Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie: 2017 [1 ed.] 9783666572272, 9783525572276


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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie: 2017 [1 ed.]
 9783666572272, 9783525572276

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Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie

2017

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 56. Band 2017

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 56. Band – 2017

Herausgegeben von Alexander Deeg Ada Kadelbach Michael Meyer-Blanck Jörg Neijenhuis Irmgard Scheitler Matthias Schneider Helmut Schwier Daniela Wissemann-Garbe in Verbindung mit der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie, dem Interdisziplinären Arbeitskreis Gesangbuchforschung Mainz, dem Liturgiewissenschaftlichen Institut Leipzig, der Liturgischen Konferenz Deutschlands

Vandenhoeck & Ruprecht

Begründet 1955 von Konrad Ameln, Christhard Mahrenholz und Karl Ferdinand Müller

Schriftleiter: Prof. Dr. Jörg Neijenhuis, Mombertstr. 11, 69126 Heidelberg E-Mail: [email protected] (Liturgik) Dr. Daniela Wissemann-Garbe, Moischter Str. 52, 35043 Marburg E-Mail: [email protected] (Hymnologie) Manuskripte und Rezensionsexemplare bitte nur an die Schriftleiter schicken.

Mit 2 Abbildungen, 18 Tabellen und 6 Notenbeispielen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2197-3466 ISBN 978-3-666-57227-2 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen

Inhalt Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Liturgik Mit dem Anspruch von Wahrheit Einige wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Selbstverständnis und zur Konzeption von Liturgiewissenschaft Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Agendenfreier Gottesdienst als wissenschaftliche und praktische Aufgabe Entwicklungen im Bereich der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz Andreas Marti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Literaturberichte zur Liturgik Literaturbericht Liturgik Das Neue Testament erkunden und verstehen Literaturbericht zum NT und der antiken Welt (2014–2016) Helmut Schwier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Literaturbericht Liturgik Deutschsprachige Länder 2016 (2015) Jörg Neijenhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Hymnologie Deutsche Pastoren im lettischen Raum: die Übersetzung des geistlichen Liedes ins Lettische im 16. und 17. Jahrhundert Māra Grudule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Inhalt

Pietismus und Dadaismus Das „Geheimniß=volle Triumph-Lied“ aus Gottfried Arnolds zweitem Teil der Göttlichen Liebesfunken von 1701 Wolfgang Herbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern im 19. Jahrhundert Matthias Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literaturberichte zur Hymnologie Literaturbericht Hymnologie Deutschsprachige Länder (2014, 2015) 2016/17 Daniela Wissemann-Garbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literaturbericht Hymnologie Französischsprachige Länder 2016 Édith Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Register Verzeichnis der zitierten Strophen und Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Verzeichnis der Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Ständige Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

Geleitwort Das Jahrbuch wird in seinem liturgischen Teil  eröffnet mit einigen wissenschaftstheoretischen Überlegungen zum Selbstverständnis und zur Konzeption von Liturgiewissenschaft. Jörg Neijenhuis fragt nach dem Standort des Liturgiewissenschaftlers bzw. der Liturgiewissenschaftlerin: Befindet sich der Standort in der (eigenen) Kirche oder in der universitären Wissenschaft? Da aber sowohl der Glaube bzw. die Kirche als auch die Wissenschaft bzw. die Liturgiewissenschaftler einen Anspruch auf Wahrheit erheben, stehen beide Seiten nicht notwendig in Konkurrenz zueinander. Vielmehr bezeichnet eine Koinzidenz beider Sichtweisen den Standort. Damit ist auch impliziert, dass jeder Anspruch auf Wahrheit zugleich eine Strittigkeit dieser Wahrheitsansprüche evoziert, in die die Theologen und Wissenschaftler unhintergehbar involviert sind. Andreas Marti setzt sich mit der gottesdienstlichen Entwicklung im Bereich der evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz auseinander und zeigt, dass agendenfreie Gottesdienste eine wissenschaftliche wie praktische Aufgabe sind. Damit führt Marti kritisch die Darstellung von Bruno Bürki aus dem letzten Jahrbuch fort. Im Zusammenhang der Reformationsfeierlichkeiten wurde am 31. Oktober 2016 eine ökumenische Gebetsfeier in Lund begangen, die vom damaligen Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes, Bischof Younan, und von Papst Franziskus geleitet wurde. Die evangelisch-lutherische wie die römischkatholische Kirche stellten die Feier am Gründungsort des Lutherischen Weltbundes unter den Leitgedanken „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“, denn sie erhoffen sich eine ökumenische Stärkung. Jörg Neijenhuis beschreibt diese Feier anhand einer Filmaufnahme. Zwei Literaturberichte beschließen den liturgischen Teil des Jahrbuchs: H ­ elmut Schwier stellt von 2014 bis 2016 erschienene Publikationen zum Neuen Testament und zur antiken Welt vor, Jörg Neijenhuis die liturgiewissenschaftlichen Arbeiten des Jahres 2016. Im zweiten Teil des Jahrbuchs sind verschiedene hymnologische Teildisziplinen vertreten. Eingebettet in den historischen Kontext beschreibt Māra ­G rudule in ihrem Beitrag, wie deutsche geistliche Lieder im 16. und 17. Jahrhundert in Lettland aufgenommen und in die Landessprache übertragen worden sind. Sprachliche Aspekte stehen dabei ebenso im Fokus wie kulturelle Elemente. Eine ganz andere Art von Übersetzungsarbeit leistet Wolfgang Herbst, indem er neben die Edition des Geheimnisvollen Triumphliedes von Gottfried Arnold (1701), das bis heute Rätsel aufgibt, einen Kommentar stellt, in dem er die biblischen Wurzeln des Textes aufspürt und Bezüge zu einigen zeitgenös­sischen theologischen Schriften herstellt. Matthias Schneider geht der Frage nach, was die Gemeinden im 19. Jahrhundert in Pommern gesungen haben und wie sie es getan haben. Nach einem Überblick über die Belege zum Orgelspiel im nachreformatorischen Gottesdienst und zur Liedbegleitung zeichnet er anhand von

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Geleitwort

musikalischen und sekundären Quellen ein anschauliches Bild davon, wie der langsame, gleichmäßige Choralgesang durch die Restaurationsbewegung allmählich von einer rhythmischeren Ausführung abgelöst wurde und mit welchen Mitteln man Andacht und Erbauung beim Gesang fördern wollte. Auch den hymnologischen Teil des Jahrbuchs beschließen zwei Literaturberichte. Über Publikationen, die in deutschsprachigen Ländern erschienen sind, referiert Daniela Wissemann-Garbe. Der Bericht aus Frankreich von Édith Weber ist künftig enger auf hymnologische Literatur ausgerichtet als bisher. Das bedeutet, dass zwar Aufsätze und Bücher, die sich grundsätzlich und übergreifend mit Kirchenmusik befassen, nach wie vor aufgenommen werden, dass über Literatur zu einzelnen Komponisten oder zum Orgelspiel aber nicht mehr berichtet wird, es sei denn, darin würden dezidiert hymnologische und auf den Gottesdienst bezogene Fragen in signifikantem Umfang berücksichtigt. Im Juni 2017

Die Herausgeber

Mit dem Anspruch von Wahrheit Einige wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Selbstverständnis und zur Konzeption von Liturgiewissenschaft

Jörg Neijenhuis

Immer wieder wird darüber nachgedacht, wie Liturgiewissenschaft betrieben werden soll, wie sie konzipiert ist und in welcher Weise sie sich an interdisziplinären, interkonfessionellen und auch an interreligiösen Diskussionen und Forschungen beteiligen kann: Soll sich Liturgiewissenschaft konfessionell oder ökumenisch aufstellen? Oder soll sie als konfessionell verstandene Wissenschaft eine ökumenische Perspektive haben? Kann es überhaupt eine Liturgiewissenschaft geben, die nicht konfessionell konzipiert wird und die, selbst wenn sie als ökumenische Liturgiewissenschaft verstanden wird, doch letztendlich konfessionell gebunden bleibt? Wo ist also der Standort, den die Liturgiewissenschaftler einnehmen, von dem aus sie Forschung betreiben und sich an Diskussionen beteiligen? Es soll der Frage nachgegangen werden, ob Liturgiewissenschaft unbedingt ein adjektivisches Attribut benötigt: Kann bzw. sollte sie sich mit evangelisch (oder lutherisch oder reformiert), römisch-katholisch, anglikanisch etc. selbst benennen, um ihren Standort anzuzeigen, oder reicht es aus, Liturgiewissenschaft vorrangig als Wissenschaft ohne konfessionelle oder kirchliche Zuschreibung zu betreiben, so dass damit die Standorte der Liturgiewissenschaftler schon ausreichend definiert sind? Um diesen Sachverhalt zu klären, soll zunächst erörtert werden, was unter Liturgie und Liturgiewissenschaft, und danach, was generell unter Wissenschaft verstanden wird und verstanden werden kann. Anschließend werden erörtert der Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft, ihr Material und ihre Methoden, auch die Forschenden und die Selbstreflexion, die über die Liturgiewissenschaft geführt wird. Das wird als einen Beitrag zur Wissenschaftstheorie verstanden, da die Liturgiewissenschaft an diesem innerwissenschaftlichen Diskurs aller Wissenschaftsbereiche wie auch an der Theologie teilnimmt.

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1. Verständnisse von Liturgie und Liturgiewissenschaft In den einschlägigen Einführungen in die Liturgiewissenschaft bzw. Liturgik ist der Begriff Liturgie nicht eindeutig definiert, oftmals wird er mit dem Begriff Gottesdienst in Verbindung gebracht oder mit diesem erklärt, manchmal auch mit diesem univok verstanden. Neben den historischen Herleitungen, die die Genese und manchmal auch den Gebrauch des Begriffs Liturgie darlegen, finden sich entsprechende Begriffserklärungen. Diese Aspekte finden sich z. B. in der Beschreibung von Rainer Volp in seiner 1992 erschienenen Liturgik. Die Kunst, Gott zu feiern: „‚Liturgie‘, so eingegrenzt der Ausdruck auch gebraucht werden mag, reklamiert Ordnungen, Zeichen und Abläufe des Gottesdienstes, unter denen das Predigen ein Element darstellt (selbst als freie Rede braucht sie die Beziehung auf Ordnungen und Regeln, an denen die ganze Gemeinde mitwirkt): Andere Elemente sind vergleichbare ‚Werke‘ des Glaubens, Dienste des Volkes Gottes, Gaben als Zeichen konkretisierter Liebe: Klagen und Preisungen, Gesänge und Gelder (!), Gemeinschaft und Gedenken. Von ‚Liturgie‘ reden heißt demnach, von dem Versuch der Christen reden, Gottes Verheißungen zugleich gemeinsam und in individueller Prägung darzustellen und zu gestalten, ein die Theologie begründender Vorgang.“1 Karl-Heinrich Bieritz leitet seine im Jahr 2004 erschienene Liturgik mit der Definition ein: „Liturgik bzw. Liturgiewissenschaft sind Bezeichnungen für die theologische Disziplin, die sich mit den vielfältigen Erscheinungsformen gottesdienstlichen Handelns befasst.“2 Auf diesen Lebenszusammenhang als einen wesentlichen Aspekt christlicher Existenz lenkt die Liturgik ihr Interesse: „Demzufolge bestimmen wir Liturgik als die Disziplin der Praktischen Theologie, die sich mit der ‚Gesamtheit gottesdienstlicher Kultur […] auf allen Ebenen des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens‘ befasst. Solche ‚gottesdienstliche Kultur‘ wiederum ist Ausdruck der darstellend-symbolischen Dimension kirchlich-religiösen Handelns.“3 Albert Gerhards und Benedikt Kranemann legen in ihrer erstmals im Jahr 2006 erschienenen Einführung in die Liturgiewissenschaft folgende Definition vor: „Die Liturgiewissenschaft befasst sich als theologische Disziplin mit Geschichte, Theologie und Pastoral der Liturgie. Sie untersucht die vielfältigen Feiern unterschiedlicher christlicher Liturgien. Die Ausdrucksformen des Glaubens, die für sie Objekt wissenschaftlichen Interesses sind, umfassen das gesamte sprachliche und nichtsprachliche Spektrum liturgischer Zeichen-

1 Volp, Rainer: Liturgik. Die Kunst, Gott zu feiern. Gütersloh 1992, 39. 2 Bieritz, Karl-Heinrich: Liturgik. Berlin 2004, 1. 3 A. a. O., 7.  Er zitiert hier Cornehl, Peter: Art.  Gottesdienst VIII. Evangelischer Gottesdienst von der Reformation bis zur Gegenwart, in: TRE 14 (1985), 54–85, hier 54. Vgl. dazu auch von Karl-Heinrich Bieritz die Artikelbeiträge zur Liturgik über ihren Forschungsstand (Konzeptionen, Methoden, Aufgaben), Nachbardisziplinen und Wissenschaftsinstitutionen, in: 4RGG, Bd. 5 (2002), 452–457.

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handlungen in Geschichte und Gegenwart, in unterschiedlichen Konfessionen und Kulturen.“4 Während diese drei Definitionen die Geschichte der Liturgie, ihre Theologie und ihre Praxis im Blick haben, versteht Reinhard Meßner in seiner erstmals 2001 publizierten Einführung in die Liturgiewissenschaft diese als eine historisch-systematische Disziplin, die dem Verstehen des christlichen Glaubens dient. Er sieht sie nicht als praktisch-theologische Disziplin, „die unmittelbar in die pastorale Praxis der Kirche hineinwirken will, also auf die Mitgestaltung der Liturgiereform als einer ständigen Aufgabe der Kirche hinzielt.“5 Als Beispiel für eine so verstandene, an der Handlungskompetenz orientierten Liturgik führt er den Abriß der Liturgik von Christian Grethlein aus dem Jahr 1989 an, der Liturgik als „die Theorie der Gestaltung der Liturgie bzw. des Gottesdienstes“6 versteht, die im Zusammenhang der Praktischen Theologie erfolgt. Grethlein hat seinem Buch den Untertitel Ein Studienbuch zur Gottesdienstgestaltung gegeben, weil er nicht nur die Urteilsfähigkeit in liturgischen Fragen fördern, sondern auch „Anregungen (nicht Handlungsanweisungen!) für eine angemessenere Gottesdienstgestaltung“7 geben will. Da Meßner Gottesdienst- bzw. Liturgiegestaltung nicht intendiert, ist für ihn die Liturgiewissenschaft eine Quellenwissenschaft, die von Quellen bzw. gottesdienstlichen Phänomenen ausgeht und diese kommentiert.8 Mit dieser Kommentierung wird deutlich, dass auch die Liturgiewissenschaft als theologische Disziplin dasselbe Thema hat wie die Theologie insgesamt: „den Glauben der Kirche oder die Kirche als glaubende. […] Genauer: Sie reflektiert das den Glauben schaffende und ihn erhaltende Handeln Gottes in seiner gottesdienstlichen Realisierung und  – vom glaubenden Menschen aus  – die doxologische Gestalt des Glaubens.“9 Einen noch anderen Akzent legt Michael Meyer-Blanck in seiner 2011 erschienenen Gottesdienstlehre. Aus der Sicht der Praktiker im Pfarramt oder der Gemeinde wird Liturgie und Predigt in der Veranstaltung Gottesdienst immer gemeinsam erlebt; sie gehören zusammen, weil beide – die Liturgie als etwas Rituelles und die Predigt als etwas Rhetorisches – verstanden werden können als Gestalt des Evangeliums bzw. des Wortes Gottes und so darstellendes Handeln sind. „Diese spannungsvolle Beziehung von Rituellem und Rhetorischem ist eine ständige Herausforderung für die gottesdienstliche Praxis und damit auch für deren theoretische Reflexion.“10 In diesem Zusammenhang ist

4 Gerhards, Albert / Kranemann, Benedikt: Einführung in die Liturgiewissenschaft. Darmstadt [2006] 32013, 11. 5 Meßner, Reinhard: Einführung in die Liturgiewissenschaft. Paderborn [2001] 22009, 23. 6 Grethlein, Christian: Abriß der Liturgik. Ein Studienbuch zur Gottesdienstgestaltung. Gütersloh 1989, 11. 7 A. a. O., 9. 8 Meßner, Reinhard: Einführung in die Liturgiewissenschaft (s. Anm. 5), 17 f. 9 A. a. O., 27. 10 Meyer-Blanck, Michael: Gottesdienstlehre. Tübingen 2011, 2.

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die Liturgik „die praktisch-theologische Reflexion des öffentlichen kirchlichen Gebetsdienstes, der Liturgie.“11 In all den hier aufgeführten Begriffsbestimmungen von Liturgie und Gottes­dienst, Liturgik und Liturgiewissenschaft war es nicht notwendig, eine beson­dere konfessionelle Definition von Liturgie oder Liturgiewissenschaft vorzunehmen, da diese offenbar ohne solch eine besondere konfessionelle Kennzeichnung hinreichend definiert werden kann. Gerhards und Kranemann betonen sogar ausdrücklich, dass sich Liturgiewissenschaft mit den „vielfältigen Feiern unterschiedlicher christlicher Liturgien […] in unterschiedlichen Konfessionen und Kulturen“12 befasst. Bei den meisten Einführungen ist selbst der verwendete Begriff Kirche kein Grund, gleich an eine Konfession denken zu müssen. Jeder der hier genannten Autoren nimmt allerdings – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – eine Beschränkung der Einführung in die Liturgiewissenschaft auf seine eigenen Konfession bzw. Kirchenzugehörigkeit vor, ohne aber die anderen konfessionellen Liturgietraditionen völlig außer Acht zu lassen. Als Begründung für diese Beschränkung werden meist die Adressaten der Einführung genannt. Wäre also eine Liturgiewissenschaft denkbar, die ohne eine konfessionelle Attributierung auskommt, die nicht nur im Titel einer Einführung nicht erwähnt wird, sondern im Verlauf der Einführung auch keine Rolle spielt, anders, als es jetzt gemeinhin der Fall ist? Die oben erwähnten Einführungen stellen eine Konfession bzw. eine kirchliche Liturgietradition in den Mittelpunkt und berücksichtigen darüber hinaus die anderen kirchlichen Liturgietraditionen. Es ist zu vermuten, dass das nicht nur mit der Konfessionalität der Liturgiewissenschaftler zu erklären ist, sondern auch seinen Grund im Selbstverständnis des Liturgiewissenschaftlers (oder des Praktischen Theologen) als Wissenschaftler hat.

2. Verständnis von Wissenschaft Die bisher genannten Autoren von Einführungen in die Liturgiewissenschaft kennzeichnen ihren Standort, da sie nicht nur den Gegenstand der Liturgiewissenschaft, sondern auch Methoden und das zu bearbeitende Material benennen, bevor sie die Einführung in die Liturgietraditionen, Liturgiekonzepte, Theolo­ gien etc. vornehmen. Meßner deutet den weiteren Rahmen einer solchen Liturgiewissenschaft an, denn „Liturgiewissenschaft kann nur ökumenisch, unter Berücksichtigung aller kirchlicher Traditionsströme betrieben werden“13. Auch die anderen Autoren stimmen darin überein, dass Liturgiewissenschaft ökume 11 A. a. O., 8. 12 Gerhards, Albert / Kranemann, Benedikt: Einführung in die Liturgiewissenschaft (s. Anm. 4), 11. 13 Meßner, Reinhard: Einführung in die Liturgiewissenschaft (s. Anm. 5), 17.

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nisch zu betreiben ist. Rainer Volp: „Eine Liturgik des 21. Jahrhunderts kann nur ökumenisch sein, und zwar in einem weiten interreligiösen Horizont.“14 Karl-Heinrich Bieritz: „Hinzuweisen ist auch auf den ökumenischen Charakter dieses Buches. […] Ohne den ständigen Rückgriff auf die katholische Liturgiewissenschaft und ihre Forschungsergebnisse hätte das Buch nicht geschrieben werden können.“15 Albert Gerhards und Benedikt Kranemann: „Die Liturgiewissenschaft arbeitet schon lange ökumenisch; deshalb kommen selbstverständlich auch Stimmen aus Wissenschaftstraditionen anderer Konfessionen zur Sprache. Die Verfasser wissen sich einer ökumenischen Liturgiewissenschaft verpflichtet“16. Die Frage ist, ob aus der Sicht des Wissenschaftlers eine Liturgiewissenschaft betrieben werden kann, die die Liturgietraditionen der Konfessionen, diese auch in ihren unterschiedlichen Kulturen, darzustellen weiß, ohne einen konfessionellen Standpunkt einnehmen zu müssen. Das wäre nur dann sinnvoll, wenn eine solche Liturgiewissenschaft mehr ist als eine additive Sammlung und Darstellung vieler oder aller Liturgietraditionen. Denn eine solche Übersicht kann sich jeder schon jetzt verschaffen – zwar nicht in einem Lehrbuch, wohl aber vermittels der Lehrbücher zur Liturgik, die aus den Perspektiven der unterschiedlichen Konfessionen verfasst wurden. Wäre es ausreichend, den Standort des Wissenschaftlers einzunehmen, um eine wenig sinnvolle Addition von Material zu vermeiden, oder bedarf es dafür doch einer theologischen Position? Nun sollen unter der hier genannten Fragestellung weder unterschiedliche Wissenschaftstheorien dargestellt werden noch soll es darum gehen, die entsprechenden Diskussionen der letzten Jahrhunderte und die damit offenen Fragen nachzuzeichnen, wie sie unter den Stichworten Empirismus, Realismus, Positivismus, Rationalismus, Konstruktivismus, Relativismus etc. diskutiert worden sind und immer wieder diskutiert werden.17 Aber Grundzüge des Selbstverständnisses von Wissenschaft und der Standort des Wissenschaftlers für die hier behandelte Fragestellung lassen sich durchaus nachzeichnen, wenn die (systematische) Frage nach dem Sinn dieser Unternehmung Wissenschaft gestellt wird, der ja all die grundlegenden Diskussionen gelten. Der Sinn der Wissenschaft wird darin gesehen, dass die Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer Forschung mit dem Anspruch von Wahrheit öffentlich präsentieren. Der Anspruch von Wahrheit kann für eine theologische Disziplin nur von Belang sein. Mit Holms Tetens, der der Sinnfrage von Wissenschaft nachgeht, sind allen Wissenschaften, wie sie an Universitäten betrieben werden (er gliedert sie in Natur- und Ingenieurswissenschaften, Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften),18 fünf Ideale eigen: das Ideal (a)  der Wahrheit, (b)  der Begründung, 14 Volp, Rainer: Liturgik. Die Kunst, Gott zu feiern (s. Anm. 1), 18. 15 Bieritz, Karl-Heinrich: Liturgik (s. Anm. 2), VI. 16 Gerhards, Albert / Kranemann, Benedikt: Einführung in die Liturgiewissenschaft (s. Anm. 4), 11. 17 Wiltsche, Harald A.: Einführung in die Wissenschaftstheorie. Göttingen 2013; Schurz, Gerhard: Einführung in die Wissenschaftstheorie. Darmstadt [2006] 42014. 18 Tetens, Holm: Wissenschaftstheorie. Eine Einführung. München 2013, 77.

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(c) der Erklärung und des Verstehens, (d) der Intersubjektivität, (e) der Selbstreflexion.19 (a)  Das Ideal der Wahrheit besagt, dass zwischen wahr und falsch unterschieden wird, obwohl Menschen auch von Falschem überzeugt sein können und es für wahr halten. „Eigene Irrtümer zu erkennen zeichnet den Menschen aus und ist eine kulturelle Hochleistung, die den Menschen adelt.“20 Trotz der differenzierten Debatte über den Wahrheitsbegriff bleibt der wissenschaftliche Grundsatz vom ausgeschlossenen Widerspruch, der zugleich ein Grundsatz der Logik ist, unangefochten: Zwei Sätze, die sich widersprechen, können nicht zugleich wahr sein. (b) Das Ideal der Begründung schließt sich an, denn jede „Behauptung in der Wissenschaft sollte so hinreichend begründet sein, dass man von ihrer Wahrheit ausgehen darf.“21 Da sich das Wissen aus den beiden Quellen sinnlicher Wahrnehmung und Nachdenken speist und man sich sowohl mit der Wahrnehmung als auch im Nachdenken irren kann, kann die Begründung bzw. das Argumentieren darlegen, warum das Wahrgenommene und das Gedachte bzw. das sich daraus ergebende Wissen tatsächlich der Fall bzw. wahr ist. (c) Auch dem Ideal der Erklärung und des Verstehens wird mit Argumenten entsprochen. Da wir es mit einer Wirklichkeit zu tun haben, diese aber meist über Tatsachen erfahren wird und wir nun wissen wollen, wie die Tatsachen zusammenhängen, werden diese Zusammenhänge erklärt. Wenn die Argumente, die den Zusammenhang erklären, in der Konklusion stimmen, ist der Zusammenhang verstanden und wird als wahr angesehen. (d)  Das Ideal der Intersubjektivität beinhaltet zwei Seiten. Wenn die Wissenschaft „der systematische Versuch ist zu entdecken, was alles Wichtiges in der Welt der Fall ist und warum es der Fall ist“22, dann übersteigt dieses Vorhaben die Möglichkeiten eines einzelnen Wissenschaftlers. Entsprechend findet Wissenschaft arbeitsteilig und kooperativ statt, nicht nur unter den Lebenden, sondern auch mit den Ergebnissen der Wissenschaftler früherer Generationen. Die zweite Seite hebt hervor, dass unter den jetzt lebenden Wissenschaftlern neue Forschungsergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar sein müssen. Fällt die Prüfung positiv aus, wird das Forschungsergebnis als Norm angesehen. (e) Mit dem Ideal der Selbstreflexion wird thematisiert, dass sich Wissenschaftler als Wissenschaftler über ihr Tun Rechenschaft geben, indem sie z. B. über angemessene Methoden reflektieren. Ohne eine solche Selbstreflexion bzw. Selbstthematisierung kann Wissenschaft den genannten Idealen nicht genügen. „Die Ideale der Wissenschaft kreisen alle um das eine Ziel, die Irrtümer und Einseitigkeiten in unseren Überzeugungen von der Welt aufzudecken und durch wahre und vollständige Überzeugungen zu ersetzen.“23 19 A. a. O., 17. 20 Ebd. 21 A. a. O., 19. 22 A. a. O., 24. 23 A. a. O., 26 f. Dass diese Ideale „rational“ beschrieben und verstanden werden, soll noch angefügt werden. Im Anschluss an Charles S. Peirce macht Gesche Linde dies deutlich, weil sowohl die Natur- wie die Geisteswissenschaften einschließlich der Theologie nicht nur als ein Ausdruck derselben, unteilbaren Rationalität gelten, „sondern auch als auf dieselbe, wenngleich in sich diffe­

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3. Liturgiewissenschaft inmitten der Strittigkeit von Wahrheitsansprüchen Wenn man die Ideale der Wissenschaft, die systematisch zusammengefasst die Frage nach dem Sinn der Unternehmung Wissenschaft beantworten wollen, auf die Liturgiewissenschaft anwendet und für die Liturgiewissenschaftler gelten lässt, müsste damit hinreichend geklärt sein, dass auf dieser Grundlage eine sich selbst so verstehende Liturgiewissenschaft betrieben werden kann und wissenschaftlich anerkennungswürdig ist. Diese Anerkennung kommt nicht nur von den anderen theologischen Disziplinen, sondern auch von den anderen Wissenschaften, sofern sie ebenfalls daran arbeiten, „wahre und vollständige Überzeugungen“24 zu formulieren. Dass damit implizit auch unterschiedliche Wahrheitsansprüche mitgesetzt sind, wenn Ergebnisse anderer Wissenschaftsbereiche, wie z. B. der Naturwissenschaften, aber auch der Kulturwissenschaften, zu berücksichtigen sind, ist Teil des wissenschaftlichen Diskurses und für die Wissenschaft mit ihrem eigenen Anspruch auf Wahrheit auch nicht hintergehbar. Dasselbe gilt gleichermaßen für die Theologie insgesamt, die ihre Ergebnisse mit demselben Anspruch vertritt und im wissenschaftlichen Diskurs begründen können muss. Nimmt man nun noch einmal die konfessionelle Anlage der oben genannten Einführungen hinzu, zeigt sich, dass darin die konfessionellen bzw. kirchlichen Ansprüche von Wahrheit manifest geworden sind, da ja die Liturgien, die in diesen Einführungen zur Darstellung kommen, kirchlich verfasste Liturgien der Vergangenheit und Gegenwart sind. Eine so gefasste Liturgiewissenschaft hätte nicht die Aufgabe, diese Wahrheiten zu prüfen, denn die Wissenschaft will und kann nur feststellen, was der Fall ist bzw. was eine wahre Überzeugung ist und welche Aussage als wahr angesehen werden kann. Die Wissenschaft setzt keine Wahrheit, sondern setzt diese voraus. Die Liturgiewissenschaft wird deshalb darlegen, was z. B. das Material der Liturgietraditionen ist und warum die Materialien in den unterschiedlichen kirchlichen Liturgietraditionen ähnlich oder gleich sind oder voneinander abweichen. Das kann nur mit dem Anspruch von Wahrheit bzw. dem Anspruch von theologischer Wahrheit der Kirchen begründet werden. Der Liturgiewissenschaftler wird diese Ansprüche aber dann kritisch bedenken, wenn die selbsterhobenen Ansprüche mit den Liturgien nicht eingelöst werden. Darum gehören zur Materialdarlegung m. E. nicht nur die Agenden, Messbücher etc. hinzu, sondern es müssen auch die tatsächlich gefeierten Liturgien bzw. Gottesdienste im Blick sein. Denn mit einer gefeierten Liturgie wird der Wahrheitsanspruch nicht nur normativ erhoben in Form einer Liturgievorlage, die renzierte Wirklichkeit bezogen, deren elementare Strukturtypen in allen wissenschaftlichen Gegenstandbereichen wiederzufinden wären.“ In: 4RGG, Bd.  8 (2005), Sp.  1663. Für die Theologie sind immer noch bedeutsam die Werke von Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie. Frankfurt am Main [1973] 1987; und Sauter, Gerhard: Was heißt: nach Sinn fragen? Eine theologisch-philosophische Orientierung. München 1982. 24 Tetens, Holm: Wissenschaftstheorie (s. Anm. 18), 27.

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in einer Agende bzw. einem Messbuch zu finden ist, sondern der Wahrheitsanspruch wird nun auch praktisch bzw. situativ ‚erhoben‘ (wenn man das jetzt überhaupt noch sagen kann), weil er in Form der Feier als Glaube gelebt wird. Dass die Wahrnehmung der tatsächlich gefeierten Gottesdienste wohl kaum so umfassend sein kann wie die Darstellung der Agenden, Messbücher etc. der kirchlichen Liturgietraditionen, spricht für sich selbst angesichts der kaum zu überblickenden Menge der schon innerhalb einer Woche allein in Deutschland gefeierten Gottesdienste. Hier stellen sich das Prinzip der Verifikation und das Problem des Anspruchs von Induktion ein, weil kein Mensch all die dafür erforderlichen Ergebnisse beibringen könnte, um dem induktiven Anspruch der Vollständigkeit zu genügen. Es bleibt also hier neben dem Prinzip der Deduktion (wie soll ein Gottesdienst gefeiert werden laut Agende, Messbuch etc.) das Prinzip der Abduktion (die nach der Qualität von liturgischen bzw. gottesdienstlichen Feiern fragt). Diese zu erforschen ist anhand von ausgewählten Beispielen möglich, und die Ergebnisse gelten so lange als wahr, bis ihr Gegenteil dargelegt wurde (Falsifikationsprinzip). Mit diesen Maßgaben wäre es nicht nur eine Aufgabe der Liturgiewissenschaft, die ‚Liturgie‘ einer Tradition oder mehrerer Traditionen bzw. einer Liturgiefamilie zu erforschen und darzulegen, sondern sie würde es sich auch zur Aufgabe machen im Rahmen der oben genannten Ideale der Wissenschaft und des damit verbundenen Sinnes der Unternehmung Wissenschaft, die Wahrheitsansprüche der gefeierten Liturgien und die mit den Liturgiebüchern gesetzten Wahrheitsansprüche darzulegen. Das kann für eine sich als theologische Disziplin – sei es nun eher systematisch-theologisch oder eher praktisch-theologisch bzw. pastoral – verstehende Liturgiewissenschaft kein Fremdkörper sein. Denn sowohl die Wissenschaft als auch die Kirche bzw. die Kirchen erheben Wahrheitsansprüche. Diese Wahrheitsansprüche darzulegen und zu diskutieren, die unter diesen Bedingungen keine konfessionelle oder kirchliche adjektivische Attributierung benötigten, ginge einher mit der Darstellung des Gegenstandsbereichs, des Materials, der Methoden, der Forschenden inklusive ihrer Selbstreflexion als Aufgabe der Liturgiewissenschaft. Es könnte eine Grenze gezogen werden zu ähnlichen Unternehmungen anderer Religionen; eine Liturgiewissenschaft, die sich diesem multi- bzw. interreligiösen Raum widmen wollte, müsste dieses Selbstverständnis in ihrer Konzeption darlegen. Gleichwohl bleibt es sinnvoll, allen verschiedenen religiösen Liturgiewissenschaften ein Liturgiewissenschaftsverständnis voranzustellen, in dem ihre Prinzipien dargelegt werden. Dabei wird auch darzulegen sein, dass es höchstwahrscheinlich nicht nur ein eigenes Verständnis dieser Liturgiewissenschaft geben wird, sondern mehrere, die gegebenenfalls wiederum in einem argumentativen Zusammenhang stehen oder, wenn dies nicht der Fall ist, in einen argumentativen Zusammenhang gebracht werden können.

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4. Exkurs: Ökumenische Liturgiewissenschaft Die Konzeption einer solchen Liturgiewissenschaft wäre (noch) keine ökumenische Liturgiewissenschaft. Denn mit dem Begriff einer ökumenischen Liturgiewissenschaft sind sowohl andere als auch unterschiedliche Konzepte und Erwartungen verbunden, die nun in einem Zwischenschritt abzuwägen sind, bevor der Gedanke einer Liturgiewissenschaft im eben angedeuteten Verständnis weiter verfolgt wird. Schon 1978 hat Karl-Heinrich Bieritz die Chancen einer ökumenischen Liturgiewissenschaft25 skizziert: Was in anderen theologischen Disziplinen an überkonfessionellem Engagement selbstverständlich geworden ist – dass an gemeinsamen Problemen auch gemeinsam gearbeitet wird –, ist nur rudimentär für die Liturgiewissenschaft feststellbar. Vielmehr leiten konfessionskundliche und kontroverstheologische Interessen die gegenseitige Kenntnisnahme und Auseinandersetzung. Bieritz stellt die theologische Rede von der einen Kirche dagegen sowie die damit verbundene Vorstellung von dem einen Gottesdienst, der gleichwohl vielgestaltig gefeiert wird. Im Bild sprechend führt er aus, dass man eher den Eindruck gewinne, es werde nicht an dem einen Haus, sondern letztendlich an verschiedenen Häusern gebaut. Er sieht für eine ökumenische Liturgiewissenschaft sechs Aufgaben: 1. Neudefinition ihres Gegenstandsbereiches, ihrer Ziele und ihrer Verfahren. 2. Die historische Liturgik wird in ihrer Wertigkeit neu bestimmt: Neben diese diachrone tritt stärker die synchrone Liturgik, die nach den jetzigen Bedingungen für eine liturgische Kommunikation fragt. 3. Die historische Liturgik sollte stärker als vergleichende Liturgik arbeiten. 4. Ein Gegenstand einer solchen ökumenisch vergleichenden Liturgik wäre z. B. die Überverbalisierung gottesdienstlicher Feiern, wie sie in evangelischer wie römisch-katholischer Gottesdienstpraxis anzutreffen ist, weil diese digitale Kommunikation gegenüber der analogen Kommunikation, die sich in Zeichen vollzieht, eher zurücktritt. 5. Ökumenische Liturgik kann sich nicht als Funktion kirchlicher Dogmatik verstehen, da sich die gottesdienstliche Kommunikation in doxologischen, narrativen und parabolischen Strukturen vollzieht, während dogmatische Aussagen in der westlichen Tradition zunehmend lehrhaft werden und ihren Bekenntnischarakter z. B. in doxologischer Form verlieren. 6. Ein wichtiges Thema ökumenischer Liturgik ist die Erforschung des Zusammenhangs von Liturgie und Kultur, Liturgie und Gesellschaft. Teresa Berger hat 1987 Prolegomena für eine ökumenische Liturgiewissenschaft vorgelegt. 26 Sie nimmt zunächst zustimmend Bezug auf den Beitrag von Bieritz hinsichtlich des Verhältnisses von Liturgik und Kirche. Bieritz benennt ökumenische Blockaden, die entstehen, wenn die Identität von Kirchen in Frage gestellt wird, was in der Folge auch die Entwicklung einer ökumenischen Li 25 Wieder abgedruckt in: Ders.: Zeichen setzen. Stuttgart 1995, 29–41. 26 Berger, Teresa: Prolegomena für eine ökumenische Liturgiewissenschaft. In: ALw 29 (1987), 1–18.

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turgiewissenschaft behindert. Ihre römisch-katholisch geprägte Perspektive legt Berger ausführlich dar für die historische, theologische und praktische Liturgiewissenschaft in engem Bezug auf die Liturgiekonstitution und auf das Ökumenedekret des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zum einen schildert sie die schwierigen Relationen zwischen Liturgik, Ökumene und Kirche(n), zum anderen zeigt sie die Chancen auf, die das Zweite Vatikanische Konzil für die Ökumene und damit auch für die Liturgiewissenschaft hervorgebracht hat. Das Ziel einer ökumenischen Liturgiewissenschaft sieht Berger in der Anerkennung einer berechtigten liturgischen Mehrsprachigkeit. 27 Ihren Vorschlag begründet sie allerdings nicht mit dem Wollen der römisch-katholischen Kirche oder anderer Kirchen, sondern mit Christus selbst: „Christus ist der eigentliche Gastgeber, der alle Kirchen und Gemeinschaften zur Feier der Gottesbegegnung ruft. […] Hier liegt m. E. der tiefste theologische Grund für die Berechtigung einer liturgischen Mehrsprachigkeit, einer ökumenischen Liturgiewissenschaft, nämlich in der Anerkennung des Wirkens Gottes im liturgischen Leben anderer Kirchen und Gemeinschaften.“28 Somit wäre es Aufgabe einer ökumenischen Liturgiewissenschaft, sich mit den multi- und bilateralen Aktivitäten zwischen den gottesdienstfeiernden Kirchen zu befassen. Als weitere Aufgaben kämen die Ökumene mit dem Judentum sowie der Dialog mit den nicht-christlichen Weltreligionen hinzu. „Wenn man all diese Aspekte zusammensieht, so wird der Begriff ‚Ökumene‘ zu einem Signal für eine Horizonterweiterung der Liturgiewissenschaft: über die eigenen konfessionellen und geographischen Grenzen hinaus wird umfassender, ganzheitlicher, weltweiter gearbeitet.“29 Zu Bergers Beitrag, der im Archiv für Liturgiewissenschaft erschienen ist, hat der damalige Herausgeber Angelus A. Häußling eine Bemerkung vorausgeschickt und darin auf seine Bedenken und seinen Diskussionsbeitrag30 im selben Jahrgang des Archivs für Liturgiewissenschaft hingewiesen. Dort kritisiert er, dass Berger Kirche und Liturgie voneinander unterscheidet, und verweist auf Romano Guardini, der den Begriff Liturgiewissenschaft 1921 eingeführt hat und ihre Aufgabe darin sieht, dass sie von der Kirche spricht, „wie sie in der Feier der Liturgie sich selbst erkennt. Liturgiewissenschaft ist konkrete Ekklesiologie.“31 Häußling betont, dass man – wenn man schon das Adjektiv ökumenisch verwendet – damit schon gesagt habe, dass Liturgiewissenschaft kirchlich sein muss. Das habe zur Folge, dass diese ökumenische, also kirchliche Liturgiewissenschaft von der Kirche selbst Maßstäbe und Kriterien für ihr Betreiben erhält; es ist dann auch die Kirche, die über Sinn und Ziel, Erfolg und Misserfolg 27 A. a. O., 14. 28 A. a. O., 15. 29 A. a. O., 17. 30 Häußling, Angelus A.: Bemerkungen zu Teresa Bergers Prolegomena für eine ökumenische Liturgiewissenschaft. In: ALw 29 (1987), 242–249. Vgl. auch Häußling, Angelus A.: Was heißt: Liturgiewissenschaft ist ökumenisch? In: Schlemmer, Karl: Gottesdienst – Weg zur Einheit. Freiburg i. Br. 1989, 62–88. 31 Häußling, Angelus A.: Bemerkungen zu Teresa Bergers „Prolegomena für eine ökumenische Liturgiewissenschaft“ (s. Anm. 30), 246.

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der Liturgiewissenschaft urteilt.32 „Wir bleiben dabei: Liturgiewissenschaft spricht von der Kirche, nicht von einer davon versteckt oder offen unterschiedenen ‚Liturgie‘.“33 Friedrich Lurz hat 1998 für eine ökumenische Liturgiewissenschaft plädiert und als Beispiel die Durchführung einer Feier des Abendmahls nach der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 156334 vorgelegt. Er fragt nach der Methode einer ökumenischen Liturgiewissenschaft, da er sich ja als römisch-katholischer Theologe mit einer evangelischen Feier befasst. Er verweist auf die Beiträge von Berger und Häußling und auch darauf, dass es seitdem zu keiner weiterführenden Diskussion gekommen ist. Sein Konzept von ökumenischer Liturgiewissenschaft ist darum auch immer eine Auseinandersetzung mit den Argumenten von Berger und Häußling. Lurz stellt fest, dass beide Autoren den Begriff ökumenisch unterschiedlich verstehen und wohl auch auf unterschiedlichen Ebenen ansiedeln. Darum greift er auf die 1991 gefasste Standortbestimmung der römisch-katholischen Liturgiewissenschaftler zurück 35 und hält fest, dass dort die Liturgiewissenschaft als theologische Disziplin verstanden wird, es wurde „die Versammlung des Volkes Gottes (nicht jedoch das Volk Gottes selbst!) als zu untersuchendes Objekt definiert und [es] sind die liturgischen Grundvollzüge genannt.“36 Im Anschluss daran definiert Lurz folgende Ebenen einer ökumenischen Liturgiewissenschaft: Auf der Ebene der Theorie der Liturgie­ wissenschaft wird erörtert, was eine so angelegte Liturgiewissenschaft leisten kann und welche Instrumente sie verwendet. Die formale Ebene der Liturgiewissenschaft stellen die Wissenschaftler dar, die die Liturgiewissenschaft betreiben; so stehen die Wissenschaftler verschiedener Konfessionen wegen der Ökumenizität der Liturgiewissenschaft im Dialog miteinander. Die inhaltliche Ebene der Liturgiewissenschaft ist bestimmt durch ihr Objekt, das sie untersucht. Da Liturgie sowohl innerhalb einer Konfession als auch zwischen den Konfessionen unterschiedlich verstanden werden kann, ist ein Wahrnehmen der anderen und eine Begegnung mit der anderen Liturgie notwendig. Insofern stellt dies einen hermeneutischen Ansatz für die Liturgiewissenschaft dar, mit dem „das Anderssein des Gegenübers zu verstehen“37 versucht wird. Denn gerade daran wird deutlich, dass die andere Liturgie auch immer die Geschichte der eigenen Liturgie ist; denn oftmals haben sich andere Liturgien einschließlich 32 A. a. O., 242. 33 A. a. O., 246. 34 Lurz, Friedrich: Die Feier des Abendmahls nach der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563. Ein Beitrag zu einer ökumenischen Liturgiewissenschaft (PTHe 38). Stuttgart 1998. Das Konzept einer ökumenischen Liturgiewissenschaft findet sich auf den S.  15–47. Dieses Kapitel wurde zusammengefasst und abgedruckt unter dem Titel: Für eine ökumenische Liturgiewissenschaft. In: TThZ 108 (1999), 273–290, auch in: Ratzmann, Wolfgang (Hg.): Grenzen überschreiten. Leipzig 2002, 149–165. 35 Gerhards, Albert / Osterholt-Kootz, Birgit: Kommentar zur „Standortbestimmung der Liturgiewissenschaft“. In: LJ 42 (1992), 122–138. 36 Lurz, Friedrich: Die Feier des Abendmahls nach der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563 (s. Anm. 34), 18. 37 A. a. O., 24 (im Original kursiv).

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anderer Konfessionen aufgrund von Konflikten über Gottesdienst und Kirche gebildet. Eine ökumenische Liturgiewissenschaft muss sich auch mit Konfliktfeldern befassen. Mit der Frage nach dem Materialobjekt greift Lurz nochmals die Fragestellung auf, ob nicht die Kirche das Materialobjekt der ökumenischen Liturgiewissenschaft sein müsse. Doch dies verneint Lurz in dem Sinne, dass es nicht um die Kirche an sich, sondern um den Vollzug von Kirche als Liturgie geht. Mit der Liturgie wird die Kirche Jesu Christi sichtbar, die Lurz mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil als Volk Gottes versteht, das sind alle Menschen, „an denen Gott sein Heil wirkt und mit denen er seinen Bund geschlossen hat“38. Da Gott seinen Bund mit Israel nie aufkündigte, ist auch die jüdische Liturgie ein Bereich des Materialobjekts einer ökumenischen Liturgiewissenschaft. Deshalb kann das erkenntnisleitende Interesse der ökumenischen Liturgiewissenschaft nicht auf die eigene Konfession allein abzielen, da das vom Zweiten Vatikanischen Konzil benannte Pascha-Mysterium Christi in legitimen unterschiedlichen Ausdrucksformen gefeiert wird. Somit ist es die Intention einer ökumenischen Liturgiewissenschaft, die Verschiedenheit der Liturgien zu verstehen. Das Verstehen steht auch für Reinhard Meßner im Vordergrund. Ebenfalls 1998 hat er sieben Thesen für den Entwurf einer systematischen Liturgiewissenschaft 39 und außerdem zusammen mit Gabriele Winkler einen Beitrag mit Überlegungen zu den methodischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Liturgiewissenschaft vorgelegt. Besonders der letzte Beitrag wendet sich der Standortbestimmung der römisch-katholischen Liturgiewissenschaftler von 1991 zu, problematisiert die Verortung der Liturgiewissenschaft in der Praktischen Theologie bzw. der Pastoral und hält fest: „Eines der vorrangigsten Ziele der Liturgiewissenschaft ist vielmehr das Verstehen gottesdienstlichen Handelns als einer zentralen Realisierungsweise des Glaubens. Dieser Aufgabenbestimmung der Liturgiewissenschaft sind u. E. vor allem liturgievergleichend-historische und systematisch-theologische Methoden angemessen.“40 Sowohl in seiner Thesenreihe wie auch in diesem Beitrag wendet er gegenüber dem Vorgehen der Praktischen Theologen kritisch ein, dass sie die humanwissenschaftlichen Methoden vor die theologischen stellen und den damit verbundenen, gar normgebenden Stellenwert nicht ausreichend theologisch reflektieren. Diese Gedanken finden sich in seiner Einführung in die Liturgiewissenschaft wieder und ebenso in einem Beitrag über Ansätze für eine ökumenische Liturgiewissenschaft aus dem Jahr 2002.41 Dort werden Aufgaben der ökumenischen Liturgiewissenschaft beschrieben: „Eine ökumenisch betriebene systematische Liturgiewissenschaft könnte einen wesentlichen Beitrag zur Findung und Her 38 A. a. O., 30. 39 Meßner, Reinhard: Was ist systematische Liturgiewissenschaft? Ein Entwurf in sieben Thesen. In: Alw 40 (1998), 257–274. 40 Winkler, Gabriele / Meßner, Reinhard: Überlegungen zu den methodischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Liturgiewissenschaft. In: ThQ 178 (1998), 229–243. 41 Meßner, Reinhard: Ansätze für eine ökumenische Liturgiewissenschaft. In: Ratzmann, Wolfgang (Hg.): Grenzen überschreiten. Leipzig 2002, 127–137.

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stellung sichtbarer Einheit unter den Kirchen leisten, indem in den auf der Oberflächenstruktur konträren gottesdienstlichen Überlieferungen der einzelnen, getrennten Kirchen das eine, die Einheit der Kirche konstituierende Handeln des Geistes Gottes und die gottgemäße Lebensgestalt des Menschen, der Lobpreis und die Verherrlichung des wahren Gottes, aufgedeckt wird.“42 „Die angedeutete kritische Aufgabe der systematischen Liturgiewissenschaft gegenüber dem konkreten gottesdienstlichen Vollzug, also die Unterscheidung zwischen wahrem und falschem Gottesdienst, ist die wichtigste ökumenische Aufgabe der Liturgiewissenschaft: Sie hat im Bereich des liturgischen Lebens der Kirchen die eine Wahrheit über Gott, Mensch und Welt, der sie sich durch die Analyse der liturgischen Traditionen annähert, zur Geltung zu bringen.“43 In seiner Antwort auf diese Thesen von Meßner hat Peter Cornehl sich gegen ein verkürzendes Verständnis der Praktischen Theologie verwahrt. Cornehl sieht sowohl das Verstehen wie auch das Handeln als Aufgaben der Praktischen Theologie an, wobei er festhält, dass „die Anleitung zum gottesdienstlichen Handeln der Zielhorizont der Liturgiewissenschaft“44 bleibt, und darum Sympathie zeigt für die Standortbestimmung der römisch-katholischen Liturgiewissenschaftler von 1991.45 Er teilt auch ihre Definition, dass Liturgiewissenschaft wohl in ökumenischer Perspektive zu betreiben ist, dass aber Realismus und Bescheidenheit gebieten, dass derzeit von einer tatsächlichen ökumenischen Liturgiewissenschaft noch nicht gesprochen werden kann.46 Im Jahr darauf – 2003 – legt Michael Meyer-Blanck zehn Thesen für eine ökumenische Verhältnisbestimmung von Liturgiewissenschaft und Kirche vor.47 Der Gegenstand der Liturgiewissenschaft ist „die Liturgie, die gemeinschaftliche, äußerlich wahrnehmbare, in der Regel öffentlich vollzogene Form christlicher Anbetung. Damit ist die Liturgiewissenschaft eine kirchenbezogene Wissenschaft. Sie kommt von den kirchlichen Liturgien als ihrem Gegenstand her und hat der Kirche wiederum Impulse zu geben. Aber sie gehört als Wissenschaft nicht unmittelbar zur Kirche. Ihre Aufgabe ist es nicht, Liturgien und liturgische Bücher zu produzieren, sondern derartige Prozesse zu beschreiben und aus einer gewissen Distanz zu begleiten.“48 Diese grundlegende Definition wird in den folgenden zehn Thesen entfaltet, wobei die Liturgiewissenschaft als eine Disziplin der Praktischen Theologie verstanden wird, die wie die Praktische 42 A. a. O., 135. 43 A. a. O., 136. 44 Cornehl, Peter: Ansätze zu einer ökumenischen Liturgiewissenschaft. Antwort auf Reinhard Meßner. In: Ratzmann, Wolfgang (Hg.): Grenzen überschreiten. Leipzig 2002, 140. 45 Vgl. dazu auch: Gerhards, Albert / Odenthal, Andreas: Auf dem Weg zu einer Liturgiewissenschaft im Dialog. Thesen zur wissenschaftstheoretischen Standortbestimmung. In: LJ 50 (2000), 41–53. 46 Cornehl, Peter: Ansätze zu einer ökumenischen Liturgiewissenschaft (s. Anm. 44), 142. 47 Meyer-Blanck, Michael: Liturgiewissenschaft und Kirche. Eine ökumenische Verhältnisbestimmung in zehn Thesen. In: Ders.: Liturgiewissenschaft und Kirche. Ökumenische Perspektiven. Rheinbach 2003, 111–138. 48 A. a. O., 111.

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Theologie Hermeneutik christlicher Praxis ist.49 Die erste These hebt die Liturgik als Wissenschaft hervor, die kirchenbezogen, hermeneutisch und kulturbezogen arbeitet und auf exegetische, historische, systematische und empirische Arbeitsweisen und Einsichten zurückgreift. „Liturgiewissenschaftliche Erkenntnisse sind immer sowohl ökumenisch wie auch positionell.“50 In der zweiten These legt Meyer-Blanck dar, dass er die evangelische Liturgiewissenschaft für ökumenisch hält, denn die evangelische Liturgiewissenschaft versteht Kirche gemäß CA VII als Vollzug von Predigt und Sakrament bzw. als mitteilende Darstellung der Christuserfahrung (Schleiermacher). Daher ist sie nicht beschränkt auf evangelische Kirchentümer, sondern setzt bei der Kommunikation des Evangeliums ein. Von dorther kann die evangelische Liturgiewissenschaft ihre Normen „nur von einer gegenwärtig verantworteten Aneignung des biblischen Evangeliums (von der Schriftauslegung) her begründen wollen.“51 In diesem Sinne führt Meyer-Blanck nun die weiteren Thesen aus, die zunächst ekklesiologische Fragen aus Sicht der Liturgie behandeln, wie z. B. das unterschiedliche Kirchenverständnis, und anschließend kontroverse Themen aus der Perspektive evangelischer Liturgiewissenschaft, wie z. B. Historie und Hermeneutik, Gottes und menschliches Handeln im Gottesdienst, Wort und Antwort. Somit wird eine evangelische Liturgiewissenschaft mit einer ökumenischen Perspektive dargelegt, die grundlegend ist und auf aktuelle Fragen eingeht. Fazit des Exkurses: Zwar konnte ein einheitliches ökumenisches Liturgieverständnis nicht erwartet werden, aber es wird in den meisten Darlegungen doch deutlich, dass eine wie auch immer an der Ökumene ausgerichtete Liturgiewissenschaft den kirchlichen Bezug von Liturgien mit intendieren muss und dabei die ökumenischen Annäherungen der Kirchen zu berücksichtigen hat.52 Das setzt allerdings voraus, dass eine konfessionelle Standortbestimmung vorzunehmen ist, von der aus eine ökumenische Liturgiewissenschaft oder eine konfessionell orientierte Liturgiewissenschaft mit ökumenischer Perspektive zu betreiben ist. Das Ziel der ökumenischen Liturgiewissenschaft ist sowohl das Kennenlernen der anderen Konfessionen als auch die Begegnung und Verständigung untereinander unter Einbeziehung der vorgelegten Forschungen. Wie nun die Einheit der Kirchen bzw. die Einheit der Kirche als Ziel benannt wird, ist unterschiedlich: Es wird entweder von der Kirche als theologischer Größe im Sinne der Bekenntnisse ausgegangen oder die Einheit der Kirche wird als ein Ziel aufgefasst. An der Verwirklichung dieses Ziels mitzuwirken wäre damit das implizite Thema einer ökumenischen Liturgiewissenschaft.

49 A. a. O., 113. 50 A. a. O., 112. 51 A. a. O., 118 (aus der 5. These). 52 So auch Benedikt Kranemann: Ökumenische Liturgiewissenschaft. Eine Bilanz 1963–2013. In: Deeg, Alexander / Garhammer, Erich / Kranemann, Benedikt / Meyer-Blanck, Michael: Gottesdienst und Predigt – evangelisch und katholisch (Evangelisch-katholische Studien zu Gottesdienst und Predigt 1). Neukirchen-Vluyn / Würzburg 2014, 40–69, 67.

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5. Wissenschaftlicher Wahrheitsanspruch im Selbstverständnis und in der Konzeption von Liturgiewissenschaft 5.1 Das Selbstverständnis von Liturgiewissenschaft Davon zu unterscheiden ist ein Verständnis von Liturgiewissenschaft, das sich mit der Frage nach deren wissenschaftlichem Anspruch unter Berücksichtigung des Wahrheitsanspruches befasst. Bei Häußling scheint es so zu sein, dass die Liturgiewissenschaft eine Einrichtung der Kirche ist, was zumindest in Deutschland nicht so allgemein gesagt werden kann, soweit Liturgiewissenschaft an Universitäten betrieben wird. Zu fragen ist allerdings, ob es Aufgabe von Kirche ist, Wissenschaft im modernen Sinn zu betreiben: Denn wenn der wissenschaftliche Anspruch der Liturgiewissenschaft im Verständnis des oben dargelegten modernen Wissenschaftsverständnisses in der Erhebung eines Wahrheitsanspruchs besteht, wird dieser Anspruch mit dem Sinn der Unternehmung einer modernen Wissenschaft begründet. Der Sinn der Wissenschaft ist es, „die Irrtümer und Einseitigkeiten in unseren Überzeugungen von der Welt aufzudecken und durch wahre und vollständige Überzeugungen zu ersetzen.“53 Dieser Anspruch auf Wahrheit ist zu unterscheiden von einer vormodernen Haltung, die davon ausging, die Wahrheit selbst unmittelbar und letzt­g ültig aussagen zu können. 5.2 Der Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft Der Gegenstand der so verstandenen Liturgiewissenschaft kann der christliche Glaube sein. Meßner hat – wie oben schon dargelegt – ebenso für die Theologie insgesamt wie dann auch für die Liturgiewissenschaft den Glauben der Kirche als Gegenstand benannt. Eine andere Gegenstandsbestimmung, wie sie Wolfhart Pannenberg für die ganze Theologie vorgenommen hat, lautet: Gott. Den Gegenstand der Theologie insgesamt und folglich auch der Liturgiewissenschaft mit ‚Gott‘ zu bestimmen, bedarf allerdings einiger Erläuterungen. Pannenberg hat diese Gegenstandsbestimmung aufgrund der Geschichte der christlichen Theologie gewonnen.54 Die Geschichte der christlichen Theologie mitsamt der modernen Religionskritik hat gezeigt, dass unter ‚Gott‘ auch nur ein bloßer Gedanke oder eine religiöse Vorstellung aus überholter Zeit verstanden werden kann. Dieser Sachverhalt wird von Pannenberg für die theolo­ gische Wissenschaft nicht aus-, sondern in die Gegenstandsbestimmung mit eingeschlossen: „Und in diesem Sinne, also zunächst als Problembegriff, aber so zugleich auch als thematischer Bezugspunkt aller ihrer Untersuchungen, 53 Tetens, Holm: Wissenschaftstheorie (s. Anm. 18), 26 f. 54 Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie. Frankfurt am Main [1973] 1987, 299–303.

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läßt sich Gott im Kontext gegenwärtigen Problembewußtseins als Gegenstand der Theologie verstehen.“55 In wissenschaftstheoretischer Hinsicht wäre also eine solche Gegenstandsbestimmung – so Pannenberg – eine Hypothese; Hypothesen müssen an einer von ihnen unterscheidbaren Realität überprüfbar sein: „Der Gedanke Gottes als der seinem Begriff nach alles bestimmenden Wirklichkeit ist an der erfahrenen Wirklichkeit von Welt und Mensch zu bewähren.“56 Insofern ist „Gott nur als Problem, nicht als gesicherte Gegebenheit Gegenstand der Theologie“57. Das wirft die Frage nach der Wahrheit dieser Aussagen auf. Die lassen sich zwar als theologische Aussagen mit Blick auf ihren Wahrheitsanspruch überprüfen, aber diese Prüfung wird nicht definitiv abgeschlossen werden können, da „erst das Ende aller Geschichte die endgültige Entscheidung über alle Behauptungen hinsichtlich der Wirklichkeit im ganzen, und so auch im Hinblick auf die Wirklichkeit Gottes und die Bestimmung des Menschen bringen kann.“58 Gleichwohl bedarf es aber für das jetzige Leben und für die heute Lebenden Kriterien, wenn zwischen unterschiedlichen Annahmen unter Berücksichtigung des Wahrheitsanspruchs entschieden werden soll: „Überlieferte Aussagen oder gegenwärtige Neuformulierungen ihres Wahrheitsgehaltes bewähren sich dann, wenn sie den Sinnzusammenhang aller Wirklichkeitserfahrung differenzierter und überzeugender erschließen als andere.“59 Das gilt nicht nur für einzelne Annahmen oder Aussagen, sondern auch für ganze Theorieentwürfe, wenn sie „die Gegebenheiten der religiösen Überlieferung und die Sinnzusammenhänge gegenwärtiger Erfahrung zusammenhängend zu deuten“60 vermögen.61 Ebenso hält Pannenberg in seiner Systematischen Theologie fest, dass auch eine Dogmatik nicht Gott selbst oder „die Wahrheit Gottes als solche dingfest machen und in Formeln verpackt vorführen“62 kann. Vielmehr ist auch die Theologie eine menschliche Erkenntnisbemühung und bleibt der Endlichkeit verhaftet, da sie versucht, die Wahrheit zur Darstellung zu bringen, was aber von der Wahrheit selbst unterschieden werden muss. Das kann bis hin zur Gotteslehre relevant sein, wenn für die christliche Gotteslehre die Strittigkeit des Redens über Gott als Ausgangspunkt genommen wird. Darum geht Gerhard Ebeling in seiner Dogmatik vom ersten Gebot aus und setzt nicht beim Sein Gottes ein, so dass die Situation der Strittigkeit des Redens über Gott zur Gotteslehre hinzuzudenken ist: „Das facettenreiche Phänomen der Widersprüchlichkeit im Reden über Gott hat zu einer wesentlichen Erkenntnis verholfen: Die Gotteslehre muß die Situation des Redens 55 A. a. O., 301. 56 A. a. O., 302. 57 A. a. O., 303. 58 A. a. O., 347. 59 Ebd. 60 A. a. O., 348. 61 Zur Bedeutung der Erfahrung für die Liturgiewissenschaft vgl. Gärtner, Heribert W. /  Merz, Michael B.: Prolegomena für eine integrative Methode in der Liturgiewissenschaft. Zugleich ein Versuch zur Gewinnung der empirischen Dimension. In: ALw 24 (1982), 165–189, vgl. insbes. zur Hypothese S. 178 unter 4.2: Kriterien der empirisch-kritischen Methode. 62 Pannenberg, Wolfhart: Systematische Theologie, Bd. 1. Göttingen [1988] 2015, 63 f.

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über Gott berücksichtigen, so daß alle Aussagen über Gott auf die Situation hin zu reflektieren sind, aus der heraus und auf die hin sie geschehen. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Art der Gotteslehre.“63 Diese Lebenswirklichkeit stellt den Glauben (der Kirche) dar, die die Wahrheit lebt und damit Gott lobt. In dieses Lob Gottes ist die Differenz zwischen der Wahrheit selbst und dem Anspruch auf Wahrheit eingeschlossen, da die Glaubenden als Kirche proleptisch von der Wahrhaftigkeit ihres Glaubensvollzuges wie ihres Glaubensinhaltes ausgehen. Die Glaubensaussagen über Gott, aber ebenso auch über das Heilshandeln Gottes etc. zur Darstellung zu bringen, ist – was die Liturgie betrifft – Aufgabe der Liturgiewissenschaft. Sie ist damit als Liturgiewissenschaft, die die Wahrheitsansprüche der Feier des Glaubens zur Darstellung bringt, zu unterscheiden von der Feier des Glaubens selbst, die die Wahrheit lebt. Somit kann die Liturgiewissenschaft ebenso wenig wie die Theologie insgesamt Gott selbst zum Gegenstand haben, sondern sie richtet ihren Blick auf die Feier des Glaubens, gleichsam auf die Situation des Redens von Gott und des Redens zu Gott und auch des Redens über Gott. Vermittels der Feier wird der Glaube an Gott ebenso wie die damit vorausgesetzten und in Worte gefassten Glaubensaussagen über das Wirken Gottes gelebt. Die Strittigkeit des Gottesgedankens wird damit impliziert: Das gilt sowohl für die Theologie als Wissenschaft als auch für die Praxis des Glaubens als Feier der Liturgie, denn auch diese Feier ist in der Gesellschaft mit ihren eigenen Wahrheitsansprüchen ebenso wenig unumstritten wie sie selbst innerhalb der einen Kirche mit ihren vielen Kirchentümern oder Konfessionen nicht unumstritten ist. Somit muss festgestellt werden, dass der Begriff Gegenstand nur begrenzt sinnvoll verwendet werden kann, denn der Glaube an Gott impliziert in Bezug auf den Gottesgedanken zum einen seine Strittigkeit, zum anderen impliziert der Begriff des Glaubens die damit verbundenen Sachverhalte der Kirche, das Wirken Gottes wie der Glaubenden, ebenso auch die Feier als Form der Liturgie. Daher ist hier der Begriff Gegenstandsbereich sinnvoller. Der Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft ließe sich nun folgendermaßen definieren: Die Liturgiewissenschaft hat zum Gegenstandsbereich den feiernden Glauben. Anhand der Feier des Glaubens, die Liturgie genannt wird, kann gezeigt werden, wie die Glaubenden an Gott glauben, sein Wirken erwarten, was sie glauben und wie sie sich als Kirche verstehen. Davon abzuheben sind andere Formen des Glaubens, wie z. B. der in der diakonischen Hilfe tätige Glaube oder der in der Bildung tätige Glaube, die beide ja nicht als Liturgie bezeichnet werden. Die Liturgiewissenschaft nach der hier vorgelegten Definition ist also an die Feier gewiesen, in der der Glaube tätig ist. Dass die Begriffe Glaube, Feier, Liturgie, Gott, Kirche, die für den Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft benannt wurden, für die Konzeption einer ökumenischen oder konfessionellen Liturgiewissenschaft einer inhaltlichen Präzisierung bedürfen, steht außer Frage. Diese Präzisierung ist für die 63 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1. Tübingen [1979] 21982, 173 f.

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daraufhin wie auch immer konzipierte Liturgiewissenschaft leitend. Denn Liturgiewissenschaft im hier favorisierten Verständnis, das die Strittigkeit der Wahrheitsansprüche in ihre Konzeption impliziert, wird anders vorgehen als eine Liturgiewissenschaft, die sich dieser Strittigkeit nicht stellen muss, weil sie deren Fragen über die konfessionelle Attributierung als beantwortet ansehen kann. Impliziert dagegen die Liturgiewissenschaft die Strittigkeit der Wahrheitsansprüche für ihren Gegenstandsbereich, dann wird sie darstellen können, was Kirchen bzw. Menschen des christlichen Glaubens glauben. Die Liturgiewissenschaft kann herausarbeiten, wie unterschiedlich der Begriff Kirche verstanden wird, wie unterschiedlich der Glaube sich selbst versteht und wie unterschiedlich er gelebt wird. Das kann zueinander in Relation gebracht werden, so dass der inhaltliche Anspruch (systematisch-theologisch) und der tatsächliche gelebte Glaube (praktisch-theologisch) in eine Relation gebracht werden. In diese Relation ist die Gottesvorstellung bzw. der Gottesgedanke impliziert. Diese Relation wird auch bestimmt vom menschlichen Zusammensein als Kirche, die aber wiederum auf Gott selbst bzw. auf die gemeinsame Gottesvorstellung bezogen ist, denn die Glaubenden denken bzw. glauben, dass Gott so ist, wie sie es sich vorstellen bzw. sich vorstellen, dass man es sich nicht vorstellen kann. Damit liegt die von Pannenberg geäußerte Strittigkeit im Gottesgedanken schon am Tage und hat somit Relevanz für den Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft. Zugleich werden unter diesen Bedingungen Möglichkeiten eröffnet, eine Konzeption von Liturgiewissenschaft zu erarbeiten, die die historische Genese von Liturgien, die systematisch-theologischen Aussagen und die tatsächlich gefeierten Liturgien als praktisch-theologische Aussagen in einer Liturgietheologie oder einer Theologie der Liturgie als Feier des Glaubens beschreiben kann. 5.3 Die zu erforschenden Materialien und die Methoden der Liturgiewissenschaft Der Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft wird vermittels geeigneter Methoden anhand der Materialien erforscht, die eine Feier der Liturgie darstellen. Als Materialien kommen alle Dokumente in Betracht, die auf eine begründete Weise den Anspruch erheben, eine Liturgie im obigen Sinne wiederzugeben: sei es als Agende oder Messbuch, sei es als Gesangbuch oder Tagzeitengebetbuch, sei es über analoge oder digitale Medien. Hinzu kommen jene Quellen, die nicht den rubrikalen Verlauf einer Liturgiefeier im Blick haben bzw. sie als eine zu gestaltende Feier intendieren, sondern die gefeierte Feier selbst beschreiben oder per Film dokumentieren und sie dann im Nachhinein betrachten. Während eine Agende als Norm einer Liturgiefeier angesehen und deduktiv verstanden werden kann, ist die wörtliche Beschreibung oder filmische Dokumentation einer Liturgiefeier der induktive Weg, sich mit dem Phänomen Liturgie zu befassen.

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Die Methoden der Liturgiewissenschaft sind vielfältig. Ein diachrones Verständnis der Liturgiefeiern ermöglicht die Verwendung von historischen Methoden. Mit ihrer Verwendung können Normansprüche verbunden sein, dass das, was in der Tradition immer gegolten hat oder was am Ursprung einer Tradition gewesen ist, als erstrebenswerte Liturgiefeier zu verstehen sei. Die Texte der Liturgiefeier zu verstehen, bedarf philologischer Kenntnisse und Methoden. Daneben stehen die Methoden der Humanwissenschaften, die ein synchrones Verständnis von Liturgiefeiern und gegebenenfalls ein komparatives Verständnis von Liturgien ermöglichen. Letztendlich sind aber Methoden danach zu befragen, ob sie zur Erhebung des Forschungsziels gemäß des formulierten Gegenstandsbereichs der Liturgiewissenschaft geeignet sind. 5.4 Die Selbstreflexion des forschenden Liturgiewissenschaftlers Das alles lässt sich nur dann wissenschaftlich darstellen, wenn ein Anspruch von Wahrheit für die wissenschaftliche Argumentation erhoben wird. Da für den Gegenstandsbereich der Liturgiewissenschaft auch der forschende Wissenschaftlicher mitgedacht werden soll und da die hier vorgelegte Konzeption einer Liturgiewissenschaft den von ihr erhobenen Anspruch auf Wahrheit in den Mittelpunkt der Wissenschaftlichkeit stellt und diesen Anspruch an der Feier des Glaubens als Liturgie erforscht und darstellt, wird schnell deutlich, dass der Wissenschaftler mit seiner Glaubensprägung in diese Strittigkeit selbst involviert ist. Folgerichtig wird er, indem er die Strittigkeit der Wahrheitsansprüche thematisiert und darstellt, damit auch seine eigene Involviertheit thematisieren. Da durch die forschenden Wissenschaftler die Forschung in eine bestimmte Richtung vorangebracht wird, ist es sinnvoll, dass sie sich selbst in diese Reflexion mit einbeziehen. Denn der Forscher ist aus bestimmten Gründen zu bestimmten Forschungen motiviert und hat bestimmte Interessen, die legitim sein können; er bringt bestimmte Voraussetzungen an Prägung und Bildung mit, die sich in den Forschungsergebnissen niederschlagen können; hier ist die Selbstreflexion aufgrund der eigenen kirchlichen Prägung sowie der eigenen wissenschaftstheoretischen Verortung notwendig. 5.5 Die Selbstreflexion der Liturgiewissenschaft Alle diese Faktoren stellen Aspekte der Selbstreflexion der Liturgiewissenschaft dar, mit der sie Auskunft über den zu erforschenden Gegenstandsbereich, über die Materialien, über die Methoden, über die Forschenden und über sich selbst gibt. Die Selbstreflexion schließt auch ein, dass über die erzielten Forschungsergebnisse rückblickend eine Bewertung erstellt wird, indem aufgrund des zuvor formulierten Zieles gefragt wird, ob mit dem ausgewählten Material, den angewendeten Methoden und den Forschern das Ziel erreicht oder verfehlt wurde oder warum es noch nicht erreicht werden konnte. Auch daran wird sich

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darstellen lassen, ob die hier vorgelegte Konzeption einer Liturgiewissenschaft ihr selbst gestecktes Ziel erreichen konnte.

6. Fazit Zusammenfassend soll die eingangs gestellte Frage beantwortet werden, „ob Liturgiewissenschaft unbedingt ein adjektivisches Attribut benötigt: Kann bzw. sollte sie sich mit evangelisch (oder lutherisch oder reformiert), römisch-katholisch, anglikanisch etc. selbst benennen, um ihren Standort anzuzeigen, oder reicht es aus, Liturgiewissenschaft vorrangig als Wissenschaft ohne konfessio­ nelle oder kirchliche Zuschreibung zu betreiben, so dass damit die Standorte der Liturgiewissenschaftler schon ausreichend definiert sind?“ Wenn es der Wissenschaft im Allgemeinen und damit auch der Liturgiewissenschaft um die Wahrheit bzw. um einen Anspruch auf Wahrheit zu tun ist, dann trifft sich das mit jenem Anspruch auf Wahrheit, den auch die Kirchen erheben, wenn sie vom Glauben an Gott sprechen. Insofern koinzidieren das wissenschaftliche und das kirchliche Erheben eines Anspruchs von Wahrheit. Dabei wird durch wissenschaftliche Arbeit auch die Strittigkeit des Gottesgedankens bzw. des Glaubens an Gott thematisiert und daraus ableitend darüber hinaus die Strittigkeit der konfessionellen Wahrheitsansprüche, die ja durch die verschiedenen Kirchentümer gegeben ist und existiert. Aufgrund des von der Wissenschaft erhobenen Anspruchs auf Wahrheit kann der Liturgiewissenschaftler nicht von der gegebenen Strittigkeit wissenschaftlicher und kirchlicher Wahrheitsansprüche absehen. Insofern bilden der Anspruch auf Wahrheit, den die Kirchen erheben, und die wissenschaftliche Erforschung und Darstellung der Liturgie den gemeinsamen Bezugspunkt und für den Liturgiewissenschaftler den eigentlichen Standort, hinter dem die kirchliche Attributierung zwar zurücksteht, aber den Blickwinkel anzeigen kann, von dem aus der Liturgiewissenschaftler seine wissenschaftliche Arbeit betreibt. Er zeigt damit zugleich an, dass auch er mit seiner Arbeit an der Strittigkeit der Wahrheitsansprüche teilhat, dass er nicht darübersteht oder von ihr enthoben ist, sondern darin involviert ist.

Agendenfreier Gottesdienst als wissenschaftliche und praktische Aufgabe Entwicklungen im Bereich der evangelischreformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz

Andreas Marti

Dieser Beitrag knüpft an den Aufsatz von Bruno Bürki im JLH 20161 an und nimmt ergänzend die Entwicklungen in der deutschsprachigen Schweiz seit etwa 1990 auf. Die liturgiesystematische Prämisse ist, dass der „agendenfreie Gottesdienst“, 2 wie er für die deutschsprachige reformierte Schweiz gilt, als eigener liturgischer Typus mit spezifischen Fragestellungen, Anforderungen und Chancen zu betrachten ist. Die Sichtweise des Autors ist dabei einerseits bestimmt durch eine inzwischen 50-jährige Praxis im liturgischen Orgeldienst in der deutschschweizerischen reformierten Kirche, andererseits durch die Tätigkeit als Präsident der deutschschweizerischen Liturgiekommission von 1989 bis 2014. Zunächst ist die institutionelle Situation kurz darzustellen. Die schweizerischen evangelisch-reformierten Kirchen sind als Kantonalkirchen organisiert, deren Gebiete mehr oder weniger mit den Kantonen übereinstimmen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erstellten sie alle ihre eigenen Agenden bzw. „Liturgien“, wie solche Bücher hierzulande heißen. Nach der Publikation des ersten gemeinsamen Gesangbuchs 19523 gründeten die Kirchen 1956 eine „Liturgiekonferenz“, um gemeinsame Liturgiebände herauszugeben.4 Mit der Arbeit wurde die neu gebildete Deutschschweizerische Liturgiekommission beauftragt, welche aus Vertretern aller Kantonalkirchen bestand, mehrheitlich Pfarrer, aber auch Germanisten; Frauen kamen in den 1980er Jahren allmählich dazu. 1 Bürki, Bruno: Evangelisch-reformierter Gottesdienst nach den traditionellen Bekenntnisschriften und in der ökumenischen Gegenwart. In: JLH 55 (2016), 46–60. 2 Walti, Christian: Gottesdienst als Interaktionsritual. Eine videobasierte Studie zum agendenfreien Gottesdienst im Gespräch mit der Mikrosoziologie und der Liturgischen Theologie. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016. 3 Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz. Winterthur 1952 (RKG). 4 Marti, Andreas: Liturgie reformiert. Gottesdiensterneuerung und -musik in den evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz. In: MuK 74 (2004), 4–11.

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Die ersten beiden Bände, 1972 und 1974,5 boten Texte für den Sonntags- und Festtagsgottesdienst. Sie waren Materialsammlungen, hauptsächlich mit Gebeten, denen die Stellung vor bzw. nach der Predigt zugewiesen wurde; Aufbau und innerer Zusammenhang des Gottesdienstes waren kaum im Blick. Einen Sonderweg ging zunächst die Zürcher Kirche mit ihrer eigenen Liturgiekommission, die 1969 das „Zürcher Kirchenbuch“6 publizierte. Angeregt durch Überlegungen des Musikers, Philosophen und Publizisten Adolf Brunner (1901–1992)7 formulierte die Zürcher Kommission das Fünfschrittemodell, das inzwischen über das Reformierte Gesangbuch von 19988 von allen Deutschschweizer Kirchen als „Gerüst“ im Sinne eines Leitmodells übernommen worden ist.9 Vergleichbar dem Strukturmodell der Lutherischen Liturgischen Konferenz von 197410 gliedert es den Predigtgottesdienst in die Schritte „Sammlung – Anbetung – Verkündigung – Fürbitte – Sendung“. Dadurch erhält die Liturgie eine Verlaufsdynamik, die für jedes einzelne Element ausgehend von seiner Stellung Kriterien generiert. Liturgische Plausibilität entsteht in der Abfolge und Interaktion der Elemente, nicht aus der historischen oder ökumenischen „Korrektheit“. Die 1980er Jahre brachten Impulse in die deutschschweizerische Gottesdienstlandschaft, die sich den intensivierten ökumenischen Kontakten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verdankten und insofern als progressives Moment zu interpretieren waren. Allerdings kamen mit ihnen auch „hochkirchlich“-traditionalistische Tendenzen zum Zuge, die die Eigenständigkeit des Predigtgottesdienstes als eines genuin reformierten Liturgietypus in den Hintergrund treten ließen oder gar explizit abwerteten. Gegenüber den „reicheren“ Formen des lutherischen, katholischen oder westschweizerisch-reformierten (französischsprachigen) Messe-Typus wurde der reformiert Gottesdienst als defizitär wahrgenommen – eine Auffassung, die bis heute nachwirkt, wenn geringschätzig von „Rumpfliturgie“ oder „liturgischer Ausdünnung“ gesprochen wird.11 5 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Band I: Sonntagsgottesdienst, Bern 1972; Band II: Festtagsgottesdienst, Bern 1974. 6 Kirchenbuch I. Ordnungen und Texte für den Gottesdienst der Gemeinde. Predigtgottesdienst, Taufe, Abendmahl. Zürich 1969. 7 Brunner, Adolf: Musik im Gottesdienst. Wesen, Funktion und Ort der Musik im Gottesdienst. Zwingli Verlag: Zürich (1960) 21968. Kunz, Ralph: Die musikalische Wahrnehmung des Gottesdienstes – Adolf Brunner und die Zürcher Gottesdienstreform. In: Ders.: Der neue Gottesdienst. Ein Plädoyer für den liturgischen Wildwuchs. Theologischer Verlag: Zürich 2006, 75–90. 8 Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, Basel / Zürich 1998 (Reformiertes Gesangbuch RG). 9 A. a. O., Nr. 150. 10 Lutherische Liturgische Konferenz: Denkschrift „Versammelte Gemeinde. Struktur und Elemente des Gottesdienstes. Zur Reform des Gottesdienstes und der Agende“. Lutherisches Verlagshaus: Hamburg 1974. Vgl. dazu Jordahn, Ottfried / Sandvik, Bjørn / Bergsma, Joop: Verständigung über den Gottesdienst? In: JLH 20 (1976), 135–144. 11 Digitaler Newsletter der Reformierten Medien am 16. Januar 2017.

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Über die „Schweizerische Evangelische Synode“, eine von Gemeindegliedern, Pfarrerinnen und Pfarrern und Kirchenleitungen gemeinsam getragene Reformbewegung in den 1980er Jahren12 wirkte die als „renouveau liturgique“ bezeichnete Reformbewegung der französischsprachigen Westschweiz über die Sprachgrenze hinweg in die Deutschschweiz. In der Romandie waren seit den 1930er Jahren auf Initiative von Richard Paquier Liturgien auf der Basis des Messe-Typus geschaffen worden;13 eine Perikopenordnung mit drei Texten pro Sonn- und Festtag und einem dreijährigen Zyklus war etabliert worden – auffallenderweise übernahm die römisch-katholischen Leseordnung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ebenfalls dieses Prinzip.14 Für die halbjährlich in verschiedenen Schweizer Städten organisierten Synodenversammlungen wurde eine Abendmahlsliturgie aufgestellt, die sich eng an das Schema der Messe hielt. 1983 publizierte die Liturgiekommission als dritten Band des Liturgiewerks die Abendmahlsliturgien. Deren erste war ebenfalls eine leicht modifizierte Messliturgie, die zweite eine Liturgie nach verschiedenen altkirchlichen Quellen.15 Da dieser Typus den liturgischen Dialog zwischen Liturg(en) und Gemeinde voraussetzt, dieser aber der deutschschweizerischen reformierten Tradition völlig fremd ist, schuf man ein „Gemeindeheft“,16 das die Gemeindeanteile dieses Dialogs enthielt. Die erforderliche Selbstverständlichkeit dieser Gemeindeaktivität – Christian Walti beschreibt sie als „intrinsisch“ motivierte Handlungen17 – war jedoch nicht zu erreichen. Dafür wäre ein möglichst häufiges, idealerweise allsonntägliches Abendmahl in stabiler, weitgehend varia 12 Bericht „Erneuerung des Gottesdienstes“. In: Schweizerische Evangelische Synode. Schlussdokumente, Heft 3: Lebendige Gemeinden / Gottesdienst. Bern 1987, 14–25. Périllard, Marianne: Le synode protestant suisse (1983–1987). In: Bürki, Bruno / Klöckener, Martin (Hg.): Liturgie in Bewegung / Liturgie en mouvement. Universitätsverlag: Freiburg CH / Labor et Fides: Genève 2000, 324–337. 13 Aus dem „renouveau liturgique“ sind um die Jahrhundertmitte mehrere französischsprachige Liturgien hervorgegangen: 1940 für die Kirche im Kanton Waadt, 1945 für die Genfer Kirche, 1955 für die französischsprachigen Gemeinden im Kanton Bern. Vgl. Communauté de travail des commissions romandes de liturgie: La lecture de la bible dans le culte de l’église. Bref aperçu historique. In: Lectionnaire des dimanches et des fêtes à l’usage des Eglises réformées de la Suisse romande. Pully 1988, 7. Bardet, André: Le mouvement liturgique dans l’Église réformée du Pays de Vaud. In: Bürki, Bruno / Klöckener, Martin (Hg.): Liturgie in Bewegung (s. Anm 12), 140–159. 14 Ob ein historischer Zusammenhang zwischen Westschweizer Perikopenordnung und Ordo Lectionum Missae (OLM) besteht, müsste erst noch erforscht werden. Sonderbarerweise sind die Westschweizer Perikopenordnungen von der ökumenischen Liturgiewissenschaft offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen worden. Sie fehlen jedenfalls in der von der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Auftrag gegebenen Studie, die lediglich die Ordnungen in Deutschland, Ungarn und Skandinavien sowie das „Revised Common Lectionary“ und verwandte Ordnungen aufführt: Herrmann, Florian: Leseordnungen in der GEKE. In: Hahn, Udo (Red.): Auf dem Weg zur Perikopenrevision. Bericht einer wissenschaftlichen Fachtagung. Amt der VELKD: Hannover 2010, 185–197. 15 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Band III: Abendmahl. Verlag Stämpfli: Bern 1983. 16 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Gemeindeheft. Verlag Stämpfli: Bern 1983. 17 Walti, Christian: Gottesdienst (s. Anm. 2), 72–75.

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tionsfrei wiederholter Form nötig. Dies wurde zwar postuliert, jedoch nur in den seltensten Fällen realisiert. Immerhin wurde in vielen Gemeinden die Abendmahlshäufigkeit gesteigert, von den traditionellen vier jährlichen Terminen (Weihnachten, Karfreitag / Ostern, Pfingsten, Herbst, d. h. Eidgenössischer Dank- Buß- und Bettag am 3. Sonntag im September) auf eine etwa monatliche Feier. Dennoch lief der traditions- und ökumeneorientierte Reformansatz weitgehend ins Leere. Etwa ab 1990 erfolgte in der Deutschschweizer Liturgiekommission eine Neuorientierung, bedingt durch mehrere personelle Wechsel, die vermehrt auch Frauen in die Kommission brachten. Bezeichnend war die Veränderung, die zwischen erster und zweiter Lesung im Aufbau von Band IV „Taufe“18 vorgenommen wurde. Standen vorher die traditionsbasierten Formulare an erster Stelle (eines nach Zwingli, eines nach dem römisch-katholischen Formular), begann der Band dann mit den alltagsnäher gestalteten und teilweise dezidiert lebensweltlich geprägten Texten, während jene aus der Tradition an den Schluss zu stehen kamen. Nach dem Taufband erarbeitete die Liturgiekommission zunächst im Auftrag der Gesangbuchkommissionen die Textteile für das Reformierte Gesangbuch, dessen Entwurf 1995 vorlag. Das Reformierte Gesangbuch wurde 1998 in den Gemeinden eingeführt. Das oben beschriebene Zürcher Fünfschrittemodell kam als „Gerüst“ an den Anfang der Gottesdienstordnungen.19 Mit dem Ersatz des Teils „Anbetung“ durch eine in den Gottesdienst integrierte Tauffeier bzw. durch ein Schuldbekenntnis wurde es zum Gerüst für den „Predigtgottesdienst mit Taufe“20 bzw. für den „Predigtgottesdienst mit Bußakt“. 21 Auch ein Abendmahlsgottesdienst steht als „Gerüst“ im RG;22 allerdings war sich die Liturgiekommission der Tatsache bewusst, dass es sich dabei lediglich um einen sehr allgemeinen Vorschlag handelte, der später der weiteren Ausarbeitung bedürfen würde. Diese erfolgte dann im Hinblick auf die Taschenausgabe der Deutschschweizer Liturgie von 2011, auf die später ausführlicher einzugehen sein wird. Mit dem 5.  Band des Liturgiewerks, „Bestattung“, verfolgte die Liturgiekommission zum einen weiter ihren Auftrag, eine vollständige Materialgrundlage für den Gottesdienst zu schaffen, zum andern reagierte sie auf die deutlich gestiegene Bedeutung der Kasualien für das kirchliche Selbstverständnis und für die theologische Reflexion über den Gottesdienst. 23 Unter Verzicht auf die in manchen Bestattungsagenden vertretene Kasuistik – entsprechend den Umständen des jeweils zu bedenkenden Todes – stellt der Band eine Grund-Liturgie auf, die ebenfalls vom Fünfschritteschema ausgeht und dabei die „Anbe 18 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Band IV: Taufe. Verlag Stämpfli: Bern 1994. 19 RG 150 (s. Anm. 8). 20 RG 151 (s. Anm. 8). 21 RG 152 (s. Anm. 8). 22 RG 153 (s. Anm. 8). 23 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Band V: Bestattung. Bern 2000.

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tung“ durch das „Gedenken“ ersetzt: Wenn Anbetung so verstanden wird, dass wir uns als versammelte Gemeinde vor Gott stellen, kann das Gedenken aufgefasst werden als ein Vor-Gott-Treten mit unseren Erinnerungen an den verstorbenen Menschen. Von allen Bänden des Liturgiewerks wurde der Bestattungsband am besten von der Gemeindepraxis aufgenommen. Die beiden ersten waren sprachlich schon nach kurzer Zeit weitgehend überholt, die traditionsorientierte Abendmahlsreform des dritten Bandes war ohne große Wirkung geblieben, für den Taufband bestand – abgesehen vielleicht von der ausführlichen liturgietheologischen und liturgiedidaktischen Einführung – wenig Bedarf, da die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Tauffeiern offensichtlich selbständig gestalten. Der Bestattungsband dagegen erhielt ein breites positives Echo aus der Pfarrerschaft. Nach 2000 begann in der Liturgiearbeit insofern eine neue Phase, als der Auftrag an die Kommission nun sehr umfassend formuliert war: „Gottesdienst in der reformierten Deutschschweiz“. Dafür sollten einerseits theoretische Grundlagen im Sinne eines „Orientierungsbandes“, andererseits Materialien für die unterschiedlichen liturgischen Situationen geschaffen werden. Es zeigte sich bald, dass sowohl das Eine wie das Andere für eine gedruckte Publikation zu umfangreich und aufwändig werden würde. Man wich daher auf die digitale Publikation im Internet aus. 24 Die Orientierung umfasst dort einen empirischen, einen systematischen und einen historischen Teil, mehrheitlich verfasst von Alfred Ehrensperger, dem Schweizer Liturgiewissenschaftler, der leider nie an einer Universität wirken konnte. Aus seinen Beiträgen zur Gottesdienstgeschichte der reformierten Schweiz vor und nach der Reformation ist danach eine Reihe von umfangreichen Bänden geworden, die ein umfassendes Quellenmaterial verarbeiten. 25 Für den Materialteil wurden Texte für die unterschiedlichen Phasen des Gottesdienstes gesammelt und erarbeitet, ebenso Feierformulare für Lebensstationen und -situationen und Formulare für die christlichen Feste, vor allem Abendmahlsfeiern. Die Zugriffsstatistik zeigte bald ein gutes Echo vor allem für die Sammlungen von liturgischen Texten für den Gottesdienstbeginn und von gottesdienstlichen Gebeten. Das Projekt, zusätzlich zur digitalen Veröffentlichung mit einer regelmäßigen gedruckten Publikation – in Form eines „Jahresheftes“ – bei den Liturgiegestaltenden präsent zu sein, wurde leider im letzten Moment von einigen Kirchenleitungen gestoppt (später wurde der Liturgiekommission dann mangelnde

24 www.gottesdienst-ref.ch 25 Ehrensperger, Alfred: Der Gottesdienst in Stadt und Landschaft Basel im 16. und 17. Jahrhundert. Theologischer Verlag: Zürich 2010. Ders.: Der Gottesdienst in Stadt und Landschaft Bern im 16. und 17. Jahrhundert. Theologischer Verlag: Zürich 2011. Ders.: Der Gottesdienst in der Stadt St. Gallen, im Kloster und in den fürstäbtischen Gebieten vor, während und nach der Reformation. Theologischer Verlag: Zürich 2012. Ders.: Der Gottesdienst im Appenzellerland und Sarganserland-Werdenberg während und nach der Reformation bis ca. 1700. Theologischer Verlag: Zürich 2015. Der Band über Stadt und Landschaft Zürich ist in Vorbereitung.

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Präsenz an der „Basis“ vorgeworfen …). Hingegen entstand in den Jahren 2007 bis 2011 eine neue „Taschenausgabe“. Bereits 1986 hatte die Kommission unter diesem Titel ein schmales Büchlein veröffentlicht, das Texte und Formulare zu den verschiedenen Gottesdiensten enthielt  – Predigtgottesdienst, Abendmahlsgottesdienst, Taufe, Trauung, Bestattung  – und dazu Texte, die für die Seelsorge bestimmt waren. 26 Nachdem diese Ausgabe vergriffen war, beschloss die Liturgiekommission zuerst, auf eine Nachfolgeedition zu verzichten, da durch den geringen Umfang die jeweils angebotenen Formulare ungewollt die Funktion eines normativen Modells erhalten könnten und da das Vorlesen von Texten in der Seelsorge doch wohl nicht mehr die Methode der Wahl sein könne. Auf Drängen der Kirchenleitungen machte man sich dann doch an die Arbeit und verband damit die Absicht, die Exemplarizität und Variabilität der Formulare durch ausführliche liturgiedidaktische Texte systematischer und praktischer Art zu verdeutlichen. Diese mussten – wiederum auf Druck der Kirchenleitungen – erheblich reduziert werden. So fiel insbesondere ein Papier weg, in welchem die Kommission die Grundlinien eines sowohl traditionsbewussten wie aktuellen reformierten Gottesdienstes formuliert hatte. Dieses wurde dann im Internet und in der Zeitschrift „Musik und Gottesdienst“ veröffentlicht. 27 Es blieb dennoch die Möglichkeit, einzelnen Formularen knappe Erläuterungen beizugeben, welche zugleich die Exemplarizität der für den Druck ausgewählten Texte verdeutlichen. Mit der Taschenausgabe 2011 sollte ja nicht ein bestimmtes Textkorpus im Sinn einer Agende kanonisiert werden. Auf diese Kommentare wird unten noch einzugehen sein. Kirchenpolitische Verwerfungen um das Verhältnis der Kantonalkirchen zum Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund verhinderten das Projekt, die Liturgiekommission beim Kirchenbund unterzubringen und damit institutionell zu konsolidieren. Dazu trat die Tendenz der größeren Kirchen, bislang gemeinsam gelöste Aufgaben in eigene Dienststellen zurückzuverlagern. Beides zusammen führte 2014 zu einem abrupten Ende der Liturgiekommission. Fortan wird eine Koordinationsstelle die Aktivitäten von kantonalkirchlichen Arbeitsstellen, theologischen Fakultäten, Ausbildungsstätten und Verbänden zu koordinieren versuchen. Im Folgenden sollen die liturgietheologische Konzeption und Ausgestaltung der beiden Grundtypen Predigtgottesdienst und Abendmahlsgottesdienst, wie sie in der Taschenausgabe 2011 enthalten sind, näher beleuchtet werden.

26 Liturgie, hg. im Auftrag der Liturgiekonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz. Taschenausgabe. Bern 1986. 27 Minima Liturgica, www.gottesdienst-ref.ch. MGD 67 (2013), 98–107. Die in MGD publizierten Texte ab 2006 sind im Internet zugänglich unter: www.rkv.ch > Zeitschrift.

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Predigtgottesdienst Bekanntlich haben oberdeutsche und schweizerische Städte schon im Spätmittelalter neben der Messe eine besondere Predigtveranstaltung gekannt, in welcher in einem minimalen liturgisch-rituellen Rahmen die Auslegung der Bibel im Zentrum stand. Diesen Prädikantengottesdienst behielten sie bei der Durchführung der Reformation als Haupttypus bei, während die Messe abgeschafft wurde. Zwingli hat diese Fokussierung auf die Verkündigung liturgietheologisch zugespitzt, indem er, mindestens anfänglich, der Versammlung lediglich die Funktion der Lehre zuschrieb, während der Ort des Gebetes für ihn das Alleinsein vor Gott war: „Wärest du andächtig, so wärist allein. Andacht [=Konzentration] wirt durch die Vile [=Vielheit, Menge] gefelscht, es sye denn, daß man die Vile des Worts Gottes berichte, oder daß wenig mit einandren von Verstand [=Bedeutung] des götlichen Worts redind“. 28 Diese Radikalität muss im Kontext der Auseinandersetzungen unmittelbar vor der Reformation gesehen werden; die Sätze waren als Disputationsthesen formuliert und primär gegen das lateinische Psalmgebet der des Lateins unkundigen Nonnen gerichtet. In Zwinglis Gottesdienst gab es dann ja durchaus auch das Gebet. An vielen Orten führte man zudem schon bald den Psalmengesang der Gemeinde in den ursprünglich musiklosen Prädikantengottesdienst ein, von den Zürchern durchaus gutgeheißen, 29 aber in der eigenen Kirche erst am Ende des Reformationsjahrhunderts nachvollzogen. Über Jahrhunderte blieb der reformierte Predigtgottesdienst bei seiner kargen Form: Eine (lange) Predigt als Auslegung der Schrift, gerahmt von Gebeten und Psalmengesang, bis ins 19. Jahrhundert mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis  – dieses wurde jedoch entgegen landläufiger Meinung keineswegs abgeschafft, sondern lediglich aus dem obligatorischen liturgischen Gebrauch genommen. Im 20. Jahrhundert begann ein Ausbau dieser asketisch kargen Form durch eine bis dahin nicht übliche zusätzliche Schriftlesung, durch eine Vermehrung der Gemeindelieder und durch zusätzliche Orgelmusik. Die Liturgie tendierte zu einer mehr oder weniger beliebigen Aneinanderreihung von Elementen, für die allenfalls die allzu banale Regel galt, dass sich gesprochene und musikalische Teile abwechseln sollten. In dieser Art schlug noch der Band I des Liturgiewerks Gottesdienstordnungen vor. Inzwischen war die Liturgiekommission der Zürcher Landeskirche aber, wie eingangs beschrieben, schon einen entscheidenden Schritt weitergekom 28 Zwingli, Ulrich: Usslegen (Kommentare zu den „Schlussreden“, d. h. Disputationsartikeln 1523), zu Art. 45, zit. nach Zwingli, Hauptschriften, hg. von Fritz Blanke u. a., Bd. 4, Zwingli Verlag: Zürich 1952, 145. 29 Vgl. dazu Jenny, Markus: Zwinglis Stellung zur Musik im Gottesdienst. Zwingli Verlag: Zürich 1966. Besonders schnell bei der Einführung des Psalmengesangs waren etwa St. Gallen und Genf.

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men. Im Fünfschritteschema erhält jedes Element eine Funktion im Gesamtverlauf. Dieser Gesamtverlauf lässt sich schematisch als Rhythmus von Konzentration auf die Verkündigung hin und die anschließende Ausweitung auf die Welt verstehen. In der oben schon kurz vorgestellten Taschenausgabe 2011 verdeutlichte die Liturgiekommission anhand der einführenden Hinweise, wie das Fünfschrittemodell – mit dem Reformierten Gesangbuch als „Gerüst“ verstanden – konkretisiert werden kann. Die ‚Sammlung‘ besteht aus Musik zur Eröffnung, der Abfolge „Grußwort – Eingangswort – Begrüßung“, dem Eingangslied und dem Eingangsgebet. Der vom Liturgen / der Liturgin gesprochene einleitende Dreischritt beginnt mit einer liturgischen Formel (im dort anschließenden Beispiel dem „Adjutorium“, allerdings nicht wie in lutherischen Agenden üblich im Wechsel gesprochen), welche verdeutlicht, dass „Gott als Gastgeber zum Gottesdienst einlädt“30 und den Gottesdienst in die liturgische Kontinuität stellt. Den Bezug auf die Thematik des Gottesdienstes schafft das Eingangswort – vorzugsweise ein Bibelwort  –, und eine persönliche Begrüßung schafft den Kontakt zwischen den Anwesenden. Auf diese Reihenfolge wurde in der Erarbeitungsphase großes Gewicht gelegt, da nicht selten Pfarrerinnen und Pfarrer die Gemeinde sogleich in der Art eines Fernsehmoderators persönlich begrüßen und damit dem Proprium der Veranstaltung „Gottesdienst“ nicht gerecht werden. Beim Eingangslied wird auf eine gewisse Niederschwelligkeit hingewiesen, dies im Hinblick auf Bekanntheit und musikalische Anforderungen. Zu ergänzen wäre, dass textlich keine allzu hohen Identifikationshürden vorhanden sein sollten, damit sich die Singenden innerlich in der Gemeinde einfinden können. Das Eingangsgebet soll „weder Sündenbekenntnis noch Bußbitte“31 sein, sondern Sammlung und Öffnung zu Gott hin ansprechen. Für den Schritt ‚Anbetung‘ schlägt die Taschenausgabe 2011 ein Loblied und Gebet vor, an dessen Stelle „auch Psalmlesungen oder meditative Texte stehen“32 können. Über die Hinweise der Taschenausgabe hinaus ist festzustellen, dass für die Auswahl der Lieder an dieser Stelle der formale Aspekt der „Adressierung“ wichtig ist: Es sollen hier wirkliche Gebetslieder gesungen werden, die Gott direkt ansprechen.33 Der Begriff „Anbetung“ ist inzwischen durch charismatisch-freikirchliche Gruppen belegt worden und meint in der Regel eine liturgische Phase, die aus einer längeren Aneinanderreihung von „Anbetungsliedern“ bzw. „Lobpreisliedern“ oder „Worship Songs“ besteht. Diese sind semantisch wenig gefüllt und beschreiben oder erzeugen das Gefühl einer un-

30 TA (s. Anm. 26), 9. 31 A. a. O., 10. 32 Ebd. 33 Vgl. zu den aus dem Fünfschritteschema erhobenen Kriterien: Marti, Andreas: Lieder wählen. Angewandte Hymnologie im Dienst der Liturgie. In: MGD 63 (2009), 111–120.

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mittelbaren Gottesbegegnung.34 Obschon diese liturgische Phase im Ablauf freikirchlicher Gottesdienste häufig an vergleichbarer Stelle platziert ist, meint der reformierte Predigtgottesdienst hier etwas Anderes, wie es in charakteristischer Weise in dem von der Zürcher Liturgie 1969 in diesem liturgischen Schritt vorgesehenen „Psalmgebet“ erkennbar wird. Während nämlich die „Praiseand-Worship Songs“ fast ausschließlich präsentisch verfasst sind35 und auf die unmittelbare Gegenwart der Gottesbeziehung zielen, bauen die klassische Liturgie und ihre Lieder und Texte fundamental auf der „Anamnese“ auf, d. h. der lobenden und bittenden Vergegenwärtigung der Geschichte Gottes mit den Menschen: Die biblischen Lobpsalmen enthalten ja zum großen Teil  berichtende oder beschreibende Passagen, die dieses Lob begründen und Gott in der Nennung seiner Taten und nicht nur im religiösen Erlebnis der Betenden gegenwärtig sein lassen. Im Zentrum des Gottesdienstes steht die ‚Verkündigung‘, bewusst nicht ‚Predigt‘ genannt, trotz der Gattungsbezeichnung „Predigtgottesdienst“. Damit bleiben Formen wie Dialog, szenische Gestaltungen, Bildmeditation und vieles andere mehr im Blick. Primär geht es in der Verkündigung, entsprechend dem Herkommen der Gottesdienstform, um Auslegung der Bibel. Traditionellerweise erfolgte die Auslegung in Form der „lectio continua“. Biblische Bücher wurden Sonntag für Sonntag abschnittweise fortlaufend ausgelegt. Diese Praxis findet nicht mehr viel Anwendung. Sie setzt eine Kontinuität sowohl des Predigers wie der Teilnahme am Gottesdienst voraus, die beide kaum noch gegeben sind. An den meisten Kirchen wirken Teams mit mehreren Pfarrpersonen, und die lückenlosen Teilnahme der Gemeinde am Gottesdienst ist ebenfalls nicht voraussetzbar. Allenfalls gestalten Pfarrteams gemeinsam Predigtreihen zu Themen oder eventuell zu biblischen Büchern, die in Auswahl gelesen und ausgelegt werden (so genannte „Bahnlesung“). Predigttexte werden darum entweder nach Aktualität oder auf Grund von Perikopenreihen ausgewählt. Eine Umfrage der Deutschschweizer Liturgiekommission in den Jahren 2012/13 ergab, dass die Hälfte der Pfarrerinnen und Pfarrer regelmäßig, ein weiteres Viertel gelegentlich auf Perikopenreihen zurückgreift. Es scheint dabei allerdings etwas ungewiss, ob allen die Relativität dieser Reihen bewusst ist, wenn sie schlicht „das“ Evangelium des Sonntags ankünden. Während sich die einen auf den sechsjährigen Zyklus der lutherischen und unierten Kirchen in Deutschland stützen – nicht zuletzt wegen des dazu verfügbaren Materials –, nehmen die anderen die früher im „Kirchenkalender für die reformierte Schweiz“36 oder jetzt auf der Website des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds publizierten Perikopen als gegeben hin. Diese entstammen dem westschweizerischen 34 Schweyer, Stefan: „Gemeinde singt“. Erkenntnisse aus der empirischen Erforschung freikirchlicher Gottesdienste. In: Ders. (Hg.): Gemeinsam singen im Gottesdienst, LIT Verlag: Wien 2016, 41–70, bes. 51–56. Bubmann, Peter: Flucht ins Formelhafte? Praise-Songs – eine theologische Kritik. In: MGD 71 (2017), 50–57. 35 Vgl. dazu Marti, Andreas: „Just You and Me“. Beobachtungen an Liedern einer charismatischen Gruppe. In: JLH 48 (2009), 209–217. 36 2015 eingestellt.

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„renouveau liturgique“ (s. o.) und schaffen in der Struktur, wenn auch nicht in allen Fällen der Textauswahl, eine Brücke zur katholischen Leseordnung. Die Taschenausgabe 2011 geht auf die Frage der Textauswahl nicht ein, erwähnt dagegen eine eigenständige Schriftlesung. Diese soll die Gemeinde auf die Predigt vorbereiten. Das setzt voraus, dass sie inhaltlich mit dem Predigttext verbunden ist, und dies wiederum entspricht eher dem deutschen System, wonach die Evangelienperikope der „Rektor“ des Sonn- oder Festtags sei37 und den Textraum anzeige, in dem sich die übrigen Texte und die Lieder bewegen. Unter diesem Gesichtspunkt wären die Westschweizer und die katholische Ordnung weniger angemessen, da dort für die Epistellesung der diachrone Zusammenhang primär und der inhaltliche Zusammenhang mit dem Evangelium insofern nicht von vornherein gegeben ist. Dass mit der Schriftlesung „die Breite der biblischen Überlieferung“38 zur Geltung kommen soll, erinnert an die Zielformulierung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, es sei der „Tisch des Wortes reicher zu decken“.39 Die Formulierung ist bezeichnend für die liturgietheologische Grundhaltung der Taschenausgabe 2011; ähnlich wird uns dieses Anliegen auch wieder beim Abendmahlsgottesdienst begegnen, wo sie aber eine Differenz zur katholischen Konzeption markiert und eine Alternative zu deren ausschließlicher Zentrierung auf das „Paschamysterium“ bedeutet. Die Musik wird in der Taschenausgabe als Bestandteil der Verkündigung bezeichnet. Damit wird ein Anliegen Luthers aufgenommen, das über die Zuweisung der Musik zum Gebet, wie sie Calvin vorgenommen hat, hinausgeht. Zwar wurde auch im lutherischen Bereich vor einigen Jahrzehnten heftig über die Frage diskutiert, ob Musik denn Verkündigung sein könne, oder ob sie nicht vielmehr im Wort-Antwort-Schema auf die Seite der Antwort gehöre.40 Diese Diskussion kann hier als abgeschlossen gelten, ebenso wie diejenige, mit der im deutschschweizerisch-reformierten Raum noch bis vor wenigen Jahrzehnten über das „Zwischenspiel“ nach der Predigt gestritten wurde – offenbar um die Wende zum 20. Jahrhundert als ausgedehntes Vorspiel zum Lied nach der Predigt eingeführt und lange Zeit auf choralgebundene Musik eingeschränkt: „Aber um ein Hinübergehen in die ‚Bezirke reiner Musik‘, ins Reich des Wortlosen darf es sich beim Zwischenspiel in einem reformierten Gottesdienst nicht handeln.“41 Demgegenüber haben die meisten liturgisch Verantwortlichen heute 37 Mildenberger, Irene: Leitbild, roter Faden, Thema. In: Hahn, Udo (Red.), Auf dem Weg zur Perikopenrevision (s. Anm. 14), 209–224, bes. 212. 38 TA (s. Anm. 26), 11. 39 Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (SC) 51. 40 Blankenburg, Walter: Kann Singen Verkündigung sein? In: MuK 23 (1953), 177. Buchholz, Friedrich: Zum „Verkündigungscharakter“ des Singens. In: MuK 26 (1956), 260–272. Kiefner, Walter: Noch einmal: Verkündigungs-Charakter des Singens? In: MuK 29 (1959), 217. Hofmann, Friedrich: Gottes Wort – Verkündigung – Musik. Zum Gespräch über den Verkündigungscharakter der Musik. In: MuK 34 (1964), 111. Anliker, Hans: Zur Frage der musikalischen Verkündigung. In: MGD 3 (1949), 113–115. 41 Wieruszowski, Lili: Das Zwischenspiel der Orgel im reformierten Gottesdienst. In: MGD 4 (1950), 115–120; 145–148, zit. 117.

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erkannt, dass es gerade nach der Predigt einen nonverbalen Raum braucht, in dem die Verkündigung nachklingen kann, nicht zwingend gedacht-verbal, sondern eher auf einer emotional-intuitiven Ebene, damit nicht das Wort der Predigt sofort wieder durch andere Worte überlagert wird. Darum wird der traditionelle Begriff „Zwischenspiel“ der Sache nicht gerecht und sollte durch „Musik zur Predigt“ oder ähnlich ersetzt werden. Ein Bekenntnis im liturgischen Kontext zu sprechen, ist seit dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts in den Deutschschweizer reformierten Kirchen nicht mehr üblich. Im Bestreben, den Kirchen im Kontext des wachsenden Pluralismus mehr Profil und Erkennbarkeit zu geben, setzte gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Diskussion um die Wiedereinführung des Bekenntnisses im Gottesdienst ein. Die Zürcher Kirche schlug vor, das Apostolikum zu verwenden und ihm einen von der jeweiligen Ortsgemeinde erarbeiteten Interpretations- und Weiterführungstext beizugeben. Eine nachhaltige Breitenwirkung hat diese Initiative nicht gehabt. Ein vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund initiierter Prozess führte zur Formulierung des „Bekenntnisses von Kappel“, welches in der Struktur an das Apostolikum erinnert, jedoch anstelle der Fragen des 4.  Jahrhunderts um Trinität und Christologie diejenigen heutiger christlicher Existenz zu formulieren sucht. Es beruht auf einer Vorlage des Berner Pfarrers und Dichters Kurt Marti (1921–2017), der es allerdings die politische Spitze etwas gebrochen hat: Aus einem aktiven „für Gerechtigkeit kämpfen und leiden“ ist ein passives „dürsten nach der Gerechtigkeit“ geworden.42 Weil im RG neben neueren Texten auch das Apostolikum enthalten ist, wird dieses gelegentlich im Gottesdienst gebraucht; nicht zuletzt tragen dazu die in manchen schweizerischen Gegenden zahlreichen Pfarrerinnen und Pfarrer aus Deutschland bei, welche die ihnen von zu Hause vertraute Praxis mehr oder weniger selbstverständlich an ihrem neuen Wirkungsort weiterführen. Die ‚Fürbitte‘ kann in Kontinuität gesehen werden mit dem im spätmittelalterlichen und reformatorischen Prädikantengottesdienst geübten „allge­ meinen Kirchengebet“. Es geht hier nicht um ein Fazit der Predigt in Gebetform – dafür käme ein die Predigt abschließendes Gebet in Frage. Vielmehr ist sie im Zusammenhang mit der ‚Sendung‘, bzw. in deren Vorfeld zu sehen: Wir denken vor Gott an die Welt, in die wir uns danach senden lassen. Für die Form empfiehlt die Taschenausgabe 2011 den Einbezug eines Gemeinderufs, damit eine in der katholischen Liturgie selbstverständliche Praxis aufnehmend. Vor der Einführung des Reformierten Gesangbuchs 1998, das solche Formen anbietet, war ein liturgischer Dialog in den reformierten Deutschschweizer Kirchen durchaus unüblich und wurde – ähnlich wie gemeinsames Sprechen – als „katholisch“ empfunden, während die Westschweiz schon vorher Antwortgesänge („répons“)43 kannte, kurze Interventionen, die nicht wie Strophenlieder 42 Beide Texte in: Krieg, Matthias u. a. (Hg.): Reformierte Bekenntnisse. Ein Werkbuch. Theologischer Verlag: Zürich 2009, 161–166 (RB 21). 43 Psaumes, cantiques et textes pour le culte à l’usage des Eglises réformées suisses de langue française, Fondation d’édition des Eglises protestantes romandes: Lausanne 1976, Nr. 80–174.

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vom Liturgen angesagt wurden und die daher als „chants spontanés“ bezeichnet wurden. Die Taschenausgabe 2011 empfiehlt, Abkündigungen, d. h. die Bekanntgabe der in der vergangenen Woche kirchlich bestatteten Verstorbenen, vor oder in der Fürbitte vorzunehmen. Damit werden sie von den Mitteilungen zum Gemeindeleben unterschieden und in die Dimension des Gebets gerückt. Vielerorts ist es üblich, die Nennung der Namen mit einem Schriftwort und einem Orgelvers oder gar einem Gemeindegesang abzuschließen, da und dort werden zu Beginn des Gottesdienstes Kerzen für die Verstorbenen angezündet. Die ältere Praxis widerspiegelte eher noch die frühere zivilstandsamtliche Funktion der Kirche: Die Gemeinde sollte wissen, wer gestorben war, aber auch wer geheiratet hatte  – die Bekanntgabe der kirchlichen Trauungen der vergangenen Woche ist inzwischen weitgehend aus dem Gottesdienst verschwunden. Während also die Abkündigung der Verstorbenen als Fürbitte (für die Trauernden!) verstanden wird, reihen sich die übrigen Mitteilungen und Bekanntmachungen in die ‚Sendung‘ ein, indem sie den Blick auf das Leben der Gemeinde in der kommenden Woche richten. Es gab und gibt die Tendenz, sie als vermeintlich unliturgisches Element möglichst zu reduzieren, doch sind sie unter den Aspekten der Verbindung von Sonntag und Werktag, von Feier und Alltag und der Repräsentanz der Gottesdienstgemeinde für die Ortsgemeinde durchaus legitim, ja unverzichtbar. Die Taschenausgabe 2011 bietet die meist übliche Reihenfolge von Sendung und Segen, erwähnt aber auch die Möglichkeit einer Umkehrung. Ebenso lässt sie die Varianten von Segenszuspruch und Segensbitte offen; eine Unterscheidung nach dem Status des Liturgen bzw. der Liturgin, wonach nur Ordinierte die Form des Zuspruchs verwenden dürften, findet nicht statt, da ohnehin „in jedem Fall deutlich bleiben muss, dass Gott der Segnende ist.“44 Schließlich erwägt die Taschenausgabe die hierzulande häufig diskutierte Frage, wie die Musik zum Abschluss zu handhaben sei: entweder als Abschluss der Feier in Entsprechung zur Eingangsmusik oder als „Prozessionsmusik“, welche die Gemeinde aus dem Kirchenraum zurück in die Welt begleitet.

Abendmahlsgottesdienst Die grundlegende theologische Konzeption des reformierten Abendmahls ist die der gemeinschaftlichen „Anamnese“.45 Diese darf nicht, wie häufig geschehen, im abwertenden Sinne als „bloßes Gedächtnismahl“ verstanden werden. 44 TA (s. Anm. 26), 12. 45 Vgl. dazu Ehrensperger, Alfred: Überlegungen zum Anamnesecharakter und zur liturgischen Einheit des reformierten Abendmahlsgottesdienstes in der deutschen Schweiz. In: Ders.: Lebendiger Gottesdienst. Beiträge zur Liturgik, hg. von Ralph Kunz und Hans-Jürg Stefan, Theologischer Verlag: Zürich 2003, 55–68.

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Zwinglis „Wiedergedächtnis“ meint eine aktualisierende Vergegenwärtigung der Gemeinschaft mit Christus, der in der Handlung des gemeinsamen Mahls – nach dem Muster des Mahls Jesu mit seinen Jüngern – als real gegenwärtig geglaubt wird. In der Gestaltung der Feier muss deshalb darauf geachtet werden, dass die Repräsentanz dieser Gegenwart nicht von der gesamten Handlung auf die Elemente Brot und Wein verengt wird. Bedeutungstragendes Zeichen ist weniger das Brot selbst als das Brechen und Verteilen, noch weniger ist es der Wein als vielmehr das Herumreichen des Bechers.46 Eine zu wenig reflektierte Praxis mit Übernahmen einzelner Stücke aus der Messliturgie läuft allerdings immer wieder Gefahr, dieses Konzept zu verunklaren und die Elemente Brot und Wein gegenüber der Handlung des Gemeinschaftsmahles zu verselbständigen.47 Die gestalterische Grundidee des ersten Abendmahlsformulars in der Taschenausgabe 2011 liegt in der Einheit der gesamten Feier. Während bis gegen das Ende des 20. Jahrhunderts nach dem Predigtteil eine Entlassung für diejenigen vorgenommen wurde, die nicht am Abendmahl teilnehmen wollten, hat sich der formal geschlossene Ablauf inzwischen weitestgehend durchgesetzt. Damit ist aber vorerst lediglich eine formale, nicht eine inhaltliche Einheit des Abendmahlsgottesdienstes erreicht. Das Problem liegt darin, dass in der Konzeption der Messe, wie sie mehr oder weniger deutlich hinter den Reformen der 1980er Jahre stand, ein Ungleichgewicht zwischen Wort- und Eucharistieteil besteht. Während der Wortteil von den jeweiligen Texten bestimmt und damit stark variabel ist, konzentriert sich der Eucharistieteil theologisch auf das konstante Thema des „Paschamysteriums“ und ist in höherem Grad von immer gleichen Inhalten und Formulierungen bestimmt. Im der alten Terminologie gesprochen, ist der Wortteil vom Proprium dominiert, der Eucharistieteil vom Ordinarium. Die Liturgiekommission ging dagegen davon aus, dass auch im Mahlteil die biblische Überlieferung in größerer Breite zur Sprache kommen müsse, auch wenn natürlich Kreuz und Auferstehung Christi immer den Kern der Feier ausmachen. Vergegenwärtigt wird im Abendmahl nicht nur das letzte Mahl Jesu mit den Jüngern vor seinem Tod, sondern auch seine Tischgemeinschaft mit ihnen und mit „Zöllnern und Sündern“ zuvor und ebenso die mit Mahlzeiten verbundenen Erscheinungen des Auferstandenen (Lk 24, Joh 21). Neuere Akzentsetzungen im Abendmahl, wie sie gerade in Abendmahlsliedern deutlich werden, sollen liturgisch deutlicher umgesetzt werden: Gemeinschaft mit Gott und untereinander, Teilen und Weltverantwortung, die Gaben der Schöpfung und der verantwortungsvolle Umgang mit ihnen. 46 Bieler, Andrea / Schottroff, Luise: Das Abendmahl. Essen, um zu leben. Gütersloh 2007, 91. Vgl. ebd., 219–272, „Eschatologische Erinnerung“. 47 Vgl. dazu Welker, Michael: Was geht vor beim Abendmahl? Gütersloh (1999) 22004, bes. ­41–48. Eine knappe Darstellung der reformierten Abendmahlstheologie gibt Achim Detmers: „Sooft ihr dieses Brot esst und aus dem Kelch trinkt, …“, in: Ciesielski, Nina / Detmers, Achim (Red.): Nach Gottes Wort reformiert. Magazin zum Reformationsjubiläum. Reformierter Bund: Hannover 2017, 22 f. Detmers nennt die Stichworte „Bundesmahl“, „Gemeinschaftsmahl“, „Gedächtnismahl“, „Danksagung und Bekenntnis“, „Hoffnungsmahl“.

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Dementsprechend müssen im Mahlteil neben den wenigen festen Bestandteilen auch Formulierungen vorkommen, welche die im Predigtteil erörterte Thematik aufnehmen und im Kontext des Mahles neu beleuchten, so dass der Mahlteil variabler wird als in herkömmlichen Abendmahlsliturgien. Relativ unproblematisch ist dies bei den Formularen für die Festtage zu verwirklichen; sie schließen damit an die vom liturgischen Jahr abhängigen Präfa­ tionen der Messliturgie an, gehen aber im Einbezug der spezifischen Thematik quantitativ weiter. Die Liturgiekommission hat solche Formulare nach Abschluss der Arbeit an der Taschenausgabe 2011 auf ihrer Website publiziert. Für das Formular I der Taschenausgabe galt es, aus der Fülle der möglichen biblischen Themen ein besonders repräsentatives auszuwählen. In „Stärkung und Neubeginn“, wie das Formular überschrieben ist, wird zum einen die Mahlthematik auf dem Hintergrund der zahlreichen biblischen Erzählungen rund um das Essen deutlich – vom Manna in der Wüste über die Stärkung des Elia zur wunderbaren Brotvermehrung, um nur die prominentesten zu nennen  –, und zum anderen ist Raum für den in der Tradition wichtigen Aspekt der Vergebung, die als „Neubeginn“ konkretisiert und mit der Stärkung verbunden wird. Als Beispiel für Formulierungen, die direkt auf die Gesamtthematik des Gottesdienstes Bezug nehmen, sei das Bittgebet nach der Predigt angeführt; seine Abschnitte beginnen jeweils mit dem Klageruf: „Gott, wir haben es satt, (täglich vom Hunger in der Welt ….) zu hören“, und bereits das Schuldbekenntnis nimmt die Begrifflichkeit auf: „Nahrung suchen wir … und bleiben doch hungrig / Sättigung suchen wir … und bleiben doch leer“.48 Auf diese Weise wird assoziativ ein Text- und Bedeutungsraum konstituiert. Dass Kreuz und Auferstehung Christi das Zentrum des Glaubens und Feiern bilden, bleibt vorausgesetzt. Hingegen ist es ein Mangel der liturgischen Tradition, dass sie die Erzählungen über das Wirken und die Verkündigung Jesu und erst recht die Erfahrungen des Volkes Israel mit Gott nur unzureichend zur Sprache bringt. Das „Anamnetische Gebet“ weitet die Erinnerung in diesem Sinne aus, sogar in die gesamte Menschheitsgeschichte, darin einen Gedanken Zwinglis aufnehmend, der als Humanist Spuren von Gottes Geist auch außerhalb der jüdischen und christlichen Tradition gesehen hat.49 Das Abendmahlsformular nimmt gezielt Elemente aus der liturgischen Tradition auf und interpretiert sie zum Teil neu, auch durch eine veränderte Stellung im Ablauf. Dazu gehört etwa das „epikletische Gebet“, das nicht im vorbereitenden Gebet steht wie in der Messordnung, sondern als Bitte nach dem Mahl, und zwar als Wandlungsbitte, mit diesem Begriff ebenfalls auf die Messetradition anspielend, aber die Wandlung nun nicht auf die Abendmahls­elemente 48 TA (s. Anm. 26), 39. 49 Vgl. Locher, Gottfried Wilhelm: Das Geschichtsbild Huldrych Zwinglis. In: Ders.: Huldrych Zwingli in neuer Sicht. Zehn Beiträge zur Theologie der Zürcher Reformation. Zwingli Verlag: Zürich 75–103, hier S. 97: „die Wahrheit, wo immer sie sich bietet, auch die von Heiden unbewusst und unerkannt ausgesprochene Wahrheit, wird zur Bestätigung der christlichen Botschaft beansprucht“.

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beziehend, sondern auf uns, die wir durch die Gottesbegegnung im Mahl gewandelt werden sollen.50 In der Formulierung klingen ferner die bekannten Sätze aus der Didache an: „Aus den Körnern des Feldes ist das Brot des Lebens geworden […] Wandle auch uns, Gott, dass wir Frucht bringen …“.51 Gemeinsamkeiten mit der Messordnung bilden das „Unser Vater“, das als eucharistisches Tischgebet fungiert, und die Gemeindeakklamation nach dem Einsetzungsbericht, die in der katholischen Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil als selbständiges Stück aus ihrer früheren Stellung innerhalb der „verba institutionis“ herausgelöst worden ist. Auch das „Agnus Dei“ ist als Möglichkeit genannt; allerdings ist seine Verwendung nicht unproblematisch, da seine Stellung in der Messliturgie im Grunde mit der katholischen Transsubstantiation oder mindestens der lutherischen Konsubstantiation assoziiert ist. Es stellt gewissermaßen den musikalischen Zeigefinger auf das mit Christus identifizierte Brot dar, wenn es Joh 1,29 zitiert, wo Johannes der Täufer mit diesen Worten auf Jesus zeigt. Dass das Sanctus als fester Bestandteil vorgesehen ist, schafft die Verbindung nicht nur zur Messordnung, sondern im Zitat von Jes 6,3 auch zum Alten Testament. Mit dem jüdischen Beten verbindet der Tischsegen, und an reformierten Brauch knüpfen sowohl Ps 103 als Dankgebet wie der Aaronitische Segen an. Auffallend ist ferner die Stellung des „Gloria“, das als Gesang zum Dank nach dem Mahl vorgeschlagen ist. Dies entspricht der Ordnung im „Book of­ Common Prayer“52. Dass die „verba institutionis“ keine konsekratorischen Wandlungsworte, sondern ein Bericht über die Ursprungsszene des Mahls sind, wird schon in der Bezeichnung „Einsetzungsbericht“ deutlich.53 Die Taschenausgabe 2011 schließt sich hier an die paulinische Form in 1. Kor 11 an, welche für die reformierte Tradition an erster Stelle steht. Als Alternative ist eine freiere Übersetzung vorgeschlagen, welche nach Meinung der Liturgiekommission die Intention der Jesusworte insofern deutlicher zur Geltung bringt, als sie Assoziationen an spätere, durch hellenistische Denkweise bedingte Interpretationen vermeidet. Ebenso wird – wie schon in der paulinischen Fassung – eine Parallelisierung der Elemente Brot und Wein vermieden, da es beim Kelchwort um die Handlung des Trinkens aus dem gemeinsamen Becher als Bundesritual geht („trinkt alle daraus“) und nicht primär um dessen Inhalt, wie oben dargelegt wurde. Spendeworte werden als Option vorgeschlagen; dabei versteht es sich von selbst, dass „der Leib Christi“ und „das Blut Christi“ dafür nicht in Frage kommen, weil sie die im liturgietheologischen Konzept zu vermeidende Konzentration der Gegenwart Christi auf die Elemente und damit deren Isolation gegenüber der Handlung als ganzer wieder ins Spiel bringen würden. 50 Vgl. dazu Locher, Gottfried Wilhelm: Im Geist und in der Wahrheit. Die reformatorische Wendung im Gottesdienst zu Zürich. In: Ebd., 21–54, bes. 45 f. 51 TA (s. Anm. 26), 46. 52 Th Book of Common Prayer 1559, NA hg. von John E. Booty, University of Virgina / Folger Shakespeare Library: Charlottesville / London (1976) 2005, 265. 53 TA (s. Anm. 26), 45.

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Für den abschließenden Gemeindegesang ist  – besonders hervorgehoben  – das deutsche „Nunc dimittis“ vorgeschlagen: Im Frieden dein o Herre mein, lass ziehn mich meine Straßen. Damit ist eine Tradition aufgenommen, die erstmals in Nördlingen 1522 dokumentiert ist54 und die dann über Straßburg zum festen Bestandteil der Genfer Abendmahlsliturgie Calvins wurde. Zunächst war vorgesehen, als zweites Formular eine auf der Emmaus-Geschichte Lk  24 basierte Feier anzubieten. Diese kann durchaus als eine den Abendmahlsberichten in den synoptischen Passionserzählungen gleichwertige Ursprungserzählung gesehen werden, weniger auf das Opfer Christi am Kreuz und mehr auf die Fortsetzung der Mahlgemeinschaft untereinander und mit dem Auferstandenen zentriert, zumindest aber als entscheidende Brücke zwischen den Berichten vom letzten Mahl Jesu und der urchristlichen Praxis des Brotbrechens.55 Anstoß dazu war die Mosaikbilderfolge im Dom von Monreale (Sizilien): Zwei aufeinander folgende Bilder zeigen einmal die beiden Jünger mit Jesus am Tisch, danach dieselbe Konstellation mit dem leeren Platz dort, wo Jesus soeben noch gesessen hatte. Die Eucharistie entsteht genau in dem Moment, wo Jesus nicht mehr leiblich anwesend ist, aber im Glauben erkannt worden ist. Dieses Formular erschien dann aber für die als Standardorientierung gedachte Taschenausgabe 2011doch zu speziell und wurde auf der Website der Liturgiekommission veröffentlicht.56 Hingegen musste auf kirchenpolitischen Druck ein zweites, von einer kantonalkirchlichen Arbeitsgruppe vorgeschlagenes Formular aufgenommen werden, das lediglich den Abendmahlsteil bietet, gedacht zum Anhängen an Gottesdiensten unterschiedlichen Inhalts. Damit wurde die ursprüngliche Intention, eine auch inhaltliche Einheit von Verkündigungs- und Mahlteil zu schaffen, unterlaufen. Um der so genannten „ökumenischen Anschlussfähigkeit“ Genüge zu tun, orientiert sich dieses zweite Formular stärker an der Messe, wurde aber sorgfältig im Hinblick auf einen präzisen Umgang mit den herangezogenen Traditionen und auf die reformierten Akzente im Abendmahlsverständnis hin redigiert.

Die Aargauer „Jubiläumsliturgie“ In dieser Hinsicht deutlich weniger durchdacht ist die „Jubiläumsliturgie“, die die Aargauer Kantonalkirche 2017 den anderen Kirchen „als Geschenk“ zu den Reformationsjubiläen vorlegte.57 Sie liegt schon kirchenpolitisch schief in der 54 Violet, Bruno: Das Lied Simeonis im gottesdienstlichen Gebrauche. In: MGkK 2 (1897/98), 257–261, hier 257). 55 Schröter, Jens, Das Abendmahl. Frühchristliche Deutungen und Impulse für die Gegenwart. Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2006, 52. 56 www.gottesdienst-ref.ch 57 Brändlin, Sabine / Locher, Gottfried Wilhelm (d. J.)/ Wagner, Dieter: Reformierter Abendmahlsgottesdienst. Liturgieheft. Theologischer Verlag: Zürich 2017.

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Landschaft, weil die Liturgiekommission des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (nicht zu verwechseln mit der inzwischen aufgelösten deutschschweizerischen Liturgiekommission) eine breiter abgestützte Liturgie zu den Reformationsjubiläen erarbeitet hat. Vor allem aber mangelt es hier an theologischer und historischer Kritik. So wäre die harmonisierende Vorstellung des Verhältnisses der Reformatoren zur Tradition zu differenzieren; Calvins Kritik an der Messe wird da zu schnell beiseitegeschoben: Wenn er sich auf Tradition beruht, meint er die biblische und altkirchliche, und gerade und ausdrücklich nicht die mittelalterlich-römische. Exegetische Kritik ist anzubringen an der Argumentation, man habe sich in den liturgischen Texten so eng wie möglich „an Jesu eigene[n] Formulierungen“ gehalten. 58 Einmal dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass ein solcher direkter Rückgriff auf den historischen Jesus nicht zu haben ist, und wenn schon in dieser Richtung gegangen werden soll, dann müsste die paulinische Formulierung 1. Kor 11 Priorität haben, in der Jesus den Wein eben gerade nicht mit seinem Blut identifiziert. Unklar bis missverständlich verwendet werden Begriffe wie „Kollektengebet“59 und „Antwortpsalm“: Die „Collecta“ – deutsch „Tagesgebet“ – steht ja im Messformular nicht wie in der Aargauer Liturgie als Eingangsgebet, sondern zwischen Kyrie / Gloria und den Lesungen, und die leider auch katholischerseits nicht selten herrschende Unklarheit über den Antwortpsalm wird hier in einer weiteren Variante reproduziert, wenn ein versweises Abwechseln zwischen Liturg/-in und Gemeinde vorgeschlagen wird. Fortlaufendes Lesen eines Psalms geschieht traditionsgemäß im Wechsel zwischen Gruppen, und der Antwortpsalm heißt so, weil er als „psalmus responsorius“ in der Weise vorgetragen wird, dass die Gemeinde mit einem immer gleichen Ruf („responsum“) auf die von einem Psalmisten gelesenen bzw. gesungenen Psalms antwortet.60 Manches bleibt summarisch und undifferenziert, etwa wenn darauf hingewiesen wird, es sei „üblich, in der Advents- und Passionszeit auf das Gloria zu verzichten“, ohne Konkretisierung, wo dies der Fall ist und wo nicht. Oder es wird auf die „Perikopenordnung des Kirchenbundes“ verwiesen, ohne dass darüber Rechenschaft gegeben wird, woher sie stammt und welche Stellung sie unter den verschiedenen Perikopenordnungen einnimmt.61 Die Einfügung eines „Halleluja“ vor dem Predigttext ist sicher nicht grundsätzlich unangemessen, verkennt jedoch letztlich den Unterschied im liturgischen Schriftverständnis zwischen katholischer und reformierter Konzeption. Katholisch ist das Erklingen des Wortes des Evangeliums (im speziellen des Evangeliums, nicht irgendeines Predigttextes!) ein ritueller, sakraler Vorgang, ein Moment der in diesem Wort konzentrierten Realpräsenz Christi; reformiert ist das Evangelium wie auch ein möglicher anderer biblischer Text Grundlage 58 Ebd., 32. 59 Ebd., 11. 60 Vgl. Willa, Josef Anton: Singen als liturgisches Geschehen, dargestellt am Beispiel des Antwortpsalms in der Messfeier. Pustet: Regensburg 2005. 61 Brändlin, Sabine / Locher, Gottfried Wilhelm (d. J.)/ Wagner, Dieter: Reformierter Abendmahlsgottesdienst. Liturgieheft (s. Anm. 57), 13.

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und Ausgangspunkt für die Verkündigung, durch die es erst eigentlich – im hermeneutischen Prozess – zu Gottes Wort wird. Als Credo ist das Apostolikum abgedruckt, wie wenn es die breite Diskussion um das Bekenntnis im Deutschschweizer reformierten Gottesdienst nie gegeben hätte.62 Schwer zu verdauen ist die Verwendung einer separaten Gabenepiklese, die erst noch völlig ungeschützt eine Wandlung erbittet: „damit sie uns werden Leib und Blut Christi“.63 Damit ist die reformierte Konzeption, die Handlung als gesamte im Auge zu haben und die „Elemente“ nicht von ihr zu isolieren, verlassen. Wiederum viel zu summarisch ist die Angabe, man verwende „die in der Ökumene weitherum gebräuchliche Fassung“64 des Einsetzungsberichts; die Anwenderinnen und Anwender der Liturgie hätten doch wohl das Recht, zu erfahren, woher die Autoren ihr Material bezogen haben. Zudem steht dies im Widerspruch zum eingangs erhobenen Anspruch, so nahe wie möglich an Jesu eigenen Worten zu bleiben. Die Aargauer „Jubiläumsliturgie“ ist – abgesehen von den Mängeln an exegetischer und historischer Präzision, an theologischer Kritik und an Bewusstsein für die unterschiedlichen Konzeptionen und Akzente der verschiedenen christlichen Traditionen – ein sprechendes Beispiel für die Verkennung und Geringachtung der eigenen liturgischen Tradition der reformierten Deutschschweiz. Freilich ist die gottesdienstliche Wirklichkeit häufig mangelhaft. Das liegt aber weniger am liturgischen Grundkonzept als an der unzureichenden Ausbildung und am unzureichenden Interesse vieler Pfarrerinnen und Pfarrer, verschärft noch durch die Tatsache, dass in manchen Gebieten der Deutschschweiz ein beträchtlicher Anteil der Pfarrstellen durch Pfarrerinnen und Pfarrer aus Deutschland versehen wird, welche mit der reformierten Tradition nicht vertraut sind, sie aus der Sicht der ihnen vertrauten lutherischen Liturgie als defizitär wahrnehmen und mit liturgischen Elementen anreichern, ohne diese immer in ein durchdachtes Konzept integrieren zu können. Demgegenüber gilt es, das Wesen, die Chancen und die Schwierigkeiten des „agendenfreien“ Gottesdienstes aus seinen eigenen Voraussetzungen zu verstehen und vermeintliche Defizite nicht vorschnell durch Anleihen bei anderen liturgischen Traditionen ausgleichen zu wollen. Eine Schwierigkeit, die Christian Walti in seiner Untersuchung deutlich herausgearbeitet hat, ist das Fehlen „intrinsischer“ Verhaltensweisen seitens der Beteiligten, also von Worten, Gesten oder Handlungen, welche die Gemeinde von sich aus automatisch an bestimmten Stellen der Liturgie vornimmt.65 Diese würden eine Konstanz der Form und der Elemente voraussetzen, die nicht gegeben ist. Agendenfreier Gottesdienst braucht Handlungsanweisungen, braucht eine gewisse Moderation. Diese stellt 62 Vgl. Krieg, Matthias u. a. (Hg.): Reformierte Bekenntnisse (s. Anm. 42). 63 Brändlin, Sabine / Locher, Gottfried Wilhelm (d. J.)/ Wagner, Dieter: Reformierter Abendmahlsgottesdienst. Liturgieheft (s. Anm. 57), 20. 64 Ebd., 21. 65 Walti, Christian: Gottesdienst (s. Anm. 2), 72–75.

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für die Pfarrerinnen und Pfarrer eine beträchtliche Herausforderung dar, weil sie einen häufigen Rollenwechsel impliziert. Die Rollen können sich gegenseitig beschädigen, und eine überzeugende Einheit des Ganzen ist nicht einfach zu erreichen. Grundsätzlich spricht die Notwendigkeit der Moderation eher für einfache Abläufe; eine „reiche“ Gestaltung mit vielen Einzelelementen führt fast automatisch zu einem höheren Moderationsanteil, der mit geeigneten Maßnahmen dennoch möglichst knapp gehalten werden muss – ein ständiges Dilemma. Das Fehlen „intrinsischer“ Verhaltensweisen kann aus der Sicht der Feiergestaltung als Nachteil gesehen werden. Es bietet aber den Vorteil, dass eine Gottesdienstteilnahme auch für Menschen problemlos möglich ist, die über wenig persönliche Vertrautheit mit dem Gottesdienst verfügen. Die Teilnahme ist ausgesprochen niederschwellig, und diese Chance müsste stärker gewichtet und in die öffentliche Wahrnehmung gebracht werden. Damit hängt weiter zusammen, dass Gottesdienstteilnehmende in hohem Maße selber über ihre Nähe oder Distanz zum Geschehen bestimmen können – anders als beispielsweise bei einer Abendandacht mit im Kreis aufgestellten Stühlen. Diese Freiheit nicht nur der Gestaltenden, sondern auch der Teilnehmenden gilt es zu beachten; sie darf nicht durch gut gemeinte (und häufig unbeholfen organisierte) Gemeindeaktivitäten gefährdet werden, zu der man die Teilnehmenden mehr oder weniger nötigt. Von seinem Ursprung her und verglichen mit Liturgien des Messetyps besteht die Liturgie des Predigtgottesdienstes (und letztlich auch die des reformierten Abendmahlsgottesdienstes) aus einer geringeren Anzahl von Einzelelementen. Diese können dafür mehr Raum einnehmen, je nach Charakter und Anlass des Gottesdienstes auch in asymmetrischer Verteilung – beispielsweise einmal mehr Raum für die Anbetung, einmal mehr für die Fürbitte. Auch hat grundsätzlich die Musik einen größeren und selbständigeren Raum; das mag angesichts der musiklosen Ursprungssituation des Predigtgottesdienstes paradox erscheinen, ergibt sich aber aus der größeren Flexibilität der Form. Schließlich gilt es, sich auf die Grundmotive des reformierten Gottesdienst zu besinnen. Calvin zählt sie auf als Verkündigung, gemeinsames Gebet und Mahlfeier: „Or, il y a en somme trois choses, que nostre Seigneur nous a commandé d’observer en noz assemblees spirituelles. Assavoir, la predication de sa parolle: les oraisons publiques et solennelles: et l’administration de ses Sacre­ mens.“66 Das Hören auf Gottes Wort als eine dieser Grunddimensionen prägt darum den angemessenen Habitus: den des Hörens, hinter dem andere Haltungen und Tätigkeiten zurücktreten. So gesehen ist die Musik, sowohl Gesang wie Instrumentalmusik, die primäre Partnerin des Wortes, weil auch sie im Raum des Hörens stattfindet, diesen bereichert, formt und ausweitet. Statt über „litur 66 „Nun ist es im Wesentlichen dreierlei, was unser Herr uns bei unseren geistlichen Versammlugen zu halten befohlen hat, nämlich die Verkündigung seines Wortes, die feierlichen öffentlichen Gebete und die Verwaltung seiner Sakramente.“ La forme des prières et chantz ecclésiastiques / Die Genfer Gottesdienstordnung von 1542. hg. und übersetzt von Andreas Marti. In: Calvin Studienausgabe Bd. 2, Gestalt und Ordnung der Kirche. Neukirchen 1997, 137–225, Zit. 152/153.

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gische Ausdünnung“ und „Rumpfliturgien“ zu lamentieren und vermeintlich erforderliche Anleihen bei anderen Liturgietypen zu machen, muss es darum gehen, den Typus des agendenfreien reformierten sowohl Predigt- wie Abendmahlsgottesdienstes aus seinen Voraussetzungen heraus zu entwickeln, zu optimieren, und dabei auf seine spezifischen Stärken zu setzen.

Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 Jörg Neijenhuis

Am 31. Oktober 2016 fand in der Kathedrale von Lund (Schweden) eine denkwürdige ökumenische Feier statt, die gemeinsam geleitet wurde von Papst Franzis­kus, dem Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche, und Bischof Munib Younan, dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Kurt Kardinal Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und Pfarrer Martin Junge, dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes. Diese Feier, die unter dem Leitgedanken Vom Konflikt zur Gemeinschaft stand, sollte die Reformation und ebenso auch Martin Luther würdigen. Mit der Erinnerung an diesen Tag, an dem vor 499 Jahren Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, wurde zugleich das Reformationsjahr eröffnet, das auf die 500. Wiederkehr dieses Ereignisses zielt. Dabei sollte nicht nur der Vergangenheit gedacht werden, sondern für die Kirchen, hier insbesondere für die Evangelisch-lutherische und die Römisch-katholische Kirche, eine ökumenische Stärkung erfolgen. Im Folgenden wird zuerst die Filmaufnahme beschrieben, die das Österreichische Fernsehen (ORF 2) live aus Lund gesendet hat, um danach eine Deutung zu formulieren.1 Die Feier dauerte ca. 90 Minuten.

1. Beschreibung Der Dokumentation der ökumenischen Gebetsfeier in Lund, die das Österreichische Fernsehen zeigte, wurden zwei Hinführungen vorangestellt. Zum einen wurde die besondere Geschichte des Protestantismus in Österreich vorgestellt, wobei der jetzige Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich A. B. (lutherisch), Michael Bünker, zu Wort kam, und zum anderen wurde live ein Gespräch gezeigt, das der Moderator der Sendung, Christoph Riedl-Daser, mit der evangelischen Theologieprofessorin Susanne Heine und dem römisch-katho­lischen 1 Der Film ist zu finden unter: www.lutheranworld.org (Joint Ecumenical Commemoration of the Reformation) oder unter: www.youtube.com (Joint Catholic-Lutheran Commemoration of the Reformation). Das Programmheft ist zu finden unter: www.lund2016.net, dann: Program, Joint Commemoration Program (Zugriffe am 3.11.2016).

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Theologieprofessor Paul Zulehner führte, in dem er nach ihren Erwartungen an diese Feier fragte. Anschießend erfolgte die Liveschaltung nach Lund. Man sieht den Papst mit dem schwedischen Königspaar Carl XVI. Gustaf und Silvia auf dem Weg zur Kathedrale, der von Schaulustigen gesäumt ist. Papst und Königspaar begrüßen die Menschen und winken ihnen zu. Dann betreten sie die Kirche. Die Live-Schaltung setzt jetzt das Innere der Kirche ins Bild, man sieht eine vollbesetzte Kathedrale, es heißt, es seien darin mehr als 500 Menschen. In der vorderen Mitte, die erhellt ist, steht ein recht schlichter Altar, davor vier Stühle. Von dort aus bis zur Apsis führen weitere Stufen hinauf zum Hochaltar. Die Kamera zeigt Menschen, die sich in das Gottesdienstprogramm vertiefen, man sieht verschiedene kirchliche wie staatliche Würdenträger, auch das schwedische Königspaar erhält ein Programm. Dann erklingt die Orgel, alle Anwesenden stehen auf, der Einzug der Liturgen erfolgt: Es wird ein Kreuz vorausgetragen, das aus breiten Flächen besteht, auf denen in naiver Malerei dargestellt ist, wie Jesus einladend am Tisch sitzt, Brot und Wein vor sich, und viele Menschen auf dem Weg zum Tisch sind. 2 Ministranten in entsprechender liturgischer Kleidung und mit großen Kerzen folgen, dann Bischöfe und zuletzt in lockerer Formation die vier Würdenträger, die die Feier leiten, die mit Handschlag oder mit freundlichen Blicken oder Zunicken die Gottesdienstteilnehmenden begrüßen: Papst Franziskus, Bischof Younan und der Generalsekretär Pfarrer Junge tragen eine Albe mit roter Stola, wobei der Papst und der Bischof ein Brustkreuz angelegt haben. Kardinal Koch trägt das normale schwarze Kardinalsgewand mit rotem Zingulum und rotem Pileolus (Scheitelkappe), der Papst trägt den Pileolus in weißer Farbe. Während des Einzugs singt die Gemeinde: „Laudate Dominum, Laudate Dominum, omnes gentes. Alleluia. Sing, praise and bless the Lord. Sing, praise and bless the Lord. People! Nations! Alleluia.“3 Nachdem die vier Würdenträger die vier Stühle erreicht haben, vor denen sie stehen bleiben, wird der Gesang noch einige Augenblicke fortgesetzt. Auf der Südseite der Kathedrale haben seitlich im Chorraum Platz genommen der römisch-katholische Bischof Anders Arborelius von Stockholm aus Norwegen und die lutherische Erzbischöfin Antje Jackelén, die ihren Sitz in Uppsala hat und die Evangelisch-lutherische Kirche in Schweden leitet. Auf der Nordseite sitzt ein Zeremoniar. Der Gesang wird beendet, eine kleine Pause entsteht, der Zeremoniar geht zum Papst, der daraufhin zum Mikrofon tritt und die Feier eröffnet. Er spricht spanisch, also in seiner Muttersprache: „En el nombre del Padre, y del Hijo, y del Espíritu Santo.“4 Dabei bekreuzigen sich alle. Die Gemeinde antwortet mit Amen. Der Papst spricht weiter: „¡El Señor sea con ustedes!“5 Die Gemeinde 2 Das Kreuz ist vorne im Programmheft abgebildet. 3 Programmheft, S.  9; es wird vermerkt, dass dieser Gesang von Jacques Berthier von der Kommunität Taizé stammt. 4 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 9: „In the name of the Father, and of the Son, and of the Holy Spirit.“ 5 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 9: „The Lord be with you!“

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antwortet: „And with your spirit.“ Bischof Younan gibt das Zeichen, dass alle Platz nehmen können. Er spricht nun eine Begrüßung: „Dear Sisters and Brothers in Christ! Welcome to this ecumenical prayer, which comme­morates the 500 years of the Reformation. For over 50 years Lutherans and Catholics have been on a journey from conflict to communion. With joy we have come to recognize that what unites us is far greater than what divides us. On this journey, mutual understanding and trust have grown.“6 Kardinal Koch setzt die Begrüßung fort: „So it is possible for us to ­gather today. We come with different thoughts and feelings of thanksgiving and­ lament, joy and repentance, joy in the gospel and sorrow for division. We gather to commemorate in remembrance, in thanksgiving and confession, and in common witness and commitment.“7 Weiter spricht Generalsekretär Pfarrer Junge: „Saint Paul writes in 1 Corinthians 12: ‚If one member suffers, all suffer together; if one member is honored, all rejoice together.‘ As we read in From Conflict to Communion, ‚What affects one member of the body also affects all the others. For this reason, when Lutheran Christians remember the events that led to the particular formation of their churches, they do not wish to do so without their Catholic fellow Christians. In remembering with each other the beginning of the Reformation, they are taking their baptism seriously.‘“8 Es folgt eine Pause, der Zeremoniar geht wieder zum Papst, der daraufhin an das Mikrofon tritt; alle Feiernden erheben sich von ihren Plätzen. Der Papst spricht: „¡Oremos!“9 Dann betet er: „¡Jesucristo, Señor de la Iglesia, envíanos tu Espíritu Santo! Ilumina nuestros corazones y que nuestros recuerdos sean sanados. Oh Espíritu Santo, ayúdanos a reconocer con gozo los dones que han venido a la Iglesia por la Reforma, prepáranos para arrepentirnos de las murallas divisorias levantadas por nosotros y nuestros antepasados, y apréstanos para el testimonio y servicio común en el mundo.“10 Der Papst kehrt zu seinem Platz zurück und zwei Chorsängerinnen tragen ein Lied in deutscher Sprache vor: „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, erfüll mit deiner Gnaden Gut deiner Gläub’gen Herze, Mut und Sinn, dein brennend Lieb entzünd in ihn’. O Herr, durch deines Lichtes Glanz zum Glauben du versammelt hast das Volk aus aller Welt Zungen. Das sei dir, Herr, zu Lob gesungen. Halleluja, Halleluja.“11 Im Programm ist diese Darbietung nicht erwähnt, wohl aber das nachfolgende Lied, das der Chor anstimmt und das alle mitsingen 6 A. a. O., S. 10. 7 Ebd. 8 Ebd. 9 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 10: „Let us pray!“ 10 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S.  10: „Jesus Christ, Lord of the Church, send your Holy Spirit! Illumine our hearts and heal our memories. O Holy Spirit: help us to rejoice in the gifts that have come to the Church through the Reformation, prepare us to repent for the dividing walls that we, and our forebears, have built, and equip us for common witness and service in the world.“ 11 EG 125,1.

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können: „Veni Sancte Spiritus, tui amoris ignem accendi. Veni Sancte Spiritus, Veni Sancte Spiritus.“12 Dieser Gesang wird mehrfach wiederholt, dann nehmen alle wieder Platz. Es folgen mehrere Danksagungen, die aus dem Dokument Vom Konflikt zur Gemeinschaft vorgelesen werden. Es beginnt Generalsekretär Pfarrer Junge: „As we read in From Conflict to Communion, ‚Lutherans are thankful in their hearts for what Luther and the other reformers made accessible to them: the understanding of the gospel of Jesus Christ and faith in him; the insight into the mystery of the Triune God who gives Himself to us human beings out of grace and who can be received only in full trust in the divine promise; the freedom and certainty that the gospel creates; in the love that comes from and is ­awakened by faith, and in the hope in life and death that faith brings with it; and in the living contact with the Holy Scripture, the catechisms, and hymns that draw faith into life. […] Lutherans want to share this gift with all other Christians.‘“13 Danach liest Kardinal Koch einen weiteren Abschnitt aus der Erklärung Vom Konflikt zur Gemeinschaft: „Encouraged by the Second Vatican Council, Catholics ‚gladly acknowledge and esteem the truly Christian endowments from our common heritage which are to be found among our separated brethren. It is right and salutary to recognize the riches of Christ and virtuous works in the lives of others who are bearing witness to Christ, sometimes even to the shedding of their blood. For God is always wonderful in His works and worthy of all praise‘ (Unitatis Redintegratio 4). In this spirit, Catholics and Lutherans ­embrace each other as sisters and brothers in the Lord. Together they rejoice in the truly Christian gifts that they both have received and rediscovered in various ways through the renewal and impulses of the Reformation. These gifts are reason for thanksgiving.“14 Nun tritt Bischof Younan an das Mikrofon und sagt: „Let us stand and pray!“ Alle erheben sich, dann betet er: „Thanks be to you, O God, for the many ­ g uiding theological and spiritual insights that we have all received through the Reformation. Thanks be to you for the good transformation and reforms that were set in motion by the Reformation or by struggling with its challenges. Thanks be to you for the proclamation of the gospel that occurred during the Reformation and that since then has strengthened countless people to live lives of faith in Jesus Christ. Amen.“15 Alle wiederholen das Amen. Der Chor setzt ein mit einem Lied aus Botswana:16 „Reamo leboga, reamo leboga, reamo leboga, modimo wa rona.“ Dieser Vers wird zweimal gesungen, dann 12 Dieser Gesang stammt von Jacques Berthier von der Kommunität Taizé. Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 11: „Holy Spirit, come to uns, kindle in us the fire of your love. Holy Spirit, come to us, Holy Spirit, come to us.“ 13 Programmheft S. 11; vgl. auch: Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames LutherischKatholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017. Bericht der Lutherisch / Römisch-katholischen Kommission für die Einheit. Leipzig / Paderborn 22013, Nr. 225 f. (S. 89 f.). 14 Programmheft S. 12; vgl. auch: Vom Konflikt zur Gemeinschaft (s. Anm. 13), Nr. 227 (S. 90). 15 Programmheft, S. 12. 16 Im Programmheft heißt es S. 13: „As taught by Daisy Nshakazongwe. Botswana“

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folgen ebenso jeweils zweimal die Übersetzungen in englischer, deutscher und französischer Sprache: „We give our thanks to God, we give our thanks to God, we give our thanks to God, we give thanks to our God. Wir danken unserm Gott, wir danken unserm Gott, wir danken unserm Gott, der Dank gilt unserm Gott. Merci à Toi Seigneur, merci à Toi Seigneur, merci à Toi Seigneur, nous te rendons grâce.“17 Der Eingangsvers wird daraufhin noch mehrmals wiederholt. Nach den Danklesungen folgen Bußaussagen. Generalsekretär Pfarrer Junge tritt ans Mikrofon und beginnt: „In the sixteenth century, Catholics and Lutherans frequently not only misunderstood but also exaggerated and caricatured their opponents in order to make them look ridiculous. They repeatedly violated the eighth commandment, which prohibits bearing false witness against one’s neighbor.“18 Kardinal Koch schließt an: „Lutherans and Catholics often focused on what separated them from each other rather than looking for what united them. They accepted that the gospel was mixed with the political and economic interests of those in power. Their failures resulted in the deaths of hundreds of thousands of people. We deeply regret the evil things that Catholics and Lutherans have mutually done to each other.“19 Nun tritt Bischof Younan an das Mikrofon und gibt ein Zeichen, dass sich alle erheben sollen. Nachdem sich alle erhoben haben, beginnt er zu beten: „O God of mercy, we lament that even good actions of reform and renewal had often unintended negative consequences.“20 Daraufhin singt der Chor ein K ­ yrie. Es wird in aramäischer Sprache gesungen und stammt aus Syrien:21 „­Moran ethra ha ma’ lain. Moran ethra ha ma’ lain.“ Diese Sequenz wird mehrfach wiederholt, dann singt ein Chorsänger dieses Kyrie allein, danach singen wieder der Chor und die Gemeinde. Anschließend tritt Papst Franziskus an das Mikrofon und betet: „Traemos ante ti el peso de las culpas del pasado, cuando nuestros antepasados no siguieron tu voluntad de que todos y todas sean uno en la verdad del evangelio.“22 Es folgt wieder das aramäische Kyrie, aber nun mit nur zwei Rufen. Daraufhin tritt Bischof Younan an das Mikrofon und betet: „We confess our own ways of thinking and acting that perpetuate the divisions of the past. As communities and as individuals, we build many walls around us: mental, spiritual, physical and political walls that result in discrimination and violence. Forgive us, Lord.“23 Wieder wird das Kyrie mehrfach gesungen, auch der Sologesang erfolgt wieder. Dann betet der Papst: „Cristo es el camino, la verdad y la vida. Él es nuestra paz, quien derriba las murallas que nos dividen, 17 Programmheft, S. 13. 18 A. a. O., S. 14. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Das Programmheft gibt an, S. 14: „as taught by Mar Gregorios Yohanna Ibrahim: Syria“. 22 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 15: „We bring before you the burdens of the guilt of the past when our forbearers did not follow your will that all be one in the truth of the gospel.“ 23 Programmheft, S. 15.

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quien nos concede,  a través del Espíritu Santo, nuevos comienzos.“24 Bischof Younan spricht die Vergebungszusage: „In Christ, we receive forgiveness and reconciliation and we are strengthened for  a faithful and common witness in our time. In the name of the Father, the Son and the Holy Spirit.“25 Während der Nennung der trinitarischen Personen schlägt er ein Kreuzzeichen. Danach spricht der Papst: „Que la paz de Cristo reine en sus corazones, pues como miembros de un solo cuerpo se los convoca a la paz. ¡La paz de Cristo sea siempre con ustedes!“26 Alle antworten: „And also with you!“27 Bischof Younan: „Dear Sisters and Brothers in Christ! Let us offer each a sign of forgiveness and peace.“28 Im Programmheft steht: „The people may greet one another with a sign of Christ’s peace and say ‚Peace be with you.‘“29 Es ist zu sehen, dass sich zuerst Bischof Younan und der Papst umarmen, dann geht der Papst auf den Generalsekretär Pfarrer Junge zu, Bischof Younan auf Kardinal Koch. Die Friedensgrüße werden mit den anderen Anwesenden um den Altar fortgesetzt, die Kamera schwenkt ins Kirchenschiff und man kann sehen, wie sich nun alle den Frieden Christi wünschen. Der Chor stimmt ein Friedenslied an: „La paz del Señor, la paz del Señor, la paz del Resucitado: la paz del Señor a ti ya mi a todos alcanzará. The peace of the Lord, the peace of the Lord, the peace of the risen Lord Jesus, the peace of the Lord is for you and for me, and also for all of God’s Children. Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unsern Wegen. Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen. La paix du Seigneur, la paix du Seigneur la paix du Ressuscité. La paix du Seigneur à toi et à moi et à tous sera donnée.“30 Nachdem die Friedensgrüße ausgetauscht worden sind, beendet der Chor seinen Gesang. Vom Hochaltar her sieht man zwei Ministranten mit Kerzen kommen, gefolgt von einer Ministrantin, die ein Evangeliar trägt. Der Chor stimmt ein Halleluja an, die Ministranten gehen um den vorderen Altar herum, vor dem die Liturgen stehen. Dieser Prozession schließt sich die Erzbischöfin Antje Jackelén an. Die Prozession begibt sich in das Kirchenschiff zwischen die stehenden Menschen, das Halleluja wird beendet, die Bischöfin liest das Evangelium nach Johannes 15,1–5: „As we continue our journey from conflict to communion, let us hear the Gospel according to John: I am the true vine, and my Father is the vinegrower. He removes every branch in me that bears no fruit. Every branch that bears fruit he prunes to make it bear more fruit. You have already been cleansed by the word that I have spoken to you. Abide in me as 24 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 15: „Christ is the way, the truth and the life. He is our peace, who breaks down the walls that divide, who gives us, through the Holy Spirit, ever-new beginnings.“ 25 Programmheft, S. 15. 26 Das Programmheft gibt die englische Übersetzung an, S. 15: „Let the peace of Christ rule in your hearts, since as members of one body you are called to peace. The peace of Christ be with you always!“ 27 Programmheft, S. 15. 28 A. a. O., S. 16. 29 Ebd. 30 Ebd.

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I abide in you. Just as the branch cannot bear fruit by itself unless it abides in the vine, neither can you unless you abide in me. I am the vine, you are the branches. Those who abide in me and I in them bear much fruit, because apart from me you can do nothing.“31 Nach Beendigung der Lesung ruft die Erzbischöfin: „The Gospel of the Lord!“ Die Gemeinde antwortet: „Thanks be to God!“32 Nachdem die Prozession in den Altarraum zurückgekehrt und der wieder einsetzende Hallelujagesang beendet worden ist, tritt Generalsekretär Pfarrer Junge an den Ambo und beginnt mit der Predigt, die er in spanischer Sprache hält 33 (er war von 1989 bis 2000 Pfarrer in Chile). Er hebt in seiner Predigt hervor, dass in der Vergangenheit der Weinstock, der Jesus Christus ist, und die Reben, die wir Christen sind, meist dahingehend interpretiert wurden, dass die Reben, die keine Frucht bringen, abgenommen werden. Es wäre besser, wir konzentrierten uns auf die Reben, die Frucht bringen und nach wie vor am Weinstock sind. Denn die Einheit liegt im wahren Weinstock, in Christus selbst, begründet. Dafür stehe die Taufe. Sie ermutigt alle Christen, das Trennende zu überwinden und den Weg der Einheit und Versöhnung zu gehen. Nachdem Junge seine Predigt beendet und wieder Platz genommen hat, singt der Chor eine Strophe des schon zuvor gesungenen Friedensliedes. Der Zeremoniar geht zum Ambo, legt dort das Predigtmanuskript für den Papst ab und kehrt auf seinen Platz zurück; der Papst tritt nun an den Ambo und hält seine Predigt in spanischer Sprache.34 Er hebt die Einheit von Jesus Christus und dem Vater hervor und die Einheit, die Christen in Christus haben. Er wertschätzt die vielen Bemühungen, das Trennende und das Missverstandene zwischen Katholiken und Lutheranern zu überwinden. Er erinnert an Luther, der die Bibel wieder mehr ins Zentrum der Kirche gebracht hat, und an die Gnade Gottes, die allem menschlichen Tun vorausgeht, denn Gott versuche, damit eine Antwort bei uns Christen auszulösen. Da Jesus sagte, dass die Christen ohne ihn nichts vollbringen können, sollen alle auf seine Kraft und Gnade vertrauen. Nachdem er die Predigt beendet hat, kehrt Papst Franziskus zu seinem Platz zurück, der Zeremoniar übernimmt von ihm das Predigtmanuskript und der Papst bekommt das Programmheft wieder ausgehändigt. Jetzt intoniert die Orgel das nächste Lied, das von allen gesungen wird: „(1) O God of vision far greater than all human scheming, gather us now in your presence, refreshing, redeeming. Show us a new life in your breathtaking view, lovely beyond all our dreaming. (2) Pour out your Spirit on all now assembled before you. May our diversity here be  a means as to adore you. Women and men, young, old and youthful again, make us as one we implore you. (3) Grant to us insight, O God, for this time of decision. May we dream challenging dreams of both depth and precision. Speak through the dark. Dispel by lightning’s bright spark, whatever 31 Programmheft, S. 17. 32 Ebd. 33 Die Predigt wurde veröffentlicht unter https://de.lutheranworld.org. Der Text ist im Anhang abgedruckt. 34 Die Predigt des Papstes, auch in deutscher Übersetzung, ist zu finden auf der Homepage des Heiligen Stuhls: www.w2.vatican.va. Die deutsche Übersetzung ist im Anhang abgedruckt.

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clouds dim our vision. (4) Break the sun rays into color, a rainbow around us. Storm clouds though real and near, are not enough to confound us. Arched in the sky, beauty and promise are high, giving us hope to astound us.“35 Zum Gesang erheben sich alle. Nach dem der Gesang fordert Bischof Y ­ ounan auf, den Glauben zu bekennen: „Sisters and brothers in Christ, together, let us confess our faith.“36 Alle sprechen daraufhin das Glaubensbekenntnis in englischer Sprache: „I believe in God, the Father almighty, Creator of heaven and earth. I believe in Jesus Christ, his only Son, our Lord, who was conceived by the Holy Spirit, born of the Virgin Mary, suffered under Pontius Pilate, was crucified, died and was buried; He descended into hell; on the third day he rose again from the dead; He ascended into heaven, and is seated at the right hand of God, the Father almighty; from there he will come to judge the living and the dead. I believe in the Holy Spirit, the holy catholic Church, the communion of saints, the forgiveness of sins, the resurrection of the body, and life everlasting. Amen.“37 Während der letzten Sätze schwenkt die Kamera zu einem Taufstein im Mittelgang der Kirche, in den Wasser eingegossen wird. Neben dem Taufstein steht eine brennende Kerze. Alle setzen sich, Musik erklingt. Die vier Liturgen sitzen mittlerweile nicht mehr vor den Altar, sondern sind seitlich zur Nordwand gerückt, so dass der Blick auf den Altar frei ist. Eine Frau (Laie) tritt an den Ambo und spricht folgenden Text, während ein Musikensemble leise weiterspielt: „Our ecumenical journey continues. In this worship, we commit ourselves to grow in communion. The five imperatives found in From Conflict to Communion will guide us.“38 Ein Würdenträger und eine weitere weibliche Person (Laie)  sind nun am Ambo zu sehen. Der Würdenträger sagt: „This is our first commitment.“ Daraufhin liest die Frau folgenden Text vor: „Catholics and Lutherans should always begin from the perspective of unity and not from the point of view of division in order to strengthen what is held in common even though the differences are more easily seen and experienced.“39 Nun wird wieder der Taufstein eingeblendet und man sieht um ihn herum fünf Kinder – vier Mädchen und einen Jungen – mit kleinen Kerzen in den Händen stehen. Eine Kerze wird an der großen Kerze neben dem Taufstein entzündet, ein Mädchen geht mit dieser Kerze den Mittelgang in Richtung Altar, um den Altar herum die weiteren Stufen hinauf zum Hochaltar, vor dem fünf große Kerzen stehen. Ein ökumenischer Kinderchor  – wie das Programmheft ausdrücklich vermerkt  – singt währenddessen ein Lied aus Indien: „Jyoti dho, 35 Im Programmheft, S. 18, ist vermerkt, dass der Text von Jane Parker Huber aus den USA stammt und erstmals 1981 publiziert wurde; für die Melodie wird angegeben: „Joachim Neander 1680, Germany“, aber die Melodie wird im Evangelischen Gesangbuch Nr. 317 mit Stralsund 1665 aufgeführt, stattdessen wird der Text des Liedes als von Neander verfasst angegeben. 36 Programmheft, S. 19. 37 Ebd. 38 A. a. O., S. 19. 39 Ebd. Die Aussage – This ist our first commitment – ist im Programmheft nicht enthalten. Das gilt auch für die vier weiteren Ankündigungen.

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jyothi dho Prabhu“, die englische Übersetzung lautet: „Give us light, O Lord.“ Die zweite Strophe: „Jii-va-n dho – Give us life.“ Die dritte Strophe: „Shan-thi dho – Give us peace.“40 Die erste große Kerze wird mit der kleinen Kerze angezündet, der Kinderchor hat aufgehört zu singen, das Musikensemble spielt leise weiter. Eingeblendet wird nun wieder der Ambo, an dem erneut ein Mann und eine Frau stehen, beide mit Collarhemd als Geistliche erkennbar. Der Geistliche sagt: „Our second Commitment.“ Die Geistliche spricht in spanischer Sprache, das Programmheft gibt nur den englischen Text wieder: „Lutherans and Catholics must let themselves continuously be transformed by the encounter with the other and by the mutual witness of faith.“41 Erneut kommt ein Mädchen mit einer kleinen Kerze vom Taufstein und geht zum Hochalter, während der ökumenische Kinderchor dasselbe Lied wiederholt. Die große Kerze vor dem Hochaltar wird angezündet. Für die dritte Verpflichtung treten wieder zwei Personen an den Ambo: ein Bischof, an violettem Collarhemd und Brustkreuz erkennbar, und jene weibliche Person, die schon die erste Verpflichtung vorgetragen hat. Der Bischof kündigt an: „This ist our third Commitment.“ Die weibliche Person spricht: „Catholics and Lutherans should again commit themselves to seek visible unity, to elaborate together what this means in concrete steps, and to strive repeatedly toward this goal.“42 Die Kerzenprozession eines dritten Kindes, nun der Junge, mitsamt Musik und dem Anzünden der großen Kerze folgt. Dann kommt erneut der Ambo in den Blick, eine weibliche Person (Laie) kündigt die vierte Verpflichtung an: „Our fourth Commitment.“ Ein (anderer) Bischof liest den Text vor: „Lutherans and Catholics should jointly rediscover the power of the gospel of Jesus Christ for our time.“43 Die Kerzenprozession (ein Mädchen) erfolgt, der Kinderchor singt, die große Kerze wird entzündet. Der Ablauf wiederholt sich für die fünfte Verpflichtung: Eine Bischöfin kündet am Ambo stehend an: „Our fifth Commitment.“ Ein Geistlicher liest vor: „Catholics and Lutherans should witness together to the mercy of God in proclamation and service to the world.“44 Auch die Kerzenprozession samt Musik und Anzünden einer großen Kerze wiederholt sich. Abschließend sieht man die fünf brennenden Kerzen ganz aus der Nähe, dann weitet sich der Blick in das ganze Kirchenschiff. Es wird ein Tisch hereingetragen und vor den ersten Altarstufen aufgestellt. Nun tritt Bischöfin Helga Haugland Byfuglien aus Norwegen an den Ambo und liest eine Kurzfassung jenes Textes vor, den Papst Franziskus und Bischof Younan unterzeichnen werden. Nach der Verlesung gehen Papst und Bischof die Stufen herunter zum Tisch, nehmen dort Platz und unterzeichnen das Dokument.45 Als sich beide nach der Unterzeichnung er­ 40 A. a. O., S. 20. 41 Ebd. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 A. a. O., S. 21. 45 Das Dokument wurde veröffentlicht unter: www.de.radiovaticana.va; es findet sich im Anhang.

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heben, brandet Applaus auf. Bischof und Papst umarmen sich. Die Dokumente werden gegenseitig übergeben; der Applaus will nicht aufhören; Tisch und Stühle werden abgeräumt, die Stühle vor dem Altar werden wieder aufgestellt, Papst und Bischof gehen dorthin. Da der Applaus weiter anhält, blicken beide freundlich auf die Applaudierenden im Kirchenschiff, der Bischof winkt der Gemeinde grüßend zu. Als sich der Applaus schließlich gelegt hat, beginnt der Chor folgendes Lied zu singen und die Gemeinde stimmt ein: „(1) Many are the lightbeams from the one light. Our one light is Jesus. Many are the lightbeams form the one light; we are one in Christ. (2) Many are the branches of the one tree. Our one tree ist Jesus. Many are the branches of the one tree. We are one in Christ. (3) Many are the gifts giv’n, love ist all one. Love’s the gift of Jesus. Many are the gifts giv’n, love ist all one. We are one in Christ. (4) Many ways to serve God, the Spirit is one; servant spirit of Jesus. Many ways to serve God, the Spirit is one; we are one in Christ. (5) Many are the members, the body is one; menbers all of Jesus. Many are the members, the body is one; we are one in Christ.“46 Es folgen Fürbitten, die der römisch-katholische Bischof Anders Arborelius einleitet mit den Worten: „Ecumenical engagement for the unity of the church does not serve only the church but also the world so that the world may believe. Let us now pray for the world, the church and all those in need.“47 Zunächst wird gesungen „Kyrie eleison, eleison“, das ebenso wie schon andere Lieder aus Taizé stammt.48 Dann tritt eine jugendliche Frau an den Ambo und spricht in schwedischer Sprache die erste Bitte: „Nådens Gud, din barmhärtighet råder genom historien. Öppna ditt folks hjärtan så att vi kan finna dig och din nåd som består för evigt.“ Das Programmheft gibt dazu die englische Übersetzung: „God of mercy, throughout history your goodness prevails, open the hearts of all people to find you and your mercy that endures forever.“49 Das Kyrie wird wiederholt, ein Mann tritt an den Ambo und spricht in deutscher Sprache: „Gott des Friedens, beuge, was starr ist, die Schranken, die uns trennen, und die Bindungen, die der Versöhnung entgegenwirken. Bringe dieser Welt Frieden. Erneuere Deine Schöpfung und zeige uns Dein Erbarmen.“ Das Programmheft gibt dazu eine englische Übersetzung. 50 Nach erneutem Kyriegesang tritt ein junger Mann an den Ambo und spricht in polnischer Sprache: „Boże, skało i warownio nasza. Ochraniaj uchodźców, tych, którzy pozbawieni są domów i bezpieczeństwa oraz wszystkie opuszczone dzieci. Pomóż nam zawsze chronić ludzką godność. Okaż nam Swoje miłosierdzie!“ Die englische Übersetzung aus dem Programmheft: „God, rock and fortress, protect refugees, 46 Programmheft, S. 22. Das Lied stammt aus Schweden, der Text ist von Anders Frostenson, die Melodie von Olle Widestrand, wie das Programmheft vermerkt; es ist im EG Nr. 268 abgedruckt. Im Programmheft ist neben dem englischen Text auch die schwedische, deutsche und spanische Version abgedruckt worden. Gesungen wird ausschließlich in englischer Sprache. 47 A. a. O., S. 21. 48 Programmheft, S.  21; das Programmheft vermerkt, dass das Kyrie von Jacques Berthier stammt. 49 A. a. O., S. 21. 50 A. a. O., S. 23.

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those without homes or security, all the abandoned children. Help us always to defend human dignity. Show us your mercy!“51 Es folgt wieder der Kyrieruf, dann tritt ein älterer Mann an den Ambo und trägt in arabischer Sprache folgenden Text vor:

Die englische Übersetzung lautet: „God creator, all creation groans in expectation, convert us from exploitation. Teach us to live in harmony with your creation. Show us your mercy!“52 Es folgt der Kyriegesang und ein jugendlicher Mann tritt an den Ambo. Er spricht auf Schwedisch: „Nådens Gud, stryk och skydda dem som förföljs för sin tro på dig. Bevara alla som lider på grund av sin övertygelse. Ge oss mod att bekänna vår tro. Visa oss din nåd!“ Die englische Übersetzung: „God of mercy, strengthen and protect those who are persecuted for faith in you and those of other faiths who suffer persecution. Give us the courage to profess our faith. Show us your mercy!“53 Es folgt erneut das Kyrie, dann tritt eine jugendliche Frau an den Ambo und trägt in spanischer Sprache vor: „Dios de amor, tu hijo Jesús revela el misterio del amor entre nosotros y nosotras, fortalece esa unidad que solo tú sostienes en nuestra diversidad. ¡Muéstranos tu misericordia!“ Die englische Übersetzung: „God of love, your son Jesus reveals the mystery of love among us, strengthen that unity that you alone sustain in our diversity. Show us your mercy!“54 Wieder tritt nach dem Kyrie eine junge Frau an den Ambo und spricht auf Englisch: „God, our sustenance, bring us together at your eucharistic table, nurture within and among us a communion rooted in your love. Show us your mercy!“55 Ein letztes Mal wird das Kyrie gesungen, dann tritt wieder Bischof Arborelius an den Ambo, beschließt das Fürbittengebet und leitet zum gemeinsam gesprochenen Vaterunser über: „In confidence that you, O God, hear our prayers for the needs of this world and for the unity of all Christians in their witness, let us pray each in our own language as Jesus taught us.“56 Und so, wie der Bischof es angekündigt hat, betet nun jeder in seiner Sprache das Vaterunser. Folglich ist dafür auch kein Text im Programmheft abgedruckt. Während des Vaterunsers werden viele Gesichter eingeblendet und Personen, die mitbeten. Dann tritt Bischof Younan an das Mikrofon und sagt: „For all that God can do within us, for all that God can do without us,“ – die Gemeinde spricht weiter: „Thanks be to God!“57 Der Papst schließt sich mit folgenden Worten an: „Por todas las 51 Ebd. 52 Ebd. 53 A. a. O., S. 24. 54 Ebd. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Ebd.

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personas en quienes Cristo vivió antes que en nosotros y nosotras, por todas las personas en quienes Cristo vive junto a nosotros y nosotras“58 – die Gemeinde: „Thanks be to God!“59 Bischof Younan: „For all the Spirit wants to bring us, for where the Spirit wants to send us“ – die Gemeinde spricht zum dritten Mal: „Thanks be to God!“60 Der Papst spricht daraufhin den Segen: „La bendición de Dios Padre, Hijo y Espíritu Santo sea con todos y todas ustedes y los y las acompañe en su camino conjunto, ahora y siempre“61  – während der Nennung des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes schlägt er ein Kreuz. Die Gemeinde antwortet mit Amen. Die Orgel setzt mit gewaltigem Spiel ein, die ökumenische Gebetsfeier wird mit dem Auszug der Liturgen und dem folgenden Lied beendet: „To be your presence ist our mission here, to show compassion’s face and listening ear, to be your heart of mercy ever near, alleluia! (2) To be your presence ist our mission bold, to feed the poor and shelter homeless cold, th be your hands of justice, right uphold. (3) To be your presence ist our mission blest, to speak for all the broken and oppressed, to be your voice of hole, your love expressed. (4) We are your heart, O Christ, your hands and voice, to serve your people is our call and choice, and in this mission we, the church, rejoice.“62

2. Deutungen Schon an dem Kreuz, das beim Einzug in die ehrwürdige Kathedrale zu Lund vorangetragen wurde, war zu erkennen, dass hier keine ökumenische Feier in kultureller Hochform, sondern eine Feier in eher volkstümlicher, allgemeinverständlicher Form (oder was man meint, dafür halten zu können) stattfinden sollte. Das zeigen die Gesänge aus Taizé, dafür stand das Musikensemble aus einer Handvoll Musiker. So konnte gewährleistet werden, dass alle Anwesenden, die ja aus vielen Kirchen, Ländern, Nationen, Kulturen und Sprachen kamen, mitfeiern konnten. Auch an der durchgehend verwendeten englischen Sprache (nicht Schwedisch!) zeigte sich dieses Vorhaben. Gleichwohl trat eine Sprachvielfalt zutage, so etwa beim Fürbittengebet, auch beim Vaterunser, das jeder in seiner Sprache beten sollte, oder indem der Papst durchweg spanisch sprach und der Generalsekretär Pfarrer Junge seine Predigt auf Spanisch hielt. Eine ebensolche Vielfalt war zu sehen bei den Akteuren: Männer, Frauen und Kinder aus verschiedenen Kulturen, auch an ihrer Kleidung erkennbar, und mit unterschiedlichen Hautfarben; Würdenträger und Laien. 58 Ebd. Das Programmheft bietet folgende englische Übersetzung: „For all in whom Christ lived before us, for all in whom Christ lives beside us, …“. 59 Ebd. 60 A. a. O., S. 25. 61 Ebd. Das Programmheft gibt folgende englische Übersetzung: „The blessing of God, Father, Son and Holy Spirit (+), be with you and accompany you on your joint journey, now and forever.“ 62 Ebd. Als Autoren werden im Programmheft angegeben: Delores Dufner, O. S. B. und Charles Villiers, Stanford: U. K.

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Im Mittelpunkt dieser ökumenischen Gebetsfeier stand tatsächlich das Gebet, das alle anderen Handlungen, wie den Vortrag der Commitments oder die Unterzeichnung des Dokuments, getragen hat. Schon der Einzug wurde mit dem Gesang Laudate dominum, der zum Lob und Gebet aufruft, verbunden. Die Eröffnung der Feier und die anschließenden Worte zur Begrüßung wurden mit einem Gebet beschlossen. Danach wurde um den Heiligen Geist gebetet im Singen des Liedes Veni Sancte Spiritus. Zwei Danksagungen aus dem Dokument Vom Konflikt zur Gemeinschaft wurden vorgelesen, die wiederum in ein Gebet und in den Gesang, der zum Ausdruck brachte, dass wir Gott Dank geben, mündeten. Es schlossen sich zwei Aussagen der Reue aus demselben Dokument an, denen sich ein mehrteiliges Gebet anschloss, in das Kyrierufe eingefügt waren.63 Anschließend wurde zum Frieden gerufen und der Friedensgruß gegeben und weitergegeben, währenddessen wurde ein Friedenslied gesungen, das seinerseits ebenfalls ein Gebet ist. Nach der Schriftlesung und den beiden Predigten wurde ein Bittlied gesungen. Es schloss sich das Credo an. Die Verlesung der fünf Commitments wurde getragen von dem Gesang, der Gott darum bat, Licht, Leben und Frieden zu geben. Anschließend wurde das Dokument unterzeichnet. Das Besondere dieses Dokuments ist, dass darin nicht mehr von der Versöhnung in Verschiedenheit die Rede ist, sondern dass es die Gemeinsamkeiten hervorhebt, so dass die Unterschiede für die Einheit und Gemeinsamkeit zwar noch bestehen, dass sie aber aus einem neuen Blickwinkel gesehen werden: Die Gemeinsamkeiten ermutigen, nach weiterer Einheit zu suchen. Kurioses gibt es ebenso zu berichten und zugleich zu deuten; was sicherlich mit der Livesendung zusammenhängt, so dass man Fehler oder Merkwürdigkei­ten nachträglich nicht mehr aus dem Filmmaterial ausmerzen konnte. Eine Kuriosität ist z. B., dass der Moderator der Sendung immer dann während des Gottesdienstes seine Stimme erhob (während der Live-Schaltung in Lund wurden der Moderator und seine beiden Gäste nicht eingeblendet) und Kommentare oder Informationen gab, wenn Lücken oder Pausen entstanden, von denen selbst ich als Zuschauer den Eindruck hatte, dass sie eigentlich nicht geplant waren. So z. B. beim Auftritt des Zeremoniars, der dem Papst ein Zeichen gab zu beten, zu predigen etc. Im Lauf der Sendung wurden auch immer häufiger während der Gesänge Kommentare abgegeben, was m. E. darauf hindeutet, dass heutzutage Musik (selbst Kirchenmusik) wohl eher als Unterhaltung aufgefasst wird, so dass man Wichtigeres oder auch Unwichtiges sagen und tun kann. So begann der Moderator immer wieder während der M ­ usik eine kleine Diskus­ sionsrunde mit seinen Gästen. Als ein wenig kurios habe ich die Ausführun­gen von Susanne Heine empfunden, die während eines Gesangs ausführlich mit his 63 Zum Themenfeld Vergebung und Versöhnung gibt es mehrere kritische Stimmen, z. B.: Körtner, Ulrich H. J.: Getrübtes Urteilsvermögen. Das Reformationsjubiläum als Gradmesser einer theologischen Orientierungskrise. In: Zeitzeichen 18 (2017) H. 1, 38–41; Oesch, Johannes: Kann man für die Sünden der Vorfahren die Vergebung der Sünden erlangen? Oder: Wenn zwei gemeinsam das gleiche sagen, aber dabei nicht dasselbe meinen und tun. Eine Fragestellung zu den ökumenischen Gottesdiensten zum Reformationsgedenken. In: DtPfrBl 117 (2017) H. 5, 282–284.

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torischen Hinweisen darlegte, dass Gesänge in der reformatorischen Perspektive auch Verkündigung und damit sehr wichtig für den Gottesdienst wie für die Theologie seien. Kurios deshalb, weil man jetzt der Verkündigung durch das Lied kaum noch zuhören konnte. Der Kommentar über die Wichtigkeit der Verkündigung verunmöglichte selbst die Verkündigung. Das zeigt, dass der Charakter der Verkündigung bei Liedern selbst bei Theologen weniger gewürdigt wird als bei einer Predigt, denn es wäre weder dem Moderator noch den beiden Gästen in den Sinn gekommen, während der Schriftlesung oder gar während der beiden Predigten Kommentare zu der nun stattfindenden Verkündigung und ihrer Wichtigkeit abzugeben. Eine ebensolche Kuriosität ergab sich durch den Beitrag von Paul Zulehner, der während des Friedensgrußes nach dem Bußgebet referierte über die konfessionellen Auseinandersetzungen bis hin zu Religionskriegen und damit verbundenen Verwüstungen in Europa, wobei auch die Kirchen schuldig geworden sind. So entstand ein eigenwilliger Kontrast zwischen der gesprochenen Erinnerung an die blutigen Zeiten der Konfessionskriege und der zu sehenden Szene, wie sich alle Menschen in der Kathedrale gegenseitig Frieden wünschten. Einen ebensolchen, wenn auch nicht durch Bilder unterstützten Kontrast bot die deutsche Übersetzung von Susanne Heine während des in englischer Sprache gesprochenen Glaubensbekenntnisses. Die Worte „the holy c­ atholic Church“ übersetzte Heine mit „die heilige christliche Kirche“. Ein besonderer Moment war z. B. auch das gegenseitige Umarmen nach der Unterzeichnung des Dokuments. Es war nämlich zu sehen, dass der Papst auch der Erzbischöfin den Friedensgruß entbot und dass sich beide umarmten. Der Moderator wusste die Wichtigkeit dieses Ereignisses zu unterstreichen, indem er ausführte, dass Papst Johannes Paul II. keine Bischöfinnen empfangen wollte und auch nicht empfangen hat, dass Papst Benedikt XVI. zwar, wenn auch selten, Bischöfinnen empfangen hat, dass aber niemals ein Bild davon veröffentlicht wurde. Papst Franziskus aber ging in aller Öffentlichkeit und auch Offenheit auf die Erzbischöfin zu. Vor Journalisten habe der Papst gesagt, dass er keine Berührungsängste habe, so der Moderator. Er wertete dies als starkes Zeichen für die Ökumene; doch zwei Tage später war in den Zeitungen zu lesen war, dass der Papst auf dem Rückflug auf Journalistenfragen hin der Möglichkeit, Frauen zu Priesterinnen zu weihen, wiederum eine ganz klare Absage erteilte mit der Begründung, dass Papst Johannes Paul II. dies verboten habe. So stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist oder sein kann, dass eine gottesdienstliche Feier kommentiert wird, während sie stattfindet. Wenn im Anschluss an die Feier dazu Reaktionen und Einschätzungen, Wertungen etc. geäußert werden, orientieren sie sich an der gewöhnlichen Praxis, die auch so mancher Mitfeiernder nach dieser ökumenischen Gebetsfeier mit anderen Mitfeiernde ausgeübt haben dürfte. Doch während der Feier wird wohl kaum jemand in der Kathedrale schon gleich Kommentare dazu abgegeben haben. Das würde ein Mitfeiern eher verunmöglichen. In welche Rolle wird also der die Feier am Bildschirm verfolgende Mensch gedrängt, wenn er einerseits die Feier

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verfolgt und andererseits die Feier zugleich kommentiert bekommt? Durch die Kommentare wurde er in die Rolle des Zuschauers gedrängt, der sich zwar die Texte einschließlich der Predigten ungestört anhören konnte, aber erleben musste, dass andere gottesdienstliche Elemente genutzt wurden, um Kommentare zu den Texten oder auch zum Vorgang an sich abzugeben. Für den gesamten Gottesdienst lässt sich jedoch festhalten – soweit es möglich ist, dies am Bildschirm nachzuempfinden –, dass diese Gebetsfeier in einer freundlichen und offenen Atmosphäre stattgefunden hat, die von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Achtung bestimmt war. Eine hierarchische Leitung des Gottesdienstes durch den Papst war nicht wahrzunehmen, auch wenn dem Papst die Eröffnung, wichtige Gebete und der abschließende Segen zufielen. Erkennbar war aber durchaus, dass Bischof Younan immer den Blick für das Ganze hatte und entsprechend auch aktiv auf den tatsächlichen Verlauf und die Stimmung während der Feier einging, indem er gelegentlich vom festen Wortlaut des Programms absah und z. B. die Anwesenden direkt mit „Brüder und Schwestern“ ansprach und sie auch ansah. Man hatte immer das Gefühl, dass er direkt zu den Anwesenden sprach, so dass eine innere Kommunikation zwischen ihm und den Anwesenden entstand.

Anhang: Zwei Predigten und die Ökumenische Erklärung von Lund Predigt von Generalsekretär Junge. Veröffentlicht unter https://de.lutheran world.org (Zugriff am 3.11.2016): „Liebe Schwestern und Brüder in Christus, seit Jahrhunderten lesen wir, Generation für Generation, diesen Evangelientext, der uns Jesus als den wahren Weinstock vorstellt. Aber anstatt den Text als Ermutigung zur Einheit zu lesen, haben wir uns auf die Reben konzentriert, die vom Weinstock weggenommen werden, weil sie keine Frucht bringen. So haben wir einander wahrgenommen: als Reben, die von Christus, dem wahren Weinstock, getrennt sind. Schon in jenen Zeiten aber, als ein gemeinsames Reformationsgedenken wie das heutige noch unvorstellbar war, gab es Frauen und Männer, die zusammenkamen, um für die Einheit zu beten oder ökumenische Gemeinschaften zu gründen. Theologen und Theologinnen nahmen bereits damals den Dialog auf in dem Bestreben, Unterschiede in Lehre und Theologie zu überwinden. Viele stellten sich gemeinsam in den Dienst für Arme und Unterdrückte. Ja, manche erlitten gar um des Evangeliums willen das Martyrium. Für diese mutigen Prophetinnen und Propheten bin ich zutiefst dankbar. Ihr Miteinander im Leben und im Zeugnis lehrte sie, sich gegenseitig nicht mehr als voneinander getrennte Reben wahrzunehmen, sondern vielmehr als Reben die im Weinstock Christus vereint sind. Ja, mehr noch: sie begannen Christus in ihrer Mitte wahrzunehmen und sich dessen bewusst zu werden, dass er sogar in jenen Phasen der Geschichte weiter zu uns sprach, als der Dialog zwischen uns unterbrochen war. Jesus hat uns keinen Moment lang vergessen, selbst als wir ihn anscheinend vergessen hatten und uns verloren in Gewalt und in Taten, die von Hass be-

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stimmt waren. Indem wir also Jesus unter uns wahrnehmen, beginnen wir auch, einander in einem neuen Licht zu betrachten. Uns wird bewusst, dass uns viel mehr eint, als uns trennt. Wir sind Reben an demselben Weinstock. Wir sind eins in der Taufe. Darum feiern wir dieses Gemeinsame Reformationsgedenken: um neu zu entdecken, wer wir in Christus eigentlich sind. Die Offenbarung dieser Einheit in Jesus Christus steht jedoch in krassem Gegensatz zur Wirklichkeit der Zersplitterung, die die Kirche, den Leib Christi, prägt. Die Vision von einer in Jesus Christus begründeten Gemeinschaft, mit all ihrer Schönheit und der Hoffnung, die sie in uns weckt, bedeutet auch, dass wir noch schmerzlicher leiden an den Wunden unserer Gebrochenheit. Was niemals hätte zerbrochen werden dürfen, wurde zerbrochen: die Einheit des Leibes Christi. Wir haben verloren, was uns geschenkt ist. Wie können wir also heute genauso mutig und hoffnungsvoll vorangehen, wie es diejenigen taten, die diesen ökumenischen Pilgerweg zur Einheit vor uns beschritten haben? Wie richten wir unsere Schritte auf eine Zukunft in Gemeinschaft aus, in die Gott uns ruft? Wie können wir heil werden, damit wir endlich das werden, was wir in Christus bereits sind: Reben an einem Weinstock? Von dem lateinamerikanischen Denker Eduardo Galeano stammt das Wort: „Die Geschichte ist eine Prophetin mit rückwärtsgewandtem Blick; aus dem, was war, und gegen das, was war, kündet sie das Kommende.“ Ich schlage vor, dass wir ab heute diesen Schlüssel anwenden, wenn wir das Gleichnis vom wahren Weinstock lesen. Möge sie für uns die hoffnungsvolle und prophetische Ankündigung der festen Verbindung zwischen dem Weinstock und seinen Reben sein, die Früchte der Heilung und des Lebens in Fülle tragen. Möge dies der Geist sein, in dem wir an diesen historischen Moment herangehen, wo wir uns als katholische und lutherische Christinnen und Christen verpflichten, uns abzuwenden von einer von Konflikt und Spaltung überschatteten Vergangenheit um den Weg der Gemeinschaft zu gehen. Ohne Zweifel ist dies ein verheißungsvoller, aber auch ein anspruchsvoller Weg. Er vollzieht sich in einer von großer Zersplitterung geprägten und konfliktbeladenen Zeit. Massive Abgrenzungsbewegungen entfremden Einzelne und Gruppen, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren. Der Weg aber, auf den wir gerufen sind, wird sich auf noch intensivere Dialoge stützen müssen. Die Darstellung unserer jeweiligen Identität und der Identität unseres Gegenübers unterstreicht in der Regel unsere Unterschiede und hebt sie hervor. Unsere Erinnerungen sind häufig geprägt von Leid und Konflikt. In dem Bewusstsein aller dieser zentrifugalen Kräfte, die immer die Gefahr bergen, uns voneinander zu trennen, ermutige ich uns dazu, auf die Zentripetalkraft der Taufe zu vertrauen. Die befreiende Gnade der Taufe ist ein Geschenk Gottes, das uns zusammenruft und uns eint! Die Taufe ist die prophetische Ankündigung von Heilung und Einheit inmitten unserer geschundenen Welt und wird damit zum Geschenk der Hoffnung für die Menschheit, die ein Leben in Frieden mit Gerechtigkeit und in versöhnter Verschiedenheit ersehnt. Welch tiefes Geheimnis: Das Schreien von Völkern und Einzelnen, deren Leben von Gewalt und Unterdrückung geprägt ist, klingt zusammen mit dem, was Gott uns fortwährend zuflüstert durch Jesus Christus, den wahren Weinstock, in dem wir eins sind. Bleiben wir an diesem Weinstock, dann tragen wir die Früchte des Friedens, der Gerechtigkeit und Versöhnung, der Barmherzigkeit und Solidarität. Gehen wir also voran auf diesem Weg, antworten wir im Glauben auf den Ruf Gottes und antworten wir damit auch auf die Schreie um Hilfe, auf den Durst und den Hunger einer verwundeten und gebrochenen Menschheit. Und sollte Gott uns morgen mit Steinen in den Händen antreffen, wie jene Steine, die wir früher hielten, so mögen sie nicht dazu gedacht sein, sie auf einander zu werfen. Wer könnte jetzt noch den ersten Stein werfen, nachdem wir erkannt haben, was unsere Identität in Christus ausmacht? Mögen diese Steine genauso wenig dazu verwen-

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det werden, Mauern der Trennung oder der Ausgrenzung zu bauen. Wie könnten wir so handeln, wenn Jesus Christus uns dazu beruft, Botschafterinnen und Botschafter der Versöhnung zu sein? Möge Gott uns also dabei antreffen, dass wir Brücken bauen, damit wir einander näher kommen, Häuser, in denen wir zusammenkommen, und Tische – ja, Tische – an denen wir Brot und Wein, die Gegenwart Christi, miteinander teilen können. Christus, der uns keinen Moment lang verlassen hat und uns ruft, in ihm zu bleiben, damit die Welt glaubt.“

Predigt von Papst Franziskus. Veröffentlicht unter www.w2.vatican.va. (Zugriff am 3.11.2016) „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4). Diese Worte, die Jesus im Rahmen des Letzten Abendmahls gesprochen hat, geben uns die Möglichkeit, uns an Christi Herz zu schmiegen kurz vor seiner endgültigen Hingabe am Kreuz. Wir können hören, wie sein Herz in Liebe zu uns pocht, und seinen sehnlichen Wunsch spüren, dass alle, die an ihn glauben, eins seien. Er sagt uns, dass er der wahre Weinstock ist und wir die Reben und dass wir, wenn wir Frucht bringen wollen, genauso mit ihm vereint sein müssen, wie er mit dem Vater vereint ist. Bei diesem Gebetstreffen hier in Lund wollen wir unseren gemeinsamen Wunsch zum Ausdruck bringen, mit ihm vereint zu bleiben, um das Leben zu haben. Wir bitten ihn: „Herr, hilf uns mit deiner Gnade, damit wir enger mit dir verbunden sind, um gemeinsam Glaube, Hoffnung und Liebe wirkungsvoller zu bezeugen.“ Es ist auch ein Moment, Gott zu danken für die Anstrengungen vieler unserer Brüder und Schwestern verschiedener kirchlicher Gemeinschaften, die sich mit der Spaltung nicht abgefunden, sondern die Hoffnung auf die Versöhnung aller, die an den einen Herrn glauben, lebendig erhalten haben. Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen. Jetzt haben wir im Rahmen des gemeinsamen Gedenkens der Reformation von 1517 eine neue Chance, einen gemeinsamen Weg aufzunehmen, der sich in den letzten 50 Jahren im ökumenischen Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche gebildet hat. Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten. Jesus sagt uns, dass der Vater der Winzer ist (vgl. Joh 14,1), der den Weinstock pflegt und beschneidet, damit er mehr Frucht bringt (vgl. V. 2). Der Vater ist ständig um unsere Beziehung zu Jesus besorgt, um zu sehen, ob wir wirklich mit ihm eng verbunden sind (vgl. V. 4). Er schaut auf uns, und sein liebevoller Blick ermutigt uns, unsere Vergangenheit aufzuarbeiten und in der Gegenwart dafür zu arbeiten, dass jene Zukunft der Einheit, die er so ersehnt, Wirklichkeit wird. Auch wir müssen liebevoll und ehrlich unsere Vergangenheit betrachten, Fehler eingestehen und um Vergebung bitten. Allein Gott ist der Richter. Mit der gleichen Ehrlichkeit und Liebe muss man zugeben, dass unsere Spaltung von dem ursprünglichen Empfinden des Gottesvolkes, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt, weggeführt hat und in der Geschichte mehr durch Vertreter weltlicher Macht aufrecht erhalten wurde, als durch den Willen des gläubigen Volkes, das immer und überall der sicheren und liebevoll-sanften Führung durch seinen Guten Hirten bedarf. Allerdings gab es auf beiden Seiten den ehrlichen Willen, den wahren Glauben zu bekennen und zu verteidigen, doch wir sind uns auch bewusst, dass wir uns in uns selbst

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verschanzt haben aus Furcht oder Vorurteilen gegenüber dem Glauben, den die anderen mit einer anderen Akzentuierung und in einer anderen Sprache bekennen. Papst Johannes Paul II. sagte: Es „kann uns nicht die Absicht leiten, uns zu Richtern der Geschichte aufzuwerfen, sondern das Ziel darf einzig sein, besser zu erkennen und damit wahrheitsfähiger zu werden“ (Botschaft an Kardinal Johannes Willebrands, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen, 31. Oktober 1983). Gott ist der Eigentümer des Weinbergs und er pflegt und schützt ihn mit unermesslicher Liebe. Lassen wir uns durch den Blick Gottes innerlich anrühren – das Einzige, was er sich wünscht, ist, dass wir als lebendige Weinreben mit seinem Sohn Jesus verbunden bleiben. Mit dieser neuen Sicht der Vergangenheit beanspruchen wir nicht, eine undurchführbare Korrektur dessen zu verwirklichen, was geschehen ist, sondern wir beabsichtigen „diese Geschichte anders zu erzählen“ (Lutherisch / Römisch-katholische Kommission für die Einheit, Vom Konflikt zur Gemeinschaft, 16 [Leipzig / Paderborn, 2013]). Jesus erinnert uns: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Er ist es, der uns unterstützt und uns ermutigt, die Wege zu suchen, damit die Einheit eine immer sichtbarere Wirklichkeit wird. Zweifellos ist die Trennung eine ungeheure Quelle von Leiden und Missverständnissen gewesen, doch sie hat uns auch zu der ehrlichen Einsicht geführt, dass wir getrennt von Ihm nichts vollbringen können, und uns zugleich die Möglichkeit gegeben, einige Aspekte unseres Glaubens besser zu verstehen. Dankbar erkennen wir an, dass die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen. Durch das gemeinsame Hören auf das Wort Gottes in der Schrift hat der Dialog zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund, dessen fünfzigjähriges Bestehen wir feiern, wichtige Schritte zurückgelegt. Bitten wir den Herrn, dass sein Wort uns zusammenhalte, denn es ist ein Quell von Nahrung und Leben; ohne seine Inspiration können wir nichts vollbringen. Die geistliche Erfahrung Martin Luthers hinterfragt uns und erinnert uns daran, dass wir ohne Gott nichts vollbringen können. „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ – das ist die Frage, die Luther ständig umtrieb. Tatsächlich ist die Frage nach der rechten Gottesbeziehung die entscheidende Frage des Lebens. Bekanntlich begegnete Luther diesem barmherzigen Gott in der Frohen Botschaft vom menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus. Mit dem Grundsatz „Allein aus Gnade“ werden wir daran erinnert, dass Gott immer die Initiative ergreift und jeder menschlichen Antwort zuvorkommt, und zugleich, dass er versucht, diese Antwort auszulösen. Daher bringt die Rechtfertigungslehre das Wesen des menschlichen Daseins vor Gott zum Ausdruck. Jesus tritt als Mittler für uns beim Vater ein und bittet ihn um die Einheit seiner Jünger, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Das ist es, was uns Kraft gibt und uns bewegt, uns Jesus anzuschließen, um den Vater nachdrücklich zu bitten: „Gewähre uns das Geschenk der Einheit, damit die Welt an die Macht deiner Barmherzigkeit glaubt.“ Das ist das Zeugnis, das die Welt von uns erwartet. Wir werden als Christen in dem Maße ein glaubwürdiges Zeugnis der Barmherzigkeit sein, in dem Vergebung, Erneuerung und Versöhnung unter uns eine tägliche Erfahrung ist. Gemeinsam können wir auf konkrete Weise und voll Freude die Barmherzigkeit Gottes verkünden und offenbaren, indem wir die Würde eines jeden Menschen verteidigen und ihr dienen. Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig. Als Lutheraner und Katholiken beten wir gemeinsam in dieser Kathedrale und sind uns bewusst, dass wir getrennt von Gott nichts vollbringen können. Wir erbitten seine Hilfe, damit wir lebendige, mit ihm verbundene Glieder sind, immer seiner Gnade bedürftig, um gemeinsam sein Wort in die Welt zu tragen – in diese Welt, die seiner zärtlichen Liebe und seiner Barmherzigkeit so sehr bedarf.

Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 

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Die Ökumenische Erklärung von Lund Veröffentlicht unter Radio Vatikan (www.de.radiovaticana.va), Stichwort: Die Ökumenische Erklärung von Lund; es wird angemerkt, dass es sich dabei um die offizielle deutsche Übersetzung handelt. Das Dokument ist orginial in englischer Sprache verfasst und zu finden unter: www.2017gemeinsam.de. (Zugriffe am 3.11.2016) „GEMEINSAME ERKLÄRUNG anlässlich des gemeinsamen katholisch-lutherischen Re­ formationsgedenkens Lund, 31. Oktober 2016 „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (Joh 15,4). Mit dankbaren Herzen Mit dieser Gemeinsamen Erklärung bringen wir Gott unsere frohe Dankbarkeit für diesen Augenblick des gemeinsamen Gebets in der Kathedrale von Lund zum Ausdruck und beginnen damit das Gedenken an 500 Jahre Reformation. 50 Jahre ununterbrochener und fruchtbarer ökumenischer Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern haben uns geholfen, viele Unterschiede zu überwinden, und haben unser gegenseitiges Verständnis und Vertrauen vertieft. Gleichzeitig sind wir einander durch gemeinsame Dienste an unseren Mitmenschen, oft in Situationen von Leid und Verfolgung, nähergekommen. Durch Dialog und gemeinsames Zeugnis sind wir nicht länger Fremde. Vielmehr haben wir gelernt, dass das uns Verbindende größer ist als das Trennende. Vom Konflikt zur Gemeinschaft Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben. Theologische Unterschiede wurden von Vorurteilen und Konflikten begleitet und Religion wurde für politische Ziele instrumentalisiert. Unser gemeinsamer Glaube an Jesus Christus und unsere Taufe verlangen von uns eine tägliche Umkehr, durch die wir die historischen Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, die den Dienst der Versöhnung behindern, ablegen. Während die Vergangenheit nicht verändert werden kann, kann das, woran man sich erinnert und wie man sich erinnert, verwandelt werden. Wir beten um die Heilung unserer Wunden und Erinnerungen, die den Blick aufeinander verdunkeln. Nachdrücklich lehnen wir allen vergangenen und gegenwärtigen Hass und alle Gewalt ab, besonders jene im Namen der Religion. Wir hören heute Gottes Gebot, jeden Konflikt beizulegen. Wir erkennen, dass wir durch Gnade befreit sind, uns zur Gemeinschaft hin zu begeben, zu der Gott uns beständig ruft. Unsere Verpflichtung zum gemeinsamen Zeugnis Da wir diese Begebenheiten der Geschichte, die uns belasten, hinter uns lassen, verpflichten wir uns, gemeinsam Gottes barmherzige Gnade zu bezeugen, die im gekreuzigten und auferstandenen Christus sichtbar geworden ist. Im Bewusstsein, dass die Art und Weise, wie wir miteinander in Beziehung treten, unser Zeugnis für das Evangelium

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prägt, verpflichten wir uns selbst, in der Gemeinschaft, die in der Taufe wurzelt, weiter zu wachsen, indem wir uns bemühen, die verbleibenden Hindernisse zu beseitigen, die uns davon abhalten, die volle Einheit zu erlangen. Christus will, dass wir eins sind, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17,21). Viele Mitglieder unserer Gemeinschaften sehnen sich danach, die Eucharistie in einem Mahl zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit. Wir erfahren den Schmerz all derer, die ihr ganzes Leben teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart im eucharistischen Mahl nicht teilen können. Wir erkennen unsere gemeinsame pastorale Verantwortung, dem geistlichen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein in Christus, zu begegnen. Wir sehnen uns danach, dass diese Wunde im Leib Christi geheilt wird. Dies ist das Ziel unserer ökumenischen Bemühungen. Wir wünschen, dass sie voranschreiten, auch indem wir unseren Einsatz im theologischen Dialog erneuern. Wir beten zu Gott, dass Katholiken und Lutheraner fähig sein werden, gemeinsam das Evangelium Jesu Christi zu bezeugen, indem sie die Menschheit einladen, die gute Nachricht von Gottes Heilshandeln zu hören und zu empfangen. Wir bitten Gott um Eingebung, Ermutigung und Kraft, damit wir zusammenstehen können im Dienst und so für die Würde und die Rechte des Menschen, besonders der Armen, eintreten, für die Gerechtigkeit arbeiten und alle Formen von Gewalt zurückweisen. Gott fordert uns auf, all denen nahe zu sein, die sich nach Würde, Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung sehnen. In besonderer Weise erheben wir heute unsere Stimme für ein Ende der Gewalt und des Extremismus, die so viele Länder und Gemeinschaften sowie unzählige Schwestern und Brüder in Christus betreffen. Wir bitten dringend, dass Lutheraner und Katholiken zusammenarbeiten, um den Fremden aufzunehmen, denen zu Hilfe zu kommen, die wegen Krieg und Verfolgung gezwungen waren zu fliehen, und die Rechte der Flüchtlinge und der Asylsuchenden zu verteidigen. Mehr als je zuvor stellen wir fest, dass unser gemeinsamer Dienst in dieser Welt sich auf Gottes Schöpfung erstrecken muss, die durch Ausbeutung und die Auswirkungen einer unersättlichen Gier in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir anerkennen das Recht der zukünftigen Generationen, sich an Gottes Erde in all ihrem Reichtum und all ihrer Schönheit zu erfreuen. Wir bitten um einen Wandel der Herzen und der Sinne, der uns zu einer liebevollen und verantwortlichen Art und Weise der Sorge für die Schöpfung führt. Eins in Christus Bei diesem glücklichen Anlass bekunden wir unsere Dankbarkeit gegenüber den Brüdern und Schwestern, die die verschiedenen christlichen Weltgemeinschaften und -vereinigungen vertreten, die anwesend sind und sich im Gebet mit uns verbinden. Wenn wir uns wieder verpflichten, uns vom Konflikt zur Gemeinschaft zu bewegen, tun wir das als Teil des einen Leibes Christi, in den wir alle durch die Taufe eingegliedert worden sind. Wir fordern unsere ökumenischen Partner auf, uns an unsere Verpflichtungen zu erinnern und uns zu ermutigen. Wir bitten sie, weiter für uns zu beten, mit uns zu gehen und uns dabei zu unterstützen, unser durchbetetes Engagement, das wir täglich zu erkennen geben, lebendig werden zu lassen. Aufruf an Katholiken und Lutheraner weltweit Wir wenden uns an alle lutherischen und katholischen Gemeinden und Gemeinschaften, unerschrocken und schöpferisch, freudig und hoffnungsvoll bezüglich ihres Vor­ satzes zu sein, die große Reise, die vor uns liegt, fortzusetzen. Mehr als die Konflikte

Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 Ökumenische Gebetsfeier in Lund am Reformationstag 2016 

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der Vergangenheit wird Gottes Gabe der Einheit unter uns die Zusammenarbeit leiten und unsere Solidarität vertiefen. Indem wir uns im Glauben an Christus näher kommen, indem wir miteinander beten, indem wir aufeinander hören und Christi Liebe in unseren Beziehungen leben, öffnen wir uns, Katholiken und Lutheraner, der Macht des Dreieinen Gottes. In Christus verwurzelt und ihn bezeugend erneuen wir unsere Entscheidung, treue Boten von Gottes grenzenloser Liebe für die ganze Menschheit zu sein.“

Literaturbericht Liturgik. Das Neue Testament erkunden und verstehen Literaturbericht zum NT und der antiken Welt (2014–2016)

Helmut Schwier

Der Literaturbericht umfasst Monographien, Sammelbände und Aufsätze zum Neuen Testament der Jahre 2014–2016, die im weitesten Sinn für Liturgie, Gottesdienst, Ämter, Riten, Gesang relevant und von Interesse sind. Dass dazu dann auch die theologischen Kernbereiche Gotteslehre, Jesus, Christologie, Tod und Auferweckung zählen, ist selbstverständlich. Bei der derzeitigen Publikationsfülle wird Vollständigkeit nie erreicht werden können; dass hier jedoch eine exemplarische und gleichzeitig anregende Auswahl geboten wird, ist zumindest die Intention des Verfassers. Schwerpunkte in den Bibelübersetzungen sind durch das Projekt der Revision der Lutherbibel einleuchtend; gleichzeitig sind auch die wissenschaftlichen wie praktischen Ergebnisse des Großprojektes der Septuagintaforschung zugänglich. Dass sich in den Feldern Hermeneutik und Theologie des NT ebenso wie bei der Ethik einiges entwickelt, kann hier wahrgenommen und durch eigene weitergehende Lektüre überprüft werden. Lehrbücher und eine Reihe von neuen Kommentaren bieten auch für Gottesdienst, Predigt und Unterricht unentbehrliche Hilfsmittel.

Bibelübersetzungen und Septuaginta Karrer, Martin: Die Durchsicht des Neuen Testaments in der Lutherbibel, in: Melanie Lange / Martin Rösel (Hg.), „Was Dolmetschen für Kunst und Arbeit sei“. Die Lutherbibel und andere deutsche Bibelübersetzungen. Beiträge der Rostocker Konferenz 2013, Ev. Verlagsanstalt und Deutsche Bibelgesellschaft: Leipzig / Stuttgart 2014, 221–239. Haacker, Klaus: Protestantisch gleich pedantisch?, a. a. O., 241–245. In diesem Sammelband, der insgesamt die vielfältigen Beiträge der genannten Rostocker Tagung wiedergibt, zeigt Karrer zentrale Änderungsvorschläge samt Begründungen der AG Neues Testament. Gemäß den Vorgaben des Rates der EKD (2010) geht es um die Aktualisierung des griechischen Textstandes, um zwingende inhaltliche Korrekturen auf der Basis der gegenwärtigen Exegese und um die mögliche Bewahrung der Sprache Luthers. Für alle drei Bereiche nennt Karrer begründete Vor-

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schläge für Textänderungen: Phil 4,7 ist nicht Wunsch, sondern Futur (also: „… der Friede Gottes wird eure Herzen bewahren“); 1Kor 11,24 heißt: „Das ist mein Leib für euch“ (ohne: „gebrochen“ oder „gegeben“); in Mt 5,9 werden die „Friedensstifter“ seliggepriesen, wie Luther selbst in seiner Anmerkung zur Ausgabe von 1545 als Glosse nahe legt. Einige Tabellen mit nachvollziehbaren Änderungsvorschlägen beschließen den Beitrag (235 ff). In seiner Response nimmt Haacker nochmals Bezug auf wenige, aber theologisch zentrale Stellen: In Röm  11,15 ist von „Verlust“, nicht von „Verwerfung“ (so erst: 1892) Israels die Rede. Haacker pointiert mit Recht: „Es geht hier nicht darum, ein ‚antijüdisches‘ Bibelwort zu entschärfen, damit es nicht noch mehr Unheil anrichtet. Was heute zu Röm 11,15 vorgeschlagen wird, ist die Tilgung eines antijüdischen Eingriffs in die Lutherbibel auf Kosten der nachweisbaren Wortbedeutung“ (244, Hervorhebung i. O.). Haacker verdeutlicht weiterhin, dass in der berühmt-berüchtigten Stelle Mt 27,25 keine Selbstverfluchung der Juden vorliegt (das Satz ist im Griechischen ohne Verb: ‚sein Blut über / auf uns und unsere / unseren Kinder / Kindern‘; Luthers Zufügung „komme“ entstammt der Vulgata), sondern es inhaltlich darum geht, dass die Schreienden für sich und ihre Kinder (nicht: Kindeskinder, etc.) das Risiko aufnehmen, selbst mit dem Tod bestraft zu werden, falls sich die Unschuld nachträglich herausstellt. „Eine passende moderne Übersetzung wäre: ‚Wir halten für seinen Tod unseren Kopf hin‘“ (245). Man darf gespannt sein, welche Vorschläge schließlich übernommen wurden. Seit Ende Oktober 2016 kann man es nachlesen. Themenheft: Die Revision der Lutherbibel für das Jahr 2017. EvTh 76 (2016) H.4; 84 Seiten. Das Themenheft präsentiert interdisziplinäre Beiträge aus dem Umfeld der derzeitigen Revision der Lutherbibel. Nach einer informativen Einführung des Vorsitzenden des sog. Lenkungsausschusses, Christoph Kähler, in Grundsätze, Kriterien und Verfahren der Revisionsarbeit folgen exegetische Beiträge (Helmut Utzschneider zum AT und Martina Böhm zum NT) sowie Analysen aus kirchengeschichtlicher (Stefan Michel), germanistischer (Ursula Kocher), systematisch-theologischer (Jörg Lauster) und praktisch-theologischer (Jochen Arnold zur Lutherbibel im Gottesdienst) Perspektive. Ein knapper wie instruktiver Überblick zur Revisionsarbeit! Kraus, Wolfgang / Kreuzer, Siegfried (Hg.): Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption. 4. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 19.–22. Juli 2012 (WUNT 325). Mohr Siebeck: Tübingen 2014; 928 Seiten. Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.): Die Septuaginta – Orte und Intentionen. 5. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 24.–27. Juli 2014 (WUNT 361). Mohr Siebeck: Tübingen 2016; 923 Seiten. Das Großprojekt „Septuaginta Deutsch“ hat in den vergangenen Jahren zur Veröffentlichung der deutschen Übersetzung der Septuaginta (Deutsche Bibelgesellschaft, 2009) und der ersten deutschen Kommentierung aller LXX-Schriften geführt (Deutsche Bibelgesellschaft, 2011, 2 Bde., 3151 Seiten). 2016 erschien im Gütersloher Verlagshaus der erste Band des wissenschaftlichen Handbuchs (LXX.H 1, hg. v. Siegfried Kreuzer) mit Einleitungen zu allen LXX-Schriften und zwei Artikeln zu LXX und NT. Die beiden umfangreichen Sammelbände bieten wie ihre drei Vorgängerbände (2006, 2008, 2010) die wissenschaftlichen Grundlagen für Übersetzung, Kommentierung und Handbuch. Neben detaillierten Untersuchungen zu Textgeschichte, Textkritik Philologie, Geographie und Theologie werden die Rezeptionen im Früh-

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Literaturbericht Liturgik. Helmut Schwier judentum, NT und in der Patristik analysiert. Innerhalb des NT werden dabei Markus, Lukas und Paulus in den Mittelpunkt gestellt. Dass sich die Septuaginta­ forschung zu einem eigenen und eigenständigen Bereich im Schnittfeld von hebräischer Bibel, NT und antiker Religionsgeschichte entwickelt hat, ist ebenso deutlich wie die damit verbundenen komplexen Fragestellungen.

Hermeneutik – Kanon – Schrift – Theologie – NT allgemein Nüssel, Friederike (Hg.): Schriftauslegung (TdT 8). Mohr Siebeck / UTB: Tübingen 2014; 270 S. In dem enzyklopädischen Lehrbuch zur Hermeneutik werden – wie in allen Bänden der Reihe  – alttestamentliche (Jan Christian Gertz), kirchengeschichtliche (Volker Decroll, Albrecht Beutel), systematisch-theologische (Jörg Lauster), praktisch-theologische (Christian Albrecht) Beiträge und eine Zusammenschau der Herausgeberin geboten; im umfangreichen neutestamentlichen Beitrag von Karl-Wilhelm Niebuhr (S. 43–103) wird „Schriftauslegung in der Begegnung mit dem Evangelium“ entfaltet – unter den leitenden Fragestellungen des Zusammenspiels von Exegese und den anderen theologischen Disziplinen, des Zusammenhalts der beiden Testamente in der einen Bibel, der normativen Bezeugung des Christusgeschehens, der historischen wie theologischen Bedeutung des Kanons (Apostolizität) und der Schriftauslegung in der Ökumene (einschließlich des interreligiösen Gesprächs). Luther, Susanne / Zimmermann, Ruben (Hg.): Studienbuch Hermeneutik. Bibelaus­ legung durch die Jahrhunderte als Lernfeld der Textinterpretation. Portraits – Modelle – Quellentexte. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2014; 390 Seiten, 1 CD-Rom. Das Studienbuch wird eröffnet durch einen kompakten Einführungstext der Herausgeber zur Hermeneutikgeschichte im Horizont der gegenwärtigen Debatten, die sowohl neuere antihermeneutische Entwürfe wie Fortschreibungen der philosophischen und bibelhermeneutischen Positionen umfasst (13–71). Daran schließen sich 28 Portraits an, die von der Patristik bis zur Postmoderne reichen und deren Beiträge und Modelle zur Hermeneutik darstellen und würdigen; dabei werden nicht nur „Klassiker“ (Origenes, Augustin, Luther, Semler, Schleiermacher, Strauß, Bultmann, Ebeling), sondern auch eher unbekannte Beiträge (Hildegard von Bingen, Müntzer, Chladenius, Spinoza, u. a.) berücksichtigt. Von den zeitgenössischen Hermeneutikern werden Benedikt XVI., Carlos Mesters, Elisabeth Schüssler Fiorenza, Hans Weder, Klaus Berger und Pierre Bühler präsentiert. Natürlich sind solche Auswahlen immer kritisierbar vor allem im Blick auf Lücken; dass der jüngste präsentierte Text von 1996 stammt, haben die Herausgeber begründet und durch ihre Skizze der gegenwärtigen Bibelhermeneutik bis 2014 (40–59) vervollständigt; dass Ricœur ebenfalls nur im Überblick (27 f)  und nicht unter den Portraits erscheint (vgl. 65 f, Anm. 250), ist bedauerlich. Am Ende jedes Kapitels finden sich Lern- und Studienaufgaben anhand der jeweiligen Quellentexte; diese Texte (teilweise zweisprachig) befinden sich auf der beigefügten CD-Rom. Ein klug disponiertes Arbeitsbuch zum Selbststudium und für den Unterricht! Theißen, Gerd: Polyphones Verstehen. Entwürfe zur Bibelhermeneutik (Beiträge zum Verstehen der Bibel, Bd. 23). LIT Verlag: Berlin 2014, 507 S. Als Rechenschaft und Rückblick auf seine Forschungen (229–253) zeigt der Heidelberger Neutestamentler sein bibelhermeneutisches Programm, das aber bewusst als

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„Entwürfe“, nicht als Ausarbeitung des Programms bezeichnet wird (4). Polyphones Verstehen und eine polyphone Hermeneutik setzen gegen die großen monothematischen Entwürfe auf die Mehrstimmigkeit schon des biblischen Zeugnisses. „Ausgangspunkt ist, dass wir schon in der Bibel eine Pluralität von Standpunkten und Meinungen finden, die sich nicht harmonisieren lassen. Selbst ihre grundlegenden Überzeugungen bestehen in einer spannungsvollen Pluralität von Axiomen und Grundmotiven, dazu kommt eine Offenheit von Sinndeutungen in jedem einzelnen Text: Die Texte beziehen sich ästhetisch auf sich selbst, öffnen historische Durch­ blicke, setzen ethische Impulse frei, koordinieren das Verhalten von Menschen, weisen auf Gott“ (3). Daher wird in sechs Teilen mit je drei Kapiteln das Programm des polyphonen Verstehens (1. Teil), die kanonische Dimension der Auslegung als Motivation zur Lektüre (2. Teil), die kritische Dimension als Frage nach dem Wahren (3. Teil), die ethische Dimension als Frage nach dem Guten (4. Teil), die ästhetische Dimension als Frage nach dem Schönen (5. Teil) und die theologische Dimension als Frage nach Gott (6. Teil) hermeneutisch entfaltet. Auch wenn die insgesamt 18 Kapitel auf bereits veröffentlichten Texten beruhen, sind diese soweit überarbeitet worden, dass sich sowohl ein stringenter Zusammenhang ergeben hat als auch die ausgewählte Lektüre möglich und gewinnbringend ist. „Die Polyphonie der Bibel und ihrer vielen Sinndimensionen kann nur durch eine Pluralität von Methoden und Ansätzen zum Klingen gebracht werden. Aber das Motto eines ‚polyphonen Verstehens‘ wurde auch gewählt, weil polyphone Musik eine streng strukturierte Musik ist. Sie hat ein Thema, das variiert, durchgeführt und in andere Lagen versetzt wird. Sie lebt von Nebenthemen und Gegenthemen. Ein solches Thema hat auch die Bibel: Sie ist die Chance der Kontaktaufnahme mit Transzendenz“ (3). Diese Kontakt- oder Dialogaufnahme mit Gott ist das theologische Zentrum der Polyphonie im Sinne eines musikalischen „Themas“: „Dabei wird im Nebeneinander und Miteinander verschiedener selbständiger Stimmen immer auch eine Polyphonie der Bedeutung in jeder einzelnen Stimme hörbar. Jede Stimme ist für verschiedene Interpretationen offen. Alles Gehörte wird dadurch für verschiedene Deutungen offen – bis wir selbst lernen, in diesem Stück mit zu musizieren und in unserem eigenen Leben diese Musik weiter zu spielen. Manche mögen das als Solisten tun. Aber Musik ist am schönsten im Zusammenspiel“ (63 f). Luz, Ulrich: Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, XXIX + 579 S. Wie Gerd Theißen versteht auch Ulrich Luz seine Hermeneutik als Rechenschaft der eigenen exegetischen Arbeit. Allerdings liegt hier ein ausgearbeitetes hermeneutisches Programm vor, das als Lern- und Arbeitsbuch grundlegende Informationen der Hermeneutikgeschichte und -modelle sowie die Problemstellungen gegenwärtigen neutestamentlichen Erklärens und Verstehens vermittelt. Die einzelnen Kapitel, zu denen interessanterweise auch eins zur Bildhermeneutik gehört, bieten in der Regel eine problemgeschichtliche Einleitung, eine Durchführung und zusammenfassende Thesen. Luz charakterisiert seine Grundentscheidungen, indem er die Besonderheit der theologischen Hermeneutik markiert (26–28): sie nimmt den Kanon als KoText wahr, geschieht in Verbindung mit der Kirche, hat dialogischen Charakter und spricht von Gott. „Theologische Hermeneutik erweist sich darin als theologisch, dass sie einen Beitrag zum gegenwärtigen Identitätsdiskurs von Christinnen und Christen und von Kirche leisten will. Zur Identität jeder Gemeinschaft gehört Gleichheit und Differenz, Kontinuität und Diskontinuität, Selbstdarstellung nach außen und Wahrnehmung von außen. […] Persönliche Identität ist keine Essenz, sondern

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das Resultat eines andauernden Identifikationsprozesses. In ähnlicher Weise ist Identität einer Gemeinschaft nichts Stabiles, sondern etwas sich Veränderndes, sich Bildendes und Neubildendes, ein andauernder Konstruktionsprozess, aber wesenhaft bezogen auf Tradition, und eben darin ‚Gleichheit‘ im Wandel. … theologische Hermeneutik […] nimmt auf, dass Aussagen über die ‚Sache‘ der Texte, Gott, immer zugleich sich verändernde Aussagen über den Menschen und die Welt sind. Sie nimmt auf, dass die neutestamentlichen Texte den einzelnen Menschen immer als Teil von sich verändernden Gemeinschaften verstehen, nicht zuletzt der Kirche“ (27 f). Kirche wird dabei verstanden als „eine grenzenlose Dialoggemeinschaft von Konfessionen und Menschen, die auf die Bibel hören und sie auslegen, die unterwegs sind auf einem Weg zu wechselseitigem Verständnis, zu Konsens und zur Liebe“ (556), einer Kirche, die, metaphorisch formuliert, zwar eine Mitte wie ein wärmendes Feuer, aber keine trennenden Außenwände hat (vgl. 558). Diese theologische Hermeneutik ist eine dialogische Hermeneutik: Sie tritt ein in den Dialog mit den Texten des NT, adressiert die Kirche, aber auch ihr Fernstehende, und lädt ein zur gemeinsamen Fortsetzung des Dialogs über die Bibel, um auch im säkularen Kontext von Gott zu reden. Wischmeyer, Oda: Kanon und Hermeneutik in Zeiten der Dekonstruktion. Was die neutestamentliche Wissenschaft gegenwärtig hermeneutisch leisten kann, in: EveMarie Becker / Stefan Scholz (Hg.): Auf dem Weg zur neutestamentlichen Hermeneutik, FS Oda Wischmeyer. A. Francke Verlag: Tübingen 2014, 13–68. Die eher kleine (153 Seiten) Festschrift hat ein anregendes, durchaus vorbildliches Format: Sie wird durch einen programmatischen Aufsatz der Jubilarin eröffnet (erstmals 2012 veröffentlicht), der dann in acht Beiträgen, vor allem aus patristischer, aber auch aus neutestamentlicher und textwissenschaftlicher Sicht befragt und vertieft wird. Wischmeyer zeigt in ihrem luziden Stil die gegenwärtigen Herausforderungen neutestamentlicher Hermeneutik, die auf dem Hintergrund ihrer eigenen Fachgeschichte und im heutigen Kontext von Dekanonisierung und Dekonstruktion zu meistern sind. Die leitende These, die dann mit stupender Gelehrsamkeit entfaltet und begründet wird, lautet: „Die Schriften des Neuen Testaments brauchen im hermeneutischen Diskurs der Gegenwart keine eigene Verstehenslehre bzw. Kanon­ hermeneutik, sondern eine hermeneutische Reflexion ihrer Rezeptionsgeschichte, also Kanonforschung. Es liegt bei dem Leser, ob und in welcher Weise er den kanonischen Texten einen besonders Status zusprechen will. Eine vorgegebene Kanonhermeneutik kann diese Entscheidung nicht herbeiführen.“ (62). Koch, Dietrich-Alex: Kanon und Geschichte, in: Eve-Marie Becker / Stefan Scholz (Hg.): Auf dem Weg zur neutestamentlichen Hermeneutik, FS Oda Wischmeyer. A. Francke Verlag: Tübingen 2014, 103–111. In Aufnahme der Überlegungen Oda Wischmeyers zur Kanonbildung und Kanonforschung (s. o.) zeigt Koch Grundlinien der präkanonischen Sammlungen von Paulusbriefen und Evangelien auch über die engeren ersten Trägerkreise hinweg. Sein Fazit: „Die Kanonbildung ist die logische Konsequenz der wechselseitigen Rezeption der unchristlichen Literatur in den unterschiedlichen urchristlichen Gruppierungen und Bereichen. Diese wechselseitige Rezeption hat die grundsätzliche Zusammengehörigkeit des Urchristentums zur Voraussetzung und bestärkt sie ihrerseits. Der Kanon wird so – neben Taufe und Eucharistie – zum identitätssichernden Faktor und somit zum Gegengewicht gegen die natürlich vorhandenen zentrifugalen Kräfte, und er verweist bis heute die christlichen Kirchen und Konfessionen auf ihren gemeinsamen Ursprung“ (110).

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Körtner, Ulrich H. J.: Arbeit am Kanon. Studien zur Bibelhermeneutik. Ev. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 269 S. In sieben Kapiteln, die sechs bereits veröffentlichte Aufsätze und einen bisher unveröffentlichten Vortrag darstellen, präsentiert Körtner exemplarisch interdisziplinäre Studien zur Hermeneutik des Kanons und spannt den Bogen von der Übersetzungsarbeit, über den Beitrag der Bultmannschule zur Reflexion des Kanons, die Funktion und Probleme von Predigtperikopen (gehört ins Vorfeld der Perikopenrevision), die gegenwärtige systematisch-theologische Rezeption der paulinischen theologia crucis bis hin zu Bibliodrama und Leiblichkeit. Abschließend verbindet Körtner seine frühen Ansätze einer Hermeneutik des Unverständnisses mit einer Hermeneutik der Transzendenz. „Eine eschatologische Hermeneutik der Transzendenz produziert nicht, sondern proklamiert einen Sinn des Lebens und der Welt, der beiden einzig von Gott her zukommen kann. Sie gründet in der Erfahrung eschatologischer Sinn-Stiftung, d. h. eines Zuspruches und einer Verheißung. […] Eschatologische Sinn-Stiftung bedeutet … nicht, dass allem und jedem ein letzter Sinn zugesprochen würde, sondern dass ein Sinn gestiftet wird, der es ermöglicht, auch das Sinnwidrige zu ertragen, statt es zu Sinnhaftem umzudeuten“ (248 f). Frey, Jörg: Von Jesus zur neutestamentlichen Theologie. Kleine Schriften II, hg. v. Benjamin Schliesser (WUNT 368). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 940 S. Die umfangreiche Sammlung bietet bis auf zwei Ausnahmen bereits gedruckte Aufsätze des Zürcher Neutestamentlers mit starken Tübinger Wurzeln unter anderem zu den Themenfeldern historischer Jesus, Deutungen des Todes Jesu als Stellvertretung, Paulus und sein Wirken, Kreuzestheologie, Geschichte des Heiligen Geistes im NT, Apostolizität, Aufgabe und Durchführung einer Theologie des NT. Bei den viel­fältigen und präzisen philologischen, historischen und theologischen Analysen steht im Hintergrund „die hermeneutische Überzeugung, dass das Neue Testament als ‚verbindliches Zeugnis‘ nach wie vor Entscheidendes für die Theologie, die Kirche und das eigene Leben zu sagen hat“ (VI). Lindemann, Andreas: „… wie geschrieben steht“? Zur theologischen Bedeutung von Schriftbeweisen, in: Christof Landmesser / Andreas Klein (Hg.): Normative Erinnerung. Der biblische Kanon zwischen Tradition und Konstruktion. Ev. Verlagsanstalt: Leipzig 2014, 19–50. Im neutestamentlichen Beitrag des interdisziplinären Bandes der 15. Jahrestagung der „Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie“ untersucht Vf. detailliert den Schriftgebrauch in Gal 3 und bei späteren Autoren im frühen Christentum (Lk, Jak, 1 Clem, 2 Petr, Ignatius, Marcion, Justin). „Der neutestamentliche Kanon ist in seinem Kern nicht das Ergebnis einer die vorhandene christliche Überlieferung kritisch bewertenden kirchlichen Zensur, sondern die Folge einer realen Rezeption der Texte in den christlichen Gemeinden“ (47). Die Vielstimmigkeit des Kanons, die auch „unkontrollierten theologischen Wildwuchs“ (48) vermindert, braucht kritische und argumentative Auslegung, „damit er gegenwärtig gehört werden kann“ (50). Landmesser, Christof / Popkes, Enno Edzard (Hg.): Verbindlichkeit und Pluralität. Die Schrift in der Praxis des Glaubens. Ev. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 142 S. Dieser Sammelband der 16.  Jahrestagung der „Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie“ knüpft thematisch an den 2014 erschienenen Tagungsband an (s. o.). Während Thomas Schlag dem biblical turn in der Praktischen Theologie nachgeht und für einen freiheitlichen Schriftgebrauch votiert, finden sich neben dogmatischen und kirchenrechtlichen Beiträgen drei exegetische, unter ihnen zwei neutestamentliche, Untersuchungen.

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Michael Theobald untersucht die Bedeutung des Psalters als Matrix der neutestamentlichen Passionserzählungen (S. 69–95), um dadurch die Frage nach der Christologie zu konturieren. Sein Ergebnis: „Der Psalter stellt die Matrix der alten Passionserzählung dar, was die Forschung insbesondere für Psalm 22 als Grundlage der Kreuzigungsszene nachhaltig erwiesen hat. Aber genauso wichtig wie die Psalmen vom leidenden Gerechten sind, um die spezifische Verwendung der titularen Trias Messias – Sohn Gottes – König (der Juden) in der alten Passionserzählung zu verstehen, die Königspsalmen, allen voran Ps 2 als Eröffnungstext des Psalters. Gegen den ursprünglich dem titulus crucis von den Römern beigelegten politisch-messianischen Sinn wird er in der Passionserzählung unter dem Vorzeichen des österlichen Bekenntnisses und im Licht des Psalters einer gründlichen Neuinterpretation unterzogen“ (93). Der Rückbezug auf die Schrift wird dabei aber nicht als bloß nachträgliche (= unhistorische)  Verwendung gesehen, sondern als kreatives, schöpferisches Vorgehen im Grundvertrauen auf die Schrift, die die tiefe Sprachlosigkeit angesichts des Todes Jesu überwindet. Im Übergangsbereich von neutestamentlicher und patristischer Forschung untersucht Enno Edzard Pokpes frühchristliche Trennungsprozesse unter dem Gesichtspunkt der zugrundeliegenden Schrifthermeneutik (S. 97–115). Sowohl in den judenchristlich-heidenchristlichen Trennungsprozessen wie bei den gnostischen Schulbildungen bildet die Auslegung der Schrift oder autoritativer Texte „nicht das Fundament einer Verständigung, sondern Kristallisationspunkte der Kontroversen. Die hermeneutischen Prämissen der konträren Interpretationen der gleichen Bezugstexte lagen zumeist außerhalb der rezipierten Texte“ (115). Schnelle, Udo: Einleitung in das Neue Testament. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 82013, 638 S. Ders.: Theologie des Neuen Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 22014, 747 S. Ders.: Die ersten 100 Jahre des Christentums 30–130 n. Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2015, 589 S. Udo Schnelle ist ein Meister der Lehrbücher. In gekonnter Unterscheidung zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem und gleichzeitig in kompakter wie präziser Sprache sind sowohl die „Einleitung“ wie die „Theologie“ wie die „Geschichte“ unverzichtbare Standardliteratur für Studium und exegetische Fortbildung. Schnelle bietet eine zuverlässige literaturwissenschaftliche Einleitung in die 27 Schriften des NT, markiert theologische Grundlinien und die Tendenzen der neuesten Forschung. Die umfangreiche Theologie, die mit Begriff und Phänomen der ‚Sinnbildung‘ die Botschaft Jesu und die verschiedenen Transformationen neutestamentlicher Theologie und ordnet sie den einzelnen Schriften (samt der sog. Logienquelle) bzw. dem Paulus zu. Besonders hilfreich ist die klare Strukturierung durch die Begriffe Theologie, Christologie, Pneumatologie, Soteriologie, Anthropologie, Ethik, Ekklesiologie, Eschatologie und theologiegeschichtliche Stellung, die allen Kapiteln zugrunde liegen und Entwicklungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede schnell erkennen lassen. In der Geschichte wird deutlich, dass und wie das Christentum von Anfang an eine plurale Bewegung war, in der Ideen- und Ereignisgeschichte eine Einheit bildeten und die eine erstaunliche kulturelle Leistung in Gestalt enormer Literatur­produktion bot. Die durch Abbildungen, Graphiken und Zusammenfassungen angereicherten Darstellung mündet in 15 Gründe für den Erfolg des frühen Christentums: „Die frühchristlichen Missionare bewegten sich innerhalb eines Politik-, Wirtschafts- und Sprachraumes, der trotz seiner regionalen Ausprägungen als eine gemeinsame Welt empfunden wurde. Diese günstigen äußeren Bedingungen verbanden sich mit einem

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neuartigen, expansiven Missionskonzept sowie attraktiven Lehrinhalten und Lebensformen. Das Zusammenspiel dieser Faktoren begünstigte erheblich die Verbreitung der neuen Bewegung der Christen. In einer durch griechisch-römischen Ethnozentrismus geprägten Gesellschaft praktizieren die Christen ein exklusives Modell der geschwisterlichen Offenheit und Gleichheit, das utopische Elemente enthält und grundlegende Wertvorstellungen der Antike hinter sich lässt. So entwickelte sich das frühe Christentum sehr schnell zu einem neuen kulturellen System“ (562). Unverzichtbare Grundlagenliteratur auch für Unterricht und Verkündigung! Klumbies, Paul-Gerhard: Herkunft und Horizont der Theologie des Neuen Testaments. Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 189 S. Klumbies plädiert für eine theologische Theologie des NT. Im Durchgang durch die Entscheidungen seit der Aufklärung, ihrer Unterscheidung in Biblische und Dogmatische Theologie, die in dann nicht selten zu einer Trennung wurde, und der Dominanz des Historischen in der NT-Exegese führt Klumbies die Defizite dieser Entwicklung vor Augen. Die Rede von der Auferweckung Jesu wird dabei zu Recht als Fokus der Grundspannung von Deutung und Offenbarung erkannt: „Die Rede von der Auferweckung Jesu Christi als dem zentralen Identifikationspunkt der christlichen Religion hält die theologische und die historische Dimension in einer spannungsvollen Einheit beieinander“ (109). Was heißt theologische Theologie des NT? „Anzustreben ist die Ausformulierung einer neutestamentlichen Theologie, deren Referenzpunkt die Selbstoffenbarung Gottes innerhalb wie jenseits der historisch fassbaren Dokumente im Neuen Testament darstellt. Die theologische Interpretation steht unter der Erwartung, dass eine Analogie zwischen historischem Ursprungsort der neutestamentlichen Überlieferung und gegenwärtiger Auslegungssituation besteht, insofern die bleibende Menschwerdung Gottes in Vergangenheit und Gegenwart vorausgesetzt wird“ (151). Dazu ist es auch nötig, Mythos und Narrativität in das Zentrum der Theologie des NT zurückzuholen. Ein anregendes Plädoyer aus dem Feld der hermeneutischen Theologie! Eskola, Timo: A Narrative Theology of the New Testament. Exploring the Metanarra­ tive of Exile and Restoration (WUNT 350). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 477 S. In seiner umfangreichen Studie legt der finnische Neutestamentler wie im Untertitel markiert, eine Untersuchung der Metaerzählung von Exil und Wiederherstellung vor. Hier ist auch Jesu Tempelkritik zu verorten. Die von ihm gegründete priesterliche Gemeinschaft sieht den Beginn der Wiederherstellung in Jesu Wirken, fortgesetzt in der Verkündigung des Evangeliums, die in eine eschatologische Sohn-Davidsund Auferstehungschristologie mündet und in unterschiedlicher Weise bei Paulus und Johannes die Gemeinde als neuen Tempel erkennen lässt. Beck, Johannes U.: Verstehen als Aneignung. Hermeneutik im Markusevangelium (ABG 53). Ev. Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 579 S. In dieser umfangreichen Tübinger Dissertation (Betreuer: Christof Landmesser) entfaltet Beck die systematische wie exegetische These, dass das Mk eine eigene Hermeneutik, also Verstehenskonzeption, besitzt, die durch Wahrnehmung und Reflexion des Erzähltextes erkennbar wird und damit auf der grundlegenden Differenzierung in Erzählebene (Ebene der erzählten Welt) und Diskursebene (Ebene der Darstellung der erzählten Welt mittels narrativer Konfiguration) beruht. Beck entwickelt seine Hermeneutik zunächst im Gespräch mit den bekannten „Klassikern“ (Heidegger, Bultmann, Fuchs, Gadamer, Ricœur, Eco, Figal) und verbindet sie dann mit der Exegese des Mk, die schließlich auf die Formel „Verstehen als Aneignung“ zielt (218 ff, 383 ff), also auf den vor allem von Paul Riœur akzentuierten Begriff. Ein „adäquates

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Verstehen Jesu und des Reiches Gottes [ist] nur als Aneignung und so als existentiell umfassendes Geschehen möglich. Zugleich bedingt es stets eine Enteignung im Sinne der Infragestellung der stabilisierenden Sicherungen des Selbst- und Weltverständnisses und ist damit je neu zu vollziehen“ (501). Pricop, Cosmin: Die Verwandlung Jesu Christi. Historisch-kritische und patristische Studien (WUNT II, 422). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 378 S. Pricop hat orthodoxe wie evangelische Theologie studiert und arbeitet derzeit als Priester in Bukarest. Die vorliegende Frankfurter Dissertation, betreut durch Ute E. Eisen, präsentiert eine historisch-kritische Exegese der Verklärungs- bzw. Verwandlungsgeschichte und eine Untersuchung der entsprechenden Auslegungen von Origenes, Johannes Chrysostomos und Hieronymus. Dadurch werden historischkritische wie patristische Exegesen in ihren Ähnlichkeiten wie Unterschieden konkret aufgewiesen und aufeinander bezogen. Niebuhr, Karl-Wilhelm: Gerechtigkeit und Rechtfertigung bei Matthäus und Jakobus. Eine Herausforderung für gegenwärtige lutherische Hermeneutik in globalen Kontexten, ThLZ 140 (2015), 1329–1348. Niebuhr gewährt Einblicke und Informationen zu dem derzeitigen globalen hermeneutischen Studienprojekt des LWB zu Schriftauslegung, Verkündigung und kirchlicher Praxis, konkretisiert am Verständnis von Gerechtigkeit im NT außerhalb von Paulus. Niebuhr schließt mit der Einsicht: „… neben der paulinischen Theologie können auch das Matthäusevangelium, der Jakobusbrief und noch weitere neutestamentliche Schriften Anstoß und Orientierung geben, um die ‚Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin (zu) orientieren‘“ (1348). Wengst, Klaus: Christsein mit Tora und Evangelium. Beiträge zum Umbau christlicher Theologie im Angesicht Israels. Kohlhammer: Stuttgart 2014, 220 S. In diesem Buch versammelt Wengst verschiedene, teils bereits veröffentlichte Beiträge, die der Kritik und Konstruktion christlicher Theologie im Kontext Israels dienen. Neben anregenden biographischen und historischen Reflexionen (z. B. über die theologische Judenfeindschaft als Geburtsfehler des Protestantismus) widmen sich die exegetischen Analysen der Auferstehung, dem Verständnis des Todes Jesu, dem Abendmahl und der Soteriologie im Römerbrief. Oldenhage, Tania: Neutestamentliche Passionsgeschichten nach der Shoah. Exegese als Teil der Erinnerungskultur (Judentum und Christentum 21). Kohlhammer: Stuttgart 2014, 315 S. In ihrer Basler Habilitationsschrift (Erstgutachter war Ekkehard W. Stegemann) untersucht Oldenhage den sogenannten Blutruf (Mt  27,25), die Seligpreisung der Unfruchtbaren (Lk  23,29) und den Schrei der Gottverlassenheit am Kreuz (Mk 15,34 / Mt 27,46) in den Exegesen vor und nach der Shoah. Sie votiert entschieden für die notwendige Erinnerungsarbeit innerhalb der exegtischen Wissenschaft. „Eine Exegese der Passionsgeschichten nach der Shoah darf sich nicht damit begnügen, diese biblischen Texte möglichst frei von antijüdischen Vorstellungen zu besprechen und historisch-kritisch zu untersuchen. Stattdessen muss sie lernen, mit den vielfältigen Resonanzen zwischen den biblischen Texten und der Holocaust-Literatur umzugehen. Vielleicht wird die Brisanz der Holocaust-Erinnerung irgendwann einmal verblassen. Noch ist das nicht abzusehen. Im Gegenteil, ich vermute, dass das Ringen mit der Holocaust-Erinnerung die nächsten Generationen insbesondere in Deutschland weiter beschäftigen wird. Wir sollten den Zeitpunkt nicht verpassen, diesem Ringen einen festen Platz in der Forschung zum Neuen Testament zu geben“ (289).

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Bormann, Lukas (Hg.): Neues Testament. Theologische Themen. Neukirchener Verlagsgesellschaft: Neukirchen-Vluyn 2014, 358 S. Dieses neue Lehrbuch, das das 1999 in 7. Auflage zuletzt erschienene Arbeitsbuch von Jürgen Roloff ablöst, präsentiert historische und theologische Querschnitte und Themen auf dem derzeitigen Stand der Forschung. Es dient Studierenden zur Erarbeitung von Grundwissen und Lehrenden, Pfarrerinnen und Pfarrern zur Einarbeitung und Vertiefung zentraler Fragestellungen des NT. Behandelt werden folgende Themen auf je ca. 20 Seiten: das antike Judentum (Peter Wick), Gottesherrschaft (Stefan Schreiber), Gleichnisse (Peter Müller), Wunder (Bernd Kollmann), Bergpredigt (Theo K. Heckel), der Menschensohn und die Entstehung der Christo­logie (Lukas Bormann), der Tod Jesu und seine Deutung (Wolfgang Kraus), Auferstehung (Günter Röhser), Jerusalemer Konvent (Martin Meiser), Gemeinde, Kirche, Amt­ (Sabine Bieberstein), Taufe (Dieter Sänger), Abendmahl (Jens Schröter), Glaube (Udo Schnelle), Gesetz (Martin Tiwald), Ethik und Politik (Lukas Bormann), Eschatologie (David S. du Toit). Ein gut gelungenes und anregendes Lehr- und Nachschlagewerk, dem in der nächsten Auflage unbedingt auch ein Bibelstellenregister beigefügt werden sollte! Kollmann, Bernd: Neues Testament kompakt. Kohlhammer Verlag: Stuttgart 2014, 356 S. In allgemeinverständlicher und klarer Sprache umfasst dieses Lehrbuch nahezu alle relevanten Aspekte der Erforschung und Auslegung des NT: Einleitung in alle Schriften, einschließlich einiger außerkanonischer Texte, Überblick über die Zeitgeschichte (zeitgeschichtlicher Kontext, Geschichte des Judentums bis zur rabbinischen Literatur, Geschichte des Urchristentums bis zu den Anfängen der christlichen Gnosis), Einführung in die Methoden der Textanalyse und in die Hermeneutik, biographische Portraits der wichtigsten Personen im NT (für Jesus und Paulus je eigene Kapitel mit ca. 30 Seiten, sonst ca. 1–2seitige Darstellungen) und schließlich thematische Querschnitte (z. B. Wunder, Gleichnisse, Taufe, Abendmahl, Christologie, Soteriologie) und Grundthemen (Nächstenliebe, Ehe und Scheidung, Homosexualität, Kinder, Eigentum, Sklaverei, Verhältnis zum Staat). Ein tatsächlich – wie der Titel verspricht – kompaktes Lehrbuch, nicht nur für Studierende, sondern für alle am NT Interessierte! Wilk, Florian: Erzählstrukturen im Neuen Testament. Methodik und Relevanz der Gliederung neutestamentlicher Texte. UTB / Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 172 S. Wilk legt hier ein kleines Lehr- und Übungsbuch zur Gliederung neutestamentlicher Erzählungen vor. Nach einer knappen Einleitung werden die Methodenschritte an sechs Beispielen erprobt, die vom knappen Gleichnis vom Schatz im Acker über kurze Heilungen, die ausgeführte Geschichte vom verlorenen Sohn zu größeren Textkomplexen (Apg 10 f; Joh  7–10) und schließlich zum gesamten Markusevangelium führen. Abschließend werden Leitfragen geboten, die das Vorgehen zusammenfassen und konkret anleiten (146–148): inhaltlicher Zusammenhang (narratives Inventar, Rahmen, Verlauf), Wiederaufnahmestruktur (Handlungsträger, Gegenstände und Sachverhalte), gestalterischer Zusammenhalt (Kommunikationsebenen, narrative Stilmittel, syntaktische Phänomene). Reynolds, Benjamin E./ Lugioyo, Brian / Vanhoozer, Kevin J. (Hg.): Reconsideration the Relationship between Biblical and Systematic Theology in the New Testament. Essays by Theologians and New Testament Scholars. FS Robert H. Gundry (WUNT II, 369). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 308 S. In diesem Sammelband nehmen die Autoren die Ansätze und Anregungen des Jubilars auf und dokumentieren systematisch-theologische und exegetische Beiträge zum

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NT. Nach drei einführenden Beiträgen folgen vier Analysen von Exegeten zur Christologie der Synoptiker, zur eucharistischen Sprache in Joh 6, zur Auferstehungsformel in 1Kor 15 und den Geschichten vom leeren Grab, zu 1Kor 7,32 ff und zu Apk 20; die systematisch-theologischen Reflexionen widmen sich dem Jakobusbrief in der Auslegung Luthers und der Radikalen, der paulinischen Soteriologie und Anthropologie. Vanhoozer bündelt: „Systematic theology is not simply a second step that follows biblical theology; rather, it is a partner in the exegetical process itself, explicating the text’s meaning by penetrating to the level of judgements: moral, ontological, and theodramatic. […] In the final analysis, both NT theology and systematic theology contribute to the formation of disciples who exercise good theodramatic judgement in diverse particular situations – disciples who theologize in different contexts, with many concepts, yet in ways that preserve and continue the same biblical theodrama of the one Jesus Christ“ (38). Luther, Susanne / Röder, Jörg / Schmidt, Eckart D. (Hg.): Wie Geschichten Geschichte schreiben. Frühchristliche Literatur zwischen Faktualität und Fiktionalität (WUNT II, 395). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 452 S. Der Sammelband umfasst im Wesentlichen die Beiträge einer Tagung neutestamentlicher Assistentinnen und Assistenten, auf der die sprachphilosophischen und literaturwissenschaftlichen Impulse für die neuere Historiographie reflektiert wurden, vor allem im Blick auf die im Untertitel genannte Grundspannung. Sie wird in grundsätzlicher Weise ebenso untersucht wie anhand konkreter Perikopen (z. B. Kindermord unter Herodes) und größerer Textzusammenhänge (z. B. hinsichtlich Pseudepigraphie). Während im Anschluss an die Thesen Hayden Whites der Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen, Faktualität und Fiktionalität auch für die Geschichtsschreibung nivelliert worden war, votiert die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Vera Nünning für die basale Unterscheidung zwischen zuverlässigen und unzuverlässigen Beschreibungen und verbindet dies mit kontextuellen, textinternen und paratextuellen Kriterien und unterschiedlichen Funktionen zuverlässiger und unzuverlässiger Erzählungen. „… im Bereich der Funktionen von unzuverlässigem Erzählen bestehen … große Unterschiede zwischen faktualen und fiktionalen Texten. Anlass genug, den vorherrschenden Nivellierungstendenzen mit Skepsis zu begegnen und zu untersuchen, wie man die Besonderheiten von zuverlässigem und unzuverlässigem faktualen Erzählen näher bestimmen kann“ (56).

Gott Feldmeier, Reinhard: Der Höchste. Studien zur hellenistischen Religionsgeschichte und zum biblischen Gottesglauben (WUNT 330). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 561 S. Der Göttinger Neutestamentler, der schon gemeinsam mit Hermann Spieckermann 2011 eine anregende biblisch-theologische Gotteslehre verfasst hat (vgl. JLH 53 [2014] 65), legt hier einen umfangreichen Band mit gesammelten Aufsätzen zum Thema vor (darunter mitsamt der Hinführung vier bisher unveröffentlichte Texte). In den drei Teilen „Der Eine“, „Der Höchste“ und „Der Heilige“ zeigt Feldmeier detailliert, wie der biblische Gottesglaube im Kontext antiker Philosophie und Religion in einem fortwährenden wie dialektischen Prozess von Anpassung und Abgrenzung, Aneignung und Abstoßung, Überbietung und Überformung (vgl. S. 20) zur Sprache gelangt. Zum Beispiel wird gezeigt, wie die stoische Zeusallegorese über die kritische

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Verarbeitung im frühjüdischen Aristeasbrief Gott als „Beleber der Toten“ bekennt und schon fast als praeparatio evangelica gelten kann. Janowski, Bernd / Popkes, Enno Edzard (Hg.): Das Geheimnis der Gegenwart Gottes. Zur Schechina-Vorstellung im Judentum und Christentum (WUNT 318). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 405 S. Innerhalb der pluralen Rede von der Gegenwart Gottes in den biblischen Schriften und Traditionen besitzen die Schechina-Vorstellungen eine besondere Bedeutung in der jüdischen Tradition. Der vorliegende Sammelband untersucht im ersten Teil (1 ff)  die jüdischen Schechina-Vorstellungen vom AT bis zu den rabbinischen und kabbalistischen Traditionen, während der zweite Teil (175 ff) das NT, Auslegungen der Alten Kirche und des 17./18. Jahrhunderts (England und Nordamerika) in den Blick nimmt. Im NT werden Schechina-Vorstellungen in der paulinischen Theologie (Samuel Vollenweider), im Eph (Hermann Lichtenberger), dem JohEv. (Jörg Frey) und der Apk (Franz Tóth) untersucht. David du Toit analysiert Motive der Gottesgegenwart in der synoptischen Tradition: Wahrscheinlich zum historischen Jesus, auf jeden Fall zu einer vor-synoptischen Stufe, gehört die Vorstellung von der Repräsentanz Gottes durch seinen Boten und Geistträger Jesus, der in der Erweiterung durch Q und Mk Gottes wirksame Gegenwart vermittelt; erst Mt sieht hier eine Konkurrenz zwischen der Gegenwart Gottes im Tempel und in Jesus und übertragt daher die „Vorstellung einer Einwohnung Gottes auch auf den erhöhten Jesus, so dass der in der Gemeinde allzeit gegenwärtige Erhöhte den Tempel als Ort der Einwohnung Gottes auf Erden ablöst“ (202); außerdem bereitet Mt die Vorstellungen von der Kirche als „Modus der Präsenz Jesu und somit der Präsenz Gottes in der Welt“ (ebd.) vor. Landmesser, Christof: Das gegenwärtige Ende. Geschichte in neutestamentlicher Perspektive, in: Michael Meyer-Blanck (Hg.), Geschichte und Gott. XV. Europäischer Kongress für Theologie vom 14.–18. September 2014 in Berlin (VWGTh 44). Leipzig 2016, 77–95. Im neutestamentlichen Hauptvortrag zum Kongress zeigt Landmesser die theologischen Linien zum Verstehen des Handelns Gottes in der Geschichte, vor allem in paulinischer Perspektive auf das fundamentale Christusgeschehen. Der Ertrag für die Glaubenden wird überzeugend in die Begriffe Identitätsgewinn, Kontingenz­ bewältigung und Sinnerschließung gebündelt.

Jesus Christus Schröter, Jens (Hg.): Jesus Christus (TdT 9). Mohr Siebeck / UTB: Tübingen 2014, 338 S. In dem enzyklopädischen Lehrbuch zur Christologie werden  – wie in allen Bänden der Reihe  – alttestamentliche (Markus Witte), kirchengeschichtliche (Martin Ohst), systematisch-theologische (Notger Slenczka), praktisch-theologische (Helmut Schwier), religionswissenschaftliche (Klaus Hock) Beiträge und eine Zusammenschau des Herausgebers geboten; im zentralen neutestamentlichen Beitrag von Reinhard von Bendemann (71–118) werden die Christologien des NT exemplarisch und profiliert präsentiert: Jesus von Nazareth als Grund der Christologie, der auferstandene Gekreuzigte als Integral der Liebe Gottes (Paulus), der leidende Menschensohn und die narrative Christologie (Mk), der einziggeborene Sohn als Gesandter des Vaters (Joh), die priesterliche Konzeptualisierung der Bedeutung Jesu (Hebr) und die apokalyptische Christologie in der Offb.; Schröter antwortet auf die Frage

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nach Kohärenzen im Christuszeugnis des NT zu Recht nicht mit vereinfachenden Eindeutigkeiten, zeigt vielmehr, dass die von der älteren Forschung angenommenen Entwicklungslinien obsolet sind, vielmehr schon sehr früh Souveränitäts- und Hoheitsaussagen für Jesus begegnen, die Theo- bzw. Patrozentrik gleichwohl nicht durchbrochen wird, die irdische Person und das Wirken Jesu nicht beiseite geschoben werden, das Geschehen von Leiden und Tod Jesu den Kristallisationspunkt bilden; die dynamische Pluriformität der neutestamentlichen Zeugnisse sind als Reichtum zu würdigen. „Vom Neuen Testament selbst her eröffnet sich damit ein Freiheitsraum, innerhalb dessen das Christusgeschehen in seiner Bedeutung in veränderten Zeiten und Situationen je neu durchzubuchstabieren ist, wobei auch innovativschöpferische Sprach- und Ausdrucksformen zu finden sind“ (116). Schreiber, Stefan: Die Anfänge der Christologie. Deutungen Jesu im Neuen Testament. Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 262 S. In diesem kompakten und gut verständlichen Lehrbuch präsentiert der Augsburger Neutestamentler die Christologien im NT. Beginnend mit dem zeitgeschichtlich-politischen Kontext (9 ff) zeigt er die geschichtlichen Anfänge beim historischen Jesus (46 ff) und dann die Entfaltungen in den verschiedenen Schriften des NT (78 ff), die abschließend gebündelt und hermeneutisch, also im Blick auf die altkirchliche und gegenwärtige Christologie, reflektiert werden (232 ff). In den Entfaltungen werden die Aspekte Erweckung Jesu, Tod Jesu, Modifikationen des Messias-Modells, Herkunft Jesu und Heilsfunktion als gemeinsames Raster erkannt, die dann zu unterschiedlichen Entwürfen führten. Schreiber lehnt zu Recht lineare Entwicklungsmodelle ebenso ab wie die terminologisch unklare Rede von „hoher Christologie“. Demgegenüber betont er die Vorstellung von „Christus als höchstem himmlischen Mitherrscher Gottes und dessen einzigartigem Repräsentanten“ (237), die auf der Basis der Ostererfahrungen und tief verwurzelt im jüdischen Denken entwickelt werden, während erst ab der Mitte des 2. Jahrhunderts Vorstellungen einer Identifizierung Christi mit dem Gott Israels nicht zuletzt durch neuplatonische Kategorien greifbar werden und dann zunehmend an Bedeutung gewinnen. In dem Modell der Repräsentanz, im Gottesbild Israels, in den politischen herrschaftskritischen Implikationen und in der soteriologischen Intention sieht Schreiber die auch heute relevanten Perspektiven der neutestamentlichen Christologien. Ein auch für Predigt und Unterricht empfehlenswertes Buch! Schröter, Jens: Zur neueren Jesusforschung. In: ThLZ 139 (2014), 388–406. In seinem Literatur- und Forschungsbericht sichtet und präsentiert Schröter Mono­ graphien und Sammelbände der letzten Jahre. Dabei wird deutlich, dass die methodischen Einsichten des third quest, nämlich die Ausweitung historisch-kritischer Analyse von literarischen auf archäologische, epigraphische und numismatische Quellen, vielfach aufgenommen wird, dass es einen starken Konsens zur Zuverlässigkeit der kanonischen Evangelien und ihrer Jesustraditionen gibt und dass daher alle Versuche, die Frage nach dem historischen Jesus aus vermeintlich theologischen oder methodischen Gründen abzuqualifizieren, nicht überzeugen. Historische Jesusforschung ist Teil  neutestamentlicher Wissenschaft und theologischer Enzyklopädie. Schröter votiert überzeugend für eine stärkere Berücksichtigung des Erinnerungsbegriffs als kulturhermeneutischer Kategorie. „Die Jesusforschung lässt sich auf dieser Linie so weiterentwickeln, dass sie für den Diskurs zwischen den theologischen Disziplinen fruchtbar gemacht werden kann und darüber hinaus sowohl ökumenisch als auch im Blick auf die Vermittlung christlicher Wirklichkeitsdeutungen in gesellschaftliche Kontexte hinein anschlussfähig ist“ (406).

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von der Osten-Sacken, Peter: Jesus – Messias Israels? In: Markus Witte (Hg.): Der Messias im interreligiösen Dialog. Christliche, jüdische und islamische Stimmen aus Vergangenheit und Gegenwart (SKI.NF 9). Leipzig 2015, 33–47. Der neutestamentliche Beitrag in diesem anregenden Sammelband ist eine etwas überarbeitete und ergänzte Version eines Vortrages auf dem Hamburger Kirchentag 1981. Verbunden mit dem christlich-jüdischen Dialog fragt von der Osten-Sacken nach den neutestamentlichen Gesichtspunkten der Messianität Jesu, um gleichzeitig antijudaistische Deutungen und Traditionen aufzuarbeiten. Er bündelt: „Nichts könnte das Evangelium mehr verkehren, als wenn wir den Tatbestand, dass wir anders auf Jesus sehen und hören und mehr in ihm erkennen als Juden, zum Anlass nähmen, ihn, wie so oft bisher, gegen das jüdische Volk auszuspielen. Das Evangelium von Jesus dem Christus ernst zu nehmen heißt vielmehr für die Kirche im Verhältnis zu Israel vor allem …, sich nicht als Feinde, sondern der Botschaft des Evangeliums gemäß als Versöhnte zu erweisen und als christliche Gemeinde dazu beizutragen, dass Israel, mit Lukas gesprochen, Gott furchtlos in Heiligkeit und Gerechtigkeit zu dienen vermag. Nur in dem Maße, in dem sie sich selber in diese Richtung bewegt, ist es kein Lippen­bekenntnis, wenn die christliche Gemeinde Jesus den Messias nennt“ (43). Byrskog, Samuel / Holmén, Tom / Kankaanniemi, Matti (Hg.): The Identity of Jesus. Nordic Voices (WUNT II, 373). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 250 S. Die „nordischen Stimmen“ dieses Sammelbandes gehören zum First Nordic Symposium on the Historical Jesus vom Oktober 2010. Statt die alte Frage nach dem Selbstverständnis Jesu weiter zu behandeln, wird hier in 10 Beiträgen neu nach der Identität Jesu gefragt, und zwar sowohl aus der Perspektive vergleichender Religionswissenschaft wie verschiedener Texte (z. B. Gleichnisse) und theologischer Motive (Jerusalem, neuer Tempel und Gemeinde). Lang, Bernhard: Jesus – ein kynischer Philosoph. Philosophische Lebensweise und griechisches Denken in den Evangelien. In: ZNT 17 (2014), H. 34, 15–24. Lang sieht im historischen Jesus den Exponenten sowohl der prophetischen Tradition Israels wie der philosophischen Tradition des Hellenismus. Belege für die zweite Traditionslinie werden hier präsentiert (Begegnung mit einem Philosophen und spontane tiefgreifende Lebensänderung; Feindesliebe) und führen zu folgendem Ergebnis: „Wir dürfen uns Johannes den Täufer und Jesus als junge Männer vorstellen. Von kynischem Gedankengut berührt, haben sie sich für diese Philosophie begeistert und auch anderen ihren Enthusiasmus zu vermitteln gewusst. Wir können Jesus als eine Diogenesgestalt sehen. Er verdient einen Platz unter den Philosophen der antiken Welt“ (23). Luz, Ulrich: Exegetische Aufsätze (WUNT 357). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 565 S. Luz präsentiert hier 32 Aufsätze aus den letzten rund 30 Jahren (nur ein Text ist älter), von denen fünf bisher unveröffentlicht und weitere fünf nicht in Deutsch zugänglich waren. Neben Texten zum Corpus Paulinum und je einer Untersuchung zu Mk und zu Joh liegt der Schwerpunkt auf Mt und auf der Jesusforschung. Luz bezeichnet sich in der Jesusforschung als (später) Vertreter des Second / New Quest und vertritt im Ganzen ein unspektakuläres Jesusbild (3 f, 7). Im Gespräch mit Eckhard Rau und dessen herausfordernden Thesen zu Jesus in Jerusalem (vgl. JLH 53 [2014], 67) zeichnet Luz jedoch auch Linien eines „unbequemen Jesus“ (115–148), der Gerichtsdrohungen aussprach und seinen Tod in Jerusalem wohl bewusst in Kauf nahm. „Es ist ein Jesus, der nicht einfach nur das Gottesreich als unbegreifliche Liebe und Zuwendung zu den unterprivilegierten und benachteiligten Gliedern des Volkes Israel, den Armen, den Frauen und Marginalisierten verkörperte. Sondern es ist ein Jesus,

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der zugleich diese Zuwendung und Liebe in so unheimlicher Weise an seine eigene Person bindet, dass am Schluss ein Nein zu seiner Person Gottes ganze Liebe in den dunklen Abgrund seines Gerichtes zu reissen droht“ (148). Luz reflektiert dies theologisch-hermeneutisch mit Blick auf die Auferstehung, erwägt dabei, ob es nicht eine große Gnade Gottes sei, dass Jesus sich in seiner Gerichtsankündigung getäuscht hat. „Nur das hat der grenzenlosen Liebe zu den Kleinen, den gesellschaftlichen und religiösen Randsiedlern, die Jesus als Anfang des Gottesreiches verkündigte und verwirklichte, eine Chance gegeben. Nur das hat Jesu Nachfahren, von Paulus bis zu Albert Schweitzer, zugleich genötigt und ihnen die Möglichkeit gegeben, Jesus zu verwandeln und ihn – verwandelt – auf neue andere Weise lebendig werden zu lassen, als Zeichen der Hoffnung und nicht des Gerichts“ (ebd., ohne Hervorhebungen des Originals). Pokorny, Petr: Jesus in Geschichte und Bekenntnis (WUNT 355). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 304 S. Die 19 gesammelten Aufsätze des Prager Neutestamentlers aus den Jahren 1997–2013 behandeln die Jesusforschung („Jesus in der Geschichte“ [31 ff]) und die Anfänge der Christologie („Jesus im Bekenntnis“ [189 ff]). Pokorny zeigt mit Nachdruck, dass beide Forschungsrichtungen neu zusammenzuführen sind, weil sie sachlich, also historisch wie theologisch, zusammengehören. Hierbei wird besonders das Osterereignis hervorgehoben. Taschl-Erber, Andrea / Fischer, Irmtraud (Hg.): Vermittelte Gegenwart. Konzeptionen der Gottespräsenz von der Zeit des Zweiten Tempels bis Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. (WUNT 367). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 365 S. In diesem Sammelband werden unterschiedliche und vielfältige Formen der vermittelten Gottespräsenz untersucht. Die unterschiedlichen Mittlerfiguren (z. B. Messias, Menschensohn, Engel) oder hypostasierte göttliche Eigenschaften werden im AT, den deuterokanonischen Schriften und der pseudepigraphen Literatur analysiert und im Blick auf Rezeptionen und Brüche in den neutestamentlichen Christologien (Synoptiker, Joh, Gal, Kol, 1Tim, Hebr) fruchtbar gemacht. Die Herausgeberinnen resümieren: „Insgesamt bietet dieser Band … einen Einblick in die große Vielfalt von Konzepten, mit denen man ab der Epoche des Zweiten Tempels versuchte, die Vermittlung zwischen Gott und Mensch zu verdeutlichen“ (10).

Heiliger Geist Gunkel, Heidrun: Der Heilige Geist bei Lukas. Theologisches Profil, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie (WUNT II, 389). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 420 S. In ihrer von Reinhard Feldmeier betreuten Göttinger Dissertation schließt Gunkel eine Forschungslücke, ist doch die exegetische Klärung zu Rolle, Funktion und Wirkung des Geistes im NT ein in der neueren Forschung wenig beachtetes, aber gleichzeitig im Blick auf das lukanische Doppelwerk ein äußerst lohnendes Feld. Der Untertitel markiert präzise das Vorgehen der Arbeit: Im ersten längeren Hauptteil werden alle in Frage kommenden Textes aus Lk und Apg detailliert analysiert, um das theologische Profil herauszustellen, das Gunkel als ausgeführte Pneumatologie qualifiziert, während im zweiten Hauptteil Grund und Intention des Lukas ermittelt werden. In Zwischenbilanzen und Zusammenfassungen werden die Ergeb-

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nisse stets erkennbar präsentiert. Gunkel beschreibt die theologische Bedeutung des Geistes anhand der drei „Wirkungsepochen“ (Israel, Jesus, Kirche), zeigt deren Unterschiede und Kontinuitäten sowie den Beginn eines personalen Verständnisses des Geistes. Lk kennzeichnet hier den Geist „als Garanten des göttlichen Heilsplanes“ (271). In der Verarbeitung jüdischer und pagan-philosophischer Konzepte intendiert Lk, sowohl für jüdische wie für griechische Leser das Wirken des Geistes zu plausibilisieren und als Teil seiner „hermeneutischen Strategie“ (356 f) anzusehen. Hieran anknüpfend formuliert Gunkel als in Kirche und Theologie heute zu verantwortendes katechetisches Substrat: „Der Heilige Geist ist in der christlichen Gemeinde gegenwärtig als die Größe, die sie mit Gottvater und Jesus verbindet. Durch den Geist werden die Gemeindeglieder gelenkt, zur Evangeliumsverkündigung ermächtigt oder für besondere Aufgaben in Dienst genommen. Die durch den Geist bewirkte göttliche Gegenwart zeichnet die Gemeinde als Gottesvolk und Heilsgemeinschaft aus. Es ist der Heilige Geist, der den Gliedern der christlichen Gemeinde die Zugehörigkeit zum Heil gewährt und garantiert“ (361).

Gleichnisse Erlemann, Kurt / Nickel-Bacon, Irmgard / Loose, Anika: Gleichnisse – Fabeln – Para­beln. Exegetische, literaturtheoretische und religionspädagogische Zugänge. A. Francke Verlag / UTB: Tübingen 2014, 219 S. Nach seinem exegetischen Lehr- und Arbeitsbuch zum Thema von 1999 legt Kurt Erlemann hier gemeinsam mit der Germanistin Irmgard Nickel-Bacon und der Religionspädagogin Anika Loose ein interdisziplinäres Gleichnisbuch vor. Nach einer knappen Einleitung in den exegetischen, literaturtheoretischen und religionspädagogischen Forschungsstand vertiefen die Verfasser in den drei Hauptteilen des Buches dann die jeweiligen Aspekte. Der Gewinn der Interdisziplinarität zeigt sich sowohl in formkritischen Analysen und Bestimmungen der großen Bandbreite bildhafter Sprachformen, die in gewisser Weise Exegese und Literaturtheorie verbinden, obwohl im literaturtheoretischen Teil  selbst vor allem über Fabeln und Parabeln und die damit zusammenhängenden literaturdidaktischen Konzepte gehandelt wird, wie in den didaktischen Reflexionen hinsichtlich des Deutsch- und des Religionsunterrichtes. Als neutestamentliches Fallbeispiel dient das Gleichnis von der verlorenen Drachme (Lk 15,8–10), an dem exemplarisch wie methodisch gezeigt wird, was die erzählinterne Pointe, der Gleichnistyp, das Spiel mit konkurrierenden Erfahrungen, die Dekodierung von Metaphern und Bildfeldern und die sachbezogene Pointe (hier differenziert in die theologische, christologische, eschatologische und ethische Ebene) ist.

Wundergeschichten Kollmann, Bernd / Zimmermann, Ruben (Hg.): Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven (WUNT 339). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 716 S. Dieser umfangreiche Sammelband ist die hermeneutisch-wissenstheoretische Grundlegung des 2013 erschienenen ersten Bandes des Kompendiums der frühchristlichen Wundererzählungen (vgl. JLH 53 [2014], 68. Bd. 2 des Kompendiums ist für Ende

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2017 angekündigt). Der Schwerpunkt liegt auf der Hermeneutik der Erzählungen, nicht der diversen Wunderphänomene. Neben grundsätzlichen Aspekten (Beiträge von Bernd Kollmann, Ruben Zimmermann, Craig S.  Keener, Gerd Theißen) werden die im Untertitel genannten Perspektiven in 26 Beiträgen untersucht. Dabei ist bei den Rezeptionsperspektiven die Erweiterung der Exegese durch tiefenpsychologische (Eugen Drewermann), feministische (Ulrike Metternich), diakoniewissenschaftliche (Markus Schiefer Ferrari), filmästhetische (Reinhold Zwick) und kindertheologische (Annike Reiß) Ansätze ein Gewinn. Schon in seinem Grundsatzartikel hatte Gerd Theißen historische, psychologische und theologische Aspekte unterschieden und aufeinander bezogen. Er deutet die Wunder und die Wundergeschichten als „antiselektionistischen Protest gegen das Leid […] Sie sind Zeichen dafür, dass der Mensch an einer Schwelle in der Evolution steht, die er immer wieder überschreitet und vor der er immer wieder versagt“ (86). Lohse, Eduard: Die Wundertaten Jesu. Die Bedeutung der neutestamentlichen Wunderüberlieferung für Theologie und Kirche. Kohlhammer: Stuttgart 2015, 174 S. Der im Frühjahr 2016 Verstorbene verband wie kein anderer neutestamentliche Exegese mit theologischer Synthese in kirchlicher und kirchenleitender Perspektive. In dem kleinen, aber gewichtigen und allgemeinverständlichen Buch zeigt Lohse die religionsgeschichtlichen Kontexte, Verbindungen und Unterschiede zu den Wundertaten Jesu, analysiert dann die Krankenheilungen, Exorzismen, Blindenheilungen, Totenauferweckungen und Naturwunder und nimmt für die ersten drei historische Plausibilität im Blick auf Jesus an. Abschließend werden die Wundertaten eingeordnet in die Kontexte der Verkündigung Jesu, der Auslegung der Evangelisten und der Bedeutung für Theologie und Kirche. „Die urchristliche Überlieferung bringt in Predigt und Lehre den Christus Gottes als Helfer und Retter zur Darstellung, so dass der Ruf zu Umkehr und Glauben Anschaulichkeit und Kraft gewinnt. Die in Erzählungen entfaltete Christologie kann für jedermann deutlich vor Augen bringen, wer dieser Christus ist“ (134).

Tod Jesu Chapman, David W./ Schnabel, Eckhard J.: The Trial and Crucifixion of Jesus. Texts and Commentary (WUNT 344). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 867 S. In diesem umfangreichen Quellenband bieten die Verfasser die außerbiblischen Texte in Originalsprache, englische Übersetzungen und Kommentierungen, die Prozess und Kreuzigung Jesu erhellen. Die Texte des ersten Teils befassen sich mit dem Prozess und der Vernehmung durch den Sanhedrin (1 ff), die Texte im zweiten Teil mit dem Prozess vor Pontius Pilatus (153 ff), die des dritten Teils behandeln die Kreuzigung als Exekutionsmethode in der Antike (299 ff). Das Buch bietet auch sieben antike Abbildungen, unter ihnen zum Abschluss das berühmte Graffiti, in dem der christliche Glaube als Anbetung eines gekreuzigten Esels gezeigt wird (753). Dem schließen sich noch rund 120 Seiten Bibliographie und detaillierte Register an. Cook, John Granger: Crucifixion in the Mediterranean World (WUNT 327). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 522 S. Dieser Band bietet griechische, römische und rabbinische Quellen, englische Übersetzungen und Kommentierungen zur Kreuzigung im Mittelmeerraum bis zur Abschaffung unter Konstantin. Auch archäologische Funde samt einiger Graffiti werden präsentiert. Nur im letzten Kapitel werden einige Bezüge zum NT hergestellt.

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Gemeinsam mit dem oben angezeigten Quellenband von Chapman u. a. sind damit die verstreuten Texte, Inschriften und Abbildungen gut erschlossen und bieten Anregungen zur theologischen Weiterarbeit. Köhnlein, Manfred: Passion und Auferstehung Jesu. Dimensionen des Leidens und der Hoffnung. Mit Zeichnungen von Jehuda Bacon. Kohlhammer: Stuttgart 2015, 320 S. Köhnlein, emeritierter Professor an der PH Schwäbisch-Gmünd, legt vor allem auf der Grundlage des MtEv. die Passions- und Ostergeschichten allgemeinverständlich aus. Dabei stellt er die Dimensionen des politischen Leidens, des psychischen Kummers, der sozialen Vereinsamung, des physischen Schmerzes, der religiösen Anfechtung erkenntnisleitend dar (21–241). Im zweiten Teil  zeigt Köhnlein die vielfältige Auferstehungsbotschaft als kraftvolle Verkündigung der Hoffnung (242–320). Theißen, Gerd: „Gestorben für uns“. Kritik eines kirchlichen Grundlagentextes. In: EvTh 76 (2016), 85–101. In genauer und differenzierter Weise würdigt und kritisiert Theißen den EKDGrundlagentext „Gestorben für uns“ (2015). Neben den theologiegeschichtlichen und hermeneutischen Reflexionen bietet Theißen auch einen Überblick über die Fülle der Deutungen des Todes Jesu im NT (88–93) und bestreitet mit überzeugenden Gründen die Dominanz der (Tübinger) Sühnetheologie. Theißen formuliert als eigene Position: „Das Kreuz offenbart das Unheil des Menschen, das Osterlicht sein Heil“ (100).

Auferstehung Wright, Nicholas Thomas: Die Auferstehung des Sohnes Gottes. Die Ursprünge des Christentums und die Frage nach Gott (Bd. 3). Verlag der Francke-Buchhandlung: Marburg 2014, 1036 S. In dieser äußerst umfangreichen exegetischen Untersuchung liegt das 2003 in Englisch publizierte Buch des ehemaligen anglikanischen Bischofs und jetzigen Professors für NT in deutscher Übersetzung vor, die leider einige grammatische Flüchtigkeitsfehler aufweist. Wright strukturiert die Stofffülle in fünf Teile: „Den Rahmen abstecken“ (1 ff: Tod und Jenseitsvorstellungen in Antike, AT und nachbiblischem Judentum), Auferstehung bei Paulus (251 ff), Auferstehung im frühen Christentum abgesehen von Paulus (483 ff: NT und nichtkanonische frühchristliche Texte bis zum 3.  Jh.), „Die Story von Ostern“ (711 ff: Evangelien), „Glaube, Ereignis und Bedeutung“ (825 ff: hermeneutisch-theologischer Schlussteil); dem schließen sich Bibliographie und diverse Register an (892 ff). In insgesamt 19 Kapiteln, die jeweils mit einem Fazit enden, werden lesefreundlich, verständlich und anschaulich der religionsgeschichtliche Rahmen und dann alle relevanten neutestamentlichen Bibelstellen detailliert, teils ausufernd präsentiert und untersucht. Wright kommt historisch zu dem Ergebnis, dass alle frühen Christen, von denen wir Zeugnisse besitzen, glaubten, dass Jesus körperlich von den Toten auferweckt wurde und deshalb „Sohn Gottes“ war, womit zum Ausdruck gebracht wurde, dass er Messias Israels, Anfang und Souverän der neuen Welt und die Vergegenwärtigung des lebendigen Gottes ist. Das leere Grab ist für Wright eine „notwendige Bedingung für das Aufkommen des sehr spezifischen frühchristlichen Glaubens“ (839). Hartlieb, Elisabeth / Richter, Cornelia (Hg.): Emmaus – Begegnung mit dem Leben. Die große biblische Geschichte Lukas 24,13–35 zwischen Schriftauslegung und religiöser Erschließung. Kohlhammer: Stuttgart 2014, 278 S.

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In diesem interdisziplinären Sammelband, der ursprünglich auf ein Symposium zu Ehren von Dietrich Korsch zurückgeht, wird die Emmausgeschichte vielfältig ausgelegt. Die drei vorangestellten exegetischen Beiträge (23–51) thematisieren Topographie und Christologie (Michael Wolter) und die Schriftinterpretation (Rudolf Hoppe, Christoph Levin). Daran schließen sich wirkungsgeschichtliche, systematisch-theologische, ästhetische (Malerei, Musik, mediale Transformationen) und praktisch-theologische Verdichtungen an. Eine Meditation des Jubilars zur Iden­tität Jesu Christi und dem Selbstsein der Menschen beschließt diesen reichen und lohnenden Band. Klinghardt, Matthias: Himmlische Körper. Hintergrund und argumentative Funktion von 1 Kor 15,40 f. In: ZNW 106 (2015), 216–244. In der bisherigen Auslegung von 1Kor 15,36–44 wurden stets die Diskontinuität der Auferstehung zum irdischen Menschen und Gottes Handeln als Neuschöpfung betont. Dagegen argumentiert Klinghardt vom stoisch geprägten Hintergrund der paulinischen Darstellung ausgehend, dass Paulus hier durchaus die Kontinuität im Blick habe. Im Unterschied zur Dominanz der protestantisch gefärbten „Ganztod-Theorie“ versteht Paulus den Tod keineswegs als ‚totale Entselbstung‘: „Für ihn ist das Sterben des Individuums nicht dessen völlige Auslöschung, die eine komplette (und identische!) Neuschöpfung erforderlich machen würde, sondern die Transformation der Seele in eine neue Seinsweise“ (244). Förster, Hans: Schrift und Schriftverständnis in Joh  20,8 f. In: Early Christianity 5 (2014), 419–440. Das Verständnis der beiden Verse am Ende der Geschichte von Petrus und dem Lieblingsjünger am leeren Grab („Da ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah und glaubte. Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.“) ist nach wie vor umstritten. Förster zeigt die unbefriedigenden Lösungen der Forschungsgeschichte und schlägt auf dem Hintergrund der johanneischen Narratologie, Intertextualität und Stufenhermeneutik eine eigene anregende Deutung vor: Petrus versteht nichts, der Lieblingsjünger glaubt an die Rückkehr Jesu in sein irdisches Leben, Maria sucht den Leichnam. „Mit dieser Erzählung bietet damit das Johannesevangelium drei mögliche Fehlinterpretationen des leeren Grabes. Gleichzeitig wird betont, dass durch das leere Grab kein vollständiger Glaube an den Auferstandenen begründet werden kann, dieser bedarf zusätzlich der Selbstoffenbarung des Auferstandenen, wie sie Maria von Magdala als erste erleben durfte, und der Reflexion der ‚Schrift‘. Der Bezug des negierten Temporalsatzes in Vers 9 auf beide Jünger bestünde zu Recht, da beide das Geschehene ohne tieferes Verständnis der Schrift verkürzt deuten, was sie aber gerade als glaubwürdig erscheinen lässt“ (439 f). Brown, Paul J.: Bodily Resurrection and Ethics in 1 Cor 15. Connecting Faith and Morality in the Context of Greco-Roman Mythology (WUNT II, 360). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 312 S. In seiner von Eckhard Schnabel betreuten Dissertation legt Brown eine detaillierte Exegese des großen Auferstehungskapitels 1Kor 15 vor. Dabei wird der Glaube an ein Leben nach dem Tod, der von den Leugnern der Auferstehung vertreten wird, untersucht; Brown kommt zu dem Ergebnis, dass deren Eschatologie von der griechischrömischen Mythologie beeinflusst wurde, die ein seliges Leben nach dem Tod den Heroen vorbehielt; das ermöglichte es den Korinthern, die leibliche Auferstehung des „Heroen“ Jesus anzunehmen, ihre eigene jedoch abzulehnen. „Therefore, they­ possessed hero status, and although not like the traditional Homeric heroes, they

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none­theless shared the eschatological privileges and social responsibilities connected to that status. […] The risen Messiah … is the exemplar for their actions, and the social obligation to emulate him … was doubtless significant“ (235).

Abendmahl Weidemann, Hans-Ulrich: Taufe und Mahlgemeinschaft. Studien zur Vorgeschichte der altkirchlichen Taufeucharistie (WUNT 338). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 462 S. In seiner Tübinger Habilitationsschrift (Betreuer: Michael Theobald)  legt Weidemann eine exegetische wie liturgiegeschichtliche Untersuchung der Taufeucharistie vor. Anstatt wie die ältere Forschung Entwicklungslinien zu postulieren, werden hier die pluralen und in sich differenzierten Verständnisse und Deutungen samt der rekonstruierbaren Zusammenhänge zwischen Taufe und Taufeucharistie und die verschiedenen Ausprägungen postbaptismaler Mahlzeiten (Didache, Justin, Tertullian, Apostelakten, Pseudoclementinen, Traditio Apostolica) aufgezeigt. Im Blick auf das NT resumiert Weidemann: „Laut Paulus ist die Eucharistie nicht das Ziel der Taufe …, sondern sie ist – analog zur Taufe – Vollzug von Initiation, genauer: Sie ist selbst Initiation, nämlich die Initiation in den Leib Christi, aber insofern als sie den Leib Christi zugleich konstituiert. Im Anschluss an Günter Bornkamm ist also festzuhalten, dass die Taufe im 1 Kor keineswegs Zulassungsbedingung für die Eucharistie ist und dass die Grenze nicht eindeutig zwischen Ungetauften und Getauften gezogen wurde. Laut Paulus integrieren beide Vollzüge in den Leib Christi und konstituieren diesen zugleich, und beide vermitteln den Geist“ (408). Eine auch ökumenisch anregende Einsicht! Öhler, Markus: Cultic Meals in Associations and the Early Christian Eucharist. In: Early Christianity 5 (2014), 475–502. Sind exegetische Debatten um Abendmahl und Eucharistie nicht selten antagonistisch geprägt  – entweder durch die mehr historische Frage nach den Mahlgemeinschaften innerhalb der antiken Vereine und Vereinigungen oder nach dem theologischen Gewicht von Opfer und Mahl  –, so zeigt Öhler beide Linien integrierend die Bedeutung von Opfern in kultischen Feiern der Vereinigungen; des weiteren, dass die Gemeinschaftsmähler auch aus Opfergaben bestanden und schließlich, dass die typischen Bestandteile der Vereinsmähler Wein, Brot und Fleisch waren, die eine kultische Bedeutung haben konnten. Auf diesem Hintergrund resümiert ­Öhler im Blick auf 1Kor  10, 16 ff; Did 14,1 ff; Just. Dial. 41,3: „the meal of an association of Christ-believers, gathered in the home of one of its members, was not different from­ other forms of communal meals in antiquity and their cultic logic: They gave bread and wine and probably other complementary food as a sacrifice to the Kyrios, they prayed, sang hymns, heard readings and speeches, and they had their cultic meal“ (502). Taussig, Hal: Was bei Tisch passiert. Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen „Einsetzungsworte“. In: ZNT 18 (2015), H. 35, 15–30. In dem Themenheft zu Ritualforschung und Exegese, in dem es anregende Artikel zur Forschungsgeschichte, zum Markus- und zum Johannesevangelium gibt, präsentiert Taussig, auch als Zusammenfassung seiner bisherigen Forschungen zum Thema (In The Beginning was the Meal, 2009) Ergebnisse zum Verständnis des Abendmahls auf dem Hintergrund der griechisch-römischen Vereinsmähler. Deren Merkmale lassen sich gut erkennen: das „zu Tisch liegen“ möglichst aller Mahlteilnehmer, das

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deipnon zur Sättigung, gefolgt von gemeinsamem Trinken, Gesprächen und Darbietungen, der Übergang vom deipnon zum symposion mit einer zeremoniellen Libation (meist mit Wein), die Leitung durch einen Präsidenten mit wechselnder Besetzung, eine Vielzahl von möglichen Randfiguren. Als weitreichendes Ergebnis ist festzuhalten, dass das frühchristliche gottesdienstliche Leben in den ersten 200 Jahren auf dieser Mahlpraxis fußte. Die Eucharistie war ein Festmahl. Stärker formalisierte Rituale, die sich auf eine symbolische Teilhabe an Brot und Wein beschränkte, hat es während der ersten 125 Jahre nicht gegeben. Daher sind auch die Leib-/Blutworte auf die körperlich erfahrbare neue Gemeinschaft zu beziehen; auch gehören die verschiedenen Überlieferungen von „Deuteworten“ und Gebeten zur normalen Varianz der Worte zur Libation. Dann kann man von einer Funktion als „Einsetzungsworte“ allerdings nicht mehr sprechen (vgl. auch JLH 53 [2014], 87–92). Hier wird man auch praktisch-theologisch und liturgisch neu ins Gespräch einsteigen müssen, wie dies zum Beispiel Christian Grethlein mit seinem neuen Abendmahlsbuch (Abendmahl feiern in Geschichte, Gegenwart und Zukunft, Leipzig 2015) begonnen hat. Heilmann, Jan: Wein und Blut. Das Ende der Eucharistie im Johannesevangelium und dessen Konsequenzen (BWANT 204). Kohlhammer: Stuttgart 2014, 398 S. In seiner von Peter Wick betreuten Bochumer Dissertation weist Heilmann die bisher durchaus dominierende eucharistische Deutung der Texte im JohEv., die von Wein, Blut und vom Trinken handeln, zurück. Auf der Grundlage sozial- und ritualgeschichtlicher Erkenntnisse folgert Heilmann nach einer gründlichen Exegese von Joh 2,1 ff; 6; 15; 19,34, dass hier keine direkten Ritualbezüge vorliegen: „Der Text des JohEv war in seiner Rezeption ritualprägend, nicht die Rituale waren textprägend“ (298). Das hat zur Konsequenz, dass die von Hofius und Stuhlmacher vertretene sühnetheologische Deutung ebenso wie die von Jörns propagierte johanneische Ablehnung der Opfertheologie der Synoptiker exegetisch nicht begründet sind. Erst im 3./4. Jh. wurde die Metaphorik vom Bluttrinken in den Mahldiskurs übernommen und schließlich rituell transformiert. Themenheft: Perspectives on the Eucharist in Early Christianity. In: Early Christianity 7 (2016), H. 4, 155 S. Das Themenheft bietet Spezialuntersuchungen zum Verständnis des Abendmahls im NT und der Frühen Kirche. Dabei werden vor allem die religionsgeschichtlichen Kontexte hervorgehoben, die der Praxis und dem Verständnis des Abendmahls dienen. Christoph Markschies bietet einen Überblick über die Mahldeutungen und die Mahlpraxis im spätantiken Christentum; Joergen Podemann Soerensen zeigt kultische Mahlfeiern verschiedene antiker Kulturen; Hermut Löhr zeigt die Schwachstellen, der auf Gese u. a. zurückgehende todah-Deutung; Ismo Dunderberg analysiert die Eucharistie in den Evangelien von Johannes, Philippus und Judas, und Peter Arzt-Grabner dokumentiert Papyri und Ostraka, die die Praxis ptolemäischer und römische Mähler zeigen.

Gebet – Liturgie Juschka, Katrin: „Geheiligt werde dein Name!“ Eine auslegungsgeschichtliche Untersuchung zur Namensheiligung im Vaterunser (ABG 50). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 636 + XXXII S. In ihrer von Paul-Gerhard Klumbies betreuten Dissertation untersucht Juschka vor allem die Auslegungs- bzw. Forschungsgeschichte der ersten Vaterunserbitte im ge-

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samten 20. Jh. (27–261) und wertet sie unter Einbezug der Wirkungsgeschichte in Predigt, Frömmigkeit, Volkskunst (im Anhang werden z. B. Feldpostkartenmotive zum Vaterunser, vor allem aus dem 1. Weltkrieg, dokumentiert) aus (263–471). Dabei bilden die drei leitenden Fragen nach dem Verständnis des Namens, der Bedeutung von Heiligung samt dessen Vollzug und schließlich nach der Verantwortung für die Heiligung (Gott oder der Mensch?) das strukturierende Raster. Im exegetischen Schlussteil werden das matthäische und lukanische Verständnis der Namensheiligung analysiert (499–576), wobei in aller Interpretationsoffenheit der kurzen Gebetsformulierung Mt eher doxologisch-deklaratorische und Lk ethische Schwerpunkte setzt. Letztlich eröffnet die Ambiguität der Formulierung eine Vielfalt von Deutungen, die jedoch stets im Rahmen des Evangeliums zu bleiben haben. „Die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Gottesnamens, die Judentum und Christentum verbindet, bildet … letztlich den ‚Anfang aller Weisheit‘ der christlichen Vater-Unser-Gebets­theologie“ (588). Unger, Günter: Das Vaterunser. Jesu Themensammlung für das eigenständige Beten und Besinnen der Jünger. Kohlhammer: Stuttgart 2016, 203 S. In dieser vom griechischen Text ausgehenden Exegese des Vaterunsers, die gut lesbar ist und ohne Literaturhinweise und Fußnoten auskommt, wird das Gebet auf dem Hintergrund der Botschaft des vorösterlichen Jesus ausgelegt. Es ist kein memorierbares und rezitierbares Bittgebet, obwohl es in der Liturgiepraxis genauso immer wieder verwendet wird – Unger spießt hierbei auch die gängigen Fehlformen eifriger Liturgen humorvoll auf (vgl. 189)  –, sondern das, was der umständliche Untertitel zum Ausdruck bringt: Themenliste für eigenes Beten, Besinnen und für die eigene Nachfolge im Horizont der Gottesherrschaft, für „ein Leben aus Gottvertrauen und Mitmenschlichkeit“ (198). Hvalvik, Reidar / Sandnes, Karl Olav (Hg.): Early Christian Prayer and Identity Formation (WUNT 336). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 421 S. Die Beiträge dieses Sammelbandes widmen sich den Zusammenhängen von Gebet und Identitätsbildung im frühen Christentum samt Ausblicken auf die Alte Kirche. Das Gebet erscheint als vollzogene bzw. praktizierte Theologie und ist christozentrisch ausgerichtet. Hinsichtlich der zentralen Frage nach der „parting of the ways“ wird hier festgehalten: „The studies presented in this volume suggest that, viewed from the role of prayer, Christian identity, albeit fragile and complex, was taking shape already in the first century. This focus on prayer suggests an early beginning of a formation process for Christian identity“ (380). Leonhard, Clemens / Löhr, Hermut (Hg.): Literature or Liturgy? Early Christian Hymns and Prayers in their Literary and Liturgical Context in Antiquity (WUNT II, 363). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 222 S. In diesem Sammelband mit acht englischsprachigen und einem französischem Beitrag wird die Frage nach Spuren von Liturgien in den Texten des NT gestellt. Dabei werden die frühmittelalterliche jüdische Poesie und alte griechischen Hymnen, die physischen Eigenschaften der Qumranrollen, die Gebetstexte enthalten oder die performativen Aspekte von alttestamentlichen Texten wie das Eifersuchtsordal genauso diskutiert wie die Gebetstexte, die sich als Psalmen Salomons oder in den Thomasakten finden. Ralph Brucker konstatiert in seinem Eröffnungsbeitrag: „In summary, it can be stated that the solemn passages praising Christ or God in the New Testament writings are not quotations of ‚songs‘ or ‚hymns‘ (and hence traces of early Christian liturgy), but rather examples of a literary phenomenon that has numerous analogies in other ancient texts. Even the rhetorical term ‚encomium‘ … should be used with some hesitation, because it suggests literary autonomy and elaborateness.

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In my opinion, the most appropriate term to describe the phenomenon is ‚epideic­ tic passages‘ because it indicates the contextual connection of the texts in question“ (10 f). Aus liturgiehistorischer und methodologischer Sicht stimmt dem auch Clemens Leonhard zu: „The presupposition that important theological statements should have been sung or recited in poetic form during the liturgies is too simplistic to be of any historical significance. […] Early Christianity did not sing is theology during its congregational meetings. […] Texts like Phil 2:5–11 are anything but ancient Christian liturgical hymns, simply because there was no Christian liturgy that required their performance“ (192). Jonas, Michael: Mikroliturgie. Liturgische Kleinformeln im frühen Christentum (TSAC 98). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 405 S. In seiner Basler Dissertation (Betreuer: Martin Wallraff) untersucht Jonas die liturgischen Kleinformeln Amen, Halleluja, Hosanna, Maranatha und den eucharistischen Einleitungsdialog in ihren alt- und neutestamentlichen wie frühchristlichen Herleitungen, Deutungen und Verwendungsweisen. Nach minutiöser und detaillierter Analyse summiert Jonas, dass die Rezeptionsweite an der biblischen Verankerung, vor allem am Psalter, liegt, dass die feste und fremdsprachliche Gestalt attraktiv war und sich in die flüssige Semantik einschließlich Christologisierungen wie para­ liturgischer Sinngebungen durch magische Devotion einschreiben. Die Kleinformeln werden schließlich trotz ihres alttestamentlich-jüdischen Hintergrunds zu einem Bestandteil des christlichen Soziolekts und zu Kristallisationskernen, um die herum sich größere liturgische Formen bilden, die aber immer „Liturgie“, also ein „Werk des Volkes“ bleiben.

Ethik Konradt, Matthias / Schläpfer, Esther (Hg.): Anthropologie und Ethik im Frühjudentum und im Neuen Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen. Internationales Symposium in Verbindung mit dem Projekt Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (CJHNT) 17.–20. Mai 2012 in Heidelberg. Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 587 S. In diesem äußerlich wie inhaltlich gewichtigen Symposiumsband werden in 14 Paarvorträgen zu zentralen ethischen und anthropologischen Fragestellungen Perspektiven der frühjüdischen pseudepigraphen und der neutestamentlichen Literatur unter der Leitdimension wechselseitiger Wahrnehmung geboten. Die Fragestellungen betreffen das imago-Dei-Motiv, das Gewaltproblem, das Verhältnis von Sünde und Tora, die Sexualität, die Gefahren des Reichtums, die Barmherzigkeit mit Bedürftigen und Notleidenden und das Ende des Menschen (Tod, Auferstehung, Gericht). Abgerundet wird der Band durch drei übergreifende Beiträge zum Dialog zwischen frühjüdischen und neutestamentlichen Schriften (John M. G. Barclay zu IV Esra und Paulus), zu Menschenwürde und Menschenpflichten (Christfried Böttrich zu den Henochschriften und zum lukanischen Doppelwerk) und zu Joseph und Aseneth (René Bloch) sowie durch zwei Berichte aus den Arbeitsgruppen des Symposiums („Turning to God from Idols. Conversion in Joseph and Aseneth and 1 Thessalonians“ und „Der Mensch ist, was er isst. Ernährung als zentrale Dimension des Menschseins in den Adamviten“). Konradt, Matthias: Worum geht es in der Ethik des Neuen Testaments? Konzeptionelle Überlegungen zur Analyse und Reflexion ethischer Perspektiven im Neuen Testa-

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ment. In: Helmut Schwier (Hg.), Ethische und politische Predigt. Beiträge zu einer homiletischen Herausforderung. Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 61–86. In dem interdisziplinären Sammelband zeigt der neutestamentliche Beitrag die Angebote, aber auch die Schwierigkeiten neutestamentlicher Ethik in gegenwärtigen ethischen Debatten oder ethischen Predigten. Im Gegenüber zu einer biblizistischen Verwendung einzelner ethischer Anweisung zeigt Konradt den komplexen Weg zu einer Ethik des NT und veranschaulicht jeden Schritt mit konkreten Beispielen. Dazu ist es entscheidend, „1. Die präzise inhaltliche Erfassung ethischer Aussagen, 2. die Hierarchisierung ethischer Perspektiven, 3. die Analyse der Einbettung ethischer Aussagen in die jeweilige Gesamtsicht der Wirklichkeit, 4. die Erörterung des Verhältnisses der ethischen Perspektiven zu zeitgenössischen Überzeugungen und 5.  die Analyse der sozialen Konstellationen miteinander zu vernetzen“ (82). Dabei sind 6. die ethischen Transformationen innerhalb der Prozesse von Genese, Interaktion und Rezeption leitperspektivisch zu untersuchen, um 7. hermeneutisch verantwortet das Orientierungspotential neutestamentlicher Ethik für die Gegenwart zu erheben. An die Stelle der Resultate (ethische Anweisungen z. B. die Haustafeln in der Briefliteratur) treten die rekonstruierten Interaktionen, Prozesse und Dialoge. „Dabei ist in jedem einzelnen Fall zu analysieren, inwiefern in diesen Dialogen Grundüberzeugungen der christlichen Sicht der Wirklichkeit wirksam werden und inwiefern sich andere Interessen Geltung verschaffen. Leitend ist dabei die Überzeugung, dass sich primär dort, wo sich die Verhaltensorientierung als integraler Bestandteil des christlichen Überzeugungssystems zeigt, die Frage nach ihrer Relevanz für heutige christliche Ethik stellt“ (85). Theißen, Gerd: Religiöse und rationale Ethikbegründung in einer säkularisierten Welt. Ein Versuch. In: Fritz Lienhard / Christan Grappe (Hg.), Religiöser Wandel und Laizität. Eine theologische Annäherung (Heidelberger Studien zur Praktischen Theo­ logie 22). LIT Verlag: Berlin 2016, 143–157. In dem neutestamentlichen Beitrag dieses Sammelbandes einer Tagung der Theologischen Fakultäten Heidelberg und Straßburg zeigt Theißen, wie auch im NT zentrale ethische Einsichten und Aufforderungen auch mit antiken rationalen Begründungen konvergieren: der Dekalog mit dem Naturrecht, das Doppelgebot der Liebe mit dem Kanon der zwei Tugenden und schließlich die in verschiedenen kulturellen Kontexten verankerte Goldene Regel. „Nur bei Jesus aber wird die Goldene Regel ein Gebot für alle Menschen – und für deren Verhalten gegenüber allen Menschen. Was sonst vor allem von Herrschern verlangt wird, wird hier zur Forderung an alle, auch an kleine Leute. Was sonst nur gegenüber nahe stehenden Menschen, Freunden, Geschwistern, Gefolgsleuten verlangt wird, wird hier als Verhalten gegenüber allen Menschen gefordert. […] Der Anspruch, einer allgemein verbreiteten Maxime zu genügen, wird hier mit der Verschärfung des Ethos in der Bergpredigt verbunden. Auch in der verschärften Form wird für sie ein universaler, rationaler Anspruch erhoben“ (151). In den Differenzen und Verhältnisbestimmungen zwischen Sein und Sollen, Sollen und Können sowie Tun und Erfolg verortet Theißen Verbindungen mit der paulinischen Trias Glaube, Liebe Hoffnung und damit – nur oder immerhin – Teilkonvergenzen von religiöser Erfahrung und Vernunft: „Vernunft führt zum Kategorischen Imperativ – Liebe zu einer unbedingten Bejahung des Lebens. Vernunft kennt das Brückenprinzip: Sollen impliziert Können – Glaube will um dieses Brückenprinzips willen den Menschen verändern, dass er kann, was er soll. Vernunft begrenzt Handeln auf das in der Welt Mögliche – Hoffnung sehnt sich nach einer verwandelten Welt“ (157).

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Themenband: Liebe (JBTh 29, 2014). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 399 S. Der thematische Band enthält neben alttestamentlichen, religionswissenschaftlichen, kirchengeschichtlichen systematisch- und praktisch-theologischen Beiträgen fünf neutestamentliche Untersuchungen. Zu Beginn bietet Matthias Konradt einen instruktiven Überblick über das Liebesgebot in der synoptischen Überlieferung, im Corpus Iohanneum und bei Paulus und zeigt dabei als die beiden grundlegenden Argumentationsmuster den Rückgriff auf Tora und Schöpfungstheologie (Synoptiker; Jak) oder auf die Christologie (Paulus; Joh). „Gemeinsam ist den verschiedenen Gestalten der Agapeethik, dass Agape grundlegend Ausrichtung an einem dialogischen Lebenskonzept bedeutet. Der Mensch existiert nicht für sich, sondern als soziales Wesen ist er in soziale Zusammenhänge hineingestellt, in denen es gilt, nicht nur das eigene Recht auf Lebensentfaltung zum Maßstab des Handelns zu machen. Wo auch die anthropologische Basisannahme … brüchig geworden ist, und zugleich die schöpfungstheologische Würdigung des anderen als Geschöpf Gottes zurücktritt, wird Agapeethik allgemein an Affirmationsattraktivität einbüßen. Die Theologie hat hier die Aufgabe, dass es so weit nicht kommt“ (98). Anni Henschel und Andrea Taschl-Erber analysieren die Liebe im Johannesevangelium und setzen dabei Schwerpunkte auf die Fußwaschung bzw. auf die Funktion der narrativen Modelle der geliebten und liebenden Jüngerinnen und Jünger. Camille Focant zeigt die Funktion des Lobs auf die Liebe im Kontext von 1Kor 12–14, während Gerd Theißen die bekannte Trias „Glaube, Hoffnung, Liebe“ traditionsgeschichtlich analysiert und zeigt, wie hier kontextbedingt zwei verschiedene Varianten vorliegen, die auch im Römerbrief Spuren hinterlassen haben. Im Blick auf gegenwärtige Aufnahmen formuliert Theißen: „Der Glaube sucht nach Rechtfertigung des Menschen. Er überwindet die Anfechtung, dass der Mensch dem Willen Gottes widerspricht. Die Hoffnung sucht nach Rechtfertigung Gottes. Sie überwindet die Anfechtung, dass die Welt Gottes Güte widerspricht. Die Liebe braucht keine Rechtfertigung. Sie ist damit zufrieden, Kontakt mit Gott zu haben“ (168). Söding, Thomas: Nächstenliebe. Gottes Gebot als Verheißung und Anspruch. Herder: Freiburg i. Br. 2015, 423 S. In seiner umfangreichen exegetischen und gleichwohl äußerst lesefreundlich und ansprechend geschriebenen Monographie bietet der Bochumer Neutestamentler eine Untersuchung des Gebotes der Nächstenliebe. Dabei zeigt er wie das ganze NT  – basierend auf der alttestamentlichen Tradition – ein Buch der Nächstenliebe ist; nur Hebr und Apk sind hier unergiebige Texte. Schon die griffigen Überschriften lassen dabei die unterschiedlichen Profile der neutestamentlichen Agapeethik von Jesus bis zum 2Petr klar hervortreten; dies wird unterstützt durch sieben Leitfragen, die in allen Kapiteln jeweils abschließend beantwortet und im letzten Kapitel nochmals gebündelt werden: Wer ist der Nächste? Was ist Nächstenliebe? Wie zeigt sich die Nächstenliebe? Wer fordert die Nächstenliebe? Wer ist zur Nächstenliebe gerufen? Wie verhalten sich Nächsten- und Selbstliebe zueinander? Welchen Stellenwert hat die Nächstenliebe? Nach einem kurzen Durchgang durch die Felder Psychologie, Politik, Theologie der Liebe bündelt Söding: „Die Verbindung zwischen zwei Menschen, die sie ganz sie selbst sein lässt, in ihrer Beziehung zum Anderen, heißt Liebe; die Verbindung zwischen Gott und Mensch, die Gott ganz Gott und die Menschen ganz Menschen sein lässt, heißt Liebe“ (371). Ein beeindruckendes und notwendiges Buch, das nicht nur Predigt, Diakonie und Gemeindearbeit anregt, sondern auch aktuelle ethische Debatten orientieren kann.

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Wischmeyer, Oda: Liebe als Agape. Das frühchristliche Konzept und der moderne Diskurs. Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 292 S. Wischmeyer bietet eine hermeneutisch-exegetische Untersuchung des frühchristlichen Agape-Konzepts auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Tradition sowie der zeitgeschichtlichen Kontexte und Gegenentwürfe. Das neutestamentliche Profil liegt „in der Verbindung von theologischen, kommunitären, ethischen, emotionalen und eschatologischen Aspekten … und [hat] ein umfassendes Beziehungsgefüge zwischen Gott und den Menschen untereinander zum Thema …, dem die große Erzählung von der Liebe Gottes zu den Menschen und die Liebe und der Selbsthingabe Christi zugrunde liegt“ (256). Dies Konzept ist vorindividualistisch und berücksichtigt nicht die Aspekte von Erotik und Sexualität. Das Konzept wird abschließend ins Gespräch gebracht mit modernen, meist postreligiösen Beiträgen (Liebe zwischen Sexualität, Emotion und Empathie), um das inspirierende Potential von Agape / Caritas zu verdeutlichen. Dies bezeichnet Wischmeyer zurecht als intellektuellen und mutigen Versuch, „Gott zu denken und gottgemäß zu leben“, als Anfrage an andere Religionen und Weltanschauungen und als Herausforderung an die weltweite und vielfältige Kirche, das Liebeskonzept nicht einfach nur zu wiederholen, sondern zu interpretieren, und zwar in „caritativer, sozialer, individualethischer und theologischer Hinsicht“ (265). Ein beeindruckendes Plädoyer! Volp, Ulrich / Horn, Friedrich W./ Zimmermann, Ruben (Hg.): Metapher – Narratio – Mimesis – Doxologie. Begründungsformen frühchristlicher und antiker Ethik, Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik, Bd.7 (WUNT 356) Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 452 S. In diesem Band, der die Beiträge der „Mainz Moral Meetings“ 2012–2014 sammelt, wird nicht nach deontologischen oder teleologischen Argumentationsmustern frühchristlicher Ethik gefragt, sondern nach weiteren Reflexionsformen, die die vier Begriffe des Haupttitels charakterisieren. Dass und wie Metaphern, Erzählungen, Mimesis und die Doxologie ethische Signifikanz erzeugen, wird in den exegetischen, patristischen und zum Teil systematischen Untersuchungen vielfältig und exemplarisch aufgewiesen. Während es zur narrativen Ethik bereits einen breiteren Fachdiskurs gibt, wird in den anderen Bereichen Neuland betreten. Zimmermann, Ruben: Metaphorische Ethik. Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Bibel für den Ethik-Diskurs. In: ThLZ 141 (2016), 295–310. Zimmermann argumentiert und plädiert in seinem Beitrag für die Wiederentdeckung und Berücksichtigung biblischer Einsichten für Begründungen heutiger ethischer Problemstellungen. Der konzeptionelle Leitbegriff wird folgendermaßen konturiert: „Die metaphorische Ethik fordert gerade durch die Undeutlichkeit zu einer eignen ethischen Urteilsbildung auf. Sie ist nondirektive Ethik. Sie gibt zwar einen Interpretationsrahmen vor. Indem sie hierfür die Offenheit der Bildersprache wählt, drängt sie den Rezipienten allerdings selbst in die Rolle hinein, ein Urteil zu finden. Die metaphorische Ethik setzt auf die Eigenständigkeit des ethischen Subjekts und weiß, dass Handlungsfähigkeit nur aus eigener Reflexion und Entscheidung erfolgen kann“ (307). Zimmermann, Ruben: Die Logik der Liebe. Die „implizite Ethik“ der Paulusbriefe am Beispiel des 1.  Korintherbriefes (BThSt 162), Neukirchener Verlag: NeukirchenVluyn 2016, 350 S. Zimmermann legt hier den Entwurf einer „impliziten Ethik“ des 1Kor vor. Er verdeutlicht, dass und wie Paulus als Ethiker zu lesen und zu analysieren ist (implizite Ethik als kohärentes System von Handlungsbegründungen), zeigt die Methodo­

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logie einer ethischen Analyse im Allgemeinen und deren Anwendung auf 1Kor im Besonderen und reflektiert die hermeneutischen Herausforderungen in innertheologischen wie in interdisziplinären ethischen Diskursen. Zimmermann wendet sich gegen die stereotype Kategorisierung paulinischer Ethik durch das Modell „Indikativ – Imperativ“, sondern arbeitet mit einem elementaren achtschrittigen Verfahren (vgl. Abb. auf S.  40; Entfaltung: 41–123; Anwendung auf 1Kor: 127–247): Medium der Ethik (Sprachformen der Moral), Knotenpunkte der Ethik (Normen als Indikatoren moralischer Signifikanz), Ethik im Kontext (Konvention und Traditionsgeschichte ethischer Normen), Ethik als Werteordnung (Hierarchisierung von Normen), Reflexionsformen (Erzeugen moralischer Signifikanz), Subjekt (Grundfragen zum ethischen Urteilsträger), soziale Wirklichkeit (gelebtes Ethos), Reichweite der Ethik (Geltungsbereich, Partikularität, Universalität). Neben den vielfältigen Gesprächsangeboten paulinischer Ethik an die Gegenwart, die abschließend gebündelt werden (251–291), ist ein wichtiges Ergebnis, dass Paulus auch bei ethischen Begründungen pluralistisch vorgeht und keinesfalls mit „Indikativ – Imperativ“ als bloßer Letztbegründung operiert. Wagener, Fredrik: Figuren als Handlungsmodelle. Simon Petrus, die samaritische Frau, Judas und Thomas als Zugänge zu einer narrativen Ethik des Johannesevangeliums. Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik, Bd. 6 (WUNT II, 408). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 620 S. In seiner durch Ruben Zimmermann betreuten Mainzer Dissertation untersucht Wagener mit der narratologischen Figurenanalyse die ethischen Potentiale im Gesamtfeld der narrativen Ethik – zugespitzt auf die im Untertitel genannten Figuren im Johannesevangelium. „So ist Simon Petrus als Lernmodell entfaltet, die samaritische Frau dient als Plädoyer für situations- und individuumsbezogene Beurteilungen und Grenzüberwindungen, Judas wird als der Verworfene schlechthin als vielseitige Negativfolie verwendet und Thomas führt Integration und Gemeinschaftsstiftung vor“ (558 f).

Segen Ostmeyer, Karl-Heinrich: Der Segen nach dem Neuen Testament – Kontinuitäten und Spezifika. In: Martin Leuenberger (Hg.): Segen (TdT 10). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 111–133. In dem gut verständlichen Lehrbuch wird wie in den anderen Bänden der Reihe ein Thema aus der Sicht der theologischen Disziplinen (einschließlich Judaistik und Religionswissenschaft) dargestellt. Beim Thema „Segen“ ist im NT der bleibende Bezug zum AT besonders stark. Auch hier ist der Segen ein wechselseitiger Prozess von Gott und Mensch. „Segnen lässt sich verstehen als ein Gespräch zwischen Gott und den von ihm Angenommenen; ein Gespräch, in dem beide dieselbe Sprache sprechen“ (114). Vf. zeigt dann die Profile der neutestamentlichen Segenskonzeptionen ­(116–124), bei Paulus vor allem christologisch zentriert und dualistisch auf Heil und Unheil (Fluch) aufgeteilt. „Wird der Segen als Teilhabe am Reich Gottes durch den in der Schrift offenbarten Jesus Christus verstanden, dann ist dieser Segen kein zeitbedingtes und kein begrenztes Geschehen. Der Segen verbindet mit Gott und seinem ewigen Reich (Mt  25,34). In Christus sind alle Gläubigen über alle Zeiten hinweg miteinander verbunden durch den Segen Gottes“ (130).

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Kirche – Gemeinde – Mission – Amt Schnelle, Udo: Die Attraktivität der frühchristlichen Gemeinden – ein Modell für die Zukunft? In: Domsgen, Michael / Evers, Dirk (Hg.): Herausforderung Konfessionslosigkeit. Theologie im säkularen Kontext. Leipzig 2014, 75–94. In dem von Mitgliedern der Theologischen Fakultät Halle verfassten Sammelband mit Beiträgen aus allen theologischen Disziplinen zum Thema zeigt der neutestamentliche Beitrag von Udo Schnelle die Grundzüge frühchristlicher Mission, die Strukturen der Gemeinden in Haus und Stadt sowie die sozialen und ethnischen Schichtungen und Spannungen. In der Offenheit für Menschen aller Stände, Geschlechter und Berufe, in der konkreten Liebesethik, in der intensiven persönlichen Kommunikation und weltweiten Vernetzung, im Anspruch der Theorie und Praxis und in der Exklusivität (Offenheit nach außen und Verbindlichkeit nach innen) werden die wesentlichen Elemente der Attraktivität frühchristlicher Gemeinden beschrieben. „In einer durch einen griechisch-römischen Ethnozentrismus geprägten Gesellschaft praktizieren die Christen ein Modell der geschwisterlichen Offenheit, Liebe und Gleichheit, das utopische Elemente enthält, grundlegende Wertvorstellungen der Antike hinter sich ließ und neue schuf“ (94). Söding, Thomas: Umkehr der Kirche. Wegweiser im Neuen Testament. Herder Verlag: Freiburg i. Br. 2014, 294 S. Der katholische Neutestamentler schreibt – nota bene in einer sehr gut lesbaren, klaren und mitunter humorvollen Sprache  – im Kontext der erforderlichen Kirchenreform und zeigt dabei die Maßstäbe und Orientierungen des NT. Schon im Titel und auf den ersten Seiten wird deutlich, dass dieses Vorhaben einen grundsätzlichen Charakter erhält: „Das Schlüsselwort des Neuen Testaments, das verstehen lässt, was ‚Reform‘ heißen kann, ist ‚Umkehr‘. […] ‚Umkehr‘ meint eine Kehrtwende des Lebens: weg von der Fixierung auf die Vergangenheit, hin zur Orientierung an der Zukunft; weg von der Fixierung auf das Böse, hin zur Orientierung am Guten; weg von der Fixierung auf das Gehabte, hin zur Orientierung am Verheißenen. […] ‚Umkehr‘ hat den Vorteil, dass Gott ins Spiel kommt und dass nicht nur Institutionen vor Augen stehen, sondern Menschen“ (7). In acht Kapiteln, die auf bereits veröffentlichten Texten beruhen, aber kohärent zusammengestellt und aktualisiert wurden, werden die Themen und Fragestellungen „Auftrag der Kirche“, „Leben der Kirche“ (missionarisch, kooperativ, konstruktiv), „Reform der Kirche“, „Frauen für die Kirche“, „Dienste und Ämter in der Kirche“, „Eucharistie“, „Spiritualität“ und „Solidarität“ im Blick auf die gegenwärtigen Herausforderungen behandelt. Hinsichtlich der Aufgaben der Frauen in der Kirche setzt sich Söding z. B. kritisch mit dem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis (1994) über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe auseinander, votiert nicht für die Abschaffung des traditionellen Bischofs- und Priesteramtes, deutet eine vom NT her gebotene Öffnung des Diakonats für Frauen an, regt aber vor allem die Schaffung neuer Ämter und neuer Dienste für Frauen und Männer an. Bei der aktuellen Debatte um die Veränderung der Hochgebetsformulierung in „für viele“, statt „für alle“, zeigt Söding in detaillierter Exegese, dass „für alle“ die sachliche richtige Wiedergabe des biblischen Textes ist und dem Sinn der Eucharistie am besten entspricht (vgl. 207–216). Grundeken, Mark / Verheyen, Joseph (Hg.): Early Christian Communities between Ideal and Reality (WUNT 342) Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 242 S. In diesem Sammelband, dessen Beiträge auf Vorträge der internationalen Tagung in Löwen 2012 zurückgehen, werden die Vorstellungen über die „christliche Ge-

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meinde“ vor allem in der Zeit der sogenannten Apostolischen Väter untersucht. Dabei richtet sich ein besonderes Augenmerk auf die Frage von Idealbild und Wirklichkeit. Zur Sprache kommen die sakramentale und rituelle Praxis, Mission und Kirchenorganisation sowie Identitätsbildung durch Konstruktion von „Anderen“. Nach seinem Überblick über die sakramentale Praxis resümiert Andreas Lindemann: „So bleibt der Versuch einer Darstellung der sakramentalen Praxis im 2.  Jahrhundert letztlich Fragment; deutlich ist aber die rasch wachsende Tendenz, dass, anders als noch in der Didache, nicht mehr der korrekte Vollzug der Taufe dargestellt bzw. die im Wortlaut ‚richtigen‘ Mahlgebete überliefert werden, sondern dass die Rolle des Amtsträgers ins Zentrum rückt. […] Hier werden – sit venia verbo! – die ‚frühkatholischen‘ Tendenzen im frühen Christentum deutlich sichtbar“ (26 f). Gäckle, Volker: Allgemeines Priestertum. Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament (WUNT 331). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 769 S. In seiner Züricher Habilitationsschrift (Betreuer: Jörg Frey) untersucht Gäckle detailliert und umfassend die alttestamentlichen, frühjüdischen (inklusive Philo und Josephus) und neutestamentlichen Belege und Konzeptionen zu Priesterschaft, Tempel und Kult samt der Kritik, Marginalisierung und Metaphorisierung. Im Blick auf die kirchen- und konfessionsgeschichtlich brisante Frage nach dem allgemeinen Priestertum gelangt Gäckle mit Recht zu dem Ergebnis, dass die wenigen expliziten neutestamentlichen Stellen (1Petr 2,4–10; Apk 1,6; 5,10; 20,6) keine exegetischen Anhaltspunkte für dieses Theologoumenon bieten. „Wer vom theologiegeschichtlichen Ballast befreite Ohren hat, um zu hören, kann in der Priestermetapher das Hohelied vom hohen Adel und der aristokratischen Würde der Gemeinde Jesu Christi als einer heiligen, integren und zur endzeitlichen Herrschaft und Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm bestimmten Priesterschaft in einer noch unerlösten Welt hören. […] Möglicherweise kann die ntl. Dynamik der Priestermetapher nur in Kontexten voll erfasst und entfaltet werden, die analog zu den Kontexten des 1. Petrusbriefes und der Johannesapokalypse von einer Ausgrenzung, Stigmatisierung oder gar Verfolgung der Gemeinde geprägt sind“ (613).

Eschatologie Erlemann, Kurt: Vision oder Illusion? Zukunftshoffnungen im Neuen Testament. Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 224 S. Anschließend an seine Bücher über Gott (2008), Christus (2011; vgl. JLH 53 [2014], 69) und den Heiligen Geist (2010/2012; vgl. JLH 53 [2014], 74) legt Erlemann hier eine weitere thematische Einführung in eine zentrale Fragestellung des NT vor. Ausgehend von der Ausgangsfrage des Titels legt er in zehn Kapiteln die neutestamentlichen Zukunftshoffnungen und Eschatologien aus, jeweils verbunden mit kritischen Anfragen (insgesamt 31), die auch in Schule und Kirche gestellt werden. Am Ende bündelt Erlemann sein Ergebnis in 14 knappen Thesen, die nochmals kurz erläutert werden: „Gott wendet sich den Menschen permanent rettend zu! … Es ist eine Illusion, dass sich alles erst in Zukunft erfülle! … Die Gottesherrschaft kommt da, wo Menschen an sie glauben! … Christus kommt dort an, wo Menschen in seinem Geist handeln! … Liebe ohne Zorn ist ebenso illusionär wie Himmel ohne Hölle! … Über ewiges Leben und Gericht wird täglich entschieden! … Zum Paradies ist es nur ein kleiner Schritt! … Das Böse wird durch vergebende Liebe überwunden! … Die

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Welt kann keine Angst mehr machen! … Gott macht aus allem etwas Neues und Gutes! … Der Zukunft vorbehalten sind Erlösung und seliges Schauen! … Ohne physisch-materielle Erlösung ist Erlösung unvollständig! … Unsere Zeit ist ein besonderes Geschenk Gottes! … Selig ist, wer glauben kann, ohne zu sehen!“ (195–200). Park, Sung-Ho: Stellvertretung Jesu Christi im Gericht. Studien zum Verhältnis von Stellvertretung und Kreuzestod Jesu bei Paulus (WMANT 143). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 468 S. In seiner von Hermann Lichtenberger betreuten Tübinger Dissertation untersucht Park umfassend und exegetisch detailliert das Verhältnis von Stellvertretung Jesu Christi im Gericht zu seinem Kreuzestod, der Höhepunkt paulinischer Stellvertretungsvorstellung ist. Park gelangt zu dem Ergebnis, dass Kreuzesgeschehen und Fürsprache im Gericht als ein einziges theologisches Ereignis anzusehen ist: „Wie Kreuz ohne Auferstehung und Auferstehung ohne Kreuz keinen Sinn ergibt bzw. das richtige Verständnis der Soteriologie hindert, sind Kreuz, Auferstehung, Erhöhung und Fürsprache im Gericht als eine einzige Handlung … zu verstehen“ (405). Hierdurch wird Gottes universaler Heilswille pointiert zur Sprache gebracht, und für den Christen gilt schon jetzt die untrennbare Verbundenheit von „Heilsgegenwart und Heilszukunft“ (406).

Paulus Puig i Tàrrech, Armand / Barclay, John M. G./ Frey, Jörg (Hg.): The Last Years of Paul. Essays from the Tarragona Conference, June 2013. Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 608 S. In dem umfangreichen Sammelband werden die letzten Lebensjahre des Apostels, über die wir keine direkten Quellen besitzen, innerhalb der verschiedenen historischen (Rechtsgeschichte, Sozialgeschichte), religionsgeschichtlichen und theologischen Kontexte neu aufgeworfen und beleuchtet. Anregend zu lesen, sind die differenzierten Einzelüberlegungen und Hypothesen, da durchgehend eine Themenstellung von je zwei verschiedenen Autoren behandelt wird. Hoffmann, Matthias R./ John, Felix / Popkes, Enno Edzard (Hg.): Paulusperspektiven. FS Dieter Sänger (BThSt 145). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 250 S. In dieser Festschrift für den Kieler Neutestamentler Dieter Sänger sind Aufsätze zur Theologie, Mission und Wirkung des Paulus enthalten, die vielfältige Detailuntersuchungen bieten und locker aneinandergereiht sind. Tor Vegge untersucht die Verwendung der Heiligen Schrift in den Paulusbriefen (und berücksichtigt bes. Gal 3,8), David Hellholm die Kompositionsanalyse des Römerbriefes, Felix John die Hintergründe der spanischen Reisepläne des Paulus (die möglicherweise auf den Kontakt mit spanischstämmigen Gesprächspartnern des Paulus in Antiochia zurückgehen), Antje und Michael Labahn die Rezeption der biblischen Schöpfungsgeschichten in 1Kor  6–15, Dietrich-Alex Koch die unendliche Geschichte der Einschätzung von 2Kor als Briefsammlung (und zeigt dabei Kriterien für das Vorliegen einer Kompilation), Martin Meiser Phil 3,7–11 im Horizont der new perspective und der patristischen Exegese (und votiert gegen die Spätdatierung der Rechtfertigungstheologie des Paulus), Enno Edzard Popkes die Bedeutung des lukanischen Jakobusbildes für das lukanische Paulusbild, Christian Wetz die non-liminale Theologie des Kol (wodurch ein großer denkