beschließt, ist in der gottesdienstlichen Praxis wenig im Blick. Es schwankt in seiner Zuordnung zwischen „Eingangsgebet“ mit einem deutlichen Bezug auf die Situation zu Beginn des (teilweise freilich schon eine ganze Weile dauernden Got­ tesdienstes) und Gebet zu den Schriftlesungen (mit deutlichem Vorgriff auf den Teil „Verkündigung und Bekenntnis“). Der strukturelle ‚Einschnitt‘ im Übergang vom Eröff­ nungsteil zu „Verkündigung und Bekenntnis“ und mit ihm die Funktion des Kollekten­ gebets als die vielen Gebete des Eingangsteils bündelndes und auf das Proprium des Sonn- oder Feiertags bezogenes Gebet werden als solche eher nicht ‚erlebt‘.22 (3) Eine nochmals andere Tendenz zeigt sich gegenwärtig in den lutherischen Kirchen in Deutschland, konkreter: in der VELKD als vereinigter evangelisch-lutherischer Kirche. Hier wurde die faktische Vielfalt der Gottesdienstlandschaft auch als Problem wahrge­ nommen – vor allem als ein für die VELKD durchaus existenzielles Problem. Was eigent­ lich ist der lutherische Gottesdienst im weiten Feld der evangelischen Gottesdienste land­ auf landab? Gibt es ihn noch? Gibt es eine evangelisch-lutherische liturgische ‚Identität‘, die sich beschreiben ließe (und die – falls die Antwort „Ja“ lautet – auch im Blick auf die Existenzberechtigung der VELKD und ihrer liturgischen Arbeitsstellen eine nicht uner­ hebliche Bedeutung haben wird und kann)? Immerhin ist die Antwort auf die Frage schon soweit vorangeschritten, dass ein Papier vorliegt, das derzeit zur Diskussion gestellt wird und das in dreifacher Hinsicht ein „Ja“ auf diese Frage formuliert: „Ja“, es gibt theologische Grundüberzeugungen, die den evangelisch-lutherischen Gottesdienst prägen; „ja“, es gibt eine Geschichte und Tradition, die diesen Gottesdienst spezifisch macht; „ja“, es gibt Gestalten, die für diesen Gottesdienst charakteristisch sind.23 Inwie­ fern die in dem Papier gegebenen und durchaus divergenten Begründungen24 überzeugen können, kann an dieser Stelle nicht näher diskutiert werden.

Angesichts dieser etwas diffusen evangelisch-liturgischen Gemengelage stelle ich die Frage: Wie lässt sich der Weg zu einer „neuen Agende“, einer „erneuerten Agende“ oder einer zweiten, veränderten Auflage des „Evangelischen Gottes­ dienstbuchs“ (1999) beschreiten? Christhard Mahrenholz, einer der Väter des In: PTh 80 (1991) 504–516, ebenso auch Karl-Heinrich Bieritz: Struktur. Überlegungen zu den Implikationen eines Begriffs im Blick auf künftige Funktionen liturgischer Bücher. In: JLH 23 (1979) 32–52; wieder abgedruckt in: Karl-Heinrich Bieritz: Zeichen setzen. Beiträge zu Gottesdienst und Predigt (PTHe 22), Stuttgart 1995, 61–81. Jüngst hat sich auch Konrad Müller kritisch zum Struktur-Begriff und seiner „Überfunktionalisierung“ geäußert; vgl. ders.: Struktur, Milieu und Ver­ bundenheit. Überlegungen zur Fortführung gottesdienstlicher Reformprozesse. In: von Heyl, And­ reas/Kemnitzer, Konstanze Evangelia (Hg.): Modellhaftes Denken in der Praktischen Theologie. FS für Klaus Raschzok. Leipzig 2014, 147–167, bes. 148–160, Zitat: 158. 22 Vgl. dazu auch mein Plädoyer für die Wiederentdeckung des Kollektengebets: Deeg, Alexan­ der: Das Kollektengebet. Ein Plädoyer, in: Lehnert, Christian (Hg.): „Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen …“ Über die Kunst des öffentlichen Gebets (Impulse für Liturgie und Gottesdienst 1). Leipzig 2014, 38–48. 23 Evangelisch-lutherische liturgische Identität. Ansätze zu ihrer Bestimmung und Konsequen­ zen aus ihrer Formulierung. Texte aus der VELKD 169 (Januar 2014). 24 Das Papier stellt nacheinander Überlegungen zum Wechselspiel von lutherischem Bekennt­ nisstand und gefeiertem Gottesdienst, zur Traditionskontinuität des lutherischen Gottesdienstes und zum „äußeren Wort in leiblicher Gestalt“ als dialogisch-phänomenologisch orientierter Begrün­ dung vor.

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Alexander Deeg

Agendenwerks der 1950er Jahre, war überzeugt, dass der Prozess der Weiterar­ beit an der agendarischen Reform mit der Drucklegung einer Agende beginnen müsse.25 Faktisch ist genau dies bereits geschehen (wie das bereits erwähnte Dokument „Gottesdienst feiern“ der Liturgischen Konferenz zeigt). In welche Richtung aber könnte der Weg weisen? Geht es schlicht um eine zweite Auflage des „Evangelischen Gottesdienstbuches“ (mit veränderten Texten und einer der wahrscheinlich 2017 verabschiedeten revidierten Perikopenordnung angemesse­ nen Gestaltung der Proprien, einschließlich der neuen Wochenlieder und Psal­ men26)? Oder wird die Arbeit aufgrund der Einsichten zum Evangelischen Got­ tesdienstbuch nochmals in eine grundlegend andere Richtung geführt, indem ein Abschied vom Konzept des Evangelischen Gottesdienstbuchs erwogen und Neues versucht wird? Ich meine, die beiden Aspekte müssen sich nicht ausschließen und plädiere für ein EGb2, eine aktualisierte und revidierte Version des „Evangelischen Got­ tesdienstbuches“, das möglichst mit der Gültigkeit der revidierten Perikopen 2018 eingeführt wird, als einen ersten Schritt und für einen langsamen Weg hin zu einer möglicherweisen neuen Gestalt eines evangelischen Liturgiebuches, für den mir zunächst eine längere Phase des liturgischen Spiels unverzichtbar scheint. Die folgenden Ausführungen verstehen sich vor allem als ein Plädoyer für diese ‚Spiel-Phase‘ und setzen mit einer grundlegenden Beobachtung und Problematik ein.

2. Von der „Wut des Gestaltens“ zur Entdeckung einer Theologie der Gestalt Christoph Menke, Philosophieprofessor in Frankfurt am Main, legte 2013 sein Buch „Die Kraft der Kunst“ vor.27 Menke leitet seine Beobachtungen zur Kunst mit einer paradoxen Feststellung ein: Noch nie sei die Kunst so präsent gewesen wie gegenwärtig, noch nie aber sei die Gefahr so stark gewesen, dass die Kunst in der Gesellschaft unter- und verlorengehe. „Noch nie in der Moderne gab es mehr Kunst, war die Kunst sichtbarer, präsenter und prägender in der Gesellschaft als heute. Noch nie war die Kunst zugleich so sehr ein Teil des gesellschaftlichen Prozesses wie heute; bloß eine der vielen Kommunikationsformen, die die Gesellschaft ausmachen: eine Ware, eine Meinung, eine Erkenntnis, ein Urteil, eine Handlung. Noch nie in der Moderne war die Kategorie des Ästhetischen so zentral für das kulturelle Selbstverständnis wie in der gegenwärtigen Epoche […]. Noch nie war das Ästhetische zugleich so sehr ein bloßes Mittel im ökonomischen Verwertungspro­ zeß – sei es direkt, als Produktivkraft, sei es indirekt, zur Erholung von den Anstrengun­ 25 Zitiert bei Raschzok, Klaus: Die notwendige Fortsetzung des agendarischen Erneuerungs­ prozesses (s. Anm. 10), 12. 26 Vgl. www.perikopenrevision.de. 27 Menke, Christoph: Die Kraft der Kunst (stw 2044). Berlin 1.22013.

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gen der Produktion. Die ubiquitäre Gegenwart der Kunst und die zentrale Bedeutung des Ästhetischen in der Gesellschaft gehen einher mit dem Verlust dessen, was ich ihre Kraft zu nennen vorschlage – mit dem Verlust der Kunst und des Ästhetischen als Kraft.“28

Die Ubiquität der Kunst führe zu einer Funktionalisierung, die ihr die „Kraft“ nehme. „Die Kraft der Kunst besteht nicht darin, Erkenntnis, Politik oder Kri­ tik zu sein.“29 Menke erinnert an die Anfänge einer europäischen Kunstästhetik bei Sokrates. Dieser sieht die Kunst als eine Art der Kraftübertragung – und zwar so, dass die Kraft der Begeisterung, der Leidenschaft bzw. des Enthusias­ mus über den Künstler in das Kunstwerk übergehe.30 Gerade dies hält Sokrates für gefährlich und will die Kunst daher auch aus dem Gemeinwesen, das auf Vernunft basiert, verdammen.31 Dass das nicht möglich war, zeige die Geschichte der Kunst im Abendland. Ihre eigentümliche Kraft habe sie auch davor bewahrt. Menke unterscheidet streng zwischen „Kraft“ und „Vermögen“. Kraft sei geradezu der „ästhetische Gegenbegriff zu den (‚poietischen‘) Vermögen“.32 „Vermögen“ versteht Menke als so etwas wie eine Kompetenz (ein Begriff, den er so nicht verwendet), als „die Möglichkeit eines Subjekts, durch die Gesell­ schaft und die Sozialisierung ermöglicht, eine allgemeine Form zu verwirkli­ chen“.33 „Vermögen machen uns zu Subjekten, die erfolgreich an sozialen Prak­ tiken teilnehmen können, indem sie deren allgemeine Form reproduzieren. Im Spiel der Kräfte sind wir vor- und übersubjektiv – Agenten, die keine Subjekte sind; aktiv, ohne Selbstbewußtsein; erfinderisch, ohne Zweck.“34 Kunst sei „die Zeit und der Ort der Rückkehr vom Vermögen zur Kraft, des Hervorgehens des Vermögens aus der Kraft.“35 „Sobald das Ästhetische zu einer Produktivkraft im postdisziplinären Kapitalismus wird, ist es seiner Kraft beraubt; denn das Ästhetische ist aktiv und hat Effekte, aber es ist nicht produktiv.“36 Kraft hinge­ gen sei unmittelbar mit Freiheit verbunden. Menke entwickelt in diesen Bahnen einen Kunstbegriff, der deutlich produk­ tionsästhetisch orientiert ist (und sich so markant von den eher rezeptionsästhe­ tischen Kunstverständnissen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte37 unter­ scheidet). Das kann man als Einseitigkeit werten – oder gerade umgekehrt als

28 A. a. O., 11. 29 Ebd. 30 Vgl. a. a. O., 11 f. 31 Vgl. a. a. O., 12. 32 Ebd. 33 Ebd. 34 A. a. O., 13. 35 A. a. O., 14. 36 Ebd. 37 Vgl. nur z. B. Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk (stw 222). Frankfurt/M. 71996, und Danto, Arthur Coleman: Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst (stw 957). Frankfurt/M. 31996.

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Chance lesen, die produktionsästhetische Dimension bewusst wieder in den Blick zu rücken. Ich wage an dieser Stelle eine Bisoziation, einen Überschritt in die Welt des Gottesdienstes. Das liegt nahe, da der Gottesdienst ja nicht erst seit Rainer Volp und Albrecht Grözinger pointiert als „Kunstwerk“ verstanden und seit Jahr­ zehnten im Paradigma der Kunst reflektiert wird.38 Der emphatische Versuch Menkes, die Kunst den Kreisläufen der Funktionalisierung zu entreißen und ihr gerade so ihre „Kraft“ zurückzugeben (vielleicht wäre mit Benjamin auch von „Aura“ zu sprechen39), erinnert an Schleiermachers Unterfangen, das darstel­ lende vom wirksamen Handeln zu unterscheiden und den Gottesdienst ersterem zuzuordnen. Freilich hat auch das darstellende Handeln Wirkungen, aber es lässt sich eben nicht funktionalisieren (also: von vornherein Funktionen zuord­ nen und entsprechend gestalten). Anregend ist es, dass Menke auf die ‚gestaltenden Subjekte‘ blickt. Werden Künstler unter dem Aspekt des „Vermögens“ betrachtet, verschiebe sich das, was in der Kunst geschieht. Kunst wird zu nicht weniger, aber eben auch nicht mehr als zu einer Realisierung gesellschaftlich vorgegebener Formen: zur Kritik, zur Affirmation, zum politischen Beitrag … Ist dies auch die Gefahr, vor der ‚gestaltende Liturgen‘ (so einer der Begriffe, der in der Studie „Gottesdienstge­ staltung in der EKD“ als einer von fünf Idealtypen von Liturginnen und Litur­ gen beschrieben wird)40 stehen? Ist dies die Gefahr in einer Situation, in der der Blick auf liturgische, homiletische, rhetorische Kompetenzen in den Kirchen zu einem wesentlichen Paradigma der Wahrnehmung des „Personals“ geworden ist? Die Gefahr bestünde dann darin, den Gottesdienst einzupassen in das gesell­ schaftlich oder gemeindlich oder individuell Vorgegebene – und das Entgegen­ kommende, das Andere, die Unterbrechung, die „Kraft“, die mit der „Freiheit“ verbunden ist, nicht mehr wahrzunehmen.41 Es könnte sein, dass die „Wut des Gestaltens“ soweit um sich gegriffen hat, dass der Gottesdienst in seiner – mit Menke gesprochen – „Kraft“ ernstlich bedroht ist.42 Von der „Wuth des Verstehens“ hatte bereits Schleiermacher in seinen „Reden über die Religion“ 1799 (und dort im Kontext der Frage nach der „Bildung zur Religion“) gesprochen, als er eine Gefährdung des Religiösen

38 Vgl. hier bereits Schleiermachers Theorie des „Cultus“ und dazu knapp und präzise MeyerBlanck, Michael: Gottesdienstlehre (Neue Theologische Grundrisse). Tübingen 2011, 26–34. 39 Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: ders.: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt/M. 312008 [zuerst (franz.) 1936; erste deutsche Fassung 1955]. 40 Schulz, Claudia/Meyer-Blanck, Michael/Spieß, Tabea (Hg.): Gottesdienstgestaltung in der EKD (s. Anm. 20), 85–87. 41 In diese Richtung denkt auch Bernhard Waldenfels seit Jahren – und hat in seinem Buch „Hyperphänomene“ eine ebenso anregende wie herausfordernde Phänomenologie pathisch-respon­ siver Strukturen vorgelegt, die auch den Bereich der religiösen Hyperphänomene bedenkt; vgl. ders.: Hyperphänomene. Modi hyperbolischer Erfahrung (stw 2047). Berlin 2012. 42 Den Begriff „Wut des Gestaltens“ verdanke ich meinem ehemaligen Assistenten Pfr. Johannes Misterek (Massenheim).

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durch ein hypertrophes Verstehenwollen konstatierte und analysierte.43 Jochen Hörisch hat diese Wendung aufgenommen und in hermeneutischer Perspektive weitergeführt.44 Die „Wut des Verstehens“ führe dazu, dass Texte eingepasst werden in den Denk-, Erwartungs- und Erlebnishorizont des verstehenden Hermeneuten (mit der fatalen Konsequenz, dass am Ende „die Größten alle das­ selbe sagen“45). Hörisch plädiert demgegenüber für eine neue Aufmerksamkeit den Texten gegenüber. Anstatt verstehend zuzugreifen, sei das langsame, auf­ wendige und „auf jeden Buchstaben gleichschwebend aufmerksame Lesen“46 zu lernen, durch das Neues im Text entdeckt werden könne. Ein Gegengewicht findet die liturgische Wut des Gestaltens m. E. dort, wo die Theologie der Gestalt in den Blick kommt. Wie Hörisch hermeneutisch eine neue Würdigung des Textes fordert und eine neue Vertiefung in dessen Gestalt, so gilt es, die Vorgegebenheit der Liturgie für die Liturginnen und Liturgen als theologische Vorgabe und theologische Chance zu begreifen. Es gilt, die eigene Subjektivität zurücktreten zu lassen hinter der Erwartung, die in den tradierten Gestalten des Gottesdienstes liegt. Freilich: diese sind deshalb nicht unangreif­ bar – im Gegenteil. Das wäre ein Traditionalismus, der mit Fundamentalismus verwandt ist! Aber sie sind auch nicht so einfach abzulehnen, zu verändern, umzugestalten, wie dies häufig geschieht. Schlicht weil sie als gottesdienstliche Feiergestalten in der Tradition der Kirche ihre Rolle gespielt haben, ist damit zu rechnen, dass Menschen vor uns in diesen Gestalten, mit ihnen und durch sie Erfahrungen mit dem lebendigen Gott gemacht haben. In dieser Hinsicht ist die liturgische Tradition zwar nicht der Bibel gleichzuachten, aber doch in einer Strukturanalogie zu bedenken: Auch die Bibel versammelt alte Texte, auf denen als kanonischen Texten trotz ihres Alters und bleibend die Erwartung liegt, dass der lebendige Gott in, mit und unter ihnen jeweils neu sein Wort in die Zeit sagen wird. Dies schließt Bibelkritik keineswegs aus, bedeutet aber eben auch nicht, dass neu verschriftete religiöse Erfahrungen die Bibel ersetzen könnten. Analog sind überkommene liturgische Gestalten selbstverständlich zu kritisie­ ren, aber gleichwohl als Gestalten des Glaubensvollzugs zu würdigen, in, mit und unter denen Menschen erfahren haben, wie Gott sie darin anspricht und zum pathisch-responsiven Gegenüber macht. Die Bibel ist daher immer neu auszulegen, und gottesdienstliche Feiergestalten sind weiter zu entwickeln. Bei dieser Entwicklung der Feiergestalten scheinen mir Respekt gegenüber dem Überkommenen und Wertschätzung des Gegebenen ebenso wichtig wie der Blick auf die Gemeinschaft der Kirche, in die die Feiergestalten gehören. Die 43 Vgl. Schleiermacher, Friedrich: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Ver­ ächtern (1799), hg. v. Günter Meckenstock. Berlin/New York 2001, 120: „Mit Schmerzen sehe ich es täglich wie die Wuth des Verstehens den Sinn gar nicht aufkommen läßt […]“ (in der originalen Paginierung der Erstauflage: 144). 44 Vgl. Hörisch, Jochen: Die Wut des Verstehens. Zur Kritik der Hermeneutik (Edition suhr­ kamp 1485, Neue Folge 485) Frankfurt/M. 1988, Kap. 6: „Schleiermacher über die ‚Wut des Verste­ hens‘“ (50–56). 45 A. a. O., 57, vgl. insgesamt 57–66. 46 A. a. O., 69.

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Vorstellung, diese Feiergestalten seien jeweils neu und individuell durch den feiernden Liturgen/die feiernde Liturgin zu erfinden und annähernd beliebig zu verändern, entspräche demgegenüber jener „Wut des Gestaltens“, gegenüber der m. E. Kritik notwendig ist. Sie droht den Gottesdienst letztlich seiner „Kraft“ (Menke) zu berauben, weil sie ihn zu schnell in die eigenen Funktions­ zuschreibungen einspannt und gerade dadurch (nolens volens) seiner Wirkung zu berauben droht. Die beiden reformierten (!) Theologen Gottfried Wilhelm Locher und Frank Mathwig schreiben in einem Beitrag mit dem Titel „Liturgie als Heimat“: „Bereits im reflexartigen Blick darauf, was zu tun wäre, kippt alles gleich wieder auf die falsche Seite.“ Oder etwas reflektierter formuliert: „Die Pointe steckt in dem kategorischen Wechsel der Handlungsrichtung vom Aktiv zum Passiv“, wodurch dem „pathischen Sein der hörenden Gemeinde Raum“ gegeben werde. So könne es gelingen, dass das „paradoxe Zur-Sprache-Bringen-Sollen des Nicht-Könnens“47 (formuliert in Anlehnung an Karl Barth) eine Gestalt finde, die ein Subjekt nicht einfach machen kann, sondern die in der Dialektik von radi­ kaler Entzogenheit bei gleichzeitig radikaler Bezogenheit der „Gabe“ existiert. Nochmals anders formuliert: Die Tatsache, dass nicht zuerst die Gemeinde den Gottesdienst gestaltet, sondern die Gemeinde als Gemeinde und Kirche Jesu Christi immer neu durch den gefeierten Gottesdienst konstituiert wird, muss zu einer neuen Wahrnehmung des kategorialen Vorrangs der Feier als Gabe gegen­ über der (nicht minder notwendigen!) Wahrnehmung der Feier als Aufgabe der Gemeinde führen. – Es mag sein, so füge ich hinzu, dass in einer Zeit, in der es vielfach üblich ist, von Gottesdienst-„Angeboten“ und Gottesdienst-Program­ men einzelner Gemeinden zu sprechen, diese Perspektive kaum mehr erschwinglich scheint. Für die Reformatoren war sie gleichwohl grundlegend: Kirche entsteht immer neu aus der Verkündigung des Wortes und aus der Feier der Sakramente, mithin: aus gottesdienstlichen Vollzügen (so etwa die Pointe in CA IV, V und VII).48 Wo die „Wut des Gestaltens“ um sich greift, droht zugleich die Gefahr, die Spezifität liturgischen Handelns insgesamt aus dem Blick zu verlieren. Der ita­ lienische Philosoph Giorgio Agamben hat diese (immer auch politische!) Pointe liturgischer Aktivität in seinem neuen Buch „Opus Dei“ durch das Wechselspiel von opus operans und opus operatum auf den Punkt gebracht, von verantwort­ lichem subjektiven Handeln einerseits (opus operans) und der liturgischen Ver­ schiebung auf ein anderes Subjekt (Gott), das zum eigentlichen liturgischen Sub­ jekt wird (opus operatum). Er schreibt: „Indem sie [die Kirche; bei ihm ist dabei faktisch nur die katholische Kirche im Blick; AD] die eigentümliche Operativi­ tät ihres öffentlichen Tuns auf diese Weise [als Wechselspiel von opus operans 47 Locher, Gottfried Wilhelm/Mathwig, Frank: Liturgie als Heimat? Zur Frage der Bedeutung der Liturgie für reformierte Identität. In: Baschera, Luca / Berlis, Angela / Kunz, Ralph: Gemeinsa­ mes Gebet: Form und Wirkung des Gottesdienstes (Praktische Theologie im Reformierten Kontext 9), Zürich 2014, 99–119, hier: 108 f. 48 Vgl. dazu ausführlicher Deeg, Alexander: Kirche aus dem Wort (s. Anm. 11), 184–189.

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und opus operatum; AD] definiert, hat die Kirche das Paradigma einer mensch­ lichen Aktivität erfunden, deren Wirksamkeit nicht vom Subjekt abhängt, das sie ins Werk setzt, und die dennoch auf das Subjekt als ‚lebendiges Instrument‘ angewiesen ist, um sich zu verwirklichen und ihre Wirkung zu entfalten.“49 Es geht damit um ein nicht eigenwirksames Wirksamsein, um Funktionen jenseits der Funktionalisierung. Was bedeutet dies nun für die, die Liturgie zwar vielleicht nicht ‚machen‘, aber eben doch ‚verantworten‘ – und für die, die in Gremien und Ausschüssen über die Zukunft der Agende nachdenken? Was bedeutet die Theologie der Gestalt für die Aufgabe der Gottesdienstgestaltung? Es bedeutet keineswegs, die Tradition für unhinterfragbar zu halten und theologisch zu überhöhen (zumal jede Bestimmung der „Tradition“ nichts anderes ist als eine reale Fiktion; auch die Tradition wird gemacht!50).51 Es bedeutet ebenfalls nicht, die „Werktreue“ zu einer überlieferten Form als einziges Kriterium der liturgischen Gestaltung zu überhöhen, sondern – mit Kristian Fechtner – die „Wirkungstreue im Blick auf das, was Menschen im Gottesdienst und aus ihm heraus erleben können“, zu bedenken.52 Es bedeutet aber positiv, so meine These, wertschätzend und aktiv mit der überkommenen Liturgie umzugehen, sie als „Spielform“ zu entdecken und in dieser Hinsicht weiter zu entwickeln.

3. Exkurs: „Mensch, ärgere dich nicht“ – Spielvarianten Was heißt es, eine Spielform zu entdecken und Spielvarianten zu entwickeln? Ich greife zur Beantwortung dieser Frage auf eines der in Deutschland bekanntesten Spiele zurück: „Mensch, ärgere dich nicht“.53 Es wurde 1907/1908 von Josef Friedrich Schmidt in Giesing bei München erfunden. Eigentlich ist der Begriff ‚erfunden‘ allerdings nicht richtig. Schmidt hat sich anregen lassen und hat Ent­ wicklungen aufgenommen und selbst spielend weiterentwickelt, die bereits vor­ lagen. Historisch greifbar wird etwas Ähnliches wie „Mensch, ärgere dich nicht“ zunächst bei dem indischen Pachisi (sprich: Patschisi) – vor vielen Jahrhunderten 49 Agamben, Giorgio: Opus Dei. Archäologie des Amts. Frankfurt/M. 2013, 54. 50 Vgl. Meyer-Blanck, Michael: Agenda (s. Anm. 3), bes. 18. 51 An dieser Stelle erkenne ich allerdings – wie übrigens auch Martin Nicol – ein Reflexionsdefi­ zit evangelischer Liturgiewissenschaft. Wie die (liturgische) Tradition theologisch positiv gewürdigt werden kann, ist kaum Gegenstand intensiver Überlegungen. Ansatzweise finden sich solche in der Beschreibung des traditionskontinuierlichen Gottesdienstes bei Klaus Raschzok (vgl. Anm. 10; vgl. dazu vor allem auch die kulturwissenschaftlichen Ansätze zum „Archiv“ und zum kulturellen Gedächtnis). Problematisch erweisen sie sich immer dort, wo organische/organologische Bilder (etwa zum „Wachstum“ der Liturgie) bemüht werden (und dann schnell mit Negativbildern wie „Wildwuchs“ etc. argumentiert wird). 52 Fechtner, Kristian: „Traditionskontinuierlicher Gottesdienst“ (s. Anm. 17), 53. 53 Vgl. zum Folgenden vor allem das anregend geschriebene und wunderbar aufgemachte Buch: Glonnegger, Erwin: Das Spiele-Buch. Brett- und Legespiele aus aller Welt. Herkunft, Regeln und Geschichte, erw. Neuauflage, Uehlfeld 1999 [zuerst 1988].

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(wahrscheinlich im 6. Jh. entstanden).54 Erwin Glonnegger schreibt: „‚Pachisi‘ ist eines der Spiele, auf denen die Spielkultur Europas basiert. Es ist noch heute das meistgespielte Laufspiel der Welt.“55 Der Charakter des Spiels lässt zahlreiche Deutungen über seine symbolische Bedeutung zu; die weitestgehende stammt wohl von András Lukácsy: „Das Spiel ist auch eine Darstellung, ein Bild des Menschen von seiner Welt, wo die Figuren von einem Zentrum ausgehen (geboren werden), um dann die Welt in östlicher, südlicher, westlicher, nördlicher Richtung zu umfahren und schließlich, im glücklichen Fall ohne Not, an den Ausgangsort, den Geburtsplatz, zurückgelan­ gen. Wenn die den Menschen symbolisierende Figur unterwegs eine Unbill trifft (geschlagen wird), also stirbt, muss sie wieder geboren werden, um schließlich in das Endziel zu kommen, wo es kein Auferstehen mehr gibt. In diesem Spiel ist also nicht nur das Schema des urtümlichen Weltbildes mit seinen vier Himmels­ richtungen enthalten, sondern auch der Gedanke der Reinkarnation.“56 Bei Pachisi gibt es tatsächlich einen zentralen Mittelpunkt, ein Mittelfeld, aus dem die Figuren kommen und in das sie wieder zurückkehren. Demgegenüber kennt das verwandte und im gleichen Raum entstandene Spiel Caupur/Chau­ pard/Chausar diesen Mittelpunkt nicht; die Figuren starten von Plätzen am Rand aus.57 In Europa tauchte es (nicht verwunderlich angesichts der kolonialen Vergangenheit) zuerst in England auf,58 wurde dort als „Ludo“ (patentiert 1896) weiterentwickelt und auf die dortigen Verhältnisse angepasst (unter anderem so, dass – wie bei Chaupard – die vier Ecken des Spielfelds, nicht das zentrale Mit­ telfeld zum Ausgangspunkt des Spiels wurden und sich gleichzeitig auch die Spielrichtung änderte und nun im Uhrzeigersinn gespielt wurde). Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstand das Spiel „Eile mit Weile“, das bis heute vor allem in der Schweiz anzutreffen ist. Spätestens hier ist die mythologische ‚Tiefe‘, die im Wechselspiel von Mittelpunkt/Mittelfeld und Bewegung an den Rändern gegeben war, insofern aufgelöst, als die Mitte meist bildlich durch ein Gasthaus/ eine Herberge symbolisiert wurde, in das/die die Figuren zu einer Rast einkeh­ ren (wobei freilich auch die Herberge ein Bild für die ewige Einkehr sein könnte).59 Josef-Friedrich Schmidt machte daraus „Mensch, ärgere dich nicht“ – ein Spiel, das seit 1914 in Serie produziert wurde. Neben einer deutlichen Vereinfa­ chung der Regeln (die alle Komplexität von Pachisi tilgt!) lässt sich in der Gestaltung des Spielbretts eine weitere Individualisierung beobachten: Es gibt nicht mehr die gemeinsame Mitte, in die alle ziehen, sondern für jede Farbe eine eigene Mittelbahn, die nach einem Umlauf der Figuren gefüllt werden muss.60 54 Vgl. a. a. O., 10. 55 Ebd. 56 Lukácsy, András: Spiele aus aller Welt, Budapest 1972; hier zitiert nach Glonegger, Erwin: Das Spiele-Buch (s. Anm. 53) 10. 57 Vgl. Glonegger, Erwin: Das Spiele-Buch (s. Anm. 53), 12 f. 58 Vgl. Hyde, Thomas: De Ludis Orientalibus, 1694. 59 Vgl. Glonnegger, Erwin: Das Spiele-Buch (s. Anm. 53), 15. 60 Vgl. a. a. O., 16.

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Da sich das Spiel nicht sonderlich gut verkaufte, wurden mehrere Tausend an deutsche Feldlazarette im Ersten Weltkrieg verschenkt, von wo es die Soldaten mit nach Hause brachten. Dort wurde das Spiel dann zum großen Erfolg. Gegenwärtig begegnet das Spiel in vielen Varianten: Diese bieten formal-inhalt­ liche Einheiten, Gestalten, und sind gerade so überzeugende Spielvorlagen. Sie leiten nicht zur individuellen Bricolage an, sondern führen zum gemeinsamen Spiel.

Dass sich Spiele als Varianten eines Grundmusters weiterentwickeln, zeigt Erwin Glonnegger in seinem Standardwerk zu den Gesellschaftsspielen auf vie­ len Seiten. Gleichzeitig fordert er die Leserinnen und Leser dieses Buches dazu auf, selbst solche Spielvarianten zu entwickeln: „Halten Sie sich […] nicht immer an starre Regeln; erfinden Sie auch einmal neue, eigene Varianten, die Ihnen vielleicht besser gefallen. Und lassen Sie andere an Ihren Entdeckungen teilhaben und sich mit Ihnen erfreuen am gemeinsamen Spiel.“61 Unter einem abstrakten Strukturbegriff können die verschiedenen Spiele (Pachisi, Ludo, Eile mit Weile, Mensch, ärgere dich nicht u. v. a.) als Derivate eines Spiels dargestellt werden. Faktisch aber wäre damit für den Spieleforscher viel, für den Menschen, der spielen möchte, überaus wenig gesagt. Das Spiel ist nicht gleichzusetzen mit seinen Regeln62 oder der Erklärung seiner Struktur. Versucht man, diese Beobachtungen auf die Entwicklung von Agenden zu übertragen, so lässt sich ableiten: Agenden, also Handlungsvorgaben für das liturgische Spiel, lassen sich nicht als Deduktionen von grundlegenden Ideen und folglich nicht am Schreibtisch oder in Konferenzen entwickeln und erneuern (so sehr es notwendig und hilfreich ist, wenn sich Liturgiewissen­ schaftler Gedanken über Strukturen und Vergleichspunkte, Regeln und Ent­ wicklungen machen!). Agenden müssen sich, so meine Überzeugung, entwi­ ckeln wie Spielvarianten, in denen vorgegebene Gestalten spielerisch mit Leben gefüllt und ebenso spielerisch in neue Spielvarianten überführt werden.

61 A. a. O., 9. 62 Aufgeschriebene Spielregeln finden sich in Europa erst seit dem 15. Jahrhundert (mit der Erfindung des Buchdrucks); vgl. a. a. O., 128–131.

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4. Die Berneuchener einst und die US-amerikanischen Lutheraner heute – zwei Fallstudien Agenden sind als Spielformen und Spielvarianten zu entwickeln – im Abstand von ca. 100 Jahren lässt sich so etwas sowohl bei den frühen (!) Berneuchenern als auch in der ELCA finden.

4.1 Liturgie als Spiel bei den frühen Berneuchenern Wilhelm Stählin, eine der treibenden Kräfte der Berneuchener Bewegung und späteren Michaelsbruderschaft, blickt in seinen 1968 erschienenen Erinnerungen „Via vitae“ mit einer gewissen Wehmut auf die Anfänge der Berneuchener Bewegung zurück, auf die spielerische Freiheit, die es dort im Umgang mit der Liturgie gab. Die Berneuchener hätten nicht zuletzt durch die Herausforderun­ gen des Kirchenkampfes die Impulse der Jugendbewegung zurückdrängen müs­ sen. Sie seien traditioneller geworden und vorsichtiger. Er schreibt: „[…] ich verspüre […] so etwas wie Heimweh nach jener Zeit, in der wir noch nicht so streng kirchlich gebunden waren […]; wo unser Blick etwas mehr in die Weite ging; kurzum jene Zeit, wo wir noch ‚weltlicher‘ waren, als wir es heute zu sein wagen. Wir sind im Sinne kirchlicher Überlieferung immer ordentlicher und immer braver geworden.“63 Die Berneuchener kamen aus der Jugendbewegung. Die Sehnsucht vieler, einen stimmigen, den Leib und das Leben umfassenden Ausdruck im liturgischen Handeln zu finden,64 nahmen sie auf und begannen mit einer Phase des Experi­ mentierens, bei der Räume und Gebärden ebenso eine Rolle spielten wie Worte und Töne. Liturgie als Spiel zu treiben und als Spiel zu entwickeln – das war eine der Triebfedern dieser Bewegung, die sie auch mit zahlreichen ‚Spielarten‘ der katholischen liturgischen Bewegung teilte. Peter Cornehl schreibt dazu: „Die Motivation zum ehrfürchtigen, aber freien Umgang mit dem liturgischen Erbe war in der Frühzeit [der Berneuchener Bewegung; AD] sehr stark. Auch das war einer der Impulse der Jugendbewegung. Dazu gehörte die Unbefangenheit, sich das liturgische Erbe respektvoll, aber kreativ anzueignen. Sie waren keine litur­ giewissenschaftlichen Experten und wollten es auch nicht sein. Der Schwung des eigenen Gestaltungswillens, die Freude an allem Lebendigen und Echten domi­ nierte und schloss eine gewisse Unbekümmertheit, ja Frechheit ein.“65 63 Stählin, Wilhelm: Via Vitae. Lebenserinnerungen. Kassel 1968, 359. 64 Vgl. dazu auch Meyer-Blanck, Michael: Leben, Leib und Liturgie. Die Praktische Theologie Wilhelm Stählins (APrTh 6). Berlin/New York 1994. 65 Cornehl, Peter: „Wach auf, wach auf, du deutsches Land …“. Liturgische Mentalitäten im Widerstreit. Eine Skizze zur Lage vor und nach 1933, in: Deeg, Alexander/Lehnert, Christian (Hg.): „Wir glauben das Neue“. Liturgie und Liturgiewissenschaft unter dem Einfluss der völkischen Bewegung (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 27). Leipzig 2014, 31–118, hier: 105.

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Im 1926 erschienenen Berneuchener Buch zeigt sich diese Weise, die Tradi­ tion aufzunehmen, sie wertzuschätzen und gleichzeitig in spielerischer Freiheit mit ihr umzugehen. „Gewiss werden wir mit Ehrfurcht stehen vor jeder Überlieferung, die einmal vergange­ nen Geschlechtern lebendige Form gewesen ist, und gewiss ist es die Aufgabe der Theo­ logen, an den gottesdienstlichen Formen früherer Zeiten die inneren Gesetze der Form­ werdung sorgsam zu beobachten. Aber wer einfach die Formen vergangener Jahrhun­ derte aus der Vergessenheit zu reißen und wieder zu beleben sucht, wer sich in der Gestaltung von Gottesdiensten ängstlich an die Tradition klammert, der wird mit Bre­ vier, Horen und Messordnung niemals dem Formbedürfnis unseres Geschlechts Genüge leisten.“66

Peter Cornehl stellt die spielerische Suche nach einer angemessenen Gestalt der liturgischen Feier anschaulich dar: „Die Berneuchener haben die geprägten Räume entdeckt und mit neuem Leben gefüllt: die großen Dome mit ihren wei­ ten Räumen, geeignet für Begehungen, Einzüge, Prozessionen, aber auch die kleinen geschlossenen Räume, die Krypta, die Hauskapelle, den Keller, die zu konzentrierter Meditation und Gemeinschaft einladen. Man eroberte sich Räume für Liturgie und baute neue Kirchen, die für die unterschiedlichen Anlässe gottesdienstlichen Gebrauchs genutzt werden konnten. Dabei war das Moment aktiver Gestaltung und angstfreien Experimentierens anfangs noch stark. […] Die Berneuchener machten sich mit ihren Gemeinden zusammen auf die Suche nach angemessenen Formen für den geistlichen Inhalt der gottes­ dienstlichen Feier. Sie entdeckten den Sinn der unterschiedlichen liturgischen Haltungen wie Sitzen, Stehen, Knien, die Bewegungselemente Gehen, Schreiten und wagten (noch überaus vorsichtig), sogar spielerische Elemente, bis hin zu liturgischem Tanz in das liturgische Handeln einzubeziehen. Und sie erprobten für Protestanten ungewohnte katholische Gesten wie das Sich-Bekreuzigen, Gebetsgebärden und Segensgesten. Das alles gehörte (zum Teil heftig umstrit­ ten, zumindest spöttisch ironisiert) zu den innovativen Kennzeichen der Ber­ neuchener Gottesdienstpraxis.“67 Wichtig erscheint mir, dass es so in den 1920er Jahren gelang, sich erneuernde liturgiepraktische Erfahrungen und (liturgie-)theologische Reflexionen, wie sie sich im Berneuchener Buch zeigen, im Wechselspiel zu halten. Keineswegs ver­ suchte man, eine bestehende Theologie deduktiv auf die zu feiernde Liturgie ‚herunterzubrechen‘, noch war es so, dass rein induktiv im konkreten Vollzug Überzeugendes kurzschlüssig als Theologie des Gottesdienstes dargestellt wor­ den wäre. Vielmehr war es der behutsam aneignende und zugleich spielerisch freie Umgang mit der Tradition, der Theologie und Feier zusammenhielt. Anders formuliert: Die liturgische Tradition wurde nicht restaurativ fixiert noch in völliger Freiheit übergangen, sondern zum Spielmaterial für das je neue litur­

66 Das Berneuchener Buch. Vom Anspruch des Evangeliums auf die Kirchen der Reformation. Schwerin i. Meckl./Bahn 1926, 99. 67 Cornehl, Peter: „Wach auf, wach auf, du deutsches Land …“ (s. Anm. 65), 99.

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gische Spiel genutzt – ganz ähnlich wie auch Romano Guardini die „Liturgie“ in jenen Jahren „als Spiel“ beschrieb.68

4.2 Renewing Liturgy in den USA 2006 wurde ein – im Vergleich zur Entwicklung des Evangelischen Gottes­ dienstbuches geradezu rasant rasch abgeschlossenes – liturgisches Projekt mit der Publikation eines Gottesdienstbuches beendet. Bei Augsburg Fortress Press erschien „Evangelical Lutheran Worship“, ein gut 1200 Seiten umfassendes Werk, das in seiner „Pew Edition“ Gesangbuch, Agende und Hausbuch in einem sein möchte.69 Es beginnt mit dem Kirchenjahr und den Proprien, enthält dann Ordnungen für die „Holy Communion“ (unter diesem Begriff wird der Gottesdienst am Sonntag bezeichnet und interessanterweise auch der Predigt­ gottesdienst ohne Abendmahl subsummiert). Es folgen die Gestaltung der Taufe, der Fastenzeit, der Passagen im Leben (sortiert in der Reihenfolge Hea­ ling, Funeral, Marriage), die Gebetszeiten, dann das Gesangbuch (Assembly Song) und ein Anhang, der u. a. eine Leseordnung für die tägliche Bibellese, aber z. B. auch den Kleinen Katechismus enthält. Ziel war es, das 1978 (also rund 30 Jahre vorher) erschienene „Lutheran Book of Worship“ zu erneuern. Dazu wurde ein m. E. beachtenswerter Prozess „Renewing Liturgy“ im Jahr 2000 gestartet, in dem Expertinnen und Experten sowie Gemeinden in einem aufwändigen Reviewing-Verfahren an der Entwick­ lung der Liturgie und des Gesangbuchs arbeiteten. Manche fragen im Rückblick kritisch, warum es den gesamten Reformprozess überhaupt gebraucht habe, wo doch eigentlich kein Reformdruck vorlag. Kriti­ sche Anfragen seien höchstens aus den Reihen feministisch denkender Theolo­ ginnen und Theologen gekommen, denen die vielen männlichen Gottesanreden und der durchgehende Gebrauch der 3. Person Sg. maskulin für Gott („he“) nicht mehr möglich und zeitgemäß erschienen. Böse Zungen meinten auch, es sei wohl vor allem die schlechte finanzielle Situation von Augsburg Fortress Press gewesen, die ein neues Gesangbuch notwendig machte.70 In dem Buch selbst werden in der Einleitung hingegen u. a. die Veränderung der Medienwelt, die Globalisierung und die Veränderungen im sprachlichen und musikalischen Empfinden als Gründe für eine Revision benannt. Es wurde (und wird) viel kritisiert an dieser neuen „Agende“ (die natürlich weit mehr ist als eine Agende!). Vor allem der Versuch einer Sprachveränderung hin zu verstärkter Inklusion wird von vielen als problematisch gesehen. Dane­ 68 Vgl. Guardini, Romano: Vom Geist der Liturgie. Mit einem Nachwort von Hans Maier (Her­ derbücherei 1049) Freiburg/Basel/Wien 1983 [zuerst 1918], 87–105. 69 Evangelical Lutheran Worship. Pew Edition, Minneapolis (MN) 2006. Auf das annähernd zeitgleiche Reformprojekt in der Lutheran Church – Missouri Synod mit dem Titel „Lutheran Ser­ vice Book“ kann ich hier nicht näher eingehen. 70 Vgl. Pfatteicher, Philipp [Internetressource: http://www.lutheranforum.org/extras/reform­ ing-the-daily-office-examining-two-new-lutheran-books/; letzter Zugriff am 15.04.2014].

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ben begegnen aber auch Anfragen, ob nicht angesichts der ökumenischen Ori­ entierung das Proprium des Lutherischen viel zu dürftig ausgeprägt sei. Dabei flammt derzeit in den USA eine Diskussion auf, die bei uns schon etwas älter und vor allem mit dem Namen Dorothea Wendebourg verbunden ist: Bedeutet die Integration der Einsetzungsworte in die Eucharistie nicht, dass der Verkün­ digungscharakter dieser Worte, dass die göttliche Zusage, die in ihnen liegt, unberechtigt in den Hintergrund treten?71 Eine Gegenbewegung hat sich gegründet und nennt sich „Reclaim Lutheran Worship“ (dort wird eine eigene Agende und ein eigenes, recht schmales, Gesangbuch angeboten). Insgesamt scheint „Evangelical Lutheran Worship“ kein wirklich durchschlagender Erfolg zu sein. Die Verkaufszahlen deuten darauf hin, dass lediglich die Hälfte der Gemeinden das neue Gesangbuch angeschafft hat. Was bei all dieser Diskussion aber m. E. viel zu kurz kommt, ist die Art und Weise, wie „Evangelical Lutheran Worship“ den Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen darstellt. Zunächst wird – und das erinnert an den Versuch des „Evan­ gelischen Gottesdienstbuches“ – eine „Struktur“ des Gottesdienstes vorgestellt. Und auch hier ist man der Meinung, dass es damit gelingen könne, „unity“, wenngleich nicht „uniformity“, zu erreichen (die auch kein evangelisches Ziel sein könne).72 Auch weiß man darum, dass „Evangelical Lutheran Worship“ nur eine „core“-Quelle, keine „comprehensive resource“ sein könne.73 Als zu diver­ gent erweise sich das, was liturgisch auch noch möglich ist und praktiziert wird. Die Struktur wird allerdings nur sehr knapp ausgeführt. Viel mehr als „gathe­ ring“, „word“, „meal“ und „sending“ werden nicht benannt.74 Was dann weit aufregender ist: „Evangelical Lutheran Worship“ führt zehn verschiedene „Set­ tings“ des eucharistischen Gottesdienstes vor, die sich nicht in der Struktur unterscheiden, auch nicht im weitaus konkreteren Ablauf der einzelnen Ele­ mente, sondern in der textlichen und noch deutlicher in der musikalischen Aus­ führung. Es werden – anders formuliert – zehn Klanggestalten des evangelischlutherischen Gottesdienstes geboten, bei denen nicht einfach beliebig und wie bei einer Bricolage Elemente so oder so zusammengestellt werden, sondern Ele­ mente verbunden werden, die dem Gottesdienst in diesem „Setting“ von Anfang bis Ende eine bestimmte Gestalt geben. Die Idee ist: Ich springe als Liturg nicht munter hin und her zwischen einer recht traditionellen Eröffnung und einem musikalisch ganz anders gestalteten Abendmahl, sondern bleibe (für diesen Got­ tesdienst) in der einen Klanggestalt. In anderer Terminologie: „Evangelical Lutheran Worship“ bietet zehn Spielvarianten eines durchaus wiedererkennba­ ren liturgischen Spiels an – eine Richtung, die mir auch für die Weiterarbeit an einem „Evangelischen Gottesdienstbuch“ im deutschsprachigen Protestantis­ mus wegweisend erscheint. 71 Vgl. z. B. Grindal, Gracia [Internetressource: http://wordalone.org/docs/new-elca-hymnal. shtml; letzter Zugriff am 15.04.2014]. 72 Vgl. ELW (s. Anm. 69), 8. 73 A. a. O., 7. 74 Vgl. a. a. O., 91.

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5. Liturgische Spielvarianten In fünf Aspekten konkretisiere ich, wie sich liturgische Spielvarianten entwi­ ckeln und wie so ein Weg hin zu einer neuen ‚Agende‘, besser: zu neuen Litur­ giebüchern im evangelischen Kontext beschritten werden könnte.

(1) Aus dem Spiel ins neue Spiel Wenn die ‚Agende‘ als liturgische Spielvariante entwickelt wird, heißt das zunächst, dass der Ausgangspunkt immer die konkrete Spielgestalt sein muss (und nur die konkrete Spielgestalt sein kann). In der Feier/im Spiel werden Erfahrungen mit der Feier gemacht, es entwickelt sich die Freude daran, aber auch vielfältiges Leiden. Beides wird dann der Ausgangspunkt für die Bildung von Varianten sein. Der Vergleich mag etwas banal erscheinen, aber es sei doch gesagt: Wer nie „Mensch, ärgere dich nicht“, „Monopoly“, „Carcasonne“ oder „Die Siedler von Catan“ gespielt hat, kann sich leicht über die (in der Reihenfolge der genannten Brettspiele steigende) Komplexität des Regelwerks ärgern, kann die Höhe der ‚Schwelle‘ problematisieren, die die Spielemacher den Spielwilligen auferlegen. Würde man nun aber „Die Siedler von Catan“ so zurechtstutzen, dass ohne jede Erläuterung und ohne jede Spielpraxis sofort einsichtig ist, was geschieht, würde die Spielewelt am Ende so banalisiert, dass wir alle nur noch „Mensch, ärgere dich nicht“ spielten. Damit Spiele ‚Spaß‘ machen, braucht es eine Zeit der Erfah­ rung damit und eine Eingewöhnung, die ebenfalls einige Zeit in Anspruch nimmt. Irgendwann aber ist ein Punkt erreicht, an dem nicht nur das Mitspielen möglich ist, sondern auch die bewusste und reflektierte Veränderung des Regel­ werks und damit auch der Spielpraxis möglich scheint. Bei aller Variantenbildung ist freilich zu bedenken: Diese erscheinen vor allem für diejenigen interessant, die mit einem Spiel sehr vertraut sind, es oft und immer wieder spielen und intensive Erfahrungen damit gemacht haben. Das übliche Regelwerk, die bekannten Spielzüge reichen dann unter Umständen nicht mehr aus. Dies gilt allerdings nicht in gleicher Weise für die, die nur gele­ gentlich und eher selten mitspielen. Im Gegenteil bedeutet für diese die neue Variante eine Erhöhung der Komplexität; das Mitspielen wird erschwert, und die Sehnsucht danach, das Spiel doch so spielen zu dürfen, wie es ‚früher‘ immer gespielt wurde, wächst. – Genau diese Erfahrung lässt sich im Blick auf den Gottesdienst in Gemeinden machen und durch empirische Wahrnehmungen bestätigen.75 Gerade unregelmäßige Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zeigen sich irritiert, wenn sich das ‚Spiel‘ seit ihrem letzten Besuch allzu sehr verändert hat. Die Gemeinde derer, die regelmäßig feiern, muss sich dies immer neu vergewissern, um den Gottesdienst als Spielform auch für die seltenen Mit­ 75 Vgl. hierzu vor allem die Beobachtungen des Nürnberger Gottesdienstinstituts.

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spieler nicht zu einem exklusiven Spiel im Hinterzimmer werden zu lassen, zu dem nur noch wenige Zutritt haben. Evident ist aber, dass es Spielvarianten braucht, wenn es nur wenige Mitspie­ lende gibt oder sehr viele, wenn das ‚Spiel‘ nur selten gespielt wird (in Kirchen, in denen z. B. nur monatlich Gottesdienst gefeiert wird) oder regelmäßig an jedem Sonn- und Feiertag.

(2) Spiel-Orte Je nach den Orten, an denen gespielt wird, werden sich verschiedene Spielva­ rianten ergeben. An dieser Stelle zeigt sich seit alters die Grenze jedes Versuchs, die Feier des Gottesdienstes aufgrund von ‚Agenden‘ vereinheitlichen oder nor­ mieren zu wollen. Bereits bei Augustin begegnet der Begriff der „variatio per loca“, der schlicht eine Faktizität konstatiert: die Liturgie ist verschieden, je nachdem, wo sie gefeiert wird. In jüngster Zeit erinnern katholische Liturgie­ wissenschaftler bewusst wieder daran angesichts von Versuchen Roms, die Liturgie zu zentralisieren.76 Gleichzeitig ginge es darum, im Sinne der Weiterentwicklung der gefeierten Gottesdienste herausgehobene Orte des Spiels wahrzunehmen und weiter zu entwickeln. Dies könnten etwa Universitätsgottesdienste oder Gottesdienste in Pastoralkollegs, auf Akademietagungen oder bei Fortbildungen und Kirchenta­ gen sein. Ich stelle mir aber auch vor, dass Liturgische Ausschüsse und Liturgi­ sche Konferenzen zu solchen Spielorten werden – zu Orten, an denen mutig, kreativ und gleichzeitig sensibel zur Tradition Altes wiederentdeckt, Neues erkundet und Bewährtes mit beidem verbunden wird. Weniger geeignet erschei­ nen mir Predigerseminare als „Spielorte“, da es zunächst darum gehen muss, die Regeln des Spiels und die Spielzüge grundlegend einzuüben, bevor Experimente mit Variationen einsetzen. Unbedingt sollten ökumenische Spielorte neu entdeckt bzw. weitergeführt werden. Die Burg Rothenfels, in den 1920er Jahren unter Romano Guardini und Rudolf Schwarz ein Zentrum des liturgischen Spiels, entwickelt sich meiner Wahrnehmung nach derzeitig erneut in diese Richtung und ist dabei ökume­ nisch offen.

76 Vgl. Gerhards, Albert: Universalität und Partikularität. Zum Stand der liturgischen Erneue­ rung 50 Jahre nach Sacrosanctum Concilium, in: Ansorge, Dirk (Hg.): Das Zweite Vatikanische Konzil. Impulse und Perspektiven, Münster 2013, 351–374; und vgl. zum Hintergrund etwa die 2001 vorgelegte „fünfte Instruktion zur ordnungsgemäßen Ausführung der Konstitution des Zwei­ ten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie“ mit dem Titel „Liturgiam authenticam“ (als deutscher Text greifbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccdds/documents/ rc_con_ccdds_doc_20010507_liturgiam-authenticam_ge.html).

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(3) Tunes und Dramaturgien Die Spielvarianten, die sich ergeben, müssen anderen so vorgelegt werden, dass nicht nur eine „Regel“ formuliert wird, sondern das komplexe Ineinander, das ein liturgisches Spiel bestimmt, zum Ausdruck kommt. Dazu gehören natürlich die Texte, die im Gottesdienst erklingen, dazu gehören aber (und das zeigt der Vorschlag der ELCA eindrucksvoll) auch die Melodien und Klänge sowie Über­ legungen zum Körper im liturgischen Vollzug und zum Raum, in dem Liturgie gefeiert wird. Es geht insgesamt um die Entwicklung und Beschreibung von „tunes“ (Klanggestalten des Gottesdienstes) und Dramaturgien, die diesen tunes entspre­ chen und die auch bislang eine teilweise weit unterschätzte Rolle bei der Rezep­ tion von Liturgie spielen. Ob sich Menschen in Gottesdiensten heimisch fühlen oder nicht, hat m. E. weit weniger mit den Texten zu tun, die darin aus der Bibel gelesen werden, mit den Gebeten, die formuliert werden, vielleicht nicht einmal mit der Predigt, die dort gehalten wird, sondern weit mehr mit der Klanggestalt, die einen Menschen dort empfängt und die als ein komplexes Ineinander von eigenem Ort im Raum, akustischer Umgebung, Lichtverhältnissen, Interaktion mit anderen etc. bestimmt werden kann.77 Es wäre interessant, diese tunes näher zu erforschen und zu katalogisieren, um so vielleicht einen „Atlas der liturgischen tunes im deutschsprachigen evan­ gelischen Bereich“ aufzustellen. Manche tunes wurden – etwa durch die Litur­ giereformen der 1950er Jahre – nachhaltig unterdrückt (vgl. nur die Bortn­ jansky-Ästhetik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die vor allem von Aussied­ lern teilweise bis heute vermisst und bestenfalls in Nischen noch gepflegt wird). Andere erweisen sich als überraschend uniform und einheitlich – vor allem dort, wo nach neuen und ‚frischen‘ Ausdrucksformen gesucht wird, entstehen im Kern Variationen des Grundtypus „erweckliche Versammlung“. Darauf hat etwa John Drane in seiner Kritik an der Bewegung hin zu neuen und frischen Ausdrucksweisen des Glaubens (freshex-Bewegung) hingewiesen, bei denen er eine McDonaldisierung der Gottesdienste konstatierte: Wo man auch hin­ kommt, der Burger/Gottesdienst sieht genau gleich aus und schmeckt so!78 Es wird sich bei einer solchen Analyse wahrscheinlich zeigen, dass sich insgesamt eine doch begrenzte Anzahl von faktisch gefeierten tunes ergibt, die allerdings mit der Unterteilung des Evangelischen Gottesdienstbuchs in die erste und zweite Grundform wenig zu tun haben.

77 Im kulturwissenschaftlichen Kontext wird seit 1971 von „soundscape“ als Wortneuschöpfung analog zur „Landschaft/landscape“ gesprochen. R. Murray Schafer wollte mit diesem Begriff die akustische Umwelt charakterisieren und kategorisieren, in der Menschen leben; vgl. Schafer, Murray R.: The Tuning of the World, 1977, und vgl. die neue deutschsprachige Ausgabe: Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens, neu übersetzte, überarbeitete und ergänzte deutsche Ausgabe hg. von Breitsameter, Sabine. Mainz 2010. 78 Vgl. Drane, John: The McDonaldization of the Church. Spirituality, Creativity, and the Future of the Church. London 2000.

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(4) Die vielen ‚Kleinigkeiten‘, die ein Spiel ausmachen Bei jedem Spiel – und so auch bei dem Spiel der Liturgie – sind die ‚Kleinigkei­ ten‘ wichtig, die in gegenwärtigen Agenden und auch im Evangelischen Gottes­ dienstbuch zu wenig bedacht werden. Für das Erleben eines Gottesdienstes und seiner Stimmigkeit kann die Frage weit entscheidender sein, wie die „liturgi­ schen Moderationen“79 gestaltet waren, als es die Frage ist, ob das Credo vor oder nach der Predigt gemeinsam gesprochen wurde. Auf dem Weg zu Spielvarianten des evangelischen Gottesdienstes ginge es folglich darum, den Rubriken und Zwischentexten neue Aufmerksamkeit zu schenken: Wo steht/sitzt der/die Liturg/in? Steht oder sitzt (oder kniet) die Gemeinde? Gibt es Bewegung im Gottesdienst? Eine Prozession von einem Ort zum nächsten? Wo liegen das Lektionar/die Lesungsbibel, wo die anderen not­ wendigen Bücher und Hilfsmittel? Werden die Abendmahlsgaben hereinge­ bracht oder finden sie sich bereits im Altarraum? Wo steht der Chor? Wie kön­ nen gemeinsam gesprochene oder gesungene liturgische Stücke eingeführt wer­ den?80 Generell sind es oft die ‚Kleinigkeiten‘, die im Blick auf den gefeierten und wahrgenommenen Gottesdienst für wichtig erachtet werden. Auch bei histori­ schen Wahrnehmungen zum Gottesdienst wird dieser Aspekt immer wieder deutlich. Ich verweise nur auf ein Beispiel aus dem frühen 18. Jahrhundert. Hieronymus Annoni berichtet von einer Reise durch das Elsass, die Niederlande, Böhmen und Deutschland – und dabei auch von einem Gottesdienst am 19. August 1736: „Sonntags, den 19. August, spazierten wir nach Berthelsdorf, eine halbe Stunde von Herrnhut, in die Kirche und hörten der Predigt zu, welche der hiesige Pastor Roth [Johann Andreas Rothe], ein from­ mer und gelehrter Mann, hielt. Es ging, was die Zeremonien anbetrifft, nach Landesart gut lutherisch, ja halb päpstisch zu. Denn der Herr Pastor hatte ein weißes Chorhemd über seinem schwarzen Mantel an, stellte sich anfänglich mit einer tiefen Reverenz vor den Altar, dem Volk den Rücken kehrend, verlas hernach und explizierte auf eine kurze und solide Art das vierte Kapitel aus der Apostolischen Geschichte. Darauf ward ein Lied gesungen, und er bestieg die Kanzel, woselbst über die sonntägliche Epistel, 2. Korinther 3,4–9, gepredigt und mit einem schönen Herzensgebet beschlossen wurde. Endlich stellte sich der Prediger abermals vor den Altar und sprach gleichsam singend den Segen ab und machte zugleich mit den Händen ein Kreuz über seine Gemeinde, welche mit einem musikalischen Amen antwortete und so wieder auseinander ging.“81 79 Vgl. zu diesem (sicher nicht unproblematischen, aber dennoch treffenden) Begriff SchroeterWittke, Harald: Liturgische Moderation. Praktisch-theologische Erwägungen zu einem zeitgemäßen Modus der Verkündigung. In: PTh 99 (2010) 449–463. 80 In der sächsischen Liturgie erlebe ich es nicht selten, dass der Gottesdienst nach der Predigt dramaturgisch ‚entgleitet‘ und das, was folgt, nachdem das Predigtlied gesungen wurde, den Charak­ ter einer zufälligen Addition enthält. Wenn dann nacheinander das Credo gemeinsam gesprochen wird, das Sündenbekenntnis mit Absolution folgt (wie in der sächsischen Liturgie vorgesehen!), die Fürbitten und das Abendmahl sich anschließen, so führt das nicht selten zu liturgischen Überlei­ tungsformulierungen wie „So lasst uns jetzt als Nächstes noch Fürbitte halten …“ 81 Burkardt, Johannes/Gantner-Schlee, Hildegard/Knierim, Michael (Hg.): Dem rechten Glau­

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(5) Spielregeln Die Erkennbarkeit von Gottesdienstgestalten ergibt sich vor allem über die Klanggestalten. Das hat zur Folge, dass sich ein evangelischer Christ, der in einem traditionellen Sonntagsgottesdienst z. B. in der sächsischen Landeskirche seine gottesdienstliche Heimat gefunden hat, in einem katholischen Gottesdienst in Köln unter Umständen weit mehr ‚zuhause‘ fühlt als in einem reformierten Gottesdienst in der rheinischen Kirche. Und eine freikirchliche Christin aus Hannover fühlt sich in einem „freshex“-Gottesdienst in England möglicher­ weise mehr zuhause als im evangelisch-lutherischen Gottesdienst der Marktkir­ che. Die Bedeutung dieser tunes dispensiert aber nicht von der Notwendigkeit, sie theologisch zu reflektieren. Zu suchen wäre hier eine Weise der liturgischen Theologie, die ich als abduktiv beschrieben habe: In der theologischen Diskus­ sion werden Sätze gewagt, die sich auf ihre praktische Bedeutung im gefeierten Gottesdienst und auf ihre theologische Denkbarkeit zugleich befragten lassen müssen – und die so zwischen Induktion und Deduktion zu verorten sind. Als Charakteristikum für den evangelischen Gottesdienst habe ich den Versuch gemacht, diesen als WortKult in der Erwartung des Wortes zu beschreiben. Dabei versuche ich, Luthers Betonung der leiblichen Gestalt des äußeren Wor­ tes, das im Gottesdienst in Worten und Liedern, in Predigt und Abendmahl inszeniert wird und das den Menschen als Gottes Wort treffen kann, wo und wie es Gott gefällt, aufzunehmen und diese im Blick auf die grundlegende evan­ gelische Spannung zwischen Ritus und Rede weiterzudenken.82 Entscheidend im gottesdienstlichen Vollzug war für die Reformatoren, dass in den vielfältigen Wort- und Zeichengeschehen des Gottesdienstes das göttliche Wort (hier in Kapitälchen) hörbar werde in, mit und unter den Gestalten des Gottesdienstes hindurch. Theologische Reflexion kann sich in dieser Hinsicht als zugleich regulativ und kreativ erweisen. Sie kann dazu führen, dass manche Gestaltungsidee viel­ leicht nicht weiter verfolgt wird, aber eben auch dazu, dass neue Gestalten erkundet werden, die dieser theologischen Intention entsprechen. Gegenwärtig wäre es in dieser Hinsicht m. E. dringend, die Gestaltung des Lesungsteils im evangelischen Gottesdienst zu bedenken, um der Zentralität des biblischen Wortes für evangelische Gemeinden einen sichtbaren Ausdruck im Gottesdienst zu verleihen. Gleichzeitig aber gibt es Grundregeln in der gottesdienstlichen Feier, die erkannt und formuliert werden können – und die nicht verletzt werden dürfen, ben auf der Spur. Eine Bildungsreise durch das Elsaß, die Niederlande, Böhmen und Deutschland. Das Reisetagebuch des Hieronymus Annoni von 1736. Zürich 2006, 236 f. [Den Hinweis auf diese Quelle verdanke ich KR Thilo Daniel, Dresden]. 82 Vgl. dazu inzwischen auch Meyer-Blanck, Michael: Ritus und Rede. Eine Verhältnisbestim­ mung auf dem Hintergrund ökumenischer Theologie, in: Deeg, Alexander/Garhammer, Erich/Kra­ nemann, Benedikt/ders.: Gottesdienst und Predigt – evangelisch und katholisch (EKGP 1), Neukir­ chen-Vluyn/Würzburg 2014, 11–39.

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wenn das Spiel nicht zerstört werden soll. Wo sich etwa das Subjekt des Litur­ gen/der Liturgin so dominierend in den Vordergrund schiebt, dass der Gottes­ dienst zur Show des gefeierten Moderators wird, anstatt Feier der Gemeinde zu sein, in der sie neu erwartet, durch das verbum externum konstituiert zu wer­ den, wäre die Grundregel der Feier verletzt (ähnlich, als würde jemand bei „Mensch, ärgere dich nicht“ ohne zu würfeln seine Figuren einfach ins Zielfeld rücken!). Auch John Huizinga unterschied den „Spielverderber“, der die Regeln grundlegend miss­ achtet, vom „Falschspieler“: „Der Spielverderber ist etwas ganz anderes als der Falsch­ spieler. Dieser stellt sich so, als spiele er das Spiel, und erkennt dem Scheine nach den Zauberkreis des Spiels immer noch an. Ihm vergibt die Spielgemeinschaft seine Sünde leichter als dem Spielverderber, denn dieser zertrümmert ihre Welt selbst.“83

Diesen Punkt zusammenfassend: Ich könnte mir denken, dass wir – bevor nächste Schritte einer Reform der ‚Agende‘ eingeleitet werden – zunächst eine längere, an unterschiedlichen Orten stattfindende und von den liturgischen Arbeitsstellen und Ausschüssen sowie den Gottesdienstinstituten moderierte Phase des „Spielens“ zwischenschalten, eine Phase, in der einzelne Varianten in der beschriebenen Weise detailliert ausformuliert und vorgelegt und von ande­ ren ausprobiert werden. Eine Phase, in der an unterschiedlichen Orten Neues im Klangraum des Bekannten gewagt wird. Eine Phase, in der theologisch inten­ siv über den Gottesdienst im Wechselspiel mit den Erfahrungen mit den tunes diskutiert wird. Daraus könnten tunes entstehen, die sich bewähren und in einem Liturgiebuch festgehalten werden, das damit die Vielfalt in sich stimmiger (Klang-)Gestalten des evangelischen Gottesdienstes dokumentieren und weiter­ geben würde.

6. Die Medialität eines neuen Liturgiebuches Es wäre ein großer Schritt, wenn es gelänge, den evangelisch-liturgischen Identi­ tätsträger schlechthin irgendwann auch einmal wieder zu verabschieden: das schwarze Ringbuch. Es steht für eine Entwicklung der Liturgie seit den späten 1960er Jahren und fügt sich ganz konsequent in diese ein. Und natürlich ist es wenigstens in einer Hinsicht ein echter Vorteil: Die Anzahl der Liturginnen und Liturgen, die schwer bepackt mit vielen Büchern, bespickt mit bunten Zetteln, um die Seite schneller zu finden (Gebetsbüchern, Andachtsbüchern, den Abkündigungen, der Bibel, dem Gottesdienstbuch), in den Gottesdienst einzie­ hen und diese erst einmal vor den Augen der ob der Gelehrsamkeit und Belesen­ heit des Pfarrers nicht schlecht staunenden Gemeinde auf den verschiedenen 83 Huizinga, Johan: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Hamburg 232013 [zuerst 1938], 20.

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liturgischen Einsatzorten (Altar, Ambo, Kanzel …) unterbringen, ging durch das schwarze Ringbuch erheblich zurück. Nun lassen sich die verschiedenen Bricolage-Elemente des Gottesdienstes selbst ausdrucken und einheften und zu einem Ganzen fügen. Dennoch: Es wäre ein völlig anderes Zeichen, wenn Liturginnen und Liturgen mit einem – optisch ansprechend gestalteten – Buch den Gottesdienst feiern würden. (Das Evangelische Gottesdienstbuch hat dies in der Mehrzahl der Gemeinden nicht geschafft.84) Einem Buch mit Wiedererkennungswert. Einem Buch, das auch der Kollege/die Kollegin nebenan benutzt. Einem Buch, das zum Ausdruck bringt, dass Gottesdienst nicht allein meine Veranstaltung ist, sondern dass wir als Kirche den Gottesdienst feiern, anders formuliert: dass wir uns hineinstellen in den Gottesdienst der Kirche und gerade so in der Feier immer neu zur Kirche werden („creatura verbi“!). Wenn ich diese Sehnsucht beschreibe, stelle ich sie zugleich zur Diskussion. Denn es gibt nun einmal die Vielfalt der Gemeinden und der lokalen Traditionen und die Individualität der Liturginnen und Liturgen, es gilt, Gebete jeweils neu zu formulieren (ich denke vor allem an das Fürbittengebet), und es ist nun ein­ mal so, dass sich Liturgie entwickelt und sich Spielformen verändern. Wäre dann nicht etwas anderes realistisch? Wir ersetzen den individuellen schwarzen Ord­ ner durch ein Liturgiebuch wie oben beschrieben, das aber in sich die Möglich­ keit bietet, Selbstgestaltetes so einzulegen/einzuheften, dass es die Ästhetik des Ganzen nicht stört? Könnte hierzu nicht ein wenig buchwissenschaftliche und verlegerische Kreativität verhelfen, ein solches Modell möglich zu machen?85 Mit ihm wäre ein entscheidender Vorteil gegeben: Es ließe sich neues Material zu dem ‚ganz normalen Gottesdienst‘ im Internet publizieren und so gestalten, dass es Verwendung finden könnte in dem Buch. Spielentwickler haben eine Menge Kreativität, um neue Spielbretter und neue Spielfiguren auf den Markt zu bringen. Sollte uns wirklich nichts einfallen – außer entweder einem Buch, wie es seit Gutenberg Bücher gibt, oder einem Ringbuch, wie es in jedem Büro vorkommt?

7. Nicht reformieren, sondern spielen wollen Es scheint mir, dass gerade die evangelische Kirche inmitten der Reformations­ dekade die Erinnerung an Sören Kierkegaard, den Kirchenkritiker im Staate Dänemark, gut gebrauchen kann. Dieser wandte sich einmal mit Verve gegen 84 Vgl. Schulz, Claudia/Meyer-Blanck, Michael/Spieß, Tabea (Hg.): Gottesdienstgestaltung (s. Anm. 20), 92 f. 85 Mit dieser Forderung schließe ich mich an Klaus Raschzok und das Votum des oben bereits erwähnten Arbeitsausschusses der Liturgischen Konferenz an; vgl. Raschzok, Klaus: Die notwen­ dige Fortsetzung des agendarischen Erneuerungsprozesses (s. Anm. 10), 21: „Professionelles Pro­ duktdesign hat zu klären, wie ein gebrauchfähiges Liturgiebuch im Internetzeitalter gestaltet sein muss, das den Erfordernissen gegenwärtiger liturgischer Inszenierungskultur entspricht.“

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die Sucht der Kirche seiner Tage, reformieren zu wollen – und erinnerte (etwas pathetisch vielleicht und subjektiv-existenziell verdichtet) an Martin Luther. „Und so lass es denn so laut wie möglich gesagt sein, und o, dass es noch überall gehört werden möchte, und gebe Gott, dass überall da, wo es gehört worden ist, es auch mit Ernst bedacht werde: das Böse in unserer Zeit ist nicht das Bestehende mit seinen vielen Mängeln, nein, das Böse in unserer Zeit ist gerade: diese böse Lust, dies Buhlen mit dem Reformieren wollen, diese Verfälschung, dass man reformieren will ohne Leide und Opfer bringen zu wollen, diese leichtfertige Eingebildetheit, die reformieren können will, ohne eine Vorstellung, geschweige denn eine erhabene Vorstellung davon zu haben, wie ungemein erhaben der Gedanke ‚zu reformieren‘ ist; diese Heuchelei, die das Bewusstsein der eignen Untauglichkeit flieht, indem sie sich viel zu schaffen macht mit der Zer­ streuung, die Kirche reformieren zu wollen, wozu unsre Zeit am allerwenigsten taugt. Als die Kirche einer Reformation bedurfte, da meldete sich niemand, da gab es kein Gedränge, um mit dabei zu sein, alle scheuten zurück, nur ein einsamer Mann, der Refor­ mator, ward in aller Stille mit Furcht und Zittern und viel Anfechtung streng dazu erzo­ gen, das Außerordentliche in Gottes Namen zu wagen. Jetzt ist da ein Getose, als wäre es auf einem Tanzboden, damit, dass alle reformieren wollen; dies kann nicht Gottes Gedanke sein, sondern ist ein läppisches Fündlein der Menschen, weshalb denn auch an Stelle von Furcht und Zittern und viel Anfechtung es Hurras gibt, Bravos, Beifall klat­ schen, Abstimmung, Juchei, Rundgesang, Spektakel – und blinden Lärm.“86

In Kierkegaards Worten mag manches (wie so oft) zu stark auf die Spitze getrie­ ben sein. Aber recht hat er schon: Liturgie kann man nicht reformieren wollen, man kann sie nur feiern wollen. Und in dieser Feier ins Spiel der Liturgie finden, um dann Spielvarianten zu entdecken – und aus diesen Entdeckungen Impulse zu entwickeln. Wenn ich einen Prozess liturgischer Weiterarbeit an der ‚Agende‘ imaginieren soll, bedeutet dies zunächst, dass wir Feierräume und Experimentierräume für den ‚ganz normalen‘ Gottesdienst brauchen, damit Menschen neue Erfahrungen in ihm und mit ihm machen. Daraus werden sich (weit mehr als in Kommissionen und Ausschüssen) nach und nach Impulse ergeben und neue Weisen, das alte Spiel heute zu spielen. Aus dem Spiel ins neue Spiel, aus der Feier in die veränderte Feier, aus der Liturgie in ihre Erneuerung. So wäre auch der „Wut des Gestaltens“ gewehrt – und die Theologie der Gestalt hätte eine Chance.

86 Kierkegaard, Sören: Urteilt selbst. Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen. In: ders., Gesammelte Werke, hg. v. Hirsch, Emanuel/Hirsch, Rose/Gerdes, Hayo, Abt. 27–29, Erbauliche Reden 1850/51, Düsseldorf 1953, 240 f.

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Ökumenische Reformen evangelischer Agenden in Deutschland

Jörg Neijenhuis

1. Evangelische Reformbemühungen in ökumenischer Perspektive Im Bemühen um evangelische Liturgiereformen in Deutschland werden immer wieder ökumenische Aspekte genannt, denn sie sind – neben manch anderen Gründen – eine Motivation zur Reform. Dabei ist einerseits die innerevangeli­ sche Ökumene zwischen lutherischen, unierten und reformierten Kirchen und andererseits die Ökumene mit anderen Konfessionskirchen, wie z. B. der römisch-katholischen Kirche, den orthodoxen, aber auch den anglikanischen Kirchen und ebenfalls einigen Freikirchen zu beachten, wobei das „Ökumeni­ sche“ durchaus unterschiedlich verstanden werden kann. Unter Ökumene versteht das von den lutherischen und unierten Kirchen Deutschlands 1999 herausgegebene Evangelische Gottesdienstbuch in seinem vierten von sieben maßgeblichen Kriterien zum Verstehen und Gestalten der erneuerten Agende Folgendes: „Der evangelische Gottesdienst steht in einem lebendigen Zusammenhang mit den Gottesdiensten der anderen Kirchen in der Ökumene.“1 Hier wird Ökumene verstanden als eine Raumangabe, da die Kirchen weltweit gemeint sind; dieses Verständnis nimmt den Ursprungssinn des Wortes auf, da mit „Ökumene“ die ganze bewohnte Erde gemeint ist. In diesem Sinne fährt auch der erläuternde Text zur vierten These fort: „Evangelischer Gottesdienst ist immer auf die ganze Kirche Jesu Christi bezogen. Er ist deshalb für den Reich­ tum der Spiritualität in den anderen Kirchen offen. Die geistlichen Erkenntnisse und liturgischen Formen in der Ökumene können helfen, neue Zugänge zu Ele­ menten des Gottesdienstes zu eröffnen. Auch ursprünglich eigene liturgische Schätze, die im Lauf der Zeit verschüttet wurden, werden so neu entdeckt und für das Gemeindeleben fruchtbar gemacht. Schließlich können Gemeinden For­ men und liturgische Stücke aus dem gottesdienstlichen Leben von Kommunitä­ ten aufnehmen, die häufig ökumenisch ausgerichtet sind. In diesem Sinne ist das 1 Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelische-Lutherische Kirche Deutschlands. Hg. v. der Kirchenleitung der Vereinig­ ten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanz­ lei der Evangelischen Kirche der Union. Berlin 1999, 15.

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Gottesdienstbuch eine Hilfe auf dem Weg zu einer erfahrbaren Gemeinschaft der Kirchen.“2 Am Verlauf dieses Textes kann man erkennen, dass das in der vierten These verwendete Ökumeneverständnis ausgedehnt wird auf eine Inhaltsangabe, die der Raumangabe ergänzend zur Seite tritt. Zuerst wird das Raumverständnis hervorgehoben: Der evangelische Gottesdienst ist auf die ganze Kirche Jesu Christi bezogen. Dann aber werden Inhaltsangaben gemacht: Die dort gelebte Spiritualität kann bereichernd wirken und sogar helfen, eigene liturgische Tradi­ tionen neu zu eröffnen oder vergessenen liturgischen Reichtum neu zu entde­ cken. Es wird sogar auf Kommunitäten hingewiesen, die ökumenisch ausgerich­ tet sind. Wird der Begriff „Ökumene“ als eine Inhaltsangabe verstanden und der Inhalt summarisch mit „universal, allgemeingültig, autoritativ, verpflichtend“3 gebündelt, nimmt man damit Bezug auf die Bedeutung der Ökumenischen Kon­ zilien der Alten Kirche. Ökumenisch sind also jene Inhalte, die für eine sich christlich nennende Kirche unverzichtbar sind. So haben in ihrer neuen Ökume­ nischen Dogmatik Wolfgang Beinert und Ulrich Kühn im Vorwort gleich mit dem ersten Satz programmatisch festgehalten, dass große Teile des Christentums davon überzeugt sind, dass sich Gemeinsamkeiten trotz aller Trennungen als unzerstörbar erwiesen haben.4 An diesen Gemeinsamkeiten bzw. Inhalten lässt sich dann auch die ökumenische Gemeinschaft der Kirchen erkennen, weil diese Gemeinsamkeiten – in welcher Form und in welcher Weise sie auch immer erfahrbar sein mögen – in allen christlichen Kirchen gelebt werden, obwohl nach evangelischem Verständnis die Ökumene der Kirchen in der gemeinsamen Ver­ kündigung des Evangeliums in Wort und Sakrament konstitutiv und ausrei­ chend ist, während z. B. die römisch-katholische, orthodoxe und anglikanische Kirchentradition die apostolische Amtssukzession als weiteren Inhalt ansieht, ohne die es Kirche Jesu Christi nicht geben kann. Wenn zum Schluss des Textes gar auf Kommunitäten hingewiesen wird, ist damit impliziert, dass es offenbar Kommunitäten gibt, die diese Ökumene leben. Solche gelebte Ökumene impli­ ziert neben der Raumangabe hinsichtlich der Gemeinschaft von Kirchen auch eine Inhaltsangabe, die das Wahrheitskriterium von Kirche im Blick hat. Darauf weist auch ein Abschnitt hin, der die Konzeption des Evangelischen Gottes­ dienstbuches vorstellt und die Verbundenheit mit der universalen Kirche in der viergliedrigen festen Grundstruktur des Gottesdienstes sieht.5 Was bedeutet das für die Liturgiewissenschaft, die nicht nur konfessionelle Tra­ ditionen beachtet, sondern überkonfessionell und methodisch interdisziplinär arbeitet? Unter dem Kriterium des oben ausgeführten Ökumenebegriffs soll Folgendes bedacht werden: Wenn von der erfahrbaren Gemeinschaft der Kirchen oder von der sichtbaren 2 3 4 5

A. a. O., 15 f. Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG in vierter Auflage), Bd. 6, 507. Beinert, Wolfgang/Kühn, Ulrich: Ökumenische Dogmatik. Leipzig/Regensburg 2013, V. Evangelisches Gottesdienstbuch (s. Anm. 1), 18.

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Gestalt von Kirche die Rede ist, dann ist man mit Blick auf den Gottesdienst an den Ausdruck des christlichen Glaubens gewiesen, wie er mit der Feier des Got­ tesdienstes erlebt wird. Den Ausdruck des Glaubens bzw. die Gestalt des Glau­ bens durch die Liturgie unter den gerade eben genannten ökumenischen Aspek­ ten werde ich in drei Schritten darstellen: Mit dem ersten Schritt werden die neueren evangelischen Agenden zuerst danach befragt, wie sie selbst das ökumenische Anliegen thematisieren. Im zweiten Schritt wird der Textbestand anhand der Quellenangaben unter­ sucht, ob die Texte nur aus der eigenen kirchlichen bzw. konfessionellen Tradi­ tion stammen oder ob auch andere Traditionen als Quellen herangezogen wur­ den. Für den dritten Schritt wird die Perspektive eines Blickes von außen auf die Agenden eingenommen, indem die unterschiedlichen Sprachebenen benannt werden, mit denen sich die jeweiligen Liturgien Gestalt geben, denn daran lässt sich m. E. auch zeigen, wie sich die Reformen ökumenisch entwickelt haben.

2. Die Selbstthematisierung des ökumenischen Anliegens in neueren evangelischen Agenden Für Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswerte Annähe­ rung von lutherischen und unierten Gottesdiensttraditionen festzustellen. Diese Annäherung findet sich nicht nur für den sonntäglichen Gottesdienst der Mess­ form, sondern auch für die Kasualgottesdienste.

Evangelisches Gottesdienstbuch Das durch die lutherischen und unierten Kirchen gemeinsam geschaffene und 1999 erschienene Evangelische Gottesdienstbuch ist selbst ein ökumenisches Zeichen, da es die Messform des Gottesdienstes als „ein Zeichen ökumenischer Gemeinschaft“6 versteht, weil diese Gottesdienstform bis in die frühe Christen­ heit zurückverfolgt werden kann und diese Grundform „dem lutherischen, ang­ likanischen, römisch-katholischen und neuerdings auch dem englischsprachigen Gottesdienst der Reformierten und der evangelischen Freikirchen zu Grunde liegt“7. In der Tat lässt die dargebotene Messform im Vergleich mit den Messformen der genannten Kirchen kaum noch Unterschiede feststellen. Auch die unierten Kirchen tradieren die Messform, obwohl die reformierte Tradition diese Litur­ gieform nicht kennt, sondern den Predigtgottesdienst als eigene Tradition ansieht und die Sakramentsfeier mit dem Predigtgottesdienst verbindet. 6 Evangelisches Gottesdienstbuch (s. Anm. 1), 24. 7 Ebd.

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Taufbuch Bei den neueren Kasualagenden, die nach dem Evangelischen Gottesdienstbuch von 1999 erschienen sind, finden sich solche ökumenischen Aspekte manchmal stärker, manchmal auch schwächer vor. Das Taufbuch der unierten Kirchen in Deutschland aus dem Jahr 20008 hebt in seinen Vorbemerkungen den Bezug zum Abschnitt des Lima-Textes von 1982 über die Taufe hervor und benennt ausdrücklich die Bitte um den Heiligen Geist, Zeichenhandlungen und Tauferklärungen.9 Bei den Grundlinien des Taufverständnisses wird aber auch auf ökumenische Differenzen hingewiesen, indem der Lima-Text selbst zitiert wird: „Christen haben eine unterschiedliche Auffassung davon, worin das Zeichen der Gabe des Geistes sich ausdrückt.“10 Der nachfolgende Text nennt als Zeichen für die Gabe des Geistes den Wasserri­ tus, die Salbung mit Chrisma und/oder die Handauflegung. Weiterhin wird auf die Differenz verwiesen, dass für manche Kirchen die christliche Initiation unvollständig ist, wenn keine Versiegelung der Getauften mit der Gabe des Hei­ ligen Geistes vollzogen wird und es zu keiner Teilnahme am Heiligen Abend­ mahl kommt.11 Wenn biblische Elemente wieder in die Liturgie aufgenommen werden, die in der eigenen Tradition an den Rand gerückt oder vergessen wur­ den (in dieser Agende: die Salbung und die Hephata-Handlung), kann das als eine ökumenische Reform angesehen werden, obwohl diese Elemente zum fakultativen Gebraucht gekennzeichnet sind. Sie machen in jedem Fall deutlich, dass der Ausdruck des Glaubens sich nicht nur auf Texte beschränken kann, sondern auch Handlungen implizieren muss.

Konfirmationsagende Die Konfirmationsagende aus dem Jahr 2001 macht kaum ökumenische Bezüge deutlich, was sicherlich daran liegt – wie die Verfasser selbst schreiben –, dass es im Grunde keine eigene Konfirmationstheologie gibt, denn dafür fehlen die bib­ lischen Bezüge.12 Insofern ist neben dem Bekenntnis des Glaubens auch mehr die Lebenssituation Jugendlicher im Blick als die Ökumene. Innerevangelisch ist diese Agende aber von ökumenischer Bedeutung, da sie von unierten wie luther­ ischen Kirchen verwendet wird. Denn den Höhepunkt des Konfirmationsaktes bilden das Bekenntnis des Glaubens und die Segnung, die in beiden Kirchentra­ 8 Taufbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union (Band 2). Im Auftrag des Rates hg. v. d. Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union. Berlin, Bielefeld 2000. 9 A. a. O., 9. 10 A. a. O., 18. 11 A. a. O., 19. 12 Konfirmation. Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden und für die Evan­ gelische Kirche der Union, Band III. Hg. v. d. Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Luther­ ischen Kirche Deutschlands und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union. Berlin 2001, 13.

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ditionen schon vor dieser gemeinsamen Agende gleich bzw. ähnlich gehandhabt wurden. Dabei gestaltet sich der Verlauf der Konfirmationshandlung durchaus ökumenisch, weil an die eigene Taufe erinnert wird und es zu einem persönli­ chen Bekenntnis zur eigenen Taufe und vermittels des gemeinsamen Sprechens des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zu einem Einstimmen in den Glau­ ben der weltweiten Kirche kommt. So kann der Konfirmationsgottesdienst auch als Abschluss des nachgeholten Taufkatechumenats verstanden werden.

Trauagende Für eine Trauagende ist in unserer Zeit der ökumenische Bezug geradezu not­ wendig, weil Paare, die zwei unterschiedlichen Kirchen oder gar zwei unter­ schiedlichen Religionen angehören, heiraten und eine kirchliche Trauung wün­ schen. Da ist nicht nur die innerevangelische Ökumene gefragt, sondern auch die zu anderen Kirchen, am häufigsten zur römisch-katholischen Kirche. Auch werden Trauungen gewünscht, wenn ein Partner aus der Kirche ausgetreten ist oder nicht getauft wurde und somit konfessionslos ist. Trauungen mit einem Partner aus einer anderen Religion sieht noch keine Trauagende vor; hierfür gibt es aber eigenkirchliche Handreichungen und Bestimmungen. Im Jahr 2006 erschien die neue Trauagende der Evangelischen Kirche der Union, die in ihrer Einleitung auf diese Situation eingeht.13 Sie weist hin auf die Vereinbarung zwischen dem Rat der EKD und der Deutschen Bischofskonfe­ renz von 1971, die in revidierter Neuauflage von 1995 in Geltung ist; diese Handagende ist in der Trauagende von 2006 mit abgedruckt.14 Sie enthält zwei Liturgien: eine evangelische Liturgie, die in einer evangelischen Kirche unter Beteiligung eines katholischen Pfarrers gefeiert wird, und eine katholische Litur­ gie, die in einer katholischen Kirche unter Beteiligung eines evangelischen Pfar­ rers bzw. einer evangelischen Pfarrerin gefeiert wird. Dadurch wird berücksich­ tigt, dass es erhebliche Unterschiede im Eheverständnis beider Kirchen gibt, da die Ehe nach katholischem Verständnis ein Sakrament ist. Für ein gemeinsames seelsorgerliches Handeln bei Eheschließungen zwischen evangelischen und orthodoxen Christen finden sich im Anhang der neuen Trauagende Hinweise,15 die von der Geschäftsführung der Kommission der Orthodoxen Kirchen in Deutschland und dem Kirchenamt der EKD im Jahr 2002 veröffentlicht wur­ den. Darin wird betont, dass es eine ökumenische Trauung nicht geben kann. War es darum früher üblich, dass das Brautpaar in einer evangelischen Kirche eine evangelische und in einer orthodoxen Kirche eine orthodoxe Trauung voll­ zog, also sozusagen eine Doppeltrauung feierte, raten diese Hinweise davon ab und empfehlen dem Brautpaar sich für eine Kirche und damit für einen Ritus zu 13 Trauung. Agende für die Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Band 4. Im Auftrag des Präsidiums hg. v. d. Kirchenkanzlei der UEK. Bielefeld 2006, 40–42. 14 A. a. O., 81–122. 15 A. a. O., 204–209.

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entscheiden. Entscheidet sich das Brautpaar für den orthodoxen Ritus, wird dem evangelischen Geistlichen empfohlen, entweder einen evangelischen Teil der Feier zu übernehmen – wie z. B. einen trinitarischen Lobpreis, die gemein­ same Begrüßung, ein Gebet, die Ansprache16 und gegebenenfalls die Befragung der Trauleute – oder nach der orthodoxen Feier ein Gruß- und Segenswort zu sprechen. Auch die genuin evangelischen Liturgien zur Trauung kennen zwei grundle­ gende Gestaltungen: Die eine Variante enthält eine kopulative Eheschließung durch Ringübergabe, Zusammenfügen der Hände der Brautleute und Trauvo­ tum mit Handauflegung des Liturgen, die zweite Variante verzichtet auf die kopulative Eheschließung, weil sie als „Überhöhung einer staatlichen Eheschlie­ ßung und damit als eigenständige kirchliche Eheschließung“17 missverstanden werden kann. Beide Varianten können unterschiedlich gestaltet werden, was die Agende auch dokumentiert, denn darin kommen unterschiedliche regionale Überlieferungen mitsamt verschiedenen Akzentsetzungen zum Tragen.18 Gleichwohl kommt zum Ausdruck, dass dieses nicht-sakramentale Ehever­ ständnis auf Luther und seinem Traubüchlein von 1529 fußt und dass diese Trauliturgie im Laufe der Geschichte bis heute Erweiterungen und Veränderun­ gen erfahren hat.

Bestattungsagende Die unierten Kirchen haben 2004 eine neue Bestattungsagende veröffentlicht.19 Als ökumenische Erweiterung der unierten Agende kann die Kommendatio, die Anvertrauung, angesehen werden, die ausgesprochen wird, wenn im Anschluss an eine Trauerfeier keine Bestattung stattfinden kann bzw. wenn sie erst zu einem sehr späten Zeitpunkt stattfindet. Die Aussagen dieser Kommendatio sind jener Bestattungsformel ähnlich, die zwischen der Erinnerung an die Vergäng­ lichkeit des Menschen (Asche zu Asche, Staub zu Staub …) und der ausgespro­ chenen Auferstehungshoffnung platziert ist: „Lasst uns nun die Verstorbene/ den Verstorbenen Gott anvertrauen: Aus Gottes Hand hat N. N. das Leben empfangen. In Gottes Hand geben wir den Menschen, der uns lieb war, zurück. Gott, auf den wir vertrauen, ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden, denn ihm leben sie alle. (Lk 20,38) In diesem Glauben bleiben wir verbunden auch mit unseren Verstorbenen. Der Friede Gottes bewahre uns alle in Zeit und Ewigkeit. Amen.“20 Ansonsten sind ökumenische Bezüge kaum zu entdecken, weil die Trauersituation der Hinterbliebenen im Vordergrund steht und lehrmä­ 16 A. a. O., 207. 17 A. a. O., 31. 18 A. a. O., 30. 19 Bestattung. Agende für die Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Band 5. Im Auftrag des Präsidiums hg. v. d. Kirchenkanzlei der UEK. Bielefeld 2004. 20 A. a. O., 155.

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ßige Belange kaum angesprochen sind. Lediglich die Bestattungsformel wird erwähnt, die nach dem Vorbild der anglikanischen bzw. lateinischen Kirche ver­ mittelt durch die liturgische Reformbewegung des 19. Jahrhunderts im Ge­ brauch kam und sich in den meisten Bestattungsordnungen des 20. Jahrhunderts wiederfindet. In diesem Sinne ist auch die Aufnahme der Kommendatio zu ver­ stehen. Neu in dieser Agende ist das Totengedenken, das mit einer Andacht sechs Wochen nach der Bestattung und/oder auch ein Jahr danach gefeiert wer­ den kann. Die Andacht zum Sechswochengedenken sieht zudem die Möglich­ keit vor, das Heilige Abendmahl zu feiern. Beide Gedenkfeiern sind seelsorger­ lich bestimmt. Sie erinnern an das römisch-katholische Sechswochenamt und Jahresamt, die als Messe mit Gedenken des Verstorbenen gefeiert werden kön­ nen.

Agende zu Passion und Ostern Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands hat 2011 eine neue Agende für die Zeit von Passion und Ostern21 herausgegeben. Die den Liturgien vorangestellten Erläuterungen22 gehen ausführlich auf die Entstehung dieses ältesten Festes der Christenheit ein und führen dadurch die gemeinsame Geschichte der heute getrennten Kirchen vor Augen. Zahlreiche Bräuche, die sich für die Passionszeit herausgebildet haben, und solche, die für die Gottes­ dienste des Triduum sacrum und für die österlichen Feiern bis Pfingsten geübt werden, finden sich – auf Deutschland bezogen – in evangelischen wie in römisch-katholischen Kirchengemeinden. Hingewiesen wird ausdrücklich darauf, dass die Osternacht nach einer langen Zeit des Vergessens bzw. der Mar­ ginalisierung dank der liturgischen Bewegung des 20. Jahrhunderts wieder in beiden Kirchen einen der Feier angemessenen hohen Stellenwert einnimmt. Für die Feier am Gründonnerstag wird auf die Fußwaschung verwiesen, die in „evangelischen Kommunitäten und vergleichbar geprägten Gemeinschaften“23 geübt wird, was „katholischen Gemeinden durchaus vertraut ist.“24 Für die Feier der Einsetzung des Heiligen Abendmahls, gefeiert in Form eines Tisch­ abendmahls, wird sogar die interreligiöse Ökumene erwähnt. Da mancherorts die christlichen Gemeinden mit dem Tischabendmahl das Passafest begehen, wird darauf hingewiesen, dass es nötig sei, „dass jede Verwechslung mit einem jüdischen Passamahl vermieden wird. Zu Recht weisen Juden angesichts einer zunehmenden Zahl von ‚christlichen Passafeiern‘ darauf hin, dass sie diese Pra­ 21 Passion und Ostern. Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Bd. II, Teilband 1. Hg. v. d. Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutsch­ lands. Hannover 2011. 22 A. a. O., 8–14. 23 A. a. O., 10. 24 Ebd.

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xis verletzt.“25 Für den Karfreitag zeigt sich die besondere evangelische Tradi­ tion der Abendmahlsfeier, da hier die Theologia crucis liturgischen Ausdruck findet. Selbst das Evangelische Gottesdienstbuch bietet für diesen Tag eine eigene Gottesdienstordnung.26 Es wird aber auch auf die weltweite Christenheit verwiesen, die am Karfreitag ausdrücklich auf die Feier dieses Sakraments ver­ zichtet. Die Agende schlägt vor, beiden Traditionen nebeneinander Raum zuge­ ben: Am Vormittag kann der Abendmahlsgottesdienst und am Nachmittag kann zur Todesstunde Jesu ein besonderer Gottesdienst ohne das Abendmahl gefeiert werden.27 Für den Karsamstag wird auf die orthodoxe Kirche verwiesen, die in ihrer Liturgie an diesem Tag besonders des Abstiegs Jesu in das Totenreich gedenkt.28

Agende zur Berufung – Einführung – Verabschiedung Unter ökumenischem Blickwinkel bedarf die jüngst erschienene Agende für unierte und lutherische Kirchen innerhalb der EKD aus dem Jahr 2012 Beru­ fung – Einführung – Verabschiedung29 der besonderen Beachtung. In ihr geht es um die Berufung zum Amt der öffentlichen Verkündigung in Wort und Sakra­ ment, also um Ordination und Berufung, sowie um Einsegnungen und einma­ lige Übertragung von Diensten, z. B. die Einsegnung von Diakonen oder die Übertragung von Lektorendiensten. Es folgen die Einführungen in bestimmte Dienste, z. B. die Einführung eines Pfarrers in eine neue Dienststelle oder die Einführung ehrenamtlich Mitarbeitender. Zum Schluss bietet die Agende Litur­ gien zur Verabschiedung aus einem kirchlichen Dienst. Ihr besonderes ökumenisches Anliegen ist innerevangelisch zu sehen, denn mit ihr ist innerhalb der EKD eine Agende für die Berufung und Einführung in Geltung, die unterschiedliche Amtsverständnisse und die damit verbundenen kirchlichen Selbstverständnisse so nahe zueinander bringt, wie es möglich erscheint, die aber zugleich Unterschiede nicht unterschlägt. Das wird schon in dem einführenden Text deutlich, der feststellt, dass ein gemeinsames theologi­ sches Verständnis des kirchlichen Amtes bislang noch aussteht. Die Spannungen zeigen sich in der „Bezeichnung der Berufung in den Prädikantendienst im Ver­ hältnis zur Berufung in den pastoralen Dienst. Andere Spannungsfelder ergeben sich bei der Einführung in den Vorbereitungsdienst (Vikariat) und bei der Ein­ segnung von Diakonen oder Diakonissen.“30 Ebenso klar wird die gemeinsame Grundlage der Confessio Augustana V – „das kirchliche Amt [ist] dazu einge­ 25 Ebd. 26 Evangelisches Gottesdienstbuch (s. Anm. 1), 177–189. 27 Passion und Ostern (s. Anm. 21), 10 f. 28 A. a. O., 11. 29 Berufung – Einführung – Verabschiedung. Agende 6 für die Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Agende IV, Teilband 1 der VELKD für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden. Bielefeld 2012. 30 A. a. O., 10.

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setzt, durch Wort und Sakrament den Glauben an die rechtfertigende Gnade Gottes zu bewirken“31 – und XIV – „die öffentliche Wahrnehmung dieses Amtes [ist] denen vorbehalten, die ordnungsgemäß dazu berufen sind“32 – benannt, aber auch die lutherische Auffassung, dass es nur ein einziges Amt gibt, wohingegen die reformierte Tradition – auf Calvin zurückgehend – vier Ämter (Pastoren, Lehrer, Älteste, Diakone) kennt, die prinzipiell gleichberechtigt sind. Diese Agende achtet darauf, dass die Begriffe „Amt“ und „Dienst“ unterschie­ den werden, indem „Amt“ nur verwendet wird, wenn das Amt der öffentlichen Wortverkündigung gemeint ist, während „Dienst“ immer dann Verwendung findet, wenn es um die vielfältigen Dienste geht, an denen alle Getauften teilha­ ben. Jene, die diese Agende benutzen, müssen die Unterschiede zwischen Ordi­ nation und Beauftragung beachten, die eher der lutherischen Tradition zuge­ rechnet werden. Aber auch da gibt es Unterschiede, wie z. B. in der Evangeli­ schen Kirche in Mitteldeutschland, die auch der VELKD angehört: Hier werden Prädikanten ebenfalls ordiniert und nicht berufen, um eine Abstufung zwischen höheren und niederen Ämtern zu vermeiden. Wichtig ist aber, dass die Agende den Gemeinsamkeiten zwischen lutherischen und unierten Kirchen Ausdruck verleihen will: „So sieht sie bei allen Berufungs- und Einführungshandlungen einen identischen Kern vor, der im Hören auf das Evangelium, in der Bitte um den Heiligen Geist, der Nennung der besonderen Aufgabe und dem Zuspruch des Segens Gottes besteht.“33 Ökumenisch bedeutsam ist also, dass eine Litur­ gie – z. B. für die Ordination – für unterschiedliche Kirchen vorgesehen ist, obwohl in ihrem Verlauf dann Differenzen auftreten, z. B. bei der Nennung der Bekenntnisgrundlagen. Die Basis für diese Agende mit unterschiedlichen Amts­ verständnissen und damit einhergehend unterschiedlichen Liturgien bildet die Leuenberger Konkordie von 1973. Sie erklärt Kirchengemeinschaft zwischen lutherischen und reformierten und den aus ihnen hervorgegangenen unierten Kirchen trotz verschiedenen Bekenntnisstandes in dem Sinne, dass sie einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren und die Ordination gegensei­ tig anerkennen.34 Darüber hinaus hält der einführende Text fest, dass Berufungs-, Einführungsund Verabschiedungshandlungen der öffentlichen Darstellung der Kirche die­ nen, wessen man sich besonders bewusst sein soll, weil diese Handlungen in einer weitgehend medial bestimmten Öffentlichkeit vollzogen werden.35 Auch dieser Hinweis ist ökumenisch relevant, denn wenn von Öffentlichkeit, gar von medialer Öffentlichkeit die Rede ist, sind damit zugleich die anderen christli­ chen Kirchen, die sich ebenfalls in der Öffentlichkeit darstellen, mit ihren ande­ ren und unterschiedlichen Kirchen- und Amtsverständnissen und davon abge­ leitet auch anderen öffentlichen Darstellungsformen gemeint. 31 32 33 34 35

A. a. O., 11. Ebd. Ebd. Ebd. A. a. O., 13 f.

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3. Die Quellen der verwendeten Texte Inwieweit hinsichtlich der verwendeten Texte – seien es vorrangig Gebete, aber auch Segensformeln oder Formeln zur Taufe, Konfirmation oder Bestattung – auf die weltweite Ökumene zurückgegriffen wurde und im verwendeten Text­ gut bzw. Gebetsgut die Ökumene dem räumlichen wie auch dem inhaltlichen Verständnis nach anwesend ist, soll nun in gebotener Kürze dargestellt werden, denn es ist nicht möglich, alle Gebetstexte und anderen Texte der genannten Agenden hier einzeln zu überprüfen. Erfreulicherweise haben die meisten neu­ eren Agenden ein mehr oder weniger ausführliches Quellenverzeichnis, auf das nun zurückgegriffen werden soll.

Evangelisches Gottesdienstbuch Das Evangelische Gottesdienstbuch von 1999 hat ein zweigeteiltes Quellenver­ zeichnis, abgedruckt in der Taschenbuchausgabe.36 Zum einen führt eine Biblio­ graphie Agenden verschiedener Kirchen auf; hier finden sich neben vielen evan­ gelischen Agenden deutscher Sprache das Lutheran Book of Worship aus den USA, aus der anglikanischen Kirche Englands das Book of Common Prayer und The Alternative Service Book sowie das deutsche Messbuch der römischkatholischen Kirche. Unter den Entwürfen für Agendenrevisionen werden unter anderem Texte der Evangelischen Michaelsbruderschaft, Texte von liturgischen Kommissionen und von Privatpersonen genannt. Es folgen historische Quellen und das in diversen Verlagen erschienene liturgische Schrifttum. Schaut man sich zum anderen das ausführliche Quellenverzeichnis der einzelnen Gebets­ texte an, wird schnell deutlich, dass die breite Gebetstradition innerevangelisch wie ökumenisch aufgenommen worden ist, und zwar nicht nur aus den Vorgän­ geragenden oder der Gegenwartsliteratur, sondern auch historische Quellen wurden oft verwendet und für die Gegenwart bearbeitet. Beispiele: das fränki­ sche Sacramentarium Gelasianum, das Altgelasianum, das Hadrianum, auch weitere mittelalterliche Quellen wie das Rituale Romanum 1474; die histori­ schen reformatorischen liturgischen Schriften und Agenden, z. B. Veit Dietrichs Evangelienkollekten, Luthertexte nach dem Klugschen Gesangbuch, die Löhe­ agende aus dem 19. Jahrhundert sowie aus dem 20. Jahrhundert viele Texte, die von Autoren verschiedener Prägung und Konfession stammen.

36 Evangelisches Gottesdienstbuch (Taschenbuchausgabe). Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelische-Lutherische Kirche Deutschlands. Hg. v. der Kir­ chenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union. Berlin 2000, 721–751.

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Taufbuch Für das Taufbuch aus dem Jahr 2000 stellt sich die Sache schwieriger dar, weil nur jene Texte ausgewiesen wurden, „die nicht der Arbeit des Liturgischen Aus­ schusses oder liturgischem Allgemeingut entstammen.“37 Die wenigen anderen angegebenen Quellen greifen allesamt auf evangelisches Schriftgut zurück. Woher die in der Agende verwendeten Texte kommen, die der Liturgische Aus­ schuss verwendet hat, muss also noch eigens erforscht werden, wobei es nahelie­ gend ist zu vermuten, dass bei einer Taufagende ebenso wie beim Gottesdienst­ buch auf die breite und ökumenische Gebetstradition zurückgegriffen wurde.

Konfirmationsagende Das Quellenverzeichnis der Konfirmationsagende ist demgegenüber wesentlich ausführlicher geraten.38 Dass für eine Konfirmationsagende nur die eigene evan­ gelische Tradition infrage kommt, ist wohl selbstverständlich. Die angeführten Quellen bestätigen es.

Trauagende Die Trauagende unterteilt ihr Quellenverzeichnis wie das Gottesdienstbuch in Bibliographie und Quellentexte.39 Die Bibliographie führt neben allerhand evangelischen Agenden und Gebetstextausgaben auch die römisch-katholische Trauung aus dem Jahr 1975 auf. Die Textsammlung ist evangelischem Schriftgut entnommen. Allerdings wird wie bei der Taufagende darauf hingewiesen, dass Arbeiten des Liturgischen Ausschusses oder liturgisches Allgemeingut nicht eigens benannt werden.40 Quellenangaben finden sich unter anderem für soge­ nannte weltliche Texte, die aus der Literatur zur Liebe und zur Ehe stammen. Ob man in ihnen eine ökumenische Weite sehen will und ob es sich hierbei wirklich „nur“ um weltliche Texte handelt, sei dahingestellt.

Bestattungsagende Die Bestattungsagende bietet ein ausführliches Quellenverzeichnis.41 Die Bib­ liographie weist nicht nur evangelisches, sondern auch römisch-katholisches Schriftgut aus. Während das Textverzeichnis für die Gebete – mit der bereits 37 38 39 40 41

Taufbuch (s. Anm. 8), 159. Konfirmation (s. Anm. 12), 283–287. Trauung (s. Anm. 13), 257–264. A. a. O., 257. Bestattung (s. Anm. 19), 404–416.

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bekannten Einschränkung, was die Arbeiten des Liturgischen Ausschusses betrifft – hauptsächlich Gebete aus der evangelischen Tradition aufführt, finden sich bei den Texten aus der Literatur42 neben bekannten geistlichen Schriftstel­ lern wie Matthias Claudius oder Jochen Klepper zahlreiche Autoren von Theo­ dor W. Adorno bis Carl Zuckmayer.

Agende zu Passion und Ostern Das Quellenverzeichnis der Agende zu Passion und Ostern scheint dem der Taufagende zu ähneln, da offensichtlich nur Quellen aufgeführt wurden, die nicht aus der Arbeit der Kommission entstanden oder dem liturgischen Allge­ meingut entnommen sind. Es werden Texte aus den altkatholischen liturgischen Büchern, aus der benediktinischen Tradition, der lutherischen Kirche der USA, Lieder aus Taizé, der anglikanischen Tradition, auch aus deutschen Kirchen der EKD sowie Gebetstexte aus Publikationen einschlägiger Verlage aufgeführt, die anzeigen, dass hier ein ökumenischer Reichtum aufgegriffen wurde.

Agende zur Berufung – Einführung – Verabschiedung In der jüngst erschienenen Agende Berufung – Einführung – Verabschiedung findet man überraschenderweise kein Quellenverzeichnis. Es legt sich aber wegen ihrer stark konfessionellen Prägung aufgrund des Amts- und Kirchen­ verständnisses und der damit verbundenen innerevangelischen Ökumene nahe, dass – wie schon z. B. bei der Konfirmationsagende – wesentlich auf innerevan­ gelische Textquellen zurückgegriffen oder vom Liturgischen Ausschuss neue Texte geschaffen wurden. Dem Vernehmen nach wurde auf ein Quellenver­ zeichnis verzichtet, weil die Quellentexte im Laufe der jahrelangen Bearbeitung in den schließlich abgedruckten Texten kaum noch wiederzuerkennen gewesen seien bzw. mit ihnen kaum noch etwas gemein haben.

Fazit Die größte ökumenische Bandbreite scheint das Gottesdienstbuch zu bieten, das aufgrund der Messform die längste – und wohl auch in historischer Hinsicht am besten dokumentierte – liturgische Tradition hat und Ökumene fundiert. Ver­ gleichbares gilt auch für die Agende für Passion und Ostern. Bei den Kasualien, die typisch evangelisch sind, wie z. B. die Konfirmation, wundert das geringe Ausmaß der Textaufnahme aus der Ökumene naturgemäß ebenso wenig wie die breite Aufnahme ökumenischer Texte im Traubuch, die allein schon durch die 42 A. a. O., 350–403.

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modernen Lebenssituationen gefordert ist. Gleichwohl teilen die Kasualagenden insgesamt nicht die ökumenische Weite des Evangelischen Gottesdienstbuches.

4. Die Sprachebenen der Liturgien In einem dritten Schritt wird nun ein Blick von außen auf die Agenden gewor­ fen, um die ausdrücklich benannten und auch verwendeten unterschiedlichen Sprachebenen aufzuzeigen, mit denen die jeweiligen Liturgien Gestalt gewinnen sollen, wenn sie tatsächlich gefeiert werden. Meines Erachtens lässt sich auf diese Weise verdeutlichen, wie sich die Reformen ökumenisch entwickelt haben und sich weiterhin entwickeln könnten. Dabei soll Ökumene nicht nur verstanden werden als ein Prozess, der auf einen lehrmäßigen Konsens oder auf einen Kompromiss zielt, wie er in den Lehraus­ sagen zwischen den Kirchen dokumentiert wird – sicherlich nicht nur wegen der angemahnten Einheit der Kirche, sondern auch, um falsche Lehrentwicklun­ gen zu korrigieren. Sondern hier soll Ökumene verstanden werden als jener Aspekt der Liturgie, die diese Ökumene in ihrer ganzen Gestalt zeigt. Gelegentlich wird auch davon gesprochen, dass die Konfessionen je eigene Dialekte dieser Einheit sind. Dieser Aspekt ist sicherlich bedenkenswert, aber noch nicht ausreichend, um solchen Dialekten eine ökumenische Relevanz zuzusprechen. Ökumenische Relevanz werden Dialekte nur haben, wenn man sie einer liturgischen Hochsprache zuordnen kann. Diese Hochsprache kann absehen von Eigenheiten, die sich mit Recht regional entwickeln, aber keine gesamtkirchliche Relevanz gewinnen werden. Meines Erachtens vollzieht sich diese liturgische Hochsprache als der Ausdruck bzw. die Gestalt der Feier des Glaubens auf fünf Sprachebenen: 1. Die Wortsprache, die gesprochen, gehört und geschrieben werden kann. 2. Die Körpersprache, die sich durch Mimik und Gestik ausdrücken kann oder dadurch, dass man sich in einem Raum befindet und sich damit zu den ande­ ren Menschen im Raum ein Verhältnis einstellt. Auch kommt das Berühren von Menschen oder Gegenständen hinzu. Der Körper trägt Kleidung und gegebenenfalls Amtsinsignien. Brot und Wein werden geschmeckt, und Düfte, z. B. von Blumen und Kerzen, werden wahrgenommen, oder sie wer­ den bewusst eingesetzt, wie z. B. Weihrauch. 3. Die Klangsprachen lassen sich unterscheiden in eine musikalische Sprache der Vokal- und Instrumentalmusik und in eine akustische Sprache, wie z. B. den Klang der Glocken; aber auch das bewusste Ausbleiben von Akustik durch Schweigen wird zur akustischen Sprache gerechnet.

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4. Als Objektsprachen versteht man zum einen die Raumsprache, z. B. die eines Kirchengebäudes, und zum anderen die ikonische Sprache der Bilder und Geräte, z. B. der vasa sacra. 5. Die Sozialsprachen umfassen einerseits die Sprache der Zeitebene – an wel­ chem Tag, zu welcher Uhrzeit welcher Gottesdienst oder welches Fest gefei­ ert wird –, andererseits die Sprache der Hierarchie, die ausdrückt, wer welche liturgischen Rollen ausführt und welche Aufgaben zu übernehmen hat.43 Der Ausdruck bzw. die Feiergestalt des Glaubens vollzieht sich meist unter der Verwendung mehrerer, wenn nicht sogar aller Sprachebenen, so dass die fünf Sinne des Menschen, das Hören, das Sehen, das Tasten, das Schmecken und das Riechen, beteiligt sind. Dank dieser Sprachebenen kann der Mensch mit seiner ganzen Ausdruckskraft die Feier des Glaubens als Feier der Liturgie inszenie­ ren. Hiermit kann es auch zu einem Verstehen des Glaubens kommen. Auch das halte ich für einen ökumenischen Aspekt, da sich in dieser Inszenierung eine liturgische Hochsprache zum Ausdruck bringt, die allen Christen und ihren Kirchen miteinander eigen ist.

Evangelisches Gottesdienstbuch Legt man nun den Maßstab der fünf Sprachebenen an, zeigt sich in den Erläute­ rungen des Evangelischen Gottesdienstbuches zur Feier der Liturgie schnell, dass vorrangig die Wortsprachebene und damit verbunden eine gewisse Rubri­ kenfolge im Blick ist.44 Das kann man der Eigenart von Agenden zuschreiben, die ja zuerst Texte enthalten und Liturgien als Rubrikenfolgen abbilden. Man kann natürlich darin auch eine besondere Wortverbundenheit evangelischer Theologie entdecken, die den anderen Sprachebenen weniger Wert beimisst. Aber es wird bald deutlich, dass neben der Wortsprachebene auch die Klang­ sprachebene berücksichtigt wird. Darin zeigt sich die gewichtige evangelische Tradition der Kirchenmusik. Darüber hinaus wird auf der Ebene der Klangspra­ chen die Stille erwähnt als Gebetsstille bei der Abendmahlsfeier45 und als Mög­ lichkeit, nach der Predigt Stille zu halten.46 Die Körpersprache wird durch die Erwähnung des Kreuzzeichens beim Segen verwendet.47 Selbstverständlich werden im gefeierten Gottesdienst auch die anderen Kör­ persprachen, die Objekt- und Sozialsprachen, verwendet, selbst wenn das Got­ tesdienstbuch sie nicht ausdrücklich benennt, denn die Gottesdienste werden ja in irgendeinem Raum zu einer bestimmten Zeit von bestimmten Personen gefei­ 43 Vgl. dazu ausführlich Neijenhuis, Jörg: Gottesdienst als Text. Eine Untersuchung in semioti­ scher Perspektive zum Glauben als Gegenstand der Liturgiewissenschaft, Leipzig 2007, 137–147. 44 Evangelisches Gottesdienstbuch (s. Anm. 1), 37–57. 45 A. a. O., 82, 119, 127, 144. 46 A. a. O., 73, 103, ausdrücklich 141. 47 A. a. O., 85, 132, 147.

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ert. Dass letztendlich meist mit allen Sprachebenen Gottesdienste gefeiert wer­ den, gilt auch für die weiteren Agenden.

Taufbuch Das Taufbuch verwendet vorrangig dieselben Sprachebenen wie das Gottes­ dienstbuch. Es weist aber ausdrücklich darauf hin, dass es offen ist für nonver­ bale Ausdruckformen.48 Sie zeigen sich auch in den Liturgien. Für ein Taufbuch selbstverständlich ist die Körpersprachebene der Wasserhandlung, hinzu kommt aber auch Übergabe der Taufkerze und gegebenenfalls des Taufgewandes sowie die Bezeichnung mit dem Kreuzzeichen oder das Umhängen eines Halskreu­ zes.49 Als Möglichkeiten der Körpersprachebene werden auch die Salbung und die Hephata-Handlung eröffnet, die beide mit Berührungen verbunden sind. Dass diese Handlungen samt ihren Sprachebenen in evangelischen Kirchen nicht unumstritten sind, zeigt die Fußnote zur Hephata-Handlung: „Durch Beschluss der Kirchenleitung vom 9. 1. 2000 nicht zum Gebrauch empfohlen in der Evan­ gelischen Kirche im Rheinland.“50 Diese Agende widmet den nonverbalen Sprachebenen besondere Aufmerksamkeit. Auch die umfangreiche Einleitung, die den Liturgien und Texten vorangestellt ist, macht das deutlich, indem ein ganz eigenes Kapitel der Taufstätte und damit der Objekt- bzw. Raumsprache gewidmet ist.51

Konfirmationsagende Die Konfirmationsagende hat ebenfalls vorrangig die Wort- und Klangsprachen im Blick. Aber sie rechnet ausdrücklich damit, dass durch das Mitwirken der Jugendlichen an der Gottesdienstgestaltung die anderen Sprachebenen auf manchmal sehr lebendige Weise Eingang in das Gottesdienstfeiern finden. Die Gestaltungshinweise zeigen die Möglichkeit des Gebrauchs weiterer nonverba­ ler Sprachebenen auf: Es kann ein Einzug stattfinden, bei dem die Gemeinde sich erhebt – hier wird die Körpersprach-, Objektsprach- und die Sozialsprach­ ebene erwähnt. Dem Einzug kann ein Kreuz vorangetragen werden: Körper­ sprachebene des Tragens, Objektsprachebene, da ein Raum durchquert wird und ein Kreuz (ikonische Sprache) getragen wird.52 Hinzu kommen die für die Konfirmationshandlung unerlässliche Wortsprachebene des Bekenntnisses, die Körpersprachebene der Segenshandlung, die Sprachebenen des Heiligen Abend­ mahls und gegebenenfalls die der Taufe. Beim Konfirmationsakt kommt auch 48 49 50 51 52

Taufbuch (s. Anm. 8), 9. A. a. O., 112. A. a. O., 113. A. a. O., 32–34. Konfirmation (s. Anm. 12) 5, 140.

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das Knien (Körpersprachebene) zum Zuge; der Altar, vor dem gekniet wird, zeigt die Verwendung der Objektsprachebene an. Dass das Knien als nonverbale Handlung nicht in allen Kirchen selbstverständlich ist, macht folgende Fußnote deutlich: „In reformiert geprägten Gemeinden ist das Niederknien nicht üblich.“53 Trauagende Auch in der Trauagende findet sich eine hervorgehobene Verwendung der Wort- und der Klangsprachebene. Der musikalischen Ebene wird in den Einlei­ tungskapiteln54 wegen der anthropologischen Bedeutung, die eine Eheschlie­ ßung hat, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ebenso wird dem Ort der Trauung (Objektsprache) und dem Verhalten des Liturgen bzw. der Liturgin (Körpersprache) Bedeutung zugeschrieben. Auch besondere Bräuche, die der Körpersprache zuzurechnen sind, wie das Hereintragen der Eheringe, Ring­ übergabe, das Blumenstreuen (Körpersprache, zugleich Objektsprache), werden erwähnt ebenso wie das Handauflegen nach der Ringübergabe auf die zusam­ mengelegten Hände des Brautpaares. In dieser Agende steht der Hinweis, dass ein Kreuzzeichen beim Segen in reformierten Gemeinden nicht üblich sei,55 der bei der Konfirmationsagende, aber auch im Evangelischen Gottesdienstbuch nicht gegeben wurde. In der Taufagende wird beim Segen zum Schluss des Gottesdienstes kein Segenszei­ chen erwähnt56 – der Befund zeigt an, dass die Verwendung der nonverbalen Sprachebenen nicht unstrittig ist.

Bestattungsagende Die Bestattungsagende verwendet die Wort- und die Klangsprachebene in der­ selben Weise wie die anderen Agenden, erwähnt aber in ihrer Einleitung, dass die Ritualformeln eine verständliche sprachliche Vermittlung erfahren sollen und dass die Ausdruckskraft von Zeichenhandlungen zu würdigen ist.57 Der Musik ist ein eigener Abschnitt gewidmet.58 Aufmerksamkeit wird auch dem Gang von der Kapelle zum Grab geschenkt (Objektsprache).59 Als besondere Körpersprache wird der Erdaufwurf erwähnt, aber auch, dass er selbstverständ­ lich ausbleibt, falls eine Urne in einer Urnenwand „bestattet“ wird.60 Die 53 A. a. O., 161. 54 Trauung (s. Anm. 13), 35–38. 55 A. a. O., 66. 56 A. a. O., 80. Es gibt in der Taufagende nur einen ausgeführten Gottesdienst, da davon ausge­ gangen wird, dass die Taufen im Gemeindegottesdienst gehalten werden. 57 Bestattung (s. Anm. 19), 23. 58 A. a. O., 32–34. 59 A. a. O., 34. 60 A. a. O., 25.

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Agende enthält in der Einleitung eigene Abhandlungen zur Predigt und zu den Gebeten, was nochmals die Wichtigkeit der Wortsprachebene für diese Kasualie hervorhebt.61

Agende zu Passion und Ostern Dass auch diese Agende keine Ausnahme hinsichtlich der Bedeutung der Wort­ sprachebene darstellt, wundert nicht, aber die Klangsprachebene erhält doch durch die Feier der Osternacht einen besonderen Aspekt, weil das Schweigen der Glocken und der Orgel seit Gründonnerstag mit dem Lied „Christ ist erstanden“ gebrochen wird und sowohl Orgel als auch Glocken wieder zum Einsatz kommen.62 In diesem Gottesdienst werden zugleich alle in der Passions­ zeit entfallenen Gloriagesänge und Hallelujarufe wieder aufgenommen. Der besondere Zeitpunkt der Osternachtfeier in der Frühe des Ostersonntags hebt durch ihre Gleichzeitigkeit mit der Auferweckung Christi die Sozialsprachebene hervor.63 Wenn am Aschermittwoch das Aschekreuz verwendet wird, ist damit auch die Körpersprachebene tangiert.64 In der Osternachtfeier bedeuten das Entzünden und das Hineintragen der Osterkerze in die Kirche eine besondere Hervorhebung65 – wie auch die Tauffeier und das Taufgedächtnis66 oder die Palmsonntagsprozession mit Palmzweigen67 – in Bezug auf die Körper-, Objektund Sozialsprache.

Agende für Berufung – Einführung – Verabschiedung Auch bei dieser Agende stehen die Wort- und die Klangsprachebene im Vorder­ grund. Einen eigenen Abschnitt zur Musik gibt es allerdings nicht, man begnügte sich mit dem Hinweis, dass „die Lieder und die Musik die aktuelle Kirchenjahreszeit repräsentieren“68 sollen. Auch findet sich der Hinweis, dass die liturgische Farbe für diese Gottesdienstart rot sei, falls nicht die Farbe der jeweiligen Kirchenjahreszeit verwendet werden.69 Diese Aspekte tangieren die Köpersprachebene, aber auch die Sozial- und Objektsprachebene. Dem Über­ reichen der Ernennungsurkunde wird in der Einleitung besondere Aufmerk­ samkeit geschenkt. Die Urkunde soll vollständig verlesen werden (Sozialspra­ che) in einem sachlichen Ton (Sozialsprache, Körpersprache), und sie soll dem 61 62 63 64 65 66 67 68 69

A. a. O., 27–31. Passion und Ostern (s. Anm. 21), 167. A. a. O., 11, 120. A. a. O., 17, 23, 25. A. a. O., 12, 131–143, 185 f. A. a. O., 154–163. A. a. O., 40 f. Berufung – Einführung – Verabschiedung (s. Anm. 29), 16. Ebd.

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Einzuführenden übergeben werden (Sozialsprache).70 Bei der Ordination wird die Objektsprachebene (Raumsprache) einbezogen, wenn der zu Ordinierende und die Ordinanden vor die Gemeinde treten sollen. Zur Körpersprachebene werden das Hinknien (falls es sich nicht um reformierte Gemeinden handelt), das Handauflegen bei der Segnung und das sich Erheben der Gemeinde wäh­ rend dieses Aktes gerechnet.71

5. Ergebnis und Ausblick Alle drei Schritte – die Selbstäußerungen der Agenden zur Ökumene, die Text­ aufnahmen aus der Ökumene und der von außen auf die verwendeten Sprach­ ebenen gerichtete Blickwinkel – haben gezeigt, dass sich die Agenden in einem ökumenischen Kontext bewegen, soweit das möglich ist. Unterschiede wie Unsicherheiten in der Verwendung von nonverbalen Ausdrucksformen lassen sich erkennen. Das hat zum einen mit einer bestimmten Auffassung der WortGottes-Theologie zu tun, zum anderen aber auch mit dem Abwägen, ob die Geschöpflichkeit des Menschen in all ihren Arten und Weisen eingesetzt werden soll, um dem von Gott geschenkten Glauben Ausdruck zu verleihen, bzw. wie das Handeln Gottes – wenn überhaupt – liturgisch darzustellen ist. Um die ökumenische Relevanz von Agenden zu würdigen, reicht ihre Darstel­ lung zwar aus, aber für eine ökumenische Würdigung des evangelischen Gottes­ dienstes ist ein Blick in Agenden nicht hinreichend. Dafür müssen die tatsäch­ lich gefeierten Gottesdienste und Liturgien mit in den Blick genommen werden. Für jede Feier der Liturgie ist es ganz selbstverständlich, dass die Körpersprache unweigerlich eine Rolle spielt ebenso wie die Objekt- und Sozialsprachen, obwohl sie alle seltener in das Bewusstsein treten als die stark verwendeten Wort- und Klangsprachen. Erst angesichts der tatsächlich gefeierten Gottes­ dienste lässt sich abschätzen, ob sie dem ökumenischen Anspruch, den die Agenden stellen, genügen, ihn überbieten oder dahinter zurückbleiben. Gleichwohl wäre es für die weitere Entwicklung von evangelischen Agenden und der tatsächlich gefeierten Gottesdienste von ökumenischer Bedeutung, auch die nicht ständig im Fokus stehenden Sprachebenen ausdrücklich in die gedruckten Liturgieformulare aufzunehmen und sie nicht nur stillschweigend vorauszusetzen bzw. in Einleitungen hervorzuheben. Zum einen würde dadurch die ökumenische Bedeutung evangelischer Gottesdiensttradition kenntlich gemacht und zum anderen würde jeder Liturg und jede Liturgin immer wieder an diese Sprachebenen erinnert und es würde auf das Ökumenische des christli­ chen Glaubens in seiner Ausdrucksgestalt verwiesen. Auf diese Weise lässt sich 70 A. a. O., 19, Punkt 2b. 71 A. a. O., 152–157.

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anzeigen, dass die Sprachebenen bewusst eingesetzt werden, um der Feier des Glaubens eine Gestalt zu geben, die dem Inhalt und der Form Relevanz bei­ misst. Welche Bedeutung die einzelnen liturgischen Rubriken bzw. Feiergestal­ ten haben, lässt sich aus der Kombination der Sprachebenen erschließen. Darum ist eine bewusste Verwendung aller Sprachebenen notwendig. Sie kann nicht dem Zufall überlassen bleiben. Was für die Wortsprachebene und die Klang­ sprachebene selbstverständlich ist – wer möchte immerzu grammatisch fehler­ hafte Sätze sagen oder auf der Orgel ständig falsche Töne erzeugen bzw. welche Gemeinde würde dauerhaft solche semantischen und grammatischen Fehlleis­ tungen ertragen können und darüber hinaus auch noch als adäquaten Ausdruck des Glaubens dauerhaft akzeptieren? –, sollte auch für die Körper-, Objekt- und Sozialsprachen selbstverständlich sein. Für den Liturg wie für den Prediger sind Mimik und Gestik immer auch eigene Gestaltgebungen der Predigt oder des Gebets, die in Kombination mit der Wortsprache stehen. Nähe und Distanz zur Gemeinde, Berührungen beim Segen, Amtskleidung etc. sind nichts Äußerli­ ches, also etwas eher Unwichtiges oder etwas, das man vernachlässigen könnte, sondern sie sind jene äußere Gestaltgebungen des Glaubens, die im Kommuni­ kationsprozess Sinndeutungen evozieren. Das sind sie selbstverständlich auch in Kombination mit den anderen Sprachebenen, wie z. B. beim Segnen eines Braut­ paares: Wortsprachlich wird der Segen gesprochen, der Liturg, kenntlich als Amtsträger durch seine liturgische Kleidung, legt die Hände segnend auf das Brautpaar, das Brautpaar kniet, es kniet am Altar. Das alles ist nicht äußerlich, sondern hier wird dem zunächst nicht wahrnehmbaren Glauben eine äußere, nun wahrnehmbare Gestalt gegeben. Insofern ist auch das gesprochene Wort eine äußere Gestalt, weil es durch Schallwellen, die zwar nicht sichtbar, aber hörbar sind, etwas Äußeres ist. Die durch die Schallwellen geformten Worte, die aufgelegten Hände, das kniende Brautpaar vor dem Altar sind in dieser Kombi­ nation der Sprachebenen eine Sinndeutung, nämlich ein Ausdruck des Glaubens: Das Brautpaar empfängt den Segen Gottes für die geschlossene Ehe durch einen Amtsträger, indem es vor Gott eine empfangende Haltung einnimmt. Diese Verwendung der liturgischen Hochsprache als einer ökumenischen Spra­ che des christlichen Glaubens lässt einen Vergleich der Glaubensinhalte zu, der zeigen kann, dass das Gemeinsame des Glaubens über die Konfessionsgrenzen hinweg gewahrt wurde und auch weiterhin gewahrt werden soll. Ebenso lässt sich anhand der liturgischen Hochsprache zeigen, wo Differenzen gelten, die Anspruch auf Wahrheit erheben. Es wäre bedauerlich, wenn eine mangelhafte Verwendung der liturgischen Hochsprache als Differenzkriterium missverstan­ den würde und zu einer Sinndeutung führte, obwohl es sich doch letztendlich um semantische und grammatische Fehler handelt.

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Liturgie an den Hauptkirchen Mindens Einige Erwägungen in qualitativer Absicht

Alexander Völker

Über die Qualität von Gottesdiensten wird zu Recht nachgedacht – in diesem Sinne sollen meine Erfahrungen mit dem gefeierten Gottesdienst, verdichtet in den nachfolgenden Berichten und Erwägungen, verstanden werden. Sie berich­ ten aus der Stadt Minden (ca. 80 000 Einwohner) und ihren beiden InnenstadtHauptkirchen, St. Marien und St. Martini. Wir begannen 1980 mit einem wöchentlichen, nur halbstündigen Frühgottesdienst am Sonntagmorgen um 8.00 Uhr in St. Marien, der ein Mal monatlich mit kleiner Abendmahlsfeier von Ostern bis Erntedank gefeiert wurde. Inzwischen gibt es diesen Gottesdienst nur ein Mal monatlich. Mittlerweile sind die sogenannten Hauptgottesdienste von bisher 10.00 Uhr auf 11.00 Uhr verschoben, so dass der Diensttuende zugleich in der Filialkirche Gottesdienst halten kann und mindestens zwei dienstfreie Sonn- oder Festtage monatlich hat. Eine solche Praxis läuft konträr zu meinen Erfahrungen, da ich bis heute doppelte Freude und Dankbarkeit empfinde, wenn ich mit einer Schwester / einem Bruder im Amt feiern kann. Weitaus die allermeisten der im Folgenden mitgeteilten Beobachtungen sind am Sonn- und Festtagsgottesdienst der St. Martini-Kirche abgelesen, deren Signet – Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler – auf dem regelmäßig ausgegebenen Informationsblatt zur Litur­ gie prangt.

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Alexander Völker

1. Eröffnung und Anrufung Es muss so etwas wie eine Ritualphobie sein, die Pastoren davon abhält, einen Gottesdienst schlicht mit den Worten Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu eröffnen. Ohne einen verbindlichen Satz zur Begrüßung oder Ähnliches scheint dies nicht geschehen zu können, will man die heute Anwesenden nicht mit einem „toten Ritual“ überfahren. So wird aus der Anru­ fung rasch eine Art von geistlicher Mitteilung: Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes des Vaters … Für manche, die den Gottesdienst leitend mitfeiern, ist dies noch viel zu rituell und formelhaft.1 So ganz können unsere Pfarrer dem Ritual nicht entkommen: Ihnen ist bewusst, dass die ca. 20 bis 25 ganz regelmä­ ßigen Kirchgänger in St. Martini auf Im Namen des Vaters … ein Amen sagen werden, auf die Fortsetzung Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn respon­ diert die Gemeinde der Himmel und Erde gemacht hat und lobt damit Gott, den Schöpfer. Wäre es nicht konsequent, auf den Wechseltorso vorgeprägter liturgischer Redewendungen am Anfang ganz zu verzichten zugunsten einer knappen, brauchbaren Begrüßung, die allerdings ohne verbale Antwort bliebe?2 Bevor der beauftragte Pastor erste bedeutsame Worte spricht, haben Glocken, Orgel und andere Instrumente schon längst die Gottesdienstfeier begonnen. Gerade auf die nonverbalen Lautgebungen wird man bei der Liturgie achten, die immer vielstimmig ist. Gleichwohl garantiert die Wortgebundenheit von Lied und Musik nicht nur die Verstehbarkeit, sondern auch ein Miteinander der Feiernden.3 Der Sonntag Kantate (2014) bietet Gelegenheit, die Vielzahl gesanglicher wie instrumentaler Darstellungsformen der Liturgie kurz zu betrachten. Die in Ost­ westfalen wie anderswo heimischen Posaunenchöre erfüllen geschlossene Kir­ chenräume zumeist recht massig, sie sind als Chor gerade im Freien richtig. Jede mögliche Kombination von Vokalgesang mit Instrumentalbegleitung einschließ­ lich Akkordeon bis Dudelsack (bagpipe) ist für einen Gottesdienst denkbar, in vielen Fällen sind die Musiken auch lied- und damit textgebunden. Seit Jahr­ zehnten erfreuen sich die Gesänge aus Taizé großer Beliebtheit in St. Marien. In 1 Ein Schulpfarrer, der in St. Martini regelmäßig die Gemeindepastoren vertritt, hat tatsächlich nahezu fünf Minuten gebraucht: Nach launigen ersten Einlassungen ließ er mit seinen Worten seine Schülerinnen / Schüler zu Wort kommen, bis er, das Ziel fest im Auge, endlich in die Kurve zum „Deshalb feiern wir hier im Namen Gottes …“ einbog. Der Küster warnte uns beim Eintritt in die Kirche: Mit der Abendmahlsfeier würde der Gottesdienst (Beginn: 11.00 Uhr) erst gegen 13 Uhr zu Ende sein. 2 Vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (Schreibtischausgabe). Berlin 2000, 13 ff., 20 ff., 50 ff. 3 So hat der Kantor an St. Martini kürzlich mit den recht wenigen Anwesenden Ehre sei dir, Christe (EG 75) in allen Strophen unbegleitet eingeübt, um die entsprechende Orgelkomposition seines Nachspiels vorzubereiten. Nach seiner Einführung an Judika 2014 hat er für die Gottesdienste dieses Jahres Messkompositionen vorgesehen. Diese Reihe beginnt mit Hieronymus Prätorius, wird mit Wolfgang Amadeus Mozarts sogenannter Spatzenmesse weitergeführt und wird erst Ende August bei der zeitgenössischen mexikanischen Tango-Messe programmatisch ankommen.

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Liturgie an den Hauptkirchen Mindens

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Ermangelung eines österlichen Propriumsprogramms bestritt der dortige Chor die gesamte Osternachtfeier mit Taizé-Gesängen.4 Gesänge wie Bleibet bei mir, Bei Gott bin ich geborgen, Ubi caritas et amor oder Meine Hoffnung und meine Freude entspringen der Meditation, benötigen einen nur bescheiden kleinen Tonumfang, sind auf Endlos-Wiederholungen gedacht, tonal wie intervallmäßig geschickt angelegt, darum „ewig behaltbar“. Beim ersten Zuhören hat man vom Musikalischen her den Eindruck einer primitiven, eintönig-langweiligen Tonab­ folge, in die man besser nicht einstimmen sollte. Der Eindruck des Tristen – gerade in der Endlos-Wiederholung – ist kaum vermeidbar. Hier hat sich ange­ sichts des öffentlichen wie privaten Lärms eine meditative Nische etabliert, die das Beten begünstigt und die nicht aufdringlich wirkt. Für die Feier unserer Gottesdienste könnte die pragmatische Übung der angli­ kanischen Kirche beispielgebend sein: beim Singen stehen, beim Zuhören sitzen, zum Beten niederknien. Wie sehr die Liturgie unserer Gottesdienste von einer Art merkwürdigem Kulturabriss mit betroffen ist, lässt sich unschwer an den gehäuften Aufforderungen der Liturgen ablesen: Wenn es Ihnen möglich ist, bitte, erheben Sie sich. Eine zunehmende Immobilität einer immer älter werden­ den Gottesdienstgemeinde verlangt Rücksichtnahme auch in dieser Hinsicht.5 Der Vorzug aus dem gemeinschaftlichen Singen im Stehen soll hinsichtlich des Zugewinns an Sinn, Kirchenraum (!) und physiologisch-leibhafter Gestik nicht eigens dargelegt werden: Es bleibt zu hoffen, dass künftige Generationen von Gottesdienstbesuchern in dieser Hinsicht für sie wichtige Erfahrungen machen können, z. B. im Stehen singen zu dürfen! Zur Eingangsliturgie gehört der Psalm, den frühere Generationen als pasto­ rale Rezitation anhören mussten. Es muss als ein geistlicher Gewinn betrachtet werden, dass ganze Psalmen bzw. Psalmteile von der Gemeinde „in den Mund genommen“ werden.6 Das Gloria patri wird herkömmlich in der ökumenischen gemeinsamen Fassung gebetet.7 Die Pastoren, die am gesungenen statt am gesprochenem Schluss festhalten, sollten diesen ökumenischen Text ihrer Gemeinde mitteilen (vgl. EG 177.1). Doch wenn sie hören wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit …, halten die Pastoren dies für die „katholische“ Version. 4 Gesänge aus Taizé. Ateliers et Presses de Taizé 1991. Ca. 85 ein- und mehrstimmige Gesänge (J. Berthier). 5 Gewohnheitsmäßig erheben sich die ca. 20 regelmäßigen Gottesdienstbesucher unaufgefordert zur Eingangsliturgie, zur Evangelienlesung mit Glaubensbekenntnis, zum Schlussgebet und Segen. Gleichwohl halten es die Liturgen / Liturginnen für erforderlich, zum Credo, zum Gedenken an Verstorbene „motivierende“ Einleitungen vorauszuschicken. 6 Der Erstentwurf von mir aus der Mitte der achtziger Jahre fand große Zustimmung und ist folglich in alle Regionalausgaben des EG 1994 übernommen worden. Durch den regelmäßigen Gebrauch in der Liturgie kann sich die Kenntnis der Psalmen – über Ps 23 hinaus – erweitern, es wächst wohl auch ein Verständnis sowohl für die sogenannten Halleluja-Verse wie für die in Orden und Kommunitäten verwendeten eigenen Psalmodien. 7 Vgl. Beinert, Wolfgang/Hoffmann, Konrad/Schade, Herwarth von (Hg.): Glaubensbekenntnis und Gotteslob der Kirche. Einsiedeln/Zürich/Freiburg 1971; Völker, Alexander: Gemeinsames Glaubensbekenntnis. Gütersloh 1974.

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Wie die Geschichte der Liturgie zeigt, handelt es sich beim Eingangslied und Eingangspsalm um ein und dasselbe liturgische „Stück“ – auf diese Geschichte geht meine Studie nicht ein. Kyrie eleison und Gloria in excelsis Deo sind die nächsten Brückenpfeiler, die von Eröffnung und Anrufung hinüber zum zentralen Abschnitt Verkündigung und Bekenntnis führen. Sie stellen beide eine trinitarisch strukturierte Anrufung Gottes dar, wobei das Kyrie eben auch seinen besonderen Platz im Fürbittenge­ bet eines Gottesdienstes hat. Seit langem sind die Straßburger Weisen für beide Stücke im evangelischen Gottesdienst beheimatet,8 was nicht ausschließt, dass sie dort vielfachen Veränderungen ausgesetzt sind. Nicht nur in unierter Litur­ gietradition hat sich mit beiden Stücken die Doppelung von Sündenbekenntnis und Vergebungszuspruch verbunden. So trifft man in einer zeitgenössischen Privatagende überraschend auf einen Vorbereitungsgebet genannten Textvor­ schlag, der durchweg den Charakter einer ausführlichen Confiteor-Meditation hat.9 Beim Gloria in excelsis Deo, das ebenfalls biblischen Ursprungs ist,10 hat sich seit langer Zeit die Übung erhalten, die „biblischen“ Zeilen durch den Liturgen / die Gemeinde anzusingen, dann aber vom Allein Gott in der Höh’ sei Ehr11 mit der ersten Strophe inhaltlich repetierend oder mit der zweiten Strophe fortzufahren. Eine ähnliche Tendenz zur „Verliederung“ original liturgischer Elemente begegnet auch in den Agenden des 19. und 20. Jahrhunderts, ebenso beim Sanc­ tus und Agnus, jedoch nicht beim Credo.

2. Verkündigung und Bekenntnis In diesem Hauptabschnitt des Gottesdienstes werden in den kommenden Jahren mutmaßlich gravierende Veränderungen zu erwarten sein, da mit der Perikopen­ reform wesentlich neue Aspekte für Textauswahl und Predigt ins Haus stehen.12 Diese Tendenz ist angesichts der unterrepräsentierten AT-Perikopen und man­ cher anderer Mangelerscheinungen begrüßenswert – es wird abzuwarten sein, wie sich die Reform im sonn- und festtäglichen Gottesdienst „vor Ort“ nieder­ schlagen wird. Mutmaßlich wird es beim Grundsatz einer Mehrzahl biblischer Lesungen bleiben, wobei ein neues Verhältnis von alttestamentlichen zu epistoli­ schen Texten zu erwarten ist. Dass nach wie vor aus der Gemeinde Lektorinnen 8 Vgl. EG 178.2, 180.1. 9 Evang, Martin/Kerl, Gerd/Seibt, Ilsabe (Hg.): Nimm an unser Gebet. Neukirchen-Vluyn 2009, 8 (u. ö.). 10 Lk 2,14. 11 EG 179. 12 Vgl. dazu die Plenarprotokolle der Liturgischen Konferenz, die aufgrund einer langen Vorbe­ reitungsphase zu Advent 2014 ein Probelektionar herausgeben wird, dessen Textcorpus und Predigt­ textwahl ab 2017 in ein vollständig neues Lektionar für Lesungs- und Predigttexte einmünden wer­ den.

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wie Lektoren zum Sonntagsdienst des Lesungsvortrags bereit sind, ist ein erfreuliches Zeichen: Die Liturgen und Liturginnen sollten dafür den Einsatz an Kraft und Zeit aufbringen, den Lektoren eine angemessene Einführung in ihren Dienst zu geben; in unserer Kirche sollte niemand „von eben auf jetzt“ einen biblischen Text im öffentlichen Gottesdienst vortragen müssen. Das österlich begründete Halleluja, in den Festzeiten des Kirchenjahres mit einem eigens ausgewählten zweizeiligen Psalmvers ausgestattet, ist (und bleibt?) ein „Nachklapp“ zur vorangegangenen Lesung. An dieser Stelle hat die nach­ konziliare Liturgie der römisch-katholischen Kirche eine weitaus angemessenere Position des österlichen Freudengesangs bewahrt: Er führt, ebenfalls mit inter­ mittierter Psalmodie, hin auf die Verlesung der Evangelienperikope; damit wird, auch ohne Prozession mit dem Bibelbuch, ohne Beräucherung oder eine Seg­ nung des Lektors, die Endgültigkeit und absolute Vorrangstellung des Evange­ lienabschnitts deutlich, durch den der Erhöhte selbst mit seinem Volk spricht. Auf diese Weise gewinnt mit diesem Höhepunkt die Feier einen drive und einen Schwerpunkt zugleich, der Aufmerksamkeit erfordert. In unseren Kirchen erhebt sich die Gemeinde ebenfalls zur Evangelienlesung, sie grüßt den in sei­ nem Wort gegenwärtigen Herrn mit Ehr` sei dir, o Herre bzw. Lob sei dir, o Christe. In aller Regel sind es in Mindens evangelischen Kirchen zwei Lesungen einschließlich des Predigttextes – nur in Ausnahmefällen wird neben den beiden Texten der Predigttext eigens vorgetragen.13 Auch darf daran erinnert werden, dass eine mit ihren Hörern umsichtig verfahrende Predigt Brückenschläge vom Predigttext bzw. vom Predigtthema hin zu den vorgetragenen übrigen Lesungen vorsieht. Michael Meyer-Blanck hat in seinem Buch Agenda zehn14 inhaltsschwere Sätze mit dem provokanten Titel Entschieden predigen! überschrieben; Ent­ schieden predigen, diese Aufgabe kommt mir immer dann in den Sinn, wenn in St. Martini von einem der dort diensttuenden Pfarrer gepredigt wird. Sympto­ matisch ist die Äußerung einer ehemaligen Lehrerin nach einem Gottesdienst: Wieder einmal eine Nacherzählung! Als Beispiel sei die Predigt über Ps 150 erwähnt, die im Festgottesdienst zur Einführung eines Kirchenmusikers gehalten wurde. Der Psalm, der mit Halle­ luja einsetzt und schließt, bietet neben den Bestimmungen zu Gottes Herrlich­ keit und Größe vor allem im zweiten Teil eine Reihung zeitgenössischer Instru­ mente. Exegetisch äußerst genau in den Wort- und Sachbezügen, hervorragend herausgearbeitet und dargelegt war die Predigtdarbietung ein Musterbeispiel alt­ testamentlicher Auslegungskunst. An keiner Stelle seiner Predigt hat der Predi­ ger je den Psalm und seinen kunstvoll gebauten Gesamttext verlassen – eine großartige Nacherzählung! Beim Anhören dieser Predigt konnte ich nur stau­ nen, doch beschlich mich unversehens der Gedanke, es könne ja einem aufrech­ 13 Der jeweilige Predigttext ist auf dem Programm der St. Martini-Kirche in voller Länge ausge­ druckt. 14 Meyer-Blanck, Michael: Agenda. Zur Theorie liturgischen Handelns. Tübingen 2013, 225– 233.

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ten Christenmenschen von heute durchaus passieren, dass ihm irgendwann ein­ mal „überhaupt nicht zum Singen zumute ist“. Ein solch – vielleicht nicht ganz abwegiger – Gedanke kam dem glücklichen Prediger nicht in den Sinn; vielleicht hätte dieser Gedanke eine Brücke „zum Alltag“, zu den Hörerinnen und Hörern schlagen können. Entschieden predigen hieß die These des Praktischen Theologen! Eine Mut machende Erfahrung aus Mindens beiden Haupt-Kirchen darf hier noch mitgeteilt werden. Aus welchen Gründen auch immer hielten die Pfarrer beider Kirchen ihre Predigt von der historischen Kanzel, die in beiden Fällen als großer ornamentierter Aufbau mit reich verziertem Schalldeckel an den ersten Mittelschiff-Pfeiler mit Blickrichtung auf den Gesamtraum angelehnt ist: In bei­ den Kirchen waren die durch die sonst übliche Lautsprecher-Übertragung bekannten Probleme (zu laute Dosierung, leicht verzerrte Sprechstimme u. a.) wie weggeblasen. Selbst ein Pfarrer, dem ein leichtes Lispeln angeboren ist, war mit seiner Normalstimme bestens zu hören. Bei nur sehr mäßiger Füllung des Mittelschiffs ergeben sich für die wenigen Regelteilnehmer Probleme: Wenn der Prediger von der Kanzel predigt, sitzen sie direkt unter der Kanzel. Der Hör­ kontakt ersetzt so den sonst gewohnten Blickkontakt. Die letzte Anmerkung zum Komplex „Verkündigung und Predigt“ soll die Auf­ gabe einer erklärenden Orientierung zum Gegenstand haben. Eigentlich ist ja die Predigt über biblische Texte auch die Gelegenheit, einmal die orts- und zeit­ gebundenen Umstände zu beleuchten, unter denen die Überlieferung des Alten wie Neuen Testamentes entstand, wuchs und sich auch veränderte. Eine ver­ gleichbare Funktion kommt der Predigt hinsichtlich des liturgischen Gefüges der Gottesdienstfeier zu. Es kann nicht als erfreulich oder gar zukunftsweisend angesehen werden, dass die ganz überwiegende Zahl landläufiger Predigten eine vollständige Beziehungslosigkeit zu Liturgie und Gottesdienst erkennen lässt, am gravierendsten fällt dieser Befund wohl hinsichtlich des heiligen Abend­ mahls aus. Das Glaubensbekenntnis hat zu allen Zeiten und an vielen Orten als ein genuines Stück Gottesdienst gegolten. Die letzten fünfzig Jahre mit in dieser Hinsicht vielfachen Aufbrüchen15 waren gekennzeichnet durch überaus vielfäl­ tige sprachliche Neuformulierungen, von denen nur sehr wenige überlebt haben. Um das Bekenntnis in Bewegung16 ist es recht still geworden. Der agendarischen Tradition gemäß finden sich Apostolikum wie Nizänum in den meisten Agen­ den, das erstgenannte bei der Taufe, das ausführlichere zweite Bekenntnis ist insbesondere den Fest- und Feiertagen zugeordnet. Liturginnen/ Liturgen pfle­ gen sich bei der Ankündigung des Credo recht ausführlich zu verbreiten, wobei 15 Ruhbach, Gerhard (Hg.): Glaubensbekenntnisse für unsere Zeit. Gütersloh 1971; Bleistein, Roman (Hg.): Kurzformeln des Glaubens. Würzburg 1971; Rein, Gerhard (Hg.): Das Glaubensbe­ kenntnis. Aspekte für ein neues Verständnis. Stuttgart 1967. 16 So der Titel eines in den siebziger Jahren viel gebrauchten Arbeitsbuches.

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es in der Regel auf das Miteinander von ergangenem Wort Gottes, das die Ant­ wort der Gemeinde zur Folge hat, herauskommt. Die beiden genannten klassi­ schen Texte stehen für die konfessorische Qualität des ganzen Gottesdienstes, darum darf das Credo an Sonn- und Festtagen nicht entfallen bzw. nicht aus­ schließlich das Apostolikum gesprochen werden. Beide Texte17 könnten Gegen­ stand einer Reihenpredigt sein, z. B. während der festlosen Kirchenjahreszeit, damit frischt die Gottesdienst feiernde Gemeinde ihr Gedächtnis über Inhalt und Bedeutung ihres Glaubensbekenntnisses wieder auf.18 Denn beide Texte sind nicht biblischen Ursprungs und kommen deshalb im Zyklus der biblischen Predigttexte nicht zum Zuge.

3. Abendmahl Gemäß der Struktureinteilung der Erneuerten Agende bzw. des Evangelischen Gottesdienstbuches müsste nun das Abendmahl Thema dieses Abschnittes sein. Zuvor jedoch soll von den Abkündigungen und dem Fürbittengebet die Rede sein. Die Bekanntmachungen möglichst im Gefolge der Begrüßung unterzubrin­ gen – wie in Nachbargemeinden erlebt –, erscheint eher ungünstig; die Brücke zwischen Verkündigung / Predigt und Abendmahlsfeier bietet der feiernden Gemeinde eher Momente für solche Aufmerksamkeit. In St. Martini wird das Gedenken an die verstorbenen Gemeindeglieder mit Kurzansprache und Gebet eigens vorgetragen, wozu sich die Gemeinde erhebt. Anwesende der Trauerfa­ milie und der Hinterbliebenen werden eine Hervorhebung dieses Gedenkens zu schätzen wissen; gleichwohl ist nicht einzusehen, dass dieses Gedenken aus dem Fürbittengebet herausgenommen wird. Die recht bescheidene Anzahl der ganz regelmäßig erscheinenden Gemeindeglieder würde selbst bei knappster Fassung von Abkündigungen etwa notwendige Rückfragen „aus dem Publikum“ erlau­ ben, ohne dass es dadurch zu einem der Liturgie unangemessenen „Plausch“ (oder Rededuell) kommen müsste. Das Fürbittengebet stellt ein besonders prob­ lematisches Teilstück unserer Sonntagsliturgie dar. Bei der integrierten Abend­ mahlsfeier in St. Martini fällt es zuweilen ganz aus, um mit dem Schlussgebet nach der Kommunion „nachgeholt“ zu werden. Herr Gott, himmlischer Vater … ein solch hastig gesprochener Anredesatz verrät, dass der / die Vorbetende jetzt improvisiert. Die Grundanliegen des sogenannten Allgemeinen Kirchengebets (Bitte für die Kirche, für ihre Erneuerung, für ihre Einheit, für die hier versam­ melte Gemeinde; für Volk und Land, für die Regierenden, Regierten, für Politik, 17 Im EG West (Rheinland / Westfalen / Lippe / ref. Nordwest) Nr. 853 und 854. Unter Nr. 813 bis 818 sind nur wenig prominente Credotexte, z. B. von Dietrich Bonhoeffer, aus der Ökumene wiedergegeben. 18 Das zur Konfessionsbezeichung gewordene Wort katholisch war bereits im Lateinischen ein Fremdwort – was ein heute zureichendes Verständnis noch zusätzlich erschwert, vgl. Beinert, Wolf­ gang/Hoffmann, Konrad/Schade, Herwarth von (Hg.): Glaubensbekenntnis und Gotteslob der Kir­ che (s. Anm. 7).

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Wissenschaft, Bildung, Kultur, dann spezielle Fürbitten nach Zeit und Anlass) gehen in solchen Fällen unter zugunsten eines oder zweier dominanten Gebets­ anliegen.19 Pars pro toto – eine begründete Auswahl lässt im Verlauf der Fürbit­ ten alle Teilnehmenden ohne alle Aufregung merken, dass dies heute so und nicht anders geht.20 Da in beiden Hauptkirchen Mindens Lektorinnen und Lektoren tätig sind, wäre es denkbar und wünschenswert, dass sie sich an Vorbereitung und Vortrag der Fürbitten beteiligen. Ich kann mir denken, dass eine gemeinsame Arbeit an den Fürbitten der Gottesdienste alle Beteiligten bereichern würde, nicht zuletzt die Pastorinnen / Pastoren unserer städtischen Gemeinden. Bei der Feier des heiligen Abendmahls, wie unsere eingeführten Agenden sagen, bewegt uns so vieles … Mir scheint es bisweilen, dass fundamentale Beziehungs­ losigkeit als Grundübel anzusehen ist. Es muss gepredigt werden – das Abend­ mahl hat in der Predigt nichts zu suchen, könnte man überspitzt sagen.21 Immer­ hin hat ein breiter Strom neuartiger Erfahrungen und Impulse auch die letzte Kirchengemeinde erreicht.22 Gerade auch die Miterfahrung jüdischer Passah­ feiern hat den ökumenischen Blick geweitet. Der Vorbereitungsdienst, die Bereitstellung von Brot und Wein und die Abendmahlsgeräte werden vom Küs­ ter / von der Küsterin selbstverständlich besorgt – auf diese Weise entfällt ein vergleichender Blick auf den Grundvorgang von gemeinsamem Essen und Trin­ ken. Ein wie immer auch gestaltetes Offertorium kann und darf es in evangelisch verantworteten Gottesdienstfeiern nicht geben – ein solch strikter Grundsatz scheint mir vielfältiger Erfahrung von Christen innerhalb wie außerhalb unserer etablierten Gottesdienste zu widersprechen. Der Herr sei mit euch – dieser Begrüßungsaufruf des Aufgesangs unserer Abendmahlsliturgie wird von allen in beiden Hauptkirchen Diensttuenden unverändert gebraucht. Die Fortsetzung mit Sursum corda (Erhebt die Herzen) und dem dritten Schritt, dem Gratias agamus (Lasst uns Dank sagen dem Herrn …) zeigt die unverkennbar auf den Herrn gerichtete Intention dieser Gebetsrufe. Sie gehören zum Wertvollsten, ja Kostbarsten, das die Liturgie unserer bescheidenen Gottesdienste zu bieten hat.23 19 Hier sind die durch das gesamte Kirchenjahr durchgeführten Fürbitten bei Martin Evang u. a. (Hg.): Nimm an unser Gebet (s. Anm. 9), vorbildlich. Gerade bei der Vielzahl der zu bedenkenden Anliegen wählen die Autorinnen / Autoren mit Bedacht aus und bieten mit ihrer unprätentiösen Sprache gut nachvollziehbare Texte. 20 Am „Super-Wahlsonntag“ (25. Mai 2014) habe ich bei einer Gastpredigt in Minden-D. die Namen der Verantwortlichen in Bund, Land, Kreis, Stadt genannt (Joachim Gauck, Angela Merkel, Hannelore Kraft, Ralf Niermann, Michael Buhre), für die Kandidatinnen und Kandidaten sowie für die Parteien usw. Fürbitte gehalten. 21 Bewegt irgendjemanden in unserer Kirche die Frage von Manfred Seitz (u. a.): Feiern wir das Abendmahl richtig? Herrenalber Texte 60, 1985. 22 Vgl. Schilling, Alfred: Fürbitten und Kanongebete der holländischen Kirche. Materialien zur Diskussion um zeitgemäße liturgische Texte. Essen 71969. 23 Die dem Presbyter bzw. Bischof (?) Hippolyt zugeschriebenen Stücke spiegeln wohl stadtrö­ mische Liturgie zu Beginn des 3. Jahrhunderts; vgl. Geerlings, Wilhelm: Traditio Apostolica (Fontes

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Dieser Zug „himmelwärts“ erscheint so dominant, dass ein PostsanctusGebet wieder zu Jesus Christus zurückfinden muss, an dessen Einsetzung nun zu denken ist. Zu den Verba testamenti sollen hier keine Ausführungen gemacht werden, jedoch zum Folgenden: Es kann nur als ein ökumenisches Wunder angesehen werden, dass uns die nachkonziliare Reform der römisch-katholi­ schen Liturgie einen Zugewinn mitbrachte, der jetzt zitiert wird: Geheimnis des Glaubens! Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.24 Dieser dreifache anamnetische Ruf hat sich mittlerweile sowohl ökumenisch verbreitet wie auch in unseren beiden Gemein­ den fest etabliert, so dass von einem wirklichen Gebetszugewinn gesprochen werden darf.25 Bei der Mehrzahl unserer Liturgen / Liturginnen erscheint ein eucharistisches Bewusstsein so wenig entwickelt zu sein, dass Verba testamenti und Vaterunser unvermittelt aufeinander folgen und von einem eigenständigen Beten der Gemeinde beim Abendmahl nicht die Rede sein kann. Der unver­ meidbare herkömmliche Agnusgesang26 bringt mit seiner getragenen Melodie nicht gerade etwas Ermutigendes für die Gemeinde in die Feier ein. Spricht die Pfarrerin / der Pfarrer vom Rebensaft, sprechen die Konfirmanden bei der Oblate vom „Esspapier“. Es erinnerte mich an die Glaubenserfahrung meiner reformierten Väter und Mütter, als mir einmal bei der Austeilung ein handfestes Stück Brot gereicht wurde, das zu kauen ich Mühe hatte. Viele, die mit mir die Abendmahlsgaben erhalten, üben die sogenannte Intinctio, so dass aus dem Kelch, auch aus hygienischen Gründen, tatsächlich nicht getrunken wird. Ich wünsche mir, dass bezüglich der Problematik Wein und / oder Saft auch bei uns bald klare Verhältnisse herrschen können.27 Die durchschnittlich wenigen Mitfeiernden ergeben in der Regel nur einen Austeilungskreis – noch in meiner Jugend wurden mehrere vielstrophige Lieder gesungen während der lan­ gen Austeilungszeit, da es viele Kommunizierende gab. Es hat sich eingebürgert, dass wir uns nach dem Empfang des Abendmahls die Hände reichen. Es wird ein weiterer, neuer Bibeltext zitiert, und mit der Aufforderung Gehet hin im Frieden wird die Zusage verbunden Der Herr ist mit euch. Direkter und unmittelbarer als durch Essen und Trinken kann ich mit meinem Herrn nicht verbunden sein; die Zusicherung, dass er wirklich anwe­ send ist, erscheint für glaubende Christen mehr als überflüssig.

Christiani 1). Freiburg i. Br. 1991, 144–313; Bradshaw, Paul F./Johnson, Maxwell/Phillips, L. Edward, hg. v. Attridge, Harold W.: The Apostolic Tradition. Minneapolis 2002. 24 Bugnini, Annibale: Die Reform der Liturgie. Freiburg i. Br. 1987. 25 EG 189. 26 EG 190.2. Die Differenz zwischen der du trägst und du nimmst hinweg besagt inhaltlich nichts Unterschiedliches, trägt jedoch zum atmosphärischen Bewusstsein erheblich bei. 27 Der Alkoholiker wie der Diabetiker muss den Kelch ohne Frage an sich vorbeigehen lassen; seelsorgerlich sollte eingeschärft werden, dass unter der Brotgestalt der Herr sich ganz mitteilt.

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4. Sendung und Segen Der Schlussteil jeden Gottesdienstes braucht nur kurz behandelt zu werden. Von dem zuweilen ausgelassenen Fürbittengebet war bereits die Rede, auch andere früher selbstverständliche Einzelformen sind verschwunden. Nach dem Austeilungsende pflegte der Pastor zu sagen oder zu singen: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich. Halleluja. Die Antwort der Gemeinde: und seine Güte währet ewiglich. Halleluja, blieb nicht aus. Dieser Doppelvers signalisierte defi­ nitiv das Ende der Abendmahlsfeier. Nach der Ankündigung Gehet hin im Frieden des Herrn folgt der Segen. Hier begegnet eine der wenigen körperlich-leiblich wichtigen Anforderungen: Der / die Segnende erhebt seine / ihre Hände. Bei dem dritten Zuspruch des sogenann­ ten Aaronitischen Segens können sich die Arme senken und eine zur Gemeinde hin gerichtete Kreuzesbezeichnung erfolgen.28 Am Ende der Gottesdienstbetrachtung angekommen, bietet sich die Möglich­ keit der Rückschau auf bestimmte paraliturgische Sachverhalte an: Vom Geld ist allenfalls in den Abkündigungen die Rede. Die Überlegung – Wenn ich gebe, dann ein Mal und richtig - scheitert an den Vorgegebenheiten, denn sowohl die Landeskirche wie die Ortsgemeinde halten die Hand auf. Der frühere „Klingel­ beutel“ für die Partnergemeinde in Tansania und für die St. Marien- oder Mar­ tini-Kirche selbst wird bei dem Lied zwischen den Lesungen gesammelt; die eigentliche Geldgabe nach dem Kollektenplan der Landeskirche wird am Aus­ gang erwartet. Einer unserer Pfarrer trägt, wenn er allein liturgiert, eine einfache weiße Man­ telalbe mit Stola; das Zusammenwirken mit anderen Pastoren und Pastorinnen sieht ihn im gewohnten Habit. Gegenüber dem gewohnten Bild aus römischkatholischen Gemeinden wird es bei uns wohl kaum zu einer liturgischen Klei­ dung der mitarbeitenden Laien kommen, auch hier dominiert das Lehr- und Predigtamt. Meine Ausführungen aus dem erlebten Gottesdienst der beiden Mindener Hauptkirchen sind in der Grobeinteilung nach der Strukturform des Evangeli­ schen Gottesdienstbuches angeordnet. Ich bin mir sicher, dass jede bzw. jeder der ca. 20 sonntäglich Mitfeiernden diese oder jene Beobachtung mit mir teilt. Doch wird die Sonntagserfahrung dieser so wenigen Teilnehmer mutmaßlich größer und vielschichtiger als der Blick des Insiders sein. Gleichwohl mag diese Skizze in qualitativer Absicht aus der ostwestfälischen Gottesdienstlandschaft manches Nachdenken, Überlegen und behutsame Neugestalten anregen. Im 28 Im Training mit Laienpredigern und Laienpredigerinnen habe ich Aufmerksamkeit, Rück­ sichtnahme und Sorgfalt in der Ausführung dieses letzten signifikanten Zeichenelements aufwenden müssen und dadurch selbst profitiert.

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Blick auf die Erfahrung mit der Predigt wünsche ich mir keine nahezu vollstän­ dige Textexegese, zeitgeschichtlichen Darlegungen oder innerbiblisch vergleich­ enden Ausführungen. Für meinen Glauben brauche ich eine lebensfördernde und lebensdeutende Sonntagspredigt.29

29 Meyer-Blank, Michael: Gottesdienstlehre. Tübingen 2011, 239.

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Literaturbericht zur Liturgik

Methodisch vielseitig und theologisch reflektiert Literaturbericht zum Neuen Testament und der antiken Welt (2009–2013)

Helmut Schwier

Der Literaturbericht umfasst Monographien, Sammelbände und Aufsätze zum Neuen Testament der Jahre 2009 bis 2013, die im weitesten Sinn für Liturgie, Gottesdienst, Ämter, Riten, Gesang relevant und von Interesse sind. Dass dazu dann auch die theologi­ schen Kernbereiche Gotteslehre, Jesus, Christologie, Tod und Auferweckung, Pneuma­ tologie zählen, ist selbstverständlich. Bei der derzeitigen Publikationsfülle wird Vollstän­ digkeit nie erreicht werden können; dass hier jedoch eine exemplarische und gleichzeitig geeignete Auswahl geboten wird, ist zumindest die Intention des Verfassers. Viele Beiträge sind methodisch durch die Kombination synchroner und diachroner Fragestellungen gekennzeichnet, hinter der keine seriöse Textauslegung zurückfallen kann, nicht wenige erkunden die Potenziale interdisziplinärer Kooperation. In der Pau­ lusforschung nimmt die kritische Verarbeitung der new perspective (immer noch) eine zentrale Rolle ein und bemüht sich zunehmend um Differenzierungen. Dass unterschied­ liche Modelle der kultur- und religionswissenschaftlichen Ritualforschung und die histo­ rische Erschließung antiker Mahlgemeinschaften, ihrer Kontexte, Abläufe und Deutun­ gen das Verständnis frühchristlicher Sakramente und des Abendmahls erweitern, ist an der präsentierten Literatur gut ablesbar. Auffällig und von besonderem Gewinn sind die neuen zusammenfassenden Darstellungen und – teils enzyklopädisch ausgerichteten – Lehrbücher: zu Paulus (Handbuch und Darstellung der Theologie), zu den Wundern, zur Taufe, zum Abendmahl, zur Geschichte des Urchristentums, zur antiken Stadt als Lebensraum der Christen. Und dann sind in der Exegese auch immer wieder Detailstu­ dien wichtig, die beispielsweise um das Verständnis des Todes Jesu und der hier zugrund­ liegenden traditionsgeschichtlichen Deutungen ringen oder zu sehr Vertrautes stören, wie die Frage nach der korrekten Übersetzung des sog. Missionsbefehls oder der „Her­ berge“ in der Weihnachtsgeschichte. Vor allem in den Bereichen von Gotteslehre, Chris­ tologie, Passion und Auferweckung, Biblische Theologie liegen methodisch vielseitige, hermeneutisch reflektierte und theologisch argumentierende Studien vor, die historischkritische Exegese und wissenschaftliche Theologie niveauvoll präsentieren.

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1. Gotteslehre Feldmeier, Reinhard/Spieckermann, Hermann: Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre (Topoi Biblischer Theologie Bd. 1). Tübingen 2011. Die beiden Göttinger Exegeten legen eine gewichtige gesamtbiblische Gotteslehre vor und präsentieren gleichzeitig den programmatischen Band einer von ihnen herausge­ gebenen neuen Reihe. Die biblische Gotteslehre wird als kohärenter Entwurf geboten. Nach der rund 250-seitigen „Grundlegung“ mit den Themen „Der Name und die Namen“, „Vom Herrgott zum Gottvater“, „Der Eine als der Einende“, „Der Lie­ bende“, „Der Allmächtige“, „Geist und Gegenwart“ folgen die „Entfaltung“ (Gottes Zuwendung, Gottes Zumutung, Gottes Zuspruch) und der „Beschluss: Der Gott der Lebendigen“ (515–546). Der aus tödlicher Schuldverstrickung rettende, lebendig machende Liebeswille Gottes ist das Zentrum der christlichen Bibel. Dies wird altund neutestamentlich gebündelt mit Zusammenfassung der zentralen Aussagen zur Auferweckung (Mk, Paulus, Lk, Joh, Apk) durch den Gott der Lebendigen (Dtn 30; 1 Sam 2; Ps 118). „Leben unter dem Zeichen der Rettung ist Zeugnis der ewigen Güte und Liebe Gottes. Ihr Lob hat in Ps 118 wie in jeder Theologie, die den Namen ver­ dient, das erste und letzte Wort“ (546). Eine im wahrsten Sinne theologische Pflichtlektüre, die durch umfangreiche Bibliogra­ phie und detaillierte Register (547–689) auch den gezielten Zugriff erlaubt! Dochhorn, Jan: Zu den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen trinitarischer Gottes­ vorstellungen im frühen Christentum und in der Religion Israels. In: Decroll, Volker Henning (Hg.): Trinität (Themen der Theologie Bd. 2). Tübingen 2011, 11–79. In dem biblischen Eröffnungsbeitrag zum Lehrbuch „Trinität“ zeigt Vf. die religions­ geschichtlichen und biblischen Voraussetzungen trinitarischer Gottesrede. Vor allem sind im NT Dreierkonstellationen (vgl. 64–68) vorhanden: neben triadischen Formeln vor allem Handlungskonstellationen mit den drei Akteuren, die dann auch untereinan­ der interagieren. Vf. unterscheidet hier vor allem christologische (vgl. Röm 1,4; 1 Tim 3,6; 1 Petr 3,18–22; Taufe Jesu) und soteriologisch-ekklesiologische Ursprungssitua­ tionen (Gal 4,4–6; Röm 8,1–17). Liturgisch wirkungskräftig wurde der Taufbefehl in Mt 28,19, der auch zur trinitarischen Struktur späterer Regeln und Bekenntnisse führte. Frey, Jörg: Was trägt die johanneische Tradition zum christlichen Bild von Gott bei? In: ders./Poplutz, Uta (Hg.): Narrativität und Theologie im Johannesevangelium (BThSt 130). Neukirchen-Vluyn 2012, 217–257. Vf., der zunächst auf die Forschungslücken der im engeren Sinne theo-logischen Bei­ träge neutestamentlicher Exegese hinweist und sie wie Feldmeier/Spieckermann (s. o.) überwinden will, analysiert die johanneischen Traditionen der Gottesrede. Dabei wer­ den die drei nominalen Prädikationen (Gott als Geist, Licht und Liebe) als materialer Ausgangspunkt für die Rede von Gottes Eigenschaften analysiert, das Verhältnis von Christologie und Theologie hinsichtlich eines „binitarischen Monotheismus“ reflek­ tiert und im Horizont der Parakletsprüche ein „proto-trinitarisches Denken“ erkannt. Mit der „strukturellen und für spätere Reflexionen maßstäblichen Weiterbildung der Rede von Vater, Sohn und Geist sowie der sachlich-theologisch Letztgültigkeit bean­ spruchenden Rede von der (geschichtlich manifesten) Liebe Gottes hat die johannei­ sche Theologie das christliche Gottesdenken ganz entscheidend weitergeführt und wesentliche Grundlagen für jede spätere christliche Rede von Gott gelegt“ (257).

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Staudt, Darina: Der eine und einzige Gott. Monotheistische Formeln im Urchristentum und ihre Vorgeschichte bei Griechen und Juden (NTOA 80). Göttingen 2012. In ihrer durch Gerd Theißen betreuten Heidelberger Dissertation untersucht Vfn. die bisher zu wenig beachteten Anfänge monotheistischen Denkens außerhalb des Juden­ tums (Vorsokratiker, Platon, Stoiker), dann die entsprechenden Sprachformeln im AT und den jüdischen zwischentestamentlichen Schriften und schließlich in diesem Kon­ text die urchristliche Rede von „Vater“ und Christus als „Sohn“. Die griechisch geprägte „Einzigkeitsformel“ (heis theos) wurde stark im frühen Christentum rezi­ piert, weil sie im Unterschied zur jüdischen Alleinvertretungs- und Verneinungsfor­ mel „nicht exklusiv verstanden werden musste, aber dennoch als monotheistisches Bekenntnis galt“ (321).

2. Jesus Stegemann, Wolfgang: Jesus und seine Zeit (Biblische Enzyklopädie 10). Stuttgart 2010. Innerhalb der eingeführten Lehrbuchreihe widmet sich der vorliegende Band als erster dem NT. Vf. strukturiert seine Darstellung in vier große Teile: das biblische Bild der Epoche (mit Darstellung der Sichtweise der vier Evangelien), das historische Bild der Epoche (der eigentliche Hauptteil), einem knappen Blick in die biblische Literatur der Epoche und schließlich als Schlussteil die Reflexion über den historischen Jesus als theologisches Problem. Im gut 300-seitigen Hauptteil wird zunächst die bisherige Forschungsgeschichte ein­ schließlich der third quest dargestellt (II, 1–3); es folgt eine kritische Sichtung der Quellen (II, 4), bevor dann die Zugehörigkeit Jesu zum Judentum detailliert entfaltet wird (II, 5–9) und die Botschaft Jesu von der Herrschaft Gottes (II, 10–11) und sein Ende in Jerusalem (II, 12) beschrieben werden. Vf. schließt mit einem theologischen Plädoyer, dass bei aller unvermeidlichen Relativität der Rückfrage nach dem histori­ schen und jüdischen Jesus, diese als ideologie- und kirchenkritische Rückfrage not­ wendig bleibt, als „Stachel im Fleisch“ (428) von Theologie und Kirche. Busse, Ulrich/Reichardt, Michael/Theobald, Michael (Hg.): Erinnerung an Jesus. Konti­ nuität und Diskontinuität in der neutestamentlichen Überlieferung, FS Rudolf Hoppe (BBB 166). Göttingen 2011. Nach einem grundsätzlichen Beitrag zur Theologizität der Frage nach Jesus werden in diesem Band die vielfältigen neutestamentlichen Erinnerungen an Jesus präsentiert und analysiert; damit wird ein zentrales Paradigma der neuesten Rückfrage nach Jesus aufgenommen, bleibt hier aber eher eine weitgehend unklare Chiffre und keine herme­ neutische Leitkategorie und ist mit den derzeitigen Theoriediskursen der Geschichts­ wissenschaft kaum verbunden. Die insgesamt 30 Beiträge widmen sich den Zeitgenos­ sen Jesu, den Erinnerungen an die Worte Jesu in der Logienquelle, dem Gleichniser­ zähler Jesus, dem Prozess Jesu, der lukanischen Adaption, der Christologie und der Ekklesiologie. Gemünden, Petra von/Horrell, David G./Küchler, Max (Hg.): Jesus – Gestalt und Gestaltungen. Rezeptionen des Galiläers in Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft, FS Gerd Theißen (NTOA 100). Göttingen 2013. Die rund 700-seitige Festschrift zum 70. Geburtstag des renommierten und vielseitig wirkenden Heidelberger Theologen präsentiert 32 Beiträge internationaler Autorinnen

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und Autoren zur Jesusforschung und nimmt damit einen Schwerpunkt von Theißens Forschungen in den Blick. Die Texte sind in sechs Abteilungen sinnvoll strukturiert. Am Anfang stehen Untersuchungen zu Jesus und der Jesusbewegung im historischen Kontext, dann folgen Analysen zu Jesus in den synoptischen Evangelien, zur Jesusge­ staltung in neutestamentlichen Briefen (Hebr, 1 Petr), zur zeitgenössischen Literatur und Ikonographie, zur Forschungsgeschichte und schließlich zu neuen Perspektiven und Ansätzen in der Jesusforschung. Rau, Eckhard: Perspektiven des Lebens Jesu. Plädoyer für die Anknüpfung an eine schwierige Forschungstradition, hg. und erweitert von Petersen, Silke. Mit einem Geleitwort von Ulrich Luz (BWANT 203). Stuttgart 2013. Eckhard Rau ist 2011 über der Arbeit an diesem Buch verstorben. Es blieb unvollen­ det. Da jedoch große Teile abgeschlossen waren, ist es im Sinne des wissenschaftlichen Diskurses sinnvoll, sie durch Veröffentlichung nun zugänglich zu machen. Silke Peter­ sen stellt abschließend luzide Mutmaßungen über die mögliche These Raus zu Jesu Erwartungen in Jerusalem an; Ulrich Luz ordnet im Geleitwort die Untersuchungen Raus, die nicht selten quer zur gegenwärtigen Forschung stehen, ein. Es ist ein besonderes Verdienst Raus, die Fragestellungen des 19. Jahrhunderts aufzu­ nehmen und weiter zu führen. Dazu werden nicht nur die mehr oder weniger bekann­ ten Thesen Albert Schweitzers, sondern auch die Untersuchungen Heinrich Jul. Holtzmanns und die so gut wie unbekannten Ergebnisse Theodor Keims präsentiert und in ihrem Problemlösungspotential gewürdigt (107–237). In exegetischer Detail­ analyse zeigt Rau die Wahrscheinlichkeit, dass man durchaus von verschiedenen Pha­ sen im Leben und Wirken Jesu sprechen kann, deren letzte – auch bereits in Galiläa – von Ablehnung gekennzeichnet war, weshalb u. a. deutliche Gerichtsworte gegen die Pharisäer als jesuanisch (und nicht als Teil frühchristlicher Abgrenzungen nach 70) zu gelten haben, und dass Jesus in Jerusalem mit seinem Wirken im und gegen den Tem­ pel – möglicherweise (!) – seinen Tod bewusst in Kauf nahm. Gerade die letzte These, die im 19. Jahrhundert teils noch zugespitzter formuliert worden ist, hat Rau kaum angedeutet, geschweige denn ausgeführt. Sie werden von Silke Petersen skizziert und mit eigenen exegetischen Überlegungen kritisch verbunden (273–314). „Einige von Eckhard Raus präludierenden Hinweisen und Fragestellungen lassen sich als Verweise auf eine mögliche Geschichte Jesu lesen, in der dieser sein eigenes Sterben nicht nur in Kauf nimmt, sondern sogar aktiv selbst betreibt“ (313). Diese Jesusgeschichte stellt uns einen deutlich fremderen Jesus vor Augen, als er beispielsweise im third quest gesehen wurde. Historische Jesusforschung bleibt spannend. Söding, Thomas (Hg.): Tod und Auferstehung Jesu. Theologische Antworten auf das Buch des Papstes. Freiburg i. Br. 2011. Ders. (Hg.): Zu Bethlehem geboren? Das Jesus-Buch Benedikts XVI. und die Wissen­ schaft. Freiburg i. Br. 2013. Nach einem ersten ebenfalls von Söding herausgegebenen Buch, in dem die „Antwor­ ten der Neutestamentler“ auf das „Jesus-Buch des Papstes“ 2007 veröffentlicht wur­ den, widmen sich die beiden neueren Bände dem zweiten Band und dem Prolog des dreibändigen Buches von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Neben dogmatischen, his­ torischen, religionswissenschaftlichen und religionspädagogischen Beiträgen beginnen beide Bände mit exegetischen Überlegungen katholischer wie evangelischer Autoren. Sie sind insgesamt konstruktiv-kritisch, markieren nochmals die Distanz der theologi­ schen Exegese des Papstes gegenüber historisch-kritischen Zugängen und deren Her­ meneutik, werten aber weitgehend das Anliegen und textinterpretierende Vorgehen des Papstes positiv. Vor allem der Band zu Tod und Auferstehung greift zentrale theo­

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logische Fragen auf – befinden wir uns doch „im Gravitationszentrum der theologi­ schen Rechenschaft über Ursprung und Sinn des christlichen Glaubens“ (113) – und zeigt in den Beiträgen von Oda Wischmeyer, Martin Karrer und Samuel Vollenweider profilierte exegetische Korrekturen. Metzger, Paul (Hg.): Die Konfession Jesu (BenshH 112). Göttingen 2012. Das kleine Büchlein dokumentiert die Beiträge einer konfessionskundlichen Tagung in Bensheim, die sich am Jesusbuch des Göttinger Systematikers Joachim Ringleben orientierte und anhand der Bedeutung Jesu für den christlichen Glauben exemplarisch nach einer theologischen Enzyklopädie fragte. Die neutestamentlichen Beiträge von Thomas Söding („Auf der Suche nach neuen Wegen. Der Stand der exegetischen Jesus­ forschung“ [10–30]) und von Martin Karrer („Jesus von Nazareth. Perspektiven aus exegetischer Sicht“ [31–41]) bieten fundierte und verständliche Darstellungen. Sie beschäftigen sich am Rande auch mit dem Jesusbuch Joseph Ratzingers/Benedikt XVI., dem zudem ein eigener Beitrag gewidmet ist (von Martin Bauspieß, 101–130).

3. Wunder Zimmermann, Ruben (Hg. in Zusammenarbeit mit Detlev Dormeyer, Judith Harte­ nstein, Christian Münch, Enno Edzard Popkes, Uta Poplutz): Kompendium der früh­ christlichen Wundererzählungen, Bd. 1 (Die Wunder Jesu). Gütersloh 2013. In Analogie zum „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ (2007) legt Hg. wiederum ein so umfangreiches (1084 S.) wie zuverlässiges, theologisch anregendes und weiterfüh­ rendes Kompendium vor. Der erste Band widmet sich den Wundern Jesu; der avisierte 2. Band wird die „Wunder der Apostel“ untersuchen. Analysiert werden Wundergeschichten, in denen ein menschlicher Wundertäter auf­ tritt; Geschichten mit Gott als Wundertäter, Erzählungen der Auferstehung Jesu, Pro­ digien und Epiphanien bleiben zu Recht ausgespart; einige Grenzfälle, die dennoch aufgenommen wurden wie die bekannte, sehr anschauliche und auch für das Verständ­ nis der synoptischen Überlieferungen wichtige Auferstehungsgeschichte im Petrus­ evangelium werden vorab benannt (vgl. 52 f). Die Wundergeschichten wurden in Q, Mk, Mt, Lk, Joh und in apokryphen Evangelien präsentiert und oft mehrfach im Kompendium berücksichtigt. Die von rund 70 Autorinnen und Autoren vielfältig bearbeiteten Texte folgen einem gemeinsamen Raster, der auch methodisch-herme­ neutische Vorentscheidungen zeigt: (kreative) Überschrift, Übersetzung, sprachlichnarrative Analyse, sozial- und realgeschichtlicher Kontext, traditions- und religionsge­ schichtlicher Hintergrund, Verstehensangebote/Deutungshorizonte, Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte; damit werden philologisch-narratolo­ gische, historische und rezeptionsästhetische Schwerpunkte gesetzt und jeweils aufei­ nander bezogen. Zur Vielfalt der Deutungen gehört die sehr wichtige wie anregende Entscheidung, dass zum Ende jeder Auslegung mindestens drei alternative Auslegun­ gen in ihren jeweiligen Stärken präsentiert werden. Das vermeidet nicht nur die unse­ lige Polemik in manchen exegetischen Abhandlungen, sondern öffnet den Lesenden neue Horizonte und regt zu eigenen sinnstiftenden Deutungen an. Das Kompendium bietet nicht nur exegetischen Scharfsinn, sondern ist eine Fundgrube für Predigt und Unterricht.

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4. Christologie, Passion, Auferweckung Erlemann, Kurt: Jesus der Christus. Provokation des Glaubens. Neukirchen-Vluyn 2011. Nach seiner neutestamentlichen Gotteslehre (2008) und Pneumatologie (2010, siehe unten 5.) legt Vf. hier seine Christologie vor. Wie in den Vorgängerbänden ist sie klar, textbezogen und allgemeinverständlich und daher gerade auch in Unterrichtszusam­ menhängen gut einsetzbar. Vf. summiert selbst: „Das Buch beschriebt die provozie­ rende Behauptung, der Gekreuzigte sei der Christus Gottes und der Erlöser der Welt, und sichtet die Antworten des Neuen Testaments auf die vielen Fragen und Zweifel jener Zeit“ (1). Die Provokationen – verstanden als Zumutung wie als Herausforde­ rung – werden inhaltlich profiliert als bleibende Provokation des Kreuzes, als Erinne­ rung an die Provokation Jesu, als die Provokation von Karfreitag und Ostern, als die des Christusglaubens und schließlich als die der Vielstimmigkeit der neutestamentli­ chen Entwürfe. Bär, Martina/Hermann, Markus-Liborius/Söding, Thomas (Hg.): König und Priester. Facetten neutestamentlicher Christologie, FS Claus-Peter März (EThS 44). Würzburg 2012. Nach Grußworten und grundsätzlichen Artikeln zum Königsverständnis im AT (Georg Hentschel), zum lukanischen Gloria als Inthronisationsgesang (Rainer Kamp­ ling) und zur hohen Christologie angesichts des christlich-jüdischen Dialogs (Hubert Frankemölle) folgen Beiträge zur Christologie in den Evangelien: Gerd Theißen und Detlev Dormeyer zu Mk, Thomas Söding zur Passionsgeschichte, Ingo Broer zur his­ torischen Rückfrage nach der Auferstehung, Knut Backhaus zur Emmausperikope als christologisches Programm der Apg und Silvia Pellegrini zu Joh. Innerhalb des Brief­ corpus untersuchen Markus Tiwald und Hermut Löhr paulinische Texte, Rudolf Hoppe nachpaulinische Rezeptionen der Rede von der Herrschaft Gottes, MarkusLiborius Hermann die Christologie des Hebr in Nachbarschaft und Konkurrenz zur Synagoge, Mireia Rysková die königliche Priesterschaft in 1 Petr 2. Stefan Schreiber und Martina Bär widmen sich schließlich christologischen Fragestellungen und Kon­ zepten in Apk. Eschner, Christina: Gestorben und hingegeben „für“ die Sünder. Die griechische Kon­ zeption des Unheil abwendenden Sterbens und deren paulinische Aufnahme für die Deutung des Todes Jesu Christi, Bd. 1: Auslegung der paulinischen Formulierungen, Bd. 2: Darstellung und Auswertung des griechischen Quellenbefundes (WMANT 122). Neukirchen-Vluyn 2010. In diesem insgesamt rund 950-seitigen zweibändigen Werk, mit dem Vfn. in Berlin promoviert wurde (Betreuer: Cilliers Breytenbach), werden detailliert und minutiös die paulinischen und sonstigen griechischen Formulierungen analysiert, die zum „Sterben für“, zur Hingabe und zur Selbsthingabe gehören. Vfn. macht im Gegensatz zur bisherigen Mehrheitsmeinung deutlich, dass alle drei Formulierungsweisen bzw. beide Traditionsbereiche (Sterbe- und Hingabeformulierungen) der pagan-griechi­ schen Konzeption vom Unheil abwendenden Sterben entstammen – und nicht etwa (kultischen) Sühnevorstellungen oder der jüdischen Märtyrertheologie. Stiewe, Martin/Vouga, François: Bedeutung und Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament. Ein theologischer Essay (NET 19). Tübingen/Basel 2011. Im Essay, einer umfangreichen und anspruchsvollen Monographie von über 280 Sei­ ten, wird das grundlegende Bekenntnis christlichen Glaubens, dass Christus für uns gestorben ist, im exegetischen Durchgang durch die zentralen Texte bei den Synopti­

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kern, Paulus, Johannes, in Hebr, 1 Petr, Apk entfaltet und dabei jeweils mit einer tref­ fend als „Kontrapunkt“ bezeichneten Rezeption in Beziehung gesetzt. Kontrapunkte gehören zur Rezeption in der Kultur (Monteverdis Crucifixus, Bachs Matthäuspas­ sion, Gubaidulinas In Croce, Messiaens Et Expecto), in der Theologie (Anselm, Luther, Calvin, Barth, Tillich) und in der weiteren Geistesgeschichte (Kierkegaard, Teilhard de Chardin, Girard). „Die Rezeption und die Wirkungsgeschichte der Ver­ kündigung des Todes Jesu haben in der christlichen Theologie einen bunten und offe­ nen Blumenstrauß von Interpretationen gebildet. Die vielfältigen frühchristlichen Deutungen … fanden in der geistigen Geschichte des Abendlandes neue und kreative Fortsetzungen. Sie alle versuchen …, die Wahrheit Gottes, der sich am Kreuz offen­ bart hat, und die Wahrheit der menschlichen Existenz aufeinander zu beziehen und zu verstehen“ (267). Daher sind sie nicht nur historisch, sondern hermeneutisch und theologisch zu untersuchen. Das Buch schließt mit der Aufforderung zu einer drin­ gend notwendigen „rationalen, kritischen und verständlichen Interpretation der Got­ tesoffenbarung am Kreuz Christi“ (271), um auch die humanistischen Traditionen an ihre theologischen Wurzeln zu erinnern. Wengst, Klaus: „… dass der Gesalbte gemäß den Schriften für unsere Sünden gestorben ist“. Zum Verstehen des Todes Jesu als stellvertretender Sühne im Neuen Testament. In: EvTh 72 (2012) 22–39. Vf. plädiert statt für eine Abschaffung aller Sühne- und Stellvertretungsvorstellungen für deren besseres und anspruchsvolleres Verstehen. Durch den Zugang über jüdische Märtyrertheologie erscheint Gott als der, der sich selbst in Mitleidenschaft ziehen lässt, an den und gegen den zu appellieren ist. Gott zieht das Unrecht des Kreuzes auf sich selbst und ermöglicht so versöhntes Leben in neuer Schöpfung. Wedderburn, Alexander J. M.: The Death of Jesus. Some Reflections on Jesus-Traditions and Paul (WUNT 299). Tübingen 2013. In seinen hier zusammengefassten Überlegungen zur Jesusforschung und zur paulini­ schen Theologie stellt sich Vf. der zentralen Herausforderung nach dem Verständnis des Todes Jesu, dessen Interpretation den Anhängern Jesu bis heute Kopfzerbrechen bereiten (vgl. 1). Jesus selbst hat seinen Anhängern nur wenige Hinweise gegeben und die Geschichte seiner Passion ist mehrdeutig, da sie sowohl die Selbstaufgabe in Geth­ semane als auch seinen vorwurfsvollen Schrei am Berg Golgatha umfasst. Einige der zahlreichen Motive und Bilder, die von seinen Anhängern verwendet wurden, um das Geschehen zu erklären, wurden von Paulus übernommen, obwohl er einen Wider­ spruch zwischen der Botschaft des Kreuzes und jeglicher menschlicher Weisheit sah. Das letzte Abendmahl Jesu deutet Vf. in seinen wahrscheinlichen historischen Kontex­ ten, wobei die nahe Erwartung des eschatologischen Mahls in Gottes Herrschaft und die Verbundenheit zwischen Jesus und seinen Jüngern im Zentrum stehe und soterio­ logische oder im weitesten Sinne heilszueignende Vollzüge nicht anzunehmen seien. Des Weiteren werden die Themen Vergebung, Traditionen bei Paulus, Torheit des Kreuzes, In-Christus-Sein, Rechtschaffenheit und Rechtfertigung behandelt. Alle Texte sind in englischer Sprache. Eberhart, Christian A.: Kultmetaphorik und Christologie. Opfer- und Sühnetodtermino­ logie im Neuen Testament (WUNT 306). Tübingen 2013. In seiner Mainzer Habilitationsschrift untersucht Vf. traditionsgeschichtlich die chris­ tologischen Motive, Metaphern und Konzepte, die in engem Zusammenhang mit dem jüdischen Opferkult stehen: Opfer (Eph 5,2; Hebr), Blut Jesu, Sühne, Lamm. Hier­ durch wird deutlich, dass im NT verschiedene Interpretationen und Interpretationsan­ sätze zum Verständnis des Todes Jesu bestehen, aber gleichwohl „multiple Wortfelder

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kombiniert oder verschränkt worden sind“ (203). Gerade aufgrund der detaillierten Untersuchung der alttestamentlichen und frühjüdischen Opferpraxis und -deutungen legt Vf. nahe, dass im NT das „Opfermotiv nicht primär den Tod Jesu artikuliert“ (ebd.), sondern auch seine Proexistenz im gesamten Leben, wie es beispielsweise das alte Symbol des Fisches zum Ausdruck bringt. Einzige, aber wirkungsstarke Aus­ nahme ist der Hebr, der Sühne und kultisches Opfer auf Jesu Tod konzentriert. Vf. resumiert: „Bei der heutigen Rezeption christologischer Sühnekategorien, die notwen­ dig metaphorischer Natur sind, sollte das imaginäre und kreative Potential gewürdigt werden, das Motive aus dem Opferkult zur Artikulation frühchristlicher Soteriologie beigetragen haben. Solche Deutekategorien weisen nämlich eo ipso über das Faktische hinaus und zeigen unentdeckte Wirklichkeiten auf, so dass nicht zuletzt Gegenwelten zur Verarbeitung problematischer oder traumatischer Erfahrungen imaginiert werden können“ (204). Herrmann, Florian: Strategien der Todesdarstellung in der Markuspassion. Ein literatur­ geschichtlicher Vergleich (NTOA 86). Göttingen 2010. In dieser durch Oda Wischmeyer betreuten Erlanger Dissertation untersucht Vf. die Markuspassion (14,1–16,8). In Aufnahme der synchron-narratologischen Zugänge und deren Weiterführung um diachrone Aspekte entwickelt er ein heuristisches Frage­ raster, mit dem rund 50 Todesdarstellungen der griechisch-römischen und alttesta­ mentlich-jüdischen Antike analysiert und mit der Markuspassion verglichen wird. Dabei zeigt sich, „dass Markus sich in seinen literarischen Mitteln und auch in seinen Produktionsbedingungen weitgehend – wenn auch nicht ganz – problemlos in den Kontext der untersuchten … Texte einfügen lässt, dass er diese Mittel aber in den Dienst einer christologischen Durchformung seiner Erzählung stellt“ (383). Im Blick auf die literarische Strategie und den Geltungsanspruch wird deutlich: „Die narrativ entfaltete Christologie ist die Wahrheit, um die es geht“ (385). Klumbies, Paul-Gerhard: Von der Hinrichtung zur Himmelfahrt. Der Schluss der Jesus­ erzählung nach Markus und Lukas (BThSt 114). Neukirchen-Vluyn 2010. Vf. präsentiert in diesem Aufsatzband seine Untersuchungen zu den Passions- und Auferstehungsgeschichten der beiden Evangelien. Im Vordergrund steht die Interpre­ tation der Texte, nicht historische Rekonstruktion. Nach einem ersten grundsätz­ lichem Beitrag über die unterschiedlichen Rationalitäten – einer mythischen Rationali­ tät bei Mk, einer hellenistisch-aufgeklärt-analytischen bei Lk – folgen Einzelbeiträge zu den Sterbeszenen, den Ostererzählungen und der Himmelfahrtsüberlieferung. Den Abschluss bildet ein zur Dogmatik überleitender Beitrag: Vom Hingerichteten Jesus zum trinitarischen Gott. „Vertreten wird die Position, dass die Integration des Todes Jesu in den Gottesgedanken die besondere Qualität des christlichen Redens von Gott ausmacht“ (4). Nielsen, Jesper Tang: Die kognitive Dimension des Kreuzes. Zur Deutung des Todes Jesu im Johannesevangelium (WUNT II, 263). Tübingen 2009. Hatten die beiden großen Exegeten innerhalb der Johannesforschung, Bultmann und Käsemann, eine soteriologische Bedeutung des Todes Jesu im JohEv., wenn auch mit diametral entgegengesetzten Begründungen, bestritten, gab es andere Forschungsten­ denzen, JohEv. kreuzestheologisch statt offenbarungstheologisch zu lesen. Vf., der mit dieser Arbeit in Aarhus promoviert wurde, zeigt auf Grundlage der Texttheorien des Aristoteles und der semiotischen Fortschreibung durch Greimas, in exegetischer Detailanalyse die Notwendigkeit des Todes Jesu in der narrativen Struktur und den einzelnen Motiven des Evangeliums auf und belegt, wie die kognitive Dimension des Todes Jesu fundamentale Bedeutung hat. „Nach seiner Verherrlichung kann Jesus ein­

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deutig als göttlich erkannt werden, und seine Stigmata beweisen, dass er auch in seiner menschlichen Existenz göttliche Autorität hatte“ (268). Als pragmatische Konsequen­ zen hebt Vf. außerdem die Bedeutung des Todes Jesu für die Entstehung der Gemeinde aus Juden und Heiden und „für die fortdauernde Verbindung zur göttli­ chen Gemeinschaft durch den Geist und die wahre Gottesverehrung“ (270) hervor. Alkier, Stefan: Die Realität der Auferweckung in, nach und mit den Schriften des Neuen Testaments (NET 12). Tübingen/Basel 2009. Vf. untersucht alle neutestamentlichen Stellen zur Auferweckung Jesu und zur Aufer­ stehung der Toten. Dabei grenzt er sich deutlich von historistischen Fragestellungen und Reduktionen ab und fragt innerhalb der Grundannahmen der Semiotik nach den Realitätsannahmen und Plausibilisierungsstrategien der Texte und zeigt die Notwen­ digkeit eines umfassenderen Realitätskonzepts. Abschließend folgen Hinweise und Impulse, wie Exegese eine zeitgemäße pluralismusfähige und kritische Aneignung des Glaubens in Kirche und Schule befördert, konkretisiert an Trauererfahrungen, der Rede von Schöpfung und dem Abendmahl. Vf. zeigt sprachfähige Auferstehungstheo­ logie, die gleichzeitig staurologisch bleibt. Ein maßstabsetzendes exegetisches und theologisches Buch! Nicklas, Tobias/Merkt, Andreas/Verheyden, Joseph (Hg.): Gelitten – Gestorben – Auf­ erstanden. Passions- und Ostertraditionen im antiken Christentum (WUNT II, 273). Tübingen 2010. Der vorliegende Sammelband vereinigt Beiträge in deutscher, englischer und französi­ scher Sprache, die auf Tagungen der Arbeitsgruppe „Christian Apocrypha“ der Society of Biblical Literature (SBL) und der Projektgruppe „Novum Testamentum Patristicum“ 2007 gehalten wurden. Daher steht hier nicht die Frage nach den histori­ schen und theologischen Wurzeln des neutestamentlichen Zeugnisses zu Tod und Auferweckung Jesu im Zentrum, sondern welche unterschiedliche Ausgestaltungen dieses Bekenntnis, dieser Glaube und die damit verbundenen Ideen und Textwelten in apokrypher und patristischer Literatur und in frühchristlicher Kunst (Beitrag von Jutta Dresken-Weiland, in der u. a. eine magische Gemme [um 200] vorgestellt wird, auf der der Gekreuzigte, wie es der historischen Situation wahrscheinlich entspricht, völlig nackt, also entehrend dargestellt ist [31–46]) gefunden haben. Unter den patristi­ schen Beiträgen ist die Untersuchung von Origenes’ Interpretation von 1 Kor 15, 12– 55 (von Riemer Roukema, 329–342) besonders anregend. Standhartinger, Angela: „What Women were Accustomed to do for the Dead Beloved by Them“ (Gospel of Peter 12.50). Traces of Laments and Mourning Rituals in Early Eas­ ter, Passion, and Lord’s Supper Traditions. In: JBL 129 (2010) 559–574. Als missing link zwischen Passionserfahrung und Osterfreude zeigt Vfn. Spuren der Klage und Trauerrituale, die für einige Erzählungen der Evangelien (Salbung in Betha­ nien, leeres Grab, Auferweckung des Lazarus) einen starken und erkennbaren Hinter­ grund bilden. Durch die markinische Umformung der Passionserzählung und das Hineinnehmen der Klage (Ps 22) in den schriftlichen Bericht unterstreicht Mk, „that suffering and death are not a passage to heavenly glory but an emphasis on God’s soli­ darity with the crucified One and his suffering sisters and brothers“ (574). Vorholt, Robert: Das Osterevangelium. Erinnerung und Erzählung (HBS 73). Freiburg i. Br. 2013. Vf., Neutestamentler an der Universität Luzern, legt in seiner Bochumer Habilita­ tionsschrift eine umfangreiche exegetische und systematische Analyse der Auferste­ hungstheologie vor. Nach der Beschreibung der systematisch-theologischen For­ schungspositionen (z. B. Strauß, Lüdemann, Scheffczyk, Bultmann, Marxsen, Schille­

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beeckx, Pesch, Pannenberg, Wilckens, Kasper, Kessler) wird die Methode in ihren Schwerpunkten des historischen Erkennens und der Narratologie erläutert. Im Haupt­ teil werden die entsprechenden Evangeliumstexte (Mk 16, 1–8.9–20; Mt 28; Lk 24; Joh 20f) analysiert und abschließend unter den Aspekten „wahrer Glaube“ und „erzählte Auferstehung“ ausgewertet. Vf. zeichnet so den exegetisch verantworteten Weg, um im Dialog mit historischer Vernunft und den spezifischen Möglichkeiten des Erzäh­ lens das Osterkerygma zu entfalten und lässt dabei auch die Geschichten vom leeren Grab neu sprechen, die bisher weithin als „Schmuddelkinder“ der Exegese galten (vgl. 341). Das „allen Oster-Narrationen Gemeinsame und Verbindende liegt in der Über­ zeugung des Glaubens, dass sich in der Selbstbekundung des gekreuzigten Auferstan­ denen der aus dem Tod befreiende eschatologische Schöpfungs- und Erlösungswille Gottes unüberbietbar Ausdruck verleiht“ (357).

5. Heiliger Geist Wolter, Michael: Der heilige Geist bei Paulus. In: JBTh 24 (2009) 93–119. In seinem Beitrag innerhalb des vielfältigen Themenbandes „Heiliger Geist“ analysiert und präsentiert Vf. die Theologie des Geistes bei Paulus. Der Heilige Geist ist zunächst bestimmt als Gottes Geist (vgl. 93ff); in Kontinuität zum AT ist er eine Kraft, durch die Gott auf die Menschen einwirkt, er ist „Macht und Gabe zugleich“ (95) und lässt die Erwählten, Juden und Heiden, Gottes Eigentumsvolk sein. Die Erfahrung des Geistes (vgl. 97ff) ist in den frühchristlichen Gemeinden Gewissheit und wird nie bezweifelt. Als ihr Ursprung sind die Ostervisionen anzusehen; diejeni­ gen, die nicht direkt ihre Empfänger waren, gewinnen durch den Glauben Anteil am Geist, wobei Vf. verdeutlicht, dass „man nur mit allergrößter Zurückhaltung davon sprechen [kann], dass für das paulinische Christentum der Geist durch die Taufe ‚ver­ mittelt‘ wurde“ (98); dennoch hat „keiner, der getauft worden war, hinterher nicht den Geist“ (99). Wie Paulus die Seinsweise des Geistes, z. B. seine Substanz, gedacht hat, bleibt schwer zu beantworten (vgl. 100ff). Grundsätzlich klar ist, „dass der Geist nach paulinischer Vorstellung aus einer ‚Substanz‘ besteht, die sich menschlichen Sub­ stanzvorstellungen kategorial entzieht, weil es sie ausschließlich als Wirklichkeit Got­ tes gibt“ (101); diese grundlegende Differenz gilt auch für die Rede vom geistlichen Auferstehungsleib. Die paulinische Theologie des heiligen Geistes (vgl. 103ff) beruht auf der Gewissheit, dass jeder Christ den Geist hat. Vf. skizziert dann die Verflochten­ heit der Pneumatologie mit Christologie, Anthropologie, Ekklesiologie und Ethik. Geist und Leben sind durch die Auferweckung Jesu verknüpft; der lebendig machende Geist verbürgt die Hoffnung auf Auferstehung. Der Geist Gottes und der Geist Christi sind ein und derselbe Geist, aber allein Gott ist es, der ihn gibt. Im Menschen verleiht der Geist Anteil an Gottes Heiligkeit und er begründet Hoffnung. Während Paulus die Christen als „Tempel des Heiligen Geistes“ bezeichnet, schreibt er nur von der Gemeinde als „Tempel Gottes“: nur in der Gemeinde (exemplarisch im Gottes­ dienst), nicht im einzelnen Christen, ist Gott selbst anwesend. Weil jeder den Geist hat und jeder Christ durch den Geist bekennt, dass Christus der Herr ist, kann es in der Gemeinde keine „pneumatische Elite“ geben. „Jeder Christ ist darum ein Pneuma­ tiker“ (119). Präsenz und Wirken des Geistes sind „Bestandteil der Wirklichkeitsan­ nahme des christlichen Glaubens. In ihr artikuliert sich die Gewissheit, dass der trans­

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zendente Gott durch seinen Geist in den Glaubenden und in ihrer Gemeinschaft in der Weise präsent ist, dass er sie und ihre Lebensäußerungen bestimmt und zu Mani­ festationen seiner Wirklichkeit in der Welt macht“ (119). Frey, Jörg: Vom Windbrausen zum Geist Christi und zur trinitarischen Person. Stationen einer Geschichte des Heiligen Geistes im Neuen Testament. In: JBTh 24 (2009) 121– 154. Vf. zeigt, dass die biblischen Belege zum Geist dynamistische und personale Kompo­ nenten haben und zeichnet dann die sich allmählich verstärkende personale, Subjekt werdende Linie nach. Im NT ist zunächst exklusiv Jesus der Geistträger, der dadurch als Messias bevollmächtigt ist. Im frühesten Urchristentum beginnt mit den Oster­ ereignissen und -visionen, die Frey wie Wolter (siehe oben) als Grundlage der Geister­ fahrungen ansieht, das Wirken des Geistes, als endzeitliches Gotteshandeln verstan­ den, in den Jüngern und Nachfolgern. „Damit ist das, was zur Zeit des irdischen Jesus ihm als Messias ‚vorbehalten‘ war, nun auch für seine Nachfolger ausgesagt und gleichsam ‚demokratisiert‘ “ (136). Bei Paulus sind erste Schritte zur Personalisierung des Geistes erkennbar, theologisch vor allem durch die Parallelisierung des Geistes mit dem erhöhten Christus (vgl. 138) grundgelegt. Der Geist Christi ist kein anderer als der Geist Gottes, aber er wird nicht von Christus gesandt, besitzt in der christologi­ schen Zentrierung (Kreuz, Liebe, Auferbauung) gleichzeitig kriteriologische Funktion zur Beurteilung der korinthischen Fragen und Gemeindesituationen (vgl. 142). Wäh­ rend im lukanischen Doppelwerk der Geist eigenständig handelnder als bei Paulus dargestellt wird, ist er „weniger klar auf die Person Christi bezogen als bei Paulus“ (146). Die eigenständigste und auf ein proto-trinitarisches Denken zielende Pneumato­ logie bietet Joh (vgl. 146ff). Hier fehlen die sonst bekannten charismatischen Phäno­ mene und das Wirken des Geistes ist auf die worthaften Funktionen (vgl. Joh 14,26; 16,8 ff.13ff) bezogen. Der in der Gemeinde wirkende Geist ist die „österliche Gabe Christi“ (148) und wird weitgehend personal beschrieben. Hier ist er unüberbietbar göttliche Person (vgl. 150) und Vater und Sohn zugeordnet (vgl. Joh 16,13–15). „Die Personalität des Heiligen Geistes sowie die trinitarisch reflektierte präzise Zuordnung von Geist, Sohn und Vater sind im Johannesevangelium in einer Weise zur Darstellung gebracht, die neutestamentlich für die spätere Bekenntnisbildung das Maß vorgab“ (151). Erlemann, Kurt: Unfassbar? Der Heilige Geist im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn [2010] 22012. Wie seine Gotteslehre (2008) und seine Christologie (2011 – siehe oben 4.) ist auch dieser Band klar, textbezogen und allgemeinverständlich und besonders im und für den Unterricht bestens geeignet. Vf. zeigt nach Einführungskapiteln zur Begriffsklä­ rung, zu AT und Judentum und zu Jesus die im NT beschriebenen Wirkungen des Geistes: Leben, Gotteserkenntnis, Wahrheit, Widerstand gegen das Böse, gute Werke, Gemeinde, Verkündigung und Erlösung. Zum Schluss werden die Vielstimmigkeit und der theologische „rote Faden“ erläutert: „Gottes sanfter Weg zur Erlösung“ (196). Themenheft: Geist, ZNT 13 (2010), Heft 25. Das Jubiläumsheft präsentiert Beiträge einer interdisziplinären Tagung an der Univer­ sität Frankfurt/M. zum Thema. Neutestamentlich bietet Christian Strecker einen erhellenden Überblick über die Forschungsgeschichte. Daran schließen sich Untersu­ chungen im Kontext pentecostaler Hermeneutik (Werner Kahl) und intertextuelle Methodik (Richard B. Hays) an. Kristina Dronsch zeigt die topographische Struktur

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der Pneumatologie im Johannesevangelium, Volker Rabens liefert Einblicke in die Rede vom Geist in der griechisch-römischen wie jüdisch-hellenistischen Literatur.

6. Paulus und seine Briefe Horn, Friedrich W. (Hg.): Paulus Handbuch. Tübingen 2013. In Gestalt dieses 650-seitigen Handbuchs, an dem 44 Autorinnen und Autoren mitge­ wirkt haben, liegt das maßstabsetzende Lehrbuch für die nächsten Jahrzehnte vor. Klar gegliedert werden zunächst im Teil „Orientierung“ die Hilfsmittel, der textge­ schichtliche Befund und die Forschungsgeschichte präsentiert. Als zweiter Teil („Per­ son“) folgen Artikel zur Problematik einer Paulus-Biographie, sodann materialiter zum vorchristlichen Paulus (Diasporajude aus Tarsus, Pharisäer in Jerusalem, Verfol­ ger der christlichen Gemeinde), zur Berufung und Bekehrung zum Heidenmissionar, zu seiner Tätigkeit als Missionar, zum Ende des Paulus und zu seiner Person. Darauf folgen als umfangreichster dritter Teil die Artikel zum „Werk“, wozu die Briefe des Paulus, seine Mission (einschließlich der gesellschaftlichen Bedingungen, der Mitarbei­ ter, der Gegner, der Logistik), die theologischen Themen und Strukturen (Schriftbe­ züge, hellenistisch-jüdische Theologie, frühchristliche Theologie, Wandlungen im paulinischen Denken, Kontingenz und Kohärenz) zählen. Als vierter Teil folgt „Wir­ kung und Rezeption“ (Paulusschule, deutero- und tritopaulinische Briefe, Paulusdar­ stellung in Apg, Antipaulinismus und Paulinismus, apokryphe Paulusakten, Markion, Briefwechsel Paulus – Seneca, Paulusapokalypsen, archäologische und ikonographi­ sche Zeugnisse früher Paulusverehrung [mit einigen Abbildungen, z. B. des 2009 ent­ deckten frühesten Paulusbildnisses aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts]). Das theologische Zentrum des Paulus bildet nicht (mehr) die Rechtfertigungslehre, sondern die Christologie, der dann die Rechtfertigungslehre zugeordnet wird. Als weitere Themen werden Anthropologie, Kirche (einschließlich der Gabe des Geistes, des Abendmahls, der Ethik, des Verhältnisses zu Israel) und die Hoffnung auf Aufer­ weckung der Toten und das gnädige Gericht behandelt. Dieses Handbuch lässt keine Wünsche offen und dient zuverlässig der Orientierung, dem Überblick, der Einarbeitung oder Nachbereitung der vielfältigen mit Paulus ver­ bundenen Fragestellungen und bietet nicht zuletzt aufgrund der Autorinnen und Autoren höchste Qualität und durchaus plurale Perspektiven. Gielen, Marlis: Paulus im Gespräch – Themen paulinischer Theologie (BWANT 186). Stuttgart 2009. Die Professorin für NT an der Universität Salzburg legt einen Sammelband mit zehn eigenen Aufsätzen zu Themen paulinischer Theologie vor. Die Aufsätze wurden im Wesentlichen unverändert abgedruckt und stammen aus den Jahren 1999–2009. Neben grundsätzlichen Analysen zur Anthropologie des Paulus (49–75) finden sich Aufsätze zu breit gestreuten Themen wie der Gottesebenbildlichkeit, der Totenauferweckung nach 1 Kor 15,20–28, der Spiritualität nach 1 Thess 5,19 f. Zentral und gewichtig sind Gielens Untersuchungen zu den Frauen in den paulinischen Gemeinden (159–209) und ihre Anstöße zu neuen Handlungsperspektiven im gegenwärtigen Kontext, die zur ökumenischen Mahlgemeinschaft ermutigen (in theologischer Argumentation mit 1 Kor 11 gegen kirchliche und konfessionelle Gruppenbildung und für die Thesen, dass aus der Gemeinschaft im Herrenmahl die Kirchengemeinschaft erwachse, und

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nicht umgekehrt, und dass es neutestamentlich keine unverzichtbare Verbindung von Amt, apostolischer Sukzession und Vorsitz der Eucharistiefeier gibt) sowie Möglich­ keiten und Grenzen der Sexualethik und der Charismenlehre zeigen (211–282). Wolter, Michael: Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie. Neukirchen-Vluyn 2011. Auf rund 450 Seiten entfaltet Vf. die Theologie des Apostels Paulus in klarer, präziser und auf die Texte bezogener Weise. In einem narrativ-historischen Einstieg (Kap. II– III) wird als Vorgeschichte der Theologie die Entwicklung von Tarsus bis zum Antio­ chenischen Konflikt beschrieben (mit theologischer Profilierung der Positionen der Konfliktpartner). Dann folgen, teils mit dogmatischen Topoi überschriebene Kapitel, die die theologischen Schwerpunkte kennzeichnen: Evangelium, Glaube, Heilswirk­ lichkeit des Todes Jesu, Taufe, Heiliger Geist, Hoffnung, ‚Christusmystik‘ und ‚Chris­ tusteilhabe‘, Gemeinschaft der Glaubenden (u. a. mit Entfaltung des Herrenmahls als „Realsymbol“), Ethik, Rechtfertigung, Israel. Für die Rechtfertigungslehre unterscheidet Vf. zwischen dem Entdeckungs- und dem Begründungszusammenhang: auch wenn die Lehre literarisch erst in Gal und Röm ausgearbeitet wird, ist der Entdeckungszusammenhang deutlich früher und ekklesio­ logisch zu bestimmen (also nicht anthropologisch wie die lutherische Sichtweise meint). Diese Unterscheidung wird dann auch noch einmal auf die Rezeption Luthers angewandt (vgl. 409–411), um einerseits mit der new perspective die hermeneutische Umklammerung durch das lutherische Verständnis aufzulösen, ohne jedoch anderer­ seits die Interpretation Luthers als völliges Missverständnis darzustellen. Wolters Buch ist eine bedeutende Darstellung der Theologie des Apostels und setzt – bei aller notwendigen kritischen Rezeption (s. u.) – auch für die schulische, kirchliche und intellektuelle Aufnahme neue Maßstäbe. Frey, Jörg/Schließer, Benjamin (Hg.): Die Theologie des Paulus in der Diskussion. Refle­ xionen im Anschluss an Michael Wolters Grundriss (BThSt 140). Neukirchen-Vluyn 2013. Dieser Sammelband besteht aus verschiedenen Beiträgen, die das Paulusbuch Michael Wolters konstruktiv und kritisch würdigen und befragen. Nach einem gründlichen Vergleich der Paulusdarstellungen von Becker (1989), Dunn (1998), Schnelle (2003) und Wolter (2011) durch Schließer kritisiert Alkier das Wirklichkeitsverständnis in Wolters Darstellung, während Gathercole interessante Einblicke in die britische new perspektive und deren Perspektive auf die deutsche Paulusforschung gewährt. Theo­ bald befragt kritisch Wolters These, dass Paulus an der Israelfrage theologisch geschei­ tert sei, Stegemann kritisiert die Dogmatik Wolters und Zimmermann dessen Festhal­ ten am Dual Indikativ-Imperativ in der Darstellung der paulinischen Ethik. Athana­ sios Despotis steuert zum Aspekt Bekehrungsreligion und Rechtfertigungslehre die Sichtweise orthodoxer Theologie bei. Michael Wolter antwortet abschließend auf die aufgeworfenen Fragen und Problemstellungen. Bendik, Ivana: Paulus in neuer Sicht? Eine kritische Einführung in die „New Perspective on Paul“ (Judentum u. Christentum 18). Stuttgart 2010. In dieser durch Ekkehard W. Stegemann betreuten Basler Dissertation untersucht Vfn. die Paulusexegese seit F. C. Baur. Im einzelnen werden die Positionen von Baur, Wrede, Bousset, Harnack, Schweitzer, Bultmann, Munck, Stendahl, Sanders und Dunn dargestellt und kritisch analysiert. Im Schlusskapitel skizziert Vfn. ihre Sicht der paulinischen Theologie anhand der Stichworte Neuer Äon, Tora, Völker, Israel: Die Zeit ist durch die in Jesu Tod und Auferstehung gewirkte Äonenwende geprägt, die zu einer Dissoziation mitten durch Israel, die Völker und die Tora führt und erst am Ende aufgehoben werden wird.

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Maschmeier, Jens-Christian: Rechtfertigung bei Paulus. Eine Kritik alter und neuer Pau­ lusperspektiven (BWANT 189). Stuttgart 2010. In der Auseinandersetzung zwischen alter, meist lutherisch geprägter und neuer Pau­ lusperspektive schlägt Vf. in seiner durch Peter Wick betreuten Bochumer Disserta­ tion ein neues, letztlich integratives Verständnis vor, das durch detailreiche Exegese von 2 Kor 3,1–11; Gal 2,15–21; 3,10–14; Röm 2,25–29 gewonnen wird: Die Rechtferti­ gungslehre ist und bleibt Zentrum paulinischer Theologie – und nicht ein „Nebenkra­ ter“, wie die alten und neuen Paulusexegeten mit „neuer Perspektive“ annehmen –, allerdings ist das antike Judentum nicht als legalistische Religion der Werkgerechtig­ keit zu diffamieren (mit Sanders, Dunn u. a.); beides ist theologisch zu verbinden, weil Paulus laut Vf. nicht anthropologisch, sondern heilsgeschichtlich argumentiert und im eschatologischen Urteil über den Menschen als Sünder im Kreuzestod Christi die Möglichkeit schenkt, diesem Urteil zu entrinnen. In der Ethik geht es daher Paulus „um ein Tun der Gebote unter der Maxime des Liebesgebots“ (287); Rechtfertigung befähigt zu neuem Handeln, für das der Christ verantwortlich ist und bleibt. Vf. hat seine Position auch in weiteren Aufsätzen zu Paulus und Luther profiliert und entwi­ ckelt (vgl. ThZ 68 [2012] 117–138 und KuD 59 [2013] 21–44). Dunn, James D. G.: A New Perspective on the New Perspective on Paul, in: Early Chris­ tianity 4 (2013) 157–182. Vf., selbst entscheidender Forscher und Namensgeber der „new perspective on Paul“, zeigt in diesem neuesten Beitrag zum Thema die teilweise erneuerte Perspektive, die sich nicht in einer Debatte mit den simplen Gegensätzen alt-neu bzw. falsch-richtig erschöpft, sondern die Argumente der verschiedenen Seiten differenziert würdigt und weiterführt. Vf. betont zu Recht die neue Perspektive auf das Judentum, die Bedeu­ tung der Heidenmission und votiert dafür, das ganze Evangelium des Apostels wahr­ zunehmen – einschließlich seiner Haltung zum Gesetz, zum Gericht nach Werken und seiner Darlegungen des Glaubens und des Seins „in Christus“. „What we need once again is to hold the whole Paul together […]. If the new perspective sparks off a renewed attempt to do justice to the whole Paul, it will have been a worthwhile hiccup in the ongoing process of receiving what Paul has still to say about the gospel for today“ (S. 182). Bachmann, Michael/Kollmann, Bernd (Hg.): Umstrittener Galaterbrief. Studien zur Situierung der Theologie des Paulus-Schreibens (BThSt 106). Neukirchen 2010. Der Galaterbrief ist nach wie vor exegetisch umstritten. Die klassischen Einleitungs­ fragen, vor allem die Frage nach den Adressaten und der Abfassungszeit, sind offen. Vor allem die inhaltlichen Fragen nach der Theologie des Apostels in dieser Konflikt­ situation bleiben spannend. Der Sammelband bietet Aufsätze zu den Adressaten (Die­ ter Sänger), zur Erscheinung des Auferstandenen vor Damaskus (Ingo Broer), zu den „Werken des Gesetzes“ und dem „Israel Gottes“ (Michael Bachmann), zu Abraham in Gal 3 (Oda Wischmeyer), zu Rechtfertigung und Ethik (Thomas Söding) und zu Parä­ nese (Rudolf Hoppe). Konradt, Matthias: Die Christonomie der Freiheit. Zu Paulus’ Entfaltung seines ethi­ schen Ansatzes in Gal 5,13–6,10, in: Early Christianity 1 (2010) 60–81. In diesem materialreichen, gleichzeitig präzise argumentierenden wie zu neuen Ergeb­ nissen führenden Aufsatz gibt Vf. einen Überblick über die Rede von Freiheit in Gal, analysiert das Verhältnis von Freiheit und Liebe und bestimmt die Funktion des ethi­ schen Teils (Gal 5,13–6,10) im Gesamtzusammenhang des Briefes. Die Rede von Freiheit ist in Gal und bei Paulus insgesamt mit der wirkungsstarken Formulierung Bultmanns als Freiheit von Sünde, Gesetz und Tod nicht präzise erfasst;

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vielmehr geht es in Gal, wie die Analogien der philosophischen Einsichten in Freiheit und Autonomie innerhalb der Polis zeigen, um die Freiheit von einem fremden, ver­ sklavenden Gesetz, das die Gemeinschaft beeinträchtigt oder zerstört. Die Freiheit ist bei Paulus weiter eschatologisch und pneumatologisch signiert; daher ist sie nicht nur Freiheit von etwas, sondern Freiheit zu etwas, die in der Gemeinschaft der Kirche (vgl. Gal 6,15: „neue Schöpfung“) verwirklicht wird. Diese Freiheit ist „gegenseitiger Dienst durch die Liebe in der Kraft des Geistes“ (70), wobei die Liebe mit der Lebens­ hingabe Christi untrennbar verbunden ist und gleichzeitig auf die liebende Hingabe an die Mitmenschen zielt. Dabei ist die Liebe nicht, wie häufig argumentiert wird, das Regulativ der Freiheit, sondern „deren wesensmäßige Manifestation“ (72). Dadurch erhält christliches Handeln Zeugnischarakter. Da die christliche Existenz als Existenz zwischen den Zeiten angefochten und gefährdet ist, sind ethische Ermahnungen not­ wendig. Diese Ermahnungen gründen in der Überzeugung, dass die Liebe des Geset­ zes Erfüllung ist: das besagt, „dass die in Christus geltende Lebensordnung der gegen­ seitigen Liebe zugleich faktisch die ethische Forderung der gesamten Tora erfüllt“ (73). Dieses „Gesetz Christi“ (Gal 6,2) bringt die paulinische Transformation der grie­ chischen Souveränitätsformel von Autonomie und Freiheit in Christonomie und Frei­ heit zum Ausdruck. Eine solche positive Zuordnung von Freiheit und Gesetz ent­ spricht nicht nur insgesamt den antiken Vorstellungen, sondern gilt als ausgesprochen attraktiv. Sehr wahrscheinlich haben die galatischen Gegner Paulus vorgeworfen, durch die propagierte Gesetzesfreiheit der Sünde, der Lasterhaftigkeit und des Verfalls der Gemeinschaft Vorschub zu leisten und auch die attraktive Ethik der Tora zu besei­ tigen. Im ethischen Abschnitt führt also Paulus die Auseinandersetzung mit seinen Gegnern weiter; auch und gerade für Paulus ist christliches Handeln „integraler Bestandteil seiner Deutung und Entfaltung des Heilsgeschehens“ (79). Die Gegner missachten nach Paulus „die äonenwendende Bedeutung des Christusgeschehens, die sich in der Gabe des Geistes dokumentiert“ (80); denn nur sie verhindert den Rückfall in die sarkische Existenz und ermöglicht die faktische Einhaltung der Tora im Liebes­ gebot. Paulus denkt „von der durch Tod und Auferstehung Jesu Christi inaugurierten eschatologischen Wende und der Gabe des Geistes her, durch den die Glaubenden in Christus zur eschatologischen Freiheit der Kinder Gottes berufen und zum gegenseiti­ gen Dienst in der Liebe befähigt sind“ (81). Adam, Jens: Paulus und die Versöhnung aller. Eine Studie zum paulinischen Heilsuniver­ salismus. Neukirchen 2009. In dieser durch Hans-Joachim Eckstein betreuten Tübinger Dissertation wird das theologische brisante Thema der Allversöhnung im Blick auf die neutestamentlichen Aspekte der paulinischen Theologie, besonders im Römerbrief, detailliert untersucht. Gegenüber der bisherigen mehrheitlichen Forschungsposition, dass bei Paulus univer­ salistische und partikularistisch-dualistische Tendenzen nebeneinander bestehen, stellt Vf. die differenzierte Argumentation des Apostels dar, votiert als Zentralbegriff für „(paulinischer) Heilsuniversalismus“, der jedoch dezidiert christologisch bestimmt bleibt und vom Christusbekenntnis nicht ablösbar ist. Bohlen, Maren: Sanctorum Communio. Die Christen als „Heilige“ bei Paulus (BZNW 183). Berlin/New York 2011. In dieser durch Michael Wolter betreuten Bonner Dissertation untersucht Vfn. alle Stellen der Paulusbriefe, in denen die Bezeichnung „Heilige“ verwendet wird. Wäh­ rend in 1 Thess mit Heiligkeit ein Status bezeichnet wird, der erst mit der Parusie ein­ tritt, wird ab 1 Kor der Begriff für die Christen in der Gegenwart verwendet. Mit der nur im Plural verwendeten, also auf die Gesamtheit der Gemeinde, nicht auf einzelne

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herausragende Christen, bezogenen Bezeichnung wird ein jüdisches Identitätsmerk­ mal aufgegriffen und durch christologische Begründung auch für Heiden geöffnet; ein ethischer Begriff liegt nicht vor. „Als Heilige sind Christen immer auch Gerechtfer­ tigte. […] Mit der Rechtfertigungsterminologie beschreibt Paulus den Übergang zum Christsein, der Heiligkeitsterminologie bedient er sich dagegen um die gewonnene Identität als Christen zu benennen“ (221). Vfn. beschließt ihre Studie mit Ausblicken auf die weitere neutestamentliche Verwendung, auf die Entwicklung in der Alten Kir­ che, auf das evangelische Verständnis sowie auf offene Fragen im ökumenischen Dia­ log. Pollmann, Ines: Gesetzeskritische Motive im Judentum und die Gesetzeskritik des Pau­ lus (NTOA 98). Göttingen 2012. In ihrer durch Gerd Theißen betreuten Heidelberger Dissertation untersucht Vfn. die überlieferten gesetzeskritischen Motive im Judentum. Während, wie auch die new per­ spective betont, im hellenistischen Judentum das Gesetz eine hohe Wertschätzung besaß, gibt es am Rande des Judentums wenige gesetzeskritische Äußerungen, die Vfn. detailliert untersucht und mit der Gesetzeskritik des Juden Paulus vergleicht. Drei Merkmale bilden dann sein Proprium: „die Kombination und Kumulation bisher getrennter latenter und manifester gesetzeskritischer Motive, … die persönliche Iden­ tifikation mit den gesetzeskritischen Motiven und … die Radikalisierung der Geset­ zeskritik durch die Aufdeckung einer nomistischen Fehlhaltung“ (233), die sich im Rühmen und im Eifern zeigt. Die Kritik des Paulus ist „noch keine grundsätzliche Abgrenzung zum Judentum, sondern dient dem Ziel eines gemeinsamen Gottesdiens­ tes von Juden und Heiden, an dem Paulus immer festgehalten hat“ (239). Theißen, Gerd: Paulus und die Mystik. Der eine und einzige Gott und die Transforma­ tion des Menschen. In: ZThK 110 (2013) 263–290. Mystik scheint ein schillerndes Phänomen zu sein und ist nicht nur aus kerygmatheo­ logischer Sicht umstritten. Ist sie – wie schon Albert Schweitzer meinte – bei Paulus vorhanden? Vf. nimmt diese Fragestellung auf und gelangt zu anregenden Ergebnis­ sen: „Paulus kennt Analogien zu den drei Aspekten mystischen Erlebens: zur purifica­ tio, illuminatio und unio mystica. Sie lassen sich als Deautomatisierung der erlernten Welt, Dezentrierung der Person und Deaktivierung kognitiver Strukturen von Raum und Zeit deuten. Sie werden von Paulus freilich nicht zu Stufen des Erlebens systema­ tisiert. Bei der unio mystica fehlen Verschmelzungs- und Entleerungserlebnisse, bei denen sich das Ich auflöst, wohl aber finden wir das Bewusstsein einer unbedingten Geborgenheit in Gottes Liebe“ (274). Paulus entwickelt in seinen Briefen eine „Sozial­ mystik“, die auf die Erfahrung aller Christen zielt und die er nicht als elitär, sondern als stets gemeinschaftsbezogen profiliert; die Sozialmystik ist und bleibt rituell begründet. Die „Mystik des Paulus will dem Zweck dienen, dass der Mensch Gott mit seinem ganzen Sein entspricht. Dazu muss Gott durch seinen Geist im Menschen anwesend sein und durch Christus eins mit ihm werden. Die Anwesenheit des Geistes Gottes im Menschen ist christliche Mystik. Sie ist keine Auflösungs- und Entleerungs­ mystik. Sie ist Konsequenz des Monotheismus: Alles soll sich ausrichten auf den einen und einzigen Gott – nicht nur in seltenen Spitzenerlebnissen jenseits des Alltags, son­ dern im ganzen Leben. Solch eine Mystik ist daher kein Widerspruch zur Kerygma­ theologie des Wortes“ (288). Klumbies, Paul-Gerhard/Du Toit, David S. (Hg.): Paulus – Werk und Wirkung, FS And­ reas Lindemann. Tübingen 2013. In dieser umfangreichen (über 800 S.), thematischen Festschrift zu Ehren des Betheler Neutestamentlers Andreas Lindemann liegt ein Sammelband zu verschiedenen Aspek­

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Helmut Schwier ten der Paulusforschung vor. In einem ersten Teil werden Aspekte zu Einzelfragen der Paulusbriefe behandelt (u. a. zu Toren und Weisen bei Äsop und in 1 Kor, zum Verbot der Teilnahme an heidnischen Kultmählern nach 1 Kor 10,14ff, zur Versöh­ nungsterminologie in 2 Kor 5, zur Funktion von Phil 2, 6–11 im Kontext oder zum Verständnis von Röm 7 im Licht der new perspective). Daran schließen sich Erörte­ rungen zu Aspekten paulinischer Theologie an (Sohn Gottes, Rechtfertigungslehre, Glaube, Kardinaltugenden, Auferstehung der Toten), während im dritten und vierten Hauptteil Rezeptionen im frühen Christentum (Apg, Past, 2 Clem, Hippolyt, Tertul­ lian, Meletius), in der Reformation (Heidelberger Katechismus) und der hermeneuti­ schen Reflexion der Gegenwart folgen, bevor ein umfangreicher Anhang mit Biblio­ graphie des Jubilars und Register den Band beschließen. Aus der Fülle der überaus lesenswerten Beiträge seien zwei Ergebnisse hervorgeho­ ben. François Vouga bündelt seine Untersuchung zum Leib der Auferstandenen (vgl. 1 Kor 15, 1–58): „Die Ewigkeit muss nicht als eine allgemeine Kontinuität – Unsterb­ lichkeit der Seele, Fusion im Pleroma – gedacht werden, sondern als das Vertrauen auf die Vollendung der Treue Gottes zu der Singularität der Person, die der Körper sym­ bolisiert“ (388). Im hermeneutischen Schlussbeitrag „Paulinisch von Gott schreiben“ zeigt Paul-Gerhard Klumbies die Notwendigkeit, dass Exegese den „Gottesbezug als Referenzpunkt ihrer Arbeit kenntlich macht“: „Ihre theologische Referentialität ver­ leiht der Exegese ihre Eigenidentität“ (709).

7. Evangelien Pokorny, Petr: From the Gospel to the Gospels. History, Theology and Impact of the Biblical Term „euangelion“ (BZNW 195). Berlin/New York 2013. In seiner kompakten Studie zeigt Vf. die historische Entwicklung und theologischen Deutungen des Wortes euangelion. Der historische Jesus hat, beeinflusst durch Jes 61,1, das entsprechende aramäische Verb benutzt, um seine Botschaft der Herrschaft Gottes auszudrücken. Paulus findet und verwendet den Ausdruck zur Kennzeichnung der Osterbotschaft, während Mk beide Linien verbindet und im ersten Satz seines Buches gleichzeitig den Anstoß gab, aus dem später die Bezeichnung einer Gattung wurde, die wiederum die christliche Kanonbildung wesentlich beeinflusste. Schmidt, Karl Matthias: Wege des Heils. Erzählstrukturen und Rezeptionskontexte des Markusevangeliums. (NTOA 74). Göttingen 2010. In seiner 600-seitigen Habilitationsschrift (Universität Freiburg/CH) untersucht Vf. die Erzählstrukturen des MkEv. und entwickelt die bestechende These, dass der Abbruch in 16,8 nicht nur in allgemeiner Weise eine erneute Lektüre des MkEv. von vorn erfordert, sondern dass 1,35–8,26 der Hauptteil ist, in dem man dem Erstandenen neu begegnet. Vf. unterscheidet dabei zu Recht eine Grundlektüre von einer Komplet­ tierungslektüre. Die synchrone Fragestellung wird erweitert und vertieft durch die Analyse der Rezeptionskontexte der markinischen Gemeinde in der Zeit nach der Zer­ störung Jerusalems und der flavischen Propaganda, die Vf. detailliert erhebt und über­ zeugend als tiefe Herausforderung für Glaube und Nachfolge der Gemeinde aus Juden und Heiden darstellt. Es geht also um die Frage, „wie man den Text des Markusevan­ geliums nach dem Jüdischen Krieg in einer Mischgemeinde las, in der sich Juden- und

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Heidenchristen über ihre gemeinsame Identität verständigen mussten, nachdem sich die Juden von den Judenchristen getrennt und die Heiden über die Juden triumphiert hatten“ (9). Mk fordert dazu auf, „im Erstandenen, nicht im Kaiser von Rom, den wahren Herrscher der Welt, den Herrn über Leben und Tod zu erblicken und seinem Weg zu folgen, auch da, wo dieser aus der jüdischen Muttergemeinde herausführte, auch da, wo er in den Niederungen der Schande verlief“ (529). Die Suche nach dem Erstandenen ist dabei die Aufgabe, die uns das MkEv. bis heute zumutet. Böttrich, Christfried/Hübner, Hans-Peter/Voigt, Kerstin/Wiegand, Dietmar (Hg.): Evangelium ecclesiasticum. Matthäus und die Gestalt der Kirche, FS Christoph Käh­ ler. Frankfurt/M. 2009. Die Festschrift ehrt den Hochschullehrer und Bischof Christoph Kähler mit einer Sammlung von Beiträgen zum MtEv. Autorinnen und Autoren gehören zum kirchli­ chen bzw. kirchenleitenden und zum universitären Kontext. Daher ist diese Festgabe eine gelungene und anregende Verbindung von exegetischen und praktischen Perspek­ tiven. Die exegetischen Beiträge widmen sich meist Einzeltexten und ihren Fragestel­ lungen (z. B. Seligpreisungen, Bild vom Hausbau in Mt 7,24ff; Auferstehung und Welt­ ende nach Mt 27,51ff) oder grundsätzlicher der Bedeutung der Tora (Beiträge von Susanne Plietzsch und Klaus Wengst). Interessant ist der Beitrag von Ulrich Luz, der den nach wie vor bedeutendsten Kommentar zum MtEv. verfasst hat, der aus einem selbstkritisch-konstruktiven Gespräch mit der Monographie von Matthias Konradt über „Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium“ (Tübingen 2007) besteht. Sachlich geht es um das Verständnis der Beziehung zwischen Israel und der christli­ chen Gemeinde, zwischen der Sendung an Israel (Mt 10,5f) und dem sogenannten Mis­ sionsbefehl (ist er eine Ablösung von 10,5f, richtet er sich also nun an die „Heiden“ oder bleibt die Sendung an Israel bestehen und wird erweitert?) und um die Frage, ob Mt 27,25 („Sein Blut komme über uns …“) als Beleg für die Schuld ganz Israels („das ganze Volk/laos spricht …“) nach Mt gelten könne, dem eventuell auch die Erfahrung der Ablehnung der Jesusgläubigen durch Israel zugrunde liegt. Ist die Debatte schon in sich spannend und wichtig, erhält sie dadurch weitere Spannung, dass innerhalb der FS zwei Beiträge von kirchenleitenden Persönlichkeiten (Hermann Barth, Joachim Wanke) sich des Themas „missionarische Kirche“ annehmen und erkennbar entweder Luz (Barth) oder Konradt (Wanke) rezipieren und daher zu unterschiedlichen Ein­ sichten gelangen. Da Matthias Konradt derzeit seinen Matthäuskommentar zum Abschluss bringt, dürfte auch auf Kommentarebene die Debatte um die so stark jüdisch geprägte Theologie des Evangelium ecclesiasticum neu an Tiefe gewinnen. Themenheft: Bergpredigt. ZNT 12 (2009), Heft 24. Das Themenheft präsentiert neutestamentliche und interdisziplinäre Beiträge zur Bergpredigt und ihrer Auslegung. Martin Leutzsch stellt die sozialgeschichtlichen Per­ spektiven vor, Moisés Mayordomo geht der Frage nach der Gewaltvermeidung nach, während Ansgar Wucherpfennig SJ die christologischen und israelbezogenen Aspekte untersucht. Die spannend zu lesende Kontroverse zwischen dem Neutestamentler François Vouga und der Politikwissenschaftlerin Tine Stein handelt von der politi­ schen Dimension der Bergpredigt. Reinbold, Wolfgang: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“? Zur Übersetzung und Interpretation vom Mt 28,19 f. In: ZThK 109 (2012) 176–205. Nach ausführlichen und detailreich dokumentierten Rückgriffen auf zahlreiche Bibel­ übersetzungen, die antike Literatur und philologische wie lexikographische Hilfsmit­ tel legt Vf. nahe, die eingebürgerte, aber erst seit 1956 in der Lutherbibel gebrauchte Übersetzung „zu Jüngern machen“ zu korrigieren. Er fasst zusammen: „Seit der Revi­

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sion der Lutherbibel im Jahr 1956 übersetzt man Mt 28,19 gewöhnlich mit ‚Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.‘ Diese Übersetzung des griechischen πορευθέντες οὖν μαθητεύσατε πάντα τὰ ἔθνη ist philologisch unsachgemäß. Nir­ gends in der antiken griechischen Literatur gibt es einen zweifelsfreien Beleg dafür, dass transitives μαθητεύειν mit Akkusativergänzung mit ‚zum Schüler/Jünger machen‘ zu übersetzen wäre. Mit Recht verzeichnen einige der besten griechischen Lexikographen die vermeintliche Wortbedeutung nicht. Auch aus exegetischen Grün­ den ist die heute selbstverständliche Übersetzung unsachgemäß. Die elf Jünger werden am Ende des Matthäusevangeliums keineswegs dazu aufgefordert, alle Welt ‚zu Jün­ gern zu machen‘, indem sie sie taufen und in die Einzelheiten der Lehre Jesu einfüh­ ren. Sondern sie werden dazu aufgefordert, die Lehre Jesu den Menschen aus den Völ­ kern nicht länger vorzuenthalten. Von nun an dürfen sie nichtjüdische Schüler anneh­ men, und sie dürfen sie, sollte die Lehre bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen, tau­ fen. Der Weg zu den Völkern ist neu und durchaus riskant. Das Wort des Auferstan­ denen ermutigt die Elf, den neuen Weg zu wagen“ (203f). Dieses Ergebnis hat durch­ aus theologische und gegenwartsrelevante Konsequenzen – nicht nur hinsichtlich der laufenden Revision der Übersetzung der Lutherbibel: „Wenn wir denn das oft miss­ brauchte Wort ‚Mission‘ weiterhin als Leitbegriff christlichen Handelns verwenden wollen, dann muss unmissverständlich klar sein: Eine Mission im Namen Jesu Christi kann nichts anderes sein als eine freundliche Einladung zum Vertrauen auf den Gott, der sich in Christus zu erkennen gegeben hat. Die Formen und Modalitäten solcher Mission müssen dem Inhalt des Evangeliums stets und unter allen Umständen entspre­ chen. Nur dann werden wir in der Lage sein, ein Verständnis von ‚Mission‘ zu entwi­ ckeln, das mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vereinbar ist“ (203f). Inselmann, Anke: Die Freude im Lukasevangelium. Ein Beitrag zur psychologischen Exegese (WUNT II, 322). Tübingen 2012. In ihrer von Gerd Theißen betreuten, knapp 500-seitigen Heidelberger Dissertation untersucht Vfn. ein zentrales theologisches Motiv im LkEv. Die bisherige Forschung hatte hier sehr wenig beigetragen. Vfn. verbindet methodisch antike Affektenlehre, moderne emotionspsychologische Modelle und genaue Textanalyse. Die Komplexität des Motivs, seine kritische Infragestellung, vor allem aber die positive Aufnahme von den Vorgeschichten in Lk 1f über Lk 15 bis zu den Emmausjüngern und der Rückkehr der Jünger nach der Himmelfahrt mit großer Freude (Lk 24). Im historischen Ver­ gleich (Plato, Aristoteles, Stoa, Philo) wird auch hier deutlich, wie Jesus und die Jesus­ bewegung zu einer „charismatischen Werterevolution“ (Theißen) geführt haben: Die würdige Freude gehört nicht länger zu bestimmten Eliten, sondern kann von allen Menschen erfahren werden. Im Kontext der lukanischen Gemeinde gilt sie auch als Handlungsanweisung: „Freude erweist sich … als Ausdruck einer Theologie, die vom Vertrauen auf Gottes Heilsplan und sein wirkmächtiges Eingreifen in die Geschichte geprägt ist […] Sie wird nicht nur als zukünftiges Erleben bei Gott nach dem Leid in Aussicht gestellt, sondern soll vor allem bereits in der Gegenwart in der Gemeinschaft erfahrbar sein“ (425). Notabene sollte immer wieder der enge Zusammenhang von Freude und Gotteslob realisiert werden: „Die Freude, die Gott ausgelöst hat und die er selbst den Menschen entgegenbringt, kehrt am Ende des Evangeliums als aufgeklär­ ter, prägender Glaubensausdruck im Lobpreis an Gott zurück (Lk 24,52). Damit spie­ gelt das Gotteslob der Jünger die Freude Gottes“ (413). Theobald, Michael: Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 1–12 (RNT). Regensburg 2009. Beutler, Johannes: Das Johannesevangelium. Kommentar, Freiburg i. Br. 2013.

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Zwei katholische Exegeten legen große Kommentare zum großen Evangelium vor: Theobald auf gut 900 Seiten zum ersten Teil, Beutler – gleichzeitig als Summe seiner lebenslangen Johannesforschung – auf 560 Seiten zum Gesamttext. Nach wie vor stellt die Forschungsgeschichte die Spannung von synchroner und diachroner Auslegung dieses Evangeliums als Aufgabe. Hatte der letzte große deutschsprachige Kommentar von Hartwig Thyen (HNT 6, 2005) alle literarkritischen Quellenhypothesen wie spä­ teren Redaktionen zurückgewiesen und allein die textlinguistische Analyse durchge­ führt und das Evangelium als intertextuelles Spiel mit den Synoptikern verstanden, sind die beiden neueren Kommentare zurückhaltender. Beide sehen die Notwendig­ keit der Verbindung synchroner und diachroner Fragestellungen. Dabei deutet Theo­ bald das Evangelium auf synchroner Ebene als dramatische Erzählung und erhebt in exegetischer Kleinarbeit auch Quellen und Traditionen, während Beutler den Gesamt­ text auslegt und gleichzeitig mit Zumstein, Dettwiler und Scholtissek spätere relec­ ture-Prozesse (in Joh 6; 15–17; 21; 1, 1–18) annimmt. Während Theobald die Unab­ hängigkeit von den Synoptiker vertritt und auf eine Datierung 80–90 kommt, sieht Beutler, der im Übrigen sehr stark die Verbindung mit alttestamentlichen und zwi­ schentestamentlichen jüdischen Traditionen betont, dies anders und datiert die Grundschrift auf kaum vor 90, die späteren Bearbeitungen um 100. Die früher damit in Zusammenhang gebrachte textkritische Bezeugung, vor allem die frühe Datierung von P52 auf etwa 125 n. Chr., kann heute nicht mehr vertreten werden. Beide Kommentare halten explizit neben der exegetischen Detailanalyse bei jeder Peri­ kope auch die Aspekte der heutigen Bedeutung fest und verbinden so wissenschaftli­ che Theologie und kirchlich-schulische Praxis. Daher sind diese Kommentare auch für Predigt- und Unterrichtsvorbereitung sehr geeignet. Themenheft: Johannes. ZNT 12 (2009), Heft 23. Das Themenheft bietet nach einem kundigen und kompakten Überblick über die mehr als bewegte Forschungsgeschichte (Silke Petersen) Beiträge zum „John, Jesus, and History-Projekt“ (Paul N. Anderson), zur Sünde im Johannesevangelium (Jean Zum­ stein) und zur bisher wenig bekannten Methode der biographical exegesis (Eckart Reinmuth). In der Kontroverse streiten Michael Theobald und Hartwig Thyen über die Frage, ob Johannes die Synoptiker kannte. Frey, Jörg: Die johanneische Theologie als Klimax der neutestamentlichen Theologie. In: ZThK 107 (2010) 448–478. Vf., durch zahlreiche Bücher und Studien zum JohEv. hervorgetreten, entfaltet hier seine These, dass die Theologie des vierten Evangeliums Höhepunkt neutestamentli­ cher Theologie ist. Nach Durchgängen durch kritische Fragen der Forschungsge­ schichte markiert Vf. dies in den Bereichen Christologie, Gotteslehre, Pneumatologie und Hermeneutik. Er fasst sein Ergebnis prägnant zusammen: „In ihrer hohen, dia­ lektischen Christologie, in ihrer Rede von dem allein in Christus und seinem Kreuz wahrhaft erkennbaren Gott und der Bestimmung seines Wesens als Liebe, in ihrer auf worthafte Funktionen konzentrierten und ganz personal gefassten Rede vom Geist, ihren prototrinitarischen Denkansätzen und ihrer fundamentalen Rückbindung aller Theologie an die Geschichte des irdischen, gekreuzigten und auferstandenen Jesus führt sie das neutestamentliche Denken zu Höhepunkten, die für die spätere theologi­ sche Reflexion maßgeblich wurden. Insofern ist Johannes in der Tat – aus anderen Gründen, als Clemens oder Luther meinten – das tiefste und subtilste ‚pneumatische‘ Evangelium, das Hauptevangelium, und sein Denken ist – bei allen offenen Proble­ men – der Höhepunkt und die Klimax der neutestamentlichen Theologie“ (477).

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Frey, Jörg/Poplutz, Uta (Hg.): Narrativität und Theologie im Johannesevangelium (BThSt 130). Neukirchen-Vluyn 2012. Der Sammelband präsentiert die Beiträge des ersten Colloquium Iohanneum, das 2010 in Zürich stattfand. Die beiden Herausgebenden präsentieren in ihrem Einführungs­ text (1–18) die bisherige Forschungsgeschichte anhand von fünf Lektüremodellen und zeigen die neuen Aspekte der Narratologie für die Johannesexegese, markiert durch die Stichworte Gesamttext, erzählerische Einbettung, Figurencharakterisierung, typi­ sche Erzählmuster, Ironie und Dramaturgie; dabei plädieren sie für eine theologische Interpretation als Ziel der Exegese. Die weiteren Beiträge untersuchen die Pharisäer (Uta Poplutz), das Schriftverständnis (Marion Moser), Intertextualität und Allegorie in der Geschichte von der Hochzeit zu Kana (Zbynek Garsky), die Rosch haSchanaTraditionen in Joh 5 (Dorit Felsch, s. u.), die Narrative Ethik als Korrektur der gängi­ gen Forschungsmeinung, es gäbe keine johanneische Ethik (Ruben Zimmermann), und schließlich die Gastfreundschaft (Michael Theobald). Jörg Freys Beitrag über die Gottesrede setzt den theologischen Schlusspunkt (s. o., 1.). Frey, Jörg: Die Herrlichkeit des Gekreuzigten. Studien zu den Johanneischen Schriften I, hg. v. Juliane Schlegel (WUNT 307). Tübingen 2013. In diesem einschließlich der verschiedenen Register knapp 900-seitigen Sammelband sind 18 umfangreiche Aufsätze des Vfs. zum Corpus Iohanneum gesammelt, die in den letzten gut 15 Jahren verfasst wurden und zentrale Fragestellungen bearbeiteten und vorantrieben. In dem ersten, bisher unveröffentlichten, Beitrag analysiert Vf. ausführ­ lich die bisherige Forschungsgeschichte unter Hervorhebung der jeweiligen methodi­ schen und hermeneutischen Profile (3–41), dessen Ertrag auch der oben angezeigte Sammelband von Frey/Poplutz bietet, im vorliegenden Band aber erweitert wird als Rechenschaft auf dem Weg zum eigenen Kommentar des Vfs. in der Reihe „Evange­ lisch-Katholischer Kommentar“ (EKK); dessen Profil soll literarisch, historisch und theologisch konturiert sein und damit die in der Johannesforschung immer noch dis­ paraten methodischen Ansätze integrieren. Weiter folgen Aufsätze und Abhandlungen zur Religions- und Traditionsgeschichte, in denen unter anderem die möglichen Verbindungen zum dualistischen Denken in Qumran und zu den Synoptikern analysiert werden (147–294), dann zu den Adressa­ ten und der Situation des Evangeliums mit den wichtigen Fragen nach Funktion und theologischer Bedeutung der stereotypen Rede von „den Juden“ (339–377), schließlich zur Sprache und Darstellungsweise im JohEv.; Abschluss und Höhepunkt sind die Aufsätze zur johanneischen Theologie (485–833). Hier finden sich gewichtige Unter­ suchungen zur theologia crucifixi (mit deutlichen Unterschieden zur paulinischen [und zur lutherischen] theologia crucis) und zur narrativen und theologischen Deutung des Todes Jesu (485–584). Vf. hebt hervor, dass die johanneische Rede von der Erhö­ hung staurozentrisch zu verstehen ist und dass die signa crucifixi am Auferstandenen die bleibende Bedeutung des Gekreuzigten zeigt. Die johanneischen Ostererzählungen zielen nicht darauf, „den Gekreuzigten als den Auferstandenen zu erweisen, sondern umgekehrt, den Auferstandenen und Erscheinenden als den Gekreuzigten kenntlich zu machen. Daraus entsteht der österliche Glaube an Jesus Christus, der in personaler Identität als Auferstandener und Verherrlichter eben bleibend der Gekreuzigte ist“ (551). Die weiteren Untersuchungen gelten der „Heilsgeschichte“, dem Verständnis der Herrlichkeit Jesu, der Eschatologie, der Auferstehung und Leiblichkeit und eini­ gen ethischen Fragen; den Abschluss bildet der oben angezeigte Aufsatz zur johannei­ schen Theologie als „Klimax der neutestamentlichen Theologie“. Ein in seiner profunden Gelehrsamkeit, klaren Argumentation und dezidierten theo­

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logischen Zielrichtung beeindruckender Band, der auch neugierig werden lässt auf den Johanneskommentar des Vfs.! Felsch, Dorit: Die Feste im Johannesevangelium. Jüdische Tradition und christologische Deutung (WUNT II, 308). Tübingen 2011. In ihrer durch Friedrich Avemarie betreuten Marburger Dissertation untersucht Vfn. die Bedeutung der Feste im JohEv., und zwar nicht nur hinsichtlich der chronologi­ schen und geographischen Seite wie in der bisherigen Forschung, sondern hinsichtlich der mit den soteriologischen Festinhalten verbundenen johanneischen Christologie. Im einzelnen werden Rosch haSchana, Schawuot, Sukkot, Chanukka und Pessach in ihren Bezügen zu den einzelnen Texten verdeutlicht (Zusammenfassung S. 272f), was das bisherige Textverständnis erkennbar erweitert und bereichert. Gegenüber dem häufig vertretenen johanneischen Antijudaismus zeigt Vfn. das komplexe Bild der Verbundenheit und Abgrenzungen und votiert systematisch-theologisch für eine Kri­ tik des johanneischen Heilsexklusivismus zugunsten eines zwei-Wege-Verständnisses (vgl. 279). Kneubühler, Philippe: Theologie des Wortes und Sakramententheologie im Johannes­ evangelium. Tübingen 2013. In der durch François Vouga betreuten Wuppertal-Betheler Dissertation untersucht Vf. die Sakramententheologie des JohEv. Auf synchroner Ebene werden Joh 3,6 und 13 analysiert. Vf. zeigt die besonderen johanneischen Sakramente: einmalige Taufe (Initiationssakrament), wiederholbares Herrenmahl (Sakrament der Einheit mit dem Offenbarer) und von der Gemeinde zu praktizierende Fußwaschung (Sakrament der Liebe) als Krönung des sakramentalen Systems. In der Sakramententheologie domi­ niert die Theologie des Wortes, die zur Annahme des Offenbarers und der Offenba­ rung führt: „die Sakramente symbolisieren, was das Wort bewirkt“ (180). Vf. sum­ miert: „Die johanneische Theologie hat zu einer neuen Interpretation der Sakramente geführt und nicht zu einer kritischen oder misstrauischen Haltung gegenüber diesen“ (181).

8. Apokalypse Heininger, Bernhard (Hg.): Mächtige Bilder. Zeit- und Wirkungsgeschichte der Johannes­ offenbarung (SBS 225). Stuttgart 2011. Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen auf ein Würzburger Symposium zum Thema zurück und bieten wichtige Einblicke in dieses biblische Buch, um dessen Auslegung immer wieder neu gerungen wird und das gleichzeitig auch die Liturgie geprägt hat. Einen Einblick in die Zeit- und Religionsgeschichte bietet Heinz Giesen, während die politischen Aspekte von Bernhard Heininger und Martin Ebner exegetisch beleuchtet und von Axel Hammes im Blick auf die politische Theologie Erik Petersens ausgewer­ tet werden. Karlheinz Müller zeigt die judenchristliche Kompetenz des Verfassers und Konrad Huber die anstößigen Bilder der Christologie (zweischneidiges Schwert, scharfe Sichel, blutgetränkter Mantel). Otto Böcher zeigt schließlich die starken Impulse der Schrift für den Kirchenbau.

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9. Taufe Öhler, Markus (Hg.): Taufe (Themen der Theologie 5). Tübingen 2012. In der neuen Reihe „Themen der Theologie“ werden die einzelnen Themen aus der Sicht der verschiedenen theologischen Disziplinen einschließlich der Religionswissen­ schaft allgemeinverständlich und auf dem neuesten Forschungsstand präsentiert. Im vorliegenden Band zeigt Hg. auf rund 40 Seiten Einheit und Vielfalt der neutestament­ lichen Perspektiven auf die Taufe. Dabei werden nicht nur die üblichen, aber notwen­ digen Bezüge zu Johannes dem Täufer und die Tauftheologien bei Paulus und in den anderen Schriften erläutert, sondern vor allem Wert auf die Ritualität gelegt, indem sowohl Ritualtransfer wie Ritualelemente, Beteiligte, liminale Existenz, Performanz und Dynamik reflektiert werden, was vor allem von großem praktisch-theologischen Wert ist. Dixon, Edward P.: Descending Spirit and Descending Gods. A „Greek“ Interpretation of the Spirit’s „Descent as a Dove“ in Mark 1: 10. In: JBL 128 (2009) 759–780. Woher kommt – traditionsgeschichtlich – die Taube bei Jesu Taufe? Vf. argumentiert für eine griechisch-mythologische Herkunft, da vor allem in Homers Ilias und Odys­ see, die in neutestamentlicher Zeit als Schulwerk weit verbreitet waren, zwar nicht Tauben, aber andere Vögel, und diese dann wie in Mk 1,10 nicht real, sondern als Ver­ gleich verwendet werden, um die Ankunft von Göttern bei Menschen zu beschreiben. Damit wäre eine Erweiterung der Traditionen auch um pagane Motive bei Mk anzu­ nehmen, die einen größeren Adressatenkreis und deren Verständnis Jesu berücksich­ tigt. Während die Taube aus atl. Traditionen stammt, ist das „Herabkommen wie“ vor allem für Heidenchristen verständlich. Peppard, Michael: The Eagle and the Dove. Roman Imperial Sonship and the Baptism of Jesus (Mark 1.9–11). In: NTS 56 (2010) 431–451. Vf. benennt Zielrichtung und Ergebnis: „I argue that the common understanding of imperial divine sonship among biblical scholars can be reframed and broadened by emphasizing the importance of adoption in Roman society and imperial ideology. A case study from the Gospel of Mark – the portrayal of Jesus’ baptism – demonstrates some of the pay-off for reading the NT with a newly contextualized perspective on divine sonship […]Through engagement with diverse primary sources from the Helle­ nistic and Roman eras, the dove will be interpreted as an omen and counter-symbol to the Roman eagle, which was a public portent of divine favor, election, and ascension to imperial power. Concomitantly the overall reading challenges the supposedly ‚low‘ christological connotations of such an adoption to divine sonship.“ (433). „This essay has tried to show that, with the baptism, Mark begins a narrative characterization of Jesus as a counter-emperor. This Jesus of Nazareth is an adopted heir to power. The dove is a bird omen of the transmission of power from father to son. This counteremperor will rule not in the spirit of the bellicose eagle, but in the spirit of the pure, gentle, peaceful, and even sacrificial dove. […] a bird descends and absolute power comes upon a son of God – almost the same, but not quite. Read in the light of Roman imperial ideology, the narrative characterization of Jesus’ baptism mimics the acces­ sion of imperial power even as it disavows the authority and methods of imperial power. It mimics Roman imperial adoption but disavows the militaristic type of power transmitted through adoption. It mimics the bird omens of Roman warfare and imperial lore but disavows the dominating war-symbol of the Roman eagle. The bird omen of the dove instead portends the accession of a different son of God, whose rise

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to power, though it would be mocked and suspended by the colonial authority, would ultimately be vindicated by his adoptive father“ (450f). Lindemann, Andreas: . . . εκτρέϕετε αὐτὰ εν παιδείᾳ καὶ νουθεσίᾳ κυρίου (Eph 6,4). Kinder in der Welt des frühen Christentums. In: NTS 56 (2010) 169–190. Vf. zeigt im Spiegel der antiken jüdischen und paganen Praxis die Entwicklung der christlichen Erziehung der Kinder in den ersten drei Jahrhunderten. Er votiert mit nachvollziehbaren Gründen dafür, dass auch Mk 10,13–16 („lasset die Kinder zu mir kommen …“) in den Kontext der Diskussionen um die Taufe kleiner Kinder gehört. Zimmermann, Christiane: Wiederentstehung und Erneuerung (Tit 3: 5). Zu einem erhal­ tenswerten Aspekt der Soteriologie des Titusbriefes. In: NT 51 (2009) 272–295. Das „Bad der Wiedergeburt“ (Tit 3,5) hat in der christlichen Taufdeutung eine breite Wirkung erzielt. In ihrer detaillierten philologischen Analyse, in der auch der Wortge­ brauch von palingenesia in den Mysterienreligionen, in der Stoa und bei Philo unter­ sucht wird, zeigt Vfn., dass das Wort gerade nicht auf ein individualistisches Verständ­ nis enggeführt werden darf, sondern gerade auch kosmische wie politische Dimensio­ nen beinhaltet, also eine universal ausgerichtete Soteriologie indiziert. Statt von „Wie­ dergeburt“ ist daher besser von „Wiederentstehung“ zu sprechen. Mell, Ulrich: Christliche Hauskirche und Neues Testament. Die Ikonologie des Baptiste­ riums von Dura Europos und das Diatessaron Tatians (NTOA 77). Göttingen 2010. Vf. analysiert und interpretiert die in der einmaligen Hauskirche von Dura Europos (Mitte 3. Jh., also vorkonstantinische Zeit) erhaltenen Bilder und Bildprogramme. Dabei legt er dar, wie die dramatischen Bildkonzeptionen einen theologischen Ent­ wurf der Taufe als eschatologische Neuwerdung und Beginn des christlichen Lebens darstellen. Außerdem kann er plausibel machen, dass der Auferstehungszyklus Tatians Diatessaron künstlerisch umsetzt.

10. Mahl und Abendmahl Löhr, Hermut (Hg.): Abendmahl (Themen der Theologie 3). Tübingen 2012. In der neuen Reihe „Themen der Theologie“ werden die einzelnen Themen aus der Sicht der verschiedenen theologischen Disziplinen allgemeinverständlich und auf dem neuesten Forschungsstand präsentiert. Im vorliegenden Band zeigt Hg. auf rund 40 Seiten Entstehung und Bedeutung des Abendmahls im frühesten Christentum. Dabei werden detailliert die Einsetzungsworte analysiert und der Ablauf frühchristlicher Mahlfeiern beschrieben und in Beziehung gesetzt zu den Mahlfeiern Jesu und der anti­ ken paganen Praxis der Mahlzeiten. Die im NT greifbaren Deutungen und Bedeutun­ gen werden abschließend knapp zusammengefasst (vgl. 86–89). Al-Suadi, Soham: Essen als Christusgläubige. Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte (TANZ 55). Tübingen 2011. Vfn., die mit dieser Arbeit in Basel promoviert wurde, analysiert religionsgeschicht­ lich, sozialgeschichtlich und vor allem ritualwissenschaftlich, wie Paulus in dem kom­ plexen und pluralen Feld des hellenistischen Gemeinschaftsmahls auf frühchristliche Identitätsbildung Einfluss nimmt. Einflussnahme geschieht einerseits durch Kommen­ tierung und Interpretation der Mahlpraxis, andererseits durch Veränderung der Kon­ texte und Räume. Im Zentrum stehen Gal 2, 11–14; 1 Kor 8, 1.4.7–13; 1 Kor 9, 3 f.7.13; 1 Kor 10, 7.14–25.27 f.31; 1 Kor 11, 17–34; Röm 14, 1–15, 1.7. Das in 1 Kor 11 beschrie­

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bene Mahl des Herrn stellt dabei „den Maßstab einer christusgläubigen Gemeinschaft“ dar, in dem „Jesus der Symposiarch des Mahls ist“ und das als Mahl „der Ort der Transformation der Glaubenden als Leib Christi und der Teilhabe am neuen Bund ist“ (316). Klinghardt, Matthias/Taussig, Hal (Hg.): Mahl und religiöse Identität im frühen Christen­ tum/Meals and Religious Identity in Early Christiantity (TANZ 56). Tübingen 2012. Der Sammelband dokumentiert die Vorträge der Tagung des Teilprojekts „Mahl und Kanon“ innerhalb des Sonderforschungsbereichs 804 und des Seminars „Meals in the Greco-Roman World“ der Society of Biblical Literature (SBL). Auf Grundlage der Einsicht, dass in der Antike Identität als innere Zugehörigkeit wie als Abgrenzung von anderen sehr stark durch das gemeinsame Mahl bestimmt wird, werden hier früh­ christliche Gemeinschaftsmähler in ihren kulturellen und religionsgeschichtlichen Kontexten analysiert. Dabei werden sowohl die rituelle Mahlpraxis wie die antiken Diskurse über Mähler von der klassischen Zeit über Qumran, das NT, Justin bis hin zu den Kirchenvätern und ersten Klosterregeln untersucht. Die Beiträge sind in deutsch oder englisch verfasst. Ein gemeinsames Literaturverzeichnis, eine Bibelstel­ len- und ein Autorenregister (leider kein Sachregister) beschließen den inhaltlich gewichtigen Band. Klinghardt, Matthias: Der vergossene Becher. Ritual und Gemeinschaft im lukanischen Mahlbericht. In: Early Christianity 3 (2012) 33–58. Vf. verdeutlicht, dass in Lk 22,20b richtig übersetzt nicht vom vergossenen Blut, son­ dern vom vergossenen Kelch die Rede ist. Dies bezieht sich auf die in der Antike als Abschluss der eigentlichen Mahlzeit und Eröffnung des Symposiums weit verbreitete Libation, die mit knappen Invocationen der Gottheit verbunden war. „Dass Jesus das Ausgießen des Bechers ‚nach dem Mahl‘ deutet, passt also exakt in den Rahmen des kulturell Erwartbaren“ (38). Jesus deutet also nicht ein Mahlelement, sondern die Libation als Teil des Rituals (vgl. 46), was alle opferkultischen Deutungen dieser Stelle ausschließt (vgl. 47). Dabei wird klar, dass „zwischen dem Tod Jesu als der Vorausset­ zung für den Neuen Bund und der Libationshandlung als dem Akt seiner Ratifizie­ rung durch die sympotische Gemeinschaft der Apostel zu unterscheiden ist: Nur die letztere steht im Fokus der Erzählung vom letzten Mahl Jesu“ (53). „Wenn der Liba­ tionsbecher selbst der Neue Bund ist, dann werden die in der Erzählung erwähnten Apostel durch den Vollzug der Libation, also durch das Vergießen des Bechers, zu einer Gemeinschaft: Sie werden selbst dieser Neue Bund. Das Ritual des Gemein­ schaftsmahls mit der Libation ist daher nicht Mittel zum Zweck (in der Sprache der Tradition: nicht medium salutis), sondern ist selbst der Zweck, ist selbst salus: Die soteriologische ‚Wirkung‘ des Mahls ist die unverfügbare Konstituierung der Gemein­ schaft im rituellen Vollzug“ (58). Erst mit der Abschaffung des Sättigungsmahls inner­ halb der christlichen Gottesdienste wurde es dann notwendig, die Mahlelemente zu deuten. Smit, Peter-Ben: A Symposiastic Background to James? In: NTS 58 (2012) 105–122. Obwohl Jak nicht explizit von christlichen Mahlgemeinschaften schreibt, sind seine Anweisungen zu Ethik und Gemeinde auf dem Hintergrund der gemein-antiken Mahl- und Symposiumspraxis zu verstehen. Schröter, Jens: Die Funktion der Herrenmahlsüberlieferung im 1. Korintherbrief. Zugleich ein Beitrag zur Rolle der „Einsetzungsworte“ in frühchristlichen Mahltexten. In: ZNW 100 (2009) 78–100. Vf., der 2006 eine kleine Monographie zum Abendmahl in frühchristlicher Zeit mit Dokumentation und Kommentierung der einschlägigen Texte verfasst hat, analysiert

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hier die Funktion der Herrenmahlsüberlieferung in 1 Kor. Zuerst zeigt er, dass die „Einsetzungsworte“ als liturgischer Text erstmals in der Traditio Apostolica verwendet wurden (also nicht bereits in Korinth oder bei Justin) und daher heute nicht undiffe­ renziert oder historisch überfrachtet als liturgischer Grundtext propagiert werden sollten, wie es die einschlägige EKD-Orientierungshilfe von 2003 unternahm. Im 2. Teil untersucht Vf. die Mahlpraxis der korinthischen Gemeinde, dann die von Paulus aufgenommenen Traditionen in 1 Kor 10 f. Schließlich werden als Kontext die weite­ ren frühchristlichen Mahltexte (Did 9f; Justin) herangezogen. Als Ergebnis ist festzu­ halten, dass Paulus mit dem Rückgriff auf die Herrenmahlsüberlieferung die korinthi­ sche Mahlpraxis korrigieren will. Dabei geht es aber nicht um Mahltypen oder Mahl­ verläufe, sondern um die „exklusive Bedeutung des christlichen Kultmahls im Gegen­ über zu heidnischen Kultmählern sowie um dessen rechte Feier angesichts der Spal­ tungen in der korinthischen Gemeinde“ (99); im Zentrum stehen nicht Einsetzungs­ worte, sondern Dank- und Segensgebete über Brot und Wein. Vf. schließt in Ausrich­ tung auf heutige Praxis mit einem zustimmenden Zitat von K. C. Felmy aus dessen in JLH 1983 publizierten Aufsatz: „Nicht die Einsetzungsworte, sondern die lobprei­ sende Anamnese wären der eigentliche Kern des Eucharistiegebetes. Die Ordnung der Abendmahlsfeier sollte nicht auf die Einsetzungsworte verzichten. Sie begründen ja, was das Abendmahl von anderen Mahlzeiten unterscheidet, indem sie auf die Stiftung durch Christus verweisen. Doch sollte die Abendmahlsfeier nicht länger auf die Eins­ etzungsworte mit folgender Austeilung reduziert werden können. Denn die Stiftung Christi wird nach den frühesten Zeugnissen … nicht dadurch ‚vollzogen‘, dass man die Stiftungserzählung vorträgt, sondern dass das dort Gebotene getan wird“ (100). McRae, Rachel M.: Eating with Honor. The Corinthian Lord’s Supper in Light of Vo­ luntary Association Meal Practices. In: JBL 130 (2011) 165–181. Vfn. zeigt die Auswirkungen des sozialen Musters von Ehre und Schande (statt des ökonomischen Musters von reich und arm) auf die Mahlgemeinschaft in Korinth. Pau­ lus versucht dabei, das traditionelle Wertesystem, das sich ja nicht einfach ändern oder beseitigen lässt, langfristig zu überwinden, weil es mit dem Verständnis als Herren­ mahl unvereinbar ist. Standhartinger, Angela: „Dies ist mein Leib“. Zu Kontext und Entstehung der Einset­ zungsworte. In: Wolfgang Weiß (Hg.): Der eine Gott und das gemeinschaftliche Mahl. Inklusion und Exklusion biblischer Vorstellungen von Mahl und Gemeinschaft im Kontext antiker Festkultur (BThSt 113). Neukirchen-Vluyn [2011] 22012, 122–157. Vfn. verdeutlicht, dass eine weitgehende Übernahme der antiken Symposiumstradi­ tion für das Verständnis zumindest der Ursprünge des Abendmahls nicht angemessen ist, vor allem weil sich die Einsetzungsworte hier sperren. In ihnen wird vielmehr eine Kultätiologie – nicht die vollständige Erzählung – erkennbar, die das Mahl zwischen Passion und Auferstehung verortet. „Das Mahl erweist sich … nicht nur als Sympo­ sium, Abschieds- und Freudenmahl, sondern ebenso als Totenmahlzeit, bei der die Überlebenden mit dem Verstorbenen und nunmehr Auferstandenen gemeinsam Mahl halten. Hier ist der Verstorbene Gastgeber des Mahls. Hier wird symbolisch mit Hilfe von Brot und Wein die Grenze zwischen Tod und Leben überschritten“ (156). Standhartinger, Angela: „Und alle aßen und wurden satt“ (Mk 6,42 par.). Die Speisungs­ erzählungen im Kontext römisch-hellenistischer Festkulturen. In: BZ 57 (2013) 60–81. Vfn. zeigt neue Verbindungen der „Speisungswunder“ (Mk 6,32ff; 8,1ff; Joh 6,1ff) mit den öffentlichen Volksspeisungen in der Antike auf, die die Leser der Geschichten mindestens vom Hörensagen kennen. Im Ergebnis sind die Geschichten gattungsmä­ ßig nicht als „Naturwunder“ (Bultmann) oder als „Geschenkwunder“ (Theißen) zu

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verstehen. Ihre Besonderheiten liegen in den erzählten Details, vor allem darin, dass die Menge ohne soziale Differenzierung, die in den antiken Berichten sonst meist betont wird, in aristokratischer Manier zu Tisch liegt und ein zwei-Gänge-Menü (Brot und Fisch) erhält. Auch die Erwähnung des Personals (in diesem Fall: die Jünger) ist sonst nicht belegt, ebenso wenig die Konstatierung, dass alle satt wurden. Vfn. resü­ miert: „Die Speisungserzählungen sind daher mehr als eine von anderen Wundertaten eines gottgesandten Menschen und auch mehr als die Weiterentwicklung der Elischaoder Mosetradition oder eine Anknüpfung an Mannawunder und eschatologische Erwartung. Sie knüpfen an die zeitgenössische politisch-religiöse Praxis der Volksund Massenspeisungen an und entwickeln von hier aus eine Utopie, die die gesell­ schaftlichen Erwartungen und Hoffnungen auf das gemeinsame Mahl in eine wirklich alle satt machende Erfahrung ausweitet“ (81). Öhler, Markus: Essen, Ethos, Identität – der antiochenische Zwischenfall. In: Wolfgang Weiß (Hg.): Der eine Gott und das gemeinschaftliche Mahl. Inklusion und Exklusion biblischer Vorstellungen von Mahl und Gemeinschaft im Kontext antiker Festkultur (BThSt 113). Neukirchen-Vluyn [2011] 22012, 158–199. Vf. verdeutlicht, dass Fragen ethnischer Identität den Hintergrund des antiocheni­ schen Konflikts bzw. Zwischenfalls bilden: Das nicht-ethnische Konzept der Antio­ chener prallt auf das ethnisch ausgerichtete Konzept der Jerusalemer. „Der Konflikt handelte, so zumindest nach der Sicht des Paulus, vom Gegensatz ‚Volk oder Glaube‘, in dem die Tora als Teil ethnischer Identität durch den Glauben an Christus überwun­ den wird. Mithin ist der Streit Ausdruck der Konfrontation eines Ethnos mit einer ‚Religion‘, die sich pointiert von einer ethnischen Orientierung lösen will, sich aber zugleich auf die religiösen Traditionen ebendieses Ethnos bezieht“ (199). Theobald, Michael: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37). Aspekte einer eucharistischen Theologie der Gabe im Neuen Testament. In: JBTh 27 (2012) 151–186. In dem Jahrbuch, das sich interdisziplinär im Anschluss an die Gabentheorie von M. Mauss dem Thema „Geben und Nehmen“ widmet, entfaltet Vf. die Fragestellung auf dem Hintergrund der Mahlpraxis Jesu und der Erzählungen von den Speisungswun­ dern und vom letzten Mahl. In den Speisungserzählungen (Mk 6,34ff; 8,1ff) sind drei semantische Relationen wichtig: „Dem Kaufen (vgl. Mk 6,36c; vgl. 8,4b) steht das Empfangen gegenüber, dem Tauschgeschäft von Geld gegen Brot das ‚Umsonst‘ der Sättigung. […] Der Gabe korrespondiert … aufseiten der Menschen tiefe Bedürftig­ keit. Und drittens spendet Jesus nicht unvermittelt, sondern bedient sich der austeilen­ den Hände der Jünger“ (163). Als prospektive ekklesiologische Geschichten zeigen die Speisungswunder die Wichtigkeit der Leiblichkeit des Menschen und votieren „für eine Theologie der Gabe und der Geber, die geerdet ist und die über die materielle Not der Menschen nicht hinwegsieht“ (167). In den Erzählungen vom letzten Mahl zeigen sich bereits bei Mk Ansätze einer gnadentheologisch bestimmten Theologie der Gabe, die Lk weiter ausbaut und bei Joh ausgeformt wird. Vf. schließt mit Untersu­ chungen zur praktischen und zur theologische Bedeutung der Kollekte und zur Eucharistie als Quelle sozialen Handelns (siehe unten). Theobald, Michael: Eucharistie als Quelle sozialen Handelns. Eine biblisch-frühkirchli­ che Besinnung (BThSt 77). Neukirchen-Vluyn 2012. Der Titel der Studie enthält Fragestellung und implizit die These: Inwieweit und dass die Eucharistie als Quelle diakonischen Handelns anzusehen ist, untersucht und belegt Vf. von der Mahlpraxis Jesu über Paulus, verschiedenen anderen ntl. Texten bis hin zu Ignatius, Irenäus, Justin und Tertullian. Dabei spielen auch die Institutionalisierungen in Gestalt der Kollekte und der Leitungsämter eine besondere Rolle. Auf den rund 20

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Seiten des Schlusskapitels fasst Vf. die Ergebnisse zusammen und verbindet sie mit der heutigen Situation und den gegenwärtigen Herausforderungen und Debatten. Die unlösbare Verbindung von Gottes- und Menschenliebe wird in der unlösbaren Ver­ bindung von Liturgie und Diakonie konkret. Ein wichtiges und notwendiges Buch! Weidemann, Hans-Ulrich: „Das ist mein Bundesblut“ (Mk 14,24). Die markinische Abendmahlserzählung als Beispiel für liturgisch beeinflusste Transformationspro­ zesse. In: Eisele, Wilfried/Schaefer, Christoph/Weidemann, Hans-Ulrich (Hg.): Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Christentum, FS Michael Theobald (HBS 74). Freiburg i. Br. 2013, 56–98. In dieser ausführlichen Untersuchung innerhalb der FS Theobald geht Vf. den Trans­ formationsprozessen der markinischen Abendmahlserzählung nach. Da er mit Cl. Leonhard annimmt, dass es vor 70 kein jüdisches Passahmahl außerhalb der Verbin­ dung mit der Tempelliturgie gab, entfällt auch die in der älteren Forschung teils ange­ nommene Hypothese eines christlichen Passahmahls, das in der markinischen Gemeinde gefeiert worden wäre. Dennoch nimmt Vf. mit Leonhard an, dass es jüdi­ sche Mahlfeiern in der Diaspora am Vorabend des Passah gegeben hat (vgl. 77f), die den missing link zwischen Tempel- und Wallfahrtspassah vor 70 und dem späteren quartodezimanischen Osterfest darstellen. Die Abendmahlserzählung des Markus stellt die „Beziehung zwischen Jesu letztem Mahl und dem in seinem eigenen ekklesia­ len Umfeld am Vorabend des Paschafestes gefeierten christlichen Symposium“ (78) her. Sie ist – mit Theobald – nicht kultbegründend, sondern christologisch-soteriolo­ gisch relevant, aber gleichwohl „macht Markus das in seiner Gemeinde gefeierte Sym­ posion am Paschaabend zum Medium … seiner kreuzestheologischen Intention“ (95); einzelne Elemente dieses Symposions und die feiernde Gemeinde aus Juden und Nichtjuden selbst werden laut Vf. zum Medium der Sühnechristologie und Bundes­ konzeption. Dahinter stehen komplexe Transformationsprozesse und wechselseitige Beeinflussungen von „Liturgie“ und „Schriftgelehrsamkeit“. Petersen, Silke: Das Lamm und das Abendmahl. Überlegungen aus neutestamentlicher Perspektive. In: Sommer, Regina/Koll, Julia (Hg.), Schwellenkunde – Einsichten und Aussichten für den Pfarrberuf im 21. Jahrhundert, FS Ulrike Wagner-Rau. Stuttgart 2012, 277–288. Vfn. untersucht die „Lämmer“ im NT, vor allem in Joh 1 und in der Apk, und fasst als exegetische Ergebnisse zusammen (vgl. 285f), dass keiner der NT-Texte etwas mit dem Abendmahl oder dem dabei verzehrten Brot zu tun hat, dass nicht jedes der Läm­ mer im NT notwendig ein Passahlamm ist, dass nur in 1 Kor 5,7 eine Passah(tier)Christus-Typologie vorliegt – jedoch ohne explizite Nennung eines Lamms – und dass das Passah auch in NT-Zeit kein Sühneritus war – es „setzt Reinheit voraus und bewirkt sie nicht“ (286). „Der zentrale neutestamentliche Bezugstext des Agnus dei, Joh 1,29, hat weder etwas mit dem Brot oder dem Abendmahl noch spezifisch mit dem Tod Jesu oder gar einer möglichen sühnenden Funktion desselben zu tun“ (287) – aus dieser Einsicht sollten laut Vfn. auch liturgische Konsequenzen gezogen werden und das Agnus dei nicht mehr in der Abendmahlsliturgie, beispielsweise auf­ grund der Inkarnationssymbolik in Joh 1 aber im Weihnachtsgottesdienst gesungen werden (vgl. 288). Pao, David W.: Waiters or Preachers. Acts 6: 1–7 and the Lukan Table Fellowship Motif. In: JBL 130 (2011) 127–144. Während seit Ferdinand Christian Baur immer wieder, mit gewissem Konsens, disku­ tiert wurde, wer die in Apg 6 erwähnten Hellenisten und Hebräer sind, welcher histo­ rische Hintergrund anzunehmen sei und wie das historische Verhältnis zwischen den

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Helmut Schwier Zwölf und den Sieben ist, argumentiert Vf., dass der auffällige Hinweis auf die Entlas­ tung der Zwölf beim Tischdienst durch die Wahl der Sieben, die dann aber später nur als Prediger und Evangelisten auftauchen, nicht einfach auf Inkonsistenzen der lukani­ scher Bearbeitung zurückzuführen sei. Vielmehr zeige sich darin die bewusste lukani­ sche Absicht, durch die Aufgaben beim Tischdienst die Sieben als Nachfolger Jesu zu kennzeichnen, die dessen Mahlgemeinschaften mit den Außenseitern fortsetzen.

11. Riten, Rituale und Theorien Uro, Risto: Kognitive Ritualtheorien. Neue Modelle für die Analyse urchristlicher Sakra­ mente. In: EvTh 71 (2011) 272–288. Vf. beschreibt und vergleicht vier neuere Ansätze im Bereich kognitiver Religionswis­ senschaft, die in der bisherigen klassischen Ritualforschung seit den 1980er Jahren wenig Beachtung fanden und beschreibt deren Erklärungskraft für urchristliche Rituale und Sakramente. Kognitive Religionswissenschaft interpretiert sie als „Hand­ lungen“ (nicht als bloße Kommunikationen), als „Verpflichtungssignale“ (mit unter­ schiedlich aufwändigen „Kosten“ – z. B. hat die Beschneidung höhere Kosten als die Taufe) und als „Mittel religiöser Unterweisung“. Theißen, Gerd: La Dinamica Rituale dei Sacramenti nel Cristianesimo Primitivo. Da Azione Simbolico-Profetiche a Riti Misterici. Assisi/Rom 2013. Dieses Buch mit italienischem Titel präsentiert Theißens Vorlesungen an St. Anselmo im Rahmen der prominenten Lectiones Vagaginianae über die „Ritualdynamik urchristlicher Sakramente – von prophetischen Zeichenhandlungen zu geheimnisvol­ len Riten“. Das Buch ist entgegen der Erwartung durchgehend zweisprachig (italie­ nisch und deutsch, jeweils auf gegenüberliegenden Seiten). Mit Hilfe der kognitiven Religionswissenschaft beschreibt Vf. den Entwicklungsweg von den prophetischen Zeichenhandlungen des Täufers bzw. Jesu über die nachösterlichen Transformationen bis hin zum geheimnisvollen Sakrament. Neben den kontraintuitiven und tabuverletz­ enden (Kontakt zu Tod und Blut) Aspekten liegt der auch religionswissenschaftlich zugängliche Sinn der Sakramente in der transformativen Kraft: „Sie wollen Menschen verwandeln. Dieser Gedanke einer tief greifenden Wandlung (der ganzen Welt) ist schon mit den prophetischen Symbolhandlungen gegeben; er wird immer mehr zu einer Wandlung der Menschen“ (258). Vf. schließt dann systematisch- und praktischtheologische Reflexionen (vgl. 258ff) zur heutigen Bedeutung der Sakramente an, die in einen meditativen Text zu Leib und Blut Christi im Abendmahl münden (vgl. 266ff): „Wo Gott gegenwärtig ist, verändert sich etwas. Es verändert sich die Welt. Es verändern sich die Menschen. Die Messe ist ein Protest gegen die Resignation, es müsse alles unverändert bleiben, weil alles unverändert aussieht. Gott ist die Kraft, die schöpferisch verändern kann, wo Menschen keine Veränderung sehen. Verändern will das Abendmahl Menschen, damit sie einander lieben“ (270).

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12. Gebete Klein, Hans/Mihoc, Vasile/Niebuhr, Karl-Wilhelm/Karakolis, Christos (Hg.): Das Gebet im Neuen Testament. Vierte europäische orthodox-westliche Exegetenkonfe­ renz in Sambata de Sus 4.–8. August 2007 (WUNT 249). Tübingen 2009. Der rund 480-seitige Sammelband enthält im Wesentlichen die englisch- und deutsch­ sprachigen Beiträge der genannten ökumenischen Konferenz, die orthodoxe, katholi­ sche, evangelische und freikirchliche Exegeten zusammenführte. James D. G. Dunn hat die Konferenz und ihre Begegnungen wie Ergebnisse beschrieben (vgl. 185ff). Die einzelnen Untersuchungen widmen sich der Dialektik von Gebet und Schweigen in frühjüdischer Tradition (Konstantinos T. Zarras), der Fürbitte im NT (Urs von Arx), sehr ausführlich und präzise dem Vaterunser samt seiner Vor- und Wirkungsge­ schichte (Hans Klein), den Gebetsformen und -traditionen bei Paulus unter Einschluss des Gottesdienstes und des Herrenmahles (Hermut Löhr), dem Gebet des Paulus in Eph 3,14ff unter der Voraussetzung der Pseudepigraphität (Christos Karakolis – in der Diskussion wurde von Arx [vgl. 75] die aufgeworfene Frage nach Pseudepigraphi­ tät und dem Fürbitter Paulus skeptisch beurteilt), den Gebeten an den auferstandenen Jesus (Vasile Mihoc), dem Nunc dimittis (Barbara Schmitz) und dem Sanctus (Christ­ fried Böttrich), den Funktionen des Gebets im Johannesevangelium (Karl-Heinrich Ostmeyer), in der Apokalypse als Gebet mit Weihrauch (Franz Tóth), in den früh­ christlichen Märtyrerakten (Tobias Nicklas), im Blick auf die Toten (Thomas J. Kraus) und bei Aphrahat (Dmitrij F. Bumazhnov) und Johannes Chrysostomos (Konstanti­ nos Kornarakis). Ein anregender und hoffentlich weitere Spezialforschungen und öku­ menische Begegnungen inspirierender Band! Frankemölle, Hubert: Vater unser – Awinu. Das Gebet der Juden und Christen. Pader­ born/Leipzig 2012. Vf., katholischer Neutestamentler und engagiert im christlich-jüdischen Dialog, unter­ sucht das Vaterunser in den einzelnen Bitten exegetisch, sowohl im Kontext des Mat­ thäusevangeliums, in seiner Beziehung zu atl. und jüdischen Texten und Gebeten, deren Traditionen und im Blick auf das Kaddish und das 18-Bitten-Gebet sehr späten literarischen Bezeugungen berücksichtigt werden und jeweils mit Ausblick auf gegen­ wärtige spirituelle Impulse. Vf. betont zu Recht durchgängig den jüdischen Charakter dieses Gebets Jesu und seine Bedeutung als Zusammenfassung der Botschaft Jesu. Im exegetischen Ausblick auf „nichtantijüdische Christologien im NT“ (186ff) wird die Vielfalt neutestamentlicher Theologien erkennbar. Gerahmt ist die Untersuchung durch die Darstellung wichtiger Erkenntnis des christlich-jüdischen Dialogs, beson­ ders der jüdischen Stellungnahme „Dabru emet – Redet Wahrheit“, deren erste These lautet: Juden und Christen beten denselben Gott an. Vf. zeigt, wie sich dies exempla­ risch im Vaterunser zeigt.

13. Lieder und Hymnen Vollenweider, Samuel: Hymnus, Enkomion oder Psalm? Schattengefechte in der neutes­ tamentlichen Wissenschaft. In: NTS 56 (2010) 208–231. Wurden in der neutestamentlichen Exegese in der klassischen Zeit von Religions- und Formgeschichte im NT eine Vielzahl (wenigstens 30) von Hymnen mit kultischem

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Sitz im Leben bestimmt, änderte der rhetorische Zugriff auch dieses Ergebnis, indem die Gattung grundsätzlich in Frage gestellt wurde und eher von Enkomien und insge­ samt Prosahymnen gesprochen wurde. Vf. entlarvt nach gründlichem Durchgang durch griechische Hymnik und antike rhetorische Theorie Scheinalternativen und warnt zu Recht vor Schattengefechten. Er schlägt folgende beschreibende Sprachrege­ lung vor: „Ein Hymnus besteht in lobendem bzw. preisendem Sprechen oder Singen von und zu göttlichen Wesen (Sprechrichtung). Seine Sprechhandlung zielt auf die Repräsentation der Gottheit“ (221). Nach einem neutestamentlichen Rundgang wird als Ergebnis deutlich, dass das NT einige Gotteshymnen präsentiert (Benedictus, Magnificat, Röm 11,33–36), aber nahezu keine Christushymnen, was z. B. den Überlegungen Deichgräbers wider­ spricht. Gleichzeitig ist deutlich, dass das NT unter Rückgriff auf die Sprache griechi­ scher Hymnik an zentralen Stellen Christus als gottgleiches Wesen preist (Phil 2,6–11; Kol 1,15–20; Joh 1,1–18; 1 Tim 3,16). Diese Theozentrik beruht theologisch auf dem christologischen Monotheismus, der ja auch bis weit in die Gebetspraxis der Alten Kirche reichte mit ihrer Struktur der Gebete an Gott durch Christus im Hl. Geist. Vf. schließt mit folgender Zusammenfassung: „Unser Bild der um den Christuskult orga­ nisierten urchristlichen Gemeinden bedarf offenkundig der Verfeinerung. Möglicher­ weise ist es nicht primär der Kult im engeren Sinn, der als ‚Brutkammer der hohen Christologie‘ anzusprechen ist. Gerade in Lob und Gebet partizipiert die Gemeinde am reichen liturgischen Gut Israels und damit an seiner betont monotheistischen Ori­ entierung, auch dort noch, wo sie selber vom Geist erfüllt Psalmen erschafft. Wenn die Christen Jesus gottgleiche Würde zuschreiben, dann vornehmlich im Modus seiner Teilhabe an Gottes einzigartiger Position – an seinem Namen, seinem Schöpfertum und seiner Weltherrschaft. In anbetenden Sprachgestalten tritt Christus deshalb zugunsten der Gottheit selber in den Hintergrund. Demgegenüber ist eher an Schrift­ auslegung und Lehrpredigt zu denken, in denen sich die christologische Reflexion in hymnischen Sprachformen ein Stück weit verselbständigt und auf ein Neuland hinaus­ wagt, das Jahrhunderte später die Gestalt der trinitarischen Gottesverehrung und Theologie annehmen wird“ (230f). Lang, Friedrich Gustav: Abraham geschworen – uns gegeben. Syntax und Sinn im Bene­ dictus (Lk 1,68–79). In: NTS 56 (2010) 491–512. Das Benediktus ist von Lukas selbst verfasst. Seine Syntax ist durchsichtig, vorausge­ setzt man versteht 1,71 als Zeugma und 1,73 als Hyperbaton. Es besteht aus drei Tei­ len mit 3+5+5 Doppelzeilen; ihr Inhalt ist schwerpunktmäßig eschatologisch (1,68–70: Erfüllung messianischer Hoffnungen), ekklesiologisch (1,71–75: Gottes Bund) und soteriologisch (1,76–79: Sündenvergebung). Die Mitte bildet der Eid, den Gott Abra­ ham geschworen und ‚uns‘ gegeben hat (1,73). Der Hymnus insgesamt beweist die theologische Kompetenz des Lukas, seine gründliche Kenntnis der LXX und sein lite­ rarisches Können, das sich sogar stichometrisch an den Proportionen der Textab­ schnitte aufzeigen lässt. Vf. bietet nach syntaktischer Klärung folgende Übersetzung (502f): Gelobt sei [der Herr,] der Gott Israels! Denn er hat besucht und Erlösung bewirkt seinem Volk und hat aufgerichtet das Horn des Heils für uns im Hause Davids, seines Dieners, gleichwie er gesprochen hat durch den Mund seiner heiligen Propheten aus Urzeiten:

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Dass er Rettung vor unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, dass er Erbarmen wirke (wie) an unsern Vätern und gedenke seines heiligen Bundes, um den Eid, den er geschworen hat Abraham, unserm Vater, um den zu geben uns, damit wir furchtlos, weil aus der Feinde Hand errettet, ihm treu ergeben seien in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen an allen unsern Tagen. Auch du aber, mein Kind, Prophet des Höchsten wirst du genannt werden; denn du wirst vorangehen vor dem Herrn, zu bereiten seine Wege, um zu geben Erkenntnis des Heils seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, dank der Herzlichkeit des Erbarmens unsres Gottes, durch die uns besuchen wird der Morgenglanz von hoch oben, damit er aufscheine denen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um auszurichten unsre Füße auf den Weg des Friedens. Gordley, Matthew: The Johannine Prologue and Jewish Didactic Hymn Tradition. A New Case for Reading the Prologue as a Hymn. In: JBL 128 (2009) 781–802. Innerhalb der Forschungsdebatte, ob der Prolog des Johannesevangeliums – mit oder ohne die Verse über den Täufer – als Hymnus anzusehen sind oder nicht und ob es überhaupt möglich ist, im NT Hymnen gattungsmäßig zu erfassen, plädiert Vf. dafür, den Prolog in Analogie zu jüdischen Beispielen aus der Zeit des 2. Tempels als „didak­ tischen Hymnus“ zu begreifen, der in poetischer Sprache weniger dem Gotteslob dient als der Überzeugung der Lesenden bzw. Hörenden.

14. Credo Unger, Günter: Das Glaubensbekenntnis – am Neuen Testament kritisch erklärt. Stutt­ gart 2009. In dem kleinen, aber gehaltvollen Büchlein (126 S.) erklärt Vf. das Apostolicum auf der Grundlage der historisch-kritischen Exegese des NT. Ohne Hinweise auf Sekun­ därliteratur und ohne Fußnoten werden in verständlicher Sprache, aber auch unter Verwendung von hebräischen und griechischen Worten und Formulierungen, die immer auch in Umschrift und Übersetzung geboten werden, die einzelnen Aussagen des Bekenntnisses erläutert. Im kritischen Gegenüber zur Dogmatik und zur bloß wiederholten kirchlichen Tradition wirbt Vf. für ein eigenes Verstehen, das sich an den Grundaussagen des NT orientiert. Beim Auferstehungsbekenntnis verdeutlicht Vf. ausführlich und zu Recht die unlösbare Verbindung von Auferweckung, Himmel­ fahrt und Pfingsten und zeigt der paulinischen Theologie folgend die lebensbestim­ mende Kraft und das kritische Potential: „Was im Erleben der Urchristenheit und in der Entstehung des Auferstehungsglaubens eine Einheit war, ist für uns in drei ‚Feste‘

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Helmut Schwier auseinandergefallen, mit banalisierenden Folgen für ein jedes: Ostern wird zum Fest des leeren Grabes, Himmelfahrt zum Fest einer separaten Auffahrt, Pfingsten zum Fest eines vermeintlich neu erfundenen und trotz spannender Erzählung recht unan­ schaulichen Geistes“ (91). Ein anregendes Buch für Predigt und Katechese oder für einen theologisch interessier­ ten Lektürekreis!

15. Ekklesiologie, Amt und Ämter Luz, Ulrich: Ortsgemeinde und Gemeinschaft im Neuen Testament. In: EvTh 70 (2010) 404–415. Im Kontext von kirchlichen Reform- und Strukturprozessen votiert Vf. entschieden und parteilich für die Sicht des NT, in der konkrete Gemeinschaft und Liebe die notae ecclesiae sind. Daher ist im NT die Ortsgemeinde der hervorragende Ort der Kirche – heute sollte sie wenigstens ein hervorragender Ort sein (vgl. 415). „Wer von anderen Leitbildern der Kirche ausgeht, z. B. von demjenigen der Kirche als einer von Gott eingesetzten rechtlich strukturierten Hierarchie oder von demjenigen der Kirche als einem die Gesellschaft mit Sinnangeboten und rituellen Angeboten versehenden Dienstleistungsbetrieb, muss wissen, dass er sich am Zentrum neutestamentlicher Ekklesiologie vorbei orientiert“ (415). Wagner, Jochen: Die Anfänge des Amtes in der Kirche. Presbyter und Episkopen in der frühchristlichen Literatur (TANZ 53). Tübingen 2011. In dieser durch Rainer Riesner betreuten Dortmunder Dissertation untersucht Vf. Funktionen und Bedeutungen der Episkopen und der Presbyter anhand der früh­ christlichen Texte (Paulus, lukanisches Doppelwerk, Pastoralbriefe, Apostolische Väter) und stellt die Entwicklung dieser Ämter dar. Besonderen Einfluss erkennt er in den Hausgemeinden, in denen in der Regel der pater familias die Leitung der Gemeinde und ihrer Gottesdienste übernahm. Die Bezeichnung episkopos (Phil 1,1) entstammt der profanen Umwelt; die Bezeichnung des Ältesten ist erst von Lukas als Amtsbezeichnung verwendet worden. Das Presbyterkollegium ist die Versammlung der Hausgemeindeleiter am Ort. Ansätze dafür, dass sich aus diesem Kollegium ein Leiter herauskristallisierte, finden sich in den Pastoralbriefen. Der Leiter ist dann der episkopos, und die Entwicklung läuft schließlich auf den Monepiskopat zu. Auch wenn deutlich ist, dass die Amtsträger mit Gebet und Handauflegung eingesetzt wur­ den, gibt es aus dem 2. Jahrhundert noch keine verlässlichen Hinweise auf eine einheit­ liche oder gefestigte Einsetzungspraxis. Hentschel, Anni: Gemeinde, Ämter, Dienste. Perspektiven zur neutestamentlichen Ekklesiologie (BThSt 136). Neukirchen-Vluyn 2013. Seit den 1990er Jahren wird infolge der radikalen Thesen von John N. Collins das Wortfeld diakonia neu untersucht und in Exegese und Diakoniewissenschaft leiden­ schaftlich diskutiert. Vfn., die zu diesem Diskurs mit ihrer 2007 publizierten Disserta­ tion (WUNT II, 226), in der der semantische Gehalt von diakonia in neutestamentli­ chen und patristischen Texten untersucht wurde, beigetragen hat, legt hier eine leich­ ter zugängliche, verständliche Studie zum Thema vor, in der bes. die ekklesiologischen Perspektiven deutlich werden. Es wird gezeigt, dass diakonia nicht der niedrige (Skla­ ven-)Dienst, ein sozial-karitatives Dienstamt oder der (liturgische) Tischdienst ist,

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sondern eine Breite von Bedeutungen aufweist, die um Beauftragung, Botendienst, Vermittlung kreisen, im NT mit apostole vergleichbar ist und häufig Verkündigung, Leitung und Organisation von Gemeinde umfasst. „Damit wird auch eine geschlech­ terspezifische Interpretation in Verkündigungsämter der Männer und Dienstämter der Frauen fraglich. Phoebe ist als diakonos von Kenchreä nicht einfach eine sozial-karita­ tiv engagierte Gemeindehelferin (Röm 16,1f). Auch die Frauen in der Nachfolge Jesu haben diesem nicht nur ‚gedient‘, sondern in qualifizierter, mit den Männern ver­ gleichbarer Weise seine Aufträge ausgeführt, zu denen unter anderem auch die Sen­ dung zur Verkündigung des Reiches Gottes gehört (Mk 15,40f)“ (229). Hofius, Otfried: Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deutero­ paulinen. In: Eisele, Wilfried/Schaefer, Christoph/Weidemann, Hans-Ulrich (Hg.): Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Christentum, FS Michael Theobald (HBS 74). Freiburg i. Br. 2013, 339–357. In seinem Beitrag zur FS Theobald zeigt Vf. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Verständnis des Verkündigungsamtes bei Paulus und den ihm folgenden Schriften. In den hier gemeinten christlichen Gemeinden war ein Amt der Verkündigung vorhan­ den, auch wenn die Bezeichnungen differieren, die wiederum künftig noch differenz­ ierter gewürdigt und untersucht werden müssten, um Entwicklungslinien stärker zu erkennen. An theologischen Gemeinsamkeiten notiert Vf., dass die Wortämter „nicht anders als das grundlegende Apostelamt iure divino in der Kirche vorhanden sind“ (354), die daher auch nicht einfach aus praktischen Gründen aus einem der ganzen Gemeinde übergebenen Verkündigungsamt herstammen; die apostolische Sukzession meint eine strenge Gebundenheit an das Christuszeugnis, das inhaltlich in dem von Gott her vorgegebenen Evangelium zu finden ist, welches aber gleichwohl weiterzusa­ gen und weiterzuentwickeln ist; auch die Vorstellung eines Gegenübers von Amt und Gemeinde ist in den Schriften zu finden, allerdings stehen die Verkündiger qua Person der Gemeinde nicht gegenüber, sondern in ihr, „und sie bedürfen wie alle anderen des Evangeliums, durch das sie im Glauben erhalten und so auch immer aufs neue zu ihrem Dienst ausgerüstet werden“ (357). Hofius, Otfried: Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe. In: ZThK 107 (2010) 261–284. Hier zeigt Vf. innerhalb der Pastoralbriefe die Grundlinien des Amtes der Gemeinde­ leitung, der Ordination dazu (Handauflegung, Amtscharisma, apostolische Lehrtradi­ tion, Bekenntnis), apostolische Sukzession („Die ‚apostolische Sukzession‘ hat ihr Wesensmerkmal vielmehr in der strengen Bindung an das von den Aposteln authen­ tisch und verbindlich bezeugte Evangelium, und sie ist somit als die Sukzession in der gehorsamen Bezeugung und unverfälschten Weitergabe der Wahrheit des Evangeliums zu bestimmen“ [281]) und soteriologischem Aspekt. „Weil so das Heil der Menschen von der Bezeugung des Evangeliums abhängt, deshalb erachtet es der Verfasser der Pastoralbriefe für unabdingbar, dass die mit der Verkündigung und Lehre beauftrag­ ten Amtsträger bei ihrer Ordination in die Sukzession derer eintreten, die an die apos­ tolische Lehrtradition gebunden sind und sich an sie gebunden wissen. Und weil es zur rechten Ausübung des Amtes über die persönlichen Qualitäten und Fähigkeiten hinaus der Ausrüstung durch Gott selbst bedarf, deshalb erblickt er in dem durch die Handauflegung vermittelten Amtscharisma die entscheidende Gabe der Ordination“ (283). Theobald, Michael: Von den Presbytern zum Episkopos (Tit 1,5–9). Vom Umgang mit Spannungen und Widersprüchen im Corpus Pastorale. In: ZNW 104 (2013) 209–237. In der neueren Forschung werden auch die Spannungen und Widersprüche innerhalb

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Helmut Schwier der Pastoralbriefe stärker beachtet als früher. Unter der Voraussetzung, hier einen Briefroman, der Narration impliziert, nicht aber ausgestaltet, zu haben, dessen Lese­ richtung vom Titusbrief zum 1. und dann zum 2. Timotheusbrief verläuft, zeigt Theo­ bald wie die Verbindung von Presbytergremium und Aufsicht in Tit 1,5ff in den Timotheusbriefen weitergeführt und dynamisiert wird, indem im Presbytergremium ein Verantwortlicher gesucht wird. Das gezeichnete Idealbild kann nicht einfach mit den vorfindlichen Entwicklungen der Ämter vor Ort gleichgesetzt werden und auch die Timotheusbriefe sind vom Episkopatverständnis des Ignatius unterschieden. Wahrscheinlich steht dem Autor eine starke Bedrohung durch „Lehrzersplitterung“ (236) vor Augen, der er mit einem am paulinischen Erbe ausgerichteten Lehrmonopol zu beheben suchte. In systematischer und ökumenischer Fragestellung votiert Vf. zurückhaltend: „Keinesfalls sollten die Pastoralbriefe als Schriftbeleg für eine presby­ teriale Ordnung der Kirche verwendet werden, allerdings auch nicht einlinig für eine episkopale. Wichtiger ist die dahinter stehende Frage nach der Identität des Christli­ chen angesichts des theologischen Pluralismus in den Ortskirchen wie in der Kirche insgesamt: Wie sollte eine evangeliumsgemäße episkope begründet und bei der Vielfalt der Theologien und Kirchen aussehen?“ (237).

16. Geschichte und Sozialgeschichtliche Koch, Dietrich-Alex: Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch. Göttingen 2013. Ders.: Bilder aus der Welt des Urchristentums. Das Römische Reich und die hellenisti­ sche Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunder­ ten. Göttingen 2009. Die „Bilder“, bereits 2009 veröffentlicht, bieten 437 Abbildungen in sehr guter Quali­ tät und strukturieren die Text- und Bilddarstellung in „Die doppelte Globalisierung der antiken Welt“ (Hellenismus, Römisches Reich, wirtschaftliche Globalisierung), dann folgt die „antike Stadt als Lebensraum“ (öffentlicher Raum, Wasserversorgung, Bildungswesen, Freizeit und Massenunterhaltung, soziale Welt, Haus, Familie) und schließlich die „religiöse Welt – Götterwelt und Götterkult“. Damit liegt eine Darstel­ lung auf neuestem Forschungsstand mit ansprechenden und interessanten Abbildun­ gen vor, die nicht nur den einzigen Vorgänger (Leipoldt/Grundmann, Band III) wür­ dig ersetzt, sondern die Verzahnungen der Lebenswelten veranschaulicht und die Prä­ gungen des religiösen Bereichs aufzeigt. In dem 665-seitigen Lehrbuch liegt die erste umfassende wissenschaftliche Darstellung der Geschichte des Urchristentums vor, das gleichermaßen präzise, nah an den Quel­ len und gut lesbar ist. Steht bei der Darstellung des Urchristentums die Zeitspanne 30– 150 n. Chr. im Zentrum (Jerusalemer Urgemeinde, Entwicklungen in und außerhalb Palästinas, Apostelkonzil, Paulus [4 Kapitel], Christentum in Rom, Ausbreitung und Entwicklung der Gemeindeorganisation, Konflikte mit der paganen Mehrheitsgesell­ schaft) wird die jüdische (Geschichte des Judentums ab 200 v. Chr., Diaspora, Johan­ nes der Täufer und Jesus) wie römisch-hellenistische Welt (frühe und mittlere Kaiser­ zeit) auch darüber hinausgreifend präsentiert. Die insgesamt 20 Kapitel, Abbildungen, Tabellen und 18 prägnanten Exkurse lassen keine Wünsche offen und werden auf lange Zeit das Standard- und Nachschlagewerk für Unterricht und eigene Lektüre bleiben.

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Crüsemann, Frank/Hungar, Kristian/Janssen, Claudia/Kessler, Rainer/Schottroff, Luise (Hg.): Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel. Gütersloh 2009. In dem 750-seitigen Wörterbuch, an dem über 70 Autorinnen und Autoren mitge­ wirkt haben, werden einschlägige Artikel, die man leider nicht in einem Inhaltsver­ zeichnis, sondern nur indirekt über die fett hervorgehobenen Stichworte des Sachre­ gisters überblicken kann, in sozialgeschichtlicher Weise erläutert. Das bedeutet, dass die materiell dokumentierte Alltagswelt, die sozialen wie institutionellen Zusammen­ hänge und die symbolischen und theologischen Deutungen zur Sprache kommen und in die größeren sozialen Kontexte und Konflikte eingezeichnet werden. Als herme­ neutische Perspektivierungen werden die befreiungstheologischen, feministischen und christlich-jüdischen Diskurse benannt (vgl. S. X–XI). Die Artikel sind gesamtbiblisch ausgerichtet und werden oft von zwei Autoren (AT/NT) verantwortet. Ausleger und Leser der Bibel finden hier zahlreiche, kompakt und verständlich darge­ botene Informationen, z. B. auch zu Gottesdienst, Gebet, Essen, Taufe oder Tempel. Der Artikel „Musik“ unterscheidet Melodien, Liedtexte, Instrumente, Tanz, Verwen­ dungsbereiche und Professionalisierungen. Wer Seltenes sucht, findet z. B. den Artikel „Humor“ mit der treffenden Pointe: „Lachen ist im Neuen Testament Ausdruck der Hoffnung und des sozialen Protestes“ (267). Das vollständige Bibelstellenregister ermöglicht einen leichten Zugang bei exegetischen Fragen zu Einzelversen oder Peri­ kopen. Öhler, Markus: Das ganze Haus. Antike Alltagsreligiosität und die Apostelgeschichte. In: ZNW 102 (2011) 201–234. Wurden in der älteren Forschung vor allem die „Haus“-Texte der Apg unter der Fra­ gestellung der Kindertaufe unangemessen behandelt, zeigt Vf. die Verbindung mit der antiken Hausreligiosität griechischer, römischer und jüdischer Ausprägung. Lk unter­ scheidet in der Apg deutlich zwischen dem Haus von Juden (Krispus), Gottesfürchti­ gen (Kornelius, Lydia) und von Heiden (Gefängnisaufseher von Philippi). Dabei haben Glauben und Taufe von Haushaltsvorständen und Häusern bei Lk eine große Bedeutung: die christusgläubige Hausgemeinschaft wird zum religiösen Paradigma; d. h. der durch den Haushaltsvorstand vorgegebene Glaube wird im Alltag gelebt, und religiöses Erleben der Gemeinde vollzieht sich stark im nicht-öffentlichen Bereich des Hauses und der Familie, „die damit zur Kultgemeinschaft für Gott und Christus wird“ (234). Ebner, Martin: Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen. Das Urchristentum in sei­ ner Umwelt I (GNT 1,1). Göttingen 2012. Der erste Band der erneuerten Reihe „Grundrisse zum NT“ beschreibt als Lehrbuch die Entwicklungsgeschichte des frühen Christentums und unter welchen Bedingun­ gen, in welchen Kontexten und gesellschaftlichen wie religiösen Strukturen aus der ursprünglich ländlichen Jesusbewegung städtische Gemeinden wurden. Anschaulich und auf dem neuesten Stand stellt Ebner Architektur, Politik, Kultur und die unter­ schiedlichen Erscheinungsformen antiker Kulte (Tempel- und Opferkulte, Kaiserkult, Mysterienkulte, Heilkulte, Orakel und Magie) vor, dazu die Ordnungen und Bezie­ hung im Haus und in den Vereinen („soziale Netzwerke zwischen Haus und Stadt“). Dadurch werden die Verwurzelungen von Vorstellungen, Konventionen und Denk­ mustern der städtischen Christen ebenso erkennbar wie die Dissimilierungsprozesse und die Durchbrechung gängiger religiöser und kultureller Muster und Organisations­ formen, die sich im NT zeigen.

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17. Biblische Theologie, Hermeneutik Wie biblisch ist die Theologie? JBTh 25 (2010). Dieser Grundfrage – verbunden mit der expliziten Unterstellung, dass die theologi­ schen Disziplinen nicht biblisch genug seien – wird in der Jubiläumsausgabe des Jahr­ buchs (vgl. Bd. 1, 1986: „Einheit und Vielfalt Biblischer Theologie“) aus Sicht der theo­ logischen Fächer und der Judaistik nachgegangen. Die neutestamentlichen Beiträgen von Jens Schröter und Michael Theobald zeichnen sich durch kritische Selbstreflexion aus und fragen nach den Beiträgen der Exegese zur Theologie (vgl. 85–139); die Frage­ stellung nach Biblizität und Theologizität wird vorab von Jörg Frey einführend profi­ liert (vgl. 81–83). Jens Schröter: Als theologische Disziplinen trägt die Exegese zur „Reflexion der christlichen Wirklichkeitsdeutung und Glaubenspraxis“ bei und hat daher die „bibli­ schen Schriften sowie die in ihnen zur Sprache gebrachten Ereignisse in gesamttheolo­ gischer Perspektive auszulegen. Konkret bedeutet dies etwa, dass danach zu fragen ist, wie es vom Wirken und Geschick Jesu als eines historisch zu beschreibenden Phäno­ mens zu den im Neuen Testament vorliegenden Interpretationen hat kommen kön­ nen. Es bedeutet weiter, dass die im Neuen Testament versammelten Schriften nicht nur historisch-kritisch, sondern zugleich als Teil des neutestamentlichen Kanons, aus­ zulegen sind. Auf diese Weise werden der theologische Charakter der Bibelwissen­ schaften und damit zugleich die für christliche Theologie unverzichtbare biblische Grundlage deutlich“ (103). Michael Theobald: „Als keineswegs interesse- oder voraussetzungslose Basiswissen­ schaft beansprucht die (neutestamentliche) Exegese ein Interventionsrecht im theolo­ gischen Diskurs …: Sie dringt darauf, dass in ihrem Wahrheitsanspruch unabgegoltene biblische Texte und Traditionen neu auf die Tagesordnung kommen. Positiv gestalte­ risch wirkt die Exegese, wenn sie rekonstruiert, wie Kirche am Anfang ‚erfunden‘ wurde und wie sich ihre Lebens- und Denkformen samt ihren Strukturen entwickel­ ten, immer im Dienst am Evangelium, womit sie Spielräume für die anstehende Frage eröffnet, wie Kirche dort, wo sie als Institution überkommener Gestalt heute im Ster­ ben liegt, neu ‚erfunden‘ werden kann. Sie ist Anwältin der Fremdheit biblischer Texte in dem Sinne, dass sie diese … ‚gegenüber allen institutionellen Selbstbeharrungsten­ denzen‘ [Karl Lehmann] erneut zur Geltung bringt. Damit fällt der Exegese in Kirche und Theologie sozusagen ein prophetischer Dienst zu“ (138). Graf, Dominik: Unterwegs zu einer Biblischen Theologie. Perspektiven der Konzeption von Peter Stuhlmacher. Göttingen 2011. In dieser durch Jörg Frey betreuten Münchner Dissertation, rekonstruiert Vf. in for­ schungsgeschichtlicher (nicht: biographischer) Hinsicht das theologisch-exegetische Werk des bedeutenden Tübinger Neutestamentlers Peter Stuhlmacher. Im Mittel­ punkt stehen dabei die Fragen nach der Bedeutung des AT für die Exegese des NT, nach der Hermeneutik, nach den Deutungen des Todes Jesu samt der Rückfrage nach Jesus und schließlich vor allem nach der Biblischen Theologie Stuhlmachers. Vf. stellt als Ergebnis heraus, dass für Stuhlmacher vor allem die Christologie das Zentrum der Theologie ausmacht und dass die Hermeneutik und Auslegungskunst des AT und NT nicht an der unbestimmt bleibenden Chiffre des „modernen Menschen“ zu orientieren ist, „sondern an ihrem eigenen Anspruch, geisterfülltes Gotteswort im Menschenwort zu sein“ (309). Schwier, Helmut: Zur Sache der Texte. Bibel, Predigt und Hermeneutik aus exegetischer

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Sicht. In: Deeg, Alexander/Nicol, Martin (Hg.): Bibelwort und Kanzelsprache. Homi­ letik und Hermeneutik im Dialog. Leipzig 2010, 11–29. Vf. zeigt in praktisch-theologischer Absicht Grundpositionen neutestamentlicher Hermeneutik: die existentiale Hermeneutik („die theologische Dimension als Sache des Textes“), die Texthermeneutik („Interpretation als kritische Dimension“), enga­ gierte Lektüreformen („Rezeption als ‚Inter-esse‘ und Veränderung“). Unter Rück­ griff auf Philosophie und Hermeneutik Paul Ricœurs unternimmt Vf. einen Integra­ tionsversuch: „theologische Textinterpretation in biblischer Vielfalt“ (vgl. 21ff). Her­ meneutisch-homiletisch resümiert Vf.: „Auch die Predigt soll etwas zu verstehen geben, weil die Bibel etwas zu verstehen gibt: (1) den biblischen Text als ‚fremden Gast‘, den Reichtum seine Sprache, Motive, Geschichten, Bilder, Argumente und lite­ rarischen Strategien, seine Formen und Gattungen in den narrativen, prophetischen, vorschreibenden, weisheitlichen und hymnischen Grundausprägungen biblischer Polyphonie; (2) den identitäts- und glaubensbegründenden Anspruch und Zuspruch der Bibel, ihren zur Wiederaufnahme und Aneignung offenen Sinn; (3) dies erfordert die Bereitschaft zur dem Bibeltext angemessenen theologisch-anthropologischen Fra­ gehaltung, also zur wahrhaftigen Suche nach Wahrheit, Glauben und Verstehen in der Erwartung, dadurch in den Dialog Gottes mit der Welt einzutreten“ (29). Dalferth, Ingolf U./Bühler, Pierre/Hunziker, Andreas (Hg.): Hermeneutische Theolo­ gie – heute? (HUTh 60). Tübingen 2013. In diesem Sammelband, dessen Autoren davon überzeugt sind, dass die Hermeneutik nicht nur eine große Geschichte und beachtliche Vergangenheit, sondern auch eine diskussionswürdige Zukunft hat, öffnen die Herausgeber zunächst den Blick für die Spuren derzeitiger hermeneutischer Theologie, ihrer Attraktivität und ihres Attrakti­ vitätsverlustes. Bei den zahlreichen systematischen Beiträgen sticht der grundlegende Beitrag Ingolf U. Dalferths hervor, der Hermeneutikgeschichte und die gegenwärtigen Herausforderungen entfaltet und prinzipiell reflektiert (vgl. 3ff): „Gott zu verstehen als sich selbst auslegendes Grundgeschehen, das eine Welt hervorbringt, mit deren Mittel er sich selbst durch anderes für andere als Gott verständlich machen kann, eben dadurch diese und ihre Welt unablässig und unerschöpflich mehr werden lässt als sie jeweils sind, ohne jemals aufzuhören, als die kreative Wirklichkeit des Möglichen allen Möglichkeiten des weltlich Wirklichen unergründlich voraus und zugrunde zu liegen – ein solches Verstehen des Verstehens Gottes, das von Gottes immer noch größerer Verständlichkeit gegenüber aller Unverständlichkeit ausgeht, ist ein Ansatz, den aus­ zuloten eine hermeneutische Theologie heute nicht nur möglich, sondern – sagen wir – mehr als notwendig macht“ (37f). Ulrich H. J. Körtner entfaltet das systemati­ sche Programm einer „konsequenten Exegese“ und bringt hermeneutische Theologie als besonders überzeugende Spielart der Wort-Gottes-Theologie, deren Abgesänge er zu Recht als verfrüht bezeichnet, wieder ins Gespräch (vgl. 149ff), während Christof Landmesser Bultmanns Suche nach einer theologischen Exegese nachzeichnet und das Freiheitspotenzial neutestamentlicher Texte auch für die Gegenwart hervorhebt (vgl. 173ff). Unter dem Titel „Reichhaltige Resonanz“ reflektiert Hans Weder die Herme­ neutik metaphorischer Theologie (vgl. 227ff) und schließt mit dem Ergebnis: „Die Gleichnisrede Jesu und überhaupt die metaphorische Sprache des christlichen Glau­ bens arbeiten … an nichts Geringerem als an der Menschwerdung des Menschen“ (257). Die Herausgeber nehmen dieses Ergebnis auf und führen programmatisch wei­ ter, indem sie das Bemühen heutiger hermeneutischer Theologie bündeln: „vom Men­ schen so zu reden, dass seine Menschlichkeit nicht nur ex negativo aus seinem frag­ würdigen Umgang mit anderen, seiner Umwelt und sich selbst, sondern positiv aus

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dem Überraschungspotential der sich selbst vermittelnden Menschlichkeit Gottes heraus verständlich wird“ (S. XXII). Assel, Heinrich: So schwer wie nötig! So schwierig wie möglich? – Hermeneutik einst und jetzt. Was Bibeltexte fremd belässt und was sie unnötig schwierig macht. In: VuF 58 (2013) 82–110. Im Kontext des Themenheftes „Wirkungsgeschichte ‚schwieriger‘ Bibeltexte“ präsen­ tiert Vf. Entwicklungen innerhalb der neueren Hermeneutik, strukturiert in die Her­ meneutik schwieriger Bibeltexte, in die Hermeneutik des Bösen und in die Kritik her­ meneutischer Urteilskraft. Vf. votiert dafür, der „Schrifttreue Gottes nicht auszuwei­ chen“ (110).

18. Neue Zugänge Finnern, Sönke: Narratologie und biblische Exegese. Eine integrative Methode der Erzählanalyse und ihr Ertrag am Beispiel von Matthäus 28 (WUNT II/285). Tübingen 2010. In seiner durch Jörg Frey betreuten Münchner Dissertation zeigt Vf. die differenzier­ ten und unterschiedlichen Ansätze der Narratologie, präzisiert sie und füllt Lücken aus; dabei werden sowohl historische Fragestellungen integriert wie die Leser- und Autorintention neu gewürdigt. Abschließend wird Mt 28,1–20 narratologisch analy­ siert mit den Schritten Erzählebenen/Fiktionalität, Umweltanalyse, Handlungsana­ lyse, Figurenanalyse, Perspektivenanalyse und Rezeptionsanalyse. Verbindungen zur neueren Homiletik und Liturgik werden im Ausblick angedeutet (487f). Oestreich, Bernhard: Performanzkritik der Paulusbriefe (WUNT 296). Tübingen 2012. Performamz, Performativität und performance spielen in den Kulturwissenschaften zur Zeit eine herausgehobene Rolle. Innerhalb der Praktischen Theologie wurden sie stark in Liturgik, Homiletik und Religionspädagogik rezipiert. Vf., der im Vorwort auch auf die Parallelität zu Homiletik und Predigtpraxis hinweist, erschließt die vor kurzem als performance criticism begonnene exegetische Verwendung, erweitert sie methodenkritisch und wendet sie auf zentrale Abschnitte der Paulusbriefe an. Exegetisch und hermeneutisch wird prinzipiell berücksichtigt, dass die Briefe in den Adressatengemeinden mündlich laut vorgelesen wurden. Diese Verstehens- und Rezeptionssituation bildet den Fokus des Interesses und entthront die unhinterfragte Annahme eines individuellen Leseaktes. Daher sind beispielsweise Mündlichkeit und Körperlichkeit, gesellschaftliche Konventionen als Rahmenbedingungen, Interaktion mit dem Publikum, Flüchtigkeit und Emergenz und die Rolle der Vortragenden im Interesse des Exegeten, die nun mit der Textanalyse verbunden und für solche Texte angewandt werden, in denen die Gemeinde oder bestimmte Gruppen bestärkt, gewon­ nen oder aber ausgeschlossen werden. Dabei werden Philemon, Röm 14,1–15,13; 1 Kor 12; 1 Thess 5,12ff; Gal und 1 Clem ausführlich untersucht. Vf. schließt: „In einer Performanz wird die Bedeutung des Gesagten aus mehreren Quellen generiert: aus dem, was die Zuhörer körperlich durch Mimesis erleben, aus dem gesellschaftlichen Rahmen der Aufführung, durch den das Gesagte nicht als ‚nor­ male‘ Kommunikation, sondern entsprechend der Performanz verstanden wird, aus der Freude an ästhetisch gelungener Kommunikation – oder dem Gegenteil –, aus der Tradition, die durch Formeln und Anspielungen für die Kundigen ins Gedächtnis

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gerufen wird, aus dem, worauf die Sprache semantisch verweist, aus den emotionalen Impulsen, die die Performanz vermittelt und natürlich aus der Interaktion zwischen Vortragendem und Zuhörenden und der Interaktion der Zuhörenden untereinander. […] Performanzkritik erschließt für den heutigen Leser etwas von der Fülle der Bedeutungen und Wirkungen der Sprachereignisse, von denen die neutestamentlichen Texte zeugen“ (256). Im Unterschied zur Praktischen Theologie, der bei konkreten Predigten, Gottesdiensten oder Unterrichtsentwürfen auch die vielfältigen Resonan­ zen und Reaktionen wenigstens potentiell zur Verfügung stehen, bleibt die Exegese der Paulusbriefe auch bei der Performanzkritik auf die Textentstehung begrenzt, öff­ net aber den Blick auf rhetorische Strategien, die als performative Akte des Paulus gegenüber divergenten Gemeindegruppen verstanden werden. Themenheft: Religion und Körper. ZNT 14 (2011), Heft 27. Themenheft: Sex und Macht. ZNT 15 (2012), Heft 30. Die Zeitschrift für Neues Testament zeichnet sich durchgängig durch ihre interdiszi­ plinären Perspektiven auf das NT aus und pflegt seit Gründung den Diskurs mit unterschiedlichen Wissenschaften. Im erstgenannten Themenheft werden neutestamentliche Beiträge zu den weitverbrei­ teten philosophischen und kulturwissenschaftlichen Körperkonzepten geboten. Christian Strecker beginnt mit einem klaren wie anregenden Überblick über die For­ schungsgeschichte. Annette Weissenrieder erschließt die soma-Diskurse in der antiken Medizin und Philosophie, Markus Sehlmeyer die körperlich-rituellen Aspekte der römischen Reichsreligion und François Vouga die paulinischen Leib-Aussagen. In der Kontroverse streiten Eckart Reinmuth und Matthias Klinghardt über die Frage, ob in 1 Kor 10f die ekklesiale Gemeinschaft eher über den Körper des Gekreuzigten oder unter Rückgriff auf das antike Mahl-Ethos begründet wird. Im zweiten Themenheft werden der antike Geschlechterdiskurs und das NT bedacht: von Matthias Klinghardt in einem umfassenden Überblick, der von der biblischen Schöpfungsgeschichte über rabbinische Auslegungen, antike Philosophie und Medizin bis zur Patristik reicht, von Anders Klostergaard Petersen im Blick auf die Konstruk­ tionen von Geschlecht und Sexualität und von Beate Wehn in ihrer Analyse realer Gewalterfahrungen von Frauen im Spiegel der Thekla-Akten. Lukas Bormann und Eckart Reinmuth streiten über die Frage, ob das NT Grundlage einer zeitgemäßen Sexualethik sein kann. Zimmermann, Ruben: Geschichtstheorien und Neues Testament. Gedächtnis, Diskurs, Kultur und Narration in der historiographischen Diskussion, in: Early Christianity 2 (2011) 417–444. Nach wie vor wirken – nicht zuletzt in medialen „Faktenchecks“ publikumswirksam alle Jahre wieder zu Weihnachten, Karfreitag und Ostern unternommen und verbrei­ tet – positivistische Geschichtsverständnisse, die leichthin zwischen bruta facta und den sie verzeichnenden oder verschleiernden Texten unterscheiden zu können meinen. Vf. summiert die Theorien und Zugänge der neuen Geschichtswissenschaften, per­ spektivisch markiert durch die Begriffe des Untertitels, und deren Auswirkungen auf die Exegese. „Eine ntl. Wissenschaft, die sich als historische Disziplin mit der Rekon­ struktion von Vergangenem begnügt, missachtet die Gegenwartsorientierung der his­ torischen Erzählungen des NT. Nicht erst gegenwärtiges oder kirchliches Interesse, sondern die narrative Verfasstheit der Texte selbst gebieten deshalb den Einsatz ‚aneignender‘ Methoden der Analyse. Ziel der Exegeten darf dabei nicht sein, eine Mustersinnstiftung vorzuschreiben, sondern vielmehr Geburtshilfe für die Sinnfin­ dung der jeweiligen Leserinnen und Leser zu leisten“ (442).

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Nehring, Andreas/Wiesgickl, Simon: Postkoloniale Interpretationen biblischer Texte. In: VuF 58 (2013) 150–157. Die Vf. präsentieren einen Überblick über neuere Publikationen zur Postkolonialen Interpretation vor allem neutestamentlicher Texte. Anregende Ergebnisse liegen in drei Bereichen vor: bei der Entstehungsgeschichte der Bibel, bei der Wirkungsge­ schichte – z. B. infolge von Kolonialismus und Mission – und bei den Stimmen der Marginalisierten innerhalb der Bibel. Dabei werden zugleich zwei Problemkonstella­ tionen kritisch benannt: die infolge der kritischen Distanz zu westlicher Rationalität und Dominanz starke Ablehnung der historisch-kritischen Methode und die Suche nach alternativen Quellen der Spiritualität jenseits der Bibel.

19. Einzelne Themen Hagenow, Stephan: Heilige Gemeinde – Sündige Christen. Zum Umgang mit postkon­ versialer Sünde bei Paulus und in weiteren Kontexten des Urchristentums (TANZ 54). Tübingen 2011. In seiner Heidelberger Dissertation aus dem Jahr 1996, die nun endlich in erweiterter Form publiziert wurde, zeigt Hagenow mit welchen kultischen, apokalyptischen und heiligkeitsethischen Deutungen Paulus auf konkrete Fälle und allgemeine Fragestel­ lungen der Sünde der Christen reagiert. Dabei ging es immer auch um die Frage der Glaubwürdigkeit der christlichen Gemeinde: „Hohe theologische Erwartungen trafen mit ganz profanen Alltagsschwierigkeiten zusammen, hehre Ideale mit banalen, teils unappetitlichen Praxisproblemen, Bekehrungsrausch mit allzu Menschlichem“ (S. V). Vf. votiert gegen die unterschiedlichen, nicht selten konfessionell gefärbten Ergebnisse der bisherigen Exegese für die Fremdheit paulinischer Anthropologie, die nicht durch anachronistische Begriffe der Dogmengeschichte nivelliert werden darf. Aus der Fülle der exegetischen Einzelbeobachtungen sei besonders hervorgehoben, dass Vf. die pau­ linische Heiligkeitskonzeption als wichtigen Hinweis auf das Sündenverständnis als Störung und Bedrohung des gemeindlichen Sozialgefüges interpretiert, die der gängi­ gen Dominanz, Sünde primär und nahezu ausschließlich als Störung der Gottesbezie­ hung des Einzelnen entgegensteht. „Nicht die Tatsache des Sündigens ist entschei­ dend, sondern die Frage, ob sich der Sünder durch seine Tat aus der Gemeinschaft heraus nimmt oder nicht“ (318). Dabei vertrat laut Vf. Paulus weder ein ethisches noch ein eschatologisches Sündlosigkeitsideal und verwendet in der Auseinandersetzung mit den Sünden der Christen auch keine Rechtfertigungsterminologie: „Einen ständi­ gen Prozess der Gewährung von göttlicher Gnade als Antwort auf die Reue des sünd­ haften Glaubenden kennt der Apostel nicht“ (322). Demgegenüber ist der Macht der Sünde durch Gebet und Gerechtigkeit zu widerstehen. Röhser, Günter: Paulus und die Herrschaft der Sünde. In: ZNW 103 (2012) 84–110. In diesem ausführlichen Aufsatz untersucht Vf. exegetisch und forschungsgeschicht­ lich drei miteinander verbundene Fragestellungen: das Selbstverständnis von Paulus als „Sünder“, auch unter Bezugnahme auf das „Ich“ in Röm 7, die Deutungen von Sünde als Tat, als Macht und als Abstraktpersonifikation und die Sündlosigkeit der Christen. Vf. kommt zum Ergebnis, dass „Sünder“ für Paulus keine mögliche Selbst­ bezeichnung von Christen ist, die mit Hilfe des Geistes dem Angriff der Sünde erfolg­

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reich widerstehen können; für Paulus ist die Gemeinde kein sündenfreier, wohl aber ein „Sünde-freier“ Raum. Themenheft: Sünde. ZNT 16 (2013), Heft 32. Das Themenheft bietet einen „Beitrag zu einer verantworteten Rede von Sünde jen­ seits von Dogmatismus und wohlfeiler Ermäßigung“ (1). Dazu werden nach einem spannungsreichen Überblick zur Rede von Sünde in Gesellschaft, Kirche und NTWissenschaft (Hanna Roose) neutestamentliche Untersuchungen zum Thema „Krank­ heit und Sünde“ (François Vouga), zur „Sünde im Jakobusbrief“ (Matthias Konradt) und zu antithetischen Fleisch-Geist-Konzepten bei Aristoteles, der Stoa und bei Pau­ lus (Troels Engberg-Pedersen) geboten. Das Böse. JBTh 26 (2011). In dem Jahrbuch für Biblische Theologie, das konzeptionell Beiträge aus allen theolo­ gischen Disziplinen bietet und hier auch noch judaistische, kultur- und literaturwis­ senschaftliche Analysen beinhaltet, werden in den neutestamentlichen Aufsätzen von Christian Strecker die „Wirklichkeit der Dämonen“, von Christfried Böttrich das „Rätsel der Judasgestalt“, von Samuel Vollenweider „Luzifer – Herrlichkeit und Sturz des Lichtengels“ und von Jutta Leonhardt-Balzer „Bilder des Bösen in den johannei­ schen Schriften“ untersucht (vgl.117–256). Themenheft: Teufelszeug. ZNT 14 (2011), Heft 28. In diesem Themenheft wird eine vielfältige neutestamentliche Sicht auf das Böse gebo­ ten, das hier nicht unseriös oder salopp als „Teufelszeug“ karikiert werden soll, son­ dern dadurch treffend das Diffuse des Phänomens zeigt, das sich bekanntlich nicht mit philosophischen oder theologischen Definitionen, sondern nur mit einem „Wörtlein“ besiegen lässt. Jutta Leonhardt-Balzer liefert zunächst einen Überblick über die „Kon­ texte des Bösen im NT“; dann folgen drei Aufsätze zu „Jesus als Befreier vom Satan und den Mächten“ (Susan R. Garrett), zur Überwindung des Bösen in den Synopti­ kern, 2 Kor und Apk (Christfried Böttrich) und zur Apokalypse des Johannes (Michael Labahn). Peter Busch und Manuel Vogel führen die Kontroverse über den oder das Böse. Geben und Nehmen. JBTh 27 (2012). Dieses Jahrbuch widmet sich interdiziplinär der von M. Mauss und anderen entwi­ ckelten Gabentheorie, ihren sozialen und kulturellen Implikationen. Neben literaturund kulturwissenschaftlichen Beiträgen, alttestamentlichen, judaistischen, histori­ schen, systematisch- und praktisch-theologischen Untersuchungen analysieren die neutestamentlichen Beiträge Aspekte der Eucharistie (Michael Theobald, siehe oben) und bieten grundlegende Einblicke in die Gabentheorien und ihre Anwendungen auf das NT (Ole Davidson), in das Verhältnis von Ökonomie und Theologie im entste­ henden Christentum (Hermut Löhr) und in die Vorstellung vom Reich Gottes als Gabe (Karl-Heinrich Ostmeyer). Johnson, Lee A.: Women and Glossolalia in Pauline Communities. The Relationships between Pneumatic Gifts and Authority. In: Biblical Interpretation 21 (2013) 196–214. Johnson verbindet soziokulturelle Einsichten in Strukturen und Verhaltensmuster in zeitgenössischen pentecostalen Kirchen mit dem Verständnis der korinthischen Glos­ solalie. Hinsichtlich der alten crux, wie das Verhältnis zwischen 1 Kor 11,5 (positive und aktive Rolle der Frauen im Gottesdienst) und 14,34f (mulier taceat in ecclesia) zu deuten sei, zeigen die genannten Einsichten in moderne Konstellationen, dass das Wir­ ken der Frauen in geistgeleiteter Rede im Gottesdienst nicht selten mit patriarchal dominiertem Verhalten außerhalb des Gottesdienstes bruchlos einherzugehen scheint. „If the Corinthian women are not acting as official voices of the Spirit, Paul com­

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mands them to keep silent in the service“ (214). Dass diese Position mit dem egalitären Konzept des Apostels (Gal 3,28) in Konflikt steht, ist nicht zu leugnen. Carlson, Stephen C.: The Accommodations of Joseph and Mary in Bethlehem: Κατά­ λυμα in Luke 2,7. In: NTS 56 (2010) 326–342. Die genaue Bedeutung von κατάλυμα in Lk 2,7 ist umstritten. Statt der üblichen Bedeutung von „Herberge“ votiert Vf. allgemein für einen „Platz, um zu bleiben“. Gleichzeitig schlägt er vor, die allzu bekannte Geburtsgeschichte und ihre kulturell wirksame Ausstattung mit Stall, Krippe, Herberge, Herbergsbesitzer, etc. zu beseiti­ gen. Naheliegender sei, dass die Verlobte Maria in Bethlehem, Josefs Stadt, in das Haus Josefs bzw. eines seiner Verwandten einzog, dass dann beide im angebauten klei­ nen Brautzimmer wohnten, das aber zu klein für eine Geburt war. Diese fand dann im Hauptraum des Hauses statt. Da sich in jedem ländlichen Haus eine Krippe befand, ist auch aus diesem Grund kein Stall als Geburtsort anzunehmen. Yoshida, Shin: Trauerarbeit im Urchristentum. Auferstehungsglaube, Heils- und Abend­ mahlslehre im Kontext urchristlicher Verarbeitung von Schuld und Trauer. Göttingen 2013. In dieser von Peter Lampe betreuten Heidelberger Dissertation greift Vf. Überlegun­ gen der japanischen Theologie auf, verbindet sie mit Methoden der historischen Reli­ gionspsychologie und macht so auf die Bedeutung von Trauer und Trauerarbeit für die Entstehung des Urchristentums, der Abendmahlstheologie und den Auferste­ hungserfahrungen aufmerksam.

20. Theologische und interdisziplinäre Sammelbände Lampe, Peter/Schwier, Helmut (Hg.): Neutestamentliche Grenzgänge. Symposium zur kritischen Rezeption der Arbeiten Gerd Theißens (NTOA 75). Göttingen 2010. Theißen, Gerd: Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt. „Neutestamentliche Grenz­ gänge“ im Dialog (NTOA 78). Göttingen 2011. Die Beiträge des Heidelberger Symposiums zum 65. Geburtstag Gerd Theißens zeich­ nen den weiten Bogen nach, den der Jubilar mit seinen vielfältigen Forschungen vorge­ geben hat und auf die er wiederum mit einer eigenen Veröffentlichung reagiert und darin auf jeden einzelnen Beitrag antwortet, so dass der begonnene mündliche Dialog auf dem Symposium weiter geführt und vertieft wurde. Im Symposiumsband würdigt Peter Lampe den Grenzgänger Gerd Theißen (vgl. 9ff). Daran schließen sich Beiträge an zu den Bereichen „Theorie der urchristlichen Reli­ gion“ (Ulrich Luz, Heikki Räisänen), „Jesusforschung und frühchristliche Sozialge­ schichte“ (Bengt Holmberg, Wolfgang Stegemann, Annette Merz), „Literaturge­ schichte“ (David Trobisch, Oda Wischmeyer), „Psychologie“ (Martin Leiner, Petra von Gemünden) und „NT in praktisch-theologischen Feldern“ (Elisabeth Parmentier, Helmut Schwier). Eberhard Faust, Schüler Theißens und mit einer Dissertation über den Epheserbrief promoviert, aber inzwischen als Geoökologe tätig, steuert einen anregenden Text bei zum Thema „Globaler Klimawandel, globale Klimakatastrophe – Mythische Elemente in der kulturwissenschaftlichen und medialen Diskussion“ (vgl. 202ff). Der Band wird umrahmt von zwei bisher unveröffentlichten Texten des Jubi­ lars, seiner Heidelberger Abschiedsvorlesung „Protestantische Existenz heute“ (13ff) und seiner Heidelberger Antrittsvorlesung von 1980, deren Veröffentlichung damals

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scheiterte, aber deren Grundgedanken in Theißens Buch über „Biblischer Glaube in evolutionärer Sicht“ ausgearbeitet wurden: „Neutestamentliche Christologie und modernes Bewusstsein“ (228ff). Balch, David L./Weissenrieder, Annette: Contested Spaces. Houses and Temples in Ro­ man Antiquity and the New Testament (WUNT 285). Tübingen 2012. Inwiefern und wo sind Räume „umstritten“? Inwiefern bilden archäologische Erkenntnisse der Antike eine Grundlage zum Verständnis neutestamentlicher Texte, beispielsweise zum Abendmahl? Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen wie Archäologie, antiker Kunst und Neuem Testament widmen sich religiösen und paga­ nen Räumen in der Kaiserzeit in Pompeji, Herculaneum, Rom, Ephesus oder Korinth. An erster Stelle steht ein archäologisches Anliegen: Es soll ein Einblick in die Eigenar­ ten der Typologie in antiken Räumen wie domus, villa und insula vermittelt werden. Anschließend werden die Raumtypologien in Beziehung zu neutestamentlichen Tex­ ten gestellt, um Fragen nach Leitungsformen, Mahlgemeinschaften, sozialen Bezie­ hungen und ethischen Grundsätzen konziser beleuchten zu können und die Wechsel­ wirkung von Architektur, Raumerfahrung, sozialem Handeln und religiöser Erfah­ rung in der Antike zu benennen und die bisherigen philosophischen und soziologi­ schen Raumdiskurse zu bereichern. Die dem Buch beiliegende CD dokumentiert die in den Beiträgen erwähnten Bilder und Abbildungen. Alle Beiträge sind in englischer Sprache publiziert. Lips, Hermann von: „… und nicht die Perlen vor die Säue“. Gesammelte Studien zum Neuen Testament. Zum 70. Geburtstag von Hermann von Lips, hg. v. Christian Sen­ kel (ABG 43). Leipzig 2012. Die gesammelten Studien machen verschiedene wissenschaftliche Analysen und allge­ meinverständliche Vorträge zur Weisheitsliteratur, zur neutestamentlichen Brieflitera­ tur (mit einem Schwerpunkt auf den Pastoralbriefen), zu Kanon, Schrifthermeneutik (z. B. zu Fragen feministischer Hermeneutik und zu androzentrischer Sprache in der Bibel) sowie zu verschiedenen Aspekten neutestamentlicher Theologie und Ge­ schichte. Sieben Universitätspredigten runden den Band mit dem Blick in die homileti­ sche Praxis des Jubilars ab. Das Rätselwort aus Mt 7,6, das den Titel des Buches bildet und das Udo Schnelle im Geleitwort zu Recht ein „Kabinettstück neutestamentlicher Exegese“ (9) nennt, ent­ schlüsselt Vf. nach ausgiebiger traditions- und religionsgeschichtlicher Analyse. Auf der Bildebene: „Wenn du dich gegenüber Hunden und Schweinen entgegen den übli­ chen Gewohnheiten (konkret: betreffs Fütterung) verhältst und sie dadurch reizt oder herausforderst, brauchst du dich über gegebenenfalls schlimme Folgen nicht zu wun­ dern“ (28); übertragen: „Wenn du dich (anderen Leuten gegenüber) unangemessen verhältst, musst du mit entsprechenden Reaktionen und Folgen rechnen“ (ebd.); Jesus verwendete es als prophetisches Gerichtswort: ein falsches Verhalten oder Tun der Hörer der Botschaft Jesu fällt auf sie selbst zurück, „liefert sie dem Gericht Gottes aus“ (31). Demgegenüber ist der gewachsene und heutige sprichwörtliche Sprachge­ brauch ziemlich banal (vgl. 34). Avemarie, Friedrich: Neues Testament und frührabbinisches Judentum. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Jörg Frey und Angela Standhartinger (WUNT 316). Tübingen 2013. Der vorliegende fast 1000-seitige Band präsentiert wichtige und gehaltvolle Aufsätze (vier bisher unpublizierte) des Marburger Neutestamentlers und Judaisten Friedrich Avemarie, der 2012 kurz vor seinem 52. Geburtstag unerwartet verstarb. Breit gestreut in den Einzelthemen stehen Untersuchungen zum antiken Judentum und frührabbini­ schem Denken (13 Texte), zur Apostelgeschichte und zum frühen Christentum (5

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Texte), zu Jesus (5 Texte) und zu Paulus (8 Texte) im Zentrum; hier ist auch der für die Debatte um das Verständnis der „Werke des Gesetzes“ wichtige Aufsatz zum Jakobusbrief aufgenommen, der den bezeichnenden Untertitel „A very old perspective on Paul“ (671) trägt und in dem Vf. nachweist, dass hier – im Kontext der paulinischen Debatte – die Werke des Gesetzes keinen engen rituellen oder abgrenzenden Sinn haben. „Hätte Jakobus die These von der Rechtfertigung ohne Werke auch dann abge­ lehnt, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie sich lediglich auf das jüdische Ritual­ gesetz als Identitätssymbol bezog? Wahrscheinlich ist es nicht, und so folgt, dass ihm ein solch eingeschränktes Verständnis der These entweder unbekannt war oder aber so marginal oder fragwürdig erschien, daß er in ihm keine ernsthafte Antwort auf seine Zweifel an seiner These zu erblicken vermochte. Welche historische Bedeutung kann aber ein solches Verständnis der Rechtfertigungsthese gehabt haben, wenn ihm nicht einmal ein so früher Paulusleser wie Jakobus zu folgen bereit war? Mit dieser offenen Frage sehen wir der ‚next round‘ entgegen“ (699). Zwei neuere Texte themati­ sieren die Wiedergeburt und die Erlösungshoffnung. Jörg Frey würdigt zudem das wissenschaftliche Oeuvre und Vermächtnis Avemaries. Eisele, Wilfried/Schaefer, Christoph/Weidemann, Hans-Ulrich (Hg.): Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Chris­ tentum, FS Michael Theobald (HBS 74). Freiburg i. Br. 2013. In dieser Festschrift, auf die bereits auf die Beiträge von Weidemann zum Abendmahl und Hofius zum Amtsverständnis näher hingewiesen wurde (siehe oben), werden Transformationsprozesse in den Evangelien und der Apostelgeschichte, bei Paulus und frühchristliche Rezeptionen biblischer Schriften detailliert untersucht. Drei fun­ damentaltheologische Beiträge zu Begriff und Verständnis von „Tradition“ beschlie­ ßen den Band. Dadurch wird der theologische Ansatz des Jubilars, dass Aneignung durch Transformation entstehe, aufgegriffen und sachkundig wie anregend entfaltet. Themenheft: Übersetzungen. ZNT 13 (2010), Heft 26. Nicht zuletzt durch die „Bibel in gerechter Sprache“ ist die Frage der Bibelüberset­ zung jüngst in Theologie und Kirche leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wor­ den. Im vorliegenden Heft werden Kunst und nie endende Mühe des Bibelüberset­ zens, die wohl immer anfechtbar bleibt und nie endgültig sein wird, aus verschiedenen Perspektiven analysiert. Ute E. Eisen gibt einen kundigen und anregenden Überblick, beginnend mit vorreformatorischen Teilübersetzungen bis zur Bibel in gerechter Spra­ che, Günter Röhser schlägt Kriterien einer guten Bibelübersetzung vor, während Charlotte Methuen die theologische Sprache und Interessen der Lutherübersetzung aufzeigt. In der Kontroverse streiten Adrian Schenker und Stefan Schorch über die Kanonfrage unter dem Gesichtspunkt, ob das hebräische oder das griechische Text­ corpus zugrunde gelegt werden soll. Stefan Alkier votiert schließlich für eine Ethik der Übersetzung.

21. Kommentar zum NT Berger, Klaus: Kommentar zum Neuen Testament. Gütersloh [2011] 22012. Auf imposanten 1050 Seiten, zweispaltig gedruckt, kommentiert Vf. das gesamte NT. Die Aufnahme kritischer Methoden der Kompositions- und Gattungskritik sowie reli­ gionsgeschichtliche Vergleiche verbinden diese Auslegung mit moderner wissenschaft­

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licher Exegese, für die Vf. in anderen Publikationen häufig nur Polemik übrig hat. Durch die Aufnahme vormoderner Auslegungen seit der Alten Kirche erweitert Vf. den Blick auf vielfältige Rezeptionen und Verstehensbemühungen um die biblischen Texte. Während die extreme Frühdatierung fast aller Schriften den Forschungskonsens in Frage stellt (in der Exegese eine ärgerliche, aber immer notwendige Störung!), ist die Einzelauslegung wenig von Datierungsentscheidungen betroffen. Die einzelnen Perikopen, teilweise Einzelverse, werden mit starkem Rückgriff auf innerbiblische Referenzen und jüdische wie pagane Quellen durchgängig erläutert.

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Literaturbericht Liturgik der deutschsprachigen Länder 2013 (2012) Jörg Neijenhuis

I. Quellen Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, begründet von Emil Seh­ ling, fortgeführt von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, hg. v. Eike Wol­ gast, Bd. 20: Elsass II: Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg), bearbeitet von Gerald Dörner. Tübingen 2013, 562 S. Der erste Teilband zu den evangelischen Kirchenordnungen des Elsass war ausschließ­ lich Straßburg gewidmet (JLH 51 [2012] 118), dieser zweite Teilband enthält Doku­ mente der evangelischen Territorien Grafschaft Hanau-Lichtenberg, Herrschaft Fle­ ckenstein, Herrschaft Rappoltstein und der Reichsstädte im Ober- und Unterelsass Mülhausen, Weißenburg, Münster im Münstertal (im Gregoriental), Hagenau, Col­ mar, die sich der Reformation anschlossen. Es fällt auf, dass die Reformation im Unterelsass später Fuß fassen konnte als im Oberelsass, was mit den politischen Gege­ benheiten, aber auch mit dem Bauernkrieg zusammenhing. Wie in den anderen Bän­ den dieser Edition ist jeder Dokumentation der Quellen eine ausführliche Einleitung über die Geschichte sowie über die Einführung der Reformation vorangestellt. So fin­ den sich Urkunden über die Einführung der Reformation, besondere Zuchtordnun­ gen, Predigerverordnungen, Eheordnungen, Feiertagsmandate etc. in der Edition, besonders hervorzuheben sind die Acht Reformationsartikel 1545 und die Kirchen­ ordnung 1573 der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, das Mandat zur Predigt des Evan­ geliums von Juli 1523, das Bekenntnis der Stadt Mülhausen 1537, Agende 1564 (geht auf die Basler Agende von Oekolampad zurück und enthält für Mülhausen Segnung der Ehe, Taufe, Abendmahl und Versehung der Kranken) und Katechismus 1580 der Reichsstadt Mülhausen, oder die Gottesdienstordnung, die zwischen 1601 und 1603 für die Reichsstadt Colmar gegeben wurde.

II. Agenden, Lektionare Agende Band III/3: Die Trauung. Hg. v. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Kassel 2013, 292 S., 1 CD-ROM. Dieses Agendenbuch gliedert sich in vier Teile: Einleitung, Ordinarium, Proprium, Anhang. Unter Ordinarium wird ein vollständiger Gottesdienstentwurf verstanden, der in seiner Abfolge verbindlich ist. Als Proprium werden weitere Texte aufgeführt, die alternativ zu den unter Ordinarium abgedruckten Texten verwendet werden kön­

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nen. Es werden sieben Trauordinarien aufgeführt: Der erste Traugottesdienst wird als paarbezogen bezeichnet und hat zwei Formen; es wird also ein Ehe begründet, die noch keine Kinder hat, was bei einer familienbezogenen Trauung, so eine weitere Form, nicht der Fall ist: Hier werden die Kinder mit in den Gottesdienst einbezogen. Für die paarbezogene Trauung werden zwei Formulare vorgelegt: eine klassische Form und eine unkonventionelle Form für Menschen, die aus eher nicht traditionsge­ bundenen Milieus kommen. Die familienbezogene Form der Trauung berücksichtigt nicht nur schon vorhandene Kinder (so dass diese Trauung eine Folge der Familien­ gründung ist), sondern auch die Wiederheirat Geschiedener mit Kindern aus verschie­ denen Beziehungen, die (Wieder-)Heirat in der zweiten Lebenshälfte mit (erwachse­ nen) Kindern, die Wiederheirat Verwitweter. Entsprechend schließt sich der Traugottesdienst mit Taufe an, wobei die Taufe nach oder vor der Trauung erfolgen kann, und danach ein Traugottesdienst in Kurzform, die vielleicht gewählt wird, weil das Paar aus finanziellen Gründen kein großes Fest feiern will oder weil ein Paar schon längere Zeit standesamtlich verheiratet ist und nun um den Segen bittet. Vielleicht gibt es ja auch Paare, die keine „Traumhochzeit“ wol­ len oder als ältere und gegebenenfalls geschiedene Menschen nicht noch einmal densel­ ben Trauablauf wünschen. Es folgt die gemeinsame (ökumenische) Trauung mit zwei Formularen, einmal für die Feier in einer evangelischen, einmal in einer katholischen Kirche. Die Trauung mit einem nichtchristlichen Partner schließt die verschiedenen Trauformulare ab. Es folgen noch Gottesdienste zu Ehejubiläen. Die Einleitung zu dieser Agende ist ausführlich. Sie führt in das Ehe- und Trauver­ ständnis nach evangelischem Verständnis ein; die Vorbereitungsschritte bis zur Trauung werden aufgeführt, die besonderen Traugottesdienste werden erläutert, der Traugottesdienst wird in seinem interkonfessionellen, multireligiösen und pluralen Kontext dargestellt. Ein Abschnitt informiert über die Begleitung von Paaren bei besonderen Anlässen, wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paaren, die Begleitung in Trennungen, die anlassbezogene Segnung von Paaren. Zu den beiden letzten Möglich­ keiten wird kein Ritual vorgelegt, da hier nur individuell gehandelt werden kann. Zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist eine eigene Handreichung erschienen (die nachfolgend beschrieben wird). Abschließend werden Hinweise zur Verbindlichkeit und zum Gebrauch der Trauagende gegeben. Interessant ist auch die Gliederungsan­ sicht der einzelnen Trauliturgien. Die Trauliturgie steht links auf der Buchseite, rechts stehen dazu Erläuterungen und Varianten, wobei die linke Spalte etwa zweidrittel Platz der Breite einnimmt. Somit entfallen die Hinweise, Erläuterungen etc. im Fort­ gang der Rubriken (in anderen Agenden werden sie an den Beginn des Buchanfang gesetzt und selten zur Kenntnis genommen), was dem Verlauf und der Durchsichtig­ keit der jeweiligen Liturgie nur zugute kommen kann. Segnung von Paaren in eingetragener Lebenspartnerschaft. Materialien für den Gottes­ dienst. Hg. v. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck. Kassel 2013, 39 S. Die Einleitung hält fest, dass diese Handreichung aufgrund eines Beschlusses der Lan­ dessynode erarbeitet wurde. Die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werden in einem öffentlichen Gottesdienst gesegnet. Wenn Pfarrer dieses aus Gewis­ sensgründen nicht können, stellen sie ein Dimissoriale aus. Die Segnung wird in einem eigenen Register des Pfarramts dokumentiert. Es wird auch darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Segnung handelt, nicht um eine Trauung. Nicht das Ehepaar, son­ dern Partnerinnen und Partner werden begrüßt, es wird um Gottes Segen für die Part­ nerschaft gebeten, nicht für eine Ehe. Das hiermit vorgelegte Material ist keine agen­

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darisch verpflichtende Ordnung. Gleichwohl sind auch in dieser Handreichung das Wort Gottes, Gebet und Segen nach reformatorischem Verständnis wie bei einer Trauung konstitutiv. Für diese Segnung wird eine lange und eine kurze Form geboten, der weitere Texte zur Auswahl folgen.

III. Monographien und Sammelbände Angenendt, Arnold: Offertorium. Das mittelalterliche Meßopfer (LQF 101). Münster 2013, 562 S. Nach einer Einleitung über die Forschungslage und das Ziel dieser Untersuchung ist das Buch in vier Hauptteile und einen Schlussteil angelegt. „In der Antike: Vom mate­ riellen zum geistigen Opfer“ ist der erste Teil überschrieben, der das Thema Opfer mit einem Blick in die Religionsgeschichte eröffnet, und das christliche Opfer von der bib­ lischen Eucharistie bis zum römischen Hochgebet beschriebt. Deutlich ist eine Hin­ wendung vom materiellen zum geistigen Opfer festzustellen: „Nicht eigentlich ver­ leibt sich der Kommunizierende Jesus Christus ein, sondern umgekehrt verleibt Jesus Christus sich den Kommunizierenden ein.“ (35) In diesem Sinne wurden die konse­ krierten Gaben nicht Gott als Opfer dargebracht, sondern empfangen. Der zweite Teil umfasst das „Frühmittelalter: von der Eucharistie zur Messe“. Hier zeigt sich wieder ein gewisses materielles Verständnis des Opfers, da weder Germanen noch Slawen die Voraussetzung für ein geistiges Opferverständnis besessen haben sollen. Die Gaben­ darbringung wurde zur religiösen Pflicht, von der man sich Gottes Zuwendung ver­ sprach. Angenendt erörtert kultische Voraussetzungen, danach die Gaben und ihre Opferung, die Wandlung von Leib und Blut Christi, das Opfermahl in der Messe und die Toten-Messen. Der dritte Teil untersucht das „Hochmittelalter: Neubesinnung und scholastische Theologie“. Mit dem 12. Jahrhundert entsteht eine Liturgiereform, die Sakramente werden auf sieben begrenzt, die Messtheologie erinnert sich an Augus­ tinus’ Aussagen von dem äußeren Zeichen und der geistlichen Gnadenwirkung und an die damit verbundene Wesensverwandlung. Der vierte Teil umfasst das „Spätmittelal­ ter: Zwischen Anzahl und Andacht“. Es ist gekennzeichnet von einer starken Fröm­ migkeitstheologie und extremer Spiritualisierung, aber auch von einer enormen Ver­ dinglichung. So „erbrachte das Spätmittelalter keine allgemeine Reform, wie sie uns angemessen erscheinen möchte. Es regte sich ein Aufbruch, aber es geschah kein Durchbruch.“ (406) Abschließend werden „Rückblick und Ausblick“ geboten, wobei zunächst das dargelegte Material auf wenigen Seiten zusammenfassend gewürdigt wird, um danach relevante dogmatische und liturgische Stellungnahmen hierzu aufzu­ führen. Bärsch, Jürgen/Haunerland, Winfried (Hg.): Liturgiereform und Bistum (StPaLi 36). Regensburg 2013, 580 S. Die beiden Liturgiewissenschaftler haben bereits ein ähnliches Werk herausgegeben, das sich mit der Rezeption der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils an konkreten Orten befasst (Liturgiereform vor Ort. Zur Rezeption des Zweiten Vatika­ nischen Konzils in Bistum und Pfarrei, Regensburg 2010, vgl. JLH 50 [2011] 88 f.). Der nun vorgelegte Band befasst sich vorrangig mit der gottesdienstlichen Erneuerung in einzelnen Diözesen und Regionen. Für Deutschland werden die Bistümer Augs­ burg, (Dresden-)Meißen, Eichstätt, Freiburg, Fulda, Köln, Mainz, Osnabrück, Pader­

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born, Regensburg, für die Schweiz das Bistum Basel, für Österreich das Bistum Gurk, für die gesamte Niederlande als Schwerpunkt das Bistum Roermond betrachtet und danach auch für Polen und Chile die Ergebnisse dargelegt. Haunerland wertet diese liturgiewissenschaftlichen Beiträge zeitgeschichtlich aus und stellt das Ergebnis mit zwei Thesen dar: „Die Liturgiereform und die Rezeption der Liturgiereform sind in den vergangenen 50 Jahren wesentlich auf eine Umsetzung des ekklesiologischen For­ malprinzips der participatio actuosa ausgerichtet gewesen.“ (559) „Das heilsgeschicht­ liche Materialprinzip des mysterium paschale ist in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich weniger als das Prinzip der participatio actuosa bei der Liturgiereform und ihrer Rezeption beachtet und rezipiert worden.“ (560). Baschera, Luca: Die reformierte Liturgik August Ebrards (1818–1888). Entstehung, Gestalt und heutige Relevanz. Zürich 2013, 132 S. Es liegt hier eine kleine, verdienstvolle Untersuchung zu Ebrards reformierter Litur­ gik vor, denn Ebrard ist so gut wie vergessen. Dabei hat er eigene liturgiegeschichtli­ che Forschungen angestellt und in seiner Schrift „Versuch einer Liturgik vom Stand­ punkt der reformierten Kirche“ von 1843 auch eine eigene liturgische Position darge­ legt; 1847 folgte ein eigens entworfenes „Reformiertes Kirchenbuch“. Erbrard hat eine Liturgik folgendermaßen aufgebaut: Vom Wesen des Gottesdienstes ausgehend, nimmt er die Akteure und Elemente des Gottesdienstes sowie die Kunst und den Got­ tesdienst in den Blick, um anschließend eine ausführliche Typologie des Gottesdiens­ tes vorzulegen. Er legt Wert darauf festzustellen, dass auch die reformierte Liturgik eine organische Weiterentwicklung im Lauf des Christentums darstellt und ebenfalls weiterentwickelt werden kann bzw. muss. Für Ebrard ist der Gottesdienst ein „tele­ ologisches und metamorphotisches Handeln“. Er nimmt damit eine entschiedene Gegenposition zu Schleiermacher ein. War für Schleiermacher der Gottesdienst kein wirksames, sondern ein darstellendes Handeln und damit zweckfrei, so ist er für Ebrard unbedingt ein wirksames Handeln in Sinne von Gal 4,19, dass Christus in den Glaubenden Gestalt gewinnen will. „Da der Gottesdienst diese metamorphotische Wirkung entfaltet, ist er an sich – und nicht bloß per accidens – wirksam.“ (92) Gleich­ wohl hat der Gottesdienst nach Ebrard auch eine darstellende Funktion, denn wenn etwas dargestellt wird, dann hat das auch immer Wirkung. Berger-Zell, Carmen: Abwesend und doch präsent. Wandlungen der Trauerkultur in Deutschland. Neukirchen-Vluyn 2013, 334 S., 38 Abb. Diese poimenische Untersuchung gliedert sich in fünf Abschnitte: Theologische Trauerforschung – Sterben, Tod und Trauer – Der Mensch – Resonanzräume für Trauer – Herausforderungen für eine Leibsorge mit Trauernden. Es wird viel Geschichtliches aufgeführt; der Mensch wird als Verhältnis- bzw. Beziehungswesen definiert, das in Resonanzräumen lebt; Trauer wird als ein Resonanzgeschehen begrif­ fen, „das sich nach einem bedeutsamen Verlust ereignet.“ (12) Denn die Schwingungen gehen ins Leere. So suchen die Schwingungen nach einer neuen Form der Beziehung zu den Verstorbenen, da die alte Form obsolet geworden ist. In diesem Zusammen­ hang wird auch die Kraft des Rituals hervorgehoben, die es ermöglicht, neue Bezie­ hungen – als Schwingungen begriffen – entstehen zu lassen. Insofern richten sich Bestattungsfeiern nicht nur an die Lebenden, sondern auch an die Verstorbenen. Berndt, Rainer (Hg.): Wider das Vergessen und für das Seelenheil. Memoria und Toten­ gedenken im Mittelalter (Erudiri Sapientia 9). Münster 2013, 382 S., 33 Abb. Dass die eucharistische Liturgie auch eine Memoria ist, ist leicht an dem Wort Jesu – Das tut zu meinem Gedächtnis! – zu erkennen. Entsprechend wurde auch das Toten­ gedenken im Mittelalter verstanden und es trug wesentlich zur Identitätsbildung der

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lateinischen Kirche bei und hatte sich im Allerseelentag einen Ausdruck verschafft. Das wird in diesem Band in verschiedenen Beiträgen zu Liturgie, Exegese, Sakra­ mentsverständnis, Spiritualität deutlich. Im zweiten Teil geht es um Form und Ver­ breitung des Totengedächtnisses im Mittelalter, also um Martyrologien, Kalendarien mit Gedächtniseintragungen, Totenrollen, Nekrologien. Regelrechtes Gedenken übten zahlreiche Bruderschaften des Mittelalters aus. Im dritten Teil des Buches widmen sich weitere Beiträge der identitätsstiftenden Kraft von Memoria, die sich in Liturgien, Gräbern, Memorialbildern etc. zeigt und wirkt. Dabei ist das Totengedächtnis orien­ tiert am christlichen Auferstehungsglauben. Böntert, Stefan: Friedlicher Kreuzzug und fromme Pilger. Liturgiehistorische Studien zur Heilig-Land-Wallfahrt im Spiegel deutschsprachiger Pilgerberichte des späten 19. Jahrhunderts (Liturgia condenda 27). Leuven 2013, 514 S. Aus den Selbstzeugnissen von Wallfahrern ins Heilige Land aus dem 19. Jahrhundert erhebt Böntert ein Bild des Glaubensausdrucks, das sich nicht ausschließlich auf kirch­ lich sanktionierte Liturgien verlässt, sondern auch das persönliche Erleben solcher Wallfahrten mit würdigt. Denn der „Dialog zwischen Gott und Mensch findet immer neue und überraschende Haftpunkte, und gerade die Anerkennung der Vielgestaltig­ keit der Wege, die Gott in seiner Freiheit zu den Menschen wählt und die der Mensch beschreitet, um auf Gottes Anrede zu antworten, ist ein unaufgebbares Kernstück des Glaubens.“ (XVI) Dass bei einer solchen Darstellung Kultur, Theologie und Geschichte ineinander greifen und für die liturgiehistorische Erhebung und Wertung notwendig sind, spricht für sich selbst. Folgende, damals im deutschsprachige Raum publizierte Berichte hat Böntert ausgewertet: mehrere Einzelpilgerberichte, die von Laien wie von theologisch sachverständigen Personen, wie Theologieprofessor, Bischof oder Priester, geschrieben wurden; Berichte von Personen, die zwischen 1842 und 1910 an Gruppenreisen und an einem kirchenamtlichen Wallfahrtsplan teilnah­ men; auch sechs evangelische Pilgerberichte werden untersucht – ein Bericht stammt von Friedrich Adolph Strauss, der 1852 den Jerusalem-Verein gründete. Außer diesen privaten Wallfahrtszeugnissen werden offizielle Berichte und Gedenkbücher von kir­ chenamtlichen Großwallfahrten berücksichtigt, die seit 1898 durchgeführt wurden und an denen jeweils mehrere hundert Menschen teilnahmen. Neben der Darstellung der Wiederbelebung der Wallfahrten im 19. Jahrhundert und der Auswertung der Berichte würdigt Böntert in einem abschließenden Kapitel, wie sich die Wallfahrt an der Schnittstelle von Liturgie und zeitgenössischer Kultur bewegt und Theologie, Liturgie und Kultur aufeinander bezieht, ohne dabei politische und kirchenamtliche Interessen zu unterschlagen. Budde, Achim: Gemeinsame Tagzeiten. Motivation – Organisation – Gestaltung (PTHe 96), Stuttgart 2013, 350 S. Diese Untersuchung versucht die Frage zu beantworten, warum nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Wiederbelegung des Stundengebets nicht gelungen ist. Budde bezieht die Perspektive der Organisation und der Praktikabilität neben den eher selbstverständlichen theologischen und spirituellen Aspekten mit in seine Suche ein. Im ersten Teil der Untersuchung untersucht er die Motivation, aus der heraus „Christen als Einzelne, als Glaubensgemeinschaft und mit Blick auf die ganze Schöp­ fung“ (10) am Tagzeitengebet teilnehmen. Im zweiten Teil werden die organisatori­ schen Dinge, wie z. B. die finanzielle und personelle Ausstattung, Gebäudemanage­ ment, liturgische Dienste, Schulungen etc., dargestellt. Der dritte Teil bringt die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und führt zu sinnvollen Lösungen. Am Beispiel

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des neu eingeführten Mittagsgebets am Bonner Münster werden die Entscheidungen praktisch aufgezeigt. Bünz, Enno/Fouquet, Gerhard: Die Pfarrei im späten Mittelalter (Vorträge und For­ schungen 77). Ostfildern 2013, 439 S., 47 Abb. Der Erforschung der mittelalterlichen Pfarrei ist auch deshalb liturgiewissenschaftlich interessant, weil so gut wie alle Menschen in Europa dieser Zeit – außer den Juden – mit ihr in Berührung kamen, denn die Pfarrei verband auf ihre Weise Kirche und Lan­ desherrschaft, Stadt- und Dorfgemeinde und gliederte dadurch die Menschen in diese Strukturen ein. „Die Pfarrei ist mehr als nur eine kirchliche Institution, sie hat sich zu einem tragenden und belastbaren Strukturelement der mittelalterlichen Kirche und Gesellschaft entwickelt und ist damit ein Baustein Europas geworden.“ (424) In die­ sem Band sind zahlreiche Beiträge abgedruckt, die dies eindrucksvoll vor Augen füh­ ren anhand von Sichtweisen der Obrigkeit, aber auch durch Pfarrbücher für das dörfli­ che Alltagsleben, anhand von Architektur und Bildprogrammen, anhand der Taufe, des Stiftungswesens und selbstverständlich anhand des pfarrlichen Gottesdienstes. Die bonifatianisch-karolingische Liturgiereform hat den römischen Einfluss stark gemacht, bestimmte Entscheidungen über die bischöfliche postbaptismale Salbung hatten zur Folge, dass bis heute die Erstkommunion vor der postbaptismalen Salbung erfolgt. Weitere Reformen werden dargestellt für die Messe, die Predigt, das Stunden­ gebet, das Totengedenken, für Prozessionen, Kasualien, Buße und Beichte, die sich in Spuren oder sogar in bis heute in den Pfarreien nach wie vor geübten Traditionen fin­ den lassen. Eisele, Wilfried (Hg.): Gott bitten? Theologische Zugänge zum Bittgebet (QD 256). Frei­ burg i. Br. 2013, 291 S. Bittgebete werden als problematisch empfunden, dafür gibt es immer wieder alte wie neue Argumente. Auffallend ist allerdings, so Eisele, dass selten der biblische Befund zum Bittgebet als Begründung erhoben wird. Sondern stattdessen werde ein GottGegenüber konstruiert, das man nicht mehr fragen dürfe. Mit zwei Beiträgen wird der biblische Befund nun nachgeholt, denn die biblischen Bittgebete, wozu auch das Vaterunser gehört, zeigen anderes. In einem weiteren Beitrag wird untersucht, wie der Wechsel von einem mythologischen zu unserem naturwissenschaftlich geprägten Weltbild das Verständnis sowohl des Bittgebets als auch des Gottesbildes betrifft. Daran schließt sich eine philosophisch-theologische Erörterung des Wirkens Gottes in der Welt an. Ein Beitrag geht von den Differenzerfahrungen aus und fragt religions­ pädagogisch nach der Gebetskompetenz und der religiösen Kompetenz. Ein evangeli­ scher Beitrag, ausgehend vom reformatorischen Menschenbild des simul iustus et pec­ cator, verortet das Bittgebet zwischen dieser Differenz und Glaube, Liebe und Hoff­ nung. Ein letzter Beitrag erweitert den Blick auf die islamische Gebetspraxis. Fischer, Ingrid: Die Tagzeitenliturgie an den drei Tagen vor Ostern. Feier – Theologie – Spiritualität (PiLi 22). Tübingen/Basel 2013, 423 S. Nicht nur aus den Messen, sondern auch aus den Tagzeitengebeten ist geistlich zu schöpfen, wie Fischer darlegt. Deshalb ist es ihr Ziel, die Tagzeitenliturgie „als primäre Quelle genuiner christlicher Spiritualität und Frömmigkeit etwas mehr ins gebührende Licht zu rücken“ (2). Dazu hat sie drei ungewöhnliche Tage – Gründonnerstag, Kar­ freitag, Karsamstag – gewählt, weil mit dem darauffolgenden Osterfest die Mitte christlichen Glaubens gefeiert wird und weil in den diesem Fest vorausgehenden Tag­ zeitengebeten „jene schlichte und ursprüngliche Gestalt von Tagzeitenliturgie sichtbar (wird), die nicht nur einen einzigartigen Zugang zu schriftbezogener Paschatheologie eröffnet, sondern in ihrer Klarheit besonders geeignet ist, das fundamentale und funk­

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tionale Verstehen dieser Feierform zu fördern.“ (2) Der Gegenstand dieser Untersu­ chung ist die Feier der römischen Tagzeitenliturgie feria V in domini, feria VI in para­ sceven, et sabbato sancto, und zwar von den ältesten Quellen bis hin zur Neuordnung dieser Tagzeitenliturgie durch das Zweite Vatikanische Konzil. Als Quellen werden beigezogen die Ordines Romani, die allegorische Liturgieerklärung Amalars, ausge­ wählte Antiphonalien, dann das Pontificale Romano-Germanicum (10. Jh.), ausge­ wählte Libri Ordinarii (10. – 16. Jh.), die franziskanischen Bücher der römische Kurie (12./13. Jh.), das Breviarium Romanum 1586 und die gegenwärtige nachvatikanische Liturgia Horarum sowie das Benediktinische Antiphonale. Gregur, Josip/Hofmann, Peter/Schreiber, Stefan (Hg.): Kirchlichkeit und Eucharistie. Intradisziplinäre Beiträge der Theologie im Anschluss an 1 Kor 11,17–34. Regensburg 2013, 267 S. Der Liturgiewissenschaftler Gregur, der Fundamentaltheologe Hofmann und der Neutestamentler Schreiber haben gemeinsam ihre Antrittsvorlesung an der Katho­ lisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg gehalten. Daraus ist ein Sym­ posion geworden mit Beiträgen zur Kirchlichkeit und Eucharistie. Die genannten Autoren bieten den Zugang zu diesem Thema im Anschluss an das missglückte Her­ renmahl nach 1 Kor 11,17–34, anschließend werden die Bedeutungen der Mahlgemein­ schaft als Gastfreundschaft, als Hingabe und als Opfer der Kirche hervorgehoben. Unter dem Leitwort Verständigung werden Beiträge zum Umgang der Alten Kirche mit der Eucharistie, ob eine Papstkapelle das Zentrum der Kirche sein kann, und die Frage nach Eucharistie und Ontologie erörtert. Unter dem Stichwort Verkündigung folgen Beiträge aus religionspädagogischer, pastoraler und kirchenrechtlicher Sicht. Grethlein, Christian: Was gilt in der Kirche? Perikopenrevision als Beitrag zur Kirchen­ reform (Forum Theologische Literaturzeitung 27). Leipzig 2013, 197 S. Die im Werden begriffene Perikopenrevision in der Evangelischen Kirche in Deutsch­ land hat manche kritische Reaktion hervorgerufen, hier liegt nun ein fundierten Zwi­ schenruf vor. Eigentlich plädiert Grethlein für die Abschaffung einer Perikopenord­ nung, weil sie sich an staatliche, aus dem 19. Jahrhundert kommende Vorgaben hält und sie weiterführt. Stattdessen schlägt er vor, die Textauswahl für die Gottesdienste den Pfarrern vor Ort in die Hand zu legen und ihre theologische Kompetenz zu nut­ zen, denn nur so kommen jene in den Blick, die tatsächlich Gottesdienst feiern, mit­ samt ihrer Lebenssituation. Denn auch eine Weiterschreibung des Kirchenjahres zeigt nur auf, dass die tatsächlichen Lebenssituationen und -rhythmen vieler Kirchenmit­ glieder und der Verlauf des Kirchenjahres immer weiter auseinander klaffen. Daher plädiert Grethlein dafür, die Arbeit an der Perikopenrevision zunächst einzustellen. Seine Thesen begründet Grethlein mit zahlreichen empirischen Studien und mit der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, die es nicht ratsam scheinen lässt, eine Kirchenorganisation, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, weiterzuführen. Das spitzt Grethlein mit der Aussage „bei den Schriftlesungen steht die Existenzberechtigung evangelischer Kirche auf dem Spiel“ (197) noch weiter zu. Seine Argumente sind viel­ fältig gestützt, denn er legt eine Retroperspektive der Perikopenordnungen vor, sieht die Kirche in erheblichen Veränderungen begriffen und berücksichtigt dabei nicht nur die Kirchensituation, sondern auch die Situation von Politik, Kultur, Gesellschaft und Theologie. Er stellt ebenso ausführlich die Grundperspektive, die die Bibel im Gottes­ dienst hat, dar als auch die Lesungen, die für den jeweiligen Gottesdienst ausgewählt werden. Komplexe Vorschläge, die auch den Pfarrberuf betreffen, schließen sich an. Hascher-Burger, Ulrike/Lähnemann, Henrike, unter Mitarbeit von Braun-Niehr, Beate: Liturgie und Reform im Kloster Medingen. Edition und Untersuchung des Propst-

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Handbuchs Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. liturg. e. 18 (SMHR 78), 21 und wei­ tere Abb. Tübingen 2013, 432 S. Im Zuge der Reform des Zisterzienserinnenklosters Medingen um 1479 entstand auch das Handbuch für den Propst. Es regelt das Zusammenwirken von Propst und Kon­ vent und zeigt anschaulich die Rolle der Liturgie bei den Hochfesten im Kirchenjahr mit Prozessionen, Benediktionen und Gesängen, bei der Krankenversorgung, bei Begräbnissen etc. Das Handbuch geht auf einen älteren Codex zurück, der Orationen, Benediktionen, Präfationen und Gesänge enthielt. Es umfasst vier Teile: 1. Liber Ordi­ narius für die Hochfeste des Kirchenjahres, 2. Rituale für Krankensalbung, Bestattung, Totenvigil, 3. Konversen-Statuten, 4. Oblationsordnung. Neben dem Text des PropstHandbuches sind auch die Noten ediert worden, einige Abbildungen des historischen Exemplars, Zeichnungen des Klosters Medingen und Abbildungen aus Medinger Handschriften wurden ebenfalls beigegeben. Darüber hinaus beschreiben die Autorin­ nen die Reform und die Liturgie des Klosters und ordnen in diesen Zusammenhang auch das Propst-Handbuch ein. Dabei stellen sie die benachbarten Klöster, den Zister­ zienser-Orden sowie die kulturellen und religiösen Dimensionen des Propst-Hand­ buchs heraus, so dass das Handbuch nun in seiner buchgeschichtlichen, liturgischen und musikhistorischen Bedeutung erschlossen ist. Heike-Gmelin, Axel: Kremation und Kirche. Die evangelische Resonanz auf die Einfüh­ rung der Feuerbestattung im 19. Jahrhundert (Kasseler Studien zur Sepulkralkultur 19). Berlin 2013, 205 S. Der Autor leitet die Darstellung der recht kontroversen Debatte um die Haltung der evangelischen Kirchen zur aufkommenden Feuerbestattung im 19. Jahrhundert ein, indem er das Thema beschreibt, den Forschungsstand erhebt und Klärungen voraus­ schickt, wie z. B. was denn eigentlich unter „evangelisch“ zu verstehen sei. Er zeichnet anhand einzelner Personen, die sich öffentlich geäußert haben und anhand populärer Schriften und der Werbung der Feuerbestattungsvereine die Debatte um die Krema­ tion nach. Er untersucht des Weiteren theologische, insbesondere praktisch-theologi­ sche Literatur zu diesem Thema und bewertet abschließend die Argumente. Ein weite­ rer Teil der Untersuchung widmet sich der Praxis in einzelnen Landeskirchen oder zeigt auf, dass Krematorien gebaut und in Betrieb genommen wurden. Eine Schlusska­ pitel fasst die Untersuchung zusammen und wirft einen Blick auf aktuelle Fragen. Hoffmann, Veronika: Skizzen zu einer Theologie der Gabe. Rechtfertigung – Opfer – Eucharistie – Gottes- und Nächstenliebe. Freiburg i. Br. 2013, 583 S. Das Thema der Gabe ist mittlerweile ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das mit dieser Untersuchung in den Blick genommen und auf theologische Fragestellungen hin erörtert wird. Zuerst werden Theorien der Gabe aus Sozialwissenschaft, Philoso­ phie und Theologie gewürdigt: die grundlegende Schrift von Marcel Mauss und ihre Rezeption, woran sich zeigt, dass sich mittlerweile kein einheitlicher Begriff von Gabe mehr darstellen lässt. Denn Mauss forscht vorrangig ethnologisch, während heute gefragt wird, wie sich die Gabe in der Moderne verhält und verstehen lässt. Gleiches gilt auch für die Gabentheorien der Theologie, zu denen auch Luthers Gabentheologie gehört. Grundlegend ist die Frage, ob zum Geben der Gabe eine „Gegengabe“ erwar­ tet wird oder nicht: Wird das Gabegeben wechselseitig-ökonomisch, einseitig altruis­ tisch oder als ein gegenseitiges Anerkennen verstanden? Gleichermaßen ist die Frage entscheidend, ob Gabe nicht allzu sehr ambivalent ist. Auf Gottes Gnade bezogen evoziert sie weitere Fragen: „Ist Gnade, christlich gedacht, immer und zwingend ein­ seitig? Ist deshalb die Idee des Opfers als eines Gabegeschehens zwischen Gott und Mensch grundlegend unchristlich, ebenso wie jegliche Annahme von Wechselseitigkeit

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im Kontext der Eucharistie bzw. des Abendmahls?“ (283) So werden die oben genann­ ten Gabenmodelle bezogen auf die Rechtfertigung, das Opfer, die Eucharistie und auf die Gottes- und Nächstenliebe. Einige Aspekte: Bleibt die lutherische Rechtferti­ gungslehre nicht gerade durch ihre Ablehnung der Ökonomisierung der Beziehung zu Gott paradoxerweise der Ökonomisierung verhaftet? Wenn Jesu Tod als Opfer ver­ standen wird, dann kann das bedeuten, dass Menschen aufgrund „ihrer Unfähigkeit zur vollen Selbsthingabe mit ihm als Gabe vor Gott treten können.“ (407) Im Blick auf die Eucharistie(feier) scheint es, dass Verständnisalternativen wie anabatisch oder katabatisch, Gegenüber oder Ineinander von Gott und Mensch, personales oder sach­ haftes Opferverständnis der Komplexität dieses gabetheologischen Verständnisses von Eucharistie nicht gerecht werden. Im Blick auf die Gottes- und Nächstenliebe zeigt sich, dass Gabe mehrfach verstanden werden kann, z. B.: Dass das Geben Gottes an den Nächsten weitergegeben wird, damit der von der Gemeinschaft Ausgeschlossene wieder antworten kann oder der vom Heil ausgeschlossene Mensch wieder auf Gott antworten kann. Deutlich wird, dass Hoffmann ein Gabeverständnis favorisiert, das Gabe als eine gegenseitige Anerkennung versteht. Ihr eigener Entwurf versucht, Gabe in den Rahmen der Pneumatologie einzuordnen, da der Geist ja als Gabe bezeichnet wird. Hier erkennt man die Grenzen dieses Gabemodells, das fast unüberwindlich ein Gegenüber von Geber und Empfänger, von Gott und Mensch erzwingt. Dabei sind doch eigentlich drei Positionen zu bedenken: Geber, Empfänger und die Gabe, ohne die eine Gabetheologie nicht zustande käme. Pneumatologisch gedacht, wird der Mensch durch den Geist Gottes in seine Lebensbewegung hineingenommen. Das lässt sich aber gabetheoretisch kaum noch ausdrücken: „Die Hineinnahme des Menschen in die göttliche Lebensbewegung des Sich-Gebens und Sich-Empfangens durch den Geist lässt sich nur mit Hilfe einer Überdehnung des Modells der Gabe beschreiben, die es schließlich sprengt.“ (545) Jeggle-Merz, Birgit/Kranemann, Benedikt (Hg.): Liturgie und Konfession. Grundfragen der Liturgiewissenschaft im interkonfessionellen Gespräch. Freiburg i. Br. 2013, 275 S. Dass sich Liturgiewissenschaftler unterschiedlicher Konfessionen untereinander ken­ nen, dass Liturgiewissenschaft selbstverständlich auch ökumenisch gesehen wird, ja dass es eine liturgische Bewegung gibt, die sich immer ökumenisch verstanden hat und dazu noch als eine ökumenische Bewegung anzusehen ist, die auf die Einheit oder Versöhnung von Kirchen zielt, ist alles nicht neu. Und dass Traditionen voneinander lernen, ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch kein Geheimnis mehr, wie in den Beiträgen dieses Buches sichtbar wird. Aber beide Herausgeber machen deutlich, dass sich alle christlichen Konfessionen gemeinsam mit derselben Herausforderung befassen (müssen), die man gemeinhin als Säkularisierung bezeichnet. Davon ist die Liturgie, der Gottesdienst nicht ausgenommen – ganz im Gegenteil. Die Beiträge set­ zen sich ganz unterschiedlich damit auseinander: Es geht um das Für und Wider von Leseordnungen, um Tradition und Erneuerung im Gottesdienst, um Gebet und Litur­ gie, um die ekklesiologische Dimension der Liturgie, um Liturgie und Amt, um die tätige Teilnahme der Gemeinde, um Liturgie und Raum. Diese Beiträge lassen auf­ scheinen, wie ein ökumenisches Gespräch und wie ökumenische Liturgiewissenschaft sein kann. Kusmierz, Katrin/Plüss, David (Hg.): Politischer Gottesdienst?! (Praktische Theologie im reformierten Kontext 8). Zürich 2013, 176 S. Der erste Teil des Bandes ist der Erfahrung mit politischen Predigten gewidmet. Eine Pfarrerin und ein Pfarrer blicken auf ihre Predigttätigkeit zurück, ein kirchlich enga­ gierter ehemaliger Politiker stellt aus seiner Sicht Überlegungen zur politischen Pre­

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digt an. Es werden Beiträge aus der Perspektive der Homiletik und Liturgik zum poli­ tischen Gottesdienst geboten, des Weiteren folgen Beiträge aus der systematisch-theo­ logischen und ethischen Perspektive. Die Einleitung hält fest, dass die Beiträge teils von einem weiten, teils von einem engen Verständnis von politischem Gottesdienst bzw. Predigt ausgehen. Denn Gottesdienst zielt auf Lebensveränderung ab, was immer Politisches zugleich impliziert, auch wenn tagesaktuelle politische Themen nicht in der Predigt vorkommen. Zudem ist Gottesdienst immer öffentlich zu verste­ hen, was ebenfalls das Politische impliziert. Lathrop, Gordon W./Stuflesser, Martin (Hg.): Liturgiereformen in den Kirchen. 50 Jahre nach Sacrosanctum Concilium (Theologie der Liturgie 5). Regensburg 2013, 219 S. Dieser Band dokumentiert die Hauptvorträge, die während des Kongresses der Socie­ tas Liturgica im August 2013 in Würzburg gehalten worden sind. Die Tagung hatte die Liturgiereformen in den Kirchen zum Thema. Dazu wurden folgende Beiträge gehalten: Liturgiereformen in der Geschichte, Quellen liturgischer Reformen, theolo­ gische Grundlagen der Liturgie, Liturgiereform und Ekklesiologie, Liturgiereformen und die Frage von Macht und Autorität, Kultur und Sprache in der Liturgiereform, Liturgiereformen an sich, Kirchenbau und Kunst, Liturgie und Leben. Namhafte Ver­ treter der internationalen wie ökumenisch orientierten Liturgiewissenschaft waren beteiligt. Auch das Statement des Kongresses sowie sein Programm sind in diesem Band mit abgedruckt. Leven, Benjamin/Stuflesser, Martin (Hg.): Ostern feiern. Zwischen normativem An­ spruch und lokaler Praxis (Theologie der Liturgie 4). Regensburg 2013, 374 S. Dass normative Vorgaben für eine Liturgiefeier und reale Praxis einer gefeierten Litur­ gie manchmal weit auseinander klaffen, wird in diesem Band, untermauert durch eine empirische Studie, zum Thema gemacht. In der Studie geht es um das Triduum sac­ rum, das zum Objekt der Fragestellung wurde. Die empirische Erhebung aus dem Jahr 1984, die 2011 leicht ergänzt wiederholt wurde, soll zeigen, wie sich Liturgie mit oder trotz oder gegen normative Vorgaben weiterentwickelt. Im Ergebnis zeigt die empiri­ sche Untersuchung erhebliche Abweichungen von der Norm auf. Neben der Darle­ gung dieser Untersuchung enthält das Buch zahlreiche Beiträge unterschiedlicher Autoren zu den jeweiligen Feiern am Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht, die auf ihre Weise entweder die gesamte Feier eines Tages oder Aspekte daraus in der von der empirischen Untersuchung angegebenen Richtung darstellen, analysieren oder problematisieren. Marschler, Thomas: Für viele. Eine Studie zu Übersetzung und Interpretation des liturgi­ schen Kelchwortes. Bonn 2013, 234 S. Durch die neue Übersetzung des Messbuchs der römisch-katholischen Kirche wird aufgrund der Entscheidung Papst Benedikts XVI. beim Kelchwort eine Veränderung zu hören sein: Es soll nicht mehr heißen, dass das Blut Christi für alle, sondern dass es für viele vergossen wurde, es ist also eine andere deutsche Formulierung für das latei­ nische pro multis gewählt worden. Diese Entscheidung wird in der Fachwissenschaft kontrovers diskutiert. Marschler führt in die Problemstellung ein, indem er das Kelch­ wort der römischen Messe und die volkssprachliche Übersetzung darstellt und über die neue Diskussion um das Kelchwort aufgrund der Entscheidung des Papstes infor­ miert. Danach wendet er sich den Quellen zu: Die biblischen Quellen nach Mk 14,24 und Mt 26,28 bieten vier Auslegungsoptionen. Sie bieten eine Aussage über die Heils­ relevanz des Todes Jesu mit mittelbarer oder unmittelbarer, mit partikularistischer, oder mit universalistischer, indefiniter Adressatenbestimmung an. Anschließend wer­ den die Verwendung der Übersetzung und die Interpretation dieser Formeln in der

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Theologiegeschichte nachgezeichnet. Schließlich wird ein systematisches Resümee gezogen: Philologisch gesehen ist als Übersetzung aus der griechischen wie der latein­ ischen Sprache nur für viele möglich. Auch dogmatisch legt sich diese Variante nahe, da sie nicht partikularistisch, sondern durchaus universal zu verstehen ist. Damit bleibt auch die Liturgie bei den Worten, die die biblischen Schriften überliefern. Meyer-Blanck, Michael: Agenda. Zur Theorie liturgischen Handelns (Praktische Theolo­ gie in Geschichte und Gegenwart 13). Tübingen 2013, 339 S. In diesem Buch sind 20 Aufsätze vereint, die entweder seit 1993 erschienen oder bisher noch unveröffentlicht sind. Sie sind drei Abschnitten zugeordnet: Agende und Gottes­ dienstbuch, der Sonntagsgottesdienst und seine Elemente, Liturgisch handeln. Im Anhang finden sich zwei Liturgieentwürfe von Friedrich Wilhelm IV. von 1854 sowie die üblichen Bibelstellen-, Sach- und Personenregister und ein Verzeichnis der bereits erschienenen Aufsätze. Das Vorwort erklärt, warum das Buch den Titel „Agenda“ erhalten hat: „Heute steht in den evangelischen Agenden das, was gottesdienstlich zu tun ist. Das ‚Agendum‘, die ‚Agenda‘ kann in der evangelischen Kirche selbstverständ­ lich immer nur als eine gute Ordnung für das Wort Gottes und nicht als soteriologisch bedeutsames Ritual verstanden werden.“ (VII) Deshalb geht es in den Beiträgen des ersten Teils um die Funktion, die Agenden für die gottesdienstliche Praxis haben und haben können, und zwar insbesondere das Evangelische Gottesdienstbuch (EGb) von 1999. Es werden zwei historische Studien beigegeben, die die Aufmerksamkeit auf die „Liturgikerkönige“ Friedrich Wilhelm III. und IV. lenken, die beide wesentlich daran beteiligt waren, die Messordnung in den evangelischen Kirchen wieder durchzusetzen, die sich auch im EGb wiederfindet. Diese beiden begeisterten Liturgiker betrachtet Meyer-Blanck als Vorläufer des dramaturgischen Prinzips, das endgültig mit dem EGb zum Durchbruch gekommen ist. Im zweiten Teil, in dem es um das Handlungs­ element Agende geht, stellt sich die Frage nach der aktivischen Passivität bzw. danach, wie es zu einer betenden Haltung in der Liturgie kommt. Hier ist von grundlegender Bedeutung: „Wenn es gelingt, in die Haltung des betenden Hörens und des hörenden Betens hineinzukommen, dann sind die liturgischen Handlungsalternativen zwar nicht beliebig, aber von nachgeordneter Wichtigkeit.“ (X) Im dritten Teil geht es MeyerBlanck um das professionelle liturgische Handeln, so dass nun die pädagogische Refle­ xion auf die Bildung von Liturgen im Fokus steht, da die meisten Liturgen zunächst durch Nachahmen und weniger durch Theorien geprägt und gebildet sind. Rentsch, Christian: Ritual und Realität. Eine empirische Studie zum gottesdienstlichen Handeln des Priesters in der Meßfeier (StPaLi 35). Regensburg 2013, 597 S. Diese empirische Untersuchung hat die ars celebrandi zum Thema, die in normativer wie empirischer Weise der amtierende Priester zu verantworten hat. Dabei geht es Rentsch nicht um eine meist von vornherein festgelegte Distanz zur tatsächlichen Messfeier, die diese vorschnell als ungenügend bewertet. „Die vorliegende Arbeit möchte einen anderen Schwerpunkt setzen und die liturgische Praxis nicht in erster Linie anhand eines postulierten Solls bewerten, sondern sie in ihrer Eigenlogik verste­ hen, d. h. die dieser Praxis zugrundeliegenden Voraussetzungen wahrnehmen, die daraus resultierenden Schwierigkeiten mit der überkommenen liturgischen Ordnung erkennen und die aus diesem Grund eingeschlagenen alternativen Strategien zunächst einmal nachvollziehen.“ (21) Hierzu wird der Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln zugrunde gelegt. So wurden fünf sonntägliche Messfeiern im Bistum Würzburg an verschiedenen Sonntagen im Jahr 2006 gefilmt und transkribiert, so dass – weil dem Buch keine Filmaufnahmen beigelegt wurden – entsprechende Filmabschnitte „nach­ gelesen“ werden können, die im Anhang beigegeben sind. Das Material wurde unter

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folgenden Analyseaspekten gesichtet: Der Zelebrant zwischen fiktivem Rollenspiel und sozialer Realität/Zwischen dem christlichen „heiligen Kosmos“ und der Lebens­ erfahrung von heute/Das liturgische Gebet/Liturgie als Ritual und die Unselbstver­ ständlichkeit der Religion/Die Strategie der Abhängigkeitsverminderung/Die Passivi­ tät Gottes: eine Marginalisierung der Transzendenz/Der Priester vor der Gemeinde/ Die körperlich-räumliche Inszenierung/Die Eucharistie: Sakrament in verändertem Umfeld. Das Ergebnis der empirischen Untersuchung ist, dass „im Vergleich zur Liturgie, wie sie in den liturgischen Büchern festgehalten ist, (…) die liturgische Praxis der Meßfeier von starken und die Sinnstruktur der Liturgie teils fundamental verän­ dernden Tendenzen geprägt (ist).“ (444) Das führt Rentsch auf die gesellschaftliche, säkularisierte Situation zurück, die den Priester verleitet, den Vorannahmen der alltä­ glichen Lebenswelt und nicht denen der spezifischen christlichen Religion bzw. denen der Liturgie zu folgen. So ergibt sich ein hoher Adaptionsdruck auf Priester und Liturgie, Letztere gemäß den Vorgaben der Gesellschaft zu verzwecken und zu funk­ tionalisieren. Die Religion bzw. die Liturgie muss sich vor der Lebenswelt rechtferti­ gen. Rentsch macht daher aufmerksam auf die in der Liturgie vorhandene zweckfreie Sinnstruktur. Denn je „mehr sich eine Auffassung von Religion als einem Mittel zu weltlichem Zweck durchsetzt, desto schwieriger wird es andererseits, Liturgie als ein selbstzweckhaftiges und darum nach außen hin zweckfreies Tun zu begreifen und zu feiern.“ (500 f.) Petersen, Hauke: Geburt, Taufe und Kirchgang in der Fürstenwelt des Alten Reiches. Frankfurt a. M. 2013, 517 S. Diese geschichtswissenschaftliche Untersuchung stellt sich in die Tradition der Sym­ bolischen Kommunikation. Infolgedessen werden Geburt, Taufe und Kirchgang in der Fürstenwelt als Symbolische Kommunikation hinsichtlich ihrer Machtentfaltung, Machtsicherung und Machtdarstellung gelesen. Petersen befasst sich mit dem Kaiser­ hof in Wien, dem sächsischen Kurfürstenhof in Dresden, dem Hof der Herzöge von Württemberg in Stuttgart und dem Hof der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Als Quellen dienen Hofprotokolle, Fürstenkorrespondenzen, Zeremonialliteratur, Festbeschreibungen und die ersten Zeitungen. Die Untersuchung umfasst den Zeit­ raum von 1600 bis 1800 n. Chr., wobei das Stuttgarter Hoffest von 1616 wohl das größte und aufwändigste Hoffest der Frühen Neuzeit gewesen ist. Detailliert wird beschrieben, wie an diesen Höfen die Bekanntgabe der Geburten und die Durchfüh­ rung der Tauffeste sowie der damit verbundene Kirchgang vonstatten ging. Petersen hält fest, dass höfische Tauf- und Kirchgangfeste Anlässe für fürstliche Treffen waren, auf denen die Fürsten politische Absprachen trafen. Höfische Geburten, Taufen und Kirchgänge dienten der Darstellung herrschaftlicher Macht und wurden „zur Kon­ struktion politisch-sozialer Rangordnungen mittels symbolischer Kommunikations­ formen genutzt.“ (456) Die damit verbundenen symbolischen Kommunikationsfor­ men „hatten den Zweck, den Untertanenverband religiös-affektiv an die herrschende Familie zu binden.“ (460) Ruddat, Günter (Hg.): Taufe – Zeichen des Lebens. Theologische Profile und interdiszi­ plinäre Perspektiven. Neukirchen-Vluyn 2013, 198 S. In ökumenischer Weite, wie es für das Thema Taufe angemessen ist, wird das Sachge­ biet interreligiös, interkulturell, biblisch, historisch konfessionell angegangen: Jüdi­ sche, urchristliche, antike, reformierte wie lutherische, gesellschaftliche, ökumenische und biblische Bezüge werden herausgestrichen. Auch eine Bilanz des von der EKD ausgerufenen „Jahres der Taufe“ wird vorgelegt. Der Band wird abgeschlossen durch zwei Gottesdienstentwürfe: Zum Thema Lebenszeichen wird ein „FeierAbendMahl“

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mit Tauferinnerung vorgelegt und ein Gottesdienst im Zeichen der Taufe unter dem Leitgedanken, dass der Getaufte ein Segen sein soll. Sauer, Hanjo/Haunerland, Winfried: Liturgie – Spiegel des Kirchenbildes. Wer das Volk Gottes ist und wie es feiert (Kardinal König Bibliothek 3). Wien 2013, 141 S., einige Abb. Mit diesem Band wird nicht nur an das Zweite Vatikanische Konzil, sondern auch an den Beitrag Kardinal Königs zu diesem Konzil erinnert. Sauer reflektiert die Entste­ hung und Bedeutung der dogmatischen Konstitution Lumen gentium, Haunerland die Konstitution Sacrosanctum concilium. Beide Autoren haben die ersten Jahre nach dem Konzil noch gut in Erinnerung, so dass sie die Aufbruchstimmung beschreiben kön­ nen und ebenso, welche Wirkungen das Konzil bis heute hat. Sie beteuern in ihrem Vorwort, dass sie 50 Jahre nach dem Konzil nicht nostalgisch träumen von einer ver­ meintlich guten alten Zeit. Ihnen „geht es vielmehr darum, lebendig zu halten, was damals in der Kirche aufgebrochen ist, und es in der Gegenwart immer neu und – so es uns geschenkt wird – immer besser zu verwirklichen.“ (9) Die Beiträge sind für interessierte Leser und nicht nur für Theologen gedacht. Schweyer, Stefan (Hg.): Freie Gottesdienste zwischen Liturgie und Event (Studien zu Theologie und Bibel 7). Berlin 2012, 95 S. Es geht in diesem Band nicht um Gottesdienste, die in den großen liturgischen Tradi­ tionen stehen, sondern um solche, die im freikirchlichen oder evangelikalen Bereich anzusiedeln sind. So werden mehrere Beiträge einer Tagung der evangelikal geprägten Theologischen Hochschule Basel abgedruckt, die sich mit dem rituellen Charakter evangelikaler Gottesdienste befassen, mit der christlichen Popmusik, mit Gottesdiens­ ten der methodistischen Kirche, mit Peter Brunners Gottesdienstlehre, mit neuen Got­ tesdiensten und dem Plädoyer, dass auch freie Gottesdienste einer Reflexion bedürfen. Stolte, Ansgar: Liturgische Quellen im Bistum Osnabrück. Studien zur ortskirchlichen Rezeption des römischen Ritus (StPaLi 37). Regensburg 2013, 450 S., 1 CD-ROM. Die Gründung des Bistums Osnabrück soll beim Zusammentreffen von Kaiser Karl dem Großen mit Papst Leo III. im Jahr 799 vereinbart worden sein, Karl hatte Osna­ brück schon 788 gegründet. Stolte macht zum Ziel seiner Arbeit, alle liturgischen Quellen dieses Bistums daraufhin zu befragen, wie sie „den Weg und die Akzente der Rezeption der römischen Liturgie im Bistum Osnabrück anhand der erhaltenen Dokumente aufzeigen.“ (23) Er geht sowohl diachron wie synchron vor und berück­ sichtigt die Nachbarbistümer Minden, Münster und Paderborn. Ausreichende Quellen liegen für Osnabrück ab dem 15. Jahrhundert vor, aus älterer Zeit ist nur ein Kalender aus dem 11. und ein Evangelistar aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Es werden das Breviarium, Missale, Lektionar, Evangelistar, die Perikopenbücher, der liturgischen Heiligenkalender, das Rituale und das Prozessionale befragt. Die Rezeption der römi­ schen Liturgie erfolgte in vier Phasen: die bonifatianisch-karolingische, die römischfränkische, die Liturgiereform nach dem Konzil von Trient und zuletzt die Liturgiere­ form des Zweiten Vatikanischen Konzils. Stolte fasst das Ergebnis in sechs Thesen (388 f.) zusammen, die aufzeigen, dass es keine Einheitsliturgie, sondern immer eine Liturgieentwicklung gab, also eine Reform von Liturgie. Stuflesser, Martin: Eucharistie. Liturgische Feier und theologische Erschließung. Regens­ burg 2013, 351 S., 1 Abb. Die Darstellung der Eucharistie ist zugleich ein theologisches Motiv, denn ihre Bedeu­ tung soll sich aus der konkreten Feiergestalt erschließen, wie sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefeiert wird. Darum wird in einem ersten Teil die konkrete Situation der Eucharistiefeier und ihr Kontext geschildert, worauf die Darstellung der

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eucharistischen Versammlung von ihren Anfängen an bis zum Konzil folgt. Dem Hochgebet als Kern der Eucharistiefeier ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Anschlie­ ßend wird die Feiergestalt der Eucharistie von Rubrik zu Rubrik beschrieben, wie sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorgesehen ist. Danach wird der Sinngehalt erschlossen. Die nachfolgenden Kapitel nehmen Besonderheiten in den Blick: die Eucharistie in unterschiedlichen Feiergestalten, wie z. B. die Feier mit einem Bischof oder die Konzelebration oder die Verehrung der Eucharistie außerhalb der Messe. Es wird gefragt, wo die katholische Kirche mit ihrer Eucharistiefeier 50 Jahre nach dem Konzil steht, da sich ja mancherlei verändert hat, wie z. B. die Wiederzulassung der vorkonziliaren Messe oder die Schwierigkeiten mit einer guten Übersetzung des neuen Messbuchs. Es werden einige Überlegungen zur gemeindlichen Mitfeier der Eucharis­ tie formuliert und in einem Anhang wird dargelegt, was zu beachten ist, wenn eine Messe vorbereitet wird. Trotzke, Irenäus: Ostkirchliche Spiritualität (Tür gen Osten 3). Sankt Ottilien 2013, 113 S. Hier wird in ebenso kurzer wie verständlicher Form in die ostkirchliche Spiritualität und ihre Liturgie eingeführt, wobei zwischen den unterschiedlichen Richtungen diffe­ renziert wird. Es geht um die Auffassung der Zeit, um Gestalt und Gehalt der byzanti­ nischen Liturgie, um die Bedeutung des Stundengebets für die ostkirchliche Spirituali­ tät, um die Teilnahme der Glaubenden am ostkirchlichen Gottesdienst, um Melos und Logos in den orthodoxen Liturgien, um die epiphanische Liturgie. Voigtländer, Johannes: Ein Fest der Befreiung. Huldrych Zwinglis Abendmahlslehre. Neukirchen-Vluyn 2013, 239 S. Dieses Buch wurde verfasst, weil „anscheinend noch nie die Abendmahlslehre Zwing­ lis zusammenhängend, über alle Jahre seines reformatorischen Wirkens, dargestellt worden“ (3) ist. Darum geht Voigtländer nach einem Forschungsüberblick alle rele­ vanten Schriften Zwinglis durch, um zu zeigen, wie Zwingli seine Abendmahlslehre entwickelte. Viele Autoren haben Zwingli gegen Luther ausgespielt und Zwinglis Leistung, eine eigenständige Abendmahlslehre entwickelt zu haben, zu wenig gewür­ digt. Als Desiderat der bisherigen Forschung merkt der Autor an, dass es gerade die letzten beiden Lebensjahre Zwinglis seien, die für die weitere Abendmahlslehrent­ wicklung nicht berücksichtigt worden sind. Folgende Schritte in Zwinglis Abendmahlslehre zeigt Voigtländer auf: Bis zum Herbst 1524 setzt sich Zwingli mit der Vergegenwärtigung des Opfers in der Eucharistie und mit der Transsubstantiation auseinander. Vom Herbst 1524 bis zum Sommer 1525 hebt Zwingli hervor, dass das „est“ der Einsetzungsworte als „significat“ zu verstehen sei und dass das Pessachmahl als Befreiungsmahl zu verstehen ist. Vom Sommer 1525 bis zum Herbst 1529 steht die Realpräsenz Christi in seinen beiden Naturen im Vor­ dergrund. Luthers Verständnis, dass auch die menschliche Natur Jesu Christi in den Elementen realpräsent ist, nimmt die Lehre der „communicatio idiomatum“ in Anspruch, während Zwingli lieber von einer „Alloiosis“ spricht. Die beiden letzten Lebensjahre Zwinglis bezeichnet Voigtländer als eine Zeit, in der Zwingli seine Abendmahlslehre dekonstruiert. Darunter versteht Voigtländer, dass Zwingli auch nach dem Marburger Religionsgespräch 1529 nicht aufhörte, bessere und geeignetere Verstehensmöglichkeiten zu suchen und gegebenenfalls auch vorhandene Gedanken­ gänge von Missverständnissen zu befreien. Voigtländer beschließt seine Untersuchung mit einen Ertrag, nicht ohne aktuelle Bezüge Zwinglischer Abendmahlstheologie her­ vorzuheben: „Vielmehr werden wir uns als Gemeinden fragen müssen, ob wir Zwing­ lis Anstöße gegen die Individualisierung und Privatisierung des Abendmahls und damit der Theologie und des gemeindlichen Handelns überhaupt, noch wahrnehmen

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und hören wollen. Eine Theologie, eine Kirche, eine Gemeinde und ihr Abendmahls­ verständnis, das sich für Entprivatisierung stark macht, würde heute neu dem Wort, der Botschaft, dem Evangelium der Befreiung einen Raum und einen Rahmen für ver­ antwortliches Handeln der Menschen, die sich fröhlich als Geschöpfe verstehen, ermöglichen und eröffnen.“ (224) Wahle, Stephan/Hoping, Helmut/Haunerland, Winfried (Hg.): Römische Messe und Liturgie in der Moderne. Freiburg i. Br. 2013, 488 S. Mit diesem Buch wird 50 Jahre nach den Liturgiereformbeschlüssen des Zweiten Vati­ kanischen Konzils eine Beurteilung aus mehreren Perspektiven vorgelegt: Es wird die liturgische Bewegung und die Messbuchreform nach den Konzil erörtert, auch in ihren aktuellen Fragen, z. B. ob es eine organische Liturgieentwicklung gibt oder wie Papst Benedikt XVI. die Liturgie beurteilt und teilweise reformierte. Es folgt eine wei­ tere Abteilung zur liturgischen Ästhetik und theologischen Bedeutung des Gottes­ dienstes. Themen wie der Verlust des Sakralen, der Raum, die Gebetsrichtung etc. werden hier erörtert. Eine dritte Abteilung widmet sich Reformschritten aber auch Verlusten unter dem Gedanken der rituellen Performance der Messfeier, wie sie bei der Eucharistie, der Liturgie des Wortes, den Offertoriumsgebeten und den neuen Hochgebeten zu beobachten sind. Ein abschließender Teil fragt nach der Sprache und damit auch nach den Übersetzungen, die ein Messbuch braucht. Wendte, Martin: Die Gabe und das Gestell. Luthers Metaphysik des Abendmahls im technischen Zeitalter (Collegium Metaphysicum 7). Tübingen 2013, 516 S. Dieses Buch mag auf den ersten Blick nicht im engen Sinn liturgiewissenschaftlich relevant erscheinen, könnte es aber sehr wohl sein, wenn man die hier vorgelegten Überlegungen mit der Gestalt der Feier des Abendmahls in Verbindung bringt. Das erste Kapitel befasst sich mit einer Gegenwartsanalyse westlicher Gesellschaften im Gefolge Heideggers, der sie durch Technik geprägt sieht, die dem Menschen eine unbegrenzte Verfügungsdynamik zuzubilligen scheint. Das zeigt sich auch darin, dass die Wahrheit als Wert und die Wirklichkeit als Bestand verstanden wird, so dass gesamtgesellschaftliche Veränderungen akzeptiert werden, womit die Gegenwart zur liquid modernity (Zygmunt Bauman) gemacht wird. „Demgegenüber betont Heideg­ ger, dass das Grundverständnis der Wirklichkeit erst dann angemessen auf den Begriff gebracht wird, wenn die Verständnisse der Wahrheit als Unverborgenheit, als Richtig­ keit und als Wert miteinander verbunden sind. In focal practices wie dem Betrachten eines Kunstwerks oder der Feier des Abendmahls kommen Menschen auf den Geschmack dieses vermittelten Verständnisses der Wahrheit und damit auf den Geschmack eines anderen Verständnisses der Wirklichkeit, einer neuen Gemeinschaft und eines dem entsprechenden Handelns.“ (489) Im zweiten Kapitel befasst sich Wendte mit dem Philosophen Anton Friedrich Koch, der 2006 eine Drei-AspekteTheorie der Wahrheit vorgelegt hat (Versuch über Wahrheit und Zeit), die die im ers­ ten Kapitel verhandelten Begriffe wie Wahrheit, Wirklichkeit, Mensch etc. erstphilo­ sophisch behandelt. Der erste Aspekt der Drei-Aspekte-Wahrheit formuliert das anschaulich-präsentationale Begriffsmoment aufgrund des Sich-Zeigens und SichGebens aller Dinge und das darauf Angewiesensein menschlicher Urteilsfähigkeit (Phänomenologische Wahrheitstheorien). Der zweite Aspekt formuliert ein realis­ tisch-repräsentationales Begriffsmoment, da die Objektivität der Dinge gegeben und damit dem Menschen eine Wirklichkeit gegeben ist, die er nicht in seiner Rede selbst schafft (Korrespondenztheorien). Der dritte Aspekt formuliert ein praktisch-normati­ ves Begriffsmoment, da die Wahrheit als berechtigte Behauptung aufgefasst wird (Konsens- und Kohärenztheorien). Koch zeigt, das alle drei Aspekte irreduzibel mitei­

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nander verbunden sind. „Damit öffnet die Drei-Aspekte-Theorie der Wahrheit ein Verständnis der Grundzüge der Wirklichkeit, das für Luthers Metaphysik des Abend­ mahls grundlegend ist. Das gilt gleichermaßen für das Abendmahlsgeschehen selbst wie für die Wirklichkeit als Ganze. Denn das Abendmahlsgeschehen ist dadurch gekennzeichnet, dass Jesus Christus sich mithilfe des Geistes gibt und zeigt (erster Aspekt), somit real präsent ist (zweiter Aspekt) und auf diese Weise menschliche Akti­ vität heilvoll begründet und begrenzt (dritter Aspekt). Entsprechend gilt in umfassen­ dem Sinn, dass alles menschliche Denken, Sprechen und Tun davon abhängt, dass sich Gott und die Dinge in ihrer Fülle zeigen (erster Aspekt), dass sie zugleich nicht in ihrem Sich-Zeigen aufgehen, sondern material vermittelt und objektiv gegenwärtig sind (zweiter Aspekt) und gerade so menschliche Aktivität ermöglichen und begren­ zen (dritter Aspekt).“ (14) In Anlehnung an Albert Borgmann (Technology and the Character of Contemorary Life, 1984; Crossing the Postmodern Divide, 1992) meint Wendte, dass sich dieses andere Wirklichkeitsverständnis als focal practice in der Abendmahlsfeier einüben und ausagieren lässt, weil der Vollzug des Abendmahls die Totalisierungen der menschlichen Aktivitäten bricht und wahrnehmen lässt, dass die Wirklichkeit nicht nur ein verfügbarer Bestand für menschliche Handlungen ist, weil durch den Empfang der Gabe im Abendmahl die Überfülle der Wirklichkeit durch die feiernde Gemeinschaft empfangen und zum Ausdruck gebracht wird. Winter, Stephan: Liturgie – Gottes Raum. Studien zu einer Theologie aus der lex orandi (Theologie der Liturgie 3). Regensburg 2013, 644 S. Die Arbeit gliedert sich in zwei grundlegende Teile: A legt die methodologische Grundlegung einer systematisch-theologischen Reflexion aus der lex orandi, B bringt Elemente einer liturgie-ästhetischen Reflexion auf die Semantik von „Handeln Got­ tes“. Im ersten Teil A wird grundgelegt, dass der Gottesdienst bzw. die Liturgie die Gesamtsicht auf die Wirklichkeit strukturiert, so dass für Theologie die rituelle Dimension des Glaubens unhintergehbar ist. „Das Eigentümliche des Gottesdienstes in diesem engeren Sinne besteht darin, dass er die von Gott her ermöglichte Begeg­ nung mit dessen rettender und richtender Herrlichkeit, durch die der glaubende Mensch immer wieder neu in das dankende Gebet als Wesensmitte seines gesamten Daseins hineingeführt wird, in ästhetischer Gestalt erfahrbar macht. Liturgietheologie hat sich dementsprechend als liturgische Ästhetik zu entfalten.“ (13) Das wird z. B. biblisch, philosophisch, kulturwissenschaftlich an der liturgischen Performance des Raums gezeigt – nicht nur des Kirchenraums, da die Liturgie als ein symbolischer Raum verstanden wird. Der zweite Teil B führt diesen Ansatz exemplarisch aus in Bezug auf das Handeln Gottes. Ausgewählte Redehandlungen – lex orandi – werden untersucht, inwiefern sie sich das Zusammenwirken von Gott und Mensch vorstellen – lex credendi – und wie dies das Ethische – lex bene operandi – mitkonstituiert. Es wird die Lichtkategorie verwendet, da sie für den Raum bedeutsam ist und begrifflich das Gott-Welt-Verhältnis beschreibt. Dafür werden Texte des Weihnachtsfeistkreises herangezogen. Nach diesen ausführlichen Analysen folgen liturgiepraktische bzw. pastoralästhetische Erörterungen zur Lichtsymbolik im pluralistischen Kontext der Moderne in Bezug z. B. auf Religion oder bürgerliches Leben. Abschließend setzt sich der Autor mit anderen oder ähnlichen Positionen auseinander. „Die ästhetische Gestalt der Liturgie jedenfalls wirkt (…) in keiner Weise vertröstend oder gar beruhi­ gend, sondern darf als Movens einer entsprechenden profilierten systematischen Refle­ xion gewertet werden: Die Liturgie ist Feier des Glaubens an Gott, der sich zwar rückhaltlos der Welt zuwendet, dies aber in Knechtsgestalt tut – und das heißt letzt­ lich: in der am Kreuz gebrochenen Gestalt seiner Herrlichkeit.“ (579).

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Ziegler, Roland: Das Eucharistiegebet in Theologie und Liturgie der lutherischen Kir­ chen seit der Reformation. Die Deutung des Herrenmahls zwischen Promissio und Eucharistie (OUH, Ergänzungsband 12). Göttingen 2013, 504 S., 7 Tab. Ziegler will mit seiner Untersuchung folgende Frage beantworten: „Ist das Eucharis­ tiegebet eine angemessene oder gar gebotene Form der Feier des Herrenmahles?“ (11) Er fragt aufgrund lutherischer Theologie, denn es sind ja lutherische Theologen, die gegen die Aufnahme von Eucharistiegebeten in Agenden protestierten, weil ihrer Ansicht nach damit grundlegende Einsichten der Reformation aufgegeben wurden, so dass dadurch die Rechtfertigungslehre, die Theologie des Wortes und infolgedessen auch das Verständnis der Heilsvermittlung an den Menschen verändert würden. Zieg­ ler beginnt seine Untersuchung mit Luthers Lehre und Feier des Herrenmahls, um dann die Theologie und Feier des Herrenmahls in den Bekenntnisschriften darzulegen. Als Beispiel hat er Julius Muethel gewählt, um an seinen Äußerungen die im 19. Jahr­ hundert beginnende Diskussion um die Herrenmahlsliturgie bzw. Eucharistieliturgie zu zeigen. Bei Muethel finden sich viele Argumente, die im 20. Jahrhundert wieder verwendet wurden. Als Nächstes werden die Theologien zum eucharistischen Hoch­ gebet von Peter Brunner und Hans-Christoph Schmidt-Lauber behandelt. In diesem Zusammenhang wird auch die Theologie der Repräsentation von Odo Casel samt ihrer Problematisierung durch Ernst Bizer und Ottfried Koch gewürdigt. Ein weiteres Kapitel ist dem Eucharistiegebet in den lutherischen Kirchen der USA gewidmet. Nachdem somit die lutherischen Ansätze zum Herrenmahl beschrieben sind, folgt unter den Überschriften „Das Neue Testament und das eucharistische Hochgebet“ und „Eucharistiegebet und Kirchengeschichte“ eine Darstellung der Entwicklung die­ ses Gebets bis zur Traditio Apostolica. Das vorletzte Kapitel setzt sich mit systemati­ schen Fragen zur Gegenwart des Heils (Anamnese), zum Wirken des Heiligen Geistes (Epiklese), zu Gebet und Promissio, zur Anamnese und zu der Unterscheidung von menschlichem und göttlichem Handeln, der Handlungsrichtung des Herrenmahls und mit der Frage, ob die Einsetzungsworte nötig oder fakultativ sind, auseinander. Das letzte Kapitel bietet eine Zusammenfassung mit folgender Aussage: Es habe immer Promissio und Dank bei der Herrenmahlfeier gegeben, aber die Exzentrizität des Heils und das Gegenüber von Christus und Kirche sollen gewahrt bleiben: „Die litur­ gische Unterscheidung von göttlicher Rede und menschlicher Antwort hat um der Identifizierbarkeit und Eindeutigkeit des göttlichen Handelns und um des Trostes des angefochtenen Gewissens willen ihr bleibendes Recht.“ (470) Zink, Jörg: Das offene Gastmahl. Gütersloh 2013, 238 S. Dieses Buch ist kein wissenschaftliches Werk, aber ein eindringliches Plädoyer für die Verbundenheit aller Christen und Menschen, die sich im offenen Gastmahl ereignen kann und zeigen wird. Zink unterscheidet die unterschiedlichen Mahlzeiten Jesu: das Heilige Abendmahl mit seinem Ursprung an Gründonnerstag, die fröhlichen Gast­ mahle, die Jesus mit Armen und Ausgegrenzten feierte, dann die Sättigungsmahle an Mittagen und Abenden. Zink stellt fest, dass es derzeit nicht möglich ist, das Sakra­ ment gemeinsam über die Konfessionsgrenzen hinweg zu feiern, aber das offene, fest­ liche Gastmahl zu feiern, ist durchaus möglich, wie z. B. die Feierabendmahle auf Kir­ chentagen. Diese Gastmahle stehen unter der vorbehaltlosen Einladung an alle Men­ schen, um einen offenen Dialog und Versöhnung zu feiern, damit unsere Welt und Gesellschaft gerecht und friedlich werden kann.

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IV. Kirchenbau, Kunstwerke Binding, Günther: Die Michaeliskirche im Hildesheim und Bischof Bernward als sapiens architectus. Darmstadt 2013, 328 S., 44 Abb. Binding legt eine Studie vor, die die schriftliche und sächliche Überlieferung des Bischofs Bernward erforscht, um den Gründer und sein Bauwerk, das Michaelskloster bzw. die heutige Michaeliskirche zu würdigen und zu verstehen. Das ist bislang offen­ bar noch nicht ausreichend geschehen. Es werden der Forschungsstand, die Gründung des Klosters St. Michael, der Baubeginn der Kirche, Grundsteinlegung 1010 und Weihe 1022/33 behandelt. Ein Kapitel informiert über den ersten Abt von St. Michael, Goderam. Anschließend werden ausführlich die Bauformen des Klosters bzw. der Kirche gewürdigt, danach Bischof Bernward von Hildesheim als sapiens architectus, denn er wollte mit „seiner“ Kirche Gott als den Vollkommenen lobend darstellen: Dieses Bauwerk mit seinen Längen und Höhen, seinen Gewichten und Maßen solle vollkommen sein wie Gott, der die Welt arithmetisch und geometrisch bestimmt habe. Erne, Thomas (Hg.): Kirchenbau (Grundwissen Christentum 4). Göttingen 2012, 363 S., 175 Abb., 14 Pläne. An exemplarisch ausgewählten Kirchenbauten wird die Geschichte des Kirchbaus interdisziplinär dargestellt: kunst- und architekturhistorisch, religionspraktisch und theologisch-religionsphilosophisch. Die Kirchenbaugeschichte wird dreigeteilt: „Warum gibt es Kirchen? Jerusalem – Rom – Konstantinopel“ umfasst die ersten Jahr­ hunderte, es werden der Tempel und die Grabeskirche von Jerusalem, Santa Sabina in Rom als Basilika und die Hagia Sophia in Konstantinopel für die Idee des Zentralbaus herangezogen. Der zweite Teil umfasst „Unsere besten Jahre: Von der Romanik bis zum Barock“. Es wird (fast) immer eine typische Kirche je Zeitabschnitt gewürdigt: St. Benoît für die Romanik, Notre Dame in Reims und die Elisabethkirche in Marburg für die Gotik, St. Peter in Rom für die Renaissance, Sant’Ignazio in Rom für den Barock. Der dritte Teil ist betitelt mit „Stillose Moderne? Von der Klassik bis in die Gegenwart“. Für den Klassizismus steht die Friedrichwerdersche Kirche in Berlin, für den modernen evangelischen Kirchenbau wurde die Rundkirche von Bartning in Essen gewählt und für den katholischen modernen Kirchenbau St. Fronleichnam von Schwarz in Aachen, für die moderne Architektur steht Notre-Dame-du-Haut von Le Corbusier in Ronchamp, das Ökumenische Kirchenzentrum Maria Magdalena in Frei­ burg steht für den Kirchenbau im 21. Jahrhundert. Ein abschließender Essay würdigt den Kirchenbau als Architektur. Umfangreiche Anhänge lassen gut mit dem Buch arbeiten. Frese, Tobias: Aktual- und Realpräsenz. Das eucharistische Christusbild von der Spätan­ tike bis ins Mittelalter (Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst 13). Berlin 2013, 290 S., 80 Abb., 18 Farbtafeln. Wie das eucharistische Christusbild der Theologie das Bilderschaffen beeinflusste (und gegebenenfalls auch vice versa), wird in dieser kunstgeschichtlichen Untersu­ chung gezeigt. Dabei wird darauf geachtet, dass Bilder im Zusammenhang der liturgi­ schen Feier stehen und damit Bedeutung erlangen. Zunächst leitet Frese in das Kult­ bild, das Mysterienbild und in das liturgische Bild ein. Dann werden die spätantiken Christusbilder untersucht, die die Gegenwart des himmlischen Hohenpriesters zeigen, wie sie in Apsiden, Bildprogrammen und auf liturgischen Gefäßen zu finden sind. Das byzantinische Christusbild stellt die Maiestas Domini in den Mittelpunkt; es werden Apsisbilder herangezogen, auch wird das Bild der Theotokos gewürdigt. Theologisch

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geht es um die Aktual- und Realpräsenz, um die Eucharistie als das wahre Bild Christi. Das karolingische Christusbild wird zwischen sakramentalem Symbolismus und Rea­ lismus verortet. Hier begegnet das Kruzifix das Christusbild. An den mittelalterlichen Triumphkreuzgruppen lässt sich zeigen, wie Maiestas und Cruzifixus ikonographisch verschmelzen. Am Ausgang des Mittelalters zeigt sich die Krise der sakramentalen Idee und eine Hinwendung zum Körper, der den Schmerzensmann deutlich werden lässt. Aber zwischen dem, was auf dem Altar mit Brot und Wein geschieht, und dem Bild, das als Retabel auf dem Altar steht, oder dem Kreuz, das über dem Altar hängt, oder dem Apsisbild, das über dem Altar schwebt, zeigen sich immer wieder bemer­ kenswerte und überraschende Verweise, die theologisch formuliert wurden und sowohl in der Liturgie als auch im Bild ihren Niederschlag gefunden haben. Steger, Christian Karl: Nur neugotisch? Das pastorale Programm im historischen Kir­ chenbau 1870 bis 1914 (Studien zu Spiritualität und Seelsorge 4). Regensburg 2013, 352 S., 27 Abb. Der Kirchenausstattung des späten Historismus wird jeglicher künstlerische Charak­ ter abgesprochen, zudem wird diesem Stil vorgeworfen, dass sich hier katholische Milieus Ausdruck verschafft haben, die rückwärtsgewandt gewesen seien. Steger nimmt drei Kirchen des Bistums Bamberg als Beispiele: die neugotische Pfarrkirche Unsere Liebe Frau in Kulmbach (Grundsteinlegung 1893), die neubarocke Kirche St. Heinrich in Fürth (Grundsteinlegung 1908) und die neorenaissance Pfarrkirche Ss. Trinitas in Hartenstein (Grundsteinlegung 1882). Besonders interessieren das Zustan­ dekommen der Bauten und die Motivationen für sie, dazu wurden die entsprechenden Pfarrarchive als Quellensammlungen untersucht. Abschließend werden die zugrunde­ liegenden pastoralen Konzepte der drei Kirchenbauten beschrieben. Dabei stellt Steger heraus, dass die anfangs genannten abwertenden Urteile unberechtigt seien, denn die „bunte Welt historistischer Kirchen bietet dem Besucher das geschlossene Angebot des kompletten Glaubens, das ‚Fanum‘, den Tempel, den ganz wörtlich einer profanen Umwelt entwundenen heiligen Bezirk, der in Gegenhaltung zu der draußen erlebten Umwelt nach anderen Idealen strebt und diese bildhaft ausdrückt. (…) Kirchen, die abgesehen von der durch die Eucharistie belebten Stunde lediglich nüchterne Ver­ sammlungsräume sind, können vielen heutigen Zeitgenossen nicht geben, was diese suchen, die Chance zur persönlichen und subjektiven Gottesbegegnung.“ (322 f.)

V. Artikel Albert, Anika/Friedrichs, Lutz/Sommer, Regina: „Das Tauffest haben wir als etwas ganz Besonderes erlebt“. Einsichten aus einer empirischen Studie zum Kasseler Tauffest (2012). In: PTh 102 (2013) 338–354. Albrecht, Christian: Historische Perspektiven auf Themen und Probleme des Universi­ tätsgottesdienstes. Eine praktisch-theologische Lektüre von Konrad Hammanns Monographie zur Geschichte des Universitätsgottesdienstes. In: Liturgie und Kultur 4 (2013) 5–17. Altermatt, Alberich Martin: Das Rituale Cisterciense von 1998. Zu seiner Entstehung und Bedeutung. In: ALW 54 (2012) 105–126. Brademann, Jan: Liturgie und Leben auf den Kirchhöfen der frühen Neuzeit. In: LJ 63 (2013) 81–101.

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Brakmann, Heinzgerd/Chronz, Tinatin: Ist das Jerusalemer Euchologion noch zu retten? In: ALW 54 (2012) 1–28. Deeg, Alexander: Zur Revision der Perikopenordnung. Ein Zwischenbericht. In: DtPfrBl 113 (2013) 202–204. Feulner, Hans-Jürgen: Das liturgische Sonntagslob in den östlichen Kirchen. Ökumeni­ sche Streiflichter. In: BiLi 86 (2013) 193–202. Grethlein, Christian: Evangelische Liturgik. Wie geht es weiter? In: ThR 78 (2013) 1–39. Grossmann, Manuela/Kühne, Susanne/Suri, Olivia/Walti, Christian: Visuelles Auftreten von Pfarrerinnen im Gottesdienst. Eine explorative Studie aus der Deutschschweiz. In: PTh 102 (2013) 239–257. Haunerland, Winfried: Tätige Teilnahme aller. Liturgiereform und kirchliche Subjekt­ werdung. In: StZ 231 (2013) 381–392. Haunerland, Winfried: Culmen et fons. Zur Rezeption einer liturgietheologischen Spit­ zenaussage. In: LJ 63 (2013) 137–152. Heinz, Andreas: Gewandelte Eucharistiefrömmigkeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In: LJ 63 (2013) 202–218. Kasper, Walter: Die liturgische Erneuerung – die erste und sichtbarste Frucht des Kon­ zils. In: IKaZ 42 (2013) 621–632. Kranemann, Benedikt: Betrachtung – Anrufung – Gebet. Liturgie angesichts des Tauf­ wassers in evangelischen Agenden. In: ALW 53 (2011) 90–119. Kranemann, Benedikt: Kulturwissenschaft als Herausforderung für die Liturgiewissen­ schaft. Karl-Heinrich Bieritz (1936–2011) zum Gedenken. In: ALW 54 (2012) 147– 156. Kranemann, Benedikt: Wort Gottes in der Liturgie. In: LJ 63 (2013) 167–183. Kretzschmar, Gerald: Bestattungskultur im Wandel. Herausforderungen und Chancen für das kirchliche Handeln. In: PrakTh 48 (2013) 175–185. Kretzschmar, Gerald: Gegenwärtige Bestattungskultur und die Aufgabe einer evangeli­ schen Profilierung. In: PTh 102 (2013) 94–105. Lurz, Friedrich: Common Worship. Eine umfassende Liturgiereform in der Church of England. In: ALW 53 (2011) 131–137. Marini, Piero: Die Reform der päpstlichen Liturgie und deren neue liturgische Ordnun­ gen. In: ALW 53 (2012) 58–82. Meyer-Blanck, Michael: Stabilität und Reform. Die Konfirmandenstudie der EKD. In: EvTh 73 (2013) 67–71. Meyer-Blanck: Was zu tun ist. Zur Funktion und Reichweite von Agenden. In: Liturgie und Kultur. 4 (2013) 5–10. Neuhaus, Gerd: Wider die Pädagogisierung der Liturgie. In: StZ 231 (2013) 374–380. Niedballa, Thomas: Ist die Taufe das Schibboleth? Was Freikirchen und Volkskirchen unterscheidet. In: ÖR 62 (2013) 92–105. O’Collins, Gerald: War die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils vom Wort Gottes genährt und geleitet? In: ThQ 193 (2013) 116–140. Odenthal, Andreas: Reiche Liturgie in der Kirche der Armen? Zum Über-Fluss gottes­ dienstlichen Handelns im Kontext einer diakonischen Pastoral. In: ThQ 193 (2013) 282–290. Quartier, Thomas: Kontemplative Liturgie. Liturgische Spiritualität aus ritueller und monastischer Sicht. In: JLO 29 (2013) 201–221. Reitz-Dinse, Annegret: Kasualien im Wandel – Ehejubiläen. In: PTh 102 (2013) 40–57. Schubert, Anselm: „… abweichende Ansichten scharf auszusprechen“. C. C. J. von Bun­

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sens Denkschriften (1822/1824) zur preußischen Kirchenagende. In: ALW 54 (2012) 29–57. Schubert, Anselm: Liturgie der Heiligen Allianz. Die liturgischen und politischen Hin­ tergründe der Preußischen Kirchenagende (1821/22). In: ZThK 110 (2013) 291–315. Schwier, Helmut: Gottesdienst mit steter Lust? Zu den gegenwärtigen Agenden in den evangelischen Kirchen in Deutschland. In: Liturgie und Kultur 4 (2013) 22–34. Zerfaß, Alexander: Tagzeitenliturgie und Spiritualität. Perspektiven der liturgiewissen­ schaftlichen Forschung. In: ALW 54 (2012) 83–104.

VI. Einführungen und Lehrbücher Bremer, Thomas/Gazer, Hacik Rafi/Lange, Christian (Hg.): Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition. Darmstadt 2013, 203 S., einige Abb. und Karten. Der Herausgeber Lange hat schon das Buch über die altorientalischen Kirchen mithe­ rausgegeben, hier gibt hat er ein ähnliches Buch für die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition mit heraus. Lange legt in der Einleitung die Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im (ost-)römischen Reich dar (Skizzen und Karten verhelfen zu einen guten Überblick). Abschließend schrieben zahlreiche Fachkräfte über diese vielen Kirchen: über die orthodoxen Kirchen im Osmanischen Reich, im Orient und Ostmittelmeerraum, über die russische, serbische, rumänische, bulgarische, georgische, griechische, polnische, albanische, tschechische, slowakische, finnische, estländische, japanische, nordamerikanische und die nichtkanonische ukrainische Kirche. Es folgen vier Beiträge, die sich mit der Gegenwart der orthodoxen Kirchen befassen: mit der Liturgie und Spiritualität, mit der orthodo­ xen Theologie der Gegenwart und den modernen Fragen, mit dem Verhältnis von Kir­ che und Staat bzw. Kirche und Nation und mit den orthodoxen Kirchen im ökumeni­ schen Dialog. Brüske, Gunda/Willa, Josef-Anton: Gedächtnis feiern – Gott verkünden (Studiengang Theologie 7). Zürich 2013, 390 S. Diese Einführung in die katholische Liturgiewissenschaft richtet sich zunächst an theologisch interessierte Laien, an Theologie- und Lehramtsstudierende, aber auch an ausgebildete Theologen, an Lehrer und an jene in der Praxis, die sich „ein fachliches Update wünschen.“ (6) Darum wird zuerst eingeführt in Begriffe, Themen und Quel­ len der Liturgiewissenschaft, dann werden in anthropologischer Perspektive vorge­ stellt z. B. Grundformen liturgischen Handelns; mit Zeichen und Symbolen wirken; mit Worten handeln, um daraufhin unter theologischer Perspektive die Feier des Pascha-Mysteriums, das göttliche Handeln, den Dialog zwischen Gott und Menschen, sowie das Handeln der Kirche darzulegen. Es folgt eine Darlegung der Verkündigung und der Feier des Wortes Gottes, danach Taufe, Eucharistie, Stundengebet, Kirchen­ jahr, wobei sowohl die historischen Perspektiven als auch die pastoralen Fragen der Gegenwart Bezugspunkte sind. Gerhards, Albert/Kranemann, Benedikt: Einführung in die Liturgiewissenschaft. Darm­ stadt (2006) 32013, 256 S. Diese Einführung in die Liturgiewissenschaft ist erstmals 2006 und 2007 unverändert in zweiter Auflage publiziert worden. Nun haben die Autoren eine überarbeitete dritte Auflage vorgelegt. In der Einleitung teilen sie mit, dass „einige Passagen im

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Buch ergänzt und überarbeitet“ (12) wurden, neue Literatur und neue Ausgaben von liturgischen Büchern wurden eingearbeitet. Der Aufbau der Einführung ist bis in die Formulierung der Kapitelüberschriften hinein (fast) gleich geblieben, so dass eine erneute Darstellung des Buches (vgl. JLH 48 [2009] 101 f.) sich erübrigt. Die einzige Veränderung findet sich im Kapitel über die Liturgie in Zeiten der Reformation und der Katholischen Reform. Hieß die erste Unterüberschrift in der ersten Auflage „3.7.1 Die Hypothek des Mittelalters“ (6), so ist in der dritten Auflage daraus „Das Erbe des Mittelalters“ geworden. Am Text dieses Kapitels hat sich gleichwohl nichts geändert. Ein Beispiel für eine Veränderung bzw. Ergänzung, verursacht durch den weiteren Verlauf der Liturgiegeschichte, ist ein neuer Textabschnitt zum Zweiten Vatikanischen Konzil, veranlasst vom päpstlichen Schreiben Summorum Pontificum aus dem Jahr 2007, mit dem Papst Benedikt XVI. vorkonziliare Messbücher wieder zum Gebrauch zuließ. Hauschild, Eberhard/Pohl-Patalong, Uta: Kirche (Lehrbuch Praktische Theologie 4). Gütersloh 2013, 477 S. Das erste, einleitende Kapitel macht deutlich, dass die Autoren das, was über Kirche zu sagen ist, sowohl in Bezug auf ihre Vergangenheit als auch in der Perspektive der Gegenwart beschreiben und dann den Blick weiten für das künftige Handeln der Kir­ che und auch auf ihre künftige Gestalt. So kommt Kirche in ihrer historischen, dogma­ tischen und ethischen sowie in ihrer praktisch-theologischen Perspektive zur Darstel­ lung. Der eigene Ansatz wird im Rahmen des Begriffs Kirchentheorie beschrieben, wobei auf Preuls Kirchentheorie, die eher institutionenorientiert ist, und Hermelinks Kirchentheorie, die sich eher an der Systemtheorie orientiert, Bezug genommen wird: „Auch das hier vorgelegte Lehrbuch versteht sich als Entfaltung einer Kirchentheorie, die in theologischer Perspektive soziologische und theologische Einsichten aufeinander bezieht, allerdings ohne einer bestimmten soziologischen Theorie durchgängig zu fol­ gen. Ihr Gegenstand ist die organisierte Kirche, aber als eine, die eingebettet ist in das Christentum in der Gesellschaft und aus den Mitgliedern mit ihrer jeweiligen Religio­ sität besteht.“ (50) Unter diesen Prämissen werden in weiteren sechs Kapiteln die Gegenwartssituation der Kirche als Kontext der Kirchentheorie (Kirche in der Spät­ moderne, als Ort von Religion, Krise und Reformanstrengung, Relevanz der Kirche), die Kirchenbilder im Widerspruch (Kirche als Symbol, als soziales System, als Bewe­ gung und Gruppe, als Institution und Volkskirche, als Organisation, die hybride Kir­ che), die Strukturen der Kirche (Kirche als Konfessions- und Rechtsgebilde in paro­ chialen und nichtparochialen Formen, als Gemeinde, Kirche der Zukunft als Netz von Gemeinden an kirchlichen Orten), die Perspektive der Kirchenmitglieder (Kirchen­ mitgliedschaftsuntersuchungen der EKD, die Milieus), die Partizipation und Leitung in der Kirche (Akteure, Kirchenvorstände und Synoden, geistliche Leitung, lernende Kirche) und zum Abschluss der Auftrag und die Aufgabe der Kirche in der Welt erör­ tert.

VII. Lexika Berger, Rupert: Pastoralliturgisches Handlexikon. Freiburg i. Br. (1999) 52013, 470 S. Berger begründet die überarbeitete Neuauflage dieses bewährten Handlexikons damit, dass liturgische Bücher inzwischen Neuausgaben erlebt haben, dass es neue Erlasse

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und Weisungen der Bischofskonferenzen gibt, dass vielfach Laien Gottesdienste leiten und dass die Liturgiewissenschaft sich neuen Fragen und neuen Forschungsfeldern zugewandt hat. So wurden die Artikel ergänzt und neue Literatur aufgeführt. Es kamen sogar neue Stichworte hinzu.

VIII. Arbeitshilfen Auel, Hans-Helmar (Hg.): Gottesdienste zum Pfingstfest. Und der Geist Gottes sprang Saul an (Dienst am Wort 151). Göttingen 2013, 223 S. Namhafte Professoren haben die jeweiligen Bibelstellen zu Predigten und Gottes­ dienstentwürfen ausgelegt und erklärt. Dabei kommen auch jene alt- wie neutesta­ mentlichen Bibelstellen in den Blick, die sonst eher am Rande stehen, wenn es um die Rede vom Heiligen Geist geht. Wilfried Härle hat eine Einführung in die Pneumatolo­ gie beigesteuert. Auksutat, Ksenija/Eßmann, Gabriele/Schleithoff, Doris: Der Altar im Kirchenjahr. schmücken – gestalten – verkündigen. Gütersloh 2013, 320 S., zahlr. Abb. Hier wird zum Kirchenjahr und zu im offiziellen Kirchenjahr nicht vorgesehenen Fes­ ten Altarschmuck vorgestellt, Kirchenjahreszeiten, liturgische Farben etc. werden erklärt und teilweise gleich auch Gebete, Gottesdienstentwürfe etc. beigegeben. Die durchweg farbigen Fotos verdeutlichen und veranschaulichen, dass es dabei nicht um Kunst geht, sondern um alltagstaugliche Arrangements, die jeder herstellen kann. Sel­ ten ist hier Kunsthandwerk anzutreffen, meistens ist es Kitsch. Tücher in allen Farben, Figuren, Kerzen, Bänder, Obst, Kränze etc. sind auf den Altar und seine Umgebung drapiert. Manchmal sind auch historische Paramente oder Altareinkleidungen als Bei­ spiele abgedruckt. Die Diskrepanz zwischen den historischen Abbildungen, die gro­ ßenteils künstlerisch wertvolle Arbeiten zeigen, und den hier angebotenen Verschmü­ ckungen ist erheblich. Baumeister, Martin/Beier, Claudia/Kathe, Bettina/Wurzer, Christian: Gott macht uns stark. 25 Kleinkinder-Gottesdienste. Mit Illustrationen und Bastelanleitungen von Karoline Schauren und Liedern von Christian Bischof. Regensburg 2013, 158 S. Eine Einführung informiert über die Grundsätze für Kleinkind-Gottesdienste, die die Autoren für wesentlich halten. Es geht um theologische Leitlinien, liturgische Überle­ gungen, pädagogische Gedanken und die Struktur im Gottesdienst. Anschließend sind die Gottesdienste mit allen Texten abgedruckt; in einem Kapitel finden sich alle Lieder und am Schluss folgt ein Ablaufschema für den Kleinkind-Gottesdienst. Bederne, Katrin/Mus, Dietlind: Gottesdienste für den Elementarbereich. Mit der Kir­ chenmaus fragen, staunen, feiern. Freiburg i. Br. 2013, 128 S., 1 CD-ROM. Das Buch ist zweigeteilt: Zuerst geht es um das Konzept dieser Gottesdienste für den Elementarbereich, danach werden Gottesdienste angeboten. Im ersten Teil wird gefragt nach dem Glaubenlernen kleiner Kinder und dem Theologisieren mit ihnen sowie mit der Kirchenmaus, danach, wer wann und wo feiert und wie der Ablauf eines solchen Gottesdienstes aussieht und was mitzubringen und vorzubereiten ist. Es fol­ gen Praxisbeispiele: Wozu hat der Apfel Kerne? Wer ist mein bester Freund? Warum sind manche Menschen arm? Musst du auch sterben? Benke, Christoph: Mit Gott an einem Tisch. Kommunion als Leitmotiv christlicher Spi­ ritualität. Innsbruck 2013, 93 S.

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In prägnanten 10 Abschnitten wird in die eucharistische Frömmigkeit eingeführt und der Schwerpunkt dabei auf die Kommunion gelegt. Der eucharistische Mensch findet so aus seiner Individualität zur Gemeinschaft mit den Mitchristen und mit Gott. Dafür stehen z. B. das Von-Gott-Gerufensein des Menschen, die Gastmähler Jesu, die Mys­ tik, die Vergebung, aber auch die Liebe. Blecker-Guczki, Iris Maria/Hahnen, Peter: Achtung, Messe! Düsseldorf/Kevelaer 2013, 91 S. Hier wird für Ministranten, aber wohl auch für andere Jugendliche, die Messe erklärt, das Kirchenjahr vorgestellt. Danach werden Besonderheiten, wie z. B. Weihwasser, Wallfahrt und Prozession, ewiges Gebet, behandelt. Abschließend werden Meditatio­ nen und Gebete für das Ministrantenleben und Tipps fürs Weitermachen in Sachen Messbildung gegeben. Candolini, Gernot: Segen. Kraftquelle des Lebens. München 2013, 176 S. Zahlreiche Segensgeschichten und beigegebene Gebete oder Meditationen wollen ver­ deutlichen, wie Segen im Alltag des menschlichen Lebens als Kraftquelle wirkt. Da geht es um Esthers Segen, Paarsegen, Krankensegnung, Reisesegen, Schlafsegen, Tür­ segen, himmlischen Segen etc. Ebert, Andreas/Musto, Peter: Praxis des Herzensgebets. Einen alten Meditationsweg neu entdecken. München 2013, 176 S., 1 CD-ROM. Die beiden im Herzensgebet bewanderten Autoren bieten hier eine einfache und sehr praktische Einführung in das Herzensgebet an. In zehn Wochen kann anhand dieses Leitfadens Tag für Tag eine halbstündige Übung vorgenommen werden. Es beginnt mit der Wahrnehmung, dem Sitzen, Aufrichten und Atmen, den Händen. Es folgen Wochen mit dem eigenen Namen, dann mit Maria und Jesus Christus. Weitere Hilfen werden angeboten, auch eine kurze Geschichte des Herzensgebets, das auf die Gottes­ erfahrung wert legt und bis heute in der orthodoxen Tradition am lebendigsten ist, wurde beigefügt. Eizinger, Werner: Die Psalmen. Ein Gebetbuch für Christen, neu übertragen und bear­ beitet. Regensburg 2013, 224 S. Eizinger legt im Vorwort dar, dass ein Christ nicht alle Verse der Psalmen beten kann: „Menschen zu verwünschen oder zu verfluchen, ihnen Böses zu wünschen, Rachege­ danken zu hegen statt zu vergeben, Gott zu bitten, dass er ihnen Böses, gar den Tod antun möge – so kann ein Christ nicht beten.“ (5) Das begründet er mit dem Gebot der Feindesliebe, mit der Antwort auf die Petrusfrage, immer bereit zu sein zur Verge­ bung, und mit der Vaterunserbitte, die Eizinger so übersetzt: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben haben.“ (5) Die Psalmverse, die vom Original abweichen, sind im Vorwort aufgeführt worden. Zudem hat Eizinger die Übertragung in eine hymnische deutsche Sprache vorgenommen, weil die Psalmen ja eigentlich gesungen werden. Engelsberger, Gerhard: Gemeinde auf dem Weg durch das Kirchenjahr. Andachten, Meditationen und Gottesdienste für die Zeit von Ostern bis Ewigkeitssonntag. Gütersloh 2013, 319 S., 1 CD-ROM. Das Buch gliedert sich dem Kirchenjahr entlang: Osterfestkreis, Pfingsten, Trinitatis­ zeit, Erntedank, Schuld und Vergebung, Tod und Ewigkeit, Friedensdekade, und zum Schluss Familiengottesdienste zu all diesen Zeiten. Jeder Teil wird mit einer Medita­ tion eröffnet, um dann umfangreiches Material zu bieten, das teilweise sehr persönlich gehalten ist und in jedem Fall ganz anschaulich und nachvollziehbar erzählt oder beschreibt, was thematisch angesagt ist.

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Engelsberger, Gerhard: An deiner Quelle. Eingangsgebete, Fürbitten und Impulstexte durch das Kirchenjahr. Gütersloh 2013, 169 S., 1 CD-ROM. Zu jedem Sonntag im Kirchenjahr gibt es kurze und lange, kantige und runde, nach­ denkliche und erlebnissatte Texte, die die gewöhnliche Sprache des Alltags verlassen, aber nicht den Erfahrungshintergrund des Lebens und des Glaubens. Jeder Sonntag, jedes Fest hat auch einen Leitgedanken erhalten, der manchmal nur aus einem Wort besteht. Für jeden Sonntag werden die vorgesehenen Lesungen aufgeführt, es folgen ein Text zum Eingang des Gottesdienstes und eine meist kurze Fürbitte, die zur Stille führt, danach ein Impulstext. Enzner-Probst, Brigitte/Moltmann-Wendel, Elisabeth (Hg.): Im Einklang mit dem Kos­ mos. Schöpfungsspiritualität lehren, lernen und leben. Theologische Aspekte – Prakti­ sche Impulse. Ostfildern 2013, 288 S. Dass der Mensch selbst seine eigene Lebensgrundlage durch Naturzerstörung gefähr­ det und damit das ihm geschenkte Leben, ist der Ausgangspunkt für dieses Buch, das solcher Zerstörung entgegen wirken will, indem es Schöpfungsspiritualität lehrt, ler­ nen lässt und zum Leben anleitet. Es nimmt Abschied von den Dualismen wie Materie und Geist und begreift den Menschen als einen Teil des großen Ganzen. Eine umfas­ sende kreative Transformation muss einsetzen, um den Lebensraum Erde zu bewah­ ren und weiterentwickeln zu können. Im ersten Teil – Schöpfungsspiritualität lehren – werden Beiträge geboten, die die gegenwärtige ökologische Krise auf die anthropolo­ gische Engführung westlicher Theologie zurückführen und auf eine kosmische Chris­ tologie und Soteriologie verweisen, aber auch zur kosmischen Demut und Achtsam­ keit herausfordern. Im zweiten Teil – Schöpfungsspiritualität lernen – sollen Geburt, Taufe, Gebet, Segenshandlungen neu für eine kosmische Erziehung interpretiert wer­ den. Im dritten Teil – Schöpfungsspiritualität leben – wird in dem skizzierten Sinne viel Material geboten: Litaneien, Meditationen, Liturgien, Lieder, Frauenliturgien, Statements, Aufrufe etc. Friedrichs, Lutz (Hg.): Bestattung. Anregungen für eine innovative Praxis (Dienst am Wort 153). Göttingen 2013, 144 S. Friedrichs führt zunächst mit einer praktisch-theologischen Grundlegung in die evan­ gelische Bestattung im gesellschaftlich-kulturellen Wandel ein, da Pluralisierung, Ökonomisierung und Ästhetisierung Herausforderungen darstellen. Es folgt eine kurze historische Vergewisserung der evangelischen Bestattungstradition, um danach Konsequenzen für die heutige Bestattungspraxis zu ziehen: auf andere Orte zugehen, sich neuen Formen öffnen, die Erlebnisdichte fördern, in tastender Gewissheit reden und Musik als Lebenshilfe begreifen. Es folgen zahlreiche Anregungen für die Liturgie des Trauergottesdienstes und es werden tatsächlich gehaltene Predigten abgedruckt, die die Situation des Verstorbenen und der Trauernden zum Ausgangspunkt nehmen. Fuchs, Guido: Veni Sancte Spiritus. Gebete, Lieder und Gottesdienste zum Heiligen Geist. Regensburg 2013, 117 S. Ganz unterschiedliche Texte für den Gottesdienst zum und über den Heiligen Geist finden sich in diesem Buch. Es wird über die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Feier des Gottesdienstes reflektiert und festgestellt, dass es wohl zu wenig sei, nur an Pfingsten vom Heiligen Geist zu reden oder an ihn zu denken. Darum werden Gebete und Lieder zur Eröffnung des Gottesdienstes geboten, Texte zur Kommunion, eine Votivmesse zum Heiligen Geist. Es folgen einige Besinnungen zum Titel des Buches, besondere Texte für das Pfingstfest selbst und unterschiedliche Texte zum sakramen­ talen Leben, z. B. Taufgedächtnis, Firmung. Es sind auch zahlreiche Pfingstlieder in diesem Buch mit aufgeführt worden.

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Goldschmidt, Stephan (Hg.): Weihnachtsworte. Geschichten und Gedanken für Andacht und Predigt (Dienst am Wort 156). Göttingen 2013, 156 S. Viel reichhaltiges Material für die Advents- und Weihnachtszeit wird in diesem Band geboten, an dem zahlreiche Autoren mitgewirkt haben. Es geht natürlich im engeren Sinn um Advent und Weihnachten, aber es werden auch Gedichte, Märchen, Erzäh­ lungen und Meditationen, Geschichten für Kinder sowie Gebete geboten. All dieses Material soll helfen, von Weihnachten zu erzählen mit Gedanken und Texten, „die noch nicht allzu vertraut und verbraucht sind.“ (11) Habicht, Tobias/Karcher, Stefan/Reichel, Hanna (Hg.): „… zu schauen die schönen Got­ tesdienste des Herrn“. Eine homiletische Festschrift zu Adolf Martin Ritters 80. Geburtstag (Impulse aus der Heidelberger Universitätskirche 4). Heidelberg 2013, 169 S. Seit 1958 gibt es in der Heidelberger Peterskirche die sogenannten MittwochmorgenGottesdienste, die um 7.00 Uhr beginnen und sich durch eine ausgeprägte Liturgie auszeichnen. Seit vielen Jahren ist es Adolf Martin Ritter, der als ihr Spiritus rector gilt. Zu seinem 80. Geburtstag ist nun dieses Büchlein ihm zur Ehre erschienen, in dem 24 Autoren, die an diesen Gottesdiensten mitwirken, die liturgischen Elemente des Gottesdienstes mit einer Predigt würdigen. Wolfram Kinzig würdigt Ritter als einen Prediger, der die Menschen in Gang bringt. Fünf Teilnehmer schildern ihre Sicht und Erfahrung der Mittwochmorgen-Gottesdienste im Wandel der Zeit. Auch wird die Liturgie dieses Gottesdienstes abgedruckt. Nach den Predigten wird noch eine Darstellung des auf den Gottesdienst folgenden Frühstücks gegeben, die vermittelt, wie fröhlich und lebendig diese Gemeinschaft ist. Hahnen, Peter/Wittmann, Markus: … im Namen des Herrn. Ministrantengebete in der Sakristei. Freiburg i. Br. 2013, 111 S. Mit dieser Gebetssammlung wird eine Lanze für die Sakristeikultur gebrochen – denn in welcher Sakristei ist vor dem Gottesdienst nicht doch manchmal (heilige) Unruhe? Das Sakristeigebet markiert das Ende der äußeren Vorbereitung und den Beginn der inneren Vorbereitung auf den Gottesdienst. Für jeden Sonntag ist folgender Verlauf vorgesehen: Ein Satz als Einleitung zum Gebet, dann Stille, die in ein Gebet übergeht. Eine Überleitung nimmt den Leitgedanken des Sonntags auf. Danach herrscht Stille bis zum Glockenschlag, mit dem der Gottesdienst beginnt. Hempelmann, Heinzpeter/Schließer, Benjamin/Schubert, Corinna/Weimer, Markus: Handbuch Taufe. Impulse für eine milieusensible Taufpraxis (Kirche und Milieu 1). Neukirchen-Vluyn 2013, 149 S., 1 Faltblatt. Die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg unterstützen diese neue Buchreihe, weil mit ihr die Erkenntnisse der Milieuforschung auch praktisch nutzbar gemacht werden sollen. Der erste Band verdankt sich jüngeren Pfarrerinnen und Pfarrern, aber auch Theologiestudierendern, „denen es besonders daran gelegen ist, kirchlichem Handeln eine missionarische und zugleich zeitgemäße Ausrichtung zu geben.“ (5) Die hier zugrunde gelegte Milieustudie haben beide Landeskirchen in Auf­ trag gegeben; sie ist 2012 als Sinus-Studie „Evangelisch in Baden-Württemberg“ veröf­ fentlicht worden. Dieses Buch informiert zunächst über die Studie selbst und wie die Ergebnisse auf konkreten Fälle bezogen werden. Nachfolgend werden die zehn unter­ schiedlichen Milieus vorgestellt und verdeutlicht, wie man für sie richtig Taufe macht. Herder Korrespondenz spezial: Wie heute Gott feiern? Liturgie im 21. Jahrhundert. Frei­ burg i. Br. 2013 (April), 64 S. Dieses Heft ermöglicht es denen, die an liturgischen und liturgiewissenschaftlichen Entwicklungen interessiert sind, sich in kurzen und prägnanten Beiträgen zu informie­

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ren. So geht es z. B. um den religiösen Pluralismus, um die Ästhetik der Liturgie, um Ämter und Begabungen, um das neue Gotteslob und darum, wie sich in der evangeli­ schen Kirche in den letzten Jahrzehnten Liturgie entwickelt hat. Wer sich eher für Formen der Liturgie interessiert, wird fündig z. B. in einem Beitrag über die tridentini­ sche Messe, Zielgruppengottesdienste, Gottesdienste für Fernstehende etc. Es folgen noch drei Beiträge zur Liturgie in den Niederlanden, in Afrika und den USA. Hoffsümmer, Willi (Hg.): Dankbarkeit erhebt die Seele. 140 Geschichten zum Vorlesen für Gottesdienst und Seniorenarbeit. Ostfildern 2013, 199 S. Viele kurze Geschichten sind hier zusammengetragen worden, die in dreizehn thema­ tisch geordneten Gruppen zu finden sind. Jede Geschichte wird mit einer kurzen Zusammenfassung charakterisiert, wie lange die Vorlesedauer ist und wie man in die Geschichte einführt. Dann erst folgt der Text. Warum diese Geschichten auch für den Gottesdienst geeignet sind, wird im Vorwort nicht erwähnt, dort ist nur von Senioren­ arbeit die Rede. Aber sicherlich sind die Geschichten auch für Predigteröffnungen oder Meditationen sinnvoll. Jung, Herbert: Das große Buch der Segensgebete. Freiburg i. Br. 2013, 224 S., 1 CDROM. Manchmal scheinen Segensgebete fast vergessen zu sein oder selten gebraucht zu wer­ den. Umso verdienstvoller ist dieses umfangreiche Buch, in dem so zahlreiche Segens­ gebete abgedruckt sind, dass schon das Inhaltsverzeichnis mehrere Seiten umfasst. Die Segensgebete sind geordnet nach dem Kirchenjahr, zu allen Sonntagen und Festtagen stehen ein oder mehrere Segensgebete zur Verfügung. Auch Gebete zum Leben in der Gemeinde, biblische Segenstexte, im Zyklus des Lebens, in Krisenzeiten, bei Sterben und Tod werden gebetet. Jung, Herbert: Gottesdienste für Fastenzeit und Ostern. Modelle, Ideen und Texte. Frei­ burg i. Br. 2013, 144 S., 1 CD-ROM. Hier werden kreative Gottesdienstideen für inhaltlich schon stark besetzte Sonntage vorgelegt, was sich an den Leitgedankenformulierungen schon erkennen lässt: „Alles nur Staub und Asche“ für Aschermittwoch, „Liebe – auf Leben und Tod“ für den ers­ ten Sonntag der Fastenzeit, oder: „Zum letzten Ma(h)l“ für Gründonnerstag, „Raum für den Tod“ für Karfreitag. Dazu werden mehrere Kreuzwegmeditationen angeboten unter den Leitgedanken: „Sieben Fälle“ oder „LOS-ZEIT“. Die Osternacht als letztes Angebot steht unter dem Gedanken des Aufstiegs. Jung, Herbert: Gottesdienste für Advent und Weihnachten. Modelle, Ideen und Texte. Freiburg i. Br. 2013, 144 S., 1 CD-ROM. Diese Advents- und Weihnachtsgottesdienste sollen Alternativen zur gewohnten Got­ tesdienstkultur bieten, da mit den Texten etc. das Weihnachts-Kind in unsere Weih­ nachts-Welt hineingestellt wird. Vom ersten Adventssonntag bis zum Sonntag der Taufe Jesu sind alle Sonn- und Feiertage mit besonderen Texten und Ideen bedacht worden. Jung, Martina (Hg.): Wallfahrten und Pilgern. Gottesdienste und Gestaltungselemente für Gemeinde und Pilgergruppen. Ideenwerkstatt Gottesdienste – Themenheft 2013. Freiburg i. Br. 2013, 127 S. Viel Material wird für ganz unterschiedliche Wallfahrten aufgeführt: Wallfahrt nach Taizé, Jakobspilger, Marienwallfahrten, Kinderwallfahrt, Seniorenwallfahrt etc. Nütz­ liche Hinweise wie auch geistliche Texte, Lieder, Gebete, kreative Ideen werden gebo­ ten, um eine Wallfahrt gelingen lassen zu können, denn mit ihr erfahren die Teilnehm­ enden auch etwas von der Langsamkeit des Lebens.

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Kampmann, Monika (Hg.): Hochzeit – Ehe – Partnerschaft. Das große Werkbuch für Gottesdienst und Gemeindearbeit. Ostfildern 2013, 190 S., 1 CD-ROM. Nachdem im Vorwort über Chancen und Risiken von Paarbeziehungen nachgedacht wurde, werden Gottesdienste zu Trauungen angeboten. Zuerst Gottesdienste und Hochzeitsfeiern, die sich inhaltlich an biblischen Erzählungen, biografischen Anlässen oder an verschiedenen Symbolen und Anlässen orientieren. Danach folgen Gottes­ dienste und Feiern während der Ehe zu Jubiläen und zu verschiedenen Anlässen in der Ehe, z. B. bei einem Treffen von Ehepaaren, für ein Paar in der Krise etc. Abschließend bietet der Band Gottesdienste und Feiern rund um die Partnerschaft: Valentinstag, zu Beginn einer Lebenspartnerschaft, Segnungsfeier für Paare mit Salbungsritual, Seg­ nung einer Patchworkfamilie etc. Im Anhang findet man die Liturgien für die Trauung in der katholischen Kirche und für ökumenische Trauungen. Eine evangelische Litur­ gie ist nicht abgedruckt. Kleinewiese, Reinhard: Vom Leben umfangen. Trauerfeiern und Traueransprachen. Regensburg 2013, 109 S. Ganz unterschiedliches Material für Trauerfeiern wird hier geboten: Texte, auch lyri­ sche, typisch liturgische Texte, Texte zur Besinnung, Liedertexte, dazu unterschiedli­ che Gottesdienste wie zu Allerheiligen oder zu einer Verabschiedungsfeier für ein Kind. Es folgen Ansprachen, die den Bezug zu den verstorbenen Menschen gut erken­ nen lassen. Kok, Cornelius (Hg.): Das Huub Oosterhuis Gottesdienstbuch. Freiburg i. Br. 2013, 380 S. Die Texte zum Gottesdienst – Lieder, Gebete, Schrifttexte, Ansprachen, Meditatio­ nen – von Huub Oosterhuis, die hier abgedruckt sind, entstanden seit 1960 für die Amsterdamer Studentenekklesia. Diese Studentenekklesia war ursprünglich eine römisch-katholische Studentengemeinde, hat sich aber allmählich zu einer kirchen­ unabhängigen Werkstatt für Liturgieerneuerung entwickelt und besteht bis heute. „Oosterhuis war der Meinung, dass die Einführung der Landessprache nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wesentlich mehr bedeuten sollte als nur einen Wechsel vom Lateinischen zum Niederländischen: ‚Die ganze Formensprache unseres Gottes­ dienstes ist davon betroffen, die kirchliche Architektur, die liturgische Musik und die Regie der Feier.‘ (Vorlesung 1963).“ (14) Umfangreiches Material wird geboten für die Sonntage im römisch-katholischen Kirchenjahr, für besondere Feiertage wie Ernte­ danktag oder Fronleichnam, auch für Thomasmesse, Marienvesper, Kirchweihe, Fami­ liengottesdienst, Weltgebetstag, dann für die Kasualien, aber auch für die Aussendung in einen Dienst oder Krankensalbung. Viele Texte lassen sich auch an anderen Sonnta­ gen oder zu anderen Gegebenheiten verwenden. Alles Texte sind aus dem Niederländ­ ischen ins Deutsche übersetzt worden; ein Bibelstellenregister ist beigegeben. Koranyi, Max: Gottesdienste rund um die Konfirmation. Entwürfe zu Konfirmation, Konfirmandenabendmahl, Goldkonfirmation und Vorstellungsgottesdiensten (Dienst am Wort 154). Göttingen 2013, 104 S. Zu den vier Anlässen rund um die Konfirmation, wie sie im Titel aufgezählt sind, wer­ den jeweils vier Entwürfe für Gottesdienste mit Predigt geboten. Dabei nimmt die Predigt den größten Teil ein, die Gottesdienstentwürfe geben Psalmen, Lieder und Gebete wieder. Abendmahlsgebete werden nicht aufgeführt. Langwald, Marie-Luise/Niehüser, Isolde, unter Mitarbeit von Irmentraud Kobusch: Thema: Alt und Jung (FrauenGottesDienste). Ostfildern 2013, 96 S. Unter dem Stichwort der Altersweisheit werden hier Gottesdienstmodelle angeboten, denn an der Weisheit und Lebenserfahrung der „Alten“ können die „Jungen“ teilha­ ben: Großeltern und Kinder unter der Erfahrung, dass einem der Himmel nahe und

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dass man mit der Erde verbunden ist, Leben in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; für eine Eucharistiefeier, bei der das Weisewerden gewürdigt wird, ein Ern­ tedankfest für Demenzkranke etc. Weitere Materialien und Anregungen, Einsichten in die Werkstatt Gottesdienst, Lieder, Überlegungen zu Liturgie und Biographie geben Anregungen. Lautenbacher, Marcus: Familiengottesdienste für die Fastenzeit. Regensburg 2013, 159 S. Drei Fastenwege, die inhaltlich aufeinander abgestimmt sind, können an den Fasten­ sonntagen gefeiert werden. Die erste Reihe steht unter dem Leitgedanken, dass Jesus Heil und Leben bringt, wie z. B. dem blinden Bartimäus oder der Frau am Jakobs­ brunnen. Die zweite Reihe hat den Leitgedanken, dass Propheten auf den rechten Weg rufen, die dritte Reihe nimmt die Seligpreisungen als Grundlage und die vierte Reihe umfasst Gleichnisse Jesu. Die Gottesdienste sind erprobt, alle Texte etc. sind abgedruckt. Liturgische Institute Deutschland, Österreich, Schweiz (Hg.): Getauft – und dann? Got­ tesdienste mit Kindern und Jugendlichen auf ihrem Glaubensweg. Werkbuch. Frei­ burg i. Br. 2013, 265 S. Wer Kinder bzw. Säuglinge tauft, muss sie auch in den Glauben einführen. Für diese Aufgabe möchte das Werkbuch Beispiele anbieten: Kindersegnungen im Vor- und Grundschulalter, z. B. in der Weihnachtszeit, zur Einschulung; feierliche Überrei­ chung christlicher Symbole und Gebete, z. B. die Überreichung eines Kreuzes, der Heiligen Schrift, des Vaterunsers, des Glaubensbekenntnisses; Taufgedächtnis und Feier der Umkehr und Versöhnung, z. B. zur Erstkommunion; dann die Feier der Erstkommunion und Feiern nach der Erstkommunion; abschließend Feiern im Jugendalter. Zu jeder Feier wird eine pastorale Einführung gegeben, danach wird der Aufbau der Feier rubrikenartig vorgestellt und anschließend mit allen Texten ausge­ führt. Lumma, Liborius Olaf: Für-Bitten. An Werktagen, Heiligenfesten und zu besonderen Anlässen. Innsbruck/Wien 2013, 92 S. Im klassischen Stil werden mit diesem Buch zahlreiche Fürbittentexte geboten, die auch direkt in der Messe verwendet werden können: für vier Wochenreihen, für die Feste im Kirchenjahr, Herz-Jesu-Freitage und Heiligenfeste, für die Ökumene, für Begräbnis und Totengedenken, für die Tageszeiten und abschließend für verschiedene Anlässe. Maierhof, Jens (Hg.): Bußgottesdienste. Versöhnungsfeiern im Jahreskreis und zu beson­ deren Anlässen. Regensburg 2013, 119 S. Es werden neun Bußgottesdienste vorgestellt für die Advents- und für die österliche Bußzeit sowie dann sechs Bußgottesdienste für besondere Gruppen, wie z. B. für Kin­ der, Jugendliche, Familien etc. Mit diesen Gottesdiensten soll deutlich werden, dass Buße und Versöhnung keineswegs ein punktuelles Geschehen darstellen, nicht nur Einzelpersonen betreffen, sondern auch die Beziehungen zu anderen Menschen, und dass sie den Blick von der Vergangenheit lösen und auf Zukunft hin ausrichten. Mayer-Klaus, Ulrike (Hg.): Weißt Du, wo Gott wohnt? Gottesdienste zu Kinderfragen. Ostfildern 2013, 152 S. Die zahlreichen Gottesdienstvorschläge für Kinder sind unter folgenden Themen geordnet: Kinder fragen nach dem Menschsein (z. B.: Mein Opa ist gestorben, wo ist er jetzt? Gibt es im Himmel etwas zu essen?), nach Gott (Wie viele Augen hat Gott, wenn er alle gleichzeitig sieht?), nach Jesus (Konnte Jesus zaubern, weil er Menschen gesund gemacht hat?), nach christlichen Festen und Bräuchen (Hat der Heilige Geist eigentlich Flügel?). Die Gottesdienste sind klar und einfach aufgebaut: Hinführung,

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Gebet, Bibelwort, vertiefende kreative Elemente, Vaterunser, Abschlussgebet und Segen. Es folgen Liedvorschläge. Mering, Klaus von: Vom Aufgang der Sonne. Andachten zu den Kernliedern des Evange­ lischen Gesangbuchs. Göttingen 2013, 240 S. Die Liste von 33 Kernliedern des Evangelischen Gesangbuchs ist Grundlage für And­ achten zu jedem dieser Lieder. Es geht auf dem Hintergrund der Entkirchlichung darum, den Glauben und damit auch die Glaubenslieder in elementarisierter Form anzubieten, damit wenigstens ein gewisses Minimum an bekannten Liedern erhalten bleibt. Von Mering legt dazu Andachten vor, die sowohl über die Lieder informieren wie auch eine spirituelle Dimension haben. Mittnacht, Elisabeth: Neue Advents- und Weihnachtsfeiern mit Senioren. Gestaltungs­ ideen und Vorlagen. Freiburg i. Br. 2013, 112 S., 1 CD-ROM. Es werden neun Adventsfeiern und drei Weihnachtsfeiern für Senioren vorgelegt, die viel Bekanntes bieten, aber auf kreative Weise aufnehmen und in eine Feierform brin­ gen. Bilder, Lieder, Texte etc. werden mit abgedruckt oder können von der CD-ROM zum eigenen Gebrauch genommen werden. Zum Auftakt werden nützliche Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung der Gottesdienste gegeben. Naumann, Bettina: Heilige Orte und heilige Zeiten? Kirchenräume und Kirchenjahr. Leipzig 2013, 114 S. Mit diesem Buch wird eine neue Reihe eröffnet, die sich an Ehrenamtliche und Gemeindeglieder richtet, die sich für theologische Fragen interessieren. Diese Fragen kommen oftmals durch ihre ehrenamtliche Mitarbeit in der Gemeinde zustande. Das Buch führt zunächst in die Bedeutung von Kirchenräumen und des Kirchenjahres für den Glauben ein, um dann unter der Überschrift Glaube im Raum das Kirchenge­ bäude, seine Ausstattung und Bedeutung zu beschreiben und danach unter der Über­ schrift Glaube in der Zeit – das Kirchenjahr den Rhythmus der Zeit und des Kirchen­ jahres darzustellen. Nissing, Hanns-Gregor/Süß, Andreas (Hg.): Nightfever. Theologische Grundlegungen. München 2013, 180 S. Die mittlerweile international verbreitete Bewegung Nightfever in der römisch-katho­ lischen Kirche ist nach dem Weltjugendtag 2005 in Köln entstanden. Der Weltjugend­ tag stand unter dem Wort: Wir sind gekommen, um ihn anzubeten. (Mt 2,2) Vor Hun­ derttausenden von jungen Menschen wurde auf dem Marienfeld eine Monstranz aus­ gesetzt und es fand eine stille Anbetung statt. Diese tiefgreifende Erfahrung, dass so etwas tatsächlich mit Jugendlichen möglich ist, wurde aufgenommen: An Samstag­ abenden werden in katholischen Kirchen Monstranzen auf Altäre gestellt, die Kirchen sind mit Teelichtern erleuchtet und junge Menschen treffen sich zur Anbetung. Sie nehmen Teelichter, gehen auf die Straße vor der Kirche und laden Passanten ein, mit ihnen anzubeten. In mehreren Beiträgen wird diese Aktion vorgestellt, theologisch gewürdigt und reflektiert. Pagel, Maria: Der Augenblick ist kostbar. Gottesdienste mit Demenzkranken in Altenund Pflegeheimen. Regensburg 2013, 110 S. Eine kurze Einführung zeichnet nach, was es bedeutet, mit Demenzkranken Gottes­ dienste feiern zu wollen. Ein einfacher Ablauf eines Gottesdienstes ist den sich anschließenden 22 Vorschlägen für Gottesdienste mit Demenzkranken vorangestellt. Die Themen der Gottesdienste sind an Erfahrungen orientiert, so z. B.: Mein Zuhause, Schule, Berufe, Muttertag, Danken und Bitten, Bäume, Sterben und Auferstehen, Segen.

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Richter, Wolfgang M.: Gospelimpuls. Gospelgottesdienste, Gospelandachten und Anre­ gungen für die Gemeindearbeit. Gütersloh 2013, 192 S., 1 CD-ROM. Gospelchöre gibt es fast überall, Richter nennt diese Bewegung gar ein Wunder, da die Chöre ohne Marketingkonzept der Kirchen und ohne Gemeindeaufbauprogramm entstanden sind und heute kein randständiges Dasein führen, sondern Gottesdienste mitgestalten. Wohl darum werden zuerst Gospelgottesdienst vorgestellt von Advent bis zum Ewigkeitssonntag und sogar ein Gottesdienst zur Einweihung einer Gospel­ kirche. In einem weiteren Teil wird über die Gospelgottesdienste informiert, es folgen Andachten und Gemeindeimpulse mit Gospel. Ein umfangreicher Materialteil beschließt das Buch. Sauer, Harald: Im Glanz deines Lichts. Praxishilfen für Advent, Weihnachten, Jahres­ wechsel und Epiphanias. Gütersloh 2013, 192 S., 1 CD-ROM. Zu den Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres werden ganz unterschiedliche Mate­ rialiensammlungen geboten: Einmal sind es nur Predigten, dann wieder vollständig ausgestaltete Gottesdienste. Es gibt auch liturgische Bausteine, wie Begrüßung und Einstimmungen, Kyrie, Kollektengebete, Fürbitten, Segen. Schade, Franziska (Hg.): Baustelle Glauben. Alternative Jugendgottesdienste. Düsseldorf 2012, 176 S. Jugendgottesdienste vorbereiten und feiern, die Jugendliche begeistern, ist hier das Ziel. Dafür werden ausführliche Erörterungen geboten, um anschließend Material für zahlreiche Jugendgottesdienste bereitzustellen: Kirche ist GrOTTenschlecht?; Von nix kommt nix; FriedSHIP – Glaube reis(s)t mit!; Baustelle Glauben – Achtung: Einsturz­ gefahr!; Lustige Begriffe im Gottesdienst. Heute: Feiern; Der Tod kommt krass. Die Gottesdienste sind sehr aufwändig geplant und auch durchgeführt worden. Alle Texte sind abgedruckt. Hier finden sogar Jugendliche etwas, was sie so nicht erwartet hätten. Schaller, Hans: Wachsen im Gebet. Eine ignatianische Vertiefung. Würzburg 2013, 69 S. Schaller selbst ist Jesuit und Exerzitienleiter und bewandert in der ignatianischen Frömmigkeit. Er führt hier mit kurzen und gut nachvollziehbaren Texten in das Gebet ein. Seine Einführung beruht auf den Exerzitien des Ignatius von Loyola. Es geht dabei um innere Haltungen, aber auch um Techniken der Besinnung, der Meditiation. Schuhmacher, Thomas: Liedauswahl nach Themen leicht gemacht. Konkordanz zum Gotteslob in 500 Stichworten und Liedvorschläge für jeden Sonntag. München 2013, 245 S. Diese Konkordanz zum Gotteslob ist dreigliedrig: Zuerst werden Gesänge dem Ver­ lauf der Messe zugeordnet, dann folgt eine Konkordanz nach Wörtern und Begriffen, anschließend werden Liedvorschläge für Sonntage und Hochfeste aufgeführt. Das Besondere dieser Konkordanz liegt wohl darin, dass nicht nur stur einzelne Worte als Fundstellen aufgeführt werden, sondern dass auch inhaltliche Maßstäbe für die Auflis­ tung von Liedern eine Rolle gespielt haben. Daran zeigt sich, dass Schuhmacher sein Gotteslob gut kennt, so dass hier keine mit Hilfe von Computer-Wort-Suchfunktio­ nen gestaltete Konkordanz vorliegt. Schütz, Heike J.: Familien willkommen! Kreative Entwürfe für eine lebendige Gemein­ dearbeit. Neukirchen-Vluyn 2013, 190 S. Die angebotenen Familiengottesdienste sind in drei Gruppen gegliedert: FamilienGottesdienste XXL – Das perfekte Familiendinner – Besondere Familienevents. Diese Gottesdienste zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Aktivitätsrate aus, sondern auch dadurch, dass z. B. beim Familiendinner tatsächlich gekocht wird. Sei es ein Osterbrunch, ein biblisches Festmahl oder zum Erntedankfest. Die Familienevents

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sind die Osternacht, der Sommerausflug in den Wald und das Martinsfest. Eine weitere Rubrik heißt Familiengarten. Er soll zum Nachdenken über den Glauben anregen. Schwarz, Christian (Hg.): Basics. Gottesdienste zu grundlegenden Texten und Themen (GottesdienstPraxis Serie B). Gütersloh 2013, 160 S., 1 CD-ROM. In diesem Band werden Gottesdienste zu biblischen Basistexten geboten: zu den 10 Geboten, zum Vaterunser, zum Doppelgebot der Liebe. Danach Bekenntnistexte: Apostolisches Glaubensbekenntnis, Confessio Augustana, Vom Predigtamt der CA, Was glaubst du?, zur Frage nach dem Heidelberger Katechismus, Erste These der Bar­ mer Theologischen Erklärung. Schließlich einige liturgische Texte und Themen: Der dreieinige Gott, Pfingsten, Jugendsonntag, Paulus, Sich-Gott-vorstellen. Schwarz, Christian (Hg.): Gottesdienste mit alten Menschen (GottesdienstPraxis, Serie B). Gütersloh 2013, 176 S., 1 CD-ROM. Gottesdienste in Altenheimen stellen besondere und ganz unterschiedliche Anforde­ rungen, wie in der Einleitung dargelegt wird. Darum soll es hier eher um das narrative Predigen gehen. Zuerst werden Predigten und Gottesdienste zu Kirchenjahr und Jah­ reslauf geboten, dann zu Bildern und Symbolen, anschließend zu einzelnen Themen. Einige weitere liturgische Texte stehen darüber hinaus zur Auswahl. Schwarz, Christian (Hg.): Trauung. Texte, Themen und Motive (GottesdienstPraxis Serie B). Gütersloh 2013, 168 S., 1 CD-ROM. Nach Einführungen in das bunte Lebens-Thema folgen Predigten und Gottesdienste zur Trauung, zur Trauung in besonderen Situationen sowie zahlreiche Bausteine für Liturgie und Gestaltung. Sigg, Stephan: Jugendgottesdienste. Neue Formen, neue Sprache, neue Orte – Anregun­ gen und Praxismodelle. Freiburg i. Br. 2013, 144 S. Es werden ganz unterschiedliche Jugendgottesdienste angeboten, weil auch die Jugend nicht einheitlich ist, wie Sigg betont. Er führt für Jugendliche, die selbstverständlich mit modernen Digitalmedien umgehen, folgende Gottesdienstformen auf: TaizéGebet, Lobpreis, Hip-Hop-Gottesdienst, Graffiti-Gottesdienst, Jogging-Wallfahrt, Facebook-Gottesdienst, Film-Gottesdienst, Literatur-Gottesdienst. Die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit der Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der gefeierten Gottesdienste. Dann folgen einige Gottesdienstvorlagen, die erkennbar zur Jugendwelt gehören, wie z. B. mit den Themen Happy Birthday, Jesus, oder: Die SMS deines Lebens. Wagner, Karl: Großes Werkbuch Begräbnisfeiern. Freiburg i. Br. 2013, 208 S., 1 CDROM. Das richtige Wort und die richtige Handlung zu finden für die jeweilige Trauerfeier, ist nicht immer einfach, „weil es bei jedem Begräbnis einen anderen Verstorbenen, andere Todesumstände, andere Hinterbliebene, eine andere Trauergesellschaft, andere Beziehungen zum Verstorbenen und andere Beziehungen unter den Begräbnisteilneh­ mern gibt.“ (8) Als Anregungen und Hinweise versteht sich diese Materialsammlung; zuerst wird in die Grundvoraussetzungen einer Begräbnisfeier eingeführt, dann der Einfluss der Trauer auf die Trauernden thematisiert, um dann das Begräbnisritual und die Aufgabe der Seelsorge sowie den Begräbnisleiter zu bedenken. Es folgen Elemente der Begräbnisfeier, ihre Formen sowie liturgische Bausteine und besondere Formen der Verabschiedung. Warkentin, Heide (Hg.): Gipfelgebete. Gebete und Segenstexte zum Wandern in den Bergen. München 2013, 128 S. Berge haben es in sich – auch in spiritueller Hinsicht. Das kleine, handliche Büchlein kann auf Bergwanderungen mitgenommen werden und bietet neben Gipfelgebeten

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Jörg Neijenhuis

biblische „Berg“-Texte, Gipfel-Philosophisches, Gedanken zu den Bergen und Tälern des Lebens, aber auch zwei Gipfelmeditationen. Weiß, Thomas: Du rollst den Stein von unseren Herzen. Modelle für Symbol-Andachten und Symbol-Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern. Gütersloh 2013, 207 S. Von Karmontag bis Ostersonntag stellt Weiß hier drei Wochenzyklen vor, die sich mit dem Stein, dem Holz und dem härenen Gewand befassen. Das Symbol verbindet eine Woche, die Andachten haben einen ähnlichen Verlauf: Eröffnung, Psalm, Lied, Lesung, dazu einen Impuls, Lied, Gebet in der Stille, Vaterunser, Segen. Die Teil­ nehmenden werden auch zu Zeichenhandlungen aufgefordert. Alle Texte sind abge­ druckt, eine CD-ROM steht mit weiterem Material für die eigene Weiterarbeit zur Verfügung. Welke-Holtmann, Sigrun (Hg.): Auf den Flügeln des Morgenrotes. Gebete – Andachten – Meditationen. Erhard Domay zum Gedächtnis. Gütersloh 2013, 192 S. Erhard Domay hat 35 Jahre lang die Reihe GottesdienstPraxis Serie A herausgegeben und seine Nachfolgerin hat diesen Band mit zahlreichen Autoren, die mit Domay gearbeitet haben, gestaltet. Das alle verbindende Thema ist die Sehnsucht. Dazu haben die Autoren Predigten und Gebete, Gedichte und Geschichten beigesteuert, seien es gebrauchte oder ganz neu verfasste. Sie zeichnen „ein lebendiges und buntes Bild der Sehnsucht von Menschen unserer Zeit.“ (11) Witt, Dieter: Heraus aus dem Schneckenhaus. 24 fantasievolle Krabbelgottesdienste. Leinfeld-Echterdingen/Stuttgart 2013, 144 S. Nach einem kurzen Vorwort und Hinweisen zum Gebrauch dieses Buches folgen Krabbelgottesdienste zu vielen biblischen Gestalten, dann einige Gottesdienste zu Advent, Weihnachten, Passion und Ostern, Pfingsten, Erntedankfest und dem Ende des Kirchenjahres. Die Gottesdienste sind mit allen Texten etc. versehen und können direkt übernommen werden. Ein Liedverzeichnis macht auf Lieder eigens für diese Altersgruppe aufmerksam.

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Images of a Hymnal Criteria for selecting songs derived from constructed meaning of a hymnal

Nienke van Andel, MA Martin J. M. Hoondert, PhD Marcel Barnard, PhD1

The focus when composing, evaluating or studying a hymn-book, usually lies on the hymns it contains and/or the criteria used for their incorporation.2 In this article we will add another point of view to the study of hymnals, seeking to show that the desired end result of the editorial work contributes to the evalua­ tion of a particular song. We will argue that images of the hymnal as they were evoked in the meetings of its editorial board when discussing a song, became a criterion for incorporation, summarized in the question of whether the song met the desired meaning of the hymnal. The editorial process referred to con­ cerns the Dutch Liedboek (2013), which we will now proceed to introduce.

1. Introduction: a new Dutch Protestant hymnal On 25 May 2013, Monnickendam, a small picturesque town near Dutch capital Amsterdam, hosted a special event. Representatives of eight Dutch and Flemish protestant churches3 were presented with a new hymn-book entitled Liedboek, 1 This contribution is based on empirical research conducted by the first author. She is a PhD student in Liturgical Studies. The second and third author are her supervisors, who gave input and suggested changes during the several distinct phases of the study as well as on the multiple versions of this article. Contact: C. S. van Andel, MA. Protestant Theological University, PO Box 7161, NL1007 MC Amsterdam. [email protected] 2 E. g. Tönsing, Gertrud: “There Must be Mouse Dirt with the Pepper”. A Lutheran Approach to Choosing Songs. In: Dialog. A Journal of Theology 48 (2009), 320–328. 3 The Protestant Church in the Netherlands, the Mennonite Society, the Remonstrant Brother­ hood, the Dutch Protestants Union, the Dutch Reformed Churches and the Reformed Churches (Liberated) are six of the largest Protestant denominations in the Netherlands, together representing some 2400 local congregations with over 2.2 million believers (about 13% of the total Dutch popula­ tion). The United Protestant Church of Belgium covers about 100 congregations and the Evangeli­ cal-Lutheran Church of Belgium consists of two city churches.

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Nienke van Andel, Martin J. M. Hoondert, Marcel Barnard

zingen en bidden in huis en kerk (Hymn-book, singing and praying at home and in church). This book is intended to be the successor of the 1973 interdenomina­ tional hymn-book which has been the most commonly used Dutch Protestant hymnal over the past decades. Like its predecessor, the new Dutch hymnal was not compiled by the churches, but by a separate foundation which presented it to the churches involved. This foundation, the Interkerkelijke Stichting voor het Kerklied (ISK, Interdenominational Foundation for the Church Hymn) was commissioned by four churches in 2007 to compile a new hymnal. During the process, four other churches joined the project over time.4 In order to fulfill its task, ISK installed an editorial board and eight editorial working groups in 2008, altogether some seventy people. The members were selected on the basis of their theological, liturgical, church musical or linguistic knowledge.5 Although nearly all of them belong to one of the participating churches, they were not chosen as representa­ tives of their particular church or congregation. After some four years the main editorial board was able to present the draft of the new hymn-book to the ISK. Then, in 2013, the book was published and presented to the churches which had commissioned it.

1.1 Brief characterization The hymn-book can be briefly characterized by three more or less related aspects: its sources, its index and the (musical) forms it contains. Firstly, the hymnal does not only contain newly written material. Quite the contrary, out of the over 1400 items, only a few have never been published before in one way or another. This book brings together existing material, sometimes slightly altered, from several sources. Among these sources are very well-known and much used Dutch hymn-books, such as the 1973 predecessor. Other sources that were used are hymnals from abroad such as Den Svenska Psalmboken (1986), Church Hymnary 4 (Church of Scotland, 2005) and American Evangeli­ cal Lutheran Worship (2006). Secondly, the contents of the book have been ordered using ‘time’ as the guiding concept. This relates to worldly time (day, seasons) as well as to church time (feasts and Sunday) and to personal time (gra­ duation, marriage, illness). In structuring the hymn-book in this manner, the editorial board tried to design a hymnal that could be used both in the celebra­ tion of public worship and in personal devotion. Hence the subtitle which men­ tions both at home and in church. Thirdly, an adequate description of the hym­ 4 The four churches mentioned first in footnote 3 participated from the beginning. The Dutch Reformed Churches and Reformed Churches (Liberated) joined in 2009. The United Protestant Church of Belgium became a participant in 2010 and the Evangelical-Lutheran Church of Belgium joined in 2011. 5 Cf. Van Andel, Nienke/Hoondert, Martin J. M./Barnard, Marcel: We is Plural. Identity Con­ struction in Hymn Book Editorial Meetings. In: Journal of Empirical Theology Journal of Empirical Theology 27 (2014), 1–25.

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Images of a Hymnal

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nal requires a mention of its diverse contents. It does not only contain approxi­ mately 1280 hymns,6 but 130 texts (prayers, poems, thoughts) meant for perso­ nal or small-group use as well. Judged by their forms, the songs included show great diversity. Short antiphons, the complete Genevan Psalter, four-part edi­ tions of internationally known hymns, songs requiring a role division between cantor/choir and all, and lively canons, stand side by side.

2. The editorial process as a topic of research In 2008, the first author of this contribution started (PhD) research concerning the editorial process of the hymnal Liedboek, zingen en bidden in huis en kerk.7 As a researcher, she attended almost every meeting of the editorial board, as well as large part of the meetings of the working groups. The main editorial board, consisting of sixteen people, was assisted by eight editorial working groups. The working groups each provided the board with a selection of material from the area they were responsible for, such as psalms, hymns from abroad and chil­ dren’s songs. The editorial board, consisting, among others, of the chairs of the working groups, made the final selection from these lists and added other items.8 The ISK allowed the researcher to attend the meetings,9 without having any voice in them herself. Acting as a participant observer, who did far more observing than participating, she took notes, from 2009 on audio-taped the meetings and in the final year also video-taped them. Part of the recorded meet­ ings, which usually lasted about six hours each, have been transcribed for the purpose of analysis.10 6 Throughout the text we will use the words ‘hymn’ and ‘song’ alternately, both of them as a reference to a combination of lyrics and tune. Although from a hymnological point of view there is a difference between them, this is of little relevance in Dutch Protestantism and is furthermore of no concern to us in this contribution. 7 An early overview of this study in: Van Andel, Nienke/Barnard, Marcel: Discourses in Liturgy. De totstandkoming van het nieuwe protestantse liedboek (2012) vergeleken met de tot­ standkoming van het Liedboek voor de Kerken (1973) – een onderzoekspresentatie. In: Jaarboek voor Liturgie-onderzoek 25 (2009), 55–70. 8 More detailed on this procedure: Van Andel, Nienke: Het Liedboek: wie, wat waar? In: Van Andel, Nienke (ed.): Van horen zingen. Wegwijs in het nieuwe Liedboek. Zoetermeer 2013, 29–33. 9 Part of the agreement between the Protestant Theological University, which hosts this research, and ISK is the intellectual independence of the researcher. This article is, therefore, not commissioned nor reviewed by ISK. 10 We used a not so fine-grained level of transcription, merely indicating the basic structure of the conversation. Apart from indicating who delivered which utterances, we marked the following items: /?/ word or words inaudible … pause (between words of the same speaker or between speakers) Text in italics quotation of a text under discussion. This is important, considering the differ­ ence between “I search for you, God”, and “The next song we will decide on is I search for you, God.” (text in brackets) indication of what occurred audibly or visibly in the meeting and was part of the interaction, for example (laughter), (whistling) and (pointing at his coffee cup).

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Out of the many aspects that together constituted the editorial process, we have chosen to focus our analysis on the meetings of the main editorial board. The reasons for this choice are obvious as well as abundant. The pursuits of the editorial board can be considered to be the heart of the selection procedure, since this board was responsible for the final selection as well as for the layout of the hymnal, its index and the approval of translations. Next to (or rather, because of) constituting the heart of the procedure, the main editorial board also yielded the greatest amount of data, because their meetings lasted until Septem­ ber 2012 whereas the working groups had finished their tasks by the beginning of 2011. Moreover, the editors on the board spent much time together, even more so since they met several times for two or more-day conferences, which accounted for vivid, animated and profound discussions. The main question the research seeks to answer is what meaning is attached to the central notions in the editorial process of the new Dutch hymnal? This question clearly indicates that we have chosen a discourse analytical, social con­ structivist approach to our topic. These two qualifications of our approach imply that we have only taken into account meanings that were actually discur­ sively constructed within the editorial process. We are not establishing an out­ side evaluation of the process by using criteria not inherent to the interaction in the process. Neither are we listing things that were missing from the proceed­ ings of the editors. We deliberately focus on construction of meaning in meet­ ings of the editorial board. We considered the meetings of the board as spaces of meaning construction. Social interaction in the meetings was constructive for the meaning and weight of central notions by (more often implicitly than expli­ citly) assuming, negotiating, denying, (re-) establishing, et cetera. We thus did not assume that we already knew what central notions such as identity.11 ecu­ menism12 and history13 meant beforehand, but we proceeded from the assump­ tion that such notions acquire a particular meaning and relevance depending on both the (broader, social) context of the meeting itself and the (smaller, interac­ tional) context the meeting provided to these notions.

2.1 Studying criteria It is evident that this approach allowed us to pay attention to the criteria the edi­ tors established during their meetings for (not) incorporating any particular song in the new hymnal. In accordance with our perspective, we considered how these criteria were (re)formulated and made ready for use during the meet­ ings. Any official report, either given in advance to structure the proceedings of 11 Van Andel/Hoondert/Barnard: We is Plural. 12 Van Andel, Nienke/Koffeman, Leo J.: Singing Together the Song of Diversity. Liturgical and Ecclesiological Reform in Dutch Protestantism. In: Questions Liturgiques 93 (2012), 236–250. 13 Van Andel, Nienke/Hoondert, Martin J. M./Barnard, Marcel: Remembering ’73. Collectively Constructing a Liturgical History in a Hymn-Book Editorial Board. (In preparation).

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Images of a Hymnal

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the board or written retrospectively as an account to the general public, as is the case, for example, with a preface to the hymnal, fell outside the scope of our interest – which of course does not mean that it would not have been interesting. We restricted our attention to criteria that were actually discursively con­ structed in the meetings of the board and thereby sought a perspective which allowed us to take a stand which was both an inside perspective and a critical approach of the constructed criteria. Taking a closer look at those criteria, we noticed several which did not refer to an inherent characteristic of the song under consideration, as would be the case with criteria relating to specific word­ ings, for example, to characteristics of the tune or to how a song is related to a specific part of Scripture. Such ‘song-inherent’ criteria are present naturally, but next to these we also observed several criteria that were ‘song-transcending’, as they start from a (discursively constructed) image of the hymn-book and judge the song under consideration on the basis of how well it fits this overall image. The present contribution is devoted to these criteria. On the basis of an analy­ sis of our transcripts we were able to distinguish six images of a hymnal which are all involved in the editorial process of the new Dutch hymn-book.14 We will introduce each of these images below and pay special attention to how a hymn can answer or refuse this (constructed and desired) image, in short: which cri­ teria the images impose on the hymns under discussion. Before doing so, how­ ever, we will first make some general remarks about our approach towards these images.

3. Images of a hymnal In accordance with our overall approach we will not present an exhaustive list of all possible ways of imagining the hymnal. We will limit ourselves to the images that we can relate to the transcripts of the board meetings, which implies that we will only present enacted and actually constructed images. We thus do not intend to make statements about ‘the real’, ‘the best’ or ‘the perceived’ meaning. Just like other scholars using the same approach in quite different areas, we “did not take into account the intentions behind [the discussions] or how these intentions were perceived by the audience. Whenever we speak about any potential meaning to an audience”, (or, we might add, a congregation), “we do so from a theoretical or analytical point of view.”15 The rationale behind our approach is the statement that a hymn-book should 14 These images were presented in a keynote lecture at the IAH 2013 congress in Amsterdam. The members of the editorial board present there all recognized (and felt recognized by) this divi­ sion between several images. Cf. Van Andel, Nienke: Shaping Worship in Protestant Churches. Images of a Hymnal. In: IAH Bulletin. (forthcoming) 15 Lundgren, Anna Sofia/Ljuslinder, Karin: “The baby-boom is over and the ageing shock awaits”. Populist Media Imagery in News-Press Representations of Population Ageing. In: Interna­ tional Journal of Ageing and Later Life 6 (2011), 39–71, here 44.

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be treated as something loaded with value and meaning rather than as a neutral multi-purpose tool. We deliberately use the notion ‘meaning’ here, although it is “a kind of catch-all grab-bag word [… which] can range from the entries in dictionaries to ‘the meaning of life’”.16 This indicates that we should be careful to distinguish between the meaning of ‘hymnal’ and the meaning of the hymnal. The former is to be found in a dictionary and will be something like “bundle of songs, mainly comprising their texts”17. This is obviously not what we are after. The latter is of our interest. By this we stress the construction of the hymnal in social interaction: in using the word hymnal and talking about it, all kinds of presuppositions are involved which together establish a temporary and partial meaning of the hymn-book. Looking at a hymnal this way leads us away from the view of a hymnal as a descriptive and/or prescriptive text book.18 It also leads us away from the ten­ dency to judge a hymn-book by taking a detailed look at the songs it com­ prises.19 It even leads us away from the more recent view of the hymnal as an essential tool,20 which can be studied for the way it is used.21 Treating ‘hymnal’ as a notion open for several meanings makes us alert to the possibility that it does not have to be unambiguously and immediately clear what is meant when one uses it. Of course, the primary referent of the notion ‘hymnal’ is the book as it is printed, but since we consider meaning as arising in social interaction, we are interested in how the hymn-book is constructed to be an actor in social interaction, more specifically: how the editors construct a meaning of ‘hymnal’ which comes to play a role in their mutual discussions. Our approach thus offers a new dimension to the scholarly study of hymnals. We read the transcripts thoroughly in order to observe how the hymnal was depicted. Here we specifically looked for “any use of linguistic metaphor, meto­ nymy or recurrent words and phrases that stood out”.22 The reason to do so was the property of metaphor to achieve understanding by uniting two other­ wise separated domains. That gave us the opportunity to map how the editors

16 Hughes, Graham: Worship as Meaning. A liturgical theology for late modernity. Cambridge/ New York 2003, 4. 17 Translation of the dictionary entry ‘liedboek’ in: Geerts, Guido/Den Boon, Ton (eds.): Van Dale Groot Woordenboek der Nederlandse Taal. Utrecht/Antwerpen 131999. 18 E. g. the hymnal as a community’s cue card: Westermeyer, Paul: A Hymnal's Theological Sig­ nificance. In: Dialog. A Journal of Theology 48 (2009), 313–319. 19 As is done for example in Wood, Peter/Wild-Wood, Emma: ‘One day we will sing in Gods home’. Hymns and songs sung in the Anglican Church in North-East Congo (DRC). In: Journal of Religion in Africa 34 (2004), 145–180, and Hildenbrand, Udo: Das Einheitsgesangbuch Gotteslob. Eine theologische Analyse der Lied- und Gesangtexte in ekklesiologischer Perspektive. Bd. 1–6. Frankfurt am Main 2009, and Grub, Udo: Evangelische Spuren im katholischen Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ von 1975. Berlin 2012. 20 McGann, Mary E.: Exploring Music as Worship and Theology. Research in Liturgical Prac­ tice. Collegeville 2002. 21 Helweg Hanson, Kristin: Not the Words. Hymnody, Enacted Theology, and the Lutheran Inupiat. In: Dialog. A Journal of Theology 48 (2009), 348–357. 22 Lundgren/Ljuslinder, 44.

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Images of a Hymnal

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called the hymnal they were making into existence, even before it was printed. We then thematically ordered the resulting imagery of the hymnal, thus arriving at three different metaphorical fields, each of which can be characterized by the opposites establishing its borders. Six images came to the fore. We will now pre­ sent these images and the criteria for selecting songs they involve.

3.1 Mirror The strongest, clearest and most often used image is the image of the hymnal as a mirror. It pictures the hymnal as a reflection of what is already going on in the field of liturgy and church music. According to the story accompanying this metaphor, people and the music in church have moved on since 1973 and the new hymnal should do justice to that movement. It should capture the actual and current liturgical landscape. This metaphor asks specific qualities from songs that might contribute to the hymnal. Key terms are recognition, diversity, popularity and domestic position. By this latter term reference is made to hymns that belong to one or more groups within the churches (that is: they are ‘domes­ tic’). They are expected to be recognized by at least one group and hence contri­ bute to the recognizability of the hymnal that is intended to be a mirror. Indeed, in order to be able to mirror the whole of Protestantism, the several songs included in the hymnal should at least present some diversity.

3.2 Motor Opposed to this mirror metaphor is the image of the hymnal as a motor, some­ thing that can function as a catalyst. To comply with this image of a hymnal, songs that are domestic to the participating churches should only be incorpo­ rated if they can be expected to enrich others. The hymnal should strive to impose a breakthrough in current compartmentalization. All existing sources and traditions should be seriously considered for incorporation. Consequently, when elaborating on this image, the editors believe all lyrics and tunes should be open for improvement, which indeed brings in another requirement for any song to be incorporated. If the hymnal wants to present an overview that invites people to get to know other song traditions, it should contain as few barriers as possible, such as linguistic incorrectness, musical infelicities or troubled accents in words. As a matter of fact, and in opposition to what is evoked by the meta­ phor of a mirror, ameliorating songs is constructed in the editorial board meet­ ings as a signal to the groups they stem from that the board has seriously consid­ ered their heritage. The groups might even be thankful for being supplied with a better version of a favored song.

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3.2.1 Between mirror and motor: an exemplary discussion This debate has not been solved in favor of one of the opposing images. In the editorial board meetings they kept being constructed as opposites. Sometimes the mirror argument was stronger, other times the motor argument carried its point. In order to illustrate how these two images were brought into debate by the editors and how these images of the overall hymnal were used as a criterion in deciding whether or not and if so, how a specific song should be incorpo­ rated, we will provide a piece of transcript from one of the board meetings. With an eye to the accessibility we have chosen a rather lengthy fragment, so the reader will become acquainted with the editors and their way of interacting. In this fragment we encounter the question which one of two existing Dutch trans­ lations of Rock of ages, cleft for me, should be incorporated, if at all. To guide the reader through this discussion, we will translate any quotation from the hymn in the footnotes and indicate whether it is taken from the older, early 20th Century, translation (O) or from the newer one, stemming from the second half of the 20th Century (N). Tom:23 Well, eh, we eh, now arrive at the song rots waaruit het leven welt.24 To the tune vaste rots van mijn behoud.25 Ah, no, eh, new hymnal, it was always vaste rots van mijn behoud, was always mentioned as the song which did not make it into the ’73 hymnal, always vaste rots van mijn behoud. Well, now, eh, we now have a eh eh rhyming of rock of ages. What, eh, whom can I listen to? First on the text. … I don’t hear anybody, Ben: Going wild. Mark: Well, if people really like to sing the tune eh because of the reminis­ cence to eh vaste rots van mijn behoud, of course this is a much better text but the question is whether we serve the people who adhere to vaste rots with an a, alternative. I think it eh, it involves as such really beautiful stuff, uw genade is genoeg,26 such a phrase will immediately eh be recognized by eh by that group. And again that is a strong sen­ tence with Brown.27 … So it sometimes has some very pregnant lines which, as well eh, Jim: I think this text just is very acceptable, indeed. Luke: Yes. Jim: If people really like to sing this tune. Chris: When considered from the target group’s perspective. Jim: Yes indeed. Chris: It probably is a very old Brown. 23 24 25 26 27

In this fragment names of editors and poets have been anonymized. (N): Rock from which springs life. (O): Safe rock of my rescue. (N): Your grace is enough. Poet who provided the newer translation.

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Images of a Hymnal

Dave: Chris: Luke: Dave: Chris: Tom: Evan:

Tom: Chris: Evan: Tom: Luke: Chris: Mike: Chris: Mike: Jim: Evan: Mike:

Ron: Tom: Mike: Ben:

Tom: Ben: Mark: Ben: Tom: Bert: … Chris:

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Yes. Actually I mean it is an early Brown but eh, Yes, yes, (chuckling) Even from before 1973. Yes. An early year of construction. Eh, I would not be too sure on that. No, this eh, I don’t know for sure since eh, whether it was even before ’73. However, when this song was discussed the working group choose eh chose for this version. Since laat mij rusten in uw schaûw28 of course is not /?/ Dutch anymore. GKB is eh? Liberated, The reformed churches liberated indeed. So they also have it, yes. But that is all. Yes, yes, It is for this target group as, as a song for funerals, eh, Well, it is a very eh pastoral tune also for funeral services. Yes absolutely. And as a matter of fact people who eh have not attended since ’73 can just sing along. Haha, they can simply join again! It must be a very old mother who will be buried then. Well I eh I regularly have to play this. I have eh, I keep that small red hymnal next to the organ. It has the tune, well of course bundel ’38 has it as well, but that is a reformed hymnal so I don’t use that one. (chuck­ ling) 119 gezangen! Well. Eh. /?/ That final verse is a little strange, so that adem die mij ontgaat29 that is, I think it, I like it, though. And als mijn ziel gedoken is in de dorre doodsvallei30. I think that is a rather strange combination of images. Yes. You, you would say that this final verse can be left out. Well that cannot be left, No. When it comes to the meaning. No. Then it is not complete. How eh. When you accompany this, is it vaste rots or is it these lyrics?

28 (O): Make me to rest in your shadow. In the Dutch text, instead of ‘shadow’ a contraction like ‘shaow’ is used which is not recognized anymore. 29 (N): Breath leaves me. 30 (N): When my soul has dived into the barren valley of death.

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152 Mike:

Mark: Mike: Ron: Mike: Tom: Chris: Luke: Mike: James: Mike: Evan: … Mark: Jim: Evan: James: Evan: Bert: Evan: Ben: Evan: Ben: Evan:

Dave: Jim: Evan:

Bert:

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Vaste rots is what I would plead for. That is that is what is holy about this song of course. That schaûw is beautiful, that, you will have, an undertaker always prints on the eh eh, /?/ schaûw, is written with a cir­ cumflex isn’t it. Circumflex. On the a. Yes. No-one can find that so it is always spelled incorrectly in the booklet. (chuckling) Beautiful. They print a β. Yes! You want to keep that, such a eh trigger. Just like the wijngeschenk31. Hmhm. But of course it is, the hymn is favored for, just like Mark says, for vaste rots van mijn behoud, Yes. That, therefore the hymn is beloved. Text and tune are eh, Yes, but I really believe that would go too far. No, this schaûw is really really out of order. I also think it is /?/ But how exactly is the /?/ text? I, I also think if we, then we eh, Well, vaste rots van mijn behoud als de zonde mij benauwt32, Don’t eh, doesn’t do justice to what we what we eh usually do. We naturally say, no, a text should at least meet some minimal demands. Yes, yes. And eh I just think, of course comments can be made about this text, when it comes to its contents, (acts as if choking) Als de adem mij ontgaat. (chuckling) Of course, of course, when it comes to its contents as well, I dive in de doodsvallei, I think with something like that we should do exactly what we wish to do, namely to have sympathy for for eh the fact that something is beloved, but at the same time say eh, well, we also would like to update something. Yes. Yes. And who then wants to sing vaste rots will sing it anyway. But this eh with this, we also make a, I think this is a very good statement, if you do it like this. Yes.

31 Reference to a joke made earlier this meeting, about a churchgoer who thought that a piece of Scripture containing the phrase dedicated things (Dutch: wijgeschenk) was incorrect and should have been winery things (Dutch: wijngeschenk). 32 (O): Safe rock of my rescue. When sin suffocates me.

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Images of a Hymnal

Evan: Mark: Tom: Evan: Tom: Evan: Bert: Tom: Dave: Evan: Tom: Bert:

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It doesn’t have to be sung for me when I die, I won’t hear it by then, anyway, but eh, You don’t know! Well yes eh because, I asked, it is also in the eh, in the hymn-book of the reformed churches liberated, yes well eh, that is a group as well, Yes, yes. I think it just, And there are many of them! No, but that with this eh, the choice for this song you would unite two eh two things. Yes. Yes. Yes. Because we consider the eh tradition /?/ that it is beloved. But we also want to say eh such a text with that schaûw, that, Agree? Yes.33

3.3 Museum The third metaphor we want to discuss is that of the hymnal as a museum. This is an interesting metaphor since the ambivalent attitudes people can have towards the notion of a museum are involved in the evaluation of this metaphor. Generally speaking we can state that it was usually explicitly denied by the edi­ tors that the hymnal should be a museum. Nevertheless, we introduce it in this paper for two reasons. One, although it is denied, museum is still constructed as a metaphor for the hymnal. Two, we noticed many instances where editors attributed certain functions to the hymnal which in our perception belong to the metaphorical field of a museum such as ‘guarding heritage’, ‘historical rele­ vance’, ‘availability’ and ‘preservation’ for ‘future generations’. This short frag­ ment from a transcript underscores our analysis of how the editors dealt with the metaphor of museum and its related metaphorical field. Rick: I actually think, the same eh, I think (number of the song) for example, that here the historical criteria argue heavily for incorporation because it eh eh it stems from the Lutheran psalter. I, I, but at the same time I think this is an argument which is not heavy enough, because, because indeed you don’t want the hymnal to be a museum. But at the same time, at the same time (Mark leaves) you want a hymn-book which eh eh, say, also evokes the recognition that eh eh there is an ancient hym­ nological tradition which eh where we root. I really think this is tricky.34 33 Transcript 27 October 2011. 34 Transcript 26 June 2009.

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Whatever words are used to do so, in the editorial board meetings the hymnal was equated to a guardian of the hymnological heritage35. According to that image the hymn-book should present an overview of hymnological history. It is a hymnological responsibility to show the origins of contemporary singing practices by incorporating songs that can be considered as typical for the several ages past. Some tunes or texts just are hymnologically indispensable. Even, so the argument goes, even if nobody would actually sing one of these hymnologi­ cal pillars, they should still be in the book in order to preserve them for future generations. Moreover, although people do not always realize it, the editors know that songs from the past are of importance for contemporary people. Accordingly, its position in a hymnological heritage can be a criterion for an individual song to be incorporated or not.

3.4 Utility The metaphor of the museum is opposed by that of the hymnal as a book intended for use, a utility. Although hymnological tradition should be respected, it is neither the responsibility of the editorial board nor of the hymn­ book to preserve it. This hymnbook must be engaged and take a stand in the midst of current society, according to this image. It should therefore only use hymnological heritage which is still being used. Furthermore, the editors warn each other not to overestimate their own and the hymnal’s importance. If a song is not incorporated, this does not imply that it is forever lost. This argument is used to underscore that utility should be more important than museum. As for the criterion whether or not to incorporate a specific song into the complete hymnal, this image implies that it has to be made plausible in the dis­ cussion that the hymn under consideration fulfills the wishes and demands of actual liturgical practice.36 We again provide an extract of a transcript where the editors are dealing with the question whether a rendition of Vater unser im Himmelreich should be incorporated, and if so, how many verses it should have in order to be useful. In this fragment, the argument between museum and uti­ lity is obviously present. Tom:37 But the question is what to do with a ca, what to do with a catechetical song. And eh, to my opinion, if one wants to use it, would you really need a song with, which has a new verse for each prayer? I would plead 35 For reasons of brevity we will in this contribution not enlarge on how the editors construct the idea of a hymnological heritage and invest it with meaning. For this topic see Van Andel/Hoon­ dert/Barnard: Remembering ’73. 36 At this point we must note that this notion of ‘actual liturgical practice’, as well, is discur­ sively constructed in the meetings of the editors. 37 The fictive names in this transcript do not necessarily match the names in the other tran­ scripts.

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Images of a Hymnal

Ben: Mark:

Jim: Luke: Mark: Chris: Mark: Luke: Chris: Ben: Dave:

(…)38 Chris:

Evan: Chris: Dave: Evan: Chris: Ben: Chris: Dave: Mike:

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for a … compressed text which indeed does eh explain Onze Vader, elucidates it. Mark? Eh, I don’t think it is catechetically right to explain a Dutch text in French… I mean, this hymn uses language from long ago which I don’t think will turn out to teach people. It explains a familiar text in an unfa­ miliar language, at least that is what I think is happening in these ten verses. Yes, indeed, that is true. Yes, but it is, at the same time it is now now eh some kind of museum responsibility to, to, to just, Okay, then you will, This really is hymnologically indispensable. But that is not catechetical. If we have a museum than this will be one of the pieces that will make it into it. Yes but, but, Just hang on a second! Well, I think it is an excellent proposal. To make a new rhyming in five verses or something, because just for the catechetical, I think it is far more important for the text to be clear eh when compared to a museum hymn or a sacred hymn or so, this, this. When you really consider this as a catechetical hymn then you have to make a new rendition of it. I, I, I think it is really weird, simply the thought to have a hymnal lack­ ing this Luther song. I really think that is absurd. It is such a basic and typical song and such eh, even if it would be museum-like to keep it, maybe there are some reasons to store a couple of hymns just for rea­ sons of museum. It is too strongly tied to Luther. Yes, that is its hymnologic basis. But then, do you refer to the tune or the lyrics? No, lyrics, This song, this song as a whole. Even the ten, the ten, actually you are saying not, no compressing. Ten verses has been the catechetical practice by then. Yes, yes, yes. Yes. I think that it will then miss its goal. But the question is eh, what you are pointing at is in fact its historical meaning. That is a criterion we have declared is secondary, so the ques­

38 Here we have omitted part of the discussion, where the editors focus on what it would take for anybody to make a new translation of this hymn.

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Ron: Chris: Ron:

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tion still stands eh, whether this text suffices nowadays as a, from the perspective of a primary criterion or does it need new rhyming. The latter, I would argue for the latter. And then and then, and then make a new eh rhym, eh translation of Luther’s text? I would, I would again eh, that, say, eh considering the historical char­ acter and because there is much eh literature for organ to this melody, by the title Vater Unser im Himmelreich, eh, then I think, there is a hymn on Onze Vader in the new hymn-book to this tune but with a new text. And eh than eh, I think the translator can use both the Ger­ man text by Martin Luther and just the Lord’s prayer like we all know it as an inspiration. And just make a, a, a new text which might borrow some motifs from Martin Luther but eh eh, not a piece for museum like this one.39

3.5 Aid We now arrive at our fifth metaphor which compares the hymnal to a helping hand. This metaphor depicts the hymnal as an instruction book. According to this position the hymn-book should be as helpful to local congregations as it can be. Long hymns with over six verses, for example, therefore should be reduced to a sizable length so people do not have to make a selection themselves. The intended use and performance of a song should be clear by how it is printed and classified. Because, as it was phrased in the editorial discussions, one can never be sure that ministers and church musicians are well up in this task, the hymnal should prevent as much ambiguity as possible. In the discussions within the board this image of a hymnal led to the conclu­ sion that certain hymns should be accompanied by instructions for use. Whereas the other images could be directly related to criteria for including or excluding specific songs in the hymnal, this metaphor in the first place influences how a hymn is approached at all. If the hymn-book is indeed considered to be an aid, a hymn is always considered within its context. By context in this case we refer to the place of a certain song within liturgy, its rootedness in specific liturgical or musical traditions and other relevant aspects of it. This in a secondary manner evokes criteria applied to individual songs, namely the question whether it is possible to transfer all these relevant aspects to the users of the hymnal. Some­ times a hymn was denied incorporation in the book because the editorial board thought it was too ‘dangerous’ to include it. They just didn’t expect it was possi­ ble to give the users of the hymnal the right instructions, in this case the instruc­ tions which instruments to use for accompaniment: 39 Transcript 2 October 2009.

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Images of a Hymnal

Bert:

James: Bert: Ron: Bert: James: Bert: Ron: Bert: Ron: Mike: Ron: Bert:

Ron: Bert:

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But, my question, so, eh, look. I also have eh, while I was listening to those songs I thought eh, well, I just don’t have eh, who am I to say that this is not good. That is not what it is about, but it is about eh what happens when you include this in the book. Is it a song that could be in a book meant for a congregation? And, just, eh, it feels to me like put­ ting this in the book will cause great incidents. If you don’t put it in the book? If you do put it in the book. Well, not yet with this one. I think. Indeed, if you don’t put it in incidents will happen as well, but other ones. And just what kind of incidents will happen? Look, you can only perform this with a band. Maybe with a piano when you have the skills, or a guitar. Well, no, with this one you don’t need a band yet. But yes, It could also be performed by an organ. Could it? Maybe, yes. I don’t know. Because when you hear the recordings then you also hear, they all use these Klezmer instruments. That makes you think, eh, hey, eh, an atmosphere is added to this song which is just eh beautiful. Yes, indeed, so it is. But that is a certain kind of atmosphere which you can never eh imitate in a congregation.40

3.6 Resource Opposite to the ‘aid’ metaphor stands the constructed image of the hymnal as a resource. Taken as a resource, a hymn-book only offers basic needs and local custom will transform it into liturgy. Liturgy here is primarily envisaged as a local act. How and when to use the psalms, canticles and hymns, which stanzas or refrains to select, how to account for the time of the year, which instruments to use for accompaniment, how to divide roles in singing it, all of this should be left to the insights of the people responsible for shaping worship in local Protes­ tant congregations. We consider this image of a hymnal to be radically opposed to the image of the hymnal as an aid. This becomes even more obvious when we trace the conse­ quences this image bears for the evaluation of an individual song. Whereas the image of an aid asked for a hymn to be approached with as much background knowledge as possible, this image of a resource actually allows for incorporating 40 Transcript 20 May 2010.

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songs without knowing anything about them. Their context is irrelevant, no additional information is needed, it should be ‘left to practice how people do or do not blend’.41

Conclusion In this contribution we have dealt with the six images of the new Dutch Protes­ tant hymnal that were discursively constructed in the meetings of its main edi­ torial board. We have especially put effort into showing how these images of what the hymnal should (ideally) be, influence the criteria that are used in jud­ ging individual hymns. The six images together describe three areas of debate. We were able to highlight the first two areas, mirror-motor and museum-utility, by introducing lengthy pieces of transcript from the meetings, each showing how the space between the two opposite metaphors is a discursive space, where negotiations abound about when which image is most important and how this applies to the hymn under discussion. The third area, aid-resource, is somewhat different from the former two, since it mainly influences the extent to which a hymn’s context is taken into account. The relationship between the image of a hymnal and the discussion of a single hymn here thus is located on an other level but here as well the overall image of the hymn-book affects the evaluation of a particular song. The distinctive point of this contribution is its argument that the evaluation of a song and the criteria used for measuring it not only relate to song-inherent aspects such as text, tune and theology. It has sought to emphasize how criteria are also derived from the larger framework the individual hymns will be incor­ porated into: the hymnal. In doing so, this paper has added another perspective to the large field of hymnology.42 Although the editors of the new Dutch hymn-book kept stressing that it was their task to assess a song on its own mer­ its – which they usually used as a counterargument against such statements as ‘we already have seventy-nine Christmas carols so why select yet another one?’ – they in fact always involved aspects which were not related to the hymns in their discussion. Each debate, although in varying degrees, involved an argu­ ment that went beyond the hymn under consideration and related it to one of the described constructed images of a hymnal.

41 Transcript 13 November 2009. 42 In an overview of results and challenges for hymnology in the current Century, this aspect is not yet involved, although practice of singing and using hymnals is cautiously hinted at. Cf. Marti, Andreas: Hymnologie an der Jahrhundertwende. In: JLH 42 (2003), 203–210.

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Liedboek – Zingen en bidden in huis en kerk Ein Porträt des neuen niederländischen Gesangbuchs

Christiaan van de Woestijne

Am 25. Mai 2013 wurde in einer groß angelegten Zeremonie in der Grote Kerk in Monnickendam, einer Kleinstadt nördlich von Amsterdam, das neue Lied­ boek vorgestellt. Der Auftrag zu diesem Nachfolger des genau 40 Jahre früher erschienenen Liedboek voor de kerken (im Nachfolgenden LvdK) wurde 2007 von den vielen beteiligten Kirchen in den Niederlanden und Belgien erteilt. Herausgeberin ist die auch schon 1973 federführende Stiftung ISK der betei­ ligten Kirchen (Interkerkelijke Stichting voor het Kerklied), diesmal in Zusam­ menarbeit mit der „bv Liedboek“, will sagen „Gesangbuch GmbH“. Das Hauptgewicht in der ISK trägt die Protestantse Kerk in Nederland (PKN), die 2004 aus der Fusion der Nederlandse Hervormde Kerk mit den Geformeerde Kerken in Nederland und der Evangelisch-Lutherse Kerk in het Koninkrijk der Nederlanden hervorging. Mitauftraggeberinnen waren zudem: – de Algemene Doopsgezinde Sociëteit – de Broederschap der Remonstranten – de Vrijzinnige Geloofsgemeenschap NPB – de Gereformeerde Kerken Vrijgemaakt – de Nederlands Gereformeerde Kerken – de Verenigde Protestantse Kerk in België – de Evangelisch-Lutherse Kerk in België. Bis zur offiziellen Präsentation war der Inhalt des neuen Liedboek weitestge­ hend unter Embargo; sogar das Inhaltsverzeichnis, sprich welche Lieder aufge­ nommen worden waren, wurde geheimgehalten. Allerdings gab es vorher zwei Probehefte, die je etwa 40 Lieder enthielten. Der Titel Liedboek – zingen en bidden in huis en kerk weist darauf hin, dass das Liedboek nicht nur als Gemeindebuch in der Liturgie, sondern durchaus auch als Gesang- und Gebetbuch für private und sonstige nichtliturgische Feiern aller Art gedacht wurde.

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Christiaan van de Woestijne

Einige sprachliche und historische Bemerkungen Der deutsche Begriff Gesang lässt sich nicht ohne Weiteres mit dem niederländi­ schen gezang übersetzen. Zwar heißt gezang auch auf Niederländisch ein geistli­ ches Lied und gibt es gezangenbundels, aber gezang(en)boeken gibt es im Nie­ derländischen eher nicht – außer in lutherischen und alt-katholischen Kreisen.1 Diese werden eben lieber liedboek oder lied(eren)bundel genannt. Ein Gesang als gesungenes Musikstück wird je nach Kontext mit lied, liedje, zangstuk oder vocaal werk bezeichnet. Weiter heißt Gesang im Sinne der Akti­ vität des Singens auf ndl. zang (wie in zangleraar). Wendungen wie der protes­ tantische Kirchengesang oder der gregorianische Gesang sind fast unübersetzbar. Ein typisch niederländische Erscheinung ist der Gegensatz zwischen psalmen und gezangen; mit Ersteren sind hier Psalmlieder zu den Melodien des Genfer Psalters gemeint, und bis heute gibt es viele Gemeinden, in denen nur solche – und eben keine gezangen – im Gottesdienst gesungen werden. Aber auch in kirchlichen Richtungen, wo das Singen von gezangen längst üblich ist, nehmen die Genfer Psalmen nach wie vor eine wichtige Stellung ein – messbar daran, dass im neuen Liedboek der Genfer Psalter wieder integral aufgenommen wurde. Diese Empfindlichkeiten rühren aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts her, als 1805 das erste offizielle Gesangbuch der Hervormde Kerk vom König Willem I. angeordnet, aber von vielen Gemeinden verweigert wurde. Das führte wieder zu Repressalien von behördlicher Seite und zu Kirchenspaltungen, die in oben erwähnter Fusion 2004 erst teilweise überwunden werden konnten. Natür­ lich waren die Spaltungen nicht nur der gezangenkwestie zu verdanken; ihnen lagen tiefere Differenzen zugrunde, die sich ganz pauschal als pietistisch versus aufklärerisch verstehen lassen. Insider wissen, dass sich hinter den Bezeichnungen der beteiligten Kirchen (siehe oben) ein weites Spektrum an protestantischen Glaubensrichtungen, von freikirchlich-evangelikal über baptistisch bis liberal, verbirgt. Es ist denn auch ein Zeichen der abnehmenden kirchlichen Polarisierung, dass sich Protestanten so unterschiedlicher Richtungen schließlich gefunden haben, um ein neues gemeinsames Gesangbuch herauszubringen. Andererseits gibt es nach wie vor Kirchen sowie Gemeinden innerhalb der PKN, in deren Gottesdienst nur aus dem Genfer Psalter gesungen wird. Für solche hat das neue Liedboek, ebenso­ wenig wie das alte, keine Funktion. Auch für ein ökumenisches Zusammenar­ beiten mit der römisch-katholischen Kirche in den Niederlanden war die Zeit noch nicht gekommen.

1 Vgl. van Eijnatten, J./van Lieburg, F.A.: Nederlandse religiegeschiedenis, Amsterdam 22006, 289.

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Liedboek – Zingen en bidden in huis en kerk

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Ausführung Die Standardausführung des neuen Liedboek ist ein Hardcover von 1617 Seiten für 25 Euro. Das sehr dünne Papier ist etwas durchscheinend. Der Einband misst 11×18cm und ist in fröhlichen gelb-roten oder blau-grünen Farbkombina­ tionen gehalten. Wo inzwischen Tageszeitungen in Vollfarbe gedruckt werden, kommt auch das Liedboek ohne eine blaue Stützfarbe nicht mehr aus. Der Satzspiegel zeigt, im Vergleich zum LvdK, einen deutlich schwereren und klareren Notendruck und ein etwas größeres Textkorpus – übrigens in der gleichen Schrift wie das neue Gotteslob (2013). Die Lesbarkeit der Musik ist damit meist, aber nicht überall verbessert; namentlich beim schwierigen Fall, wo außer Notenzeilen auch Gitarrenakkorde u. ä. vorkommen (man vergleiche etwa Nr. 759 mit Nr. 890), wäre etwas mehr Zwischenraum zwischen den Zeilen von Vorteil gewesen. Der Satz wurde von einem internationalen Freiwilligenteam mit Hilfe der gemeinfreien Software LilyPond (und eigenen Erweiterungen dazu) erstellt. Das Liedboek umfasst 1016 Nummern, wobei auch alle kurzen Gesangsfor­ men eigens durchnummeriert wurden. Ausnahmen bilden z. B. liturgische For­ men aus der katholischen oder lutherischen Tradition wie das Kyrie (Nummern 299–302), wo mehrere Kyriekompositionen unter einer Nummer vereint wur­ den. Nummer 270 enthält eine Reihe mit allen festen Akklamationen und Ordi­ nariumsgesängen, die in den lutherischen Gemeinden der PKN benutzt wird. Außer musikalischen Nummern enthält das Liedboek etwa 400 unnummerierte Texte und Gebete.

Zusatzmaterialien und Websites Neben dem Standardgesangbuch für den Gemeindegebrauch, gibt es – die kindergerechte Version liedboek voor jou mit gleichem Text, aber mehr Farbgebrauch; – das Chorbuch in drei Bänden; – die Begleitsatzsammlung für Orgel, auf losen Blättern. Eine Kombinationsausführung mit gesamtem Bibeltext, wie diese beim LvdK zusätzlich existierte, ist vorläufig nicht geplant. Es ist interessant zu wissen, dass es in den Niederlanden bislang üblich war, sich sein eigenes Gesangbuch mit in die Kirche zu nehmen. Mit der zunehmen­ den Säkularisierung wird es laut Liedboek-Direktor Nico de Waal „vielleicht eher üblich, dass die Gesangbücher beim Kircheneingang bereitliegen“2, so dass Gesangbücher künftig eher von Kirchen als von Privatpersonen angeschafft werden. 2 Interview mit Friesch Dagblad, übernommen auf http://www.nieuwliedboek.nl/over-het-lied­ boek. Abgerufen 9.6.2014.

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Die offizielle Website des Verlages ist www.liedboek.nl. Mitteilungen von Seiten des Verlages werden zusätzlich veröffentlicht am offiziellen liedboekblog, abrufbar unter liedboekblog.blogspot.nl, so am 30.4.2014 eine Errataliste, von der das Meiste in der aktuellen 4. Auflage schon korrigiert wurde. Im Zeitalter des Beamers ist ein digitaler Zugang zu den Liedern unerlässlich. Dazu gibt es die Website liedboek Online, erreichbar unter www.liedboek.nu, auf die man sich abonnieren kann. Abonnenten können die Lieder in JPG-, PNG- oder Textformat ganz oder pro Strophe herunterladen. Nach Beschwer­ den aus diversen Gemeinden und Verhandlungen der bv Liedboek mit der PKN wurde mit 1.3.2014 der Abonnementspreis halbiert. Es gibt eine einmonatige Demoversion, sowie für 55 Euro ein eingeschränktes Abonnement, das 60 Downloads pro Jahr erlaubt. Der Onlinezugang ermöglicht auch interessante Accessoires wie eine Downloadhistorie (was sangen wir mal wieder zu Ostern letztes Jahr?) und Möglichkeiten zur Teamarbeit (der Pfarrer macht die Liedaus­ wahl, der „Beamer“ lädt sie herunter).

Register, und was man daraus lernt Das gedruckte Liedboek enthält nur wenige historische und bibliographische Informationen; eine „Liederkunde“ wie im deutsch/österreichischen Evangeli­ schen Gesangbuch (1993) fehlt völlig. Zu den einzelnen Liedern werden meist nur Komponist und Textdichter sowie ggf. der Übersetzer genannt, Jahreszah­ len und Entstehungsort werden nur angegeben wenn die Autoren unbekannt sind. Bei übersetzten Texten sowie bei Melodien, die zu einem anderen Lied geschrieben wurden, werden die Originaltitel genannt, sowie bei Melodien aus dem angelsächsischen Raum die Melodienamen. Es gibt ein Titel- und Anfangszeilenregister, ein Register nach Bibelstellen, sowie ein Register zum liturgischen Gebrauch. Obwohl es eine explizite Zielset­ zung dieses Gesangbuchs war, für alle Sonntage im Kirchenjahr bestimmtes Liedgut bereitzustellen, ist das liturgische Register auf vier Seiten und die wich­ tigsten Gliederungen des Kirchenjahres beschränkt. Zum Schluss gibt es eine Liste der Copyrightinhaber der jeweiligen Texte und Melodien, sowie eine Auf­ listung aller Mitarbeiter am Liedboek. Auf der Website www.liedboek.nl finden sich zusätzlich ein Autoren- und Komponistenverzeichnis (wer hat sich an welchen Nummern beteiligt?), ein Überblick über die aufgenommenen Texte und Gebete sowie ein ausführliches „Register für Kirchenmusiker“. Letzteres enthält eine Konkordanz mit älteren niederländischen Gesangbüchern inklusive dem LvdK und zudem Verzeichnisse von Melodien und Texten verschiedener Herkunft, die in diesem Liedboek unter einem anderen Titel (Text und/oder Melodie!) zu finden sind – das ist sehr nützlich, wenn man den Anschluss an ausländische Chor- oder Orgelliteratur herstellen möchte. Das Verzeichnis lateinischer Quellen zeigt an, dass an die 100 Hymnen sowie Ordinariums- und Propriumselemente in Übersetzungen oder

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Nachdichtungen Eingang in das Liedboek gefunden haben, was eine erhebliche Steigerung gegenüber dem LvdK bedeutet. Im neuen Liedboek sind die LvdK-Dichter Willem Barnard, Ad den Besten, Muus Jacobse (alias K. Heeroma), Jan Wit und Jan Willem Schulte Nordholt wieder sehr stark vertreten, zum Teil weil die Psalmenbereimung aus dem Jahr 1967, die hauptsächlich ihre Arbeit war, zur Gänze ins Liedboek übernommen wurde. Unter Vernachlässigung vieler anderer Autoren fallen weiter als Promi­ nente auf: die Dichter Huub Oosterhuis (*1933) mit 87 Texten und Sytze de Vries (*1945, bis 2006 Pfarrer der Oude Kerk in Amsterdam) mit 109 Texten und Übersetzungen, Bernard Huijbers, Frits Mehrtens, Antoine Oomen und Willem Vogel (zuletzt Organist der Oude Kerk in Amsterdam) als Komponis­ ten, der katholische Theologe Andries Govaart (*1954) als Übersetzer, und Vogels Nachfolger Christiaan Winter (*1967) als Lieferant eines Großteils der Begleitsätze. Für die vielen Antiphonkompositionen, die es so im protestantischen Bereich erst seit Kurzem gibt und die somit im Liedboek eine Neuheit darstellen, zeich­ neten unter anderen Leonard Sanderman (*1991!) und mein ehemaliger Orgel­ lehrer Jaco van Leeuwen (*1962), sowie viele Autoren aus römisch-katholischen Kreisen verantwortlich. Kein ausländischer Komponist oder Textdichter erreicht auch nur annähernd die Präsenz der eben genannten niederländischen Autoren. Die häufigsten sind John L. Bell aus der Iona-Community mit 20, sowie Frère Jacques Berthier aus Taizé mit 13 Titeln. Außer den Genfer Psalmmelodien sind von den Klassikern Martin Luther mit 14 Texten und 3 Melodien, Paul Gerhardt mit 13 Texten und Johann Crüger mit 18 Melodien gut vertreten.

Erweitertes Repertoire Die Gründe, warum es ein neues Liedboek geben sollte, sind natürlich mehr­ fach. In der Literatur zur Neuausgabe werden verschiedene Hauptanliegen genannt; einige davon werde ich im Nachstehenden besprechen. Der Grund, dass man dem nach 1973 neu veröffentlichten Repertoire Rechnung tragen will, führt direkt zur Gegenfrage, was denn dieses Repertoire ausmacht. Neue Tendenzen im Sprachgebrauch machen sich im Liedboek bemerkbar. So ist es wohl das erste offizielle niederländische Gesangbuch, in dem die An­ sprechform „jij“ („du“) für Gott und Jesus regelmäßig benutzt wird (so z. B. Nr. 857, 930, 998). Bisher und nach wie vor ist „u“ („Sie“) oder, auch im LvdK noch häufig, das veraltete „Gij“ üblich. Auch eine weibliche Anrede für Gott kommt vor, wie in Nrs. 691, 701 (John Bells She sits like a bird/Zij zit als een vogel) oder 707 (Dragende, moederlijke God). Das betrifft natürlich nur die Oberfläche von dem, was als „inklusiver Sprachgebrauch“ als Anliegen formuliert wurde. Wo im LvdK die meisten Lieder noch als Glaubenslieder mit einer deutlichen

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und rhetorisch aufgebauten Aussage gelten konnten, gibt es im Liedboek viele Lieder, deren Aussage sich eher an spirituellen Inhalten herantastet, die eher zur Meditation geeignet sind, oder die eher das gelingende Leben zum Thema haben. Beispiele dafür finden wir bei Nr. 816 (Dat wij onszelf gewonnen geven, wo textlich formal gesprochen gar keine Aussage stattfindet!), 818 (Niet is het laatste woord gesproken) und 819 (Vrede voor dit huis), die unter der Rubrik Lebensreise eingeordnet sind. Nr. 819 hat eine bemerkenswerte Melodie, eine Arabeske, die man eigentlich in einem Atem singen sollte (s. Beispiel). Rhyth­ mik und Harmonik/Tonalität sind nicht einfach zugänglich, aber bieten eine schöne Herausforderung für Kirchenmusiker und Gemeinde.

Ein anderes Anliegen der Herausgeber war, das ziemlich „erwachsene“ und ernste LvdK kindgerechter zu gestalten, sowie auch einen gewissen Anschluss an die Ästhetik des Neuen Geistlichen Liedes (NGL) zu erreichen. Dies führte zum Einen zur Aufnahme von 22 Nummern aus der in Niederlanden ziemlich verbreitete Sammlung Alles wordt nieuw aus den 60er und 70er Jahren, mit Tex­ ten von Hanna Lam und Melodien von Wim ter Burg. Diese Lieder gelten inzwischen als inzwischen als Klassiker unter den Kinderkirchenliedern und wären auch im Ausland einer größeren Bekanntheit wert. Zum Andern gibt es viele neu gedichtete Lieder, vor allem biblische Erzähllieder, die als Kinderlieder brauchbar sind. Bei mehreren Liedern macht sich da der allgemeine Trend zum „frechen“ Sprachgebrauch in der Kinderliteratur bemerkbar, wie z. B. in Nr. 187 (Runderen, schapen en duiven te koop). Das NGL führt nach wie vor, und wohl wie überall, zu hitzigen Diskussio­ nen in der Kirche, namentlich auch was die musikalische Praxis angeht. Wo im LvdK die meisten Titel nicht den leisesten Anklang einer Swingbewegung haben, gibt es im Liedboek jetzt auch Titel wie Abba, Vader (Nr. 886), Create in me a clean heart von Keith Green (Nr. 51b), sowie Nummern von niederländi­ schen Autoren wie Rikkert Zuiderveld und Marcel Zimmer. Unter Jugendlichen gibt es eine beachtliche Strömung, für die solche Musik das geistliche Hauptre­ pertoire darstellt. Ob mit einzelnen Highlights das Liedboek für sie akzeptabel („herkenbaar“, würde man auf niederländisch sagen) wird, bleibt dahingestellt.

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Liturgische Anliegen Wie schon mehrfach oben angeredet, wird der Gottesdienst der niederländi­ schen Reformierten immer „liturgischer“. Damit verändert sich die Funktion des Singens im Gottesdienst. Die Strophenlieder, die seit dem 16. Jahrhundert das Standardmodell eines Kirchenlieds waren, haben in der herkömmlichen reformierten Liturgie keine klar bestimmte Funktion, sondern dienen als Glie­ derung der liturgischen Elemente von Lesung, Gebet, Predigt usw. und allen­ falls als Antwort der Gemeinde z. B. auf die Verlesung der 10 Gebote, des apostolischen Bekenntnisses oder einer biblischen Lesung. Die Lieder werden immer vom Pfarrer bewusst ausgewählt mit dem Ziel, jeden Gottesdienst neu zu einem thematischen Ganzen mit der Lesung und dem Thema der Predigt zu machen. In der Zeit seit dem Erscheinen des LvdK wurden immer häufiger liturgische Elemente oder ganze Liturgien aus lutherischer, anglikanischer oder katholi­ scher Liturgie übernommen. Bezeichnend ist dabei die Popularität des evensong sowie auch der Klosterretraite unter vielen eingefleischten Reformierten. Inzwi­ schen ist z. B. der Wunsch, für jeden Sonntag des „Kirchenjahres“ (was auch immer damit gemeint sein soll) bestimmte Lieder im Gesangbuch zu haben, so wichtig geworden, dass die Redaktion ihn als offizielles Anliegen aufgenommen hat. Das Liedboek enthält mehrere Vorschläge für eine Tagzeitenliturgie sowie für ein an das katholische oder lutherische angelehnte Ordinarium, viele davon erst in neuester Zeit eingerichtet. Auch das Singen unbereimter Psalmen, nach katholischer, orthodoxer oder anglikanischer Tradition, sowohl ein- als auch mehrstimmig, wird jetzt mit dem Liedboek ermöglicht. Diese Strukturierung und Festlegung der Zeit im kirchlichen Leben hat auch für die Einteilung des Liedboek deutliche Folgen gehabt. Wo schon früher im LvdK eine Einteilung nach den Hauptzeiten des Kirchenjahres (Advent, Weih­ nachten, usw.) durchaus vorhanden war, viele Lieder aber eher thematisch oder einfach unter „andere Lieder“ rubriziert wurden, sind hier 900 Seiten, also mehr als die Hälfte des Materials, nach verschiedenen Zeitprinzipien angeordnet. Es gibt als Hauptteile die getijden van de dag (Tagzeiten), de eerste dag (also die Sonntagsliturgie), die getijden van het jaar (Jahreszeiten/Kirchenjahr) und leven (das Leben als Ganzes). Auch in der Form der aufgenommenen Lieder machen sich liturgische Ände­ rungen bemerkbar. Wo im LvdK noch nahezu alle Lieder in der klassischen Strophenform gehalten waren, hat das Liedboek eine enorme Vielfalt an Singfor­ men zu bieten, außer den schon angesprochenen antiphonalen und responsoria­ len Formen. Die Anzahl Refrains und Kehrverse ist naturgemäß groß, es gibt aber auch viele Kanons und Kurzlieder, die eher auf Wiederholung setzen und für die es einen Gesangsleiter braucht. Bei mehreren Liedern ist der Anteil, der dem Chor oder Solisten vorbehalten ist, überhaupt nicht abgedruckt und nur im Chorbuch zu finden. Andererseits wurden in einigen Fällen Vorschläge zu

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Instrumentalbegleitung (meistens Perkussion) in das Liedboek aufgenommen, z. B. bei Nr. 533 (Daar komt een man uit Nazaret), wo allerdings die vielen Taktwechsel einen versierten Spieler verlangen.

Als Beispiel gebe ich hier Lied 585 (Waar was jij), das eher eine kleine Karfrei­ tagsliturgie als ein Lied darstellt. Textlich handelt es sich um eine Zusammenset­ zung heterogener Quellen – wir erkennen den Spiritual Where were you, when they crucified my Lord? genauso wieder wie das Trishagion Heiliger starker Gott und den Dialog beim jüngsten Gericht: „wann haben wir dich nicht geklei­ det?“. Die Gemeinderufe, die im Liedboek dann auch mit Noten wiedergegeben wurden, sind an den phrygischen Modus angelehnt.

Conclusio Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, ein so umfangreiches Werk wie das Liedboek vollständig zu charakterisieren, und ich habe dann auch nur versucht, die neueren Tendenzen anzudeuten. Mit einem Wort ist das Verhältnis LvdK-

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Liedboek durch Auflockerung gekennzeichnet: von formellem zu informellem Sprachgebrauch, von doch eher elitärem Habitus zu einer Haltung, die allen Strömungen Rechnung tragen will, von der strengen Strophenform zu einer bunten Vielfalt. Für Gemeinden, die nicht schon seit Längerem mit den neuen Formen experimentieren, ist viel Arbeit angesagt, obwohl auch klassische Lieder mitsamt Psalter zur Genüge vorhanden sind und somit auch traditionelle refor­ mierte Gottesdienstformen respektiert wurden. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich die Gottesdienstformen, von Hausgottesdienst über Meditationsmomente und Stundengebete bis zur „gro­ ßen“ Liturgie, in der kommenden Zeit entwickeln werden. Das Liedboek könnte darauf einen großen Einfluss ausüben. Literaturhinweis: Wer seine Kenntnisse der niederländischen Sprache messen möchte, der oder dem kann ich, außer dem Liedboek selbst, noch folgendes reichlich illustrierte Büchlein empfehlen: Dr. Jan Smelik, Het nieuwe Liedboek in woord en beeld, Boekencentrum, Zoetermeer 2013.

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Verschollen geglaubte Gesangbücher der Reformationszeit wiederentdeckt Helmut Lauterwasser

Einleitung Was muss es für ein Gefühl gewesen sein für Philipp Wackernagel (1800–1877), den Urvater der hymnologischen Forschung, als er seit den 1830er Jahren anfing, die Liederblätter und frühen Gesangbücher erst der Reformationszeit dann des ganzen 16. Jahrhunderts eines nach dem anderen aufzuspüren, in die Hand zu nehmen, durchzublättern und dann zu beschreiben? Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen, um eine Vorstellung von den Freuden aber auch Mühen zu bekommen. Im Mai 1855 schreibt er rückblickend:1 In der Vorrede zu meinem Werke vom Jahr 18412 […] drückte ich in einer Weise, welche der ersten Begeisterung zu gut gehalten werden durfte, meine ‚jubilierende Liederfreude‘ über so viele seltene Gesangbücher aus, die vor mir lagen und deren Auffindung ich mei­ nem Fleiß, ihre Würdigung meinen Vorarbeiten zuzuschreiben berechtigt war. Jene Aeu­ ßerung, wenn ich sie in Beziehung auf die vorliegende Bibliographie wiederholte, würde nunmehr begründeter erscheinen, und was die Aeußerungen der Freude über so viel Schönes und Bedeutendes betrifft, das mir alle Tage vorgelegen, so kann ich dieselben hier zurückhalten, ohne deswegen zu läugnen, daß des Jubelns bei der langen sauren Arbeit kein Ende war. Mir ist es so wenig gegeben ohne Schweiß zu arbeiten als ohne Freude. Das Quellenstudium der Hymnologie wird sich wohl wesentlich von jedem andern dadurch unterscheiden, daß die ehrwürdigen Denkmähler keine anderen Neben­ gedanken anregen denn liebliche und unsträfliche. Es liegt so nahe, sich bei einem alten Gesangbuche in die Zeit zurückzuversetzen, wo sein Besitzer es gebraucht, wo fromme Hände es gehalten, fromme Augen das Lied gelesen, das die meinigen des Studiums wegen betrachten.

Und in welchen zeitlichen Dimensionen muss man sich solche Pionierarbeit vorstellen, wenn man bedenkt, dass Forscher und Korrespondenz noch mit der Postkutsche unterwegs waren! Umso erstaunlicher das Ergebnis: Wackernagel setzte Maßstäbe mit seinen vollständigen diplomatischen Titelwiedergaben, die 1 Alle Zitate aus dem Vorwort zu: Wackernagel, Philipp: Bibliographie zur Geschichte des deut­ schen Kirchenliedes im XVI. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1855, S. V–X (im Folgenden mit WB abge­ kürzt, bei den Quellen als WB + Nummer). 2 Gemeint ist: Wackernagel Philipp: Das Deutsche Kirchenlied von Martin Luther bis auf Nico­ laus Herman und Ambrosius Blaurer, Stuttgart 1841, S. XXVII.

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Verschollen geglaubte Gesangbücher der Reformationszeit wiederentdeckt

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nicht nur die genaue Schreibweise übernehmen, sondern auch die Zeilenumbrü­ che markieren und Groß- und Kleinschreibung, in vielen Fällen sogar typogra­ phische Besonderheiten mitteilen. Dass er auch darin Vorreiter war, zeigt der folgende Ausschnitt aus seinem Vorwort: In der Bibliographie […] habe ich keine Vorgänger. Ich glaube auch bemerkt zu haben, daß es wenige Menschen gibt, welche scheinbaren Kleinigkeiten, auf die hier alles ankommt, so viel Zeit und Geduld zu widmen geneigt sind.3

Mit seinen genauen Inhaltsbeschreibungen und dem Abdruck der Vorworte zu den Gesangbüchern ist Wackernagels Bibliographie von 1855 bis heute bei der Beschäftigung mit Gesangbüchern des 16. Jahrhunderts in vielen Fällen ein unverzichtbares Hilfsmittel geblieben. DKL, das bibliographische Standardwerk des 20. Jahrhunderts4 bleibt – durch die zeitliche Ausdehnung bis 1800 bedingt – in seiner Ausführlichkeit weit hinter Wackernagel zurück.5 Angesichts der zahllosen Veröffentlichungen zu den Gesangbüchern der Reformationszeit, den Liedern Luthers und seiner Zeitgenossen, der Geschichte des Kirchenliedes im 16. Jahrhundert, nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Edition der Melodien,6 kann die Erforschung des Kirchenliedes des Reforma­ tionsjahrhunderts heute als weitgehend abgeschlossen gelten. Grundsätzliche Neuentdeckungen sind nicht mehr zu erwarten, allenfalls Neubewertungen. Und trotzdem kommt es einer kleinen Sensation gleich, wenn im Jahr 2013 gleich zwei verloren geglaubte frühe Gesangbuchdrucke wieder zum Vorschein kommen. Im Juni 2013 entdeckte der irische Musikbibliothekar Roy Stanley in den Beständen der ehrwürdigen Trinity College Library im katholischen Dublin das einzige erhaltene Exemplar des „Erfurter Enchiridion zum Schwarzen Horn“, aus dem Jahr 1524;7 und gegen Jahresende 2013 war es dem amerikani­ schen Hymnologen und Professor of Music an der Concordia University in Seward, Nebraska, Joseph Herl vergönnt, mitten im protestantischen Deutsch­ land, in der Universitätsbibliothek Erlangen das „Theütsch kirche[n] ampt mit lob gsenge[n] vn[d] göttlichen Psalmen“, Straßburg 1525,8 zu identifizieren. Lei­ der handelt es sich nur um den ersten von drei zusammenhängenden Teilen. Bei den Recherchen zu diesem Text stieß ich im März 2014 in der Staatlichen Biblio­ thek Regensburg auf ein weiteres verloren geglaubtes Straßburger Gesangbuch

3 WB, S. V 4 Das deutsche Kirchenlied. DKL. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Hg. von Konrad Ameln, Markus Jenny und Walther Lipphardt, Bd. I, Teil 1–2: Verzeichnis der Drucke (zugleich RISM B VIII), Kassel usw. 1975–1980. 5 Auf den bibliographischen Teil in seinem fünfbändigen Standardwerk muss hier nicht einge­ gangen werden, vgl. Wackernagel Philipp: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Bd. I–V, Leipzig 1864–1877. 6 Das deutsche Kirchenlied. Abteilung II (Kassel usw. 2003ff) und III (Kassel usw. 1993–2010). 7 WB 159; DKL 152405: Verloren: F Sn [Strasbourg, Bibliothèque Nationale et Universitaire]. 8 Vollständiger diplomatischer Titel s. WB 187 und DKL 152518 (Teil I): Nicht mehr nachweis­ bar; Exemplar in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg unter der Signatur THL-XVII 787 y.

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aus dem Jahr 1525: „Straßburger kirchenampt […] mit etlichen Psalmen, die am end des büchlins, ordentlich verzeychnet sein“, Straßburg 1525.9 Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch das defekte Exemplar des „Teütsch Kirchen ampt/ mit lobgesengen/ vn[d] götlichen psalmen/ wie es die gemein zu Straßburg singt vn[d] halt/ gantz Christlich“, Straßburg 1524, der Bayerischen Staatsbibliothek in München entgegen der Angabe in DKL nicht verloren ist, sondern in der Handschriftenabteilung unter der Signatur Rar. 1085 eingesehen werden kann und als Digitalisat im Internet zur Verfügung steht.10 Übrigens hat Wackernagel auch diesen Druck in Händen gehabt; auf der Innen­ seite des vorderen Buchdeckels findet sich seine Notiz: „Dieses Büchelin ist sehr übel aus Stücken zweier sehr verschiedener Bücher zusammen gesetzt: aus Bogen A des Straßburger Kirchenampts und aus Bogen B von Mart. Luthers Sendschreiben über die Schulen, das Jahr 1524 bezieht sich aber bloß auf letzt­ eres. Wackernagel, Septbr. 1845.“

Das Erfurter Enchiridion „zum schwartzen Hornn“, Erfurt (Mathes Maler) 152411 Nachdem die deutsche Artillerie durch ihren Beschuss und die dadurch ausge­ löste Brandkatastrophe in der Nacht vom 24. zum 25. August 1870 im DeutschFranzösischen Krieg die Stadtbibliothek in Straßburg in Schutt und Asche gelegt hatte, waren zahlreiche wertvolle alte Drucke und Handschriften aus allen Bereichen des deutschen Geisteslebens und der Geschichte unwiederbringlich verloren. Unter den Verlusten war auch das einzige bekannte Exemplar eines der ältesten Kirchengesangbücher deutscher Sprache, das als „Erfurter Enchiri­ dion zum Schwarzen Horn“ bekannte Büchlein aus dem Jahr 1524, gedruckt von Mathes Maler: „Enchiridion Oder ein Handbuchlein/ einem yetzlichen Christen fast nutzlich bey sich zuhaben zur stetter vbung vnnd trachtung geyst­ licher gesenge/ vnd Psalmen/ Rechtschaffen vnnd kunstlich vertheutscht.“ Aus­ gerechnet im katholischen Irland kam im Sommer 2013 ein Exemplar, dessen Existenz in Fachkreisen bisher gänzlich unbekannt war, zum Vorschein. In einem Sammelband mit anderen lutherischen Pamphleten war der reformatori­ sche Druck im Katalog der Bibliothek des Trinity College in Dublin zwar ord­ nungsgemäß erfasst, nur war man sich offenbar bis vor kurzem weder über die 9 Vollständiger diplomatischer Titel s. WB 192 und DKL 152521. Das Exemplar in der Staatli­ chen Bibliothek Regensburg unter der Signatur Theol.syst. 1160/4 steht als Digitalisat im Internet zur Verfügung. 10 DKL 152415. Von diesem Druck gibt es ein einziges vollständiges Exemplar in DK Kk (Kopenhagen, Det kongelige Bibliotek). Das Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbiblio­ thek trägt den Uniform Resource Name (URN): urn:nbn:de:bvb: 12-bsb00069204–8; der persistente Link ist zu finden unter: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0006/bsb00069204/image_1 11 Der folgende Abschnitt ist die etwas veränderte Übernahme und Erweiterung eines Artikels des Verfassers in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.06.2013, Nr. 139, S. N 3.

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Bedeutung des Buches im Klaren, noch darüber, dass sich weltweit kein zweites Exemplar davon erhalten hat. Und das trotz einer handschriftlichen Bemerkung am unteren Rand des Titelblattes: „Diess ist d[a]z erste Lutherische Gesang­ buch.“ Als der Musikbibliothekar der Trinity College Library, Roy Stanley, im Zuge von Vorbereitungen zu einer geplanten Ausstellung Nachforschungen über das Buch anstellte, entdeckte er in der einschlägigen Literatur immer nur den Hinweis „Verloren“ beim einzigen bekannten Exemplar der „Bibliothèque Nationale et Universitaire“ in Straßburg. Bald erkannte er, dass es sich bei sei­ nem Fund tatsächlich um das bedeutende lutherische Gesangbuch handelt, an dessen Ende steht: „Gedruckt zu Erffordt zcum Schwartzen Hornn/ bey der kremer brucken. M.D.xxiiij. Jar.“ Zwar hatte man 1848 einen Nachdruck im sogenannten Steindruckverfahren angefertigt,12 doch war das damalige Repro­ duktionsverfahren nicht sehr zuverlässig, so dass einzelne dünne Linien von Hand nachgezogen werden mussten. Für einen Vergleich mit verwandten Gesangbuchdrucken der Zeit, vor allem mit dem fast zeitgleich erschienenen sogenannten „Erfurter Enchiridion zum Färbefass“, war diese Faksimile-Edi­ tion bisher zwar hilfreich, für Detailfragen aber wegen ihrer Retuschierungen nur von begrenztem Wert. Allein der Vergleich des originalen Titelblattes mit der Faksimileausgabe zeigt vier Unterschiede: Das Datum ist im Original wie­ dergegeben als „M.CCCCC.XXiiij.“, im Faksimile (und danach auch in DKL) steht „M.CCCCC.XXIIII.“; nach „angezeygt ist“ fehlt im Faksimile eine Vir­ gel; aus „Mit diesen“ im Original wird 1848 „Mit dyesen“ and bei „aufferzy­ henn“ ist im Nachruck ein „n“ weggelassen. Im weitern Verlauf des Buches sind mehrere kleinere oder auch größere Abweichungen der Faksimile-Ausgabe gegenüber dem Original festzustellen. Mal ist ein Großbuchstabe durch einen kleinen ersetzt, mal ein y durch ein i oder ein Punkt durch eine Virgel. Auffällig ist die veränderte Überschrift zum Lied Aus tiefer Not schrei ich zu dir: Im Originaldruck lautet der Titel „Der. cxxix. Psalm. De profundis.“; im Faksimile wird daraus „Der. Cxx x. Psalm. De profundis.“ (fol. D3/recto). Ob es Zufall ist, dass die im 16. Jahrhundert gerade bei diesem Psalm noch verbreitete Vulga­ tazählung (Psalm 129) in der Reproduktion des 19. Jahrhunderts in die luther­ ische (Psalm 130) verändert ist? Bei den Melodien sind nur in einem Lied an zwei Stellen Veränderungen gegen­ über dem Original erkennbar. In der zweiten Notenzeile des Liedes von den zwei Märtyrern zu Brüssel (fol. F2/recto) kommen zwei Notenpaare mit schwarzen caudierten Noten, also Semiminimae vor; im Faksimile erscheint jeweils die zweite Note des Paares als Minima, somit als weiße Note. Die auffäl­ ligste Abweichung findet sich jedoch im Register am Schluss des Büchleins, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt:

12 Herausgegeben in Erfurt von Karl Reinthaler „Nach dem einzigen zu Straßburg noch bewahrten Urdrucke.“

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Originaldruck Erfurt 1524:

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Faksimile Erfurt 1848:

Folgen die vier Hymnus. Zcum ersten. Folgen die vier Hymnus. Zcum ersten. Kom Got schepffer heyliger geyst. Kom Got schepffer heyliger geyst. Kom heyliger geyst herre got. Kom heyliger geyst herre got. Nu kom der Heyden heyland. Nu kom der Heyden heyland. Folgen noch hübsche Christliche lyeder. Christum wyr sollen loben schon. Christum wyr sollen loben schon. Folgen noch hübsche Christliche lyeder.

In Mathes Malers Druckerei war also der Textanfang des vierten Hymnus (Christum wir sollen loben schon) versehentlich unter die Überschrift des nächs­ ten Abschnitts gerutscht. Diesen Fehler in einem wichtigen Gesangbuch der lutherischen Reformation konnte man sich im 19. Jahrhundert offenbar nicht eingestehen – und liefert damit einen schlagenden Beweis für die Unzuverlässig­ keit von Faksimile-Editionen jener Zeit. Bleibt zu dem Dubliner Exemplar noch zu erwähnen, dass dieses nicht ganz vollständig ist: Das Blatt D4 fehlt ganz und an den Blättern D2 und E2 ist jeweils eine kleine Ecke abgerissen. Die Geschichte der Erfurter Enchiridien war von Anfang an eine spannende. Warum erschienen 1524 fast zeitgleich und mit einem fast gleichen Inhalt jedoch zum Teil abweichender Reihenfolge zwei Gesangbücher in zwei verschiedenen Erfurter Druckereien? Die zweite Frage: Welcher der beiden nach dem jeweili­ gen Hausnamen benannten Drucker, Johannes Loersfeld „in der Permentergas­ sen zum Ferbefaß“ oder Mathes Maler „zum schwarzen Horn bei der Kremerb­ rucken“, brachte sein Werk als Erster auf den Markt? War es ein Gemeinschaftsoder zwei Konkurrenzunternehmen? Diese Fragen beschäftigten mehrere For­ schergenerationen und führten zu unterschiedlichen Antworten. Heute ist man sich relativ sicher: Es gab einen regelrechten Wettlauf darum, wer das erste Gesangbuch der lutherischen Reformation herausbrachte, denn es war abzuse­ hen, dass man sich damit Ruhm und vor allem Geld verdienen würde. Loersfeld war der erste, der das Repertoire von 26 Liedern, die den Kernbestand der luthe­ risch-reformatorischen Gesänge ausmachten, beisammen hatte. Vermutlich war es seinem Konkurrenten Maler gelungen, an die noch nicht ganz fertige Druck­ vorlage einschließlich des Vorwortes heranzukommen, die er eilig kopierte. Malers Melodiendruck bleibt qualitativ hinter dem der Färbefass-Druckerei zurück. Aber beide Drucke zeigen Merkmale von Zeitdruck. Bei Loersfeld erschienen 16 der 26 Lieder mit vorangestellten Melodien, von denen 13 nie zuvor in Erscheinung getreten waren. Bei Maler waren nur zu 15 Texten auch die Melodien abgedruckt. Man nimmt an, dass bei Maler das Lied Aus tiefer Not schrei ich zu dir deshalb ohne Melodie steht, weil Loersfeld diese Melodie erst später erhalten und eingefügt hatte. Wie und wann der seltene Gesangbuchdruck nach Dublin gelangte, lässt sich nach derzeitiger Kenntnis nicht sicher feststellen. Es gibt jedoch einen Hinweis in den Rechnungsbüchern des St. Trinity Colleges. Für das letzte Quartal des Jahres 1841 ist dort eine Zahlung an den Buchhändler John George Cochrane, Geschäftsführer des „Foreign Bookselling House of Messrs. Treuttel, Wurtz, Treuttel junior, and Richter“ belegt. Möglicherweise hatte die Dubliner Biblio­

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thek damals das Konvolut deutscher reformatorischer Schriften angekauft, des­ sen Teil das Erfurter Enchiridion noch heute ist.13 Hier die insgesamt 9 Teile des Bandes mit der Signatur C. pp.37: 1. Vom Zorn vnd der Guette Gottes/Caspar Huberinus. Augsburg: Philipp Ulhart, 1531 2. Zuchtmeyster fuer die Iungen Kinder/Johann Leyner. Worms: Sebastianus Wagner, 1538 3. Ain schoene liepliche Vnnderricht zu bedencken unnd enpfahenn den kostbarlichen hayligesten lieb Christi zu nyessen/Jacob Strauss. [Augsburg: H. Steiner], 1524 4. Ordenung vnd inhalt Teutscher Mess so yetzund im gebrauch haben Evangelisten und Christlichen Pfarrherren zu Strassburg. Augsburg: P. Ulhart, 1524 5. Wie die Schrifften so von Gott auff menschliche weys redden sollen verstanden wer­ den/[Leonhart Eleutherobius]. [Augsburg: P. Ulhart], 1532 6. Enchiridion …, Erfurt 1524 7. Dye Euangelisch hystori nach aller ordnung wie sie ergangen in ain red gestalt/Ale­ xandrinus Ammonius. Augsburg: Simprecht Rueff, 1524 8. Ein Tractat in dem kuertzlich durch die hailigen geschrifft angezaigt wirdt. [Augs­ burg: H. Steiner], 1525 9. Ayn Christenliche seer nuetzliche lere vnd vnderweysung der bruederlichen treuw und liebe Alten und jungen leuten guet zuewissen/Johann Boeschenstein. Augsburg: Heinrich Steyner, [1523?]

Das „Theütsch kirche[n] ampt“, Straßburg (Wolfgang Köppfel [Köpphel]) 1525 Die DKL-Bibliographie fasst unter einem gemeinsamen Sigel drei zusammenge­ hörende Drucke des Jahres1525 zusammen:14 Als Teil I: Theütsch kirche[n] ampt mit lob gsenge[n] vn[d] göttlichen Psalmen/ wie es die gemeyn zu Straßburg singt […] M. D. xxv. Auf der Rückseite des Titelblattes ist die Vorrede Köpfels abgedruckt: ES habe[n] die diener des worts zu Straßburg […]. Als Teil II: Das ander theyl. Straßburger kirchengesang […], mit einem Druckervermerk am Ende des Gesangbuchs: Getruckt zu Straßburg bei Wollf Köpphel am Roßmarkt, im jar 1525. Als Teil III: Das dritt theil Straßburger kirchen ampt. M.D.XXV, mit einem Druckerver­ merk am Ende: Getruckt zu Straßburg, durch Wolff Köpphel am Roßmarckt.

Die Zusammengehörigkeit der drei Gesangbücher geht aus den Titeln zwar her­ vor, man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass Drucke damals in der Regel nicht gebunden verkauft wurden und dass es eher unwahrscheinlich ist, dass die drei Teile gleichzeitig hergestellt und angeboten wurden. Daher ist Wackerna­ 13 Mitteilung einer Information von Peter Fox über Roy Stanley an den Autor. 14 DKL 152518.

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gels Vorgehensweise, alle Teile getrennt aufzulisten, berechtigt;15 bis heute ist kein einziges Exemplar bekannt geworden, in dem alle drei zusammengebunden waren. Die drei Drucke haben jeweils ein vollständiges Titelblatt. Auffällig ist das Fehlen eines Druckervermerks am Ende von Teil I. Wackernagel bemerkt dazu: „Am Ende des Buches keine Druckeranzeige, oder das Exemplar war defect.“16 Grundlage seiner Beschreibung war wahrscheinlich sogar unser Erlanger Exemplar; er schreibt dazu: „Das einzige mir bekannte Exemplar liegt beim Antiquar Thoma in Nürnberg, jetzt vielleicht in der Bibliothek des Hrn. v. Meusebach.“ Mit der letzten Aussage legte Wackernagel für alle späteren For­ schergenerationen eine falsche Fährte. Der Sammler Karl Hartwig Gregor Frei­ herr von Meusebach und Philipp Wackernagel waren befreundet und arbeiteten zeitweise eng zusammen. Wackernagels Bemerkung kann nicht anders verstan­ den werden, als dass Meusebach versucht hat, das Straßburger Gesangbuch von 1525 bei Thoma zu erwerben. Friedrich Hubert dürfte sich auf Wackernagel beziehen, wenn er um 1900 darüber schreibt:17 „Einst im Besitz des Antiquars Thoma in Nürnberg; das Antiquariat giebt es nicht mehr. Verloren.“ Dazu die Fußnote: „Smends Mitteilung ‚angeblich Un.-Bibl. Berlin‘ veranlasste mich zu persönlicher Nachforschung, die leider ein völlig negatives Resultat hatte.“ Inte­ ressant ist, dass vor Wackernagel Wilhelm Löhe 1842 einen Auszug „Aus dem Büchlein: Theütsch kirche[n] ampt“ abdruckte.18 Löhe, in Fürth geboren, war Gymnasiast in Nürnberg, Theologiestudent in Erlangen, bevor er 1837 als Pfar­ rer nach Neuendettelsau kam, wo er bis zu seinem Tod wirkte. Kann diese lokale Koinzidenz in Mittelfranken ein Zufall sein? Durchaus möglich wäre, dass Löhe 1842 aus eben jenem Exemplar zitierte, das um das Jahr 1855 in dem Nürnberger Antiquariat Thoma angeboten wurde, welches Meusebach für seine Sammlung zu erwerben versuchte, das schließlich aber in die Erlanger Universi­ tätsbibliothek gelangte, wo bis zum Jahr 2013 niemand danach gesucht hat. Der Aufbau des Gesangbuchs von 1525 ist ganz ähnlich wie in anderen Straß­ burger Gesangbüchern jener Zeit: Alle abgedruckten Lieder sind eingebettet in die liturgische Ordnung zunächst der Messe, dann der Vesper und schließlich des werktäglichen Predigtgottesdienstes, letztere mit nur zwei Liedern vor bzw. nach der Predigt: „Ordnung so man halt an den tage[n] so man allein verkündi­ get das wort gots/ vn[d] halt kein Ampt oder Meß.“ Zu den meisten Liedern sind nur die Texte abgedruckt, lediglich zwei Liedern sind auch die Melodien 19 beigegeben: Ach Gott, vom Himmel sieh darein am Ende der Vesper und Ach Gott, wie lang vergissest mein als Abschluss des Predigtgottesdienstes.20 Beide 15 Teil I: WB 187, Teil 2: WB 189, Teil II: WB 190. 16 WB 187, S. 72. 17 Hubert, Friedrich: Die Straßburger liturgischen Ordnungen im Zeitalter der Reformation nebst einer Bibliographie der Straßburger Gesangbücher, Göttingen 1900, S. XIV (Nr. 9). 18 Löhe, Wilhelm: Sammlung liturgischer Formulare der evangelisch-lutherischen Kirche, Bd. 3, Nördlingen 1842, S. 58 f. 19 Melodie Eb6 in EdK (Das deutsche Kirchenlied. Abteilung III: Band 1: Die Melodien bis 1570, Teil 2, Kassel 1996/97). 20 Melodie Eb7 in EdK.

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Melodien sind im Blockdruckverfahren in der typischen „Straßburger Goti­ schen Notation“ wiedergegeben, einer schwarzen Notation, die äußerlich an die Choralnotation erinnert, aber so weit verfeinert ist, dass alle vorkommenden Notenwerte wie in der Mensuralnotation präzise dargestellt werden können.

Das „Straßburger kirchen ampt“, Straßburg (Wolfgang Köppfel [Köpphel]) 1525 Die Geschichte dieses Gesangbuchexemplars hat Gemeinsamkeiten mit dem eingangs behandelten Erfurter Enchiridion „zum schwarzen Horn“ in Dublin. Auch von ihm ist in der Literatur stets nur das 1870 in Straßburg verbrannte Exemplar erwähnt.21 Wackernagel kannte dieses Exemplar und hat es in seiner Bibliographie beschrieben.22 Sein Eintrag endet mit den Worten „Das einzige mir bekannte Exemplar befindet sich auf der öffentlichen Bibliothek zu Straß­ burg, Liturg. A. 4942.“ Das hier beschriebene Exemplar der Staatlichen Bibliothek Regensburg trägt auf dem Titelblatt einen Rundstempel mit dem bayerischen Löwen und der Inschrift „K[önigliche]. KREISBIBLIOTHEK“; auf der Rückseite des Titel­ blatts einen Stempel nur mit dem Text „KREISBIBLIOTHEK REGENS­ BURG.“ Der bayerische Löwe deutet darauf hin, dass das Exemplar erst nach 1816, dem Jahr der Gründung der Königlich Bayerischen Bibliothek für den Regenkreis, in die Bibliothek kam. In dieser Institution wurden zu dieser Zeit die Bestände mehrerer Bibliotheken vereinigt, aber es gibt in dem Buch keinen älteren Stempel und kein Exlibris, das auf die Herkunft schließen ließe, lediglich eine Art Zugangsnummer auf dem Titelblatt: „26. 1160.“ Warum das Gesang­ buch bisher nie ins Blickfeld der Hymnologie geriet, ist derzeit nicht nachvoll­ ziehbar. Dabei ist seine Entdeckung für die historische hymnologische For­ schung wichtiger als die beiden oben beschriebenen Funde, da von ihm keine Faksimile-Ausgabe existiert und es in seinem Liedbestand wesentlich umfang­ reicher ist als der erste Teil des „Theütsch kirche[n] ampt“ aus demselben Jahr. Der Inhalt soll deshalb hier etwas ausführlicher beschrieben werden.23 Das vollständige Gesangbuch im Oktavformat bestand ursprünglich aus 48 Blättern. Bei dem Regensburger Exemplar fehlen die Blätter 47 und 48. Aller­ dings waren die Rückseite von Blatt 47 und beide Seiten des 48. Blattes leer, so dass der Inhalt fast vollständig ist. Es fehlen auf Blatt 47/recto nur zwei von fünf Notenzeilen des Gesangs Alleluia/ Loben den herren. Nach diesem stand am 21 DKL 152521: Verloren: F Sn [Strasbourg, Bibliothèque Nationale et Universitaire]. 22 WB 192. 23 Das Digitalisat des ganzen Druckes trägt den Uniform Resource Name (URN): urn:nbn:de: bvb: 355-ubr07445–7; der persistente Link ist zu finden unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de: bvb: 355-ubr07445–7

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Schluss des Druckes noch die Jahreszahl 1525.24 Insgesamt enthält das Gesang­ buch 25 Lieder, davon 15 mit Noten. Auf der Rückseite des Titelblatts steht Wolfgang Köppfels erstes Vorwort:25 DEr Straßburger kirchen handlung/ mit gepreuchlichenn gesäng der gemein/ hab ich inn dreyen büchlin getrucket. Wer dieselbigen alle hat der hat vnser pfarhern gewonheit/ vnnd gantzer kirchen übungen alle. Welche ich nun vnder dem tittel/ trucke mitt vast weniger verendrungen/ wie wol etwz correcter. Des ich den leser verwarnet haben will/ auff das er nit vergeblich kauffe/ das er zu vor bezalet hat/ Dan ich niemant beger zu beschweren.

Auf Blatt 2/recto-verso folgt dann ein zweites Vorwort, ebenfalls von Köppfel: Wolffgang Köpphel Buchtrucker dem Christlichen leser. Gnad vnd frid etc. Jch vnd andere/ haben das kirchen ampt wie es von vnsern predicanten vnd pfarherrn erstlich für­ genommen/ offt getruckt/ wider iren willen vnd gehelle. Dann sye dazumal fürgaben/ das sye zu reinerem vnd der geschrifft gemeserem geprauch/ mit der zeyt zukommen verhofften. Als aber die gemein begirig was sollichs zu lesen/ haben wir außgon lassen/ das sunst/ biß zu gelegner zeyt verhalten worden/ vnnd dann mitt grösserm nutz außgan­ gen were. Nun haben die diener des worts/ der gemein weitern vstand angesehen/ vnd jüngst als weyt ichs verstoe/ vffs aller nechst zur geschrifft getretten/ vnd Christlich end­ rung fürgenommen. Wie der diener Christi Martin Butzer grund vnd vrsach aller newe­ rung angezeigt/ vnd ich getruckt habe. Welche ich aller gestalt/ wie sys jetzund halten/ bedacht hab/ an tag zu bringen. Vnd hie mit wes ich zuuor auß vnwissen der gemein vnd den predicanten/ durch mein trucken mißdient haben mag/ will ich/ als ich hoff mit dißem bessern trucken/ erstattet vnnd widerlegt haben/ vnnd also jüngst fürgenomne ordnung meniglich verstendigen/ auff dz ein jeder so bessers vnd nutzers weiß des künde vnsere predicanten berichten/ oder welchem solichs gefallen würd haben dem er sicher volgen möge. Vnd wil nemlich anzeigen/ wie sye es mitt infürung der Ee/ mit dem Tauff/vnnd des herren Nachtmal jetzund halten.

Das Vorwort zeigt, dass die Gesangbücher in Straßburg damals weit mehr waren, als Repertorien für Kirchenlieder. Sie dienten zur Vermittlung der theo­ logischen Lehre, die in der Zeit nach der Reformation noch ständiger Wandlung und Ergänzung unterworfen war. Köppfel bekennt sich ausdrücklich zu Kor­ rekturen gegenüber seinen früheren Drucken. Insofern darf man gespannt sein, ob künftige Forschungen durch die Bekanntmachung des Gesangbuchexemplars auch Veränderungen in Liedertexten zutage fördern werden. Für die Melodien ist zu erwarten, dass Köppfel seine bisherigen Druckstöcke unverändert wieder­ verwendete. Auch das kann nun für die enthaltenen Melodien überprüft wer­ den.26 Auf die beiden Vorworte folgen ohne Lieder nacheinander Erklärungen und Ordnungen zur Ehe und Taufe (fol. 3/verso-8/recto: „End vom Tauff“). Dann 24 Wackernagels genaue Beschreibung ermöglicht diese Rekonstruktion, vgl. WB, S. 75. 25 Abbreviaturen sind stillschweigend aufgelöst. 26 Die EdK-Sigel der enthaltenen Melodien sind Eb2, Ec18, Eb1, Ec14, B17, Eb6, Eb7, Eb13, Ec14, Eb19, Eb10, Eb11, Eb5, Eb12 und Eb9.

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folgt der Abschnitt „Von des herrn nacht mal’/ oder Mess.“ Der beginnt mit einer allgemeinen, lebensnahen Beschreibung der gottesdienstlichen Praxis: ALle tag haben sye zwo Christlicher predigen/ des morgens vmb die siben/ vnd nachmit­ tag vmb die vier vren. Do singt die gemein/ vor vnd nach/ etlich psalmen mit fleyssigem auffmercken/ vnd andacht. Vnd am sontag zu morgen/ an stat der frümessen oder pfarr­ messen/ ein kurtze predig vnd ermanung für das gesünd/ so zur andern predig dz hauß verwaren/ der kinder warten/ vnd vilicht die kuchen versehen muß.

Es folgt der Ablauf der Messfeier einschließlich aller gesungenen Teile: Als ers­ tes Lied ist „an stat des Jntroits“ Aus tiefer Not schrei ich zu dir mit der Straß­ burger Melodie abgedruckt, danach Kyrie und Gloria, jeweils mit den bekann­ ten gebräuchlichen Melodien. Der nächste Gesang ist das deutsche Credo zunächst das von Matthias Greitter danach das Luthersche. Im Abendmahlsteil folgt dann als letztes in den Messablauf eingefügtes Lied Gott sei gelobet und gebenedeiet. Es folgt ab Blatt 21/verso die Ordnung der Vesper in deren Verlauf 10 Gesänge mit ihren Melodien27 wiedergegeben sind. Blatt 34/recto folgen „Die ersten acht Psalmen Davidis/ in der melody/ Ach gott vom hymel sich darein.“ Die zugehörige Melodie ist schon weiter vorne, Blatt 24, abgedruckt.28 Nach der Vesper mit den zahlreichen eingefügten Liedern beginnt auf Blatt 45 zunächst ein Gesamtregister der Abschnitte des Buches, auf der Rückseite das „Register über die psal[men] [= Lieder] so in dissem büchlin stend.“ Zu den Psalmliedern sind jeweils die ersten der deutschen und der lateinischen Worte wiedergegeben. Nach dem Register steht auf dem letzten erhaltenen Blatt (fol. 46/verso), wie oben erwähnt, mit Melodie der Anfang des Prosagesangs Alleluia/ Loben den herren. O herre thu mit deinem knecht/ nach deiner Barm­ hertzigkeit […].

Résumé Bei aller Freude über das Auffinden der hier beschriebenen seltenen Gesang­ buchexemplare erhebt sich nicht erst heute die Frage, inwieweit die DKL-Bi­ bliographie noch als verlässlicher Katalog der verfügbaren Gesangbücher (mit Noten) bis 1800 gelten kann. Die Arbeiten daran liegen nun bald ein halbes Jahrhundert zurück und die Recherchemöglichkeiten haben sich durch Internet, Online Public Access Catalogues (OPAC), Internetdatenbanken und eine wachsende Flut von Digitalisaten radikal verändert. Die Beispiele nur aus den beiden Jahren 1524 und 1525 lassen ahnen, dass noch zahlreiche Gesangbuchd­ rucke des 16. bis 18. Jahrhunderts unentdeckt auf den Regalen öffentlicher Bi­ bliotheken stehen. Aber was heißt unentdeckt? Die Katalogisate der vier frühen 27 Nur beim Lied Es spricht der Unweisen Mund wohl (Psalm 14) wird auf die weiter vorne abgedruckte Melodie Ach Gott, vom Himmel sieh darein verwiesen (EdK Melodie Eb6). 28 EdK Melodie Eb6.

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Drucke sind weltweit online abrufbar. Von den Exemplaren in Regensburg und München stehen sogar Volldigitalisate im Netz. Aber wie soll der Forscher oder gar der interessierte Laie sich in dem weltweiten Wust von Datenbanken und kurzzeitgeförderten Forschungsprojekten zurechtfinden? Dass die OPACSuche bis heute in der Regel keine unscharfe Suche zulässt, dürfte das Aufstö­ bern solcher Titel wie „Theütsch kirche[n] ampt“ zwar erschweren, andererseits wäre die zunehmend zu beobachtende zwangsweise Vereinheitlichung von Schreibweisen durch Internetsuchmaschinen bei solchen Titeln noch problema­ tischer. Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass seit dem Erscheinen des DKLRegisterbandes im Jahr 1980 durchaus einige Lücken geschlossen und Fehler korrigiert wurden, z. B. in den Addenda et Corrigenda der Kasseler Kirchen­ lied-Edition EdK.29 Auch die Datenbank des Projekts Gesangbuchbibliographie an der Universität Mainz30 ist hilfreich, zumal dort, anders als bei DKL, auch Gesangbücher ohne Melodien berücksichtigt sind. Doch auch dieses Projekt blieb unvollendet; einige wichtige Bestände sind in der Mainzer Datenbank zwar weitgehend erfasst, aber eben längst nicht alle. Bei den hier zur Kenntnis gebrachten vier31 Drucken wurden die Angaben der DKL-Bibliographie unge­ prüft übernommen. Ein Kuriosum in diesem Zusammenhang ist die Übernahme eines Fehlers im Titel, den DKL 152518 von Huber32 übernommen hat: „[…] mit lob | gsenge vi [!] göttlich-|en Psalmen“. Wackernagel erweist sich hier als zuverlässiger in der getreuen Übernahme des Originaltitels: „[…] mit lob | gsenge vn[d]33 göttlich-|en Psalmen“. Wünschenswert wäre ein gesamteuropäisches Projekt, das nicht nur alle vor­ handenen Bibliographieprojekte für den Bereich der Gesangbücher zusammen­ führt, sondern systematisch die heutigen technischen Möglichkeiten nutzt, um die Quellenlage möglichst vollständig abzubilden. Bis es aber so weit ist, darf jeder fündig Gewordene wie Philipp Wackernagel im 19. Jahrhundert teilhaben an der „jubilierende Liederfreude“, wenn er ein kleines Mosaiksteinchen des Gesamtbildes ins Blickfeld der hymnologischen Forschung rückt.

29 vgl. Fußnote 6. 30 http://www.blogs.uni-mainz.de/gesangbuchforschung/gesangbuchbibliographie/ 31 DKL 152405, 152415, 152518 und 152521; dasselbe gilt für den im letzten Absatz behandelten Druck 152606, hingegen fehlt DKL 152515 in der Mainzer Datenbank ganz. 32 Huber (s. Fußnote 17) Nr. 9. 33 Mit Abbreviaturstrich über dem „n“.

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Addenda: Zwei „verlorene“ Gesangbücher aus der Berliner Staatsbibliothek Eine ganz besondere Bedeutung für die Hymnologie kommt den Gesangbuch­ sammlungen der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbe­ sitz zu. Neben der Straßburger ist die Berliner Bibliothek diejenige mit den meisten „Verloren“-Hinweisen in der DKL-Bibliographie. Eine Suche in der Datenbank des Projekts Mainzer Gesangbuchbibliographie34 bringt für den Fundort „Berlin Staatsbibliothek“ 389 Treffer, aber das ist nur ein kleiner Bruchteil der heute noch dort aufbewahrten Gesangbücher. Dazu kommen viele Berliner Gesangbücher, die in und nach dem zweiten Weltkrieg an andere Orte gelangt sind. Längst nicht alle von ihnen sind wieder zurückgekehrt, jedoch sind inzwischen die heutigen Verwahrorte wenigstens zum Teil bekannt. So lieferte schon eine Recherche für zwei verloren geglaubte frühe Gesangbuchdrucke, von denen jeweils nur ein einziges Exemplar bekannt ist, im Onlinekatalog „Sta­ BiKat“35 zwei Hinweise auf deren Verbleib: Das einzig erhaltene ehemals Berli­ ner Exemplar des 1525 bei Loersfeld in Erfurt gedruckten „Teutsch kirchen Ampt von etlichen der furnemesten fest tagen […]“,36 befindet sich demnach heute in der Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka in Moskau; das 1526 ver­ mutlich in Rostock erschienene niederdeutsche Gesangbuch „EYn gantz schöne vnde seer nutte ghesank boek […]“37 kam in die Krakauer Biblioteka Jagiel­ lońska. Zum Zeitpunkt der Beendigung dieses Textes hatte ich aus Krakau bereits eine Bestätigung für die dortige Existenz des Buches und die Zusage zur Lieferung einer Reproduktion. Eine Anfrage an die Moskauer Bibliothek blieb bisher unbeantwortet.

Nachbemerkung: Erst nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass sich in der Musikhistorischen Sammlung Jehle im Stauffenberg-Schloss in Albstadt-Lautlingen das vermutlich einzige erhaltene, wenngleich nicht ganz vollständige Exemplar des Straßburger Gesangbuchs von 1566 „Das Newer und gemehret Gesangbuechlein…“, DKL 1566_11, WB 876) befindet. Ein Bestandsverzeichnis von Volker Jehle mit der Beschreibung des Exemplars ist im Internet unter der folgenden Adresse zu fin­ den: www.sammlungjehle.com Eine Notiz zur Sammlung Jehle findet sich am Schluss des deutschsprachigen Literaturberichts zur Hymnologie in diesem Band (S. 263). 34 35 36 37

S. Fußnote 30. http://www.stabikat.de/ DKL 152515, WB deest. DKL 152606, WB 233.

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Das Jakobslied und seine Rezeption in der Frühen Neuzeit

Irmgard Scheitler

Wer das Elend bauen will, Der heb sich auf und sey mein gesel Wol auf sandt Jacobs strassen! Zwey par schuech der darff er wol, Eyn schüssel bey der flaschen.1

Es gibt wenige Lieder, die ihren Sänger so kennzeichnen wie das Jakobslied. Wer im 15. oder frühen 16. Jahrhundert mit diesem Gesang durch die Ortschaf­ ten zog, gab sich als Santiagopilger zu erkennen. Das Lied war ein ebenso ein­ deutiges Signal wie Muschel, Hut und Stab. Der Jakobspilger befand sich gleich­ sam in einem herausgehoben Stand; die Segnung vor Antritt der Wallfahrt stellte ihn unter einen besonderen Schutz, sie verpflichtete seine Mitchristen, ihm freie Übernachtung zu gewähren und ihn zu speisen. Der hohe Wert der Peregrinatio wird auch daran sichtbar, dass sie offiziell als Bußübung verhängt werden konnte.2 Trotz des denkbar engen Zusammenhanges mit einer frommen Praxis ist Wer das elend bawen wil kein geistliches Lied im eigentlichen Sinn. Der Volkslied­ forscher Böhme nennt es vielmehr einen „Baedeker“.3 Seine 26 Strophen benen­ nen zunächst die nötige Ausrüstung (Str. 1–4), den deutschen Priester mit einge­ schlossen. Dann beschreiben sie den Weg durch die verschiedenen Länder, seine jeweilige Beschwerlichkeit, die Güte oder Knausrigkeit der Bewohner, Pro­ bleme der Verpflegung, die häufigen Todesfälle (Str. 5–12). Verballhornungen von Ortsbezeichnungen zeugen von Volksetymologie, Zersingen und hohem 1 Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. 5 Bde., Leipzig 1864–1877, Repr. Hildesheim 1964, II,1246 (die Angaben beziehen sich auf Bd. und Nr.). – Böhme, Franz Magnus: Altdeutsches Liederbuch. Volkslieder der Deut­ schen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert. Leipzig 1877, Repr. Hildesheim 1966, Nr. 610. – Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren deutschen Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und der Gegenwart. Hg. von Ludwig Erk, bearb. von Franz M. Böhme. Leipzig 1893–1894, Repr. Hildesheim 1963, Nr. 209. Die heute nicht mehr verständliche Anfangszeile bedeutet: Wer sich in der Fremde aufhalten will. 2 Vgl. Heinz, Andreas: Bußwallfahrt. In: LThK3, 2. Bd. (1994), Sp. 858 f. – Jehle, Irmengard: Wallfahrt III,1. In: RGG4, 8. Bd. (2005), Sp. 1282–1285. 3 Deutscher Liederhort Nr. 2091a, S. 782.

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Alter. Strophe 13 leitet über zu einer balladesken Erzählung (14–23) von einem spanischen König, der sich selbst von den schlechten Zuständen in einem Spital überzeugt. Der Spitalmeister von Burgos und seine Tochter, die die deutschen Pilger hassen, werden mit dem Tode bestraft. Offenbar wurden Text und Melodie lange nur mündlich tradiert; über Zeit und Umstände der Entstehung des Liedes kann die Forschung keine Aussagen machen. Die schriftliche Fixierung erfolgte zögerlich. Ein in der Bayrischen Staatsbibliothek zu München aufbewahrter Codex aus dem Ende des 15. Jahr­ hunderts teilt den Text mit.4 Die dorische Melodie aufzuzeichnen, hielt man weiterhin nicht für nötig. Sie ist erstmals 1541 belegt, und zwar als Tenorstimme eines mehrstimmigen Satzes in Trium vocum cantiones centum, einem Druck aus der Nürnberger Offizin des Johannes Petrejus.5 Beigegeben ist nur der Text der 1. Strophe. Das gleiche gilt für den Tonsatz im 5. Band von Georg Forsters Frischen Teutschen Liedlein (1556).6 Hier findet sich die Melodie (mit einer klei­ nen Variante) im Tenor eines fünfstimmigen Satzes von Jobst vom Brandt. 1544 hatte Wolfgang Schmeltzl die beliebte Weise für ein Quodlibet verwendet.7 Rückschlüsse auf das Alter des Liedes lassen sich vielleicht aus Vergleichen mit scheinbar Entferntem ziehen. Die Melodie, die uns als Jakobston geläufig ist, hatte sich früh mit einem anderen Text verbunden und führte ein Eigenle­ ben. Sie gehört schon im 15. Jahrhundert zu dem Lied Ich weiß mir einen Anger breit.8 Der Text, eine Ballade von einem Schreiber und einem Fräulein, hat kei­ nerlei Beziehung zur Jakobsthematik. Die Weise Ic weet noch eenen acker breyt mit niederländischer geistlicher Kontrafaktur ist in einem Antwerpener Gesang­ buch von 1539 verzeichnet.9 Sowohl zu der Wegbeschreibung als auch zu dem stupenden Märlein vom bösen Herbergsvater gibt es ältere Parallelen. Pilgerwegbeschreibungen liegen bereits aus dem frühen Mittelalter vor, vornehmlich der Liber Sancti Jacobi aus dem 12. Jahrhundert.10 Wundergeschichten sind ebenfalls sehr früh belegt, zuerst wohl bei Caesarius von Heisterbach in seinen Miraceln. Diese Legenden stammen aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts und bieten Überschneidungen mit dem balladesken Teil des alten Jakobsliedes wie auch mit anderen Jakobslie­

4 Mbs cgm 809, Bl. 61r–63r. 5 Johannes Petrejus: Nürnberg 1541. Faksimile hg. v. Howard Mayer Brown. New York 1986, Nr. 50, ohne Angabe eines Komponisten. – Vgl. auch Erläuterungen zu: Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Vorgelegt von Joachim Stalmann, bearbeitet von Karl-Gün­ ther Hartmann, Hans-Otto Korth u. a. (= Das deutsche Kirchenlied III/1–4) Kassel: Bärenreiter 1993ff [zitiert EdK] El6. Die Melodie im d-Modus erscheint üblicherweise nach g transponiert, nicht jedoch bei Petrejus. 6 Berg u. Neuber, Nürnberg 1556, Nr. 44. EdK El6A (Registerbd. 1, 48). 7 Guter seltzamer un kunstreicher teutscher Gesang sonderlich ettliche künstliche Quodlibet schlacht un der gleichen mit vier oder fünff stimmen. Petrejus: Nürnberg 1544, Nr. 7, Tenor. 8 Deutscher Liederhort, Nr. 143. 9 Deutscher Liederhort, S. 475f zu Nr. 143. 10 Herbers, Klaus: Via peregrinalis. In: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt. Hg. v. Robert Plötz. Jakobus-Studien 2, Tübingen 21993, 1–25.

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dern.11 In einigen süddeutschen, österreichischen und Schweizer Kirchen finden sich Wandmalereien und Tafelbilder von Jakobswundern. Ihr gemeinsamer Kern ist die Erzählung von ungerechten Anklagen und Todesurteilen, jedoch wunderbarer Errettung der Pilger durch den Heiligen.12 So verzeichnet etwa die Jakobsbrüdertafel (um 1600) in der Wallfahrtskirche Maria unter der Egg bei Peiting in Oberbayern nach Art der Bänkelsang-Illustrationen die Geschichte von zwei Pilgern, von denen einer, obwohl schon erhängt, wieder zum Leben erweckt wird.13 Legenden dieser Art finden sich auch in anderen Jakobsliedern wieder, die in ihren eigenen Melodien gesungen werden. Wohl in der Schweiz entstand ein zehnstrophiges Lied, das spätestens in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts aufge­ zeichnet wurde. Es weiß von vier Pilgern zu berichten, die falsch verdächtigt und aufgehängt wurden. Der Heilige hilft den Unschuldigen, indem er den Ast abbricht, an dem sie hängen, obwohl der „anderthalb klafter dick“ ist. Aber wellen mir heben ane Ein nüwes liet zu singen, von vier armen bilgeren. Si kamen gewandlet von dem Rine, ja Rine, Sant Jacob den wolten si suchen.14

Von Wundern ähnlicher Art erzählt das niederländische Jakobslied aus einem Antwerpener Liederbuch 1544. Dats wildi vander waerheyt horen singen? Rijc heere God, so latet mi volbringen 11 Caesarius von Heisterbach: Dialogus Miraculorum. Dialog über die Wunder. Übersetzt und kommentiert von Nikolaus Nösges und Horst Schneider. Turnhout 2009, Bd. 4, 1641 (Dialogus 8,58): Befreiung vom Galgen. Vgl. auch Bd. 4, 1909 (Dialogus 10,7) u. ö. – Zu weiteren Quellen für Jakobuslegenden vgl. Williams-Krapp, Wernerv: Di grôsten zeichen di kein heilige getun mac di tut dirre heilige. Zu den deutschen Jakobslegenden. In: Herbers, Klaus/Bauer, Dieter R. (Hg.): Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive. Jako­ bus-Studien 7, Tübingen 1995, 233–248. 12 Stammler, Jakob: Die St. Antonius-Kirche in Bern. Sonderausgabe aus: Kathol. Schweizer­ blätter. Organ der Schweizerischen Ges. für Katholische Wissenschaft und Kunst Bd. 9. Luzern 1893. Berichtet von verschiedenen Darstellungen einer Wundergeschichte des hl. Jakob: Ein unschuldiger Pilger wird aufgehängt, vom Heiligen aber gerettet. – Weber, Franz: Bildliche Darstel­ lungen alter Volkssagen in Landkirchen und -kapellen. 2. Die Sage von den Jakobs-Brüdern. In: Bayerische Hefte für Volkskunde 4 (1917), 231–236. 13 Vgl. Gribl, Albrecht: Die Legende vom Galgen- und Hühnerwunder in Bayern. Eine ikono­ graphische Gegenwartsspur der mittelalterlichen Fernwallfahrt nach Santiago de Compostela. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1976/77 (1978), 36–52, hier 45–47 (mit Belegen der Legende bei Jacobus de Voragine u. a.). 14 Tobler, Gustav: Ein Lied von der Wunderthat des heiligen Jakob. In: Anzeiger für Schweizer­ ische Geschichte. Hg. von der Allg. Geschichtforschenden Ges. der Schweiz. NF 7, Teilband 26 (1895), Nr. 1, 169 f. Das Lied entstammt einem Band mit Briefen der Familie Praroman aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts [Staatsarchiv Freiburg/CH]. Auch in Röhrich, Lutz/Brednich, Rolf Wil­ helm (Hg.): Deutsche Volkslieder. Texte und Melodien. 2 Bde. Düsseldorf 1965. 1967 [zitiert: Röh­ rich/Brednich] Nr. 54c.

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Die waerheyt, die ic u singhen sol Von vader ende van sone Een wonderlijck gheval.15

Bezeichnenderweise beginnt dieses reine Legendenlied mit einer Wahrheitsbe­ teuerung. Berichtet wird von einer bösartigen Wirtstochter, die einen jungen Pilger durch eine List in Verdacht bringt, so dass er gehängt wird. Sankt Jakobus aber macht ihn wieder lebendig. Noch im 19. Jahrhundert lebte im Moseltal die Episode mit dem bösen Spital­ meister aus Wer das Elend bauen will. Sie hatte sich in erweiterter Form zu einem gesonderten Lied entwickelt und wurde aus mündlicher Überlieferung aufgezeichnet.16 Das Incipit zeigt deutliche Anklänge an das ursprüngliche Jakobslied. Wer da will auf St. Jacob gohn, Der muß haben drei Paar Schohn Wohl auf Sankt Jacobs Straßen. Drei Paar Schohn muß ein Pilger han, Sonst kommt er nicht mehr aus St. Jacobs Land.

Man geht wohl nicht fehl, wenn man aus diesen novellesken Berichten, die sämt­ lich um Verurteilungen kreisen, den Schluss zieht, dass die Jakobspilger keine gute Reputation hatten. Sie wurden von ihrer Umwelt als Schmarotzer oder gar Verbrecher betrachtet. Umherziehende Menschen galten von jeher als verdäch­ tig. Die Pilger aber verknüpften ihren Gesang mit der Erwartung von milden Gaben, was sie auf eine Stufe mit Bettlern stellte. Aus dem deutschen Südwesten und der Westschweiz, Gebieten, durch die wichtige Pilgerwege liefen, sind Kla­ gen und Einschränkungen des Singens überliefert. Im Jahr 1523 bestimmt „Einer Stadt Bern ernüwerte Ordnung wider etliche Miswesen. […] Item geboten, die Lands=, Kriegs= und Jacobsbettler, Husierer, Heiden, frömb Feldsiechen und derglychen Lüt hinweg ze wysen, sy nit behusen, beherbergen, noch Unter­ schlouf geben“.17 1565 will die Stadt Freiburg i. Br. dem allzu häufigen Durch­ zug von Jakobspilger steuern. Deshalb sollte jedem der Schwur abgenommen werden, dass er vor Jahresfrist nicht schon einmal am Ort war, „und welcher solche Treue geben mag demselben zu erlauben, durch die Stadt zu singen und weiter nicht“.18 Der hohe Wiedererkennungswert von Wer das Elend bauen will, seines cha­ rakteristischen Incipitis und seiner Melodie führte notwendig zu Parodien. In Ivo de Ventos Newe Teutsche Lieder/ mit viern/ fünff/ und sechs stimmen. München 1570 findet sich als Nr. 30 die Verballhornung des Jakobsliedes für Zechbrüder. 15 16 17 18

Röhrich/Brednich Nr. 54b. Deutscher Liederhort III, 783. Vgl. Röhrich/Brednich Nr. 54d. Zit. Böhme, Altdeutsches Liederbuch, 721. Zit. Böhme ebd.

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Wer doch das ellend bawen will/ Der mach sich auff und kart und spil/ Und zech mit schönen frawen/ Hat er kein gelt im seckel mehr/ das ellend muß er bawen.19

Unverkennbar ist auch der Bezug zwischen dem Jakobslied und diesem Trinkund Schlemmerlied von Hans Witzstatt, das um 1530 bei Hans Guldenmund in Nürnberg gedruckt wurde: Welcher [vil] frölicher tag wil han Der soll zu Sanct Reblinus gan Zum hoch gebornen Fürsten Welcher vil pfennig im seckel hat Der trincket wann in dürstet/ ja dürstet.20

Zwar handelt es sich nicht um eine Parodie oder Kontrafaktur im eigentlichen Sinne, denn als Melodie ist angegeben Es geht ein frischer Sommer daher und nicht etwa der Jakobston, obgleich er passen würde. Jedoch ist die erste Strophe eindeutig von Wer das Elend bauen will inspiriert. Statt zu St. Jakob wallfahrtet man zu St. Reblinus, einem fiktiven Weingott, statt Schuhe, Schüssel und Fla­ sche braucht man Geld.21 Einen recht späten Beleg dafür, dass man das Lied noch kannte, bietet eine um 1630 gedruckte parodistische Strophe: Welcher das Elend bauen will Der arbeit wenig und feyer viel Und geh offtmals spatzieren22.

19 Ivo de Vento: Sämtliche Werke. Bd. 3. Hg. v. Nicole Schwindt. (= DTB NF 14) Wiesbaden u. a. 2002, 131. Keine weiteren Strophen. Diese Parodie ist sonst nirgends belegt. Die ursprüngliche Melodie wird verwendet, doch erscheint sie nicht als Cantus Firmus in einer bestimmten Stimme. 20 Deutscher Liederhort Nr. 1616, Hans Witzstat von Wertheym. Fliegendes Blatt. Hans Golde­ nmund: Nürnberg 1530. Der Ton: Deutscher Liederhort Nr. 269. Der Autor Hans Witzstat von Wertheim nennt sich selbst. 21 Keine Parodie liegt vor bei Melodien, die lediglich Verwandtschaft zu Wer das Elend bauen will aufweisen: Ich werd’ erfreut überaus, wenn ich höre sagen EdK Eg171 und Dich, Mutter Gottes, ruf’n wir an EdK C5. Zu dem letztgenannten Lied, dessen Eingangstakte mit der des Jakobstons übereinstimmen, existiert eine obszöne Kontrafaktur bei Forster II, Nr. 44: Es wollt ein Mägdlein grasen gahn. 22 Hinweis bei Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe (HKA). Bd. 9,2 = Des Knaben Wunderhorn Tl. II. Hg. v. Heinz Rölleke, Lesarten und Erläuterungen. Stuttgart 1977, 517: (ver­ schollenes) Fliegendes Blatt, Augustin Fries: Nürnberg. Lied Nr. 6, Strophe IV. Vorhanden in Abschrift von Wilhelm Grimm. Das Wort „Elend“ nähert sich im 17. Jahrhundert schon seiner heu­ tigen Bedeutung an. Kein Beweis für eine Kenntnis des Jakobsliedes ist die Verwendung des formel­ haften Ausdrucks „das Elend bauen“, wie er sich etwa auch bei Johannes Scheffler (Angelus Sile­ sius), Heilige Seelenlust I,1, Strophe 2 findet. Vgl. weitere Belege in: Deutsches Wörterbuch. Hg. von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearb. hg. von der Akademie der Wiss. der DDR. Leipzig/Stuttgart 1854–1971, Bd. 3 (1862), Sp. 406 f.

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Um diese Zeit freilich war das alte Lied schon so gut wie vergessen. Bereits im Verlauf des 16. Jahrhundert kam es zu einem Niedergang der Compostela-Wall­ fahrt. Luther hatte das Pilgern als „Narrenwerk“23 und als „greulich“ bezeich­ net.24 Die Reformation zählte das Wallfahren unter die toten Werke und schaffte es konsequenterweise ab. Das Jakobslied aber wurde wegen seiner sehr verbreiteten Melodie im reformatorischen Sinne „christlich gebessert“.25 Die zahlreichen geistlichen Umdichtungen legen beredtes Zeugnis ab von dem Sin­ neswandel, der die Christenheit ergriffen hatte. Allein im Reformationsjahrhun­ dert entstanden acht protestantische Neuschöpfungen auf die alte Melodie.26 Vielstrophig übertragen sie die Idee der Pilgerschaft auf das irdische Leben schlechthin und stellen die Mühen dar, die es bereitet, durch die Welt zum himmlischen Jerusalem zu gelangen. Statt der Schuhe, der Schüssel und der Fla­ sche braucht der wahre Pilger Geduld und Glauben. Die älteste geistliche Kontrafaktur wurde bereits um 1525 gedruckt. In 19 Strophen schildert das Fliegende Blatt die irdische Pilgerschaft und ihre Gefah­ ren. Wer das ellend bawen will, der mach sich auff und ziech dahin wol auff des Herren strasse, Gedult und glauben darff er wol sol er die welt verlassen.27

Von dem Schweizer Johannes Zimmermann (Xylotectus) stammt die folgende Fassung: Welcher das ellend buwen wöl, der mach sich uf und rüst sich schnell wol uff die rechte straassen!

23 Luther in den Schmalkaldischen Artikeln 1537 über das Reliquienwesen, 2. Artikel. Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart. Hg. v. Kurt Aland. Göt­ tingen 1991, Bd. 3, 344. Vgl. Luther: Wider Hans Worst (1541): „Wo die ‚Genugtuung‘ nicht entstan­ den wäre, so wären Ablass, Wallfahrt, Bruderschaft, Messe, Fegefeuer, Klosterwesen, Stifte und der größere Teil aller Greuel nicht entstanden und das Papsttum nicht so dick und fett geworden.“ Ebd. Bd. 4, 260. 24 Vgl. auch Walch, Johann Georg: Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften. Bd. 22. St. Louis 1887, 242, Tischreden Cap. 5, §4: Luther bezeichnet unter dem Oberbegriff „Baal Peors Götzen­ dienst“ die Wallfahrten „unter dem verfluchten Pabstthum“ als „greulichen Wesens“. 25 Überschrift der Kontrafaktur Nürnberg um 1525, Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 582. 26 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 582–589. 27 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 582: Fliegendes Blatt o. O. o. J., Hans Gulden­ mundt: Nürnberg um 1525. Mit diesem älteren Druck stimmen zwei weitere fast überein: Ringel: Nürnberg 1541 und Zimmermann: Augsburg o. J. – Ferner ein weiterer Druck: Drey Geistliche Jacobs Lieder. Fries: Zürich (nach Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 585, 1541 oder 1542). Wörtlich wieder 1620: Drey Geistliche Jacobs Lieder/ Alle zu singen/ im Thon wie S. Jacobs Lied Nr. 3 [London British Museum: 11515.a.55.13 bzw. DVA Bl 6011 aus Mappe 2091].

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Vatter und muter, eer und gut Sich selbs mus er verlassen.28

Xylotectus (gest. 1526), zunächst Luzerner Kanoniker, lebte im Basler Exil. Das bekannte Portrait aus dem Germanischen Nationalmuseum zeigt ihn als Har­ fenspieler.29 Seine fünfstrophige Liedfassung ging unter seinem Namen ein in Johannes Zwicks Nüw gsangbüchle, Zürich 1540 und wurde mehrfach wieder gedruckt.30 Durch die Aufnahme ins Babstsche Gesangbuch wurde das zunächst in Zwi­ ckau ca. 1540 gedruckte „new S. Jacobs Lied“ mit 19 Strophen verbreitet. Wer hie das elendt pauen wil, der heb sich auff und zih dohin und geh des Herren strasse. Glaub und geduld beid darff er wol Sol er die welt vorlassen.31

Eine ebenfalls 19strophige Fassung von ca. 1539 ist überschrieben: „Der Chris­ ten Bilgerschafft oder Walfart, wie unnd auff wz strassen, ain rechschaffner Christ wandlen sol, das er ins himlich [sic] Hierusalem und Vatterland mit gna­ den möge ankommen.“ Welcher das ellend bauwenn wöll sein Seel bewarenn vor der hell, der ziech auff Christus strassenn, Dann wer mit im das leben will han, der muß die welt verlassen.32

Dem Umkreis der Schwenckfelder rechnet man die folgende Bearbeitung der eben zitierten Fassung zu. Sie ist auf 38 Strophen angeschwollen: „Der Christen Walfarth, in das Hymmlische Hierusalem.“

28 Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied III 585. Der Text entstammt dem Druck Fries: Zürich 1541 oder 1542. 29 Von Ambrosius Holbein; das Bild wurde bis ins 20. Jahrhundert Hans Holbein d. J. zuge­ schrieben. Vgl. Kataloge des Germanischen Nationalmuseums. Die Gemälde des 13. bis 16. Jahrhun­ derts. Bearbeitet von Eberhard Lutze und Eberhard Wiegand. Bilderband. Leipzig 1937, Abb. 155. 30 Hochdeutsch auch in Flugblatt Drey Geistliche Jacobs Lieder. Nürnberg 1545. Gleicher Text im Bonner Gesangbuch 1550 EdK El6. Wieder in: Drey Geistliche Jacobs Lieder/ Alle zu singen/ im Thon wie S. Jacobs Lied. o. O. 1620, Nr. 1 [British Museum, London 11515.a.55.13 bzw. DVA Bl 6011 aus der Mappe 2091]. 31 Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied III 584. Drey Schöne Geistliche Lieder/ Aus der hey­ ligen Schrifft newlich zusamen gebracht etc. Das erst new S. Jacobs Lied/ Welcher die rechte straß des Herrn gehn wil. Jm thon Wer hie das elend bauen wil. Zwickau um 1540. Babstsches Gesang­ buch 1545 II, Nr. 63 (nur Text). 32 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 587. Die Fassung Wackernagels aus Narciß Raminger: Augsburg, um 1539. Sie findet sich wieder bei Fries (siehe Anm. 28) und auch in dem Druck 1620: Drey Geistliche Jacobs Lieder (siehe Anm. 30).

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Wer das Ellendt bawen wöll, sein Seel bewahren vor der Höll. Der ziech auff Christus strassen, Dann wer mit im das Leben will han, der muß die Wellt verlassen.33

Möglicherweise etwas später entstand eine in Straßburg gedruckte Variante, die auf die charakteristische Eingangszeile verzichtet: Wer dstras zum himelreich wöll gahn, der heb sich auff die weg und ban, die welt muß er verschetzen: Was er umb Christi namen lat, das wirt in Gott ergetzen.34

In der folgenden Variante erinnern fast nur mehr die Satzstellung zu Beginn und die 3. Zeile an das ursprüngliche Lied. Welcher inn himel kommen well, sein seel bewaren vor der hell der ziech uff Christi strassen: Wer mit im ewig leben will, der muß die welt verlassen.35

Ähnlich lautet der Text im Gesangbuch der Wiedertäufer aus den siebziger Jah­ ren des 16. Jahrhunderts: Wer das reich Gottes erben will Der heb sich auff und rüst sich schnell Wol auff des Herren strassen, Glaub und geduld bedarff er woll, soll er die Welt verlassen.36

Alle diese Kontrafakturen lenken den Blick auf den Weg des Lebens, der ins himmlische Jerusalem aus dem Ziel der irdischen Pilgerschaft münden soll. St. Jakob und Compostela spielen keine Rolle mehr. Das Lied hat sich ganz ins Geistliche gewendet und wird nun auch in Gesangbüchern verbreitet. Wie gründlich durch diese Neufassungen das alte Lied verdrängt wurde, zeigt ein Blick auf die Rezeption in zeitgenössischen Theaterstücken. Sie bestätigen 33 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 588. Einzeldruck o. O. o. J. (Augsburg? um 1550?). 34 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 586. Einzeldruck Thiebold Berger: Straßburg. 12 Strophen. 35 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 589. 27 Strophen. Wolfenbütteler FolioHS 1596. 36 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 583. 18 Strophen. Wackernagel gibt als Quelle an: „Ein schon gesangbüchlein. Um 1570, Bl. 97.“ In: Ein schon gesangbüchlein Geistlicher lieder zusa­ men getragen, auß dem Alten und Newen Testament/ durch frome Christen und liebhaber Gottes, welcher hiefür etliche getruckt seindt gewesen, [o. O., ca. 1575] steht das Lied Bl. 103r.

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und befestigen die reformatorische Verpönung des Wallfahrens und zeichnen ein schlechtes Bild von den Pilgersleuten – vorausgesetzt, es handelt sich um protestantische Dramatiker. Katholische Autoren lenken die Sympathien ihrer Zuschauer anders. Der aus Rufach/Elsass stammende Valentin Boltz, Spitalpfarrer im reformier­ ten Basel, führt in seinem Schauspiel Der welt spiegel (1551)37 einen Jacobs bru­ der mit synem wyb auf die Bühne. Die beiden „hebend an zesingen das Jacobs lied Welcher das Elend buwen well“.38 Die drei Textstrophen stimmen weitge­ hend überein mit der geistlichen Kontrafaktur auf dem oben erwähnten Nürn­ berger Fliegenden Blatt um 1525. Die bei Boltz beigegebene Melodie ist die bekannte.39 Merkwürdig ist, dass der Autor, der hier zwei sehr übel beleumun­ dete Personen als Pilger und Pilgerin auftreten lässt, diesen nicht etwa das ursprüngliche Lied in den Mund legt, was viel wirkungsvoller gewesen wäre, sondern dessen geistliche Kontrafaktur. Soll man daraus schließen, dass die ursprüngliche Fassung bereits weitgehend vergessen war? Dafür würde auch die Beigabe von Noten im Dramentext sprechen. Diese waren vor dem Erscheinen des Spiels erst ein einziges Mal gedruckt worden. Die konfessionspolemische Absicht des schweizerischen Spiels steht außer Frage. Die Pilgerin erweist sich als recht ordinäre Person. Sie führt eine Dreh­ leier, ein ‚unedles‘ Instrument der Unterschicht, bei sich (v. 4577) und singt für ihren Mann Lieder von ungehörigem, weltlichen Charakter, z. B. den Bergreihen 40 Es solt ein meidlein frue auff stan Der Fortgang der Handlungsepisode rückt die Pilgerin in die Nähe der Dirne und Diebin. Insgesamt richtet sich das Spiel gegen das Wallfahrtswesen bzw. den Katholizismus schlechthin. War Boltz’ von den Basler Bürgern gespieltes Stück eine große Allegorie auf das Leben, so gilt das auch für Vinea von Johannes Bertesius.41 Der Autor, Rek­ tor in Thamsbrück, führte seine dramatische Umsetzung der Parabel vom Wein­ berg des Herrn (Mt 20,1–16) mit seinen Schülern auf und veröffentlichte sie 1606 in Leipzig. Wenn hier im II. Akt der folgende Gesang erklingt, so weiß der Zuschauer sofort, mit wem er es zu tun hat:

37 Der welt spiegel. Gespilt von einer Burgerschafft der wyt=berümpten fryhstatt Basel/ im Jor M.D.LI. Und widerumb gebessert und gemehrt mit Sprüchen und Figuren/ so im vorigen exemplar/ von kürtze der zyt underlassen waren. Durch Valentinum Boltz von Ruffach. Basel 1551. In: Geßler, Albert (Hg.): Schweizerische Schauspiele des sechszehnten Jahrhunderts. Bearbeitet durch das Deut­ sche Seminar der Züricher Hochschule unter Leitung von Jakob Bächtold, hg. von der Stiftung von Schnyder von Wartensee. Bd. 2, Zürich 1891, 99–353. 38 Akt VI, S. 289. 39 Wie Strophe 1, 2, 19 bei Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied III, 582. Boltz’ musikalische Abweichungen sind El6,Tx 2AC verzeichnet. 40 S. 293 v. 4600 f. Deutscher Liederhort Nr. 96a. Text in: Meier, John (Hg.): Bergreihen. Ein Liederbuch des 16. Jahrhunderts. Nach den vier ältesten Drucken von 1531, 1533, 1536 und 1537. Halle 1892, Nr. 34: Es solt ein meidlein frue auff stan. Vgl. Röhrich/Brednich Bd. 1, Nr. 37. 41 Vinea. Eine kurtze doch schöne Comoedia vom Weinberg deß Herren/ und Arbeitern darin­ nen/ Matthaei am 20. Capitel. Gestellet durch Iohannem Bertesium. Leipzig 1606.

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Wer sich wil zu S. Jocob gahn/ Der muß zwey starcke beyne han/ Viel Gelts in der Taschen/ Am Gürtel zwey pahr newe Schuh/ Ein Mantel der ihn decke zu/ Die Schüssel bey den Pflaschen. Zu wallen ists ein ferne fahrt/ Der weg der ist uns Brüdern hart/ Ungehewr von wilden Thieren. Viel Mörder man antreffen thut/ O wie manch Pilgerim so gut Sein Leben muß verlieren.42

Die Katholiken im Weinberg des Herrn werden durch den Jakobspilger mit sei­ ner Frau repräsentiert. Bertesius störte sich offenbar an der Waise (reimlosen Zeile) im originalen Strophenmuster und erweiterte dieses um eine Zeile, die sich freilich ohne Probleme durch Wiederholung der vorletzten Melodiezeile singen lässt. Eine gewisse Abhängigkeit von Boltz ist nicht von der Hand zu weisen. Doch stellt Bertesius die Geschichte des Pilgerpaares viel persönlicher dar. Die beiden, die durch ihre bukolischen Namen als Bauern kenntlich sind, wollen mit ihrem Gesang Geld oder Lebensmittel bekommen. Sie sind typische Pilger-Bettler. Es zeigt sich, dass sie sich durch ihre Wallfahrt Ablass für ihre Sünden erwerben wollen. Der Jesuit Plebanus verabschiedet sie am Ende der Szene: Zieht hin und bedet auch für mich/ Jch habs von nöhten hefftiglich Damon und Thestylis singen Gott helff uns/ gebe glück und gnad/ Daß uns kein Thier noch Mörder schad/ Thue uns gesund hinbringn/ Gen Sichar in das werde Land/ Samaria ist es genandt Da Jacobs Brunn thut springn.

Bertesius hat das Lied den Erfordernissen seines Stückes angepasst. Hier ist nicht vom spanischen Santiago di Compostela die Rede, sondern vom Jakobs­ brunnen im Heiligen Land ist. Schließlich stellt das Spiel eine Parabel aus dem Evangelium auf die Bühne, handelt also in Palästina. Im IV. Akt erklingt eine weitere Strophe des Pilgerliedes: S. Jacobs Brun ist hell und klar/ Dahin kompt niemand ohn gefahr/ Man muß gar viel ausstehen/ Zwey gantzer Jahr an einem hin/ 42 Akt II,1.

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Ich auff dem weg gewesen bin/ Und mus noch immer gehen.43

Damon und seine Frau sind von der Reise zurück. Ihr eigentliches Ziel haben sie aber nicht erreicht. Damon klagt: Mein liebe Herrn ich hab gesungen/ Daß mir die Lefftzen gar zersprungn Ich bin gewesen zu dem Herrn/ S. Jacob von hindannen fern/ Daß mir mein Sünde würd vergebn/ Ich hab gewaget Leib und Lebn. Was ich erlitten für gefahr/ Erzehlt ich euch nicht in ein Jahr/ Noch wolt ich gern gethan han diß/ Wenn ich nur wissen künd gewis/ Ob ich in gnad oder ungnad wer/ Daran man mich heist zweiffeln sehr.

Die Wallfahrt konnte ihn geistlich nicht befreien, ihm keine Sicherheit über sei­ nen Gnadenstand vermitteln. Der weise, d. i. protestantische Prediger Nicode­ mus macht ihm endlich klar, dass alles Wallfahren nichts nützt: Die Leute lauffen uberall/ Zum gehüffn und ins Grimmenthal/ In Franckreich auch gen Compostel/ Daß sie nicht führen in die Hell.

Dabei bedient er sich durchaus der Argumentation Luthers.44 Damon erkennt endlich seinen Irrtum: So nem ich ab von meinem rück/ Die Jacobs muscheln und den Hut/ Den Damon nicht mehr wallen thut/ Sih da mein liebe Thestyli/ Behalts bey dir und bleibe hie/ In dieser Stadt und koche mir/ Daß ich zu Abend eß mit dir/ Wenn ich vom hacken müde bin.

Bertesius zeigt die enge Verschwisterung von Pilgerwesen mit Landstreichertum und Bettelei. Darüber hinaus aber erklärt er seinen Zuhörern den Unsinn des 43 IV,3. 44 Grimmenthal ist bei Luther an zahlreichen Stellen erwähnt. Vgl. Kühne, Hartmut: „die do lauffen hyn und her, zum heiligen Creutz zu Drogaw und tzu Dresen“. Luthers Kritik an Heiligen­ kult und Wallfahrten im historischen Kontext Mitteldeutschlands. In: „ich armer sundiger Mensch“. Heiligen- und Reliquienkult am Übergang zum konfessionellen Zeitalter. Hg. v. Andreas Tacke. Göttingen 2006, 499–521, hier 517 f.

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Wallfahrens. Ebenso wie in den geistlichen Kontrafakturen gilt für Bertesius das himmlische Jerusalem als das einzige Wallfahrtsziel. Bertesius orientiert sich an Luther und hat dürfte auch andere literarische Vorbilder haben.45 Mit seinem Zitat der Jakobpilgerschaft steht er freilich schon vereinzelt da. Wenn in Thea­ terstücken späterer Zeit die protestantischen Autoren noch gegen das Wallfah­ ren wettern, so geschieht das im historischen Kontext; der Name Santiago fällt nicht mehr.46 Einen anderen Eindruck von Wallfahrern als die evangelischen Spiele vermit­ teln die katholischen. Allerdings erwähnen sie Pilger nicht sonderlich oft und das alte, ursprüngliche Jakoblied findet sich nirgends. Im Speculum Vitae Humanae von Ferdinand II., Erzherzog von Österreich aus dem Jahr 1584 wird die Neufassung des protestantischen Schweizers Johannes Zimmermann (Xylo­ tectus) gesungen. Wiederum übernimmt das Lied die Funktion, die Pilger als solche kenntlich zu machen.47 Der IV. Akt, in dem sie auftreten, widmet sich dem dritten Werk der Barmherzigkeit: „Pilger beherbergen“. Die Szene mit den Wallfahrern ist also Gegenstand einer Tugendlehre. In anderen katholischen Spielen sind die Pilger selbst barmherzig. Der Elsäs­ ser Jakob Frey lässt sie in seinem Schauspiel von Lazarus und dem reichen Pras­ ser aus dem Jahr 1555 erscheinen. Sie singen zweifellos in der alten Melodie, die hier freilich in ungewöhnlicher Weise zitiert wird: „in dem thon Welcher vil ellender Tag wil han/ der sol wol zu S. Jacob gan/ etc.“ Wer haben will vil ubler zeyt Der zieh mit uns ins land so weit Wol zu dem Heylgen lande/ Ja facht ers an und denn erleit Ist im ein grosse schande. Zu Venedig soln wir keren ein Das finden wir gut schiffung fein Da sitzen wir zusammen/ Und faren biß gen Palestin In Gott des Herren nammen. 45 Hierher gehört auch der viel gelesene Jörg Wickram mit seiner didaktischen Verserzählung Der Irr Reitende Bilger (1556). Er zitiert zwar das Jakobslied nicht, äußert aber die gleichen Beden­ ken und rät dringend von einer Pilgerreise ab. Wickram, Jörg: Werke. Bd. 4, hg. von Johannes Bolte. Tübingen 1903 (=Bibl. d. Litter. Vereins 230), 248 (Kap. 21). Wickrams Pilger möchte nach St. Jakob und zum Finstern Stern (Finis terrae); er will aber ebenso nach Einsiedeln in der Schweiz, nach Rom und Venedig (Kap. 23, 260). Der Freund rät ihm ab: Das Bild des Heiligen sei von Holzwürmern ganz durchzogen. Es sei besser, auf Gott zu vertrauen. „Darum, Arnolt mügt ir wol lassen | Solch weite walfahrt, sorglich straßen | in solchen unwegsammen landen.“ (261). 46 Vgl. Wentzel, Johann Christoph: Das Glorieuse Leben und Regierung des theuresten Chur­ fürstens zu Sachsen Friedrich des Weisen/ Wurde […] Zittau/ Den 23. Novembr. 1717. Zum glückli­ chen Schluß Des Evangelischen Jubilaei In einem modesten Dramate Zum beweglichen Beyspiel Christlich=Evangelischer Beständigkeit/ eilfertig vor Augen gestellt von Jo. Chr. Wentzeln/ D. Gymn. Direct. Zittau. 47 Speculum vitae humanae. Ein Drama von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol 1584. Nebst einer Einleitung in das Drama des 16. Jahrhunderts. Hg. von Jacob Minor. Halle a. d. S. 1889, 38.

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Als dann so sind wir alle fro Und ziehend dann gehn Jericho Wie ich euch will bescheidn/ Darbey Jerusalem ligt noh Die sehen wir mit freuden. Darnach so ziehen wir in die statt Die gott selber geweihet hatt Mit seinem heylgen blute Da wirdt verzigen uns gar satt Durch gnad des Herren gute.48

Der Text ist umgebogen auf die Heilig-Land-Pilgerschaft; mag sein, dass dies durch Positionierung der Handlung in der biblischen Szenerie der Parabel (Lk 16,19–31) begründet ist. Von Compostela jedenfalls ist nicht mehr die Rede. Zwar betteln die Pilger zwischen den vier Strophen. Da es sich um ein katholi­ sches Spiel handelt, setzt sie dies aber nicht in übles Licht. Im Gegenteil, es han­ delt sich um sehr tugendhafte Menschen: Sie begraben aus Mitleid den toten Lazarus. Offenbar übernahm Freys Landsmann Johann Rasser die Idee der Charakterzeichnung durch ein Werk der Barmherzigkeit. In seinem Bibelspiel Comoedia vom König der seinem Sohn Hochzeit machte (1575), begraben die Pilger ebenfalls einen Toten, den sie unterwegs finden.49 Das 16. Jahrhundert kennt also das Jakoblied durchaus noch, allerdings vor­ nehmlich als Jakobston. Seinen ursprünglichen Text hat es am längsten noch in Georg Forsters Frischen Liedlein bewahrt: Dort zitiert der Tonsatz noch die ori­ ginale erste Strophe.50 Freilich dürfte der alte Text für den überzeugten Luthera­ ner Jobst vom Brandt lediglich antiquarischen Wert gehabt haben. In den zahl­ reichen anderen Fällen, die oben dargestellt wurden, ist das Lied-Incipit erwähnt und das Lied parodiert. Die Pilger sind, wo sie in Schauspielen auftreten, durch das Lied gekennzeichnet. Im Laufe des Jahrhunderts aber verschwand der alte Text zum Jakobston. Die verschiedenen protestantischen Kontrafakturen ver­ 48 Von dem armen Lasaro und dem Reichen mann. Ein Hüpsches Spiel/ auß dem Latin inn das Teutsch gebracht/ mitt ettlichen geschickten reimen der Matery harzu gethan/ wie das vormaln zu Freyburg in dem Breyßgaw in Latin gepielt/ Nit minder Gotsförchtig/ und der seelen hailsam unnd nutzlich/ dann eben auch kurtzweylig zulesen. Durch Jacob Freyen/ Stattschreybern zu Maurß­ münster/ Reymensweyß verfertiget. Straßburg [ca. 1555], Bl. E5rf. 49 Comoedia vom König der seinem Sohn Hochzeit machte/ auß dem xxi. und xxij. Capitel Matthei gezogen/ darinn der Juden und dieser Welt/ grosse undanckbarkeit/ gegen der vilfeltigen angebottenen Gottesgnad fürgebildet wirt. Welche in der Oesterreichischen Statt Ensisheim/ in Obern Elsaß im Herbstmonat/ des 1574. Jars/ durch junge Knaben sehr lustig gehalten/ nachmals in Truck verfertiget/ durch Johann Rassern Pfarherrn daselbst/ mit schönen Figuren gezieret/ dergleich vormals nie gesehen noch gespilt worden. Basel 1575, Bl. E7v. 50 Kaum als Beleg für spätes Nachleben oder gar Gebrauch wird gelten dürfen, dass das Lied noch bei Johannes Werlin verzeichnet ist. Werlin übernimmt das Lied von Forster und verzeichnet es als 65. Lied in der Gruppe der Fünfzeiler. Hofmann, Dorothea: Die „Rhitmorum Varietas“ des Johannes Werlin aus Kloster Seon (= Collectanea Musicologica 7). Augsburg 1994, 202.

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drängten die Urfassung, sogar im Bewusstsein der Katholiken. Inhalt und Anlie­ gen änderten sich ganz, nur in einigen Versatzstücken ist das alte Lied noch kenntlich. Im evangelischen Kirchengesang erhielten sich die Umarbeitungen etwa bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in den Gesangbüchern.51 Zu nennen sind vor­ züglich die in Leipzig bei Babst (1551–1567) und Berwald (1552–65) erschienen Reihen sowie die mit ihnen verwandten Nürnberger Bücher des Hauses Neuber (seit 1557–70); ferner die bereits erwähnte Bonner Gesangbuchserie sowie das wichtige Kantionale von Bartholomäus Gesius (1605. 1607). Michael Praetorius bringt in Musae Sioniae VII, Nr. 187 zwar eine Melodievariante für Zeile 1 und 4 und nähert die Tonart modernisierend g-Moll an. Er behält aber den Text aus dem Babstschen Gesangbuch bei. Im Laufe des 17. Jahrhunderts scheinen sich die geistlichen Kontrafakturen des Jakobslieds im Protestantismus dann mehr und mehr verloren zu haben. Die Gesangbücher enthalten sie nicht mehr. Bereits vorher dissoziieren sich Text und Melodie.52 Erstaunlicherweise sollte im katholischen Kirchengesang nicht einmal irgend­ ein textlicher Anklang überleben, sondern einzig die Melodie erhalten bleiben. Spät genug, nämlich erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts, erscheint sie erstmals. Eigenartigerweise findet sich die alte Weise speziell in Konvertitengesangbü­ chern. Der im Zuge der Gegenreformation in der Steiermark tätige Nikolaus Beutt­ ner verzeichnet im 2. Teil seines Catholisch Gesang Buch (1602) zahlreiche Wallfahrtslieder.53 Dabei war sein erklärtes Ziel zu verhindern, dass alte Lieder „leichtfertiger weiß in vergessenheit gerathen“.54 Alt ist allerdings nur die Melo­ die,55 der Text mit der Überschrift „Rosengarten“ ist neu. Wolts auff ihr Mann und auch ir Weib/ Und zieren ewern jungen Leib/ In weiß sollet ir euch kleiden/ So ziecht nun ab das alte Gewandt/ Und tragt darfür Jesus Leyden.56

Von einem Pilgerlied im eigentlichen Sinn kann nicht die Rede sein. Vielmehr ermahnt das Lied zunächst zu einer Veränderung des Lebens und meditiert dann

51 Vgl. die Angaben bei EdK El6; El6A; El6B (mit völlig anderem Text); El6C; und Zahn 1707. Letzter Beleg bei Zahn 1707: Erfurt 1621. 52 Bei Sunnderreitter 1581 ist die alte Melodie mit dem Text An den Wassern zu Babel verbun­ den (EdK El6B), 1592 bietet ein Gesangbuch als Melodie für Wer hier das Elend bauen will zunächst an In dich hab ich gehoffet, Herr (EdK El6C). 53 Graz 1602. Faksimile hg. und mit einem wissenschaftlichen Nachwort versehen von Walther Lipphardt. Graz 1968. 9 Auflagen bis 1718. 54 Ebd., Vorred Bl. 3r. 55 Siehe EdK El6D. 56 Tl. II, Nr. 23, Bl. 92r.

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Christi Passion. Sein Bezugspunkt ist das Rosenkranzgebet (verschlüsselt als Rosengarten), das auch die nun so beliebt werdenden Kirchfahrten begleitete. Auf die gleiche Melodie ist das Rosenkranzlied Tl. II Nr. 54 zu singen,57 aber auch „Der Pilgram Rueff“ Nr. 55. In Gottes Namen hebn wir an/ Gott wölln wir lobn im höchsten Thron/ Von sünden wöln wir lassen/ Damit uns doch Gott wöll beystahn/ Auff unser Pilgram strassen.

Der zwölfstrophige Text spricht von der rechten Buße, dem Gebet, bittet um die Gnade der drei Göttlichen Tugenden, gedenkt der bedrängten Kirche Gottes und betet um einen guten Tod. Sieht man von der letzten Zeile der ersten Stro­ phe ab, so erinnert auch bei diesem Lied nichts mehr an die ursprüngliche Bestimmung des Jakobstons. Der Text hat vielmehr den Charakter einer Ekte­ nie.58 Es ist bemerkenswert, dass Beuttner die Melodie nicht mehr mit ihrem ursprünglichen Namen benennt, sie vielleicht gar nicht mehr unter diesem kennt, sondern sie als Weise seines Rosengartenliedes bezeichnet. Die Marien­ verehrung verdrängte im 17. Jahrhundert den Kult anderer Heiliger. Ein weiterer neuer Text zum Jakobston findet sich 1608 in dem katholischen Andernacher Gesangbuch unter den Liedern zur „Pilgerfahrt. In Peregrinationi­ bus“.59 Dieses Gesangbuch verstand sich als Reaktion auf das evangelische, aber konfessionell etwas changierende Bonner Gesangbuch, in dem 1550 die Fassung Welcher das Elend bauen will erschienen war.60 Nachdem bei den Katholiken in den rheinischen Gemeinden dieses Buch vielfach „eingerissen“ war,61 sorgte eine engagierte Bruderschaft in Andernach für Ersatz. Das von ihr geschaffene Reform- und Konvertitengesangbuch setzte sich zum Ziel, Lieder zu präsentie­ ren, die sich „ohn schew/ auch im angesicht und in gehör der Ketzer/ mit einem Gottseligem eyffer gebrauchen“ lassen.62 Der neue Text für die alte Melodie63 behält seinen ursprünglichen Wallfahrts­ bezug bei, allerdings mit völlig veränderter Haltung. An eine weite, abenteuerli­ che Fahrt, schon gar nach Compostela, ist nicht zu denken. Das Lied ermahnt vielmehr zu einem christlichen Verhalten vor und während der gelobten Wall­ fahrt; es warnt eigens davor, viel Aufhebens vom Pilgern zu machen und rät zu 57 „Sieben Haupt Tugent Marie“ Nu wöln wir aber heben an/ Zu singn von einem Rosenkrantz. 58 Beide Lieder erscheinen in etwas veränderter Textfassung auch in Gregor Corners Groß Catolisch Gesangbuch (seit 1625), was ihnen eine gewisse Verbreitung sicherte. 59 Das Andernacher Gesangbuch (Köln 1608) Faksimiledruck. Mit einem Nachwort hg. von Michael Häring (=Denkmäler Rheinischer Musik 13). Düsseldorf 1970, 543, Nr. 160 [170]. Die 1. Ausgabe 1606 ist nicht erhalten. 60 Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied III 585, EdK El6. 61 Das Andernacher Gesangbuch, „An den Christlichen Leser“ Bl. )( 10r. 62 Bl. 12r. 63 Die beigedruckte Melodie EdK El6E, Bäumker II Nr. 184 ist eine Variante der bekannten [Deutscher Liederhort Nr. 2091; EdK El6].

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einer stillen Wiedereingliederung ins normale Leben. Es empfiehlt Sakramenten­ empfang und Gebet und vermeidet alle Hinweise auf eine Überbewertung der Wallfahrt oder gar eine Gesinnung „ex opere operato“. Die lateinische Überset­ zung „Huc propere contendite“ dient der Verwendung für Lateinschüler. Auf­ fallend ist auch bei diesem Lied ein deutlicher marianischer Bezug. Strophe 2 empfiehlt das betrachtende Rosenkranzgebet, auch Strophe 3 erwähnt die Mut­ tergottes. Wer Gott verlobt ein Pilgerfahrt, Verricht sie bald Christlicher art, Und macht euch auff bey zeiten, Beicht und Communiciert zuvor, Thut euch so fein bereiten. 2. Darnach nembt auch den Rosenkrantz Betracht die Geheimnuß bet ihn gantz Alltag zu sieben zeiten Nembt auch ein Stab mit wenig Speiß Gott wirdt euch wol begleiten. 3. Geht hin im Namen Gottes fein Und befehlt euch der Mutter sein Sanct N. dem Patronen Weltlicher sach nit dencket nach Gott wirdt alles belonen. 4. Geht fort/ thut/ denckt und redt nit mehr Dan was gehört zu Gottes Ehr Und Heilgen Gottes eben Wie sie gelebt und gwandert hie Auff Erd in diesem Leben. 5. So offt ihr kompt zum Gottshauß ein Mit andacht kniet nider fein Vor jedem Creutz des gleichen Wo deren an den Wegen stahn Bettet ehe ihr thut weichen. 6. Wan ihr zu letzt dan kommen thut Da euch hindringt ewr glöbt und noth/ Zum Heilthumb unnd dem Tempel Rüst euch zur Beicht und Sacrament Gebt jedem gut Exempel. 7. Ewer Opffer thut und eiffrig seit Sagt danck/ bitt gott mit innigkeit Thut alles Gott befehlen Was ihr thut in der Heilgen ehr Kömbt euch zum heil der Seelen.

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8. Wan ihr ewr sach habt recht verricht Wie ihr verlobt und euch verpflicht Thut euch nach Hauß begeben In aller still und erbarkeit Und führt ein fromes Leben. Amen.

Die Geschichte des Jakobsliedes und seiner Rezeption wirft kein günstiges Licht auf die Praxis der Compostela-Wallfahrt. Auch ohne die von der Geschichtswis­ senschaft vorgelegten Belege, die hier nur sehr sporadisch herangezogen werden konnten, vermitteln allein schon die literarischen Zeugnisse, die Jakobslegenden, die ältesten Liedtexte und die literarische Rezeption den Eindruck, dass den Pil­ gern einerseits überall Gefahr, üble Behandlung, Krankheit und Tod drohten, dass es aber andererseits unter ihnen auch viele Abenteurer gab, die sich durch schlechte Disziplin in Misskredit brachten. Landstreicherei, Betteln, Verwahrlo­ sung, Kriminalität waren offenbar allzu oft mit der Pilgerschaft verbunden. Als die Kirchen der Reformation das Wallfahren als gutes Werk entschieden ablehn­ ten, änderte sich erstaunlicherweise auch die Einstellung der Katholiken. Die Frühe Neuzeit bringt einen Niedergang der Wallfahrt nach Compostela mit sich. Zwar existierten an einzelnen Orten Bruderschaften noch im 17. Jahrhun­ dert,64 das Pilgern aber muss stark abgenommen haben und kam offenbar im Laufe des 17. Jahrhunderts zum Erliegen. Die evangelischen Kontrafakturen deuten das alte Lied auf die geistliche Pilgerschaft um. Die Melodie überlebt, allerdings mit rein spirituellen Texten.65 Jahrhundertelang war das Pilgern nach Santiago mit dem alten Pilgerlied gleichsam identisch. Nun löst sich diese Ver­ bindung völlig auf. Auch die katholische Seite konnte sich der Einsicht nicht entziehen, dass Frömmigkeit und Glaube allein ausschlaggebend seien. Die auf die Jakobsmelodie neu gedichteten Wallfahrtslieder stellten nicht mehr die aben­ teuerliche und womöglich gerade deswegen verdienstliche Reise in den Vorder­ grund, sondern das Gebet, den Sakramentenempfang, die Bußgesinnung, die Meditation. All dies ließ sich auch im Inland praktizieren. Wenn davon die heimischen, vorwiegend marianischen Wallfahrtsorte profitieren konnten und auch stark profitierten, so war das bestimmt kein unerwünschter Nebeneffekt.

64 Stückelberg, Ernst Alfred: Schweizerische Santiagopilger. In: Basler Jb (1903), 190–196. 65 Die Aufnahme in Musenalmanach für das Jahr 1808, hg. v. Leo Freih. v. Seckendorf. Regens­ burg 1808, 11 mit den Hinweis: „Aus der kön. Bibliothek zu München“ und in Des Knaben Wun­ derhorn Bd. II, Heidelberg 1808, 327 (Des Knaben Wunderhorn Tl. II. Hg. v. Heinz Rölleke S. 325) kommt einer Wiederentdeckung gleich.

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Marderhunde im dänischen Kirchengesangbuch1

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Dänemark hat – zu Recht oder zu Unrecht – den Ruf, das einwanderungsfeind­ lichste Land im nördlichen Europa zu sein. Im Folgenden will ich dieses proble­ matische Bild durch einige Betrachtungen modifizieren. Unsere Absichtserklä­ rungen und Handlungspläne mögen von außen betrachtet mitunter gewaltsam und rigoros wirken. Aber wir sind nie besonders konsequent mit einer restrikti­ ven Politik gewesen. Und die Sachlichkeit erhält oft auch nur geringen Raum. Im Jahre 2008 hat das dänische Umweltschutzministerium einen Handlungs­ plan für invasive, nicht-heimische Arten der Tier- und Pflanzenwelt ausgearbei­ tet, z. B. für den Marderhund, den Waschbär, die Iberische Waldschnecke und den Bärenklau. Diese unwillkommenen Gäste sollten in einer Bestandsaufnahme erfasst und danach als Schädlinge bekämpft werden. Das Umweltschutzministe­ rium breitete also nicht im hochheiligen Namen der Globalisierung die Arme aus, wie man es in Schweden getan hätte, um alle Neubürger herzlich willkom­ men zu heißen. Man warnte vielmehr davor, dem schwedischen Beispiel zu fol­ gen, wenn Samen von Unkraut über den Zaun geweht würden. Aber seitdem ist nichts geschehen. Dies ist auch gute alte, dänische Tradition. Die Kirche hat zu allen Zeiten Warnungen gegen invasive Arten erlassen, die den Weinberg des Herrn heimzusuchen drohen. Im Hohenlied 2,15 drohen nicht Marderhunde, sondern Füchse. Die Füchse wurden später zum Bild für wechselnde, aktuelle Bedrohungen. Im Jahre 1520 wurde in der Bannandro­ hungsbulle des Papstes Martin Luther mit den Füchsen des Hohenliedes vergli­ chen. In derselben Bulle sind die Wildschweine des Waldes aus Ps 80,14, die den um den Weinberg gezogenen Zaun zerstören, das geschmackvolle Bild für die Tätigkeit Luthers in Wittenberg. Das Gesangbuch der dänisch-norwegischen Kirche hat von Anfang an seinen gefürchteten Marderhund gehabt, der sich auf keinen Fall in das Königreich ein­ schleichen und so dem hellen Tag des Evangeliums das Licht nehmen und den neuen Gemeindegesang verwirren sollte. Schon in der Kirchenordnung von 1 Dieser Beitrag ist eine Übersetzung meines Artikels: Mårhunde i salmebogen, in: Hymnologi, Nordisk tidsskrift 41 (Oktober 2012),152–157, der meinen Aufsatz: Den kætterske oprører Thomas Müntzers og den adelige søhelt Herluf Trolles bidrag til Te Deum laudamus på dansk, in: Kirkehi­ storiske Samlinger 2012, 49–83, mit der deutschen Übersicht: Die Beiträge des ketzerischen Aufrüh­ rers Thomas Müntzer und des adligen Seehelden Herluf Trolle zum dänischen Te Deum laudamus, 84–85, weiterentwickelt.

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1537 und 1539, die für beide Länder das kirchliche Leben nach der Reformation regeln sollte, verordnete der König ausdrücklich für die neuen Lieder: „So wol­ len wir auch nicht, dass jemand hier in unseren Ländern Handbücher, Messbü­ cher oder andere Zeremonienbücher mit neuen Liedern in dänischer Überset­ zung mit lateinischen Noten drucke, wie der aufrührerische Müntzer tat, weil wir den Gebrauch derselben nicht für nützlich halten.“2 Mit ausdrücklicher Namensnennung warnt also das Grundgesetz der jungen dänischen Kirche vor dem deutschen Theologen und Kirchenliederdichter Tho­ mas Müntzer (1488–1525), der die erste vollständige Liturgie in deutscher Spra­ che mit Übersetzungen der alten lateinischen Hymnen erarbeitet hatte und hier­ mit Luther zuvorkam. Als Anführer des Aufruhrs während des Bauernkrieges wurde er bei der Niederlage der Bauern 1525 gefangen, gefoltert und enthauptet. Luther und Müntzer waren also Konkurrenten um den Kirchenliedermarkt 1520–30. Ihre Lieder waren theologisch verschieden, aber den Liedern Müntzers können weder theologischer Ernst noch literarischer Anspruch abgesprochen werden. Weil aber Müntzer ein Aufrührer gegen die Behörde gewesen war, was in der dänischen Fürstenkirche die schlimmste denkbare Sünde war, wurde alles, was er verfasst hatte, abgelehnt – abgesehen von dem, was die junge lutherische Kirche nicht als sein Werk zu erkennen vermochte. Die dänischen Theologen verfügten aber nicht wie die Papstkirche über einen Index librorum prohibito­ rum, und obwohl sie sich von Anfang an vor Müntzer in Acht nahmen, ahnten sie kaum, worin die Gefährlichkeit seiner Lieder bestand. Mit der Zeit nahm der unbekannte, aber umso mehr gefürchtete Müntzer mythologische Dimensionen an. Als der Bischof von Seeland nach der Reforma­ tionsjubelfeier 1617 alle nicht-lutherischen Bürger in der Domkirche Kopenha­ gens zusammengerufen hatte und ihnen eine Loyalitätserklärung abforderte, machte er sie in seiner Rede darauf aufmerksam, dass die vier gefährlichen Engel aus der Offenbarung Johannis (Apc 9,14–15) jetzt los seien und sich am besten auf Thomas Müntzer, Huldreich Zwingli, den Wiedertäufer Michael Servet und Ignatius Loyola beziehen ließen.3 Erst mit Gottfried Arnolds Unparteyische[r] Kirchen- und Ketzer-Historie, 1699–1700, wurde Thomas Müntzer eine teilweise Anerkennung zuteil. Das hatte zur Folge, dass Müntzer wieder die Zielscheibe für orthodoxe Theologen wurde. Wenn sie die Pietisten anfeinden wollten, wurde Müntzer mit seiner auf­ rührerischen, obrigkeitsfeindlichen und sakramentverachtenden Theologie als Vorläufer der pietistischen Schwärmereien angesehen. Um Müntzer recht zum Schreckgespenst und zur Warnung im Kirchenkampf gegen die Pietisten ver­ wenden zu können, war es für die orthodoxen Theologen notwendig, das Werk Müntzers zu studieren. Man muss die Biologie der Ratte kennen um sie vernich­ ten zu können. Müntzers Name wurde dadurch in Dänemark wieder bekannt, 2 Kirkeordinansen 1537/39, Den rette Ordinants. Etter Hans Wingaards førsteutgave fra 1542., Verbum 1988, Faksimile, Blatt 75. Das Zitat ist modernisiert und vereinfacht wiedergegeben. 3 Kornerup, Bjørn: Reformationsjubilæet i Danmark 1617. In: Kirkehistoriske Samlinger 6,2 (1936), 54.

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ja auch in den fernsten Kolonien des Königreiches, und dies nicht in positiver Weise. Als Begründung für die Verhaftung des Trankebarmissionars Bartholo­ maeus Ziegenbalg, der einige indische Sklaven freigekauft hatte, hat der Kom­ mandant Trankebars am Neujahrstag 1709 angegeben, dass er den Missionar für einen Thomas Müntzer halte, der Aufruhr im Sinne führt.4 In den ersten Jahr­ zehnten des 18. Jahrhunderts waren die dänische Kirche und die Behörden Müntzer gegenüber äußerst wachsam. Aber diese neue Wachsamkeit kam zu spät. 200 Jahre lang hatte die dänische Kirche nichtsahnend eine Schlange am Busen genährt. Als der dänische Refor­ mator Hans Tausen 1528 in Viborg in Nordjütland Kirchenlieder für seine neue Liedersammlung schrieb, lehnte er sich bei der Übersetzung des Te Deum Lau­ damus an eine anonyme deutsche Übersetzung an, die er vielleicht im Rostocker Gesangbuch von 1525 gefunden hatte. Dasselbe tat zur selben Zeit auch der Reformator in Malmö, Claus Mortensen, denn in den beiden Städten brauchten die Gemeinden das Te Deum auf Dänisch für den Frühgottesdienst. Die ano­ nyme deutsche Übersetzung jedoch, die die beiden dänischen Reformatoren verwendeten, war Thomas Müntzers O Got wir loben dich, wir bekennen dich eynen Herren. In den ersten dänischen Liedersammlungen wetteiferten die bei­ den dänischen Übersetzungen miteinander, aber im ersten offiziellen Gesang­ buch von 1569 hat sich Claus Mortensens Übersetzung O Gud wi loffue dig, wi bekiende dig en Herre durchgesetzt. Und dieser Sieg hat seinen Höhepunkt gefunden, als im Absolutismus O Gud wi loffue dig auf dem vornehmen ersten Platz im offiziell verordneten Kirchengesangbuch von 16995 zu stehen kam. Im Kirchen-Ritual 1685 für Dänemark und Norwegen gebot der absolut herr­ schende König seinen Untertanen, O Gud wi loffue dig zum Frühgottesdienst zu singen. So wurde der Gebrauch von Mortensens Te Deum zu einem Sieges­ lauf durch 200 Jahre. Als im Jahre 1717 das Reformationsjubiläum gefeiert wurde – in Gegenwart und mit der Gunst des Königshauses –, wurde bei allen Festgottesdiensten O Gud vi love dig gesungen, von Trompeten begleitet. Aber nur zehn Jahre später begann die Bedeutung des gefeierten Hymnus zu verfallen. 1727 erschien eine Auflage des offiziellen Kirchengesangbuchs, von dem Kopenhagener Buchdrucker Joachim Schmedtgen gedruckt, in welchem als Anhang eine neue dänische Übersetzung des Te Deum auftaucht. Sie beruht auf Luthers deutscher Übersetzung von 1529, Herr Gott, dich loben wir und beginnt mit O store Gud! vi love dig;6 noch immer ist sie im Gebrauch. Aus der 4 Germann, W.: Ziegenbalg und Plütschau. Die Gründungsjahre der Trankebarschen Mission, 1. Bd. Erlangen 1868, 114. Prof. Dr. theol. Siegfried Bräuer, Berlin, der meine Aufmerksamkeit auf Thomas Müntzer und sein Te Deum gelenkt hat, danke ich für mehrere Hinweise und auch diesen. 5 Sowohl in: Dend Forordnede Ny Kirke-Psalmebog, Odense 1699, als auch in: Gradual, En Ny Almindelig Kirke-Salmebog, Odense 1699, ist die Te Deum-Übersetzung O Gud vi lofve dig, vi bekiende dig en Herre auf Seite 1 angebracht, für Sonntagfrühgottesdienste. 6 Den Forordnede Nye Kirke-Psalme-Bog … til Trykken befordret Af Th. Kingo. Kiøbenhavn 1727. Trykt hos Joachim Schmidtgen. Die neue Te Deum-Übersetzung steht 484–486 und ist in Kir­ kehistoriske Samlinger 2012, 80–82 abgedruckt. Das vielleicht einzig erhaltene Exemplar dieser Auf­ lage befindet sich in meinem Besitz.

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Überschrift 1727 geht hervor, dass dieses neue Lied nun in der Schlosskirche in Kopenhagen zu Dankgottesdiensten gesungen wurde. Zwei Jahre später, im Jahre 1729, kamen am 18. März und 8. April königliche Verfügungen heraus, die allen Gemeinden in Dänemark und Norwegen befahlen, das neue Lied O store Gud! vi love dig einzuführen.7 Gleichzeitig wurde der Gebrauch der traditionel­ len Übersetzung Claus Mortensens verboten, und zwar mit der Begründung, dass sie „eine schwerfällige und für die Gemeinden nicht fassbare Melodie“ habe. Gemessen daran, wie gefeiert das alte Te Deum am Reformationsjubiläum 1717 gewesen ist, scheint diese Begründung weit hergeholt und unglaubwürdig. Die folgenden Auflagen des offiziellen Gesangbuchs entsprachen natürlich den königlichen Verfügungen und fingen mit O store Gud! vi love dig an, während das alte Te Deum außer Gebrauch gestellt und bald vergessen wurde. Die könig­ lichen Verfügungen befahlen weiterhin den Buchdruckern in Kopenhagen und Christiania [heute: Oslo], so große Auflagen der Separatdrucke von O store Gud! vi love dig zu drucken, wie sie zur Einführung eines neuen und unbekann­ ten Liedes in der Kirche erforderlich waren. Das ist umso bemerkenswerter, als diese kostspielige und nutzlose Anordnung nur fünf Monate nach dem katastro­ phalen Großfeuer erfolgte, das am 20. Oktober 1728 zwei Fünftel der Haupt­ stadt eingeäschert hatte. Die Einführung des neuen Te Deum muss offenbar hohe Priorität genossen haben, wo es doch wohl dringendere Aufgaben gegeben hätte! Die wirkliche Ursache für diesen unerhörten Eingriff in ein königlich verord­ netes und deshalb unantastbares Kirchengesangbuch kennen wir nicht, und wir werden sie niemals kennen lernen. Aber 285 Jahre später und 165 Jahre nach der Abschaffung des Absolutismus in Dänemark ist es nicht mehr verboten, einige Vermutungen anzustellen. Wer in Kopenhagen in den 1720er Jahren dahinter gekommen sein mag, dass die Galionsfigur in dem königlich verordneten Gesangbuch aus dem Holz der Werkstatt eines enthaupteten deutschen Aufrührers geschnitzt war, ist nicht herauszufinden. Die peinliche Wahrheit, dass der Marderhund bzw. Fuchs Müntzer trotz aller Verbote und aller Wachsamkeit sich durch ein Loch im Zaun in den Weinberg des Herrn hat einschleichen können und gar einen Ehrenplatz im Gesangbuch des dänischen Absolutismus eingenommen hatte, muss sowohl für König als auch für die Kirche unerträglich gewesen sein. Im engen Kreis der Eingeweihten um den König, der gewiss den Schlossprediger Peder Hersleb, den Bischof von Seeland Christen Worm und den königlichen Hofprediger Søren Lintrup umfasste, hat man es verstanden, die Katze nicht aus dem Sack zu lassen. Es sind keine Archivalien erhalten, die Licht auf die Panik werfen könnten, welche an der Spitze der Kirche geherrscht haben mag. Ver­ mutlich schloss man – so denke ich –, dass eine Tempelreinigung nach dem Besuch des Marderhundes im Allerheiligsten absolut dringend sei – aber selbst­

7 Kongelige Rescripter, Resolutioner og Collegialbreve for Danmark og Norge, udtogsviis udgivne i Chronologisk Orden ved Laurids Fogtman. III. Deel. 1699–1730, Kiøbenhavn 1793, 677.

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verständlich in aller Verschwiegenheit, so dass keiner außerhalb des Innenkrei­ ses Verdacht über die peinliche Wahrheit schöpfen konnte. Deshalb hat die offi­ zielle Begründung in der königlichen Verfügung auf etwas ganz Nebensächli­ ches hingewiesen, nämlich auf die Melodie, die „schwerfällig und für die Gemeinden unfassbar“ sei. 285 Jahre später ist man immer noch zu Tränen gerührt über diese königliche Fürsorge für die Gemeinden. Dem Marderhund war jetzt nachdrücklich die Tür gewiesen. So dachten gewiss die Eingeweihten. Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zu den invasiven Arten, die das fremdenfeindliche Dänemark willkommen gehei­ ßen hatte, gehörten nämlich die Holländer. Sie saßen in ihrer großen Kolonie aus den 1520er Jahren auf der Insel Amager bei Kopenhagen. In den Jahren 1715, 1732, 1754 und 1783 erschien in Kopenhagen ihr holländisches NedderDüdesche Kercken und Huus Psalm-Boeck. Durch dieses Loch im Zaun hatte Müntzers Lied Godt, Hillige Schepper aller Stern sich ins Reich eingeschlichen,8 und keine dänische Behörde hatte das jemals angefochten, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie in glücklicher Unkenntnis der Sache schwebte. Das gehört nämlich zum Glück dieses Landes – ab und zu auch zu seinem Unglück – dass wir es nicht so genau nehmen mit den Verordnungen und Befehlen der Behörden. Deshalb haben wir den oben erwähnten Index librorum prohibito­ rum in Dänemark nie eingeführt, und hätten wir den bekommen, hätten wir keine Ahnung gehabt, wozu er verwendet werden sollte. O Hellige skaber oc Fader kær, Hans Tausens Übersetzung des Adventshym­ nus Conditor alme siderum, hatte schon in dessen Gesangbuch 1544 einen Platz gefunden, nur sieben Jahre nach den ausdrücklichen Warnungen vor Müntzers Liedern. Niemand hat offenbar bemerkt, dass dieses Lied auf Müntzers Über­ tragung Gott, heilger Schöpfer aller Stern oder eben auf ihrer niederdeutschen Fassung God hilge schepper aller stern beruhte.9 Tausen hat den Text vermutlich aus Joachim Slüters niederdeutschem Gesangbuch Gheystlyker gesenge vnde leder, Rostock 1531, übernommen. Nur ein kurzer Besuch in Dänemark war diesem Müntzer-Lied gestattet. Im offiziellen Gesangbuch 1569 ist es fortgelas­ sen worden. Auch der gefährliche Engel Zwingli (Apc 9,14–15) schlich sich schon im Reformationsjahrhundert in den dänischen Liederschatz hinein, als der nichts­ ahnende Domprobst und Gesangbuchherausgeber Hans Thomissøn das ano­ 10 nyme Beerdigungslied O Herr Got hilff 1569 seinem Gesangbuch einverleibte. In seiner Übersetzung Herre Gud hielp mig, ieg raaber til dig lebte Zwinglis 8 Bibliotheca Danica I, Sp. 386. Für die Auskunft über Müntzers Lied in diesen Gesangbüchern danke ich Prof. Siegfried Bräuer. 9 Niels Knud Andersen ist der Erste, der in: En Ny Psalmebog 1553 II, København 1983, 50 bemerkt hat, das der dänische Übersetzer hier Müntzer in niederdeutscher Übersetzung verwendet hat. – Die deutsche Fassung steht heute als ökumenisches Lied in deutschsprachigen Gesangbü­ chern: EG 3, RG 359, KG 309. 10 Jenny, Markus: Die Lieder Zwinglis. In: JLH 14 (1969), 63–102, hier 79. Lyster, Jens: Zwingli i Thomissøns salmebog 1569? In: Hymnologiske Meddelelser 1981, 47–53.

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Marderhunde im dänischen Kirchengesangbuch

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Lied in den meisten Gesangbüchern bis ins 17. Jahrhundert fort. Hans Thomissøn ist auch verantwortlich für eine Übersetzung des enthaupteten Anti­ trinitariers Ludwig Hetzer Erzürn dich nit, o frommer Christ, so wie er auch eine Übersetzung von Wir bitten dich, ewiger Gott des enthaupteten Wiedertäu­ fers Leonhard Schiemer abdruckte.11 Ja, die dänische Kirchenliedgeschichte endet wohl als ein wahres Schreckenskabinett, wenn nach und nach die hymno­ logische Forschung die Leichen aus dem Keller holt. Auf diesem düsteren Hin­ tergrund will ich eine These für eine Dissertation aufstellen, die ich zur freien Disposition stelle: Kein dänisches Kirchengesangbuch ohne einen Gesangbuch­ skandal! Es gibt keine Garantie dafür, dass nicht Marderhunde oder andere invasive Arten darin versteckt sind. Es gibt auch noch andere Gründe für Gesangbuchskandale in Dänemark. Vielleicht ist das Problem universell und umfasst die ganze Christenheit? Deshalb mein Vorschlag zum Thema einer kommenden IAH-Tagung: „Gesangbuchskandale, und wie man ihnen entgeht“. Die bisherigen Überlegungen betrafen die Jagd oder die fehlgeschlagene Jagd auf dem Namen nach unwillkommene Gäste, die sich vermummt in das Reich hineindrängten. Ich habe keine Stellung dazu genommen, ob es sachliche Gründe gab, ihnen das Prädikat „unerwünscht“ oder „gefährlicher Engel“ auf­ zudrücken und ihnen den Eintritt ins dänische Gesangbuch zu verweigern. Waren Müntzers und Zwinglis Lieder notorisch von falscher Lehre befallen? Waren sie für den Glauben schädlich? Waren sie poetisch schlechter als der Durchschnitt der dänischen Lieder? Wahrscheinlich keins von alledem. Aber dann gab es wohl keinen sachlichen Grund, die Treibjagd auf sie zu veranstalten. Der Marderhund sollte nicht gejagt werden, nur weil er Marderhund heißt, son­ dern weil er Schaden anrichtet. Die Gefährlichkeit müsste wichtiger sein als der Name. Ausgehend von dieser Feststellung können wir unsere Aufmerksamkeit auf das neue dänische Kirchengesangbuch richten, das auch im elften Jahr nach sei­ ner Einführung noch nicht Gegenstand einer kritischen Beurteilung gewesen ist. Indem wir Den Danske Salmebog 2003 als ein Fixierbild anschauen und mit der vorhin aufgestellten These über Gesangbuchskandale im Hinterkopf lassen wir die Aufforderung ertönen: Finde den Marderhund! Das ist schnell getan. Ich entdecke mehrere, aber ich beschränke mich auf einen einzigen, weil er mit Müntzers und Zwinglis Lied gemein hat, dass er sich hinter der Anonymität versteckt. Dieser Marderhund ist das Weihnachtslied Kom, alle kristne (Nr. 112), eine unmögliche Übersetzung des englischen Weih­ nachtsfavoriten O come, all ye faithful, die den historischen Auskünften des 11 Ludwig Hetzer oder Hätzers (1500–1529) Lied ist in Wackernagel III 537 abgedruckt. Leon­ hard Schiemers (1500–1528) Lied ist in Wackernagel III 523 abgedruckt. Die Überschrift des letzt­ eren im dänischen Gesangbuch gibt die falsche Auskunft, dass das Lied „im Jahre 1547 gedichtet wurde aus der Situation heraus, die damals in Deutschland vorhanden war“. Das Lied gibt also vor, über die Zustände während des schmalkaldischen Krieges zu berichten. Ist der dänische Herausge­ ber Hans Thomissøn verantwortlich für diese falsche Auskunft, oder gibt es einen deutschen Druck, vielleicht ein Flugblatt, mit dieser Postdatierung und anderen „lutherischen“ Anpassungen und Änderungen des Textes?

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Gesangbuches zufolge im Jahre 1981 gemacht worden ist. Der Skandal besteht in diesem Fall nicht darin, dass eine ungenannte Person, gewiss mit den besten Absichten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden christlichen Floskeln, alle Christen auffordert, zusammen zu dem Kind in der Krippe in Bethlehem zu eilen, sondern darin, dass eine ministeriell eingesetzte Gesangbuchkommission beschlossen hat, dieses sowohl poetisch als auch theologisch wertlose Flickwerk einem modernen Gesangbuch einzuverleiben, wobei sie alle Grenzen der Anständigkeit übertreten hat. Alles an diesem Neubürger des Gesangbuches ist altmodisch und talentlos. Und nicht zuletzt ist der Kehrreim „Kom, lad os ham tilbede“ (Komm, lass uns ihn anbeten) allzu leer und nichtig um neun Wieder­ holungen zu ertragen. Eine ganze Koppel Marderhunde oder eher etliche falsche Brüder sind mit in die Gesangbuchkommission eingedrungen und haben unter der Decke der Anonymität ihre Lust daran gefunden, die dänischen Gemeinden jedes Jahr in der Weihnachtszeit dazu zu verführen, den neunmal wiederholten Kehrreim zu singen, wobei „tilbede“ mit undänischer, falscher Betonung der zweiten Silbe gesungen werden muss. In korrektem Dänisch liegt bei „tilbede“ die Betonung auf der ersten Silbe. Das alles ist nicht gut. Im Jahre 1729 konnte der König in das dreißig Jahre alte, königlich verord­ nete Gesangbuch eingreifen und Müntzers Te Deum durch Luthers Te Deum ersetzen. Was hindert die Königin Margrethe daran, im elften Jahr des von ihr selbst verordneten Gesangbuches von 2003 den Marderhundblaff Nr. 112 zur Strafe in die Ecke zu stellen und ihn durch Bischof Johannes Johansens vorzüg­ liche freie Nachdichtung Kom, tro, og kom, glæde, dansende i kæde zu ersetzen? 12 Diese wurde 1978 geschrieben, kurz danach in einem Gesangbuchanhang gedruckt und bald in vielen Gemeinden beliebt. Deshalb waren wir sprachlos, als wir im neuen Gesangbuch 2003 von der Wahl des Marderhundes erfuhren. Wahrscheinlich geht es bei dieser Wahl um einen kirchenpolitischen Kuhhandel, wobei eine Minderheit berücksichtigt werden sollte. Oder fand die Kommis­ sion, dass der liederschreibende Bischof Johannes Johansen mit 16 Liedern im Gesangbuch seine Quote schon längst überschritten hatte? Mit dem inzwischen verstorbenen Dichter teilte ich den Argwohn, dass die sprudelnde Nachdich­ tung des O come, all ye faithful vor allem deswegen verworfen wurde, weil sie von Johansen geschrieben war. In einem dänischen Gesangbuch darf nur der Quell des nationalromantischen Dichters N. F. S. Grundtvig (1783–1872) so üppig sprudeln! Und damit sind wir wieder bei dem Phänomen, um das es in diesem Aufsatz geht: wie man im Umgang mit dem dänischen Gesangbuch manchmal mehr auf den Mann als auf den Ball gespielt hat. Die Sachlichkeit kommt zu kurz. Thomas Müntzer war persona non grata in der dänischen Fürs­ tenkirche, weil er in Thüringen und Sachsen Unruhe erregt und den Aufruhr der Bauern gegen tyrannische Behörden gestützt hatte. Waren aber seine Lieder gut und wertvoll, konnten sie wohl auch in dänisch-norwegischen Gemeinden 12 In einem Aufsatz: To gange Johannes til Sct. Olai, in: Kunsten og Kaldet. Festskrift til biskop Johannes Johansen, Hellebæk 1990, 17–26, demonstriere ich die theologische Stärke in dieser wohl­ gelungenen Danisierung des englischen Christmas Carol.

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Marderhunde im dänischen Kirchengesangbuch

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gesungen werden. Wenn einmal der Sachlichkeit und der klaren Vernunft, und nicht listigen Ideen eine steuernde Funktion zugebilligt wird, kann vielleicht die Qualität den Ehrenplatz einnehmen, und wir können in Dänemark endlich ein ordentliches neues Gesangbuch bekommen.

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Der Sammelband Luzern-Crecelius Rekonstruktion einer verschollenen Quelle von Liedflugschriften

Eberhard Nehlsen

1. Liedflugschriften Nicht minder bedeutend und ausgiebig als die handschriftlichen und gedruckten Liederbücher sind die zahlreichen Flugblätter, die seit dem Ende des 15. Jahr­ hunderts mit einem oder mehreren Liedern, mehrfach als offene Foliobogen, seltener in Quart, am häufigsten aber in kl. Oktav, namentlich aus den Druck­ stätten zu Straßburg und Basel, Augsburg und Nürnberg, sich verbreiteten. Sie waren insbesondere das Verkehrsmittel und sind nunmehr eine Hauptquelle derjenigen Liedergattung, welche den Ereignissen und Streitfragen der Zeit Stimme gab. Frühzeitig wurden sie von Freunden des Liedes oder der Ge­ schichte, oft mit sehr verschiedenartigen Schriften und Druckstücken, zusam­ mengeheftet und man hat sie in dieser Gestalt unter den Sammelbänden der Bib­ liotheken aufzusuchen.1 Wer sich mit den Quellen der Lieder der frühen Neuzeit beschäftigt, stößt unweigerlich auf die kleinen Lieddrucke aus jener Zeit. Ludwig Uhland war einer der ersten, der diese Quellengattung systematisch erforschte, um ein gro­ ßes Korpus an Liedern zu edieren. In der Terminologie der Zeit sprach er von „Flugblättern“, heute wird meist je nach Druckgattung differenziert zwischen Lied-Einblattdrucken und den aus mehreren Blättern bestehenden Liedflug­ schriften.2 Die kleinen Lieddrucke waren flüchtige Medien, ungebunden hatten sie nur wenig Chancen, die Jahrhunderte zu überdauern. Sehr viel besser waren die Chancen, wenn die Drucke in Sammelbänden eingebunden waren. Für Jahrhun­ derte war das eine weit verbreitete Praxis, Schriften geringen Umfangs dauerhaft aufzubewahren. Wer Lieddrucke sammelte und sie dann nach eigenen Vorstel­ 1 Uhland, Ludwig: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder mit Abhandlung und Anmerkun­ gen. Erster Band: Liedersammlung in fünf Büchern. Zweite Abtheilung. Stuttgart/Tübingen 1845, 979. 2 Diese Unterscheidung geht zurück auf Rolf Wilhelms Brednichs grundlegende Arbeit: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts (2 Bände, Baden-Baden 1974/75). In der Hymnologie wird jedoch weiterhin häufig noch – beide Medienarten zusammenfassend – von „Lie­ derblättern“ gesprochen.

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Der Sammelband Luzern-Crecelius

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lungen (was Auswahl und Reihenfolge betraf) binden ließ, konnte sich so ein individuell gestaltetes Liederbuch zusammenstellen und benutzen.3 Was heute noch an Liedflugschriften in den Bibliotheken vorhanden ist, wird sehr häufig in den historisch überlieferten Sammelbänden aufbewahrt.4 Nicht selten wurden jedoch Sammelbände zerlegt, entweder um die Einzelteile besser verkaufen oder die Stücke in thematisch geordnete Sammlungen einfügen zu können. So lässt sich bei vielen Einzeldrucken die Herkunft aus Sammelbänden anhand hand­ schriftlich notierter Blattzahlen oder Drucknummern belegen. Mitunter lässt sich auch die Herkunft der heute einzeln vorliegenden Drucke aus bestimmten Sammelbänden nachweisen.5 Seit mehr als 20 Jahren verfolge ich das Projekt, die Liedflugschriften der frü­ hen Neuzeit bis 1650 zu erfassen und in einem Katalog zu verzeichnen.6 Dabei gilt es, nicht nur die heute noch vorhandenen Drucke zu ermitteln und zu beschreiben, sondern auch jene, die zwar nachweisbar vorhanden waren, aber heute zerstört oder verschollen sind. Um einen solchen verschollenen Sammel­ band soll es in dieser Studie gehen. 3 Vgl. zu diesem Thema die eingehende Studie von Frieder Schanze: Privatliederbücher im Zeit­ alter der Druckkunst. Zu einigen Lieddruck-Sammelbänden des 16. Jahrhunderts, in: Zywietz, M./ Honemann, M./Bettels, C. (Hg.): Gattungen und Formen des europäischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Münster [u. a.] 2005, 203–242. 4 Frieder Schanze (s. Anm. 3) verzeichnet und bespricht 26 Sammelbände. Als weitere Sammel­ bände des 16.–17. Jahrhunderts seien genannt: Basel UB: Falk 1714, Falk 1715, Falk 1716, Falk 1717, Wack 1664; Berlin SB: Yd 7850, Yd 7851, Yd 7852, Yd 7853, Yd 7854, Slg Wernigerode Hb 4380; Bern ZB: Rar alt 768; Frankfurt a. M. UB: W 1153, W 1154; Frauenfeld KaB: HA 546; Nürnberg StB: Will. II. 450, Will. II. 451; Tübingen UB: Dk XI 1089; Zürich ZB: 18.1983, 18.1984, 18.1985. Die Liste ließe sich noch fortsetzen. 5 Der Literarhistoriker Johann Joachim Eschenburg z. B. besaß einen Sammelband mit Lieddru­ cken, den er den Herausgebern Büsching und von der Hagen für deren Sammlung Deutscher Volks­ lieder mit einem Anhange Flammländischer und Französischer, nebst Melodien (Berlin 1807), zur Verfügung stellte. Sie beschreiben den Band so: „Es sind in diesem Bande in 8., außer mehreren geistlichen kleinen Schriften, neue schöne weltliche Lieder, von 1614–1650, viele auch ohne Jahres­ zahl. Zwei und zwei, bisweilen auch viere zusammen […]“ (376 f.). Nach Eschenburgs Tod gelangte der Band in den Besitz des Sammlers Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach, s. die mehrfa­ chen Hinweise bei den Liednachweisen zu einem Liederbuch: Hayn, Hugo: Ein „Weltliches LiederBüchlein“ aus der Bibliothek von Meusebachs in Berlin. In: Serapeum 1870, 145–155, 161–167. Mit Meusebachs Bibliothek kamen auch die Lieddrucke in die heutige Staatsbibliothek zu Berlin; sämtli­ che von Meusebach als aus der Bibliothek von Eschenburg stammende Drucke lassen sich heute dort nachweisen, allerdings nicht als Teil eines Sammelbandes, sondern als Einzeldrucke. Vermutlich war es Meusebach selbst, der den Sammelband zerlegen und die Drucke einzeln binden ließ. 6 Einen Katalog der Bestände der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz habe ich 2008/2009 vorgelegt: Nehlsen, Eberhard (Bearb.), Berliner Liedflugschriften. Katalog der bis 1650 erschienenen Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, herausgegeben von Gerd-Josef Bötte, Annette Wehmeyer und Andreas Wittenberg. 3 Bände. Baden-Baden 2008–2009. Der gedruckte Katalog verzeichnet 2298 Drucke, inzwischen haben sich noch weitere relevante Drucke feststellen lassen. Eine mehrmals im Jahr aktualisierte Liste der Verbessungen und Zusätze findet sich auf der homepage des Verlages: http://www.koernerverlag.de/ (im Menü: Bibliographische Reihen, Unterpunkt Berliner Liedflugschriften) oder der Bibliothek: http:// staatsbibliothek-berlin.de/fileadmin/user_upload/zentrale_Seiten/historische_drucke/pdf/Nehlse­ n_Addenda_Corrigenda.pdf

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2. Der Sammelband von Wilhelm Crecelius Wilhelm Bäumker beschreibt im ersten Band seines Werkes „Das katholische Kirchenlied in seinen Singweisen“ (1886) auf S. 74–105 insgesamt 59 Drucke mit der Herkunftsangabe „Sammelband von Einzeldrucken“. Auf S. 51 lautet die Anmerkung: „Der öfters citierte Sammelband von Einzeldrucken wurde mir von Herrn Prof. Dr. Crecelius in Elberfeld zur Verfügung gestellt“. Von den meisten dieser Drucke mit geistlichen Liedern zwischen 1598 und 1641 konnten sich keine weiteren Exemplare feststellen lassen. Deswegen wäre die Kenntnis dieses Bandes für die Hymnologie und die historische Buchforschung von höch­ stem Wert. Zwei Fragen stellen sich: Woher stammt dieser Band ursprünglich und was ist aus ihm geworden? Zunächst zur Frage nach dem Schicksal des Bandes. Wilhelm Crecelius (1828–1889), war Lehrer in Elberfeld und u. a. Herausgeber der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins. Ein Teil seines Nachlasses gelangte in die Biblio­ thek des Paulusmuseums in Worms. Darunter muss sich auch der Sammelband befunden haben, denn aus einem der Drucke wurde von dem Direktor des Museums, Dr. August Weckerling, eine Melodieabschrift an Johannes Bolte in Berlin übermittelt, die dieser dann in einem Artikel 1892 veröffentlichte.7 Von der Korrespondenz zwischen Bolte und Weckerling in dieser Sache ist der erste Brief Weckerlings erhalten geblieben. Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg verwahrt unter der Sign. Bla 920 einen originalen Brief Weckerlings an einen ungenannten Adressaten, der nach Inhalt und Datum nur Johannes Bolte gewesen sein kann. Er lautet: Worms 28. I. 1892. Sehr geehrter Herr! Auf Ihren werten Brief vom 25. d. M. hin teile ich Ihnen hierduch mit Vergnügen mit, dass mit der Bibliothek des Herrn Prof. Crecelius auch die von Ihnen erwähnte Samm­ lung geistlicher Lieder des 17. Jahrh. an das Paulus-Museum hier übergegangen ist. Von den beiden Liedern, nach denen Sie fragen, führt das erste, Nr. 21 der Sammlung, folgen­ e e den Titel: Zway Schone Geistliche Lieder. | Das Erste. | Der Geistliche Scheck vn̄ Bra ut­ e schafft | genandt. | Von dem himmlischen Brau=|tigam JESV. | Das Ander: | Die Geistli­ che Braut, so da ist | die GOttliebende Seel. | Kleiner Holzschnitt, Christus trägt das e Kreuz. | Getruckt zu Ynßbrugg bey Johann Gachen. | Handschriftlich steht darunter e 1635. | Der Geistlich Brautigam. I. Strophe WJe vnaußsprechig ist die frewd, die | mir in mein Hertz hat zogen so weit, | zu meinem JEsu außerwehlt, der | mir in meinem Hert­ zen gefelt, vor allen auff | der gantzen Welt. | Das andere Lied, Nr. 23 der Sammlung, hat den Titel: Ein schönes noch | nie an tag gegebenes geistlichs | Lied, auß der gantzen Histori von | e e der Judith, auß jhrem Buech=|lein gezogen. | Jm Thon: | Wie der Engellandisch Tantz 7 Siehe Bolte, Johannes: Die Volksmelodie des „Schecken“. In: Alemannia 20 (1892), 114–116, hier 116.

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gesungen wird. | Darunter Holzschnitt, Ein behelmtes Weib zerbricht eine Säule | Darun­ e ter: Zu Ynnsprugg, bey Daniel Paur, 1635. | I. Strophe: VOn einer schonen Gschicht, werden | wir vnderricht, wol in der Schrifft, | Nabuchodonosor, er hebt sein Hertz em=| por hat vil gestifft, selbs wider Gott, vnnd sein | Gebot, bracht manches Hertz in grosse noth. – Sollten Sie noch weitere Mitteilungen aus den betr. Liedern wünschen, bin ich gerne bereit, Ihnen solche zugehen zu lassen und bleibe mit dem Ausdrucke größter Hochach­ tung ergebenst Dr. Weckerling Vorsteher d. Paulus-Museums.

Ein weiterer Brief Weckerlings an Bolte, der die von Bolte abgedruckte Melodie enthalten haben muss, ist nicht überliefert.8 Nach 1892 fehlt jegliche Nachricht von dem Sammelband. Der österreichi­ sche Liedforscher Karl M. Klier erkundigte sich in den 1950er Jahren für seinen Artikel über „Innsbrucker Lied-Flugblätter“9 in Worms erfolglos nach dem Verbleib des Sammelbandes. So blieb ihm nichts anderes übrig, die für ihn rele­ vanten Drucke nach Bäumker zu zitieren. Auch Bernd Genz forschte für seine 1957 erschienene Dissertation über Johannes Khuen vergeblich nach einem Druck dieses Sammelbandes (Vexillum): Trotz längerer intensiver Bemühungen ist es mir nicht gelungen, ein Exemplar dieser Erstveröffentlichung Kuens nachzuweisen. Die Beschreibung erfolgt nach den Angaben Bäumkers, Das kath. deutsche Kirchenlied. 1. Bd. Freiburg 1886, S. 93 Nr. 301. Bäumker hat das ‚Vexillum patientiae‘ in einem Sammelband mit Einzeldrucken gefunden, der sich nach seiner Angabe damals im Besitz des Prof. Wilhelm Crecelius, Elberfeld, befand. Dessen Nachlaß ist nicht an die Stadtbibliothek Wuppertal gekommen; ein Teil davon gelangte nach Worms. Eine Anfrage dort führte jedoch ebensowenig zu einem Ergebnis wie die allgemeine Umfrage in den deutschen Bibliotheken. (Genz, S. 238, Anm. 88.)

Vor wenigen Jahren bemühten sich noch die Herausgeber des letzten erschienen Bandes der Edition des Deutschen Kirchenlieds10, der den Zeitraum 1595 bis 1610 umfasste, die relevanten Drucke mit Melodien aus diesem Band zu ermit­ teln – ohne Erfolg. Die Bibliothek des Paulusmuseums ist seit 1906 Teil der Stadtbibliothek in Worms, der Sammelband befindet sich aber laut Auskunft des Leiters Herrn Dr. Busso Diekamp (Juni 2010) heute nicht mehr dort. Vermutlich ist er 1945 bei einem der verheerenden Luftangriffe auf Worms, die auch das Bibliotheksge­ bäude zerstörten, verbrannt und somit unwiederbringlich verloren.

8 Die Staatsbibliothek zu Berlin verwahrt den Nachlass Boltes, darunter einen umfangreichen Briefwechsel. Ein Brief von Weckerling ist darin nicht enthalten. 9 Klier, Karl M.: Innsbrucker Lied-Flugblätter des 17. Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Österrei­ chischen Volksliedwerkes 4 (1955), 56–76. 10 S. die Liste der abgekürzten Literatur am Ende dieses Artikels.

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3. Besitzer und Benutzer Aber woher stammte der Sammelband? Wer besaß ihn vor Crecelius? Soweit ich weiß, hat Crecelius in seinen zahlreichen Artikeln und Beiträgen für ver­ schiedene Publikationen, die sich mit Liedern des 17. Jahrhunderts beschäftigen, den Sammelband als solchen niemals thematisiert. Wohl druckt er, wie sich herausstellte, Liedtexte daraus ab, ohne aber diesen Band explizit zu erwähnen. Und doch gelang es, die Herkunft und spätere Besitzer und Benutzer des Bandes zu ermitteln, weitere Drucke des Bandes, die nicht von Bäumker beschrieben worden waren, zu identifizieren und sogar die Reihenfolge der Drucke im Band weitgehend zu rekonstruieren. Im Folgenden wird der Gang der Nachforschungen dokumentiert. Anschließend folgt die Beschreibung der Drucke des Sammelbandes, so weit sie sich rekonstruieren ließ. Ausgangspunkt für die Recherche war der bei Bäumker, S. 91, Nr. 292 beschriebene Druck (s. unten Nr. 17): Das heylig Creutz Lied. Auß dem heiligen Passion vnsers lieben Herren Jesu Christi genommen. Jn seiner gewonlich Weyß zusingen […]

Die ersten acht Str. des Liedes sind abgedruckt bei Wackernagel Bd. 2, Nr. 1194 mit der Herkunftsangabe: Lucerner Cantons-Bibl. 287.III, Blatt 163. […] Mittheilung L. Uhlands an mich nach Schloß Kalteneck zu Holzgerlingen, 1842.

Bei Wackernagel Bd. 4, S. 1066–71 ist das Lied dann vollständig abgedruckt. Zu der Herkunft bemerkt er: Der Einzeldruck ist der siebente in einem Sammelbande von 72 dergleichen, Blatt 163– 170. Auf dem ersten Blatte befindet sich der Stempel der Kantons-Bibliothek von Luzern. […] Jener Sammelband auf der Cantonsbibliothek von Luzern, aus welchem L. Uhland 1842 die ersten acht Strophen des Liedes abgeschrieben, befindet sich dort schon seit einer langen Reihe von Jahren nicht mehr; nachdem ich es längst aufgegeben, seinem Fortkommen weiter nachzuforschen, ist mir derselbe in diesen Tagen, anfangs Februar 1873, aus zweiter Hand ungesucht zur Benutzung mitgeteilt worden.

In Uhlands „Alte hoch- u. niederdeutsche Volkslieder“ sind zwar im Kapitel „Quellen“ mehrere Sammelbände mit Lieddrucken erwähnt, aber es findet sich kein Hinweis auf diesen Luzerner Sammelband.11 Wer ihm diesen Band zugäng­ lich gemacht hat, erwähnt Wackernagel hier noch nicht. Im Bd. 5, S. 1330–1361 druckt Wackernagel dann weitere Lieder aus dem Sam­ melband ab, „der mir gleich der Kohlerischen Handschrift durch Ludwig Erck [sic!] zugänglich geworden“ (S. 1330).12 Ludwig Erk muss also Zugang zu dem 11 Wie Anm. 1, S. 979 f. 12 Mit der „Kohlerischen Handschrift“ ist offenbar jene gemeint, die Anton Birlinger und Wil­ helm Crecelius in ihrer Neubearbeitung von „Des Knaben Wunderhorn“ auf S. 559 und, etwas aus­

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Band gehabt haben. Diese Feststellung wird durch die Tatsache unterstützt, dass Erk mehrere Lieder aus diesem Sammelband abschrieb. Diese Abschriften sind heute noch vorhanden in seinem umfangreichen Nachlass in der Staatsbiblio­ thek zu Berlin. Dazu unten mehr. Da der Sammelband laut Wackernagel 72 Stücke enthielt, Bäumker aber nur 59 beschreibt, enthielten die anderen Drucke vermutlich entweder keine oder weltliche Lieder. Auch hier gibt es eine Spur. Crecelius teilt in einem Artikel13 zwei Lieder aus Flugschriften mit, deren Standort er nicht erwähnt. Die beiden Quellen, die Crecelius zu dem zweiten Lied angibt, finden sich auch bei Bäum­ ker mit der Herkunftsangabe „Sammelband von Einzeldrucken“ wieder (s. u. Nr. 10 und 50), waren also mit Sicherheit Bestandteil seines Sammelbandes. Daher ist es in hohem Maße wahrscheinlich, dass auch das erste abgedruckte Lied in dem Artikel diesem Band entnommen wurde (s. u. Nr. 72). Die Durchsicht der Artikelserie „Zu des Knaben Wunderhorn“ von Anton Birlinger und Wilhelm Crecelius in der Zeitschrift Alemannia (in den Jahrgän­ gen 2, 3, 4, 8–12, 14 u. 15, 1875–1887) ergab, dass mehrere Drucke des Bandes als Referenzquellen herangezogen wurden (Einzelheiten s. unten bei den Druckbe­ schreibungen). Dabei fiel ein weiterer Druck mit weltlichen Soldatenliedern auf, der – 1635 gedruckt – gut in das Zeitprofil des Bandes passte und wohl auch Bestandteil des Sammelbandes war (s. u. Nr. 59). So entstand eine Liste mit 61 Drucken des verschollenen Bandes. Zusammen mit der von Wackernagel mitgeteilten Signatur („Lucerner Cantons-Bibl. 287. III“) schickte ich diese Liste nach Luzern in die Zentral- und Hochschulbiblio­ thek Luzern, der Nachfolgeinstitution der ehemaligen Kantonsbibliothek, mit der Frage, ob dort etwas über den Band bekannt sei. Diese Anfrage brachte dann näheren Aufschluss über Herkunft und Inhalt des Sammelbandes. Peter Kamber teilte mir im Oktober 2012 die Ergebnisse seiner Recherchen mit: Im Bücher-Verzeichnis der Kantons-Bibliothek in Luzern, Erster Band (Luzern: Gedruckt in der Meyer’schen Buchdruckerei, 1835), dem ersten gedruckten Katalog der Kantonsbibliothek, findet sich der Sammelband mit geistlichen und weltlichen Liedern in der Abteilung D.f, Gedichte auf S. 306 unter Nr. 1152:

führlicher, auf S. 574 beschrieben haben: „Der vollständige Titel des im Besitze von Ph. Nathusius befindlichen Ruefbüchleins ist: ‚Ein christliches katholisches Rüefbüechl; Jnn welchem schöne Betrachtungen vnd Erinnerung von der Geburth, Leben, Leiden, Sterben, Aufferstehung vnd Himelfarth Jesu Christi, auch von Maria der Mutter Gottes vnd andern Heiligen, dem Laien sehr nützlich begriffen, welche dan in den Processionen vnd Walfarten sicherlich mögen gesungen wer­ den. Anno 1601.‘ Den größten Theil nimmt dieses Büchl mit 173 Blättern ein. Dann folgt mehrere Blätter hindurch von anderer Hand Aehnliches; den Schluß bildet ein Rufbüchlein von der gleichen Hand wie ersteres geschrieben und zwar vom Schulmeister Joann Köler in Dachau. Die Sprache bai­ risch.“ (Des Knaben Wunderhorn, neu bearb. v. A. Birlinger u. W. Crecelius, 1. Bd., Wiesbaden 1874.) – S. auch A. Birlinger A./Crecelius, W.: Zu des Knaben Wunderhorn VI. In: Alemannia 9 (1881), 47, mit einer detaillierteren Beschreibung der Handschrift. 13 Crecelius, Wilhelm: Fliegende Blätter aus dem 30jährigen Kriege. In: Alemannia 11 (1883), 211–220

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„Sammlung verschiedener kleiner geistlicher Lieder, gedruckt zu Luzern, Augsb., Ins­ brugg, Dilingen, München, etc., 1598–1641“. Der Band kann aus einem der beiden Franziskanerklöster Luzern oder Werthenstein, oder aus der Bibliothek des ehemaligen Jesuitenkollegs in die Kantonsbibliothek gelangt sein. Der erste Standortkatalog der KB (Signatur: ZHBL KB-Archiv KBG 70 Bd. 2), von der Hand des ersten Kantonsbibliothekars Ludwig Keller (1800–1839), verzeichnet die Drucke einzeln unter der Signatur III 8° 287 von 1–72, allerdings immer nur mit einem Ordnungswort. Daneben steht als Anmerkung von späterer Hand: im Verzeichnis der ungedruckten Werke N° 15.12°. Die Liste: 1. Vexillum (gestrichen), 2. Convivium, 3. Epithalamium, 4. Florilegium, 5. Buchsbaum, Sixt (?), 6. Lieder, 7. Trostgarten, 8. Gesang, 9. Lieder, 10. Schildtwacht, 11. Lobgesang, 12.–13. Lieder, 14. Gesang, 15. Meyen Lied, 16. May, 17. Kreuz, 18. Fasten­ gesänger (sic), 19. Gesang, 20.–22. Lieder, 23. Lied, 24. Ruff, 25. Rueff, 26. Růff, 27. Růff, 28.–32. Růff, 33. Freu dich Ignati Edler Held, 34. Jubel, 35. Begriff, 36 Gesang, 37. Ruff, 38. – [keine Angabe], 39. Lobgesang, 40. Jungfrau, 41. Seufzer, 42. Lieder, 43. Lied, 44. Passion, 45. Lieder, 46. Adventlied, 47. Lieder, 48. – [keine Angabe], 49 Mortis, 50. Lie­ der, 51. Threnodia, 52. Klaglieder, 53. Lied, 54. Jubelgesang, 55. Lieder, 56. Klag- u. Freu­ denlieder, 57. Thomas Aquinas, 58. Jubel, 59. Soldatenlieder, 60. May, 61.–63. Lied, 64. Klag, 65.–68. Lieder, 69. Adieu, 70. Lieder, 71.–72. Lied. Im alphabetischen Verzeichnis derjenigen Werke der Kts-Bibliothek, welche nicht in den gedruckten Katalog aufgenommen werden 1841 (Signatur: ZHBL KB-Archiv KBG 44, das oben genannte Verzeichnis der ungedruckten Werke) stehen unter dem Ord­ nungswort ‚Lieder‘ mit der Signatur 15.12 insgesamt 21 Titel verzeichnet. Auf dem Vor­ derdeckel steht von späterer Hand mit Bleistift: „Wurden v. Bibliothekar Greber leider als Makulatur verkauft“. Franz Xaver Greber (1817–1881) war zwischen 1853 und 1858 Kantonsbibliothekar. Es ist anzunehmen, dass Dokumente aus diesem Bestand bereits vor Grebers Amtszeit als sogenannte ‚Doubletten‘ oder ‚bedeutungslose‘ Ascetica ver­ kauft oder verschenkt worden sind. Der Sammelband hat die Kantonsbibliothek wohl irgendwann zwischen 1841 und 1858 verlassen. Die Liste: Lieder, zwey schöne geistliche; der geistl. Scheck & Bräutschatz [sic] genannt v. d. himml. Bräutigam Jesus die geistl. Braut, so da ist die gottliebende Seel. Yns­ brugg [o. J.] , drey schöne geistliche, od. der geistl. Buxbaum, von dem Streit des Fleisches wider den Geist; wider die 3 Ertzfeind der Seelen gar sehr ist min Herz entzünt. Luzern 1638. , drey schöne, der geistl. Jäger; aus hartem Wehe klagt menschlich Geschlecht; ich hab so viel von Gottes Wort. Lucern 1637. , drey gar schöne newe geistl., von d. H. Büsserin Magdalena, v. d. H. Jungfrau Barbara, v. d. H. Jungfr. Dorothea. Ynsbrugg 1635. , drey schöne newe christl., Jesulein du bist mein Trost allwegen etc.; ach höch­ ster Gott allein, du bist der Helffer mein; Jesulein, was soll ich thun. Augsb. 1619. , fünf geistliche, & Kirchengesänge: der geistliche Scheck od. nützl. Betrachtung des Todts; das Evangelium auf den H. Weihnachtstag; z. dem New gebornen Christ Kindl; Ein ander Weihnachtgesang; das Evangelium auf d. H. Ostertag. Ingolstadt 1835.

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Lied,

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, zwey neue geistliche, auf den geistl. Stand gericht. Augsb. [o. J.]. , zwey schöne, von der Verachtung der Welt. Lucern 1637. , zwey schöne geistliche, von der christlichen Demuth, dass uns Gott die lieben Frücht aus dem Land segnen, behüten und bewahren wölle. Lucern 1637. , zwey schöne gar newe geistliche: wo kombt es here, das zeitl. Ehre etc.; sag was hilft alle Welt, mit allem Guet und Gelt. [o. O.] 1637. , zwey schöne newe d. i. die Himmel-Rosen genannt, v. Christi Leben, Todt & Wandel; d. 2te die siben Worte Christi, am Creutz gesprochen. Ynsbrugg 1641. , zwey neue, v. d. jetzigen Welt Sitten & Wesen; welche Leut man fürnemlich in das Hungerland schieben soll. [o. O., o. J.] (?) , zwey neue, von einem Holzhacker & Edelmann, von des Menschen Armselig­ keit & zergänglichen Freuden. Ynsbrugg 1638. , zwey neue, z. U. L. Frawen, in betrübten & Kriegszeiten, v. Geistl. & Weltli­ chen ganz trostreich zu singen. [o. O.] 1636. , zwey schöne & gar andächtige, geistliche, v. U. L. Frawen im Advent & sonst täglich z. singen. Straubing 1635. Zwey geistreiche: der Morgenstern; Befehlung zu Gott umb ein selig End. Lucern 1637. ein schönes & geistliches; Einsmals ich Lust bekam genannt. Augs. [o. J.]. , ein neues Allomodisches (?). [o. O.] 1631. , ein neues schönes, v. den Wexlern und Schachern. [o. O.] 1628. , ein schönes newes geistliches, v. den H. fünf Wunden Christi, in Form e. geistl. Gesprachs. Passaw 1639 . , ein, von dem grimmigen und bitteren Todt, & wie es dem sündigen Menschen in & nach demselbigen ergeht. Passaw 1640.

Aufgrund dieser Liste ließen sich weitere Drucke identifizieren, die sich in die­ sem Sammelband befunden hatten, die jedoch von Bäumker entweder nicht beschrieben wurden (Nr. 61, 62) oder nicht als Teil des Sammelbandes markiert worden waren (Nr. 2, 3, 33). Damit waren nahezu alle Drucke des Bandes be­ kannt. Es ist wahrscheinlich, dass der Sammelband nicht aus einem Franziskaner­ kloster, sondern aus der Bibliothek des ehemaligen Jesuitenkollegs stammte. Das ergibt sich aus dem Vorkommen von vier Lieddrucken größeren Umfangs des jesuitisch erzogenen Johannes Khuen, die sich am Anfang des Bandes befin­ den. Gerade in Sammelbänden jesuitischer Provenienz lassen sich derart mehr­ fach auftretende Khuen-Drucke belegen.14 Der Sammelband dürfte nicht das einzige Buch mit geistlichen Liedern gewesen sein, das in die Kantonsbibliothek gelangte. In der ZHB Luzern findet sich noch heute ein Gesangbuch, das den handschriftlichen Vermerk trägt: „Collegij Societatis Jesu Lucernae“.15 Die Erwähnung des Namens Erk bei Wackernagel führte dann zu einer neuen 14 Z. B.: München SB: Res/P.o.germ. 314 (Besitzeintrag: Collegii S. S. Monachi 1640); Stockholm KB: 173 P r (Besitzeintrag: Soc. JESU Mindelhemij 1705). 15 Benziger, Augustin: Beiträge zum katholischen Kirchenlied in der deutschen Schweiz nach der Reformation, Sarnen 1910, 198. Das Buch mit dem Titel „Catholische Kirchen Gesäng“ (VD16 ZV 12043) verwahrt die ZB Luzern unter der Signatur: G6.274.12.

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Spur. In dem umfangreichen Nachlass des Liedforschers Ludwig Erk (1807– 1883), der in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt wird, finden sich Tau­ sende von Liedabschriften aus den unterschiedlichsten Quellen. Teilweise wur­ den sie für das Deutsche Volksliedarchiv (DVA) in Freiburg abgeschrieben. Darunter fanden sich auch einige Liedaufzeichnungen, die Drucke betreffen, die sich auch in dem Sammelband aus Luzern befanden.16 Eine Einsichtnahme in die originalen Nachlassbände in Berlin führte zu dem überraschenden Ergebnis, dass Erk noch erheblich mehr Lieder aus diesem Sammelband abgeschrieben hatte, als es die DVA-Abschriften vermuten ließen.17 Zudem fanden sich bei Erks Abschriften zusätzliche Anmerkungen zu der originalen Quelle, vor allem die Position der Drucke in dem Sammelband. Ludwig Erk vermerkte auch die Quelle seiner Abschriften, überraschenderweise stand dort aber nicht „aus einem Luzerner Sammelband“ oder „aus Crecelius’ Sammlung“, sondern der Vermerk lautete meist „Nathusius’ Sammlung“, einmal auch mit dem Zusatz „starker 8vo Bd. 17. Jahrh.“ (s. unten Nr. 72). Damit kam ein neuer Name ins Spiel. Bei dem erwähnten Besitzer des Bandes handelt es sich um Philipp Nathusius (1815–1872, ab 1861 geadelt), Herausgeber und Verleger des christlich-konser­ vativen „Volksblattes für Stadt und Land zur Belehrung und Unterhaltung“ und Begründer der heute noch bestehenden Neinstedter Anstalten bei Quedlin­ burg.18 Wie aus den Katalogen seiner 1892 versteigerten Bibliothek hervorgeht, besaß Nathusius eine umfangreiche Büchersammlung mit dem Schwerpunkt auf Literatur.19 Auch das Volkslied gehörte zu seinen Interessengebieten.20 In die­ sem Zusammenhang dürfte Nathusius wohl den Luzerner Sammelband erwor­ ben haben, ob direkt in Luzern oder über einen Antiquar, ist unbekannt. Mit Ludwig Erk verband Nathusius offenbar eine enge Freunschaft. 1865 gaben beide zusammen heraus: Hundert Lieder, geistlich und weltlich, ernsthaft und fröhlich, in Melodieen von Marie Nathusius und mit Clavierbegleitung. Ludwig Erk hat, wie aus den teilweise notierten Datumsangaben hervorgeht, den Band nicht systematisch und in einem Zug kopiert. Die Eintrage datieren aus den Jahren 1862, 1863, 1866 und 1868. Es bestehen keine Zweifel, dass der Band, aus dem Erk Abschriften nahm, identisch ist mit dem Sammelband der Luzerner Kantonsbibliothek. Viele Fragen müssen offen bleiben, etwa die, auf welchem Wege der Band in den Besitz Crecelius’ gelangte oder warum Wacker­ 16 DVA Bla 186–188, 194, 195, 237, 240, 257–260. 17 Die Liedabschriften aus dem Sammelband finden sich in den Bänden 34–37. 18 Ausführlich über ihn: Deutsches Schriftsteller-Lexikon 1830–1880, hg. von der Berlin-Bran­ denburgischen Akademie der Wissenschaften, bearb. von Herbert Jacob, Bd. 5,3. N-O, bearb. von Thomas Lindenberg, Berlin 2011. 19 Auktionskataloge: Antiquarisches Bücherlager von Kirchhoff & Wigand in Leipzig, Leipzig 1892 Nr. 894–900 unter dem Titel: „Literatur u. Sprache der europäischen Culturvölker, enthaltend die Bibliothek von Philipp von Nathusius auf Neinstedt“. Die sieben Katalaloge enthalten zusam­ men ca. 13’000 Nummern! 20 Der Katalog Nr. 895 hat den Titel „Die Volksseele in Glauben, Aberglauben, Brauch und Sage. Das Volkslied und Volksbuch“.

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nagel die Herkunft des von ihm 1873 eingesehenen Bandes nicht aufdecken mochte. Zu vermuten ist, dass der Band bis zu seinem Tode 1872 bei Nathusius verblieb und erst danach den Besitzer wechselte. Denn es dürfte kein Zufall sein, dass der Band kurz nach Nathusius’ Tod (August 1872) Anfang Februar 1873 wieder auftaucht, als Philipp Wackernagel ihn benutzen konnte.

4. Daten Zusammenfassend sei kurz das Schicksal des Sammelbandes rekapituliert: – 1641 (Datum des letzten datierten Druckes) oder kurze Zeit danach wird der Band aus 72 einzelnen Drucken zusammengestellt und fortan in der Biblio­ thek des Jesuitenkollegs zu Luzern aufbewahrt. Ähnliche Lieddruck-Sammel­ bände sind auch aus anderen Jesuitenbibliotheken bekannt. – Vor 1835 gelangt der Band aus der Bibliothek des ehemaligen Jesuitenkollegs an die Kantonsbibliothek Luzern. 1835 wird er im ersten gedruckten Katalog der Kantonsbibliothek aufgeführt. – 1841 erwähnt Philipp Wackernagel den Band in dem Buch „Das deutsche Kir­ chenlied“. Woher er seine Informationen bezog, ist unbekannt. – Ludwig Uhland, der schon 1839 die Kantonsbibliothek besucht hatte,21 nimmt spätestens 1842 Einsicht in den Band und fertigt Exzerpte an. – Zwischen 1842 und 1858 wird der Band verkauft. – 1862–1864: Emil Weller verzeichnet für seine „Annalen der Poetischen Natio­ nal-Litteratur“ (1862–1864) Drucke aus dem Sammelband und zwar offenbar nach dem im Verzeichnis derjenigen Werke der Kts-Bibliothek, welche nicht in den gedruckten Katalog aufgenommen werden 1841 unter „Lied“ und „Lie­ der“ wiedergegebenen Kurzbeschreibungen (die Formulierungen stimmen mit denen Wellers überein). Entgegen der sonst geübten Praxis enthalten die Beschreibungen bei Weller keine Liedanfänge und keine Standortangabe. Der Grund dafür ist offensichtlich: die Drucke waren in der Bibliothek nicht mehr vorhanden. – 1862–1868: Ludwig Erk nimmt Abschriften aus dem Band, der sich jetzt im Besitz von Philipp Nathusius befindet. Diese Abschriften finden bis auf eine Ausnahme (unten Nr. 61) keine Verwendung für den dreibändigen „Deut­ schen Liederhort“, den Franz M. Böhme 1893/94 aus dem Nachlass heraus­ gibt. 21 Im Herbst 1839 schreibt Uhland an Joseph von Laßberg: „Unsre Schweizerreise […] ist recht angenehm abgelaufen; wir fanden überall förderliches Entgegenkommen. Die Wiksche Sammlung in Zürich, die Cysatsche in Luzern, die Bibliothek des Herrn von Mülinen in Bern, die mir sehr bereit­ willig geöffnet war, gewährten Nachlese zu meinem Liedervorrathe; […]“, Briefwechsel zwischen Joseph Freiherrn von Lassberg und Ludwig Uhland, hg. von Franz Pfeiffer, Wien 1870, 240.

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– Nach Nathusius’ Tod 1872 wechselt der Band erneut den Besitzer – vermut­ lich schon Wilhelm Crecelius – und im Febr. 1873 nimmt der Hymnologe Philipp Wackernagel Abschriften daraus. – 1880–1884 benutzen Anton Birlinger und Wilhelm Crecelius Drucke des Bandes als Referenzquelle für Liednachweise zu „Des Knaben Wunderhorn“ und drucken einige Lieder ab. – 1884/85 wertet der Hymnologe Wilhelm Bäumker den Band für seine Biblio­ graphie aus. – Nach Crecelius’ Tod (1890) kommt der Band zusammen mit einem Teil seines Nachlasses an die Bibliothek des Paulus-Museums in Worms. Der Direktor des Paulus-Museums teilt dem Liedforscher Johannes Bolte 1892 Abschriften aus dem Band mit. – Nach 1892 fehlt jede Spur von dem Band, der vermutlich 1945 im Bombenha­ gel auf Worms zerstört wird. Es ist auffällig, dass zwischen 1892 und 1945 der Sammelband völlig unbeachtet in der Bibliothek des Paulusmuseums, und später in der Stadtbibliothek Worms liegt. Niemand scheint sich für ihn zu interessieren oder seine Existenz einer breiteren wissenschaftlichen Öffent­ lichkeit bekanntzumachen. Dabei ist die Bedeutung des Sammelbandes enorm. Von den 72 Drucken konn­ ten 68 ermittelt werden. Nur von elf dieser Drucke sind Exemplare aus anderen Bibliotheken bekannt. Also müssen mindestens 57 Drucke als endgültig verlo­ ren angesehen werden, falls nicht noch Exemplare in anderen Bibliotheken auf­ tauchen. Das ist eine sehr hohe Zahl und zeigt, dass der Verlust für Hymnologie und Liedforschung sowie für die Druckforschung sehr schmerzlich ist.

5. Rekonstruktion des Sammelbandes Editorische Vorbemerkung Die Drucke sind nach dem ersten Standortkatalog der Kantonsbibliothek Luzern geordnet, Nummer und das zugehörige Ordnungswort sind von dort übernommen. Nicht immer waren wegen der unspezifischen Begriffe „Lied“, „Lieder“ und „Ruff“ eindeutige Zuordnungen möglich. Falls nicht Hinweise aus anderen Quellen (vor allem Erk) über die Position innerhalb des Bandes vorlagen, habe ich die Zuordnungen vorgenommen. Im Standortkatalog erscheint der Begriff „Lied“ acht Mal, mir lagen jedoch neun Druckbeschrei­ bungen vor, in denen „Lied“ als erstes Ordnungswort erscheint. Deswegen habe ich die Nr. 48 (Standortkatalog: „keine Angabe“) mit einem dieser neun Drucke besetzt. Der Band war, wie aus den Aufzeichnungen von Wackernagel und Erk (die­ ser schreibt manchmal Seite statt Blatt) hervorgeht, mit Blattzahlen versehen. Die Blattzahlen habe ich hinzugefügt, falls eindeutige Aussagen darüber möglich

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waren, vor allem aufgrund der Erkschen Beschreibungen. Nicht immer ist die Folge der Blattzahlen stimmig, und es muss offen bleiben, ob Fehler in der origi­ nalen Blattzählung oder bei den Abschreibern vorliegen. Die Beschreibung der Drucke musste nach unterschiedlichen Quellen erfol­ gen. Die zu Grunde gelegte Quelle ist jeweils genannt. Zum Teil existieren von einzelnen Drucken weitere Exemplare, die dann als Vorlage dienen konnten (Nr. 2, 3, 4, 28, 34, 47, 49, 57, 64, 69). Eine Beschreibung von Drucken, die einem nicht im Original vorliegen und die nach ganz unterschiedlichen Quellen erfolgen muss, weist notgedrungen ein uneinheitliches Bild auf. Erk verwendet in den Titelbeschreibungen die Zeilentrenner || uneinheitlich, z. T. durchgehend, z. T. gar nicht und manchmal nur zu Beginn des Titels. Erk e schreibt immer ä, ö, ü; ich habe dafür immer die im 17. Jahrhundert üblichen a, e e o, u, gesetzt. Die in der Regel wohl in größerer Type gesetzten Initialen der Lie­ danfänge habe ich nicht wie sonst üblich in Klammern gesetzt. Wo in den Druckbeschreibungen Kommata stehen, habe ich sie durch Virgel ersetzt, die dem Druckbild des 17. Jahrhunderts eher entsprechen. Die Literaturangaben verzeichnen die älteren bibliographische Aufnahmen, die nach Drucken dieses Bandes direkt oder indirekt angefertigt wurden. Im Falle des DKL ist bemerkenswert, dass diese Bibliographie alle verschollenen Drucke des Bandes mit Noten (und nur diese kamen für das DKL in Frage) als Standort die Staatsbibliothek zu Berlin mit dem Vermerk „verloren“ angibt. Die Drucke waren aber nie in dieser Bibliothek. Offensichtlich handelt es sich bei diesen Angaben um einen Irrtum der Bearbeiter.22 Auf einen Textabdruck der in den Drucken vorkommenden Lieder wird nur verwiesen, wenn es sich bei dem entsprechenden Abdruck aus einem Druck die­ ses Bandes handelt. Auf weitergehende Hinweise zu den einzelnen Liedern wurde verzichtet. In den Druckbeschreibungen werden folgende Abkürzungen verwendet: QS Querstrich TE Titeleinfassung TH Titelholzschnitt Vign. Vignette ZS Zierstück

22 Bei den Vorarbeiten für das DKL wurde für jeden Druck eine Karteikarte angelegt, datiert und mit Namenskürzel des Bearbeiters versehen. Die Fundorte und in der Regel auch die Signaturen wurden verzeichnet und auch Hinweise auf verlorene und verschollene Belege. Kopien dieser Kar­ ten sind erhalten, Sie befinden sich heute im Bruno-Stäblein-Archiv des Musikwissenschaftlichen Institutes der Universität Würzburg. Ich bin Hans-Otto Korth (Kassel) und Martin Dippon (Würz­ burg) für die diesbezüglichen Auskünfte sehr dankbar. Die auf den Karten vermerkten Signaturen sind Yd 7830 und Yd 9828. Yd 7830 bezeichnet tatsächlich einen verschollenen Lieddruck-Sammel­ band. Er enthielt aber keinen der hier relevanten Drucke. Die Signatur Yd 9828 existiert nicht.

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1. Vexillum Bl. 1–8 Johannes Khuen, Vexillum patientiae oder Kreuzfahnen München: Cornelius Leysser 1635 Vexillum Patientiae || Oder || Creutz Fahnen || Jn welchem siben newe || geistliche e e Gesanglein/ von den siben || Patrocinijs, so in der Furstlichen Hauß=||Capellen/ in Wey­ e landt deß Durchleuchtigisten || Fursten vnnd Herren/ Hertzog Ferdinanden in || Bayrn e e e ¥. hochseligister Geda chtnuß/ auff || den 4 Altaren Jahrlich solemniter || celebriert wer­ e den. || Allen frommen Christen zu nutz || vnd trost in Truck verfertiget. || [TH] || Mun­ e chen/ || Bey Cornelio Leysserio/ Churfurstl: || Buchtrucker vnd Buchhandler. || ANNO M. DC. XXXV. || – [Am Ende:] Monachij, ipso Festo S. Martyris Sebastianis anno post partum Virginis 1635. adnodum Reverendae & illustris D. V. || Indignus Sacellanus || Joannes Khuen. || e I: Das erste Gesang. || Von Erhohung deß H. Creutz. || e e Ach jhr Kunst vnd Faculteten || Sollet ihr denn mußig stehn? || (6 Str.) II: Das ander Gesang. || Von S. Nicolao von Tolentin. || Orpheus den Klang der Saiten/ || Stimmt an im wilden Wald/ || (16 Str.) III: Das dritte Gesang. || Von S. Sebastian. || Nun mueß ich Vrlaub nem̄ en/ || Mein Todt ich vor mir sich/ || (9 Str.) IV: Das vierdt Gesang. || Von S. Joanno dem Tauffer. || e Kombt her jr Felsen hort mich an/ || Kombt her jr Seelen zum Jordan/ || (5 Str.) e V: Das funffte Gesang. || Von S. Johanno dem Apostel vnd Euangelisten. || Hin weck mit Angst vnd Sorgen/ || Vnd was den Leib betrifft || (8 Str.) e VI: Das sechste Gesang. || Von der heiligen Busserin Maria Magdalena. || Seyd gladen jhr/ jung Cavalier/ || Heut kom̄ et noch vnd nim̄ er/ || (18 Str.) [Überschriften auf dem Melodienblatt:] e Das erste gesang. Das ander. Das dritt. Das vierd. Das Funffte. Das sechste. Das sibend. 8° 7 Bl., 1 Bl. mit 7 Melodien. Bild (ZS): Nomen Domini Laudabile. Druckbeschr. nach Erk. Es sind zwar 7 Melodien auf einem besonderen Blatt abgedruckt, aber nur sechs Liedtexte vorhanden. Erk Nachl.: Bd. 37, S. 637–640: Titel, sieben Mel., sechs Liedtexte (jeweils nur die 1. Str.). Zu den Mel. folgende Anm.: „Wohl lauter bekannte Melodien, denen hier nur ein unter­ gelegter Text beigegeben?“ Erk merkt an: „Der Text zum 7. Gesang nicht vorhanden. Wohl Str. 7–18 des 6. Gesangs (s. vorher) gemeint, welche zu obiger Mel. zu singen: (7) So seht deñ den bekandten || Torphyrio den Heldt, ec.“ Lit.: BK I, 93, 301; Genz, S. 22, Nr. 1; DKL 1635/06 (gibt als Standort an: Berlin SB mit dem Vermerk „verloren“); Dünnhaupt Bd. 4, S. 2435, Nr. 1 („Früher Berlin SB (Kriegs­ verlust)“). Der Druck ist auch beschrieben in: A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn, in: Alemannia 9 (1881), S. 161. Dieser Druck befand sich auch in der Bibl. des Benediktiners Johannes Werlin aus dem Kloster Seeon, s. Hofmann, S. 41. Dieses Ex. ist ebenfalls verschollen. Bis auf Lied III sind auch alle Lieder mit ihren Melodien für Werlins umfangreiche handschriftliche Sammlung „Rhitmorum varietas“ verwendet worden.

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2. Convivium [Bl. 9–40] Johannes Khuen, Convivium Marianum München: Nikolaus Henricus 1637 Convivium || Marianum || Freudenfest || Deß || Him̄ lischen Frawenzim=||mers/ mit e e zwolff newen Ge=||sanglein geziert/ vnd in truck || verfertigt. || [12 Lieder] 8° [32] Bl., [1] gef. Bl., Noten. Druckbeschr. nach dem Ex. München SB: Res/Liturg. 456, Beibd.9. – Weit. Ex.: München SB: Res/P.o.germ. 314#Beibd.1 (Besitzeintrag: Collegii S. S. Monachi 1640); Stockholm KB: 173 P r (2) (Besitzeintrag: Soc. JESU Mindelhemij 1705); Philadelphia UB: Rare Book & Manuscript Library – Rare Book Collection. 838 K528. Erk Nachl.: Bd. 37, S. 640: nur Erwähnung, keine Liedabschriften. Lit.: Genz, Bibl. Nr. 3; DKL 1637/04; Dünnhaupt Bd. 4, S. 2437, Nr. 4; VD17 12: 122089V.

3. Epithalamium [Bl. 41–68] Johannes Khuen, Epithalamium Marianum München: Nikolaus Henricus 1638 Epithalamium || MARIANVM || Oder || Tafel Music/ || Deß him[m]lischen Frawen=|| zimmers/mit newen geistlichen || Gesänglein gezieret/ und allen Liebha|| bern der Erba­ ren/ und Verfolgern der || vnerbaren/ schändlichen Liedern zu || Nutz und Trost in Truck || verfertigt. || [Eine gereimte Vorrede in 5 Str. und 12 Lieder] 8° 28 Bl. u. 1 Bl. mit Noten. Titelbeschr. nach dem Ex. München SB: Res/P.o.germ. 314. – Weit. Ex.: München SB: Res/Liturg. 456#Beibd.8; Stockholm KB: 173 P r (1); Ber­ lin SB: Eh 7131 (Kriegsverlust). Erk Nachl.: Bd. 37, S. 640: nur Erwähnung, keine Liedabschriften. Lit.: Genz, Bibl. Nr. 7; DKL 1638/02; Dünnhaupt Bd. 4, S. 2436, Nr. 2.2; VD17 12: 122080B.

4. Florilegium [Bl. 69–98] Johannes Khuen, Florilegium Marianum München: Nikolaus Henricus 1638 Florilegium || MARIANVM || Der brinnendt || Dornbusch. || Mit zwölff Geistlichen || e Gesanglein/ meniglich zu gu=||tem/ sonderlich den Ordensper=||sonen zu trost in Truck e ver=||fertigt. || [Vign.] || Getruckt zu Munchen/ Bey || Niclas Hainrich. || [QS] || M. DC. XXXVIII. || [TE] [Vorrede in Prosa und 12 Lieder] 8° 28 Bl. u. 1 Bl. mit Noten. Titelbeschr. nach dem Ex. München SB: Res/Liturg. 456, Beibd.7. – Weit. Ex.: München SB: Res/P.o.germ. 314, Beibd.2; Stockholm KB: 173 P r (8). Erk Nachl.: Bd. 37, S. 640: nur Erwähnung, keine Liedabschriften. Lit.: BK I, 98, 337; Genz, Bibl. Nr. 3; DKL 1638/03; Dünnhaupt Bd. 4, S. 2437, Nr. 5.1; VD17 12: 122052X.

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5. Buchsbaum, Sixt Bl. 103–110 Der güldene Psalter Unser Lieben Frauen Innsbruck: Johann Gäch [um 1638] Der Guldine || Psalter vnser lieben || Frawen. || Gesangsweiß || gestellt durch || Sixt Buchs­ baum/ || Jn Hertzog || Ernsts Melodey. || [TH] || Getruckt zu Ynßprugg/ bey || Johann e Gachen. || Die Schrifft die gibt vnns weiß vnd Lehr/ wie vns Maria Psalter wer/ (21/13) 8° 8 Bl. TH: Maria u. Kind. Druckbeschr. nach Erk (2). Erk Nachl. (1): Bd. 36, S. 615: Titel u. Liedanfang; Anm.: „Nathusius Samml. Bl. 103.“. Erk Nachl. (2): Bd. 37, S. 637: Titel u. Str. 1; Anm. „Nathusius“. Lit.: BK I, 98, 336; Klier Nr. 21; RSM 43m.

6. Lieder [Bl. 111–118] Fünf geistliche Lieder und Kirchengesänge das erste Der Geistliche Scheck Ingolstadt: Wilhelm Eder 1635 e

e

Funff Geistliche Lieder vnd Kirchen Gesanger. Das Erste. Der Geistliche Scheck oder nutzliche Betrachtung des Todts. Das Ander. Das Euangelium auff den heiligen Weyh­ nacht=Tag. Das Dritt. Zu dem Newgebornen Christ Kindlein u. s. w. Das Vierdt. Ein e ander Weyhnachtgesang. Das Funfft. Das Euangelium auff den H. Ostertag. Jedes in beygestellt eigner Melodey. Durch A. M. von newem componiert. Gedruckt zu Jngolstatt durch Wilhelm Eder/ Anno 1635. e I: WJr Menschen bawen alle vest/ Vnd seyndt doch hie nur frembde Gast/ (12 Str.) II: ALs JEsus Christ geboren war/ Schickt Gott alßbaldt ein Engel dar/ (7 Str.) e III: REich vnd Arm̄ solln frolich seyn/ Auff disen Weynacht Tag. (15 Str.) IV: Hochgelobter Herr Jesu Christ, der du an heut geboren bist (3 Str.) V: FRewt euch jhr Christen all zugleich/ Dann Gottes Sohn von Himmelreich/ (10 Str.) VI: Selige Mutter ausserkhorn (3 Str.) 8° 8 Bl. Alle Lieder sind mit Noten versehen. Druckbeschr. nach Bäumker. Angabe der Lieder I–III u. V nach diesem früheren Ingolstädter Druck: e Vier Geistliche || Lieder vnnd Kirchen=||Gesanger. || Das Erste. || Medica Cithara, Oder nutzliche Be=||trachtung deß Todts. || Das Ander. || Das Euangelium auff den e heiligen || Weyhenacht Tag. || Das Dritte. || Ein ander schon Weyhenacht gesang/ || gemehrt vnd verbessert. || Das Vierdte. || Das Euangelium auff den heili=||gen Oster­ tag. || Jedes in seiner beygestelten eygnen Melodey. || Durch A. M. von newem com­ ponirt, || vnd zusammen gesetzt. || ÌÏ || Getruckt zu Jngolstatt/ durch || Gregorium e Hanlin/ im Jahr 1631. || Ex.: Frauenfeld KaB: HA 546 (6) Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 178, 202; BK I, 93, 302; DKL 1635/05 (gibt als Standort an: Berlin SB mit dem Vermerk „verloren“). Abdr. der Mel. v. Lied I nach diesem Ex.: Johannes Bolte, Die Volksmelodie des „Schecken“, in: Alemannia 20 (1892), S. 114–116, hier S. 116.

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7. Trostgarten Bl. 119–122 Der Seelen Trostgarten das ist Ein schönes neues Lied zu Lob und Ehren der allerseligsten übergebenedeiten Gebärerin und Mutter Gottes Maria Luzern: [David Hautt] 1641 e

Der Seelen || Trostgarten/ || Das ist: || Ein schon new Lied/ zu Lob || vnd Ehren der Aller­ e seeligsten vber=||gebenedyten Gebarerin vnnd || Mutter Gottes || MARIAE. || Jm Thon: Es nahet sich dem Summer/ ¥. || [TH] || Lucern/ || Jm Jahr 1641. e e e Trostlicher schoner Meyen/ Ach froliche Sommerszeit: (15 Str.) 8° 4 Bl. TH: Maria mit dem Christkind in Wolken. Druckbeschr. nach Erk; Bildbeschr. nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 627–629: Titel u. Liedtext; Anm.: „Fl. Bl. 7. Seite Bl. 119–122. Nathusius Samml.“. Lit.: BK I, 104, 377. Textabdr.: WKL V, Nr. 1585.

8. Gesang Bl. 123–126 Zwei schöne Gesänge das erste vom geistlichen Weinstock Innsbruck: Johann Gäch [um 1638] e

Zwey schone Gesang. || Das Erste || Vom Geistlichen Weinstock. || Christo Jesu/ sein || bitters Leyden vnd Ster=||ben zu betrachten. || Das Ander. || Das Magnificat/ seiner e e Gebenedeiten Muetter/ wie sie zu jhrer Baß Elisabeth vber das Geburg gangen. Konden beyde in einer Weiß/ auch bey Creitzgengen gesungen werden. Getruckt zu Ynnsprugg e bey Johann Gachen. I: Das erste Gsang/ der Wahre Weinstock. e e e WAs wollen wir aber singen/ wollen singen ein suesses Gsang (14 Str.) II: Das Ander Gsang. Das Magnificat Maria der Mutter Gottes. e e MAria hat jhr furgnom̄ en/ vber das Geburg zu gehn/ (16 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 631–634: Titel u. beide Liedtexte; Anm.: „Fl. Bl. 8. Bl. 123–126. Nathusius Samml.“; datiert 25. Nov. 66. (Abschrift im DVA: Bla 260) Lit.: BK I, 104, 379; Klier Nr. 19.

9. Lieder [Bl. 127–130] Drei schöne neue christliche Lieder das erste Jesulein du bist mein Augsburg: Georg Kreß 1619 e

Drey schone newe Christliche Lieder. Das erste. Jesulein/ du bist mein trost allwegen/ e etc. Das ander. Ach hochster Gott allein/ du bist der helffer mein/ etc. Das dritte. Jesulein mein/ was soll ich thun/ der leydige Sathan/ etc. – [Am Ende:] Getruckt zu Augspurg/ bey Georg Kreß. I: JEsulein/ du bist mein trost allwegen/ (7 Str.) e II: ACh hochster Gott allein/ du bist der helffer mein/ (9 Str.) III: JEsulein mein/ was soll ich thun/ der leydige Sathan/ (14 Str.) 8º 4 Bl. Titelbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: Lit.: WA II, 169, 151; BK I, 83, 243; John Roger Paas, Georg Kress, a Briefmaler in Augs­ burg in the late sixteenth and early seventeenth centuries, in: Gutenberg-Jahrbuch 1990, S. 177–204, Nr. 37 (nach Bäumker). Textabdr. v. I u. III: WKL V, Nr. 1489/90.

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10. Schildtwacht [Bl. 131–134] Beste Schildwacht der Heiligen katholischen Kirche [Innsbruck: Johann Gäch?] 1635 e

Beste Schildtwach der H Catholischen Kirchen/ zu trost allen betrubten Hertzen/ in kurtze Reimen verfaßt/ oder zu singen. Jm Thon: Ah limen optatum. || [TH] || Getruckt Jm Jahr/ 1635. || e e e O Selige Muetter voll Gnaden vnd Guter/ glorwurdigiste Matrona/ bitt fur vns Maria. (21 Str.) 8° 4 Bl. TH: Maria mit Kind. Druckbeschr. nach Crecelius. Erk Nachl.: – Lit.: Wilhelm Crecelius, Fliegende Blätter aus dem 30jährigen Kriege, in: Alemannia 11 (1883), S. 211–220, hier S. 219 („Den Typen nach könnte es in Innsbruck bei Johann Gächen erschienen sein“), Textabdr.: S. 216–217; BK I, 95, 314. Dieser Druck befand sich auch in der Bibl. des Benediktiners Johannes Werlin aus dem Kloster Seeon, s. Hofmann, S. 41.

11. Lobgesang [Bl. 135–139] Dieser Lobgesang ist zu Ehren der vielseligsten hochgebenedeitesten Jung­ frau und Mutter Gottes Marie […] gemacht Innsbruck: Johann Gäch 1638 Dises Lobgesang ist zu Ehren der Vil seligisten/ Hochgebenedeytesten Jungfrawen vnd e Muetter Gottes Marie/ vnserer allertrostlichsten vnd mächtigisten Fürsprecherin bey e GOTT von einem auß den Sundern doch guethertzigen Catholischen Christen gemacht: Folgendts inn das Gottshauß Einsidlen persönlich auffgeopffert/ da dann seyn eygne Handtschrifft vnd Namen zu finden ist. Vnd dann/ dem Hochwürdigen inn Gott Vatter/ e Fürsten vnd Herrn Vlrico/ Abt desselben Löblichen weitberumbten Gottshauß dediciert worden. Jm Thon: Jch gieng mit lust durch einen Waldt. Getruckt zu Ynnsprugg/ bey e Johann Gachen Anno 1638. Ein Jungckfraw zahrt von Edler Arth (34 Str.) 8° 4 Bl. Titelbeschr. nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 643: Titel. Lit.: WKL V, S. 1285; BK I, 99, 340; Klier Nr. 24.

12. Lieder [Bl. 140–147] Zwei schöne neue Lieder das erste die Himmelrosen genannt Innsbruck: Michael Wagner 1641 e

Zwey schone newe Lieder/ Das erste Die Himmel=Rosen genannt/ von Christi Leben/ Todt vnd Wandel. Die siben Worte Christi/ am Creutz gesprochen. Ynnsprugg/ bey Michael Wagner 1641. I: Es floß ein Rooß vom Himmel herab (61 Str.) II: Da Jesus an dem Creutze stund (9 Str.) 8° 8 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker (BK schreibt „Zwei“, hier korrigiert nach WA). Erk Nachl.: Lit.: WA II, 180, 218; BK I, 104, 373; Klier Nr. 32.

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13. Lieder Bl. 148–150 Drei gar schöne neue geistliche Lieder das Erste von der heiligen Büßerin Magdalena Innsbruck: Daniel Paur 1635 e

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Drey gar schone newe geistliche Lieder/ Das Erste: Von der heiligen Busserin Magdalena. Jm Thon: Ach Hertzig Hertz/ mit schmertz/ ec. Das Ander: Von der H. Junckfraw Bar­ bara. Jm Thon: Wie man den Maister Hillepranct singt. Das Dritt: Von der H. Junckfraw Dorothea. Jn seiner aignen Weiß. Getruckt zu Ynnsprugg/ bey Daniel Paur. 1635. I: ACh Magdalena/ mea gaudia! (6 Str.) II: Von der H. Junckfraw Dorothea. WEr ehren will den Herren/ der hat sein gueten fueg/ (6 Str.) III: Das Dritt: Von S. Catharina. [Anm. v. Erk: (Dorothea steht im Titel!)] e e e Es was ein Gottforchtigs vnd zuchtigs Junckfrawlein/ (15 Str.) 8° 4 Bl. Titelbeschr. nach Birlinger/Crecelius, Lieder nach BK und Erk. Möglichweise liegt ein Fehler in der (hier nach Erk zitierten) Blattzählung „148–150“ des Bandes vor, jedenfalls geben Erk, Bäumker und Wackernagel übereinstimmend einen Umfang von 4 Bll. an. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 629–631: Titel u. Lied III; Anm.: „Fl. Bl. 13. Bl. 148–150. Nathusius Samml.“; datiert 25. Nov. 66. (Abschrift im DVA: Bla 259) Lit.: WA II, 178, 201; BK I, 94, 309; Klier Nr. 4. Der Druck ist erwähnt in: A. Birlinger/ W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn X, in: Alemannia 12 (1884), S. 63. Textabdr. v. I u. II: WKL V, Nr. 1566/67. III ist das bekannte Lied von Nikolaus Herman über die Hl. Dorothea. Birlinger/Crece­ lius schreiben dazu: e e Hier lautet der Anfang „Es was ein Gottforchtigs vnd züchtigs Junckfrawlein, in dem Christlichen glauben auch vnderrichtet fein.“ Diese Aenderung war nötig, um den protestantischen Ursprung zu verdecken. Sonst ist das Lied ziemlich getreu wieder­ gegeben. Bäumker teilt aber merkwürdigerweise nicht den veränderten Liedanfang mit, sonden den originalen Hermans.

14. Gesang Bl. 151–154 Zwei schöne Gesänge das erste ein schöner Gruß zu der hochgelobten Jung­ frau und Mutter Gottes Maria Innsbruck: Johann Gäch 1638 e

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Zwey schone Gesang. Das Erste Ein schoner Grueß zu der Hochgelobten Jungfrawen vnd Mutter Gottes Maria. Jm Thon: Jst das der Leib Herr Jesu Christ. Das ander: O Wunder groß/ auß Vatters Schoß etc. in seiner bekandten Melodey. Getruckt zu Ynß­ e prugg/ bey Johann Gachen. Anno 1638. e e e I: Gegrußt seyst du schons Jungkfrawlein/ mein Seel die brinnt in Liebe dein/ (20 Str.) II: O Wunder groß/ auß Vatters Schoß/ ist Gott von Gott herkom̄ en/ (5 Str.) 8° 4 Bl. TH: Maria u. Kind. Titelbeschr. nach Bäumker, Bildbeschr. u. Lieder nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 615: Titel, Lied II und Lied I (Str. 1); Anm. „Nathusius Samml. Bl. 151.“; datiert 11. Dec. 66. (Abschrift im DVA: Bla 257.) Lit.: BK I, 98, 333; Klier Nr. 20. Textabdr. v. I: WKL V, Nr. 1575; Textabdr. v. II: WKL V, Nr. 1520 (nach anderer Quelle).

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15. Meyen Lied Bl. 155–158 Geistliches Maienlied von dem gnadenreichsten lieblichsten Maien Jesu Christi Luzern: [David Hautt] 1640 Geistlich || Meyen=Lied/ || Von dem Gnadenreichen || lieblichisten Meyen/ JEsum || Christum am Creutz han=||gend/ ¥. || Jm Thon: || Es nahet sich dem Som̄ er/ der || Winter ist bald dahin/ ¥. || [Metallschnitt] || Getruckt zu Lucern/ || Jm Jahr/ 1640. || e Es nahet sich dem Sommer/ so singen die Vogelein (27 Str.) 8° 4 Bl. Beschr. nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 34, S. 656: Titel; mit der Anm.: Nathusius Bl. 155; datiert: 12. Dec. 66. Erk setzt die Beschreibung neben die Titelbeschreibung von Nr. 60, die er 1862 notiert hatte. Den Text schreibt er nicht ab, vermerkt nur mit Bezug auf den Druck von 1640: die bessere Lesart! Lit.: WKL V, 1380, 619; BK I, 103, 370. Bäumker gibt die Strophenzahl fälschlicherweise mit 17 an. Dass es 27 waren, geht aus WKL V, S. 1380 hervor, wo er Anmerkungen u. a. zu den Str. 20–27 macht.

16. May Bl. 159–162 Der geistliche Mai das ist ein schönes geistliches Lied Innsbruck (?): Johann Gäch (?) [um 1630] Eine genaue Titelbeschreibung ist nicht verfügbar. Erk vermerkt lediglich neben die Titelbeschreibung von Nr. 60: „Ein 2ter (Bl. 159) in Nathusius Samml.“ und darunter „(3tes)“ mit der Titelbeschreibung von Nr. 15. Ob die Drucke Nr. 16 und 60 identisch waren, ob es sich um einen Druck mit gleichem Titel und Inhalt handelt, oder ob sie vom gleichen Drucker stammen, bleibt ungewiss.

17. Kreuz Bl. 163–170 Das heilige Kreuzlied aus der heiligen Passion unsers lieben Herren Jesu Christi genommen [o. O. um 1630] Das heylig Creutz Lied. Auß dem heiligen Passion vnsers lieben Herren JEsu Christi genommen. Jn seiner gewonlich Weyß zusingen || [TH] || Gedenck hierbey O frommer Christ/ Daß du diß Leidens Vrsach bist. ES gieng vnser liebe Frawe/ zu morgens in das Tawe/ (100 Str.) 8° 8 Bl. TH: Zwei Engel zu den Seiten eines umstrahlten Kreuzes knieend und dasselbe mit den Händen fassend, oben links und rechts Wolken, unten einige blühende Gewächse. Druckbeschr. nach WKL. Wackernagel vermerkt auch, dass dieser Druck der 7. in dem Sammelband war, Bl. 163–170. Laut der Luzerner Liste war es aber der 17. Druck, was auch besser mit den von Erk und Wackernagel übereinstimmend vermerkten Blattzahlen zu vereinbaren ist. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 616: Titel, Str. 1–5, 37 u. 64; datiert 12. Dec. 1866. Anm.: „Nathu­ sius Bl. 163.“ und „wohl zu Ynnsprugg bey Johann Gächen“. Lit.: BK I, 91, 297. Textabdr.: WKL II, Nr. 1194 (Str. 1–8): danach EB III, Nr. 2056; WKL IV, Nr. 1548 (vollst. Text). Im VD17 23: 692892A ist eine Augsburger Ausg. („zu finden bey Marx Anthoni Hannas“, um 1665) verzeichnet.

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18. Fastengesänger Bl. 171–178 Fünf schöne andächtige Fastengesänge Innsbruck: Johann Gäch [um 1638] e

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Funff schone andachtige Fasten || Gsanger. || Das bitter Leyden vnd ster=||ben Jesu Christi zu betrachten/ || so wol zu Hauß als in der Kirchen || zu singen. || Dz erst/ Jm Thon: Ohn dich mueß ich mich aller || Freuden massen. || Das ander/ das Geistlich Vhrwerck. || [TH] || Das dritte/ O hoch heiliges Creutze/ ec. || Das vierdte/ Da Jesus in e den Garten gieng/ ec. || Das funfft/ zu der Verwundten Seiten Christ/ || Zu Ynßprugg e bey/ Johann Gachen. || I: Ohn dich wil ich mich aller Frewden massen (21 Str.) II: O Mensch mit fleiß gedenk all stund/ darinnen du thust leben/ (13 Str.) III: O Hochheiliges Creutze (15 Str.) IV: DA JEsus in den Garten gieng/ Vnd er sein Leiden jetzt an fieng/ (11 Str.) e e V: JCH dich/ O Hertzwund Christi/ gruß/ o Brunn deß Lebens König suß! (4 Str.) 8° 8 Bl. TH: Jesus auf den Knieen. Beschr. von Titel u. II u. IV nach Erk, von V nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 34, S. 525–528, Titel und Text von IV u. danach von II; Anm.: „Blatt 176– 177. in Ph. Nathusius Samml.“ (über der Zahl 176 der Vermerk: „Ziffern geschrieben“). Die Blattzahlen beziehen sich offenbar nur auf Lied IV (Abschrift von Nr. IV im DVA: Bla 188); datiert am Ende von Lied IV: 24. Dec. 62; am Ende von Lied II: 6. Sept. 62. Lit.: BK I, 100, 346; Klier Nr. 17. Textabdr. v. II, IV u. V: WKL V, Nr. 1578–80.

19. Gesang Bl. 179–182 Drei geistliche Gesänge der erste Geistlich Jäger Innsbruck: Johann Gäch [um 1638] e

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Drey Geistlich gsang || Das Erste || Der Geistliche Jager. || Das ander/ Es Flog ein Vogele Leise/ zu || einer Jungfraw rein/ ec. || [TH] || Das dritte/ Aue Maria Klare/ du liechter || e Morgenstern. || Jedes in seiner bekandten Melodey. || Zu Ynßprugg bey Johann Gachen. || e I: Es wolt guet Jager jagen/ wolt jagen ins Himmels Thron/ (8 Str.) e II: Es Flog ein Vogele leyse/ zu einer Jungfraw fein/ (7 Str.) III: Ave Maria klare/ du Liechter Morgenstern/ (12 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 34, S. 506–510: Titel u. alle Lieder; Anm.: „Seite 179 in Nathusius Samml.“. (Abschrift im DVA: Bla 187). Lit.: BK I, 99, 342; Klier Nr. 18. Der Druck ist erwähnt in: a) Uhland (wie Anm. 1), S. 1038 (ohne Angabe des Standortes); b) K. E. Ph[ilipp] Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied, Stuttgart 1841, S. 868 (mit der Angabe 287 III [also die Luzerner Sign. des Bandes], Blatt 179); c) A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn X, in: Alemannia 12 (1884), S. 60.

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20. Lieder [Bl. 183–186] Zwei neue geistliche Lieder auf den geistlichen Stand gerichtet Augsburg: Marx Anton Hannas [um 1640] Zwey newe geistliche Lieder/ Auff den Geistlichen Stand gericht. […] || [TH] || Zu Aug­ spurg/ bey Marx Anthony Hannas. e I: GEgrußt seyst du/ Francisce/ du Engelischer Man̄ ! (5 Str.) II: O Wehe/ wie ist meim Hertzen/ wie lang ist mir die zeit! (8 Str.) 8° 4 Bl. TH: Der Hl. Franciscus. Druckbeschr. nach WKL. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 104, 374; WKL V, S. 1361. Textabdr.: WKL V, Nr. 1586/87.

21. Lieder [Bl. 187–190] Zwei schöne neue geistliche Lieder das erste Der geistliche Scheck und Braut­ schaft genannt Innsbruck: Johann Gäch [um 1635] e

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Zway Schone Geistliche Lieder. || Das Erste. || Der Geistliche Scheck vn̄ Brautschafft || e genandt. || Von dem himmlischen Brau=||tigam JESV. || Das Ander: || Die Geistliche e­ Braut, so da ist || die GOttliebende Seel. || [TH] || Getruckt zu Ynßbrugg bey Johann Ga chen. || [handschriftlich:] 1635. I: WJe vnaußsprechig ist die frewd, die || mir in mein Hertz hat zogen so weit, (7 Str.) II: O Jesu mein/ o mein Jesu/ wer bin doch ich/ vnd wer bist du? (22 Str.) 8° 4 Bl. TH: Christus trägt das Kreuz. Beschreibung nach dem oben zitierten Brief von Dr. Weckerling 1892; Lied II nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 646: Titel, Lied I u. Lied II (Str. 1, 1–2); Anm.: „Nathusius Samml. 2 Dec. 66.“. Lit.: WA II, 177, 194 [2]; BK I, 94, 310; Klier Nr. 11. Bäumker gibt den Titelwortlaut nicht wieder, sondern verweist nur bei der Beschreibung einer Augsburger Ausgabe (Q-6501: VD17 1: 043965K; BLF 692) auf diesen Innsbrucker Druck, der laut Bäumker „unter demselben Titel“ erschienen sei, jedoch vom Innsbru­ cker Druck erheblich abweicht: e e Zwey schone newe geistliche Gesang. || Der geistlich Scheck vnd Braut=||schafft e genandt. || Das Erste: || Von dem himmlischen Brau=||tigam JESV. || Das ander: || Von der geistlichen Braut/ die da ist || die GOttliebende Seel. || Jn jhrer eignen Melodey zusingen. || [TH] || Augspurg/ bey Marx Anthony Hannas. || Ex.: Berlin SB: Hymn. 10601 (digitalisiert). – VD17 1: 043965K; BLF 692.

22. Lieder [Bl. 191–194] Zwei schöne geistliche Lieder das erste von der christlichen Demut Luzern: David Hautt 1637 e

Zwey schone geistliche Lieder: || Das erste/ || Von der Chri=||stelichen Demut/ ¥. Jn || der Melodey/ wie die geist=||liche Fortuna. || Das ander/ || Jst ein Geistlich Lied/ daß vns e e e Gott || die lieben Frucht auff dem Feld Segnen/ || behuten vnd bewahren wolle. Jn der e Melo=||dey/ Wie schon leucht vns der || Morgen Stern/ ¥. || Durch einen Liebhaber der Gehor=||samen Jugent. || Lucern/ Getruckt bey David Hautt/ || Jm Jahr/ 1637. || e I: Wer Ohren hat zu horen/ der merck was ich jhm sag/ (20 Str.) II: Herr Gott Vatter in deinem Thron/ durch Jesum Christum deinen Sohn/ (5 Str.)

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8º 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 37, S. 633. Titel, Lied I (Str. 1) u. Lied II (die ersten drei Zeilen). Lit.: WA II, 179, 208; BK I, 96, 326. Der Druck ist teilweise auch beschrieben bei WKL V, S. 1307 u. 1338. Wackernagel teilt auch die Tonangaben mit, die bei Bäumker fehlen. Textabdr. v. II: WKL V, Nr. 1570.

23. Lied Bl. 195–198 Ein schönes noch nie an Tag gegebenes geistliches Lied Innsbruck: Daniel Paur 1635 Titel nach Weckerling: e Ein schones noch || nie an tag gegebenes geistlichs || Lied/ auß der gantzen Histori von || e e der Judith/ auß jhrem Buech=||lein gezogen. || Jm Thon: || Wie der Engellandisch Tantz gesungen wird. || [TH] || Zu Ynnsprugg/ bey Daniel Paur/ 1635. || Titel nach Bäumker: e Ein schounes[!] noch nie an tag gegebenes geistlichs Lied/ auß der gantzen Histori von e der Judith/ auß jhrem Buechlein gezogen. Jm Thon. Wie der Engella ndisch Tantz gesun­ gen wird. Zu Ynnsprugg/ bey Daniel Paur/ 1635. e Von einer schonen gschicht/ werden wir vnderricht/ (28 Str.) 8° 4 Bl. TH: Ein behelmtes Weib zerbricht eine Säule. Beschreibung des Druckes nach dem oben zitierten Brief von Dr. Weckerling 1892, danach war es „Nr. 23 der Samm­ lung“. Liedanf. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 641: Titel u. Str. 1; Anm.: „Nathusius Samml. S. 195.“ Lit.: BK I, 93, 303; Klier Nr. 3.

24. Ruff Ein schöner Ruf von dem heiligen Vorläufer und Täufer Christi Johannes Innsbruck: Johann Gäch [um 1638] e

Ein schoner Rueff/ || Von dem heiligen Vorlauffer vnd Tauffer Christi Johannes. Auß dem heiligen Euangelio vnd deß heiligen Johannis Leben gezogen…. Getruckt zu Ynß­ e prugg bey Johann Gachen. DV Heiliger Johannes/ du vil heiliger Man̄ / (17 Str.) [handschriftlich links:] Jm thon gelobt sey gott der vatter item in schwartz will ich mich kleiden item Frewt euch ihr liebe Christen. 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Entgegen der sonstigen Praxis gibt Erk den Titel nicht vollständig wieder, sondern setzt Auslassungspunkte. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 642: Titel u. Str. 1 bis 2,1–2; Anm.: „Nathusius Samml. Bl. 339.“ Lit.: BK I, 100, 347; Klier Nr. 16. Textabdr.: WKL V, Nr. 1576. Diesen Druck habe ich an diese Stelle gesetzt, obwohl die von Erk angegeben Blattnum­ mer hier nicht passt. Als Nr. 37 würde dieser Druck dagegen auch nicht passen.

25. Rueff Bl. 207a-214 Ein andächtiger Ruf von Unser Lieben Frauen Augsburg: Andreas Aperger 1632 e

Ein andachtiger Rueff/ Vonn vnser lieben Frawen/ vnd wunderlichen Vrsprung deß e Klosters Etall/ fur die Pilger vnd Wahlfarter/ so dahin kommen. Gedruckt zu Augspurg/ durch Andream Aperger. M. DC. XXXII.

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Eberhard Nehlsen e

I: Lasse vns Gott loben all zu gleich/ Der in der Gute mild vnd reich/ (115 Str.) e II: Gegrust seyest du Maria rein/ Voll Gnaden ist III: O Maria dich heben wir an zu loben 8° 8 Bl. Druckbeschr. nach Erk; Lied II u. III nach BK. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 646: Titel u. erste vier Zeilen von Lied I; Anm.: „Nathusius, Bl. 207a“. Lit.: BK I, 91, 297. Eine frühere Ausgabe erschien in Tegernsee 1617 (VD17 12: 103375X), bei Aperger erschienen noch zwei spätere Ausgaben: 1636 (VD17 12: 122048M) und 1639 (VD17 12: 626882P).

26. Růff Bl. 215–230 Geistlicher Ruf zu dem heiligen Märtyrer Sebastiano München: Nikolaus Henricus 1599 Geistlicher Ruff || zu dem heili=||gen Marterer Sebastiano/ || Darinn sein Leben vnd Lei­ den || begriffen wirdt. || Warumb er auch zur Pestilentz zeit anzuruffen/ sampt etlichen e e andachtigen Gebetten. || Gedruckt zu Munchen/ || durch Nicolaum Henricum. || Jm Jar 1599. || I: [2 S. mit jeweils 5 Reihen leeren Notenlinien] [Erk: „1stes Bl. mit gedr. Notenlinien versehen worden, worauf die Mel. geschrieben werden sollte“] e II: ZV deinem lob/ HErr Jesu Christ/ weil du der sach anfa nger bist/ (82 Str.) [BK mel­ det 92 Str.] III: [Prosaerzählung] IV: [vier Gebete] 8º 16 Bl. Titelbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36. S. 645: Titel u. Str. 1:, Anm.: „Nathusius’ Samml. Bl. 215.“. Lit.: BK I, 75, 187. Textabdr.: WKL V, Nr. 1416. – Ausg. desselben Druckers von 1601: VD17 12: 101990W.

27. Růff Bl. 233–236 Ein andächtiger Ruf von dem heiligen Beichtiger und Nothelfer St. Leon­ hart Thierhaupten 1598 e

Ein andechtiger Ruff/ von dem Heyligen Beichtiger vnd Nothelffer S. Leonhart: Darinn sein gantzes Leben vnnd grosse Miraculen Historischer weiß beschriben werden. || Gott e zu lob vn̄ d ehr auch allen S. Leonharts liebhaberen vnnd Kirchfarteren zu ehren gemacht. [ZS mit Initialen IHS] ¶ Getruckt zu Thierhaupten/ im Jar 1598. I: [vier Reihen Noten, offenbar mit unterl. 1. Str.] II: JN Gottes Namen heben wir an/ Kyrieeleison/ Wir rieffen all S. Leonhart an: Alle­ luia/ Gelobt sey Gott vnnd Maria. (53 Str.) 8º 4 Bl. Im offenbar geschnittenen Jesuitensiegel IHS ist über dem Querbalken des H ein Kreuz angebracht. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36. S. 639–640: Titel, Melodie u. Str. 1–2; Anm.: „(Fl. Bl. 27. Bl. 233. Nathusius)“. Lit.: BK I, 74, 184; EdK 3,4, b141; B97 u. S. 467 (EdK-Nachtrag). Textabdr.: WKL V, Nr. 1415. Die Mel. ist (nach anderer Quelle) abgedr. bei BK II, S. 133 f., u. EdK B97. Die von Erk notierte Melodie weicht aber davon ab.

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28. Růff Bl. 237–244 Ruf von dem heiligen Ritter St. Georg Augsburg: Sara Mangin 1621 Rueff || Von dem hey=||ligen Ritter S. || Gergen. || [ZS mit Initialen IHS] || Getruckt zu Aug=||spurg/ bey Sara || Mangin/ Wit=||tib. || [QS] || M. DC. XXI. || [TE] Zu Gottes Lob/ d’gehret würd/ Kyrieeleison [1. Str. ist m. Noten versehen] (108 Str.) 8° 8 Bl. Beschr. nach dem Ex.: Berlin SB: Ye 6166. - Weit. Ex.: München UB: W 8 H.eccl. 560; London BL: 11515.a.57 (2). Erk Nachl.: Bd. 36. S. 640: Titel, Melodie u. Str. 1–4; Anm.: „(Fl. Bl. 28. Bl. 237 Nathusius’ Samml.)“; datiert 10. Dec. 1866. Textabdr.: WKL V, Nr. 1491; Birlinger, A./Crecelius, W.: Des Knaben Wunderhorn I, S. 531–535. Der Druck ist erwähnt in: Birlinger, A./Crecelius, W.: Zu des Knaben Wun­ derhorn VI. In: Alemannia 9 (1881), 52, dort sind auch die ersten zwölf Str. abgedruckt. Lit.: WA II, 417, 1200 (nach dem Ex. in Berlin); BK I, 84, 249; DKL 1621/10; CBG, R 1190; VD17 1: 692080L; BLF 1981.

29. Růff Bl. 245–249 Geistlicher Ruf zu dem heiligen Märtyrer St. Veit Ingolstadt: Andreas Angermaier 1613 Geistlicher Ruff/ zu dem heiligen Martyrer S. Veit/ darinn sein Leben vnd Leyden e begriffen. Mehr ein schoner Ruff/ von vnser lieben Frawen/ zu alten Oettingen. Anno 1613. || [TH] || Cum facultate Superiorum. Gedruckt zu Jngolstatt/ durch Andream Angermayr. e Wir heben an zu Gottes Lob/ Kyrie. Von einer wunder schonen Prob, all. (56 Str.) 8º 4 Bl. TH: St. Veit. Druckbeschr. nach Erk. Zum Titelbl. vermerkt Wackernagel: „Das Datum Anno und 1613 zu den Seiten eines Holzschnittes in Medaillonform: St. Veit in dem Keßel, Umschrift S. VITE ORA PRO NOBIS IESVM.“ Der im Titel genannte Ruff hat ein besonderes Titelblatt. Deswegen wurden die beiden Teile als eigenständige Stücke aufgefasst haben jeweils eine eigene Nummer bekommen. Auch Erk, Wackernagel und das DKL – nicht aber Bäumker! – gehen von zwei eigen­ ständigen Drucken aus. Da der zweite Teil aber auf dem Titelblatt schon angekündigt ist, wären beide Teile zusammen als bibliographische Einheit zu betrachten. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 645; Titels u. Str. 1–2; Anm.: „Nathusius Bl. 245“; und: „Das 2. der genannten Lieder ist nicht beigedr. […] s. aber folg. S. als besonderes fl. Bl.“ Auf der nächsten S. wird jedoch merkwürdigerweise nicht auf den unmittelbar anschließenden Druck verwiesen, sondern der Titel eines früheren Ingolstädter Druckes des Liedes von 1599 (VD16 ZV 11819) wiedergegeben! Lit.: BK I, 79, 223 (betrachtet beide Teile als einen Druck); DKL 1613/13 (gibt als Stand­ ort an: Berlin SB mit dem Vermerk „verloren“). Textabdr. v. I: WKL V, Nr. 1480.

30. Růff Bl. 249–260 Schöner katholischer Ruf von unser lieben Frauen Ingolstadt: Andreas Angermaier 1613 e

Schoner Catholischer Růff || Von vnser lieben || Frawen/ vnd vralten Capel=||len zu alten e Oettingen/ Auch Auß=||zug deß außerleßnen Buchleins || D. Martin Eisengreins. || Allen Walfahrtern zu gefallen || vnd Geistlicher Ergetzung auff nach=||gesetzten Thon/ von

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Eberhard Nehlsen

newen || Reimen gestellt. || [TH] || 1613. || Getruckt zů Jngolstatt/ durch || Andream Angermayer. || [Drei Zeilen xylogr. Noten mit unterlegter 1. Str.] e Nun last vns frolich heben an/ Kyrieeleyson. Zů singen als was singen kann/ Alleluia/ Alleluia/ (122 Str.) 8º 12 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 35. S. 1075: Titel, Melodie u. Str. 1–6; Anm.: „Bl. 249. Fl. Bl. 30. Nathu­ sius’ Samml. 25. Nov. 66.“. Lit.: WKL V, 1380, 618; DKL 1613/11 („nicht nachweisbar“).

31. Růff Bl. 260–279 Andächtiger und katholischer Ruf von dem heiligen Regensburgischen Bischof St. Wolfgang Ingolstadt: Andreas Angermeyer 1613 e

Andachtiger vnd || Catholischer Růff/ || von dem || H. Regenspurgischen Bischoff || S. e Wolffgango/ || Als sein Heylthumb/ Nach sechshundert Jahren/ von dem Hochwurdigen e Fursten vnd Herrn/ Herrn Wolffgango/ Bischoffen zu Regenspurg/ Probsten vnd Herrn e zu Elwangen/ ¥. Anno sechzehenhundert vnd dreyzehene/ den funfften Maij/ inn S. e e Emmerami Kloster allda/ andachtig vnd herrlich erhaben worden/ Neben Etlichen trost­ lichen Gebettlein zu obgemeldtem Heiligen/ vnd einer Letaney. Anno 1613. || [TH] || Getruckt zu Jngolstatt/ durch Andream Angermayer. || Das walte Gott inn seinem Thron/ den loben wir mit newem Thon (179 Str. m. Mel.) 8º 19 Bl. Beschr. nach WKL V, S. 1222, Umfang laut Wackernagel: 2 ½ Bogen, laut Erk: 20 Bl. Erk Nachl.: Erk-Nachl., Bd. 35, S. 1075 f. Abschr. des Titels, der Melodie u. Str. 1–3; Anm. „Bl. 260. Fl. Bl. 31. Nathusius.“. Lit.: BK I, 80, 224; DKL 1613/17. Textabdr.: WKL V, Nr. 1479. Das DKL gibt die Beschreibung nach einem vermutlich ident. Ex. in Regensburg: e Andachtiger vnd || Catholischer Ruff/ von dem || H. Regenspurgischen Bischoff || S. Wolffgango/ || Als sein Heylthumb/ || Nach sechshundert Jahren/ von || dem Hoch­ e e wurdigen Fursten vnd Herrn/ || Herrn Wolffgango/ Bischoffen zu Regenspurg/ Probsten vnd Herrn zu Ellwangen/ &c. Anno sechzehen=||hundert vnd dreyzehene/ e e denn funfften Maij/ inn || S. Emmerami Kloster allda/ andachtig || vnd herrlich erha­ e ben worden/ || Neben || Etlichen trostlichen Gebettlein zu obge=||meldtem Heiligen/ vnd einer Letaney. || Anno || [Bild] || 1613. || 8º 20 Bl. Ex.: Regensburg SB: Liturg.176; Regensburg Bischöfliche Zentralbibliothek: SWS VSs 35.

32. Růff Bl. 280–289 Ein andächtiger Ruf für die Pilger München: Adam Berg 1603 e

e

Ein Andachtiger Rueff fur die || Pilgram. || Vom H. Bischoff || Bennone: Darinn sein Leben || gueten Theils/ vnd etliche Wunderwerck begriffen. || [TH] || Anno Domini: e e 1603. || – [Am Ende:] Gedruckt inn der || Furstlichen Hauptstatt Mun=||chen/ bey Adam Berg. || Anno || M. D. CIII. || [Lied I ist in drei Teile unterteilt:] I: Ein Rueff von S. Benno. || [folgen fünf Reihen Noten mit unterlegter 1. Str.:]

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Jhr lieben Christen/ singet her/ Frew dich S. Benno/ Zu Gottes vnd Sanct Bennons e Ehr. Alleluia/ bitt Gott fur vns Sanct Benno. (89 Str.) Volgende verß sol man vor S. Bennons Heylthumb vnd Altar kniendt singen/ Jn vor­ iger weiß, oder wie hernach notiert. [folgen vier Reihen Noten mit unterlegter 90. Str.:] e Wir gruessen dich von Hertzen sehr/ Heiliger Benno/ So uil wir seyen kommen her/ e Alleluia/ Gelobet sey Gott vnd Sanct Benno/ oder Bitt fur vns all S. Benno/ oder Erfrew vns alle S. Benno. (17 Str., num. 90–106) Beschluß vor S. Bennonis Bildtnus vnd Heylthumb/ wann man mit dem Creutz wider haimb wil. [folgen drei Reihen Noten mit unterlegter 107. Str.:] e Wir kom̄ en wider zu dir her/ vnd grussen dich nochmalen sehr/ Heyliger Bischoff Benno. (21 Str., num. 1–21) e e II: Ein andrer Rueff von S. Bennone/ fur die Munchner/ vor seinem Heylthumb vn̄ Altar zusingen: Jn der ersten oder andern Weiß. Jn Gottes Namen heben wir an/ Zu loben ein Heiligen Mann/ (44 Str.) 8º 12 Bl. (Erk: die zwei letzten leer; WKL u. BK geben 10 Bl. an). TH: Bischof Benno. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36. S. 634–639: Titel, die 3 Melodien, Lied I (teilw.) u. Lied II (vollst.); Anm.: „Fl. Bl. 32. Bl. 280–289. Nathusius’ Samml.“ (offenbar zählt Erk nur die bedruck­ ten Blätter); datiert 10. Dec. 1866. Lit.: BK I, 75, 196; DKL 1603/13 (gibt als Standort an: Berlin SB mit dem Vermerk „ver­ loren“); EdK 3,4, b150. Textabdr.: WKL V, Nr. 1455.

33. Freu dich Ignati Edler Held [Lied über Ignatius von Loyola] [Ingolstadt: Gregor Hänlin 1622] FRew dich/ Jgnati/ Edler Heldt/ dich lobt vnd ehrt die gantz Welt. (119/2) 8° 12 Bl. Beschreibung nach Wackernagel, der zu dem Druck anmerkt: „Das Titelblatt ist weggerißen; althandschriftlich ist A ij angemerkt: ‚Ingolstadij apud Gregor Hänsig. 1622.‘ Bei dem genannten Drucker kann es sich nur um Gregor Hänlin handeln.“ Statt des fehlenden Titel des Druckes fingierte Wackernagel aus einem anderen Druck eine eigene Überschrift: Ingolstädter Jubelgesang am 12. März 1622, an welchem Tage Ignatius von Loiola vnd Franciscus Xauerius von Papst Gregor XV. canoniziert vnd für Heilig erkandt worden. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 85, 254. Textabdr.: WKL V, Nr. 1492. Weder Wackernagel noch Bäumker vermerken, dass dieser Druck in dem Luzerner Sam­ melband enthalten war. Bäumker gibt als Herkunft nicht wie sonst den „Sammelband von Einzeldrucken“ an, sondern verweist lediglich auf Wackernagel. Jedoch besagt der Hinweis im alten Standortkatalog eindeutig, dass ein Druck mit diesem Lied im Band enthalten war. Auch die Zitierung des Liedanfangs „Freu dich Ignati Edler Held“ und nicht, wie bei den anderen Drucken, eines Wortes aus dem Drucktitel, ist ein klarer Hin­ weis darauf, dass es sich bei diesem Stück im Sammelband um einen Druck ohne Titel­ blatt handelte.

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34. Jubel Bl. 311–322 Geistliche Jubel- oder Freudengesänge Dillingen: Ulrich Rem 1622 e

Geistliche Jubell oder || Frewdengesang. || Vom Leben vnd || etlichen wunderwercken deß || Heiligen Dieners GOttes Ignatij, || von Loiola, wie auch Francisci Xauerij: || Beider e e auß der Societet || IESV. || So jungst von Bapstlicher Hei=||ligkeit Gregorio XV. offentlich e Canonizirt, || vnd fur Heilig erkandt worden den 12. || Martij 1622. || Jhm Thon || Frew e dich du Himmel Konigin/ || Frew dich Maria/ ¥. || [ZS] || Getruckt zu Dilingen inn der Academischen Tru=||ckerey bey Vlrich Rem. || M. DC. XXII. || I: HJmmel vnd Erden stimm zusam/ || Vnnd helff mir singen/ || (57 Str.) II: Frewdt vber frewdt O Christenthumb/ || Frewdt/ Alleluia. || (103/4) 8° 12 Bl. Das ZS zeigt ein umkränztes Medaillon mit den Initialen IHS in der Mitte. Beschreibung nach dem Ex. Aarau KaB: Rar 1 (26). Erk Nachl.: Bd. 36, S. 644. Titel u. Lied I, Str. 1, Lied II, Str. 1; Anm.: „Nathusius Bl. 311.“). Abweichend von obigem Titel schreibt Erk: „Jm Thon“, den Liedanfang v. I gibt er so wieder: „Him̄ el vnd Erden stim̄ zusam/ Vnnd helff mir singen/“ Lit.: WA II, 199, 390 (nach dem Ex. in Aarau); BK I, 84, 252.

35. Begriff [Bl. 323–330] Kurzer Begriff des Lebens St. Ignatii Lojola Innsbruck: Daniel Paur 1622 Kurtzer Begriff des Lebens S. Jgnatij Loiola/ Stiffters der Societet Jesu. Darbey auch e e etwas von S. Francisco Xauerio auch der Soc. Jesu, kurtzlich wirdt angerurt. Dem gemai­ e nen Mann zu gfallen in Teutsche Vers rezogen [sic!]. Getruckt zu Ynnßbruck/ bey Daniel Paur. 1622. e Wolan/ ein News Gesang erkling dem grossen Schopffer aller Ding (49 Str.) 8° 8 Bl. Druckbeschreibung nach Bäumker. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 85, 253; Klier Nr. 1.

36. Gesang Bl. 331–338 Ein neuer geistlicher Gesang von dem Hl. Francisco Xaverio München: Cornelius Leysser 1633 Ein newes Geistliches || Gesang/ || von dem || H. Francisco || Xaverio || der Societet JESV Priester/ || der Jndianer Apostel genant/ vnd || Lehrer der Heyden || [Vignette] || Jn seiner e aignen beygesetzten Melodey/ Chorweiß lieblich zu singen. Getruckt zu Munchen bey Cornelio Leysserio, Anno 1633. [6 Zeilen Noten, zweistimmig, laut Erk auf dem 2. Bl.] Heiliger Francisce/ liecht der Heidenschafft/ (32 Str.) 8° 8 Bl. Auf Bl. A1b: Bild des Franciscus Xaverius. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 641: Titel, Mel. u. Str. 1; Anm.: „Nathusius Samml. Bl. 331.“ Lit.: BK I, 91, 298; DKL 1633/06 (gibt als Standort an: Berlin SB mit dem Vermerk „ver­ loren“). Textabdr.: WKL V, Nr. 1563.

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37. Ruff Bl. 343–354 Andächtiger Ruf von dem heiligen Leben und Marterkampf Ingolstadt: Andreas Angermeyer 1613 e

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Andachtiger Ruff || Von dem H. Le=||ben vnd Marterkampff/ der || glorwurdigen Jung­ frawen || Sanct BARBARA. || Gezogen auß den namhafften Griechischen vnd Latein­ ischen Scribenten/ Joanne Damasceno/ Arsenio/ Petro Galesinio/ Simeone Metaphraste vnd Surio/ welche vmb das Jar nach Christi Geburt CC.XXXVI. vnder dem tyranni­ e schen Keyser Maximino/ das triumphierliche Sig Krantzlein der Marter erhalten/ deren e e Jarliche Festgedachtnuß den 4. Decembris in der Christlichen Kirchen gehalten wirdt. || [TH] || Anno Domini M. DC. XIII. Gedruckt zu Jngolstatt/ durch Andream Anger­ mayer. [Vier Reihen Noten mit unterl. 1. Str.; 1. Str. dann o. Noten wiederholt.] Zu Gottes Namen Lob vnd Ehr/ Kyrie e=le=i=son. Sein wir zusamen kom̄ en her/ Alleluia/ Alleluia. Gelobt sey Gott vnd Barbara. (160 Str.) 8º 11 Bl. (laut Erk: 12 Bl.) TH: Barbara. Druckbeschr. nach Erk. – Weit. Ex.: London BL: 11517.bbb.33. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 642: Titel, Mel. u. Str. 1 bis 3; Anm.: „Nathusius Samml. Bl. 343.“ Lit.: WA II, 198, 383 (nach Butsch, Antiqu. Monatsblätter 1862, Nr. 52, S. 431); Maltzahn 305, 723; BK I, 80, 226; DKL 1613/12 (gibt als Standort an: Berlin SB mit dem Vermerk „verloren“). Textabdr.: WKL V, Nr. 1481.

38. – [keine Angabe] 39. Lobgesang Bl. 355–358 Lobgesang zu Ehren der vielseligsten hochgebenedeitesten Jungfrau Maria zu Einsiedeln Luzern: David Hautt 1640 (?) Lobgesang || Zu Ehren der Vielseeligisten || Hochgebenedeyten || Jungfr. Maria || Zu Ein­ e sidlen. Von einem auß den Sundern/ doch Guthertzigen Catholischen Christen gemacht: folgend in das Gottshauß selbst auff geopffert/ da sein eygen Handschrifft vnd Namen zu finden. || [TH] || Getruckt zu Lucern/ Bey David Hautt/ Jm Jahr 1642. Ein Jungfraw zart/ von Edler art/ (35 Str.) 8° 4 Bl. TH: Maria. Druckbeschr. nach Erk; vermutlich ist die genannte Jahreszahl 1642 ein Lesefehler. Erk Nachl.: Bd. 36. S. 643: Titel u. Str. 1–5; Anm. „Nathusius Samml. Bl. 355.“ Lit.: WKL V, S. 1285; BK I, 103, 368 (mit der Jahreszahl 1640). Druck erwähnt in: A. Bir­ linger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn, in: Alemannia 9 (1881), S. 158 (auch mit der Jahreszahl 1640).

40. Jungfrau Bl. 359–366 Die unbefleckte allerreinste Jungfrau und Mutter Gottes Luzern: David Hautt 1638 Die Vnbefleckte/ Allerreiniste Jungfraw vnd Můtter GOttes/ Großwunderthetig zu Wer­ den Stein/ Lucerner Gebiets/ in dem Schweitzerland/ Jetzt new Reymen weiß verfaßt/

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Jm Thon/ Nachtigall/ dein edler Schall ¥. || [TH] || Sampt vnser lieben Frawen Letaney Gesangsweiß. Getruckt zu Lucern/ Bey David Hautt/ Jm Jahr/ 1638. I: JN dem Edlen Schweitzer Land/ kurtz vor wenig Tagen/ (30 Str.) e e II: Frew dich du Himmel Konigin/ frew dich Maria/ frew dich/ Gottes Gebarerin! (42 Str.) 8° 8 Bl. TH: die Verkündigung Mariae. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 1076: Titel, Lied I (nur Str. 1 u. 2,1–2) u. II (nur Str. 1); Anm.: „(Bl. 359. Fl. Bl. 40) Nathusius.“. (Abschrift im DVA: Bla 240). Lit.: BK I, 99, 345. Der Druck ist erwähnt in: A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn, in: Alemannia 9 (1881), S. 158. Textabdr. v. I: WKL V, Nr. 1572.

41. Seufzer Bl. 365–368 Seufzer zu Unser Lieben Frauen der Mutter Gottes Luzern: [David Hautt] 1640 Seufftzer zu vnser Lieben || Frawen/ der || Mutter GOttes/ vnd || Patronin. || Jn ein New Lied verfasset/ von || einem sondern Liebhaber der=||selben: Jm Thon: Kehr vmb mein Seel vnd || Trawre nicht/ ¥. || [TH] || Lucern/ im Jahr 1640. || Maria Mutter GOttes rein/ du bist mein trost/ zuflucht allein/ (31 Str.) 8° 4 Bl. TH: Christus am Kreuz, im Vordergrund rechts Maria mit dem Schwert in der Brust. Titelbeschr. nach Erk, der jedoch als Jahreszahl angibt 1648, WKL u. BK geben 1640 an, was angesichts der anderen Drucke in diesem Band eher zutreffen dürfte. Bild­ beschr. nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 1081: Titel u. Str. 1; Anm.: „(Fl. Bl. 41 Bl. S. 365 Nathusius)“. Lit.: BK I, 102, 360. Textabdr.: WKL V, Nr. 1582.

42. Lieder Bl. 369–372 Zwei geistreiche Lieder das erste Der Morgenstern Luzern: David Hautt 1637 Zwey Geistreiche || Lieder: || Das Erste/ || Der Morgenstern/ || Das Ander || Befehlung zů GOTT/ || vmb ein selig End. || [TH] || Lucern/ Getruckt bey David Hautt/ || Jm Jahr 1637. || e I: Wie schon leucht vns der Morgenstern/ voll Gnad vn̄ Warheit von dem Herrn/ (7 Str.) II: MEin junges Leben hat ein End/ mein Frewd vn̄ auch mein Leid/ (10 Str.) 8º 4 Bl. TH: Die Sonne. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 1077–1079: Titel u. Lied I (Str. 1) u. II (vollst.). Anm.: „Bl. 369. Fl. Bl. 42.“. Lit.: WA II, 179, 206; BK I, 97, 327. Druck ist erwähnt in: A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn, in: Alemannia 8 (1880), S. 158.

43. Lied [Bl. 373–380] Ein schönes Lied genannt Maria zart Luzern: [David Hautt] 1641 e

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Ein schon Lied || genannt Maria Zahrt/ || von Edler arth/ ¥. Durch einen bussenden Sun­ der/ in seiner grossen Kranckheit/ der Mutter GOttes zu Ehren vnd Liebe componiert

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vnd gedicht. Jetzo von newem vbersehen/ an vielen Orthen corrigiert vnd gebessert. || [TH] || Getruckt zu Lucern im Jahr/ 1641. MAria zart/ von Edler art/ Ein Roß ohn alle Doren/ (33 Str.) 8° 8 Bl. TH: Mutter Gottes. Druckbeschr. nach Erk, der anmerkt: „wahrscheinl. bei David Hautt gedr.“. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 1080: Titel u. Str. 1. Lit.: BK I, 105, 380.

44. Passion Bl. 381–384 Die Passion das ist ein schönes neues geistliches Lied vom Fall Adam und Eva Luzern: [David Hautt] 1640 e

Der Passion/ Das ist: Ein schon New Geistlich Lied/ Vom Fall Adam vnd Eva/ vnd Widerbringung Menschliches Geschlechts/ durch Christi Leyden vnd Aufferstehung. Jetzo aller from̄ en Christen zum erstenmahl in Truck verfertigt. Jm Thon/ wie man die Sieben Wort singet/ Da Jesus an dem Creutze stund. || [TH] || Getruckt zu Lucern/ Jm Jahr 1640. DJe Heilige Dreyfaltigkeit/ in einer ewigen Gottheit/ (42 Str.) 8° 4 Bl. TH: Christus am Kreuz, die beiden Schächer desgl. neben ihm, im Hintergrunde Jerusalem. Druckbeschr. nach Erk, Bildbeschr. nach WKL. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 1082: Titel u. Str. 1; Anm.: „Fl. Bl. 44. Bl. 381.“. Lit.: BK I, 102, 359. Textabdr.: WKL V, Nr. 1581.

45. Lieder Bl. 389–392 Drei schöne geistliche Lieder das erste der geistliche Buchsbaum von dem Streit des Fleisches wider den Geist Luzern: [David Hautt] 1638 e

Drey schone Geistliche Lieder/ || Das Erste: || Der Geistlich Buxbaum/ Von dem streit deß Fleisches || Wider den Geist. || Das Ander. || Wider die drey Ertzfeind || der Seelen. || e Das Dritte. || Gar sehr ist mein hertz entzunt/ || gegen Jesu Marien Kindt. || [TH] || Getruckt zu Lucern. 1638. e I: Nun horet zu jhr Christenleut/ wie Leib vnd Seel gegen einander streit/ (14 Str.) II: O Gott/ verley mir deine genad (7 Str.) e III: GAr sehr ist mein hertz entzundt gegen Jesu/ Marien kindt. (8 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk, der anmerkt: „(wol bei Dav. Hautt.)“. Erk Nachl.: Erk Nachl. Bd. 35, S. 1080: Titel u. Lied I, Str. 1; Anm.: „Fl. Bl. No. 45, Bl. 389. d. h. Nathusius Samml.“. Lit.: WA II, 179, 212; BK I, 98, 338. Textabdr. v. III: WKL V, Nr. 1574.

46. Adventlied Bl. 393–396 Ein schönes Advents- und Weihnachtslied Luzern: David Hautt 1638 e

Ein schon Advent || vnd Weynacht Lied. || Das Erste/ || Es ist ein Rooß || Entsprungen/ e auß einer || wurtzel zart. Das ander/ Reich vnd Arm sollen frolich sein/ an disem heiligen Tag/ ¥. || [TH] || Getruckt zu Lucern || Bey Dauid Hautt. 1638. ||

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Eberhard Nehlsen e

I: Ein schon Advent Lied. || ES ist ein Rooß entsprungen/ Auß einer wurtzel zart: (15 Str.) e II: Reich vnd Arm sollen frolich seyn/ an disem heiligen Tag/ (6 Str.) 8° 4 Bl. TH: Des Herren Einzug. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Erk Nachl. Bd. 36, S. 1081. Titel u. Lied I (Str. 1–2); Anm.: „Fl. Bl. 46, Bl. 393. d. h. Nathusius Samml.“. Lit.: BK I, 99, 339. Der Druck ist erwähnt bei WKL V, S. 1271. Textabdr. v. II: WKL V, Nr. 1521 (nach anderer Quelle, aber mit Verweis auf diesen Druck).

47. Lieder Zwei schöne Lieder das erste von Verachtung der Welt Luzern: David Hautt 1637 e

Zwey schone Lieder. || Das Erste: || Von Verachtung der Welt. || Nach dir o Geist||lich Leben/ richt ich all || meine Sinn/ ¥. || Jn einer bekanten Melodey. || Das Ander: || Mein GOtt vnd HErr || steh du mir bey/ ¥. || Jm Thon: || Ach Banden hart/ ¥. || [ZS mit den Initialen IHS] || Lucern/ || Getruckt bey David Hautt/ || Jm Jahr/ 1637. || I: NAch dir O Geistlich Leben/ richt ich || all mein Sin̄ : (16 Str.) II: MEin Gott vnd HErr steh du mir bey/ || wann ich soll scheiden von hinnen/ || (11 Str.) 8º 4 Bl. Beschr. nach dem vermutlich identischen Ex. Aarau KaB: Rar 1 (43). Erks Beschr. stimmt damit überein, bis auf: a) Erk Nachl.: Bd. 37, S. 633: Titel u. 1. Str. von I u. II; Anm.: „Ph. Nathusius. (Band mit flieg. Bl. aus dem 17. Jhrh.).“; datiert: 3. Juli 68. Neben dem 1. Lied die Anm.: „scheint ein weltliches Lied zu Grunde zu liegen.“ Vergleich der Titelabschrift mit dem Ex. Aarau: Erk teilt die Zeilentrenner mit, nach „Das Erste:“ fehlt aber einer. Statt „Mein GOtt vnd HErr“: Mein Gott vnd Herr. Das ZS erwähnt er nicht. Im Liedtext: Statt NAch: Nach. Statt „MEin GOtt vnd HErr“ schreibt er: „Mein Gott vnd Herr“. Statt „all mein Sin̄ :“: „all mein Sinn:“ Es ist kaum zu vermuten, dass hier eine andere Ausg. vorliegt, deswegen: auch bei Erk kommen kleine Ungenauigkeiten vor. Lit.: WA II, 179, 209; BK I, 96, 325. Textabdr. v. I: WKL V, Nr. 1569.

48. – [keine Angabe] Diesen Druck wegen des zum folgenden Lied passenden Liedthemas hierhin ge­ setzt: Ein schönes neues Lied von dem grimmigen und bitteren Tod Passau: Konrad Frosch 1640 e

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Ein schones newes Lied von dem grimmigen vnd bittern Todt/ vnd wie es dem Sundigen e Menschen in vnd nach demselbigen ergeht. Jm Thon: Erzurn dich nicht O frommer Christ. Gedruckt zu Paßaw bey Conrado Frosch. 1640. Der grimmig Todt mit seinem Pfeil (19 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 180, 216; BK I, 101, 356.

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49 Mortis Mortis Bellum universale Des Todes allgemeiner Krieg [Augsburg: Johann Ulrich Schönig] 1636 Mortis Bellum vniuersale: || Deß Todes allgemeiner Krieg. || Jn welchem alle || Menschen e vnderhalten/ be=||stritten werden/ vnd das Leben || verlieren mussen. || Zway newe Lie­ der. || Heut von zweyen Soldaten obernandten Ar=||mee gesungen vnd gemacht. || Vil­ e leicht bleiben sie morgen auch in diser || Schlacht. || [TH] || Gedruckt in dem Taglichen e Lager. || Anno 1636. || e I: O Mensch steh ab vø deiner sund/ || tracht zu erwerben (25 Str.) e II: KAyser/ Konig/ Dryfache Kron/ || Ynfel vnd Bischoffs Stabe (8 Str.) 8° 4 Bl. TH: Der Tod mit Stundenglas und Sense hinter einem Sarg. Beschr. nach dem Ex. der Landeskirchlichen Zentralbibliothek Stuttgart: DB 38/ 821; Erks Beschr. stimmt damit überein. Erk Nachl.: Bd. 37, S. 634: Titel, Lied I, Str. 1–2 u. Lied II, Str. 1 u. 2,1–2. Anm. „Nathu­ sius“. Lit.: BK I, 95, 316; Maltzahn 319, 800.

50. Lieder Zwei schöne neue Lieder zu Unser Lieben Frauen [o. O.] 1636 e

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Zway schone newe Lieder/ Zu vnser Lieben Frawen/ in Betrubten: vnd Kriegszeiten/ von Geistlich vnd Weltlichen gantz trostreich zusingen. Das erste/ Jm Thon: Ah limen optatum, da mihi virtutum contra hostes tuos. Das ander: Wie das von S. Catharina. || [TH] || Getruckt im Jahr 1636. e e e I: O Selige Muetter/ voll Gnaden vnd Guter/ Glorwurdigste Matrona/ bitt fur vns/ Maria! (25 Str.) e II: Maria/ du vil hoher Nam/ ich armer Sünder ruff dich an. (15 Str.) 8° 8 Bl. Druckbeschr. nach Crecelius. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 178, 203; Wilhelm Crecelius, Fliegende Blätter aus dem 30jährigen Kriege, in: Alemannia 11 (1883), S. 211–220, hier S. 219; BK I, 96, 321; Klier Nr. 25. Textabdr. v. I (Str. 1, 2, 12, 13, 19, 20): WKL V, S. 1356; Textabdr. v. II: WKL V, Nr. 1568. Lied I ist eine veränderte u. erweiterte Fassung des Liedes aus „Beste Schildtwach“ von 1635 (s. Nr. 10); Crecelius verzeichnet die Varianten dieses Druckes zu der Fassung von 1635.

51. Threnodia Threnodia oder sehnliches Klaglied über den traurigen tödlichen Abschied aus dieser Welt [o. O. 1618?] e

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THRENODJA. || oder sohnliches Klaglied. || Vber den trawri=||gen Todtlichen Abschid e auß diser Welt/ Weiland der allerdurch=||leuchtigsten/ Hochgebornen Furstin vnnd || e e e Frawen/ Frawen Anna gekronten Romischen Key=||serin/ ¥. Welche den 14. December deß 1618. || Seligklich in Gott entschlaffen ist. Jm || Thon: Woher kompt mir doch || dise zeit. || [TH] ||

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Hor auff mein Seel trawr nit so sehr/ ob schon dein Sund seind noch so schwer/ (25 Str.) 8° 4 Bl. TH: die Kaiserin. Druckbeschr. nach Erk. Bäumker setzt den Druck ins Jahr 1618, er könnte auch aus einer späteren Zeit stammen, vgl. folgenden Druck aus Augs­ burg von 1627 mit identischem Titelwortlaut: e THRENODIA. || oder sehnliches Klaglied. || Vber den trawrigen todtli=||chen Abschid auß diser Welt/ Wei=||land der aller Durchleuchtigsten/ Hoch=||gebornen e e e Fürstin vnd Frawen/ Frawen Anna/ || gekronten Romischen Keyserin/ ¥. Welche den 14. || December deß 1618. Jahrs/ seligklich in || Gott entschlaffen ist. Jm Thon: Wo || herkompt mir doch dise || zeit. || [TH] || – [Am Ende:] [ZS] || ¶ Getruckt zu Aug­ spurg/ bey || Mattheo Langenwalter/ || 1627. || Ex.: Frauenfeld KaB: HA 546 (4). Erk Nachl.: Bd. 37, S. 634: Titel u. Str. 1. Lit.: BK I, 83, 241.

52. Klaglieder Klaglieder über den tödlichen Abgang ihrer kaiserlichen Majestät Ferdinand [o. O. 1637] e

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Klaglieder/ || Vber den Tod=||lichen Abgang Jhrer Rom: Kay: May: || FERDJNANDJ II. e e || von Gottes Gnaden/ Erwohlten Romischen || Kayser/ ec. welcher diß 1637 Jahr/ den 15. Fe=||bruarij/ sein Leben vollendet/ vnnd in Gott || Seliglich Entschlaffen. || Jm Thon/ || Selig ist der Tag in dem ich muß scheyden/ ec. || [TH] || Getruckt zu Ynßprug bei e Johann || Gachen. || e e I: Ach was fur Trauren Weinen vnd Klagen/ mein hertz im Leib mocht mir verzagen/ (14 Str.) e II: Klag/ || Der Allerdurchl: Romischen Kayserin ELEONORA. || Hilff Gott/ wie wird mir dan̄ werden/ mir schwachen Kayserin auff Erden/ (6 Str.) 8º 4 Bl. TH: Kaiserlicher Doppeladler. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 37, S. 635–636: Titel, Lied I, Str. 1, 12, 13 u. Lied II, Str. 1–6; datiert 3. Juli 68. Lit.: BK I, 97, 329. vgl. Q-1560, eine zu Wien gedruckte Ausg.

53. Lied Ein schönes geistliches Lied von der Hl. Jungfrau und Märtyrerin Katharina Luzern: [David Hautt] 1641 e

Ein schon Geistlich Lied/ || Von der H. Jungfrawen || vnd Martyrin || Catharina. || Wie sie von dem Heydnischen Keyser || Maximiniano gemartert || worden. || [TH] || Getruckt zu Lucern/ Jm Jahr || 1641. || WJr loben die Heylig vnd die rein/ die heylig Jungfraw Catharin: (24 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 34, S. 503–505: Titel u. Text, Str. 1–24; Anm.: „Phil. Nathusiussche Samml.“; datiert 6. Sept. 63. (Abschrift im DVA: Bla 186). Lit.: BK I, 104, 378. Der Druck ist erwähnt bei WKL V, S. 1292. Textabdr.: WKL V, Nr. 1533 (nach anderer Quelle mit Varianten dieses Druckes).

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54. Jubelgesang Bl. 437–444 Zwei tröstliche Jubelgesänge der augsburgischen Konfession [o. O.] 1630 Zwey Trostliche Jubel=Gesang || der Augspurgischen Confession/ || auff jhr Jubelfest/ zu sonderbaren Ehren gemacht/ || vnnd gesungen. || Jm Jahr 1630. || I: Das erste JubelGesang. Jm Thon: In dulci Iubilo. Jns Luthers Iubilo, schreyen wir Mordio! (8 Str.) II: Jm Thon: Christ lag in Todtes?Banden. Wir solten iubilieren/ Springen mit allen vieren/ (17 Str.) 8° 8 Bl. (das letzte leer). Titel und Lied zit. nach K. E. Ph[ilipp] Wackernagel, Das deut­ sche Kirchenlied, Stuttgart: 1841, S. 865 mit der Standortangabe: „Lucerner Cantons-Bib­ liothek, 287. III Blatt 437“. Der Druck ist auch erwähnt bei Uhlands Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage, vierter Band, Stuttgart 1869, S. 243. Dort ist der Druck so beschrieben: Zwey Trostliche Jubel=Gesang Der Augspurgischen Confession/ auff jhr Jubelfest/ zu sonderbaren Ehren gemacht/ vnnd gesungen. Jm Jahr 1630. (Ein halber Bogen klein 8°. Lucerner Cantons-Bibliothek, in 2ter Auflage Frankfurter Stadtbibliothek.) Der auch heute noch in Frankfurt aufbewahrte Druck, der auch in anderen Bibliotheken vorhanden ist, sieht so aus: Zwey Trostliche Jubel=||Gesang || Der Augspurgi=||schen Confession/ auff jhr Ju=|| belfest/ zu sonderbaren Ehren ge=||macht/ vnnd gesun=||gen. || [ZS] || Jm Jahr 1630. || – [Am Ende:] [ZS] || I: Das erste JubelGesang. || Jm Thon: || In dulci Iubilo. || 1. || JNs Luthers Iubilo, || Schreyen wir Mordio! || (8 Str.) II: [Erläuterungen zu dem Lied in Prosa] III: Das ander JubelGesang. || Jm Thon: || Christ lag in Todtes Banden. || 1. || WJr solten Iubilieren/ || Springen mit allen vieren/ || (17 Str.) Ex.: Frankfurt a. M. StB: W 1155 (7); Wolfenbüttel HAB: 1076. 1 Theol. (11); Berlin SB: Hymn. 9876; Berlin SB: Hymn. 9876a; München SB: P.o.germ. 852 q-1,1/ 38#Beibd.1; London BL: 11515.aa.6. – WA I, 394, 625; VD17 1: 043714H; BLF 654. Textabdr.: WKL V, Nr. 1513/14. Franz Wilhelm v. Ditfurth, Die historisch-politi­ schen Volkslieder des dreißigjährigen Krieges, hrsg. v. Karl Bartsch, Heidelberg 1882, Nr. 54/55. Aus Uhlands Beschreibung allein wäre nicht auf eine andere Auflage zu schließen. Erst Wackernagels Mitteilung der Zeilentrenner zeigt die Unterschiede auf und so wird es plausibel, dass Uhland von zwei verschiedenen Auflagen spricht. Allerdings gibt Uhland einen Umfang von „einem halben Bogen“, also vier Blättern an. Dass dieses offenbar falsch ist, zeigen die Angaben bei Bäumker und Wackernagel, die beide 7 bedruckte Blät­ ter angeben. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 89, 281.

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55. Lieder Zwei schöne und gar andächtige geistliche Lieder von U. L. Frauen im Advent Straubing: Simon Haan 1635 e

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Zwey schone vn̄ gar andachtige geistliche Lieder/ von vnser lieben Frawen im Advent/ e vnd sonst taglich zu singen. Gedruckt zu Straubing/ bey Simon Haan. Jm Jahr 1635. e I: AVe Maria gratia plena! so grusset der Engel die Junckfraw Maria (12 Str.) e II: Ave Maria gegrust seyst du von mir (15 Str.) 8º 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Eine Ausg. Haans von 1639: e e Zwey schone vnd || gar Andachtige Geistliche Lie=||der/ von vnser lieben Frawen im e || Advent/ vnd sonst taglich zu || singen. || Das Erste Lied. || Aue Maria gratia Plena, e &c. || [TH] || Das ander Lied. || Aue Maria gegrust seyst du von/ ¥. || Gedruckt zu Straubing/ bey Simon Haan. || Jm Jahr 1639. || Ex.: New Haven, Yale University Library: BEIN Zg17 A2 Sch6. Mikrofilmed.: Ger­ man baroque literature, reel 307, no. 1043. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 178, 200; BK I, 94, 307. Textabdr. v. I: WKL V, Nr. 1564.

56. Klag- u. Freudenlieder Klag- und Freudlieder erstlich der armen betrübten und bedrängten lieben Seele in dem Fegefeuer Luzern: David Hautt 1641 e

Klag= vnd Frewd Lieder Erstlich/ Der armen betrubten vnd betrangten lieben Seelen in e dem Fegfewr. Das Ander/ Jubelgesang/ einer Erloßten Seel auß dem Fegfewr. Beyde Jm e Thon: Montebau: oder/ O der bosen Stundt/ da ich war verwundt/ ¥. || [TH] || Jetzt von Newem Getruckt zu Lucern/ bey David Hautt. 1641. I: O Schwehre GOttes Hand/ wie bist allhie zu land (50 Str.) II: O Milte Gottes Hand/ mich in das globte Landt (27 Str.) 8° 8 Bl. Titel- u. Bildbeschr. nach Wackernagel. TH: weibliches Brustbild in Flammen. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 104, 375. Textabdr.: WKL V, Nr. 1583/84. Eine spätere Ausg. vom selben Dru­ cker erschien 1653, s. VD17 1: 043919G.

57. Thomas Aquinas Bl. 465–472 St. Thomae Aquinatis Ecclesiae Doctoris […] Sequentia Augsburg: Christoph Mang 1614 S. THOMÆ || AQVINATIS || ECCLESIÆ DOCTORIS || de sanctissimo Eucharistiae || Sacramento SEQVENTIA, || Lauda Sion Saluatorem. || Latinè, || Graecè, || Germanicè edita. || AVGVSTÆ VINDELIC. || ad insigne sancti NICOLAI. || Permissu Superiorum. || M. DC. XIIII. || – [Am Ende:] AVGVSTÆ, || Excudebat Christophorus Mangius. || […] [Text auf lateinisch, griechisch und deutsch] 8º 8 Bl. Titelbeschr. nach dem Ex. München SB: Res/Catech. 66, Beibd, 5. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 80, 229; VD17 12: 128204S.

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58. Jubel Bl. 473–476 Geistlicher Jubel- oder Freudengesang Innsbruck: Johann Gäch 1631 e

Geistliches Jubel: oder Frewdengesang. Vonn dem Leben vnnd etlichen furnemmen Wunderthaten deß H. Dieners Gottes Jsidori/ deß Baurmanns von Madrit auß Hispa­ nnien. Welcher in dem Jahr 1622 den 12. Martij u. s. w. in die Zahl der Heyligen Gottes eingeschriben worden. Jm Thon: Der grimmig Todt mit seinem Pfeil. Gedruckt zu e Jnnsprugg durch Johann Gachen. 1631. Hoert an von mir/ wol mit Begier/ Was ich hier kurtz thu singen (20 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 90, 286; Klier Nr. 10.

59. Soldatenlieder Bl. 477–480 Zwei gar schöne neue brave frische aus der Maßen lustige Soldatenlieder [o. O.] 1635 e

Zwey gar schone/ Newe/ Praue/ fri=||sche/ auß der massen lustige/ || Soldaten Lieder/ welche vor || niemals in Truck kommen. || Das Erste Lied/ || Vorhanden ist die zeit/ ¥. || Das Ander Lied. || Ach wan̄ wird vnser Auffbruch sein/ || [TH] || Gedruckt anno 1635. || I: VOrhanden ist die Zeit/ das sich erhebt manch Streit/ (10? Str.) unvollst., nur Str. 1–3 sind vorhanden. II: ACh wann wirdt vnser auffbruch sein/ daß wir ziehen in Feld hinein/ (11 Str.) 8° (4) Bl. TH: Soldat, Gewehr auf der Schulter. Unvollständig: ein Bl., wohl A2, fehlt. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 34, S. 653–655: Titel u. vollst. Liedtexte; Anm.: „Blatt 477. des Ph. Nathu­ sius’sche Samml.“ (über der Zahl der Vermerk: „geschriebene Ziffer“); dat. 24. Dec. 62. (Abschrift im v. I im DVA: Bla 194). Lit.: A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn X, in: Alemannia 12 (1884), S. 59–79, hier S. 78, Textabdr.: S. 77–78.

60. May Bl. 481–484 Der geistliche Mai das ist ein schönes geistliches Lied Innsbruck: Johann Gäch [um 1630] e

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Der Geistliche May. || Das ist || Ein schon Geist=||liches/ Lied/ von dem schonen || Gard­ e e ten/ darinnen die liebe Gottes/ vnd || andere Schone Tugenden/ als schone || Blumen ab zu brechen || seindt. || Jm bekandten Thon/ oder auff die weiß || wie die Tagweiß zusin­ e gen. || [Metallschnitt] || Getruckt zu Ynsprugg bey Johann Gachen. || e Es nachet sich gegen dem Summer/ singen die waldtvogelein (26 Str.) [Verf.: Benedikt Gletting] 8° 4 Bl. Beschr. nach WKL. Erk gibt abweichend die Zeileneinteilung: „auff die weiß wie || die Tagweiß“ und beschreibt das Bild als Holzschnitt. Erk Nachl.: Erk Nachl. Bd. 34, S. 656–660: Titel u. vollst. Liedtext; mit der Anm.: „Blatt 481–484. Nummern geschrieben. Ph. Nathusius Samml.“, dat. 24. Dec. 62. Neben der Titelabschrift hat Erk auf zwei weitere Drucke hingewiesen (s. Nr. 15 u. 16), von einem (Nr. 15) auch den Titel abgeschrieben. Varianten dieses Druckes sind bei dem Liedtext vermerkt.

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Lit.: WKL V, 1380, 620; BK I, 89, 285; Klier Nr. 9.

61. Lied Bl. 485–488 Ein neues allamodisches Lied so zuvor nie in Druck ausgegangen [o. O.] 1631 e

Ein Newes || Allomodisches || Lied/ so zuvor nie in || Truck außgangen. || Nun horet von mir/ Allomodo Monsier/ ¥. || Jn seiner eignen Melodey. || [TH] || 1631. || e NVn horet von mir/ Allomodo monsier/ hat hinder jhn gelassen/ in allen Gassen/ (23 Str.) 8° 4 Bl. TH: Ein Mann. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 625–627. Titel u. Text. Anm.: „Fl. Bl. No. 61. S. 485–488. Nathusius Samml.“ (Abschrift im DVA: Bla 258). Lit.: WA I, 397, 642. A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunderhorn, VI: in: Ale­ mannia 9 (1880), S. 47–54, Textabdr. S. 53–54. Textabdr.: EB 309, mit der Quellenangabe: „Nathusius Sammlung. Abschrift des Originals in Erk’s Nachlaß (Hier von der verwil­ derten Orthographie gereinigt.) Verf. vermutlich ein Geistlicher.“

62. Lied Ein neues schönes Lied von den Wechslern und Schachern [o. O.] 1628 e

Ein newes schones Lied/ so zuvor nie inn Truck außgangen: Von den Wexlern oder Scha­ cheren. Jn seiner eignen Melodey. || [TH] || Gedruckt im Jahr/ 1628. e e Ach Gott was wollen wir heben an/ jetzt fangt sich ein großes vngluck an/ in aller welt schlegt auff das Gelt/ was Gott nicht wolgefellt. (27 Str.) 8° 4 Bl. TH: Zwei Männer stehend. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 36, S. 644: Titel u. Str. 1. Lit.: WA I, 392, 605.

63. Lied Ein schönes neues geistliches Lied das geistliche Einstmals ich Lust bekam Augsburg: Christoph Schmidt [um 1640] e

Ein schon newes Geistliches Lied. Das Geistlich: Einsmals ich lust bekam/ genandt. Eins­ mals ich lust bekam/ anzusprechen Gottes Sohn. Gedruckt zu Augspurg/ bey Christoff Schmid. Einsmals ich lust bekam/ anzusprechen Gottes Sohn (18 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: Lit.: WA II, 169, 152; BK I, 101, 354.

64. Klag Klage menschlichen Lebens München: Anna Berg 1614 Klag || Menschliches Lebens: || Sam̄ t treuhertzi=||ger Warnung/ wie sich ein || Christ e e e darinn solle ver=||halten. || Zu Munchen/ bey Peter || Kunig/ Kunstfurer zu=||finden. ||

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Der Sammelband Luzern-Crecelius e

Cum licentia Superio=||rum. || Anno 1614. || [TE] – [Am Ende:] Gedruckt zu Munchen/ bey Anna Bergin/ Wittib. || e Auff diser Erden in gemain/ || Drey Ding ich furnemblich bewain: || [Paarreimge­ dicht] 8º 9 Bl., vier Kupferstiche. Beschr. nach dem Ex. München SB: Res/Liturg. 456#Beibd.3. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 217, 508 (nach dem Ex. in München); BK I, 80, 230; VD17 12: 122033S.

65. Lieder Drei schöne geistliche Lieder das erste Geistlich Jäger Luzern: David Hautt 1637 e

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Drey schone Geistliche Lieder Das Erste: Geistlich Jager. Das Ander: Auß hartem wehe klagt Menschlich Gschlecht/ etc. Das Dritte: Jch hab so vil von Gottes Wort/ etc. || [TH] || Getruckt zu Lucern/ Bey David Hautt/ Jm Jahr/ 1637. e I: Es wolt gut Jager jagen (8 Str.) II: Auß hartem wehe klagt Menschlich Gschlecht (9 Str.) III: Jch hab so vil von Gottes Wort (4 Str.) 8º 4 Bl. TH: Gabriel erscheint der Maria. Titelbeschr. nach Birlinger/Crecelius. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 179, 210; BK I, 96, 323; A. Birlinger/W. Crecelius, Zu des Knaben Wunder­ horn X, in: Alemannia 12 (1884), S. 60 f.

66. Lieder Zwei schöne gar neue geistliche Lieder das erste Lied Wo kommt es her [o. O.] 1637 e

Zway schon: gar newe Geistliche Lieder. Das Erste Lied. Wo kombt es here/ das zeitlich Ehre/ etc. Jn der Melodey: Mein Hertz verwundet/ etc. Das ander Lied: Sag was hilfft alle Welte/ mit allem Guet vnnd Gelt. Jn der Melodey zu singen: Ach mein Gott kan es seyn/ etc. 1637. I: Wo kombt es here/ das zeitlich Ehre/ (17 Str.) II: SAg was hilfft alle Welt/ mit allem Guet vnd Gelt (9 Str.) 8º 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 298–300: Titel (unvollst.) u. Lied II (vollst.); Anm. „Ph. Nathusius Samml.“, „(S. 410a)“ [Die Zahl ist durchgestrichen] und „cop. 12. Mrz. 66“. (Abschrift im DVA: Bla 237). Lit.: WA II, 179, 207; BK I, 97, 328.

67. Lieder Zwei schöne neue geistliche Lieder das erste von einem Holzhacker und Edelmann Innsbruck: Daniel Paur 1638 e

Zwey schon newe Geistliche Lieder/ Das erst Von einem Holtzhacker vnd Edelmann u. e s. w. Jm Thon: Warum betrubst du dich mein/ ¥. Das ander Lied Von deß Menschen Armseligkeit/ vnd zergencklichen Frewden. Jm Thon: Wie man die siben Wort singt. Getruckt zu Ynßprugg, bey Daniel Pauer. 1638.

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Eberhard Nehlsen

I: Der Mensch mueß hon vil Angst vnnd noth/ wann er im Schwaiß gewinnt sein Brot (22 Str.) II: O Welt dein Pracht vnd Vbermut (24 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker (das erste Wort des Titels schreibt er wohl irrtüm­ lich als „Zwei“). Erk Nachl.: – Lit.: WA I, 284, 494; BK I, 99, 341; Klier Nr. 6. Textabdr. v. II: WKL V, Nr. 1573.

68. Lieder [keine Angabe möglich]

69. Adieu Geistliches Adieu oder Beurlaubung der Welt Straubing: Simon Haan 1638 Geistliches Adieu. || Oder Beurlaubung der Welt. || Einer Gottlie=||benden Seel so alles Zeit=||liches zuverlassen freywillig ent=||schlossen/ zu Trost vnd mehrerm Antrib/ || e e Meniglichen aber zu grosserer Erkandtnus/ sowol || Weltlicher Eytelkeit als Gluck: vnd Sicherheit || deß Ordenstands/ von einem eyfferigen Religio=||sen wolmainende von newem componirt || vnd auffgesetzt. || Jm Thon: || O heyliger Francisce du Engelischer/ ¥. || [ZS] || [QS] || Gedruckt zu Straubing/ durch Si=||mon Haan Anno 1638. || – [Am Ende:] [ZS] || O Welt/ O Welt dein falscher Schein || Betrengt die Menschen vil/ || (20 Str.) 8° 4 Bl. Beschr. nach dem Ex. Freising, Dombibliothek: M/150 00066/M. Erk Nachl.: – Lit.: BK I, 98, 334 (gibt „10 Str.“ an; offenbar irrtümlich).

70. Lieder [keine Angabe möglich]

71. Lied Ein schönes neues geistliches Lied von den heiligen fünf Wunden Christi Passau: Konrad Frosch 1639 e

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Ein schones newes Geistliches Lied von den heiligen funf Wunden Christi in Form aines e e geistlichen Gesprachs deß Engels/ vnd ainer kleinmuthigen trostlosen Seel. Jm Thon wie man die Kayserin singt etc. Gedruckt zu Paßaw. Durch Conradum Frosch. Anno 1639. O Seel/ O Seel/ O Seel wie lang (43 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Bäumker. Erk Nachl.: – Lit.: WA II, 180, 215; BK I, 101, 351.

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Der Sammelband Luzern-Crecelius

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72. Lied Ein schönes neues Lied Der Soldaten Segen genannt [o. O.] 1634 e

Ein schones newes Lied. || Der Soldaten || Segen genandt. Jst ein Ge=||schicht/ so sich e kurtzlich bey Kempten zwischen einem Predicanten vnd einem versuchten Soldaten begeben vnnd zugetragen/ Jn deme bemelter Soldat/ dem Predicanten ohne Schwerdt­ streich/ Mordt/ vnnd Bluetvergießen/ ohne schlagen/ fluchen oder schweren/ sondern allein mit gueten Worten/ sein Pferdt/ Gelt vnd Kleider angesprochen vnd abgebeutet. Jm Thon: Woher kombt mir doch dise Zeit/ ¥. Gedruckt in disem wehrenden 1634. Jahr. Der Soldat spricht den Predicanten freundlich an/ vnd spricht: e GOTT gruß euch lieber Domine, wie thuet euch das Reyten so wehe/ (29 Str.) 8° 4 Bl. Druckbeschr. nach Erk. Erk Nachl.: Bd. 35, S. 293–298: Titel u. vollst. Liedtext.; Anm.: „Ph. Nathusius Samml. (starker 8vo Bd. 17. Jahrh.)“, „(S. 432)“, datiert „12. Mrz. 66“. Lit.: Wilhelm Crecelius, Fliegende Blätter aus dem 30jährigen Kriege, in: Alemannia 11 (1883), S. 211–220, Textabdr.: S. 211–215. Ein Ausg. mit nahezu gleichem Titel aus dem Jahr 1633: e Ein schones newes Lied. || Der Soldaten || Segen vnd Geschicht/ so sich || mit einem e Pradicanten vnnd Landts=||knecht begeben vnd zugetragen/ Jn dem er sel=||bigen ohn Schwerdtstraich/ Mord vnd Blut=||vergiessen/ ohne schlagen/ fluchen/ schwe­ e ren/ || sondern allein mit guten Worten Pferdt/ || Geldt vnd Kleyder abge=||schwatzt. || Jm Thon: || Woher kombt mir doch dise Zeit. || [ZS] || Gedruckt im Jahr/ 1633. || Siehe: Hans Commenda, Weltl. Flugblattlieder des 17. Jahrhunderts, in: Jb. des Österreich. Volksliedwerkes 10 (1961), S. 3–20, Textabdr. S. 13–15.

Abgekürzt zitierte Literatur: BK: Bäumker, Wilhelm: Das katholische Kirchenlied in seinen Singweisen, 4 Bände, Frei­ burg i. Br. 1883–1911. BLF Berliner Liedflugschriften. Katalog der bis 1650 erschienenen Drucke der Staatsbib­ liothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, bearbeitet von Eberhard Nehlsen, heraus­ gegeben von Gerd-Josef Bötte, Annette Wehmeyer und Andreas Wittenberg. 3 Bände, Baden-Baden 2008–2009 (Bibliotheca bibliographica Aureliana 215–217). DKL: Das deutsche Kirchenlied: Kritische Gesamtausg. der Melodien, hg. v. Konrad Ameln u. Walther Lipphardt, Bd. I, Teil 1: Verzeichnis der Drucke, Kassel usw. 1975. (RISM, B/VIII/1) Dünnhaupt: Dünnhaupt, Gerhard: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. 2. verbess. Auflage, 6 Bände, Stuttgart 1990–1993 (Hiersemanns bibliographische Handbücher 9,1–9,6). EB : Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren Deutschen Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart gesammelt und erläutert von Ludwig Erk. Im Auftrage und mit Unterstützung der Königlich Preußischen Regierung nach Erk’s handschriftlichem Nachlasse und auf Grund eigener Sammlung neubearbeitet und fortgesetzt von Franz M. Böhme. 3 Bände, Leipzig 1893/94. EdK 3,4: Das deutsche Kirchenlied: kritische Gesamtausgabe der Melodien, Abt. 3: Die Melodien aus gedruckten Quellen bis 1680, hrsg. von der Gesellschaft zur Wissen­

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Eberhard Nehlsen

schaftlichen Edition des Deutschen Kirchenlieds, Bd. 4: Die Melodien von 1596 bis ca. 1610, vorgelegt von Joachim Stalmann. Bearb. von Hans-Otto Korth, Textbd. u. Notenbd., Kassel usw. 2009. Erk Nachl. Handschriftl. Nachlass Ludwig Erks in der SB Berlin, Musikabt., Ms.Erk A.224. (Der Nachlass umfasst 144 Bände; die relevanten Abschriften befinden sich in Bd. 34–37. Zum Teil wurden von diesen Aufzeichnungen Abschriften für das Deut­ sche Volksliedarchiv in Freiburg angefertigt, Hinweise darauf folgen bei dem jeweili­ gen Druck, Verweis „DVA Bla“.) Genz : Genz, Bernd: Johannes Kuen: Eine Untersuchung zur süddeutschen geistlichen Lieddichtung im 17. Jahrhundert, phil. Diss Köln 1957 [Maschinenschr. vervielf.] Hofmann: Hofmann, Dorothea: Die Rhitmorum varietas des Johannes Werlin aus Klos­ ter Seeon, Augsburg 1994 (Collectanea musicologica 7). Klier: Klier, Karl M.: Innsbrucker Lied-Flugblätter des 17. Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 4 (1955), 56–76. Uhland: Uhland, Ludwig: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder mit Abhandlung und Anmerkungen. Erster Band: Liedersammlung in fünf Büchern. Erste [und Zweite] Abtheilung. Stuttgart/Tübingen 1844–1845. WA: Weller, Emil: Annalen der Poetischen National-Litteratur, 2 Bände, Freiburg i. Br. 1862–64. WKL: Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied, 5 Bände, Leipzig 1864–1877.

Liederverzeichnis (normalisierte Liedanfänge) Ach Gott was wollen wir heben an/ jetzt fängt sich ein großes Unglück an Ach höchster Gott allein/ du bist der Helfer mein Ach ihr Künst und Fakultäten/ sollet ihr denn müßig stehn? Ach Magdalena/ mea gaudia! Ach wann wird unser Aufbruch sein/ daß wir ziehen in Feld hinein Ach was für Trauern Weinen und Klagen/ mein Herz möcht mir verzagen Als Jesus Christ geboren war/ schickt Gott alsbald ein Engel dar Auf dieser Erden in gemein/ drei Ding ich fürnehmlich bewein Aus hartem Wehe klagt menschlich Gschlecht Ave Maria gegrüßt seist du von mir Ave Maria gratia plena Ave Maria klare/ du lichter Morgenstern

62 9 1 13 59 52 6 64 65 55 55 19

Da Jesus an dem Kreuze stund Da Jesus in den Garten ging/ und er sein Leiden jetzt anfing Das walte Gott in seinem Thron/ den loben wir mit neuem Ton Der grimmig Tod mit seinem Pfeil Der Mensch muß han viel Angst und Not/ wann er im Schweiß gewinnt sein Brot Die heilige Dreifaltigkeit in einer ewigen Gottheit Die Schrift die gibt uns Weis und Lehr Du heiliger Johannes/ du viel heiliger Mann/ wir bitten dich mit Andacht

12 18 31 48 67 44 5 24

Ein Jungfrau zart von edler Art

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Der Sammelband Luzern-Crecelius Einstmals ich Lust bekam/ anzusprechen Gottes Sohn Es flog ein Vögele leise/ zu einer Jungfrau rein Es floß ein Ros vom Himmel herab Es ging unser liebe Fraue/ zu morgens in das Taue Es ist ein Ros entsprungen Es nahet sich gegen dem Sommer/ singen die Waldvögelein Es war ein gottfürchtiges und christlichs Jungfräulein Es wollt gut Jäger jagen

249 63 19 12 17 46 15/60 13 19/65

Freu dich du Himmelskönigin/ freu dich Gottes Gebärerin Freu dich Ignati edler Held/ dich lobt und ehrt die ganze Welt Freud über Freud o Christentum/ Freud Alleluia Freut euch ihr Christen all zugleich/ dann Gottes Sohn von Himmelreich

40 33 34 6

Gar sehr ist mein Herz entzündt/ gegen Jesu Marien Kind Gegrüßt seist du Maria rein/ voll Gnaden ist das Herze dein Gegrüßt seist du Francisce/ du engelischer Mann Gegrüßt seist du schöns Jungfräulein/ mein Seel die brinnt in Liebe dein Gott grüß euch lieber Domine/ wie tut euch das Reiten so wehe

45 25 20 14 72

Heiliger Francisce/ Licht der Heidenschaft Herr Gott Vater in deinem Thron/ durch Jesum Christum deinen Sohn Hilf Gott wie wird mir werden/ mir schwachen Kaiserin auf Erden/ Himmel und Erden stimm zusamm/ und helf mir singen Hinweg mit Angst und Sorgen/ dem und was den Leib betrifft Hochgelobter Herr Jesu Christ/ der du an heut geboren bist Hör auf mein Seel traur nit so sehr Hört an von mir/ wol mit Begier/ was ich hier kurz tu singen

36 22 52 34 1 6 51 58

Ich dich o herzwund Christi/ grüß o Brunn des Lebens König süß Ich hab so viel von Gottes Wort Ihr lieben Christen singet her zu Gottes und Sankt Bennons Ehr In dem edlen Schweizer Land kurz vor wenig Tagen In Gottes Namen heben wir an/ wir riefen all St. Leonhart an In Gottes Namen heben wir an/ zu loben ein heiligen Mann Ins Luthers Jubilo/ schreien wir Mordio

18 65 32 40 27 32 54

Jesulein/ du bist mein Trost allwegen Jesulein mein was soll ich tun/ der leidige Satan/

9 9

Kaiser König dreifache Kron/ Infel und Bischofsstabe Kommt her ihr Felsen hört mich an/ kommt her ihr Seelen zum Jordan

49 1

Lasset uns Gott loben all zugleich/ der in der Güte mild und reich/ Lob o Sion Lob mit Ehren

25 57

Maria du viel hoher Nam/ ich armer Sünder ruf dich an Maria hat ihr fürgenommen/ über das Gebirg zu gehen

50 8

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Eberhard Nehlsen

Maria Mutter Gottes rein/ du bist mein Trost Zuflucht allein Maria zart/ von edler art/ ein Ros ohn alle Doren Mein Gott und Herr steh du mir bei/ wann ich soll scheiden von hinnen Mein junges Leben hat ein End/ mein Freud und auch mein Leid

41 43 47 42

Nach dir o geistlich Leben/ richt ich all mein Sinn Nun höret von mir/ Allamode Monsier Nun höret zu ihr Christenleut Nun lasst uns fröhlich heben an/ zu singen alles was singen kann Nun muß ich Urlaub nehmen/ dem mein Tod ich vor mir seh

47 61 45 30 1

O Gott verleih mir deine Genad O hochheiliges Kreuze O Jesu mein o mein Jesu/ wer bin doch ich und wer bist du? O Maria dich heben wir an zu loben O Mensch mit Fleiß gedenk all Stund/ darinnen du tust leben O Mensch steh ab von deiner Sünd/ tracht zu erwerben O milde Gottes Hand/ mich in das gelobte Land O schwere Gottes Hand/ wie bist allhie zu Land O Seel o Seel o Seel wie lang O selige Mutter voll Gnaden und Güter/ glorwürdigste Matrona O wehe wie ist meim Hertzen/ wie lang ist mir die Zeit O Welt dein Pracht und Übermut O Welt o Welt dein falscher Schein/ bedrängt die Menschen viel O Wunder groß/ aus Vaters Schoß Ohn dich will ich mich aller Freuden maßen Orpheus den Klang der Saiten/ dem stimmt an im wilden Wald

45 18 21 25 18 49 56 56 71 10/50 20 67 69 14 18 1

Reich und arm solln fröhlich sein/ auf diesen Weihnachtstag Sag was hilft alle Welte/ mit allem Gut und Geld Seid gladen ihr jung Cavalier/ heut kommet noch und nimmer Selige Mutter auserkorn

6/46 66 1 6

Tröstlicher schöner Maien/ ach fröhliche Sommerszeit

7

Von einer schönen Gschicht/ werden wir unterricht Vorhanden ist die Zeit/ dass sich erhebt mancher Streit/

23 59

Was wöllen wir aber singen/ wöllen singen ein süßes Gesang Wer ehren will den Herren/ der hat sein guten Fug Wer Ohren hat zu hören/ der merk was ich ihm sag Wie schön leucht uns der Morgenstern Wie unaussprechlich ist die Freud/ die mir in mein Herz hat zogen so weit Wir heben an zu Gottes Lob/ von einer wunderschönen Prob Wir loben die heilig und die rein/ die heilig Jungfraw Catherein Wir Menschen bauen alle fest/ und seind doch hie nur fremde Gäst Wir sollten jubilieren/ springen mit allen vieren

8 13 22 42 21 29 53 6 54

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Der Sammelband Luzern-Crecelius

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Wo kommt es here/ das zeitlich Ehre Wohlan ein neus Gesang erkling/ dem großen Schöpfer aller Ding

66 35

Zu deinem Lob Herr Jesu Christ/ weil du der Sach Anfänger bist Zu Gottes Lob d’gehret würd/ Kyrieeleison Zu Gottes Namen Lob und Ehr/ sein wir zusammen kommen her

26 28 37

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Neues von Komponisten und Dichtern des Evangelischen Gesangbuchs und vergleichbarer Gesangbücher (10) Wolfgang Herbst

Gesangbuch-Sigel: BEP BT CG EG GL HE KG EM NB NEK Öst RG West Wü

EG-Regionalteil für die Ev. Landeskirchen in Baden, Elsass, Lothringen und der Pfalz (1995) EG-Regionalteil für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen (1994) Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz (2004) Evangelisches Gesangbuch, Stammausgabe der Evangelischen Kirche in Deutschland (1993) Gotteslob, Katholisches Gebet- und Gesangbuch (1975) EG-Regionalteil für die Ev. Kirche in Hessen und Nassau und die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck (1994) Katholisches Gesangbuch. Gesang- und Gebetbuch der deutschsprachigen Schweiz (1998) Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (2002) EG-Regionalteil für die Ev.-Luth. Landeskirchen in Niedersachsen und für die Bremische Evang. Kirche (1994) EG-Regionalteil für die Nordelbische Evangelisch-lutherische Kirche (1994) EG-Regionalteil der Evangelischen Kirche in Österreich (1994) Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz (1998) EG-Regionalteil für die Ev. Kirchen im Rheinland, in Westfalen und für die Lippische Landeskirche (1996) EG-Regionalteil für die Evangelische Landeskirche in Württemberg (1996)

Bertram, Hans Georg: Am Freitag, den 12.7.2013 verstarb in Berlin der Komponist und Professor an der Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in Esslingen/Tübingen Dr. Hans Georg Bertram. Er schuf die Melodien für die Lieder Du kannst nicht tiefer fallen (EG 533) und Aus tausend Traurigkeiten gehn wir zur Krippe still (Kanon HE 540, NB 542). 30 Jahre lang war er Organist an der Stadtkirche St. Dionys in Esslingen, wo am Samstag, 21. September 2013 ein Trauergottesdienst stattfand. Medingen Neuere Forschungen haben ergeben, dass alle Handschriften in Kloster Medingen erst nach der Klosterreform 1479 entstanden sind. Bei Sämtlichen Erwähnungen von

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Neues von Komponisten und Dichtern des Evangelischen Gesangbuchs

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Medingen muss demnach im EG als Datierung „Ende 15. Jahrhundert“ oder „nach 1479“ eingetragen werden. Alle früheren Datierungen sind überholt. Lit.: Achten, Gerard: „De Gebedenboeken van de Cistercienserinnenkloosters Medin­ gen en Wienhausen“. In: Miscellanea Neerlandica 3 (1987), FS Jan Dechamps, 173– 188. Pilz, Winfried: Der katholische Priester Winfried Pilz hat über 200 Lieder geschrieben. Sein bekanntestes ist Laudato si (EG 515, RG 529, CG 919), dessen Titel und Refrain aus dem Sonnengesang des Franz von Assisi stammt. Die weiteren Strophen schuf Pilz in Anlehnung an den Gesang der Jünglinge Dan 3,52–90 (Septuaginta und Vulgata). Bei den EG-Revisionen sollte die Verfasserschaft nachgetragen werden. Pilz hat das Lied 1974 geschaffen (Erstdruck 1975) und die mündlich überlieferte Melodie bearbei­ tet und geformt. Winfried Pilz wurde am 4.7.1940 in Warnsdorf/Nordböhmen (tschech. Varnsdorf) geboren, wurde 1946 mit Familie vertrieben und kam 1952 nach Wermelskirchen, studierte Theologie und wurde Priester des Erzbistums Köln. Er war in der Jugendseelsorge tätig, leitete das Deutsche Katholische Missionswerk und übernahm 2010 die Auslandspfarrstelle in Prag. Ausführliche Informationen darüber bei Lenz, Matthias: Laudato si – nach dem Son­ nengesang des Franz von Assisi? In: Keuchen, Marion/Kuhlmann, Helga/Leutzsch, Martin: „Musik in Religion – Religion in Musik“ (Populäre Kultur und Theologie, Bd. 10), Jena 2013, 271–289. Hermes, P. Michael OSB: Der Schöpfer des Kanons Schweige und höre, Pater Michael Hermes OSB, ist am 14.3.2014 in der Abtei Königsmünster in Meschede verstorben. Der Text seines Kanons ist nach Worten der Regel des Benedikt von Nursia gestaltet. Der Kanon findet sich in NEK 614, KG 600, CG 911, RG 166 und im Gotteslob II (2013) Nr. 433 (2. Strophe). P. Michael Hermes ist 76 Jahre alt geworden.

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Literaturbericht zur Hymnologie Deutschsprachige Länder (2011, 2012) 2013

Andreas Marti

Zeitschriften-Sigel: FKM Forum Kirchenmusik, München (früher: Der Kirchenmusiker) KMJ Kirchenmusikalisches Jahrbuch, Regensburg/Köln LK Liturgie und Kultur, Hannover MGD Musik und Gottesdienst, Basel MuK Musik und Kirche, Kassel MS(D) Musica Sacra, Regensburg MuL Musik und Liturgie, Gossau CH (früher: Singen und Musizieren im Gottes­ dienst/Katholische Kirchenmusik) SiK Singende Kirche, Wien ThG Thema: Gottesdienst, Evang. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Ober­ lausitz/Evang. Kirche im Rheinland WBK Württembergische Blätter für Kirchenmusik, Stuttgart Wir danken Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für Hinweise auf Neuerscheinungen.

I. Theologie und Kirchenmusik A. Grundsätzliche Besinnung Arnold, Jochen/Fendler, Folkert/Grüter, Verena/Kaiser, Jochen (Hg.): Gottesklänge. Musik als Quelle und Ausdruck des christlichen Glaubens. Leipzig 2013. 284 S. Enthält die folgenden Beiträge: Bubmann, Peter: Gottesbilder in der Musik (17–26). – Gutmann, Hans-Martin: Popularmusik der Gegenwart. Triviales, Verbindendes, Reli­ giöses. Eine Spurensuche (27–44). – Kaiser, Jochen: Wie erleben Menschen Gott durch geistliche Musik? (45–54). – Altenmüller, Eckart: Was passiert im Gehirn, wenn wir (populäre) Kirchenmusik hören? Ein Exkurs zur Neurobiologie der Wirkungen von Musik (55–62). – Arnold, Jochen: Bilder und Aussagen von der neuen Welt Gottes im Kirchenlied (63–100). – Schütgen, Tatjana: Gott – frauennah. Gottesbilder in Liedern der Frauenbewegungen und im aktuellen Gemeindelied (101–126). – Hempel, Chris­ toph: Was macht Musik zu guter Musik? (127–143). – Kreutz, Gunther: Töne, die gut tun. Kognitive und emotionale Wirkungen von Musik. (143–154). – Klek, Konrad: Musik im Gottesdienst – zwischen künstlerischem Anspruch und Gemeindhorizont (155–164). – Arnold, Jochen: Musik im Gottesdienst – liturgietheologische und drama­

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Deutschsprachige Länder (2011, 2012) 2013

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turgische Überlegungen (165–174). – Bubmann, Peter: Zur Kriteriologie der Musik im Gottesdienst (175–192). – Grüter, Verena: Kirchenmusik im Kontext – Zur Bedeutung der Musik für christliche Identität in der Ökumene (193–210). – Szarán, Luís: Jesuiten­ reduktionen in Südamerika – Glanz und Verfall musikalischer Kunst (211–220). – Shemweta, Mose: Mit Chor- und Posaunenklang: Alte und neue Kirchenmusik in Tanzania (221–224). – Tan, Sooi Ling: Lobpreismusik weltweit – Theologie und Spiri­ tualität eines musikalischen Genres aus asiatischer Perspektive (225–246). – Baltes, Guido: Worshipmusik im europäischen Kontext (247–260). – MacArthur, Terry: Let the nations sing! – Lasst die Völker singen (261–274). – Teichmann, Wolfgang: Musi­ kalische Begegnungen in Brasilien, Namibia und Tansania – Drei Reiseberichte (275– 280). Bubmann, Peter: „Nun singe Lob, du Christenheit“. Zur Notwendigkeit des Hymni­ schen in christlicher Lebenskunst und Liturgie. In: MuK 84 (2014), 340–346. Bubmann, Peter: Klangraum der Freiheit. Zur Präsenz evangelischen Glaubens in der Gegenwartsmusik. In: HfK aktuell, Nachrichten der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg 8 (Nov. 2013), 4–8. De Gregorio, Vincenzo: „Mit dem Gesang betet ihr und regt zum Gebet an“. Benedikt XVI. und die Kirchenmusik. In: MS(D) 133 (2013), 68–70. Gassmann, Michael (Hg.): Der eine Gott und die Vielfalt der Klänge. Sakrale Musik der drei monotheistischen Religionen. Vorträge des Symposiums im Rahmen des Musik­ festuttgart 2012. Schriftenreihe der Internationalen Bachakademie Stuttgart 18. Kassel 2013. 228 S. Enthält die folgenden Beiträge: Maier, Hans: Der eine Gott und die Vielfalt der Klänge (9–32). – Nemtsov, Jascha: Synagogenmusik im heutigen Deutschland: alte Vorbilder, neue Tendenzen, internationaler Vergleich (33–56). – Skala, Dominik: Das Priestertum mit der Kunst in Einklang bringen, oder: Welches Bild hat die Katholische Kirche von ihrer Musik? (57–84). – Krieg, Gustav A.: Konfessionelle Vielfalt und reformatorische Identität. Zum Selbstverständnis der Kirchenmusik in den Reformationskirchen (85– 132). – Hannick, Christian: Das Schöne und das Erhabene in der byzantinischen Musik (133–156). – Karimi, Milad: Glaube und Musik im Islam: eine Verhältnisbestim­ mung aus dem Geist der ästhetischen Theologie (157–176). – Odeh-Tamimi, Samir: Die Koran-Rezitation: Geschichte, Traditionen, Techniken (177–186). – Schwöbel, Christoph: Glaube und Musik. Gedanken zur Idee einer Theologie der Musik (187– 217). Anmerkungen zu einzelnen Beiträgen: Nemtsov konstatiert für die deutsche Synago­ genmusik nach der „Stunde Null“ von 1945 eine wachsende Tendenz zu israelischer und chassidischer Musik im Grenzbereich zur Popularmusik. Skala geht ausführlich und kritisch auf die Konzeption Joseph Ratzingers ein. Bei Krieg und bei Schwöbel hat – wie zu erwarten – Luther besonderes Gewicht; Krieg sitzt leider einmal mehr dem anachronistischen Missverständnis auf, Zwinglis scharfe Ablehnung des Gesangs statt auf die lateinische Psalmodie, auf die sie explizit gemünzt war, prinzipiell auf jede liturgische Musik zu beziehen. Karimi betont, dass der Koran als eine genuin ästheti­ sche Erfahrung zu verstehen ist, indem sein Erklingen in der stilisierten Kantillation den Hörenden seine Zeitlichkeit und sich selbst vergessen lässt. Schwöbels theologi­ sche Skizze verwendet das theologische Modell des trinitarischen innergöttlichen „Gesprächs“ für die Interpretation von Pluralität und Dialog, der immer auch Abgren­ zungen in sich schließt. Höppner, Christian: Der multifunktionale Kirchenmusiker – Kirchenmusik im gesell­

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Andreas Marti

schaftlichen Spannungsfeld von Verkündigung, Bildung, Kultur und sozialem Auftrag. In: FKM 64 (2013), H. 1, 14–16. Kares, Martin: Verkündigung mit Wort und Musik. In: FKM 64 (2013), H. 1, 5–9. Krummacher, Christoph: Von Luther zur ökumenischen Perspektive der Kirchenmusik. In: MuK 84 (2014), 100–105. Lenk, Annette-Christine: Verkündigung in Wort und Musik – oder: Seid bedacht auf die Kirchenmusik. In: FKM 64 (2013), H. 4, 3–6. Leube, Bernhard: Offenes Ohr und stummer Mund. Über Schweigen als Voraussetzung des Singens. In: MGD 67 (2013), 2–7. Marti, Andreas: Zeitgemäß und angemessen. Kirchenmusik in den Zeiten des Pluralis­ mus. In: MS(D) 133 (2013), 206–208.

B. Kirchenlied und Musik in der Ordnung des Gottesdienstes Axtmann, Dominik: Evensong. Das Abendlob der Anglikanischen Kirche. In: MuK 84 (2014), 360–363. Bartsch, Martin: Kirchenmusik in Dörfern. In: MuK 84 (2014), 200–206. Bubmann, Peter: Gemeinde und Musik – vor Ort und bei Gelegenheit. In: MuK 84 (2014), 8–15. Eham, Markus: Fünfzig Jahre Liturgiekonstitution. Bilanz und Potenzial liturgischer Erneuerung für die Kirchenmusik heute. In: SiK 60 (2013), 7–11, 56–61. Kessler, Rainer: Von Mose und Mirjam bis Simeon. Lobgesänge in der Bibel. In: MuK 84 (2014), 348–355. Kirschbaum, Christa: Chor im Gottesdienst. In: FKM 64 (2013), H. 1, 17–19. Krieg, Gustav A.: Historisch unscharf und liturgisch strittig. Über Orgelmessen von François Couperin bis heute. In: MuK 84 (2014), 118–123. Kühn, Jonathan C.: Musicals als Gottesdienst? In: MuK 84 (2014), 26–29. Lenz, Joachim: Musik auf Kirchentagen. In: MuK 84 (2014), 16–21. Leube, Bernhard: Das Evangelische Gesangbuch. Geschichte – Gestalt – Gebrauch. Stuttgart 2013, 24. Hymnologische Basisinformation auf engstem Raum, mit besonderer Berücksichti­ gung des gottesdienstlichen und weiteren Gebrauchs von Liedern und den Fragen um die Rezeption. Maier, Hans: Liturgiereform und Kirchenmusik. 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil. In: MuL 138 (2013), H. 1, 33–35. Naumann, Hartmut: Gottesdienst feiern mit Popularmusik. Popularmusik – Schwierig­ keiten mit einem Begriff. In: FKM 64 (2013), H. 5, 2–13. Reich, Christa: Singend beten lernen. Die Cantica des Stundengebetes. In: MuK 84 (2014), 356–359. Rodler, Benedikt: Blasmusik im Gottesdienst …? Überlegungen zur Gottesdienstgestal­ tung mit dem Blasorchester. In: SiK 60 (2013), 104–107. Mit zwei Tabellen zu den Realisierungsmöglichkeiten der einzelnen liturgischen Teile in der Eucharistie- und in der Wortgottesfeier. Schneider, Matthias: Das Ordinarium Missae in unseren Gottesdiensten. Was ist daraus geworden? In: MuK 84 (2014), 112–117. Seibt, Ilsabe/ Evang, Martin: Monatslieder. Liturgische Anregungen für das Kirchenjahr 2012/2013 II. In: ThG 37 (April 2013), 48–59.

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Hymnologische Information und Praxishinweise zu Gleich wie mich mein Vater gesandt hat; Himmel, Erde, Luft und Meer; Gott, unser Ursprung, Herr des Raums; Gott, aller Schöpfung heilger Herr; Brich mit dem Hungrigen dein Brot; Die Kirche steht gegründet Waldeck, Karl: Inspiriert – Theater im Gottesdienst. Wie in Kassel die Oper in die Kirche kommt. In: MuK 84 (2014), 444–446. Walter, Meinrad: Von alten und neuen Riten. Eine katholische Zwischenbilanz. In: MuK 84 (2014), 106–111. Wendel, Dieter: Kirchliche Bläsermusik in der Öffentlichkeit. In: MuK 84 (2014), 22–25.

II. Hymnologie A. Hymnologische Forschung, Geschichte und Quellen des Kirchenliedes Faller, Joachim: Orgelbegleitbücher einst und heute. Ein geschichtlicher Abriss. In: MS (D) 133 (2013), 76–78. Heitmeyer, Erika/Kohle, Maria: „… dem gutherzigen Volck zu seligmachendem Nutz“. Frömmigkeitspraktische Zielsetzungen in jesuitisch geprägten Gesangbüchern Nord­ westdeutschlands im 17. Jahrhundert. In: Westfälische Zeitschrift 158 (2008), Pader­ born, 211–226. Kreuzpointner, Johann Simon: Als man begann, den Gemeindegesang mit der Orgel zu begleiten … Die Entwicklung des Orgelsatzes seit dem 18. Jahrhundert am Beispiel des Liedes „Herr, ich glaube, Herr, ich hoffe“. In: SiK 60 (2013), 113–117. Krieg, Gustav A.: Deutscher Kirchengesang in der Neuzeit. Eine Gesangbuchanthologie. Berlin 2013. 984 S. Die Anthologie präsentiert 418 deutsche Kirchenlieder, einige davon mit Melodie, eine ausführliche Darstellung der Geschichte von Gesangbuch und deutschem geistlichen Lied von der Reformation bis ins 19. Jahrhundert auf über 200 Seiten, Einzelkommen­ tare zu den Liedern und die erforderlichen Verzeichnisse. An Auswahl und Editionsprinzipien der Liedausgabe kann man füglich einige Fragen stellen. Krieg hat neben bekannten auch weniger oder gar nicht bekannte Texte einbe­ zogen, häufig auch besonders zeittypische Texte, die gerade deswegen aus dem Gebrauch verschwinden mussten. Insgesamt lässt sich der Eindruck einer gewissen Willkür und Zufälligkeit nicht ganz abwehren; allerdings ist dies wohl bei einer Anthologie ohnehin kaum zu vermeiden. Schwerer wiegt die eingeschränkte Melodie­ auswahl. Während die Textauswahl als repräsentativ vermutet werden kann, gilt dies nicht für die Melodien. Der Verweis auf die klassischen hymnologischen Quellen­ werke hilft nur Lesern, die auch dazu Zugang haben. Die Brauchbarkeit als Lehr- und Studienbuch wird dadurch leider stark eingeschränkt. Nicht immer nachvollziehbar ist die Editionstechnik. Angesichts der „weichen Identi­ tät“ von Kirchenliedern, die über Generationen im Gebrauch stehen und dabei klei­ nere und grössere Varianten erfahren, liegt hier ein besonders schwerwiegendes Prob­ lem, das wohl nicht optimal gelöst worden ist. Wo zwischen der Fassung (oder den Fassungen) der ersten Quellen und den heutigen Gesangbüchern sollen sich die Textund Melodiegestalten ansiedeln? Manchmal ist weder das eine noch das andere der

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Fall, und man fragt sich schon, weshalb bei einem Klassiker wie Allein Gott in der Höh sei Ehr eine Melodiefassungen steht, die weder mit dem Original (bzw. der ältes­ ten Quelle) noch beispielsweise mit der aktuellen ökumenischen Fassung überein­ stimmt. Um die Edition im Einzelnen nachvollziehen zu können, sind die Einzelkommentare zu knapp, enthalten auch zu wenig Informationen über die Quellenlage, oft nur sum­ marisch – etwa für die späteren Zusatzstrophen zu Es ist ein Ros entsprungen. Erscheint der Editionsteil in mancher Hinsicht etwas zwiespältig, ist das Bild für den geschichtlichen Teil wesentlich heller. Krieg hat hier ein reiches und gut dokumentier­ tes Material zusammengetragen und zu einer gründlichen Darstellung verarbeitet. Aus zeitgenössischen Quellen werden teilweise recht umfangreiche Texte zitiert. Wertvoll ist der Einbezug des kirchen-, kultur-, literatur- und musikgeschichtlichen Kontextes, der den Zugang zu den Texten deutlich erleichtert und das Kirchenlied als Fenster zur jeweiligen Epoche zur Geltung bringt. Gegenüber älteren hymnologischen Über­ blicksdarstellungen kommt bei Krieg die Geschichte des katholischen geistlichen Lie­ des in seiner besonderen Funktion ausführlich zur Darstellung, und auch das 18. und 19. Jahrhundert, früher oft vernachlässigt, kommen gewichtig zur Sprache. Der Auf­ klärung wird aus ihrem inneren Antrieb Gerechtigkeit zuteil, und die früher üblichen überheblichen Verurteilungen fehlen glücklicherweise. Schade, dass das 19. Jahrhun­ dert auf den Aspekt der Restauration beschränkt bleibt; hier wären die Bereiche des neupietistischen Liedes und des Missionsliedes und vor allem das Feld des später so genannten „geistlichen Volksliedes“ im Grenzbereich von Kirche und sich säkulari­ sierender Gesellschaft mindestens so interessant gewesen. Im Positiven wie im Negativen wären in diesen Kapiteln eine grosse Zahl von einzel­ nen Punkten zu erwähnen, wobei das Positive überwiegt, so – etwas willkürlich herausgegriffen – die gründliche Darstellung des Konstanzer Gesangbuchs des 16. Jahrhunderts, die Differenzierung des Umgangs mit den Psalmen, das Verhältnis von gottesdienstlicher Funktion von Liedern und ihrer Rolle in der öffentlichen Kommu­ nikation in der Reformation, Luthers Rolle beim Babstschen Gesangbuch von 1545 oder die Charakterisierung der oberdeutsch-schweizerischen Reformation. Dass zu den Texten aus dem Lobwasser-Psalter, die „Summarien“ nach Genfer Vorbild mit zitiert sind, ist natürlich sehr zu begrüssen; schade nur, dass keine dabei sind, welche die von den Reformierten aus dem Liedtext selber ferngehaltene, aber im Verständnis durchaus vorgenommene christologische Interpretation des Psalters belegen. Den alten Fehlurteilen verhaftet ist die Darstellung Zwinglis und Calvins im Kontext der einleitenden Gesangbuchgeschichte. Ein kleiner Irrtum scheint bei Paul Gerhardt unterlaufen zu sein: Er war nicht in Mittenwalde/Uckermark Pfarrer, sondern in Mit­ tenwalde im heutigen Landkreis Dahme-Spreewald. Übers Ganze gesehen ist jedoch dieser historische Teil ein höchst willkommener Bei­ trag zur hymnologischen Literatur und als Studiengrundlage für die Zeit bis zum 19. Jahrhundert durchaus geeignet. Leube, Bernhard: Kernbestand des Neuen Liedes? Eine Spurensuche in den sechs Ergän­ zungsbüchern zum Evangelischen Gesangbuch. In: ThG 37 (April 2013), 10–20. Reich, Christa: Sprache und Melos. Neue Lieder singen – dort und hier. In: MuK 84 (2014), 290–295. Vergleicht neue Lieder aus den Niederlanden, Schweden und Deutschland. Schäfer, Christiane: Verborgene Spuren. Luthers Lieder in katholischen Gesangbüchern. In: LK 4 (3–2013), 29–39.

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B. Leben und Werk der Dichter und Melodieschöpfer (nach deren Namen alphabetisch geordnet) Balders, Günter/Bunners, Christian (Hg.): „ … die Edle und niemals genug gepriesene MUSICA“. Johann Crüger – (nicht nur) der Komponist Paul Gerhardts. Beiträge der Paul-Gerhardt-Gesellschaft 8. Berlin 2014 (2013). 250 S. Enthält die folgenden Beiträge: Bunners, Christian: Johann Crüger – ein Orpheus an der Spree. Sein Weg, Werk und Weiterwirken im Umriss (11–32). – Miersemann, Wolfgang: Johann Crüger als Textredaktor. Zur „Berlinischen“ Version des Neujahrs­ liedes Das alte Jahr vergangen ist (33–50). – Korth, Hans-Otto: Aus An Wasserflüssen Babylon wird Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld. Die Melodie von Paul Ger­ hardts Agnus-Dei-Lied (51–67; verweist auf die Verwandtschaft der in Straßburg zu An Wasserflüssen Babylon entstandenen Melodie mit Nicolaus Decius’ O Lamm Got­ tes unschuldig). – Bischoff, Bodo: Zur kerygmatischen Funktion der Choräle Johann Crügers im Werk J. S. Bachs – Eine Bestandsaufnahme (68–94; mit einer Auflistung der Gesangbücher aus Bachs Umfeld und einer Analyse der Arie Nr. 6 aus der Kantate BWV 12 „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“, in welcher die Melodie von Jesu, meine Freude verwendet wird). – Balders, Günter: „Er sah ein Haufen Völker stehn … voller Lob und Preis.“ – Zur weltweiten Rezeption der Melodien Johann Crügers (95–117; mit ausführlicher Diskussion der hymnologischen Methodik zur Rezeptionsuntersu­ chung und Referenz der Quellen und Forschungslage bei den am meisten verbreiteten Melodien Crügers). – Balders, Günter: „Mit Versetzung der Buchstaben“. Ermittlun­ gen zu einem Gedicht über Johann Crüger (118–124). – Bunners, Christian: Ein bisher unbekanntes Sonett von Nicolaus Peucker auf Johann Crüger (125–134). – Bunners, Christian: Bemerkungen Johann Crügers zu seinen vokal-instrumentalen Liedsätzen. Eine bisher kaum beachtete Quelle (135–139; betr. das Stimmbuch des Basso Conti­ nuo zur Ausgabe der „Psalmodia Sacra“ 1657/58). – Henkys, Jürgen: Laudatio auf Elke Axmacher anlässlich der Verleihung des Ehrenbriefes der Paul-Gerhardt-Gesell­ schaft (140–144). – Knackmuß, Susanne: „Scholae columba“ und „Berlinische Siren und KirchenNachtigall“. Johann Crüger am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster: Schüler (1616–1620) und Lehrer (1622–1662) (145–246). – Axmacher, Elke: Dankrede für die Verleihung des Ehrenbriefes der Paul-Gerhardt-Gesellschaft (247f). Hiley, Davidv: Hermannus Contractus zum 1000. Jubiläum. In: MS(D) 133 (2013), 146– 149. Siertsema, Bettine: Ungeeichte Bilder von Gott. Huub Oosterhuis zum 80. Geburtstag am 1. November. In: MuK 84 (2014), 378–380. Stock, Alex: Ein lauschender Poet. Zum 80. Geburtstag von Huub Oosterhuis. In: MS (D) 133 (2013), 292. Rist, Johann/Schop, Johann: Himmlische Lieder (1641/42). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Kon­ rad Küster. Mit einer Einführung von Inge Mager. Berlin 2012, 649 S. Rist, Johann: Neue Himmlische Lieder (1651). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Musik von Andreas Hammerschmidt, Michael Jacobi, Jacob Kortkamp, Petrus Meier, Hinrich Pape, Jacob Praetorius, Heinrich Scheide­ mann und Sigmund Theophil Staden. Kritische Edition der Notentexte von Konrad Küster. Berlin 2013, 480 S. Im JLH 52 (2013) veröffentlichte Johann Anselm Steiger ein Incipit-Register sämtli­ cher geistlichen Lieder von Johann Rist mit den bibliographischen Fundorten und den Namen der Komponisten (171–204). Die hymnologische Forschung hat mit dieser

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verdienstvollen Aufstellung jetzt einen leichten und zuverlässigen Zugriff auf die Texte und Vertonungen der nachgewiesenen 701 Lieder des produktiven Barockdich­ ters, von denen die meisten auch digital verfügbar sind. Von den Liedern, die aus Rists Liedersammlungen in private und amtliche Gesangbücher gelangten, stammt der weit­ aus größte Teil aus den Himmlischen Liedern (1641/42) und den 10 Jahre später erschienenen Neuen Himmlischen Liedern (1652). Es ist also folgerichtig, sich bei der nun vorgelegten kritischen Edition auf diese zweimal 50 Lieder, von denen noch etli­ che in den gegenwärtigen Gesangbüchern zu finden sind, zu konzentrieren. Edition und Kommentar sind vorbildlich. Alle textlichen und musikalischen Abweichungen zwischen den Erstausgaben und späteren Auflagen sind am Ende jeder Seite akribisch aufgeführt, so dass der Nutzer z. B. feststellen kann, welche Quelle einer bestimmten Gesangbuchfassung zugrunde liegt. Heute fremd gewordene Wörter und Formulie­ rungen sowie biblische und andere literarische Bezüge werden ebenfalls erschlossen, Errata korrigiert. Von großem Wert ist die synoptische Gegenüberstellung literari­ scher Vorlagen (von Arndt, Gerhard, Opitz, Stegmann) mit Rists Liedfassungen. Der vollständige und kommentierte diplomatisch getreue Abdruck aller (Widmungs-)Vor­ reden, Epigramme und Sonette, der alphabetischen und inhaltlichen Register sowie der Titelkupfer ersparen dem forschenden Leser unendlich viele eigene Recherchen, die jedoch mithilfe der ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnisse, Bibelstel­ len- und Personenregister eigenständig vertieft werden können. Informative und fein­ sinnige Einführungen in das jeweilige Gesamtwerk von Inge Mager (Himmlische Lie­ der) und Johann Anselm Steiger (Neue Himmlische Lieder) erfüllen alle Erwartungen an eine Kritische Textausgabe. Konrad Küster ediert den Notentext aller 100 Lieder aufführungspraktisch in modernen Schlüsseln und liefert dazu einen gründlichen edi­ torischen Bericht. Bei dem Versuch, die im ersten „Zehen“ der Himmlischen Lieder nicht von Schop stammenden Vertonungen zu identifizieren, trifft er jedoch Entschei­ dungen, deren Begründungen ausschließlich und nicht immer einleuchtend auf Nota­ tionsbeobachtungen beruhen. Für die künftige Ristforschung und die allgemeine Erforschung geistlicher Lieder des Barock ist die Kritische Edition der 100 Himmlischen Lieder ein großer und unver­ zichtbarer Gewinn. Sie wird viele literaturwissenschaftliche, musikologische und vor allem hymnologische Arbeiten auslösen, ja, erst möglich machen. Auf die längst über­ fällige Kritische Edition der Lieder von Paul Gerhardt, die nunmehr ebenfalls in den Händen von Johann Anselm Steiger liegt, darf man sich angesichts der vorgelegten Ristausgabe freuen. Ada Kadelbach Herrmann, Matthias (Hg.): Johann Walter. Torgau und die evangelische Kirchenmusik. Altenburg 2013 (Sächsische Studien zur älteren Musikgeschichte Bd. 4). 323 S. Enthält die folgenden Beiträge: Schirmer, Uwe: Die Ausbreitung und Einführung der Reformation im ernestinischen Kursachsen (1517/19–1543) (9–33). – Stalmann, Joa­ chim: „Die Music braucht Gott stets also beim heilgen Evangelio“ – Bleibende Spuren des Torgauer Erzkantors in der evangelischen Kirchenmusik. – Brusniak, Friedhelm: Zur Musik von Johann Walter (47–59). – Hofbauer, Michael: Wieder nicht gefunden! – Überlegungen zur Existenz eines Bildnisses von Johann Walter aus der CranachWerkstatt. Anhang: Das in Torgau verschollene Portrait des Johann Walter, ein Gemälde von Lucas Cranach d. J. (1971) (61–75). – Herzog, Jürgen: Johann Walter und seine Nachkommen in Torgau (77–125). – Richter, Christa Maria: Johann Walter aus der Sicht der neu entdeckten Textdokumente (127–165). – Richter, Christa Maria: Walter-Dokumente (167–315).

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Brusniak, Friedhelm: Verschüttete Quellen zum Fließen bringen. Die musikalische Gestaltung der Neuen Kirchenlieder von Heinz Werner Zimmermann. In: MS(D) 133 (2013), 12–15.

C. Untersuchung und Auslegung einzelner Lieder C.1 Kommentarwerke Herbst, Wolfgang/Seibt, Ilsabe (Hg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Ausgabe in Einzelheften, H. 18. Göttingen 2013, 96 S. Enthält Kommentare zu folgenden Liedern: Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen (Ansgar Franz, Christa Reich) – Komm, Herr, segne uns (Joachim Stalmann) – Aus­ gang und Eingang (Bernhard Schmidt) – Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (Joa­ chim Stalmann) – Christ, unser Herr zum Jordan kam (Gerhard Hahn, Helmut Lau­ terwasser) – Nun schreib ins Buch des Lebens (Ilsabe Seibt) – Du hast uns Leib und Seel gespeist (Wolfgang Herbst) – Schaffe in mir, Gott, ein reines Herze (Wolfgang Herbst) – Erhebet er sich, unser Gott (Jürgen Henkys) – Wie lieblich schön, Herr Zebaoth (Jürgen Henkys, Helmut Lauterwasser) – Nun danket all und bringet Ehr (Peter Ernst Bernoulli) – Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr (Peter Ernst Ber­ noulli) – Lass mich, o Herr, in allen Dingen (Reinhard Görisch) – Gib uns Frieden jeden Tag (Andreas Marti) – All Morgen ist ganz frisch und neu (Joachim Stalmann) – Morgenlicht leuchtet (Ernst-Dietrich Egerer) – Vom Aufgang der Sonne (Christa Reich) – Herr, die Erde ist gesegnet (Reinhard Görisch) – Ich bin ein Gast auf Erden (Elke Axmacher).

C.2 Einzeluntersuchungen (nach Liedanfängen alphab. geordnet) Marti, Andreas: „Am Morgen will ich singen“. In: MGD 67 (2013), 58–62. Betr. das Lied mit dem Text von Georg Schmid und der Melodie von/bei Bartholo­ mäus Gesius. Mautner, Martin-Christian: Gottvertrauen in schwerer Zeit. Martin Luthers Lied „Aus tiefer Not“ als Seelsorge in Text und Tönen. In: HfK aktuell, Nachrichten der Hoch­ schule für Kirchenmusik Heidelberg 8 (Nov. 2013), 63–70. Marti, Andreas: „Befiehl du deine Wege“. In: MGD 67 (2013), 257–260. Arnold, Jochen: „Dein Geist, Gott, spricht oft leise“. In: MuK 84 (2014), 240. Marti, Andreas: „Du meine Seele, singe“. In: MGD 67 (2013), 13–20. Brödel, Christfried: „Ein Licht erschien in dieser Welt“. In: MuK 84 (2014), 462. Betr. das Lied mit dem Text von Lothar Zenetti und der Melodie von Peter Bares. Zerfaß, Alexander: „Es ist in keinem andern Heil“ (EG 356). Eine gesungene Theologie des Namens Jesu. In: MS(D) 133 (2013), 97 f. Heitmeyer, Erika: „Uns kompt ein Schiff gefahren“. Ein poetisches Juwel im Anderna­ cher Gesangbuch von 1608. In: Heimatbuch 2014, Landkreis Mayen Koblenz, Kob­ lenz 2013, 46–50. Betr. die Andernacher Fassung des Liedes Es kommt ein Schiff geladen, die wie das aus dem Spätmittelalter stammende Original und im Unterschied zur heute gebräuch­ lichen Fassung von Daniel Sudermann marianisch zentriert ist.

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Marti, Andreas: „Himmel, Erde, Luft und Meer“. In: MGD 67 (2013), 108–112. Karas, Manfred: „Ich seh empor zu den Bergen“. In: MuK 84 (2014), 156. Betr. ein neues Lied mit Text von Ute Passarge und Melodie von Andreas Lettau. Brusniak, Friedhelm: Neujahrslied. „Meine Zeit ist noch nicht gekommen“. In: MuK 84 (2014), 50. Betrifft ein neues Lied mit Text und Musik von Heinz Werner Zimmermann. Zerfaß, Alexander: „Menschen, die ihr wart verloren“. Getrübte Freude über einen Neu­ zugang im Gotteslob. In: MS(D) 133 (2013), 364 f. Walter, Meinrad: „Seht, der Stein ist weggerückt“. In: MuK 84 (2014), 386. Betr. das Lied mit dem Text von Lothar Zenetti und der Melodie von Walter Hirt. Kloppers, Elsabé: „Uit dieptes gans verlore…“. Die Wirkung von Psalm 130 im Leben der Reformierten in Südafrika. In: HfK aktuell, Nachrichten der Hochschule für Kir­ chenmusik Heidelberg 8 (Nov. 2013), 45–49. Zerfaß, Alexander: „Was leichthin über dich geschrieben steht“. Ein Lied vom brennen­ den Dornbusch. In: MS(D) 133 (2013), 34–36. Betr. die deutsche Fassung eines Liedes von Huub Oosterhuis, Melodie: Antoine Oomen. Marti, Andreas: „Weit wie das Meer ist Gottes große Liebe“. In: MGD 67 (2013), 158– 161. Betr. das Lied, das auch mit dem Incipit „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“ bekannt ist. Fuhrmann, Siri: Du das Deine, Gott das Seine. „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. In: MS(D) 133 (2013), 236 f. Marti, Andreas: „Wir wolln uns gerne wagen“. In: MGD 67 (2013), 205–209. Betr. das Lied mit dem Text von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und der Melodie von Pierre Pidoux. Fuhrmann, Siri: „Wir ziehen vor die Tore der Stadt“. In: MS(D) 133 (2013), 300 f. Fuhrmann, Siri: „Wohl denen, die da wandeln“. Ein Psalmlied in 88 Strophen. Betr. das Lied von Cornelius Becker über den 119. Psalm (1602).

D. Gesangbücher und Liedersammlungen (Ausgaben und Kommentare) Dorneger, Karl: Über das Evangelische Gesangbuch – Einführung und Rezeption. Im Gespräch mit Werner Horn. In: SiK 60 (2013), 4–6. Hirt, Walter: Auf dem Weg zum neuen Gotteslob. In: WBK 80 (2013), H. 6, 6–18. Hirt, Walter: Eigentlich ein Jahrhundertereignis: Das neue Gotteslob. Viel mehr als ein paar alte Lieder gegen neue austauschen. In: MuL 138 (2014), H. 6, 29–35. Kennel, Gunter (Hg.): Singt Jubilate. Lieder und Gesänge für die Gemeinde. Im Auftrag der Evang. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. München/Berlin 2013, 302 S. Enthält 196 Lieder und Gesänge aus unterschiedlichen Epochen und Stilrichtungen, die im Stammteil des EG fehlenden Wochenpsalmen, ein Bibelstellenverzeichnis und ein systematisches Verzeichnis. Das Buch versteht sich als Ausgleich für das Fehlen eines EG-Regionalteils und als Möglichkeit, Neues bekannt zu machen. Praßl, Franz Karl: Zum Lobe seiner Herrlichkeit. Das neue Gebet- und Gesangbuch Gotteslob ist in Druck. In: SiK 60 (2013), 12–16.

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Praßl, Franz Karl: Zum Lobe seiner Herrlichkeit. Die Lieder im neuen Gotteslob. In: SiK 60 (2013), 108–112. Praßl, Franz Karl: Zum Lobe seiner Herrlichkeit. Liturgische Gesänge im neuen Gottes­ lob. In: SiK 60 (2013), 62–66. Praßl, Franz Karl: Zum Lobe seiner Herrlichkeit. Psalmen – Tagzeitenliturgie – Litaneien im neuen Gotteslob. In: SiK 60 (2013), 156–160. Wetzel, Richard/Heitmeyer, Erika: Johann Leisentrit's Geistliche Lieder und Psalmen, 1567. Hymnody of the counter-reformation in Germany. Fairleigh Dickinson Univer­ sity Press, Rowman & Littlefield Publishing Group: Plymouth/Lanham ML 2013. 353 S. Hymnologische Detailerschließung des umfangreichsten katholischen Gesangbuchs des 16. Jahrhunderts. Der erste Teil enthält Informationen zum historischen Kontext und Allgemeines zu Texten, Melodien und Illustrationen. Der zweite Teil ist die eigentliche wissenschaftliche Erschließung, mit Bezug auf die einschlägigen Quellen­ editionen, ergänzt durch mehrere Verzeichnisse.

E. Verzeichnis im Internet Jehle, Volker: Bestandsverzeichnis der Musikhistorischen Sammlung Jehle im Stauffen­ berg-Schloss Albstadt-Lautlingen. www.albstadt.de/museen/musikhistorische, auch www.sammlungjehle.de oder www.sammlungjehle.com. Volker Jehle, Bibliograph und Herausgeber von Wolfgang Hildesheimer und Gründer des Wolfgang-Hildesheimer-Archivs (seit 1993 in der Akademie der Künste Berlin), Romancier, Erzähler und Drehbuchautor (www.eppler-jehle.de), hat im Laufe von sechs Jahren die Bestände der Musikhistorischen Sammlung Jehle im StauffenbergSchloss Albstadt-Lautlingen geordnet, verzeichnet und inventarisiert. Der Sammler war sein Vater Martin Friedrich Jehle, der die Sammlung 1970 der Stadt Ebingen (heute Albstadt) verkauft hat. Die Veröffentlichung erfolgt nicht gedruckt, sondern online, als PDF-File mit Suchfunktion (URL s. o.). Außer allen Instrumenten und Zubehör ist die komplette Bibliothek verzeichnet. Sie ist nicht an den internationalen universitären Bereich und die Fernleihe angeschlossen, weil sie als Präsenzbibliothek nichts verleiht. Zu den Beständen gehören nicht nur Druckwerke ab dem 16. Jahrhun­ dert, sondern auch Autographen (mittelalterliche Handschriften, Kompositionen, Briefe u. a.), Bild und Tonmaterial (Gemälde, Fotos, historische Tondokumente etc.), Druckplatten etc., alles exakt nach Titel, Inhalt, Beschreibung, Zustand, gegebenenfalls Geschichte (mit teilweise höchst detaillierten Forschungsergebnissen) beschrieben. Da es sich bei der Musikhistorischen Sammlung Jehle um einen lebendigen Organis­ mus handelt, d. h. ständig in allen Sparten Neuzugänge (auch Instrumente) zu dazu­ kommen, wird das Verzeichnis ständig aktualisiert. Von Zeit zu Zeit wird die neueste Fassung online gestellt werden. Nach Mitteilung von Volker Jehle.

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Édith Weber

I. Liturgie und Musik Béguerie, Philippe: L’Homélie. De la Parole à l’Eucharistie. Desclée de Brouwer: Paris 2013, 168 S. Betr. die liturgische Ordnung. Clavairoly, François: Le culte et la liturgie: sources de joie. In: Quelle vie cultuelle et liturgique pour l’Église protestante unie de France? Information-Évangélisation 5, Olivétan: Lyon 2013. Daudé, Gill: Articuler traditions respectives et liturgie commune. In: Quelle vie cultuelle et liturgique pour l’Église protestante unie de France ? Information-Évangélisation 5, Olivétan: Lyon 2013, 49–50. L’Éthiopie chrétienne. Histoire-Liturgie-Monachisme. In: Histoire & Missions Chré­ tiennes 24 (Dezember 2012), 11–130. Betr. auch die Sprache der orthodoxen Liturgie, das Singen im Gottesdienst, Ökume­ nismus. Frommel, Sabine/Lecomte, Laurent: La place du chœur. Architecture et liturgie du Moyen Âge aux Temps modernes. Picard: Paris 2012, 302 S. Heitz-Muller, Anne-Marie: L’influence de la Réformation sur les liturgies de mariage strasbourgeoises (1524–1549). In: Revue d’Histoire et de Philosophie religieuses 4, Strasbourg 2012, 573–594. Kirchbach, Agnès von: Qu’est-ce qui fait liturgie? In: Quelle vie cultuelle et liturgique pour l’Église protestante unie de France? Information-Évangélisation 5, Olivétan: Lyon 2013. Millet, Bernard: Pour une liturgie sobre et même parfois répétitive. In: Quelle vie cul­ tuelle et liturgique pour l’Église protestante unie de France? Information-Évangélisa­ tion 5, Lyon 2013, 58. Mireille (Sœur): La liturgie dans la communauté des Diaconesses. In: Quelle vie cultuelle et liturgique pour l’Église protestante unie de France? Information-Évangélisation 5, Lyon 2013, 37–41.

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II. Hymnologie A. Zur Geschichte und Bibliographie des Kirchenliedes Hoffmann, Anne: Le chant commun des Réformes européennes et l'hymnodie anglaise de 1535 à 1610: Sources continentales des mélodies, interactions et réception insulaire. Dissertation, Université Paris-Ouest, Nanterre, 17.12.2013. 3 Bd.

B. Lutherchoral Weber, Édith: Au service du rapprochement luthéro-réformé: un nouveau recueil français à visée œcuménique, in Musique & chant de la Réforme, Fédération Musique et Chant de la Réforme 13, Paris 2013, 40–48. Französische Paraphrasen (nicht wörtliche Übersetzungen), strophisch gereimt, dem deutschen Luther-Text getreu und auf die traditionnellen Melodien singbar (anlässlich der Vereinigung von Reformierten und Lutheranern in Frankreich 2013). Weber, Édith: Le choral luthérien (35e partie): Jean-Sébastien Bach: Les 18 Chorals de Leipzig (BWV 651–668) (V). In: Préludes 81 (Januar 2013). Association Nationale pour la Formation des Organistes liturgiques (ANFOL): Ottrott, 13 f. Weber, Édith: Le choral luthérien (36e partie): Jean-Sébastien Bach: Les 18 Chorals de Leipzig (BWV 651–668) (VI). In: Préludes 82 (April 2013). ANFOL: Ottrott, 15 f. Weber, Édith: Le choral luthérien (37e partie): Jean-Sébastien Bach: Les 18 Chorals de Leipzig (BWV 651–668) (VII). In: Préludes 83 (Juli 2013). ANFOL: Ottrott, 15 f. Weber, Édith: Le choral luthérien (38e partie): Jean-Sébastien Bach: Les 18 Chorals de Leipzig (BWV 651–668) (VIII-fin). In: Préludes 84 (Oktober 2013). ANFOL: Ottrott, 15 f.

C. Psalm und Hugenotten-Psalter Berthon, Guillaume: Quelques nouveautés bibliographiques autour d’Étienne Dolet et Jean de Tournes: les Psaumes de Marot et le Benefice de Jesuschrist traduit par Claude Le Maistre (1544–1545). In: Bulletin de la Société de l’Histoire du Protestantisme Français 158/4, Paris 2012, 671–684. Cœurdevey, Annie: Les parodies huguenotes à la Renaissance. In: Le Jardin de musique. Musique et réformes religieuses aux XVIe et XVIIe siècles, statuts, fonctions, prati­ ques (2),6,1. Association Musique Ancienne en Sorbonne: Paris 2009 (erschienen 2012), 5–21. His, Isabelle (Hg.): Claude Le Jeune, 10 Pseaumes en forme de motets (1564). Brepols: Turnhout 2011, 145 S. Humber, Frédéric: La musique des Psaumes, de Strasbourg à Genève. In: Musique et Chant de la Réforme 13 (2013). Fédération Musique et Chant de la Réforme: Paris, 18–25.

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Édith Weber

D. Gregorianik Pichard, Jacques: L’utilisation des mélodies grégoriennes dans le cycle Sept pièces pour un Temps de Pentecôte. In: Nouzille, Philippe OSB/Pfeiffer, Michaela OCist (Hg.): Monasticism between culture and cultures, Kongressbericht, Studia Anselmina, Rom 2012, 20 S. Betrifft Analyse und Welturaufführung. Viret, Jacques: Philologie musicale et modes grégoriens: de la théorie à l’instinct. In: Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 103–121.

III. Kirchenmusik A. Zur Geschichte und Bibliographie der Kirchenmusik Cartayrade, Alain: La Messe Cum Jubilo op. 11 de Maurice Duruflé. In: Association Maurice et Marie-Madeleine Duruflé, Bulletin 12, Paris 2012, 7–50 (mit CD). Betr. erste Aufführungen, Editionen, Diskographie und Analyse der Messe Cum Jubilo (cf. gregorianische Messe IX) von M. Duruflé, Analyse und Literaturverzeich­ nis.

B. Zur Theorie der Kirchenmusik Bartoli, Jean-Pierre: La quête du sens dans les analyses de Jacques Chailley: une théorie systématique de la sémantique musicale. In: Jacques Chailley, Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 187–196. Cantagrel, Gilles: Jacques Chailley analyste de la musique de Bach. In: Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 143–154. Delalande, François: Analyser la musique: pourquoi, comment? INA Éditions, Institut National de l’Audiovisuel: Paris 2013, 250 S. Domin, Nicolas/Feneyrou, Laurent (Hg.): Théories de la composition musicale au XXe siècle. 2 Bde., Symétrie: Lyon 2013, 1840 S. Gut, Serge: Jacques Chailley et l’évolution du langage musical selon le tableau des harmo­ niques. In: Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 59–68. Labussière, Annie: L’ordre mélodique selon Jacques Chailley. Exposé et critique. In: Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 69–80. Meeùs, Nicolas: Chailley, Schoenberg, Schenker. In: Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 81–90. Merlin, Christian: Jacques Chailley et Wagner. In: Musurgia 19,1–3. Eska: Paris 2012, 155–169. Soury, Thomas: Louis de Cahusac, librettiste et théoricien; un collaborateur majeur à l’œuvre de Rameau. In: Revue de Musicologie 99/1, Paris 2013, 33–60.

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C. Zur Aufführungspraxis der Kirchen- und Orgelmusik Bartoli, Jean-Pierre/Roudet, Jeanne: L’essor du romantisme: La Fantaisie pour clavier de Carl Philipp Emanuel Bach à Franz Liszt. Vrin: Paris 2013, 400 S. Bovet, Guy: Marie-Claire Alain (10 août 1926–26 février 2013). In: Préludes 83 (Juli 2013), Association Nationale pour la Formation des Organistes liturgiques (ANFOL): Ottrott 16 f. Cartayrade, Alain: Les organistes français au concert à Paris de 1919 à 1939. In: Bulletin 12/2012. Association Maurice et Marie-Madeleine Duruflé: Paris, 79–382 (mit AudioCD). Einführung, Analyse und Verzeichnis der Konzertorganisten mit Kritiken der Zeit. Chicchero, Jean-Marc: Un petit voyage en Corse avec le facteur d’orgues. In: Préludes 81 (Januar 2013), Association Nationale pour la Formation des Organistes liturgiques (ANFOL): Ottrott, 14–15. Fédération Musique et Chant de la Réforme: Oh! quelle joie aujourd’hui. Vingt chants pour assemblée et chorale. Olivétan: Lyon 2013, 36 S. 20 Lieder für die Église Protestante Unie de France (Vereinigte evangelische Kirche in Frankreich) für 4 oder 3 Stimmen mit Instrumentalsätzen und Akkordbezifferungen. Fiala, David/Anheim, Étienne: Les Maîtrises et l’art du contrepoint du XIVe au XVIe siè­ cle. In: Analyse musicale 69 (Dezember 2012), Paris, 13–20. Föllmi, Beat: Albert Schweitzer: interprète et exégète de Bach. In: Revue d’Histoire et de Philosophie religieuses 93/3 (2013), Strasbourg, 359–376. Föllmi, Beat: Le chant et la musique dans la tradition protestante. In: Arts sacrés 21 (Januar-Februar 2013). Faton: Dijon, 64–67. Föllmi, Beat: La voix muette: la représentation musicale de Ponce Pilate. In: Graphè 22 (2013), Artois Presses Université: Arras, 157–174. Betr. die Vertonung der Pilatusworte in Passionskompositionen von der Brockes-Pas­ sion bis ins 20. Jh.. Gonin, Frédéric: Quatre regards sur les quatuors de Joseph Haydn. Delatour France: Sampzon 2012, 273 S. Humber, Frédéric: Célébrez Dieu, rendez-lui grâce! Le Livre d’orgue de Pierre Wiblé (40 pièces). In: Musique et Chant de la Réforme 13 (2013). Fédération Musique et Chant de la Réforme: Paris, 49. Einleitung, Klassifikation, Analyse und Aufführungspraxis. Jacob, Georges/Havard de la Montagne, Denis/Cartayrade, Alain: L’union des maîtres de chapelle et organistes. In: Bulletin 12 (2012). Association Maurice et Marie-Made­ leine Duruflé: Paris, 65–78. Betr. Geschichte und Aktivitäten der Vereinigung zwischen 1912 und 1930. Leroy, Marc: L’orgue post-classique et du 1er âge romantique en de nouveaux chemins (1790–1850). In Préludes 81 (Januar 2013). Association Nationale pour la Formation des Organistes liturgiques (ANFOL): Ottrott, 9–12. Leroy, Marc: L’orgue symphonique français (1850–1930). In: Préludes 82 (April 2013). ANFOL: Ottrott, 11–14. Leroy, Marc: L’orgue néoclassique et contemporain de 1930 à nos jours. In: Préludes 83 (Juli 2013). ANFOL: Ottrott, 13–14. Leroy, Marc: L’orgue néoclassique et contemporain de 1930 à nos jours (suite). In: Prélu­ des 84 (Oktober 2013). ANFOL: Ottrott, 13–14.

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Nicolas, Patrice: Le motet Beati omnes qui timent Dominum: une œuvre de Jacob Gode­ brye alias „Jacotin“. In: Revue de Musicologie 99/1 (2013), Paris, 11–32. Ott, Bernard: L’Orgue de Wihr-au-Val. In: Cahiers Albert Schweitzer 166 (März 2013). Association Française des Amis d’Albert Schweitzer: Strasbourg, 67–71. Ott, Christian: Les tempéraments d’Aristide Cavaillé-Coll. In: Préludes 83 (Juli 2013). ANFOL: Ottrott, S. 7–9; Préludes 84 (Oktober 2013), 10–12. Surmont, Jean-Nicolas de: Ars cantandi et ars dicendi: dire et chanter une œuvre vocale. In: Acta Musicologica 85/1 (2013), 75–91. Union des Églises Protestantes d’Alsace et de Lorraine (UEPAL): Venez, chantons. 72 chants inédits de 1 à 8 voix a cappella ou avec instruments. Olivétan: Lyon 2013, 136 S. Betr. mehrstimmige Musik über Bibeltexte, evangelische Quellen (Choräle, Psalmen aus der Vergangenheit bis zur Gegenwart, Chansons, Spirituals, Gospels und Rat­ schläge zur Aufführungspraxis). Weber, Édith: Albert Schweitzer (1875–1965) sous le signe de quatre dualités. In Préludes 83 (Juli 2013). ANFOL: Ottrott, 10–12 Wiblé, Pierre: Célébrez Dieu, rendez-lui grâce! 40 pièces d’orgue pour cultes et célébra­ tions. Olivétan: Lyon 2011, 96 S. Wolff, Christoph/Zepf, Markus: Les Orgues de Bach. Frz. Übersetzung von Marie-Paule Fribourg und Philippe Gautrot. L’Autre Monde: Paris 2013, 280 S.

D. Leben und Werk der Meister (nach Komponistennamen alphab. geordnet) Cantagrel, Gilles: Carl Philipp Emanuel Bach et l’âge de la sensibilité. Éditions Papillon: Genève/Drize 2013, 224 S. Chailley, Jacques. In: Musurgia. Analyse et pratique musicales 19/1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 204 S. Enthält: Bartoli, Jean-Pierre: Introduction. Jacques Chailley (1910–1999), musicologue et théoricien. Introduction à un premier bilan, 3–8. Whitfield, Jean-Pierre: Marc-Antoine Charpentier et l’oratorio volgare. In: Addaminao, Antonio/Luisa, Francesco (Hg): Atti del Congresso Internazionale di Musica Sacra. Pontificio Istituto di Musica Sacra: Rom 2013, 863–873. Föllmi, Beat: Le roi David musicien. In: Cahiers Évangile, supplément 166 ( Dezember 2013). Éditions du Cerf: Paris 117–120. Halévy, Olivier/His, Isabelle/Vignes, Jean: Clément Janequin. Un musicien au milieu des poètes. Symétrie: Lyon 2013, 497 S. Vidal, Christophe: André Jolivet et Georges Migot: des cheminements sacrés parallèles. In: Bulletin 27 (September 2013). Les Amis de l’Œuvre et de la Pensée de Georges Migot: Haguenau, 12–15. Bonniffet, Pierre: La musique entre le verbe et le silence. Claude Le Jeune, Les Dix Psau­ mes de David (1564). In: Addaminao, Antonio/Luisa, Francesco (Hg.): Atti del Con­ gresso Internazionale di Musica Sacra. Pontificio Istituto di Musica Sacra: Rom 2013, 397–414. Szabo-Knotik, Cornelia/Le Diagon-Jacquin, Laurence/Saffle, Michael (u. a., Hg.): Franz Liszt, un musicien dans la société. Hermann: Paris 2013, 385 S. Rouet, Pascale: La Musica Ricercata de György Ligeti: une œuvre à portée sacrée. In: Préludes 84 (Oktober 2013). ANFOL: Ottrott, 7–9.

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Curinga, Luisa: Georges Migot et André Jolivet: une relation musicale à découvrir. In: Bulletin 27 (September 2013). Les Amis de l’Œuvre et de la Pensée de Georges Migot: Haguenau, 2–11. Napolitano, Ernesto: Mozart Vers le Requiem. Les récits du bonheur et de la mort. Dela­ tour France: Sampzon 2013, 411 S.

IV. Zur Geschichte La Bible de 1611. The King James Version. Sources, Écritures & influences XVIe-XVIIIe siècle, Presses Universitaires: Strasbourg 2013. Dahlhaus, Carl: Fondements de l’histoire de la musique. Frz. Übersetzung von MarieHélène Benoit-Otis. Actes Sud: Paris 2013, 295 S. Damon-Guillot, Anne: Toucher le cœur des schismatiques: stratégies sonores et musica­ les des Jésuites en Éthiopie, 1620–1630. In: Le Jardin de musique. Musique et réformes religieuses aux XVIe et XVIIe siècles, statuts, fonctions, pratiques (2), 6, 1, Association Musique Ancienne en Sorbonne: Paris 2009 (erschienen 2012), 65–99. Dubreuil-Porret, Amélie: Félix Clément et la restauration de la musique d’Église: con­ texte politico-religieux et enjeux éditoriaux. In: Revue de Musicologie 99/2 (2013), Paris, 271–294. Föllmi, Beat: La Réforme protestante et l’enseignement musical: entre Église et École latine. In: Analyse musicale 69 (Dezember 2012), Paris, 21–27. Germain-David, Pierrette: La musicologie, interrogation humaniste. In: Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 9–15. Gribenski, Fanny: L’église comme lieu de concert? La célébration de la Sainte-Cécile par l’Association des artistes musiciens à Saint-Eustache (1847–1902). In: Revue de Musi­ cologie 99/2 (2013), Paris, 295–324. Jambou, Louis: Réflexions sur trois lectures de la musique de la Renaissance par Jacques Chailley. In: Musurgia 19,1–3, Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 133–142. Lours, Mathieu: Les temples de Napoléon: de la Réforme catholique à la Réforme protes­ tante. In: Arts sacrés 21 (Januar-Februar 2013), 56–63. Molino, Jean: Comment écrire l’histoire de la musique? Réflexions sur la philologie musi­ cale de Jacques Chailley. In: Musurgia 19,1–3, Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 45–58. Pébrier, Sylvie: La vie musicale dans les missions de Jésuites de la Province du Paraguay: quelques réflexions historiographiques et esthétiques. In: Le jardin de musique. Musi­ que et réformes religieuses aux XVIe et XVIIe siècles, statuts, fonctions, pratiques (2),6,1. Association Musique Ancienne en Sorbonne: Paris 2009 (erschienen 2012), 101–124. Péché, Valérie/Vendries, Christophe: Musique et spectacles dans la Rome antique et dans l’Occident romain. Éditions Errance: Arles 2013, 120 S. Psychoyou, Théodora (Hg.): Musique et réformes religieuses aux XVIe et XVIIe siècles, statuts, fonctions, pratiques (2),6,1. Le jardin de musique. Association Musique Anc­ ienne en Sorbonne: Paris 2009 (erschienen 2012), 128 S. Rollin, Vincent: Chants et musiques des cérémonies de funérailles à Paris sous le régime concordataire (1802–1905). In: Revue de Musicologie 99/2, Paris, 235–270. Ruffatti, Alessio: Les Cantiques de Salomon de Salamone Rossi; enjeux historiques et

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stylistiques. In: Le Jardin de musique. Musique et réformes religieuses aux XVIe et XVIIe siècles, statuts, fonctions, pratiques (2),6,1. Association Musique Ancienne en Sorbonne: Paris 2009 (erschienen 2012), 53–64. Picard, François: L’ethnomusicologie et Jacques Chailley. In: Jacques Chailley, Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 37–43. Tran Van Khê: Jacques Chailley et la promotion de l’ethnomusicologie. In: Jacques Chailley, Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 31–36. Velly, Jean-Jacques: Jacques Chailley et la musique grecque. In: Musurgia 19,1–3. Édi­ tions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 91–101. Weber, Édith: Le rôle de Jacques Chailley dans l’évolution de la discipline musicologique à l’Université. In: Jacques Chailley, Musurgia, 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 17–29. Wilkins, Nigel: Jacques Chailley et la musique médiévale. In: Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013), 123–131.

V. Ästhetik Accaoui, Christian (Hg.): Éléments d’esthétique musicale. Notions, formes et styles en musique, Actes Sud: Arles/Cité de la musique: Paris 2011, 789 S. Barbe, Michèle: Jacques Chailley et les arts plastiques: originalité et fécondité d’une approche pluridisciplinaire. In: Jacques Chailley, Musurgia 19,1–3. Éditions Eska: Paris 2012 (erschienen 2013),171–186. Chouvel, Jean-Marc/Hascher, Xavier (Hg.): Esthétique & cognition. Publication de la Sorbonne: Paris 2013, 608 S. Cottin, Jérôme: La Réforme et les arts visuels. In: Arts sacrés 21 (Januar-Februar 2013). Éditions Faton: Dijon, 36–41. Galpérine, Alexis: Jacques Chailley, la Sonate pour violon et les musiques pour cordes. In: Jacques Chailley, Musurgia 19,1–3. Éditions Eska, Paris 2012 (erschienen 2013), 196–199. Grüber, Michael: Que veut dire Jean Sébastien Bach pour vous aujourd’hui? in: Cahiers Albert Schweitzer 166 (März 2013), 74–78. Betr. auch A. Schweitzers Anschauung. Nubel, Jonathan: La tradition musicale protestante: pour un essai de définition(s). In: Musique et Chant de la Réforme 13 (2013). Fédération Musique et Chant de la Réforme: Paris, 8–17. Pouradier, Maud: Esthétique du répertoire musical. Une archéologie du concept d’œuvre. Presses Universitaires: Rennes 2013, 192 S. Rouet, Pascale: Enquête sur le sacré. In: Préludes 81 (Januar 2013). ANFOL: Ottrott 7 f.

VI. Nachschlagewerke Dahlhaus, Carl: Fondements de l’histoire de la musique. Frz. Übersetzung von MarieHélène Benoit-Otis. Actes Sud: Paris 2013, 295 S. Pistone, Danièle (Hg.): Répertoire des Thèses françaises relatives à la musique. Cham­ pion: Paris 2013 (Collection Musique-Musicologie 44), 514 S.

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Ungarn 2006–2008

Ilona Ferenczi

I. Quellenausgaben Antiphonarium ecclesiae parochialis urbis Kranj I–II. Edited by Jurij Snoj and Gabriella Gilányi. Musicalia Danubiana 23. Budapest 2007. 52 S.+ 250 Tabellen bzw. 236 Tabel­ len. Facsimile-Ausgabe des großen Antiphonars von Kranj, deutsch Krainburg, 30 Km nordwestlich von Laibach, Slowenien. Die Krainburger Pfarrkirche besaß ein Anti­ phonar in zwei Bänden von 1491, das heute im Erzdiözesan-Archiv von Laibach/ Ljubljana aufbewahrt wird (Rpk 18 bzw. 19). Die Stadt Krainburg gehörte damals zu den Habsburgischen Erblanden, die Pfarrei zum „archidiaconatus Carniolae“ und unterstand dem Patriarchat von Aquileia. Aus der einleitenden Studie der Ausgabe erfährt man die Beziehungen des Inhalts des Antiphonars zu den mitteleuropäischen liturgischen Quellen und denen von Aquileia. Starck Virginal Book (1689) Compiled by Johann Wohlmuth. Johann Wohlmuth: Mise­ rere (1696). Edited by Ilona Ferenczi. Musicalia Danubiana 22. Budapest 2008. 279 S. „Wir kennen sein Tagebuch, wissen von seinem Stammbuch, er schrieb ein Lehrbuch für Tasteninstrumente, war Rektor, Organist und Musikdirektor, unterrichtete eine Reihe von Schülern an Instrumenten, bildete Sänger aus, kopierte und komponierte Musikstücke, gab eine Disputationsschrift über ein physikalisches Thema heraus, führte die Matrikel, hatte einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, nahm Kost­ schüler in sein Haus auf, sein Sohn wurde Bürgermeister, und sein Bruder beaufsich­ tigte seinen Weinberg. – Im Lichte der früheren und neuen Forschungen entfaltet sich vor uns das Leben einer vielseitigen und interessanten Persönlichkeit, das Leben eines Musikers und Gelegenheitskomponisten, dessen Name im Grunde nur aus ungari­ schen Lexika bekannt ist.“ – Herausgabe der Werke von Johann Wohlmuth und Stu­ die über seine kirchenmusikalische Tätigkeit in Sopron/Ödenburg.

II. Selbstständige Werke Kovács, Andrea: Corpus Antiphonalium Officii – Ecclesiarum Centralis Europae V/B Esztergom/Strigonium (Pars Sanctoralis). Adiuvante: László Dobszay et Zsuzsa Cza­ gány. MTA Zenetudományi Intézet/Institute for Musicology of the Hungarian Aca­ demy of Sciences: Budapest 2006. 479 S. Nach dem Band über die Temporale von Esztergom/Strigonium (Gran) enthält dieser Band anhand von 16 Graner und 14 weiteren Quellen (Antiphonalen, Breviarien, Ves­

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peralen, Diurnale) die Zusammensetzung der Sanctorale von Offizien des Bistums Esztergom/Gran (gegründet vom ersten ungarischen König, Stephan dem Heiligen) und deren charakteristische Züge. Die allgemeinen Methoden, nach denen die einzel­ nen Bände der Reihe CAO ECE aufgebaut sind, wurden ausführlich in A Preliminary Report besprochen (darüber s. JLH 37 (1998), 235). Kovács, Andrea: Corpus Antiphonalium Officii – Ecclesiarum Centralis Europae VI/A Kalocsa-Zagreb (Temporale). Adiuvante: Ladislaus Dobszay. MTA Zenetudományi Intézet/Institute for Musicology of the Hungarian Academy of Sciences: Budapest 2008. 224 S. Kovács, Andrea: Corpus Antiphonalium Officii – Ecclesiarum Centralis Europae VI/A Kalocsa-Zagreb (Sanctorale). MTA Zenetudományi Intézet/Institute for Musicology of the Hungarian Academy of Sciences: Budapest 2008. 322 S. Richter, Pál: Der Melodienbestand des Franziskanerordens im Karpatenbecken im 17. Jh. A Ferences Rend dallamkészlete a XVII. században a Kárpát-medencében. Fontes his­ torici Ordinis Fratrum Minorum in Hungaria. Magyar ferences források 4. Magyarok Nagyasszonyáról Nevezett Ferences Rendtartomány: Budapest 2007. 499 S. Für die Musik ihrer Liturgie führten die ungarischen Franziskaner eine originelle, unter den geistlichen Orden einmalige Praxis ein, die sich im 18. Jahrhundert voll ent­ faltete. Diese Praxis wurzelte in der sogenannten „Klostermonodie“ des 17. Jahrhun­ derts, in dem orgelbegleiteten einstimmigen Gesang, der anfangs mensurale gregoria­ nische Gesänge umfasste. Später kamen neuere Kompositionen im Geiste der Grego­ rianik sowie die Bearbeitungen von populären Cantiones und Kirchenliedern dazu. Das Repertoire war nicht fest, es änderte sich je nach Entstehungszeit und -ort. Die erste Periode dauerte bis zur Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Dem­ gegenüber findet man in den Handschriften der zweiten Stilepoche eine immer grö­ ßere Zahl von richtigen Werken, vor allem von franziskanischen Komponisten. Außerdem war es allgemeine Franziskanerpraxis, bei der Übernahme ursprünglich mehrstimmiger Chorwerke die Stimmenzahl je nach den Bedürfnissen auf eine Stimme zu reduzieren.

III. Forschungsergebnisse Kiss, Gábor: A Catalogue of the Ordinary Melodies in Central Europe. In: Cantus Pla­ nus. Papers read at the 12th meeting of the IMS Study Group. Lillafüred/Hungary, 2004. Aug. 23–28. Edited by László Dobszay. Institute for Musicology of the Hunga­ rian Academy of Sciences: Budapest 2006, 715–722. Die vier früheren Kataloge über die einzelnen Ordinariumsgattungen stellen bis heute eine unentbehrliche Grundlage für die Ordinariumsforschung dar. Die Verfasser der vier Kataloge, M. Landwehr-Melnicki, D. Bosse, P. J. Thannabaur und M. Schildbach, beschränkten sich auf die umfangreiche Quellenbasis der zentraleuropäischen Länder und vernachlässigten, vermutlich wegen der Unzugänglichkeit der Quellen, die Erschließung der peripheren Regionen, die polnischen, böhmischen, ungarischen Quellen. Deshalb war es nötig, die Forschungen und Untersuchungen über das Reper­ toire des Ordinarium missae fortzusetzen. Der Verfasser des Konferenzberichtes beschreibt die diesbezüglichen Arbeiten in den 1990er bzw. 2000er Jahren und schil­ dert die neue Methodologie der Katalogisierung. Er untersucht vor allem die musikali­

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schen Analogien und Adaptationen, die liturgischen Schemata und Zyklen, die Ordi­ nariumsmelodien in Zusammenhang der Übertragung oder Überlieferung. Diese Untersuchungen bilden die Grundlage für seine Ausgabe: Ordinariums-Gesänge in Mitteleuropa. Repertoire-Übersicht und Melodienkatalog. Monumenta Monodica Medii Aevi Subsidia Band 6. Hg. von Gábor Kiss, Kassel 2009. Szendrei, Janka: A Medgyesi Prosarium [Das Prosarium von Mediasch]. In: Zenetudo­ mányi Dolgozatok 2008, MTA Zenetudományi Intézet: Budapest 2008, 13–37. Mediasch (heute Mediaş, Rumänien) war ein wichtiges Zentrum für die deutschspra­ chigen Siedler im mittelalterlichen Ungarn. Von ihnen stammt das Prosarium, eine interessante Mischung vom typisch mitteleuropäischen, deutschen, ungarischen und vielleicht örtlichen Repertoires. Zum Prosarium gehört ein Folio-Fragment von einem Graduale, was, neben anderen Argumenten die Vermutung verstärkt, dass das Prosa­ rium einst der Teil eines vollständigen Graduale war. Szendrei, Janka: Új adat a magyar Te Deum kérdéséhez [Neue Angabe zur Frage des ungarischen Te Deum]. In: Magyar Egyházzene 13 (2005/2006), 13–20. Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt sich die Autorin mit dem urchristlichen Gesang Te Deum, dessen fast tägliches Singen schon im frühen 11. Jahrhundert in Ungarn eingeführt wurde. Die festliche Variante der mittelalterlichen ungarischen Kirche ist – ohne zu übertreiben – der Gipfelpunkt, die Krönung des musikalischen Ausdrucks. Diese Variante wurde im protestantischen Gebrauch im 16.–17. Jahrhundert über­ nommen. Ausländische Vorkommen für das Aufwärtstransponieren der vierten Ein­ heit des Gesanges wurden aber erst kurz vorher nachgewiesen. Früher wusste man nur, dass in der liturgischen Auslegung Rationale divinorum officium von Guillelmus Durandus aus dem 13. Jahrhundert zu lesen ist, den letzten Abschnitt des Gesanges Te Deum, begonnen mit den Worten Per singulos dies, höher zu singen. Ein unlängst auf­ getauchtes Graduale, vermutlich südfranzösischer oder spanischer Herkunft vom Anfang des 17. Jahrhunderts, enthält die transponierende Technik des letzten Abschnittes, eine Angabe, die, ohne konkrete Zusammenhänge aufzeigen zu können, die ungarische Praxis bestätigt. Gilányi, Gabriela: Aquileia, Salzburg és Hirsau kapcsolata – A 11–12. századi himnuszre­ pertoár [Die Verbindung von Aquileia, Salzburg und Hirsau – Das Hymnusrepertoire aus dem 11.–12. Jh.]. In: Zenetudományi Dolgozatok 2008, MTA Zenetudományi Intézet: Budapest 2008, 39–70. Von Hirsau aus wurden im 11. Jahrhundert mehr als 100 Klöster reformiert. Diese transformierende Strömung erstreckte sich bis zum norditalienischen Gebiet, zum Patriarchat von Aquileia. Bezüglich des Hymnarium-Reperoire des gesamten Strö­ mungsgebietes stellt die Autorin fest, dass der Vermittler zwischen Hirsau und der norditalienischen Stadt Cividale das Offizium der Salzburger Diözese war. Kovács, Andrea: Szent Erzsébet középkori liturgikus énekei Magyarországon [Mittelal­ terliche liturgische Gesänge von der heiligen Elisabeth in Ungarn]. In: Magyar Egy­ házzene 14 (2006/2007), 393–410. Aufgrund der erhalten gebliebenen Gradualen, Missalen bzw. Antiphonalen, Brevia­ rien und zwei Ordinarien versucht die Autorin die mittelalterlichen ungarischen litur­ gischen Gesänge zusammenzustellen, die in der Messe bzw. bei den Stundengebeten des Festes der heiligen Elisabeth (von Thüringen oder von Ungarn) gesungen wurden. Czagány, Zsuzsa: A középkori magyarországi Demeter-kultusz zenei emlékei [Musikali­ sche Denkmäler des mittelalterlichen Demeter-Kultus in Ungarn]. Czagány, Zsuzsa/Tóth, Péter: Szent Demeter középkori zsolozsmája. Szent Demeter szekvenciája [Das mittelalterliche Demetriusoffizium. Die Demetriussequenz]. In:

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Szent Demeter – Magyarország elfeledett védő szentje. Redigiert von Péter Tóth. Balassi Kiadó: Budapest [2007], 137–157, 251–270, 271–274. Demetrius von Thessaloniki, einer der bedeutendsten Heiligen der orthodoxen Kir­ che, wurde im mittelalterlichen Ungarn als patronus huius regni verehrt. Wegen seiner pannonischen Herkunft zählten sein Fest bzw. seine Legende zum Proprium Hungari­ cum. Er war nicht nur ein beliebter Heiliger, sondern ein Landespatron. Die aus dem frühen 12. Jahrhundert stammende Historia Perennis patrie regis ist als typisches Pro­ dukt der frühen europäischen Offiziumsdichtung anzusehen. Zwölf mittelalterliche ungarische liturgische Quellen überliefern das Demetriusoffizium, wobei es sich nahezu ausnahmslos um Breviere ohne Musiknotation handelt. Die einzige Hand­ schrift, die das vollständige Offizium in notierter Fassung enthält, ist das Antiphonale Scepusiense. Dies ist die Hauptvorlage für die Ausgabe Historia Sancti Demetrii Thes­ salonicensis. Einführung Péter Tóth und Zsuzsa Czagány. Edition Zsuzsa Czagány. Herausgegeben im Rahmen der Reihe HISTORIAE. Wissenschaftliche Abhandlun­ gen Band 65/20. The Institute of Mediaeval Music: Lions Bay, Canada [2013]. Ferenczi Ilona: A Tornai graduál (1611–1613). Egy nemrég elő került kolligátum „cere­ moniális“ részének antifonái [Das Gradual von Torna (1611–1613). Die Antiphonen aus dem „zeremoniellen“ Teil eines unlängst aufgefundenen Konvoluts]. In: Zenetu­ dományi Dolgozatok 2008, MTA Zenetudományi Intézet: Budapest 2008, 115–133. Obwohl schon im Jahre 1937 ein Bericht über das Konvolut in der Széchényi-Natio­ nalbibliothek aufgezeichnet wurde, ist es erst 70 Jahre später bekannt geworden, nach­ dem es in die Bibliothek der Wissenschaftlichen Sammlungen des Reformierten Kol­ legs in Sárospatak kam. Das sehr beschädigte Konvolut stammt aus Nordostungarn (heute Slowakei) und enthält dem Inhalt und den Schreibarten nach sieben verschie­ dene Teile mit geistlichen Liedern und liturgischen Gesängen aus dem 17.–19. Jahr­ hundert. Von den sieben Teilen ist für uns der Teil Gradual der bedeutendste, das sogenannte Zeremonialbuch (liber Caeremoniarum), geschrieben zwischen 1611 und 1613. Die Sätze dieses inhaltsvollen Graduals sind vorwiegend für die Vesper bestimmt und gliedern sich in 13 Gattungen, die vorwiegend in Gattungsreihen gemäß dem Kirchenjahr erscheinen, wobei die wichtigsten die Hymnen, die Psalmen und die Antiphonen sind. Obwohl der Schlüssel in der Handschrift nirgendwo angegeben ist, können die meisten Sätze nach einem virtuellen Tenor- oder Altschlüssel und auf­ grund mittelalterlicher Muster interpretiert werden. In dem Beitrag werden die Anti­ phonen des Graduals mit den mittelalterlichen Vorbildern versehen. Ferenczi, Ilona: „Más-képpen: a mint itt mi nálunk ünnepi-napokon szoktak az Tem­ plomban énekleni.“ – Egy XVII. századi eperjesi imádságos könyv énekeirő l [Auf andere Weise, wie man bei uns in der Kirche an Festtagen zu singen pflegt – Die Gesänge eines Eperieser Gebetbuches aus dem 17. Jh.]. In: Psallite sapienter. Fest­ schrift zum 80. Geburtstag von Georg Béres. A 80 éves Béres György köszöntése. Redigiert von István Verbényi. Szent István Társulat: Budapest 2008, 165–181. Der ungarische Pfarrer von Eperies (heute Prešov, Slowakei), Marton Madarasz (Damascenus) hat 1629 für die örtliche Kirche ein Gebetbuch herausgegeben. Er hat 1635 das Graduale Ecclesiae Hungaricae Epperiensis zusammengestellt und 1635 bzw. 1641 die Betrachtungen von Boldisar Meisner übersetzt und drucken lassen. Das Gebetbuch, Die tägliche Rüstung der Eperieser ungarischen Kirche, enthält 12 solche Gebete, die auch als Gesänge bekannt sind und später, zum Teil mit Noten versehen, im Eperieser Gradual vorkommen: Psalmen, Glaubensbekenntnisse, Magnificat, Lita­ nei, Antiphonen und ein Hymnus. Das Te Deum ist auf zweierlei Weise gedruckt,

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zum zweiten Mal in jener Version, mit der Anmerkung des obigen Titels, die später im großen liturgischen Gradual aufgezeichnet wird. Papp, Anette: A protestáns graduálok introitus-repertoárja [Das Introitus-Repertoire der protestantischen Graduale]. In: „Inter sollicitudines“. Tudományos ülésszak X. Pius pápa egyházzenei motu propriójának 100 éves évfordulóján Budapest 2003. december. MTA-TKI – Liszt Ferenc Zenemű vészeti Egyetem Egyházzenei Kutatócsoport és a Magyar Egyházzenei Társaság: Budapest 2006, 329–343. Überblick der Introiten aus vier wichtigen ungarischsprachigen Gradualen des 17. Jahrhunderts, nach dem Kirchenjahr geordnet. Von den 13 Sätzen sind zwei der Funk­ tion nach zwar Introiten, gehören aber eigentlich zu anderen liturgischen Gattungen: Dicső ség és dicséret (Gloria laus et honor) zu den Hymnen, Örülj és örvendezz (zur Melodie von Regina caeli) zu den Antiphonen.

IV. Praxis in der Liturgik und Hymnologie Dobszay, László: Az élő gregorián [Lebendige Gregorianik]. In: Psallite sapienter. Fest­ schrift zum 80. Geburtstag von Georg Béres. A 80 éves Béres György köszöntése. Redigiert von István Verbényi. Szent István Társulat: Budapest 2008, 155–163. Erneut betont der Autor die Wichtigkeit, Bedeutung und Notwendigkeit der Verwen­ dung des gregorianischen Chorals in der Messe bzw. den Stundengebeten. Diese Ziel­ setzung kann erreicht werden, falls das musikalische Element des gottesdienstlichen Gesanges nicht durch die Stimmung, das Gefühl, den Geschmack, sondern durch den mit Hilfe der Musik vermittelten Inhalt bestimmt wird. Dobszay, László: A pálos zsolozsma múltja és jövő je [Die Vergangenheit und Zukunft des Pauliner-Offiziums]. In: Magyar Egyházzene 15 (2006/2007), 17–40. Der Paulinerorden, der einzige in Ungarn gegründete Männerorden, wurde vom seli­ gen Eusebius 1252 gegründet und vom Heiligen Stuhl 1308 genehmigt. Eusebius, ein ehemaliger Graner Domherr, hat die Liturgie seiner Diözese zuerst übernommen, spä­ ter aber zur eigenen Praxis des Paulinerordens umgeformt. Der Verfasser beschreibt das Offizium des Ordens und versucht, es wiederzubeleben. Die Zielsetzung seiner Bemühungen ist es, die Liturgie des Offiziums in lateinischer bzw. ungarischer oder in gemischter Sprache nach dem Muster der Pauliner herzustellen. Dobszay, László: Az órómai alleluiarium [Das altrömische Alleluiarium]. In: Magyar Egyházzene 15 (2007/2008), 131–153. Das Repertoire des Gesanges Alleluia, des elastischsten Satzes des Messpropriums, hat sich im Laufe der Jahrhunderte, gegenüber den anderen Gesängen des Propriums beträchtlich vergrößert. Bis zum 16. Jahrhundert sind immer neue Alleluia entstanden. Mit der Hilfe der zwei Gradualien von Santa Cecilia in Trastevere (1071) und der Lateranbasilika (12. Jahrhundert) stellt der Beitrag den uralten römischen Zustand des Alleluia vor. Aufgrund letzterer Quelle analysiert er den Gesang liturgisch und musi­ kalisch, in der Hoffnung, uns dem liturgischen und musikalischen Verständnis des heutigen Alleluia näher zu bringen. Hafenscher, Károly: Evangélikus istentisztelet – Liturgikus könyv, 2007 [Der Evangeli­ sche Gottesdienst – Ein Liturgiebuch, 2007]. In: Psallite sapienter. Festschrift zum 80. Geburtstag von Georg Béres. A 80 éves Béres György köszöntése. Redigiert von Ist­ ván Verbényi. Szent István Társulat: Budapest 2008, 223–230.

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Der Verfasser nahm an der Vorbereitungsarbeit der neuen ungarischen lutherischen Kirchenagende teil. Er gibt eine kurze historische Übersicht bis zum letzten Liturgie­ buch, konzipiert von Károly Prő hle (1963) und zur Entstehung des großen Versuches der evangelischen liturgischen Erneuerung. Fekete, Károly: Református istentiszteletünk hiányai és azok pótlásai [Die Mangel des ungarischen reformierten Gottesdienstes und ihr Ersatz]. In: Magyar Egyházzene 15 (2007/2008), 175–184. Der Autor beschäftigt sich mit dem Problem der Erneuerung des ungarischen reform­ ierten Gottesdienstes und ergänzt die bisherigen Bestrebungen um drei wichtige Gesichtspunkte: die unvergänglichen christlichen Werte in den Gottesdiensten in Betracht zu ziehen, Calvins ursprüngliche Auffassungen über die Gottesdienstord­ nung zu berücksichtigen und sich nach der Liturgie der europäischen protestantischen Ökumene um die Jahrhundertwende auszurichten. Bódiss, Tamás: Liturgia és gyülekezeti éneklés [Liturgie und Gemeindegesang]. In: Mag­ yar Egyházzene 15 (2007/2008), 167–174. Der Beitrag untersucht die Dreiheit der Liturgie, der Gemeinde und des Singens, und unterstreicht ihre Zusammenhänge bzw. gegenseitige Abhängigkeit. Hubert, Gabriella H.: Zsoltárénekek és zsoltáréneklés a XVI–XVII. században [Psalmen­ gesänge und Psalmsingen im 16.–17. Jh.]. In: Magyar Egyházzene 13 (2005/2006), 223–230. Im 16. Jahrhundert begannen ungarische Bibelübersetzer, von den alttestamentlichen Büchern zuerst das Psalmenbuch zu übersetzen. Infolgedessen nahmen die gedichteten Psalmen einen vornehmen Platz in den lutherischen Gesangbüchern des 16.–17. Jahr­ hunderts ein. Demgegenüber findet man im heutigen lutherischen Gesangbuch nur 23 Psalmengesänge. Die Verfasserin regt an, viel mehr Psalmen in das zukünftige Gesang­ buch aufzunehmen. Sápy, Szilvia: A diktálókönyv [Das Diktierbuch]. In: Magyar Egyházzene 14 (2006/ 2007), 75–103. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts war es sogar in der ungarischen reformierten Kirche eine Mode, Diktierbücher zu schreiben. Das Diktierbuch beinhaltet aus­ schließlich Gelegenheitstexte, die Gesänge zum Begräbnis und zur Totenwacht. Die Studie stellt 13 Sammlungen aus der unübersehbaren Menge der Diktierbücher des Kirchendistrikts Szatmár vor, die insgesamt 732 Gesänge aufweisen. Die Verfasserin analysiert den Text der Lieder, die auf irgendwelche Weise in den Gesangbüchern der früheren Jahrhunderte vorkommen. Ősz, Sándor Elő d: Éneklő pulpitusok az erdélyi református gyülekezetekben [Pulte zum Singen in den siebenbürgischen reformierten Gemeinden]. In: Magyar Egyházzene 15 (2007/2008), 287–334. Die Pulte zum Singen wurden vor allem vom Praeceptor, Kantor oder Magister der reformierten Gemeinde des 17.–18. Jahrhunderts verwendet. Mit insgesamt 240 Anga­ ben aus 14 Dekanaten, darunter auch mit einigen erhalten gebliebenen Pulten zum Sin­ gen, belegt der Verfasser, wie verbreitet der Unterricht des Gemeindegesanges in Sie­ benbürgen war.

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Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen Abba, Vader 164 Aber wellen mir heben ane 185 Ach Gott, vom Himmel sieh darein 177, 180 Ach Gott, wie lang vergissest mein 177 All Morgen ist ganz frisch und neu 261 Allein Gott in der Höh sei Ehr 258 Alleluia/ Loben den herren 178 Am Morgen will ich singen 261 An den Wassern zu Babel 196 An Wasserflüssen Babylon 259 Aus tausend Traurigkeiten gehn wir zur Krippe still 252 Aus tiefer Not schrei ich zu dir 173, 175, 180, 261 Ausgang und Eingang 261 Befiehl du deine Wege 261 Brich mit dem Hungrigen dein Brot 257 Christ, unser Herr zum Jordan kam 261 Christum wir sollen loben schon 175 Conditor alme siderum 204 Create in me a clean heart 164 Daar komt een man uit Nazaret 166 Das alte Jahr vergangen ist 259 Dat wij onszelf gewonnen geven 164 Dats wildi vander waerheyt horen sin­ gen? 185 Dein Geist, Gott, spricht oft leise 261 Dich, Mutter Gottes, ruf’n wir an 187 Dicső ség és dicséret 275 Die Kirche steht gegründet 257 Dragende, moederlijke God 163 Du hast uns Leib und Seel gespeist 261 Du kannst nicht tiefer fallen 252 Du meine Seele, singe 261 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld 259 Ein Licht erschien in dieser Welt 261

Erhebet er sich, unser Gott 261 Erzürn dich nit, o frommer Christ 205 Es geht ein frischer Sommer daher 187 Es ist ein Ros entsprungen 258 Es ist in keinem andern Heil 261 Es kommt ein Schiff geladen 261 Es solt ein meidlein frue auff stan 191 Es spricht der Unweisen Mund wohl 180 Es wollt ein Mägdlein grasen gahn 187 Gib uns Frieden jeden Tag 261 Gleich wie mich mein Vater gesandt hat 257 Gloria laus et honor 275 God hilge schepper aller stern 204 Gott sei gelobet und gebenedeiet 180 Gott, aller Schöpfung heilger Herr 257 Gott, heilger Schöpfer aller Stern 204 Gott, unser Ursprung, Herr des Raums 257 Heiliger starker Gott 166 Herr Gott, dich loben wir 202 Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer 262 Herr, die Erde ist gesegnet 261 Herr, für dein Wort sei hoch gepreist 261 Herr, ich glaube, Herr, ich hoffe 257 Herre Gud hielp mig, ieg raaber til dig 204 Himmel, Erde, Luft und Meer 257, 262 Ich bin ein Gast auf Erde 261 Ich seh empor zu den Bergen 262 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr 261 Ich weiß mir einen Anger breit 184 Ich werd’ erfreut überaus, wenn ich höre sagen 187 In dich hab ich gehoffet, Herr 196 In Gottes Namen hebn wir an 197

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Verzeichnis der zitierten Lieder und Strophen

Kom Got schepffer heyliger geyst 175 Kom heyliger geyst herre got 175 Kom, alle kristne 205 Kom, tro, og kom, glæde, dansende i kæde 206 Komm, Heiliger Geist, erfüll die Her­ zen 261 Komm, Herr, segne uns 261 Lass mich, o Herr, in allen Dingen 261 Laudato si 253 Meine Zeit ist noch nicht gekommen 262 Menschen, die ihr wart verloren 262 Morgenlicht leuchtet 261

Schweige und höre 253 Seht, der Stein ist weggerückt 262 She sits like a bird 163 Te Deum laudamus 202, 273 f Uit dieptes gans verlore 262 Uns kompt ein Schiff gefahren 261 Vater unser im Himmelreich 154 Vom Aufgang der Sonne 261 Vrede voor dit huis 164

Regina caeli 275 Reich, Christa 258 Rock of ages, cleft for me 150 Runderen, schapen en duiven te koop 164

Waar was jij 166 Was leichthin über dich geschrieben steht 262 Weit wie das Meer ist Gottes große Liebe 262 Welcher [vil] frölicher tag wil han 187 Welcher inn himel kommen well 190 Wer da will auf St. Jacob gohn 186 Wer das Elend bauen will 183, 186 Wer das reich Gottes erben will 190 Wer dstras zum himelreich wöll gahn 190 Wer Gott verlobt ein Pilgerfahrt 198 Wer haben will vil ubler zeyt 194 Wer nur den lieben Gott lässt walten 262 Wer sich wil zu S. Jocob gahn 192 Where were you, when they crucified my Lord? 166 Wie lieblich schön, Herr Zebaoth 261 Wir bitten dich, ewiger Gott 205 Wir wolln uns gerne wagen 262 Wir ziehen vor die Tore der Stadt 262 Wohl denen, die da wandeln 262 Wolts auff ihr Mann und auch ir Weib 196

Schaffe in mir, Gott, ein reines Herze 261

Zij zit als een vogel 163

Niet is het laatste woord gesproken 164 Nu kom der Heyden heyland 175 Nu wöln wir aber heben an/ Zu singn von einem Rosenkrantz 197 Nun danket all und bringet Ehr 261 Nun schreib ins Buch des Lebens 261 O come, all ye faithful 205 f O Got wir loben dich, wir bekennen dich eynen Herren 202 O Gud wi loffue dig 202 O Gud wi loffue dig, wi bekiende dig en Herre 202 O Hellige skaber oc Fader kær 204 O Herr Got hilff 204 O Lamm Gottes unschuldig 259 O store Gud! vi love dig 203 Örülj és örvendezz 275

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Verzeichnis der Personennamen Accaoui, Christian 270 Achten, Gerard 253 Adams, Jens 78 Addaminao, Antonio 268 Agamben, Giorgio 19 Al-Suadi, Soham 87 Alain, Marie-Claire 267 Albert, Anika 128 Albrecht, Christian 128 Alkier, Stefan 72, 108 Altenmüller, Eckart 254 Altermatt, Alberich Martin 128 Ameln, Konrad 169 Andel, Nienke van 143 Andersen, Niels Knud 204 Anderson, Paul N. 83 Angenendt, Arnold 112 Anheim, Étienne 267 Ansorge, Dirk 27 Arnold, Gottfried 201 Arnold, Jochen 254, 261 Arx, Urs von 93 Assel, Heinrich 102 Attridge, Harold W. 61 Auel, Hans-Helmar 132 Auksutat, Ksenija 132 Avemarie, Friedrich 85, 107 Axmacher, Elke 259, 261 Axtmann, Dominik 256 Bach, Carl Philipp Emanuel 267 f Bach, Johann Sebastian 259, 265, 267 f, 270 Bachmann, Michael 77 Bächtold, Jakob 191 Backhaus, Knut 69 Balch, David L. 107 Balders, Günter 259 Baltes, Guido 255 Bär, Martina 69 Barbe, Michèle 270 Bares, Peter 261

Barnard, Marcel 143 Barnard, Willem 163 Bärsch, Jürgen 112 Barth, Hermann 81 Bartoli, Jean-Pierre 266 ff Bartsch, Martin 256 Baschera, Luca 113 Bauer, Dieter R. 185 Baumeister, Martin 132 Bäumker, Wilhelm 210 Bauspieß, Martin 68 Becker, Cornelius 262 Bederne, Katrin 132 Béguerie, Philippe 264 Beier, Claudia 132 Beinert, Wolfgang 35, 55, 59 Bell, John L. 163 Bendik, Ivana 76 Bengt, Wolfgang 106 Benjamin, Walter 16 Benke, Christoph 132 Benoit-Otis, Marie-Hélène 269 f Benziger, Augustin 215 Béres, Georg 274 f Berger-Zell, Carmen 113 Berger, Klaus 108 Berger, Rupert 131 Berger, Thiebold 190 Berndt, Rainer 113 Bernoulli, Peter Ernst 261 Bertesius, Johannes 191 Berthier, Jacques 163 Berthon, Guillaume 265 Bertram, Hans Georg 252 Beutler, Johannes 82 Beuttner, Nikolaus 196 Bieritz, Karl-Heinrich 13 Binding, Günther 127 Birlinger, Anton 218 Bischoff, Bodo 259 Bizer, Ernst 126 BleckerGuczki, Iris Maria 133

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Verzeichnis der Personennamen

Bleistein, Roman 58 Bódiss, Tamás 276 Bohlen, Maren 78 Böhme, Franz Magnus 217 Bolte, Johannes 194, 210, 218 Boltz, Valentin 191 Bonniffet, Pierre 268 Böntert, Stefan 114 Bornmann, Lukas 103 Bosse, D. 272 Böttrich, Christfried 81, 93, 105 Bovet, Guy 267 Brademann, Jan 128 Bradshaw, Paul F. 61 Brakmann, Heinzgerd 129 Brandt, Jobst vom 184, 195 Braun-Niehr, Beate 116 Brednich, Rolf Wilhelm 185, 208 Breitsameter, Sabine 28 Bremer, Thomas 130 Brentano, Clemens 187 Breytenbach, Cilliers 69 Brödel, Christfried 261 Broer, Ingo 69, 77 Brown Howard Mayer 184 Brunner, Peter 126 Brüske, Gunda 130 Brusniak, Friedhelm 260 ff Bubmann, Peter 254 ff Budde, Achim 114 Bugnini, Annibale 61 Bühler, Pierre 101 Bumazhnov, Dmitrij F. 93 Bunners, Christian 259 Bünz, Enno 115 Burkardt, Johannes 29 Busch, Peter 105 Busse, Ulrich 66 Caesarius von Heisterbach 185 Cahusac, Louis de 266 Calrson, Stephen C. 106 Calvin, Johannes 258 Candolini, Gernot 133 Cantagrel, Gilles 266, 268 Cartayrade, Alain 266 f Casel, Odo 126 Cavaillé-Coll, Aristide 268 Cément, Félix 269

Chailley, Jacques 266, 268 ff Charpentier, Marc-Antoine 268 Chicchero, Jean-Marc 267 Chouvel, Jean-Marc 270 Chronz, Tinatin 129 Clavairoly, François 264 Cœurdevey, Annie 265 Collins, John N. 96 Cornehl, Peter 22 f Corner, Gregor 197 Cottin, Jérôme 270 Couperin, François 256 Cranach, Lucas, d.J. 260 Crecelius, Wilhelm 210 Crüger, Johann 163, 259 Crüsemann, Frank 99 Curinga, Luisa 269 Czagány, Zsuzsa 271, 273 Dahlhaus, Carl 269 f Dalferth, Ingolf U. 101 Damon-Guillot, Anne 269 Danto, Arthur Coleman 15 Daudé, Gill 264 De Gregorio, Vincenzo 255 de Vries, Sytze 163 de Waal, Nico 161 Decius, Nicolaus 259 Decroll, Volker Henning 65 Deeg, Alexander 9 ff, 13, 18, 22, 30, 101, 129 Delalande, François 266 Demetrius von Thessaloniki 274 den Besten, Ad 163 Den Boon, Ton 148 Diekamp, Busso 211 Dixon, Edward P. 86 Dobszay, László 271 f, 275 Dochhorn, Jan 65 Dolet Etienne 265 Domin, Nicolas 266 Dormeyer, Detlev 68 f Dorneger, Karl 262 Dörner, Gerald 110 Drane, John 28 Dresken-Weiland, Jutta 72 Dronsch, Kristina 74 Du Toit, David S. 79 Dubreuil-Porret, Amélie 269

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Verzeichnis der Personennamen Dunn, James D. G. 77, 93 Duruflé, Maurice 266 Dvidson, Ole 105 Eberhart, Christian A. 70 Ebert, Andreas 133 Ebner, Martin 99 Ebrard, August 113 Eckstein, Hans-Joachim 78 Eco, Umberto 15 Egerer, Ernst Dietrich 261 Eham, Markus 256 Eisele, Wilfried 91, 97, 108, 115 Eisen, Ute E. 108 Eizinger, Werner 133 Elisabeth von Thüringen 273 Engberg-Pedersen, Troels 105 Engelsberger, Gerhard 133 f Enzner-Probst, Brigitte 134 Erk, Ludwig 216 f Erlemann, Kurt 69, 74 Erne, Thomas 127 Eschenburg, Johann Joachim 209 Eschner, Chrstina 69 Eßmann, Gabriele 132 Evang, Martin 56, 60, 256 Faller, Joachim 257 Faust, Eberhard 106 Fechtner, Kristian 12, 19 Fekete, Károly 276 Feldmeier, Reinhard 65 Felmy, K. C. 89 Felsch, Dorit 84 f Fendler, Folkert 254 Feneyrou, Laurent 266 Ferdinand II., Erzherzog von Öster­ reich 194 Ferenczi, Ilona 271, 274 Feulner, Hans-Jürgen 129 Fiala, David 267 Finnern, Sönke 102 Fischer, Ingrid 115 Föllmi, Beat 267 ff Forster, Georg 184, 195 Fouquet, Gerhard 115 Fox, Peter 176 Frankemölle, Hubert 69, 93 Franz von Assisi 253

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Franz, Ansgar 261 Frese, Tobias 127 Frey, Jakob 194 Frey, Jörg 65, 74, 76, 83 f, 100, 102, 107 Fribourg, Marie-Paule 268 Friedrichs, Lutz 128, 134 Frommel, Sabine 264 Fuchs, Guido 134 Fuhrmann, Siri 262 Galpérine, Alexis 270 Gantner-Schles, Hildegard 29 Garhammer, Erich 30 Garrett, Susan R. 105 Garsky, Zbynek 84 Gassmann, Michael 255 Gautrot, Philippe 268 Gazer, Hacik Rafi 130 Geerlings, Wilhelm 60 Geerts, Guido 148 Gemünden, Petra von 66, 106 Genz, Bernd 211 Gerhards, Albert 27, 130 Gerhardt, Paul 163, 258 ff Germain-David, Pierrette 269 Germann, W. 202 Gesius, Bartholomäus 196, 261 Gielen, Marlis 75 Gilányi, Gabriela 271, 273 Glonnegger, Erwin 19 Godebrye, Jacob 268 Goldschmidt, Stephan 135 Gonin, Frédéric 267 Gordley, Matthew 95 Görisch, Reinhard 261 Govaart, Andries 163 Graf, Dominik 100 Green, Keith 164 Gregur, Josip 116 Grethlein, Christian 116, 129 Gribenski, Fanny 269 Gribl, Albrecht 185 Grindal, Gracia 25 Grossmann, Manuela 129 Grub, Udo 148 Grüber, Michael 270 Grundtvig, Nikolai Frederik Severin 206 Grüter, Verena 254 f Guardini, Romano 24

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Verzeichnis der Personennamen

Guillelmus Durandus 273 Guldenmund, Hans 187 Gut, Serge 266 Gutmann, Hans-Martin 254 Habicht, Tobias 135 Hafenscher, Károly 275 Hagenow, Stephan 104 Hahn, Gerhard 261 Hahnen, Peter 133, 135 Halévy, Olivier 268 Hammann, Konrad 128 Hammerschmidt, Andreas 259 Hannick, Christian 255 Häring, Michael 197 Hartenstein, Judith 68 Hascher-Burger, Ulrike 116 Hascher, Xavier 270 Haunerland, Winfried 112, 122, 124, 129 Hauschildt, Eberhard 131 Havard de la Montagne, Denis 267 Haydn, Joseph 267 Hays, Richard B. 74 Heeroma, K. 163 Heike-Gmelin, Axel 117 Heininger, Bernhard 85 Heinz, Andreas 129, 183 Heitmeyer, Erika 257, 261, 263 Heitz-Muller, Anne-Marie 264 Helweg Hanson, Kristin 148 Hempel, Christoph 254 Hempelmann, Heinzpeter 135 Henkys, Jürgen 259, 261 Hentschel, Anni 96 Hentschel, Georg 69 Herbers, Klaus 184 f Herbst, Wolfgang 252, 261 Herl, Joseph 169 Hermann, Markus-Liborius 69 Hermannus Contractus 259 Hermes, P. Michael OSB 253 Herrmann, Florian 71 Herrmann, Matthias 260 Hersleb, Peder 203 Herzog, Jürgen 260 Hetzer, Ludwig 205 Heyl, Andreas 13 Hildenbrand, Udo 148 Hiley, Davidv 259

Hirt, Walter 262 His, Isabelle 265, 268 Hofbauer, Michael 260 Hoffmann, Anne 265 Hoffmann, Konrad 55, 59 Hoffmann, Veronika 117 Hoffsümmer, Willi 136 Hofius, Otfried 97 Hofmann, Dorothea 195 Hofmann, Peter 116 Holbein, Ambrosius 189 Holbein, Hans, d.J. 189 Holtzmann, Heinrich Jul. 67 Hoondert, Martin J.M. 143 Hoping, Helmut 124 Hoppe, Rudolf 66, 69, 77 Höppner, Christian 255 Hörisch, Jochen 17 Horn, Friedrich 75 Horn, Werner 262 Horrel, David G. 66 Hubert, Friedrich 177 Hubert, Gabriella H. 276 Hübner, Hans-Peter 81 Hughes, Graham 148 Huijbers, Bernard 163 Huizinga, Johan 31 Humber, Frédéric 265, 267 Hungar, Kristian 99 Hunziker, Adreas 101 Hyde, Thomas 20 Inselmann, Anke 82 Jacob, Georges 267 Jacobi, Michael 259 Jacobse, Muus 163 Jacotin 268 Jambou, Louis 269 Janequin, Clèment 268 Janssen, Claudia 99 Jeggle-Merz, Birgit 11, 118 Jehle, Irmengard 183 Jehle, Martin Friedrich 263 Jehle, Volker 263 Jenny, Markus 169, 204 Johansen, Johannes 206 Johnson, Lee A. 105 Johnson, Maxwell 61

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Verzeichnis der Personennamen Jolivet, André 268 f Jung, Herbert 136 Jung, Martina 136 Jüngel, Eberhard 9 Kadelbach, Ada 260 Kahl, Werner 74 Kähler, Christoph 81 Kaiser, Jochen 254 Kamling, Rainer 69 Kampe, Peter 106 Kampmann, Monika 137 Karakolis, Christos 93 Karas, Manfred 262 Karcher, Stefan 135 Kares, Martin 256 Karimi, Milad 255 Karrer, Martin 68 Kasper, Walter 129 Kathe, Bettina 132 Keim, Theodor 67 Kennel, Gunter 262 Kerl, Gerd 56 Kessler, Rainer 99, 256 Keuchen, Marion 253 Kierkegaard, Sören 33 Kirchbach, Agnès von 264 Kirschbaum, Christa 256 Kiss, Gábor 272 f Kissing, Hanns-Gregor 139 Klein, Hans 93 Kleinewiese, Reinhard 137 Klek, Konrad 254 Klier, Karl M. 211 Klinghardt, Matthias 88 Kloppers, Elsabé 262 Klumbies, Paul-Gerhard 71, 79 Knackmuß, Susanne 259 Kneubühler, Philippe 85 Knierim, Michael 29 Knoll, Regina 91 Kobusch, Irmentraud 137 Koch, Dietrich-Alex 98 Koch, Ottfried 126 Koffemann, Leo J. 146 Kohle, Maria 257 Kok, Cornelius 137 Kollmann, Bernd 77 Komnitzer, Konstanze Evagenlia 13

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Konradt, Matthias 77, 81, 105 Konstantinos, Zarras T. 93 Köppfel, Wolfgang 176, 178 Koranyi, Max 137 Kornarakis, Konstantinos 93 Kornerup, Bjørn 201 Korth, Hans-Otto 259 Kortkamp, Jacob 259 Körtner, Ulrich H. J. 101 Kovács, Andrea 271 ff Kranemann, Benedikt 11, 30, 118, 129 f Kraus, Thomas J. 93 Kretzschmar, Gerald 129 Kreutz, Gunther 254 Kreuzpointner, Johann Simon 257 Krieg, Gustav A. 255 ff Krummacher, Christoph 256 Küchler, Max 66 Kuhlmann, Helga 253 Kühn, Jonathan C. 256 Kühn, Ulrich 35 Kühne, Hartmut 193 Kühne, Susanne 129 Kusmierz, Katrin 118 Küster, Konrad 259 f Labahn, Michael 105 Labussière, Annie 266 Lähnemann, Henrike 116 Lam, Hanna 164 Lampe, Peter 106 Landwehr-Melnicki, M. 272 Lang, Friedrich Gustav 94 Lange, Christian 130 Langwald, Marie-Luise 137 Lassberg, Joseph Freiherr von 217 Lathrop, Gordon W. 119 Lauterbacher, Marcus 138 Lauterwasser, Helmut 168, 261 Le Diagon-Jacquin, Laurence 268 Le Jeune, Claude 265, 268 Le Maistre, Claude 265 Lecomte, Laurent 264 Lehnert, Christian 13, 22 Leiner, Martin 106 Leisentrit, Johann 263 Lenk, Annette-Christine 256 Lenz, Joachim 256 Lenz, Matthias 253

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Verzeichnis der Personennamen

Leonhardt-Balzer, Jutta 105 Leroy, Marc 267 Lettau, Andreas 262 Leube, Bernhard 256, 258 Leutzsch, Martin 81, 253 Leven, Benjamin 119 Ligeti, György 268 Lindemann, Andreas 79, 87 Lintrup, Søren 203 Lipphardt, Walther 169, 196 Lips, Hermann von 107 Liszt, Franz 267 f Ljuslinder, Karin 147 Locher, Gottfried Wilhelm 18 Loersfeld, Johannes 175 Löhe, Wilhelm 177 Löhr, Hermut 69, 87, 93, 105 Lours, Mathieu 269 Loyola, Ignatius 201 Luisa, Francesco 268 Lukácsy, Andreás 20 Lumma, Liborius Olaf 138 Lundgren, Anna Sofia 147 Lurz, Friedrich 129 Luther, Martin 10, 124, 163, 169, 188, 200, 202, 255, 258, 261 Lutze, Eberhard 189 Luz, Ulrich 67, 81, 96, 106 Lyster, Jens 200, 204 MacArthur, Terry 255 Madarasz, Marton 274 Mager, Inge 259 f Maier, Hans 255 f Maierhof, Jens 138 Maler, Mathes 172, 175 Marini, Piero 129 Marot, Clément 265 Marschler, Thomas 119 Marti, Andreas 158, 254, 256, 261 f März, Claus-Peter 69 Maschmeier, Jens-Christian 77 Mathwig, Frank 18 Mautner, Martin-Christian 261 Mayer-Klaus, Ulrike 138 Mayordomo, Moisés 81 McGann, Mary E. 148 McRae, Rachel M. 89 Meeùs, Nicolas 266

Mehrtens, Frits 163 Meier, John 191 Meier, Petrus 259 Meisner, Boldisar 274 Mell, Ulrich 87 Menke, Christoph 14 Mering, Klaus von 139 Merkt, Andreas 72 Merlin, Christian 266 Merz, Annette 106 Methuen, Charlotte 108 Metzger, Paul 68 Meusebach, Karl Hartwig Gregor Freiherr von 177, 209 Meyer-Blanck, Michael 9 f, 12, 16, 19, 22, 30, 32, 57, 63, 120, 129 Miersemann, Wolfgang 259 Migot, Georges 268 f Mihoc, Vasile 93 Millet, Bernard 264 Mireille (Sœur) 264 Mittnacht, Elisabeth 139 Molino, Jean 269 Moltmann-Wendel, Elisabeth 134 Mortensen, Claus 202 Moser, Marion 84 Mozart, Wolfgang Amadeus 269 Muethel, Julius 126 Müller, Konrad 13 Münch, Christian 68 Müntzer, Thomas 201 f Mus, Dielinde 132 Musto, Peter 133 Napolitano, Ernesto 269 Nathusius, Philipp 216 f Naumann, Bettina 139 Naumann, Hartmut 256 Nehlsen, Eberhard 208 Nehring, Andreas 104 Neijenhuis, Jörg 34, 47, 110 Nemtsov, Jascha 255 Neuhaus, Gerd 129 Nicklas, Tobias 72, 93 Nicol, Martin 12, 19, 101 Nicolas, Patrice 268 Niebuhr, Karl-Wilhelm 93 Niedballa, Thomas 129 Niehüser, Isolde 137

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Verzeichnis der Personennamen Nielsen, Jesper Tang 71 Nösges, Nikolaus 185 Nouzille, Philippe 266 Nubel, Jonathan 270 O’Collins, Gerald 129 Odeh-Tamimi, Samir 255 Odenthal, Andreas 129 Oestreich, Bernhard 102 Öhler, Markus 86, 90, 99 Oomen, Antoine 163, 262 Oosterhuis, Huub 163, 259, 262 Ostmeyer, Karl-Heinrich 93, 105 Ősz, Sándor Elő d 276 Ott, Bernard 268 Ott, Christian 268 Pébrier, Sylvie 269 Péché, Valérie 269 Pagel, Maria 139 Pao, David W. 91 Pape, Hinrich 259 Papp, Anette 275 Parmentier, Elisabeth 106 Passarge, Ute 262 Pellegrini, Silvia 69 Peppard, Michael 86 Petersen, Anders Klostergaard 103 Petersen, Hauke 121 Petersen, Silke 67, 83, 91 Petrejus, Johannes 184 Peucker, Nicolaus 259 Pfatteicher, Philipp 24 Pfeiffer, Franz 217 Pfeiffer, Michaela OCist 266 Philipps, L. Edward 61 Picard, François 270 Pichard, Jacques 266 Pidoux, Pierre 262 Pilz, Winfried 253 Pistone, Danièle 270 Plietzsch, Susanne 81 Plötz, Robert 184 Plüss, David 118 Pohl-Patalong, Uta 11, 131 Pokorny, Petr 80 Pollmann, Ines 79 Popkes, Enno Edzard 68 Poplutz, Uta 65, 68, 84

Pouradier, Maud 270 Prő hle, Károly 276 Praetorius, Jacob 259 Praetorius, Michael 196 Praßl, Franz Karl 262 f Psychoyou, Théodora 269 Quartier, Thomas 129 Rabens, Volker 75 Räisänen, Heikki 106 Rameau, Jean-Philippe 266 Raminger, Narciß 189 Raschzok, Klaus 11 f, 14, 19, 32 Rasser, Johann 195 Ratzinger, Joseph 67 f, 255 Rau, Eckhard 67 Reich, Christa 256, 261 Reichel, Hanna 135 Rein, Gerhard 58 Reinbold, Wolfgang 81 Reinhardt, Michael 66 Reinmuth, Eckart 83, 103 Reinthaler, Karl 173 Reitz-Dinse, Annegret 129 Rentsch, Christian 120 Richter, Christa Maria: 260 Richter, Pál 272 Richter, Wolfgang M. 140 Ringleben, Joahim 68 Rist, Johann 259 Rodler, Benedikt 256 Röhrich, Lutz 185 Röhser, Günter 104, 108 Rölleke, Heinz 199 Rollin, Vincent 269 Roose, Hanna 105 Rossi, Salamone 269 Roudet, Jeanne 267 Rouet, Pascale 268, 270 Ruddat, Günter 121 Ruffatti, Alessio 269 Ruhbach, Gerhard 58 Rysková, Mireia 69 Saffle, Michael 268 Sandermann, Leonard 163 Sänger, Dieter 77 Sápy, Szilvia 276

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Verzeichnis der Personennamen

Sauer, Hanjo 122 Sauer, Harald 140 Schade, Franziska 140 Schade, Herwarth von 55, 59 Schaefer, Christoph 91, 97, 108 Schäfer, Christiane 258 Schafer, Murray R. 28 Schaller, Hans 140 Schanze, Frieder 209 Scheffler, Johannes 187 Scheidemann, Heinrich 259 Scheitler, Irmgard 183 Schenker, Adrian 108 Schiemer, Leonhard 205 Schildbach, M. 272 Schilling, Alfred 60 Schirmer, Uwe 260 Schlegel, Juliane 84 Schleiermacher, Friedrich 17 Schleithoff, Doris 132 Schließer, Benjamin 76, 135 Schmedtgen, Joachim 202 Schmeltzl, Wolfgang 184 Schmid, Georg 261 Schmidt, Bernhard 261 Schmidt, Karl Matthias 80 Schmidt-Lauber, Hans-Christoph 126 Schneider, Horst 185 Schneider, Matthias 256 Schop, Johann 259 Schorch, Stefan 108 Schottroff, Luise 99 Schreiber, Stefan 69, 116 Schroeter-Wittke, Harald 29 Schröter, Jens 88, 100 Schubert, Anselm 129 f Schubert, Corinna 135 Schuhmacher, Thomas 140 Schulte Nordholt, Jan Willem 163 Schulz, Claudia 12, 16, 32 Schütgen, Tatjana 254 Schütz, Heike J. 140 Schwarz, Christian 141 Schweitzer, Albert 67, 79, 267 f, 270 Schweyer, Stefan 122 Schwier, Helmut 11, 64, 100, 106, 130 Schwindt, Nicole 187 Schwöbel, Christoph 255 Seckendorf, Leo Freih. von 199

Sehling, Emil 110 Sehlmeyer, Markus 103 Seibt, Ilsabe 56, 256, 261 Seitz, Manfred 60 Senkel, Christian 107 Servet, Michael 201 Shemweta, Mose 255 Siertsema, Bettine 259 Sigg, Stephan 141 Skala, Dominik 255 Smit, Beter-Ben 88 Snoj, Jurij 271 Söding, Thomas 67 ff, 77 Sommer, Regina 91, 128 Soury, Thomas 266 Spieckermann, Hermann 65 Spieß, Tabea 12, 16, 32 Staden, Sigmund Theophil 259 Stählin, Wilhelm 22 Stalmann, Joachim 260 f Stammler, Jakob 185 Standhartinger, Angela 72, 89, 107 Stanley, Roy 169, 173, 176 Staudt, Darina 66 Stegemann, Wolfgang 66, 106 Steger, Christian Karl 128 Steiger, Johann Anselm 259 f Stein, Tine 81 Stiewe, Martin 69 Stock, Alex 259 Stolte, Ansgar 122 Strauss, Friedrich Adolph 114 Strecker, Christian 74, 103, 105 Stückelberg, Ernst Alfred 199 Stuflesser, Martin 119, 122 Stuhlmacher, Peter 100 Sudermann, Daniel 261 Suri, Olivia 129 Surmont, Jean-Nicolas de 268 Süß, Andreas 139 Szabo-Knotik, Cornelia 268 Szarán, Luís 255 Szendrei, Janka 273 Tacke, Andreas 193 Tan, Sooi Ling 255 Tausen, Hans 202, 204 Taussig, Hal 88 Teichmann, Wolfgang 255

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Verzeichnis der Personennamen ter Burg, Wim 164 Thannabaur, P.J. 272 Theißen, Gerd 66, 69, 79, 82, 92, 106 Theobald, Michael 66, 82 ff, 90 f, 97, 100, 105, 108 Thomissøn 204 Thyen, Hartwig 83 Tiwald, Markus 69 Tobler, Gustav 185 Tönsing, Gertrud 143 Tóth, Franz 93 Tóth, Péter 273 Tournes, Jean de 265 Tran Van Khê 270 Trobisch, David 106 Trotzke, Irenäus 123 Uhland, Ludwig 208, 212, 217 Unger, Günter 95 Uro, Risto 92 van de Woestijne, Christiaan 159 van Eijnatten, J. 160 van Leeuwen, Jaco 163 van Lieburg, F.A. 16 Velly, Jean-Jacques 270 Vendries, Christophe 269 Vento, Ivo 186 Verbényi, István 274 f Verheyden, Joseph 72 Vidal, Christophe 268 Vignes, Jean 268 Viret, Jacques 266 Vogel, Manuel 105 Vogel, Willem 163 Voigt, Kerstin 81 Voigtländer, Johannes 123 Völker, Alexander 53, 55 Vollenweider, Samuel 68, 93, 105 Vorholt, Robert 72 Vouga, François 69, 81, 85, 103, 105 Wackernagel, Philipp 168, 172, 177 f, 181, 183, 217 Wagner-Rau, Ulrike 91 Wagner, Jochen 96 Wagner, Karl 141 Wagner, Richard 266 Wahle, Stephan 124

Walch, Johann Georg 188 Waldeck, Karl 257 Waldenfels, Bernhard 10, 16 Walter, Johann 260 Walter, Meinrad 257, 262 Walti, Christian 129 Wanke, Joachim 81 Warkentin, Heide 141 Weber, Édith 264 f, 268, 270 Weber, Franz 185 Weckerling, August 210 Wedderburn, Alexander J. M. 70 Weder, Hans 101 Wehn, Beate 103 Weidemann, Hans-Ulrich 91, 97, 108 Weimer, Markus 135 Weiß, Thomas 142 Weiß, Wolfgang 89 f Weissenrieder, Annette 103, 107 Welke-Holtmann, Sigrun 142 Weller, Emil 217 Wendel, Dieter 257 Wendte, Martin 124 Wengst, Klaus 70, 81 Wentzel, Johann Christoph 194 Werlin, Johannes 195 Westermeyer, Paul 148 Wetzel, Richard 263 Whitfield, Jean-Pierre 268 Wiblé, Pierre 267 f Wickram, Jörg 194 Wiegand, Dietmar 81 Wiegand, Eberhard 189 Wiesgickl, Simon 104 Wild-Wood, Emma 148 Wilkins, Nigel 270 Willa, Josef-Anton 130 Williams-Krapp, Wernerv 185 Winter, Christiaan 163 Winter, Stephan 125 Wischmeyer, Oda 68, 71, 77, 106 Wit, Jan 163 Witt, Dieter 142 Wittmann, Markus 135 Witzstat von Wertheym, Hans 187 Wohlmuth, Johann 271 Wolff, Christoph 268 Wolgast, Eike 110 Wolter, Michael 73, 76, 78

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Verzeichnis der Personennamen

Wood, Peter 148 Worm, Christen 203 Wucherpfenning, Ansgar 81 Wurzer, Christian 132 Yoshida Shin 106 Zenetti, Lothar 261 f Zepf, Markus 268 Zerfaß, Alexander 130, 261 f Ziegler, Roland 126 Zimmer, Marcel 164

Zimmermann, Christiane 87 Zimmermann, Heinz Werner 261 f Zimmermann, Johannes 188, 194 Zimmermann, Ruben 68, 84, 103 Zink, Jörg 126 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 262 Zuiderveld, Rikkert 164 Zumstein, Jean 83 Zwick, Johannes 189 Zwingli, Ulrich (Huldrych) 123, 201, 204, 255, 258

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Ständige Berater Dozent Günter Balders, Berlin Kantor Pfarrer Peter Ernst Bernoulli, Zürich Prof. Dr. Christfried Böttrich, Greifswald Prof. Dr. Paul F. Bradshaw, Notre Dame/ Ind., USA Pfarrer Dr. Christian Bunners, Berlin Prof. Dr. Bruno Bürki, Neuchâtel Prof. Dr. Joachim Conrad, Püttlingen Prof. Dr. Peter Cornehl, Hamburg Prof. Dr. Christian Felmy, Erlangen Dr. Ilona Ferenczi, Budapest Prof. Dr. Gerhard Hahn, Regensburg Prof. Dr. Andreas Heinz, Auw a. d. Kyll Canon Prof. Dr. David R. Holeton, Toronto/Prag Prof. Dr. Jürgen Henkys, Berlin Prof. Dr. Konrad Klek, Erlangen Prof. Dr. Hermann Kurzke, Mainz Dozentin Barbara Lange, Mirow Rev. Prof. Dr. Robin A. Leaver, Dover, USA Rev. Alan Luff, Cardiff, Wales

Prof. Dr. Jan R. Luth, Groningen Pfarrer em. Dr. h. c. Jens Lyster, Broager, Dänemark Prof. Dr. Christian Möller, Heidelberg Prof. Dr. Michael Niemann, Rostock Prof. Dr. Peter Poscharsky, Erlangen Prof. Dr. Franz Karl Praßl, Graz Prof. Dr. Klaus Raschzok, Neuendettelsau Pfarrer Heinrich Riehm, Heidelberg Prof. Dr. Martin Rößler, Bronnweiler Propst Dr. Eberhard Schmidt, Göttingen Pfarrerin Dr. Ilsabe Seibt, Potsdam Lic. theol. Hannu Vaapavuori, Vantaa, Finnland Superintendent i. R. Alexander Völker, Minden (Westf.) Prof. ém. Dr.ès lettres Édith Weber, Paris Prof. Dr. Paul Westermeyer, St. Paul/Mn., USA Pfarrer Dr. Karl-Friedrich Wiggermann, Münster Dr. Andreas Wittenberg, Bamberg

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Autorinnen und Autoren Autoren Liturgik Prof. Dr. Alexander Deeg Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig Martin-Luther-Ring 3 04109 Leipzig http://pt.theol.uni-leipzig.de/personen/ prof/deeg/ Prof. Dr. Jörg Neijenhuis Mombertstr. 11 69126 Heidelberg www.neijenhuis.de www.theologie.uni-heidelberg.de/ fakultaet/personen/neijenhuis.html Prof. Dr. Helmut Schwier Theologische Fakultät der Universität Heidelberg Karlstraße 16 69117 Heidelberg www.theologie.uni-heidelberg.de/ fakultaet/personen/schwier.html Superintendent i.R. Alexander Völker Rodenbecker Str. 102C 32427 Minden Autoren Hymnologie MA Nienke van Andel Studiert Liturgik (PhD) an der Protes­ tantischen Theologischen Universität Amsterdam. P.O. Box 7161, NL-1007 MC Amster­ dam. Prof. Dr. Marcel Barnard Professor für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Univer­ sität Amsterdam, Professor für Litur­ giewissenschaft an der Freien Universi­ tät Amsterdam und ao. Professor für Praktische Theologie an der Universität Stellenbosch, Südafrika. Postbus 7161, 1007 MC Amsterdam

Dr. Ilona Ferenczi Musikwissenschaftlerin, wissenschaft­ liche Mitarbeiterin des Instituts für Musikwissenschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Dozen­ tin der Liszt-Ferenc Akademie der Musik in Budapest (Geschichte der ungarischen Musik, Paläographie). For­ schungsgebiet: ein- und mehrstimmige, vokale bzw. instrumentale Musik des 16.–17. Jahrhunderts, vor allem die ungarischsprachige Gregorianik und die Sammlungen des 17. Jahrhunderts. Beiträge in ungarischen und ausländi­ schen Zeitschriften, Ausgaben in der Serie Musicalia Danubiana. Fortuna u. 25, H-1014 Budapest Prof. Dr. theol. Wolfgang Herbst Kirchenmusiker i.R., gew. Leiter der Hochschule für Kirchenmusik Heidel­ berg (früher: Kirchenmusikalisches Institut der evang. Landeskirche in Baden). Kleinschmidtstraße 52, D-69115 Hei­ delberg Dr. Martin J.M. Hoondert Universitätsdozent für das Fach Musik, Religion und Ritual an der Universität Tilburg NL. Postbus 90153, NL-5000 LE Tilburg Dr. Helmut Lauterwasser Kirchenmusiker und Musikwissen­ schaftler. 2000–2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Edition des deut­ schen Kirchenlieds“ in Kassel, seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Quellenlexikon der Musik RISM (Répertoire International des Sources Musicales), Arbeitsgruppe Deutschland, Arbeitsstelle München an der Bayerischen Staatsbibliothek. Edlingerstraße 8, D-81543 München

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Autorinnen und Autoren Dr. theol. Jens Lyster Geb. 1942. Pfarrer, Lehrer für Hymno­ logie am Pastoralseminar und an der Pfarrerhochschule. Vorsitzender für Salmehistorisk Selskab 1971–79. Mit­ glied der Dänischen Sprach- und Lite­ raturgesellschaft 1978. Dr.theol.h.c. der Univ. Kopenhagen 2007. Schriftleiter der „Hymnologiske Med­ delelser“, Zeitschrift für Salmehist. Selskab 1971–85 und 1994–96. Mithe­ rausgeber von „Middelalderens danske Bönneböger“ 1982. Herausgeber von „Hans Christensen Sthens Skrifter“ IIV, 1994–2014. Forschungsschwer­ punkte: Grenzgebiet zwischen Lied und Gebet, geistliche Flugschriftlieder, die frühen Ausgaben 1565 und 1567 von Habermanns Gebetbuch und nichtoffizielle dänische und schwedi­ sche Kirchenliederbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts. Drosselvänget 8, DK-6310 Broager. Dr. Eberhard Nehlsen Geb. 1953, studierte Sozialwissenschaf­ ten, Musikwissenschaft und Musikpä­ dagogik in Göttingen, Oldenburg und Bremen. Promotion mit einer Arbeit über die Rezeption von „Wilhelmus von Nassauen“ im deutschsprachigen Raum vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Musikpädagoge im Schuldienst und als Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg. Wissenschaftlicher Schwer­ punkt sind die Liedflugschriften der frühen Neuzeit. Trommelweg 48, D-26125 Oldenburg Prof. Dr. Irmgard Scheitler Geb. in München, Studium der katholi­ schen Theologie, Germanistik und Byzantinistik,Promotion an der LMU München, Habilitation an der TU Dresden. Seit 2002 apl. Prof. im Fach „Neuere deutsche Literaturgeschichte“ an der Universität Würzburg. For­ schungsschwerpunkte: Frühe Neuzeit,

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Gegenwartsliteratur, Hymnologie, Beziehung Musik und Literatur. Schneebeerenweg 2, D85072 Eichstät Prof. ém. Dr. Édith Weber Geb. 1925. Emeritierte Professorin für Musikgeschichte an der Université Paris-Sorbonne seit 1994, tätig an der Sorbonne seit 1958. Unterricht am Institut Catholique de Paris und am Instituto Gregoriano de Lisboa. Leite­ rin der Forschungsgruppe „Patrimoine Musical (1450–1750)“. Forschungsge­ biete: Musikgeschichte (Besonders: Reformation und Gegenreformation, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach). Herausgeberin der Reihen „Gui­ des Musicologiques“ und „Itinéraires du Cantus Firmus“. Veröffentlichungen u. a.: „La musique mesurée à l'Antique en Allemagne“, Paris, 1974 (Diss.); „Le théâtre humani­ ste et scolaire dans les Pays Rhénans“, Paris 1974 (Diss.); „La musique protes­ tante de langue française“, Paris 1979; „La musique protestante en langue alle­ mande“, Paris 1980; „La recherche hymnologique“, Paris 2001. 1016 rue Thibaud, F75014 Paris Dr. Christiaan E. van de Woestijne Studierte Mathematik, Informatik, Orgel und Chorleitung in Leiden, Rot­ terdam und Graz, promovierte in Mathematik in Leiden und studiert zur Zeit Kirchenmusik an der Kunstuniver­ sität Graz. 1998–2005 Organist der Scots International Church Rotterdam sowie Hilfsorganist an der Hervormde Marekerk in Leiden. Seit 2006 Senior Lecturer für Mathematik und Geomet­ rie in Graz, Hilfsorganist an der Grazer Evangelischen Heilandskirche; Kon­ zertorganist, Klavierlehrer, Dirigent, Korrepetitor und Chorsänger. Seit Juli 2014 Organist der katholischen Pfarre zu den Hl. Schutzengeln zu Graz. Sandgasse 43/9, 8010 Graz, Österreich.

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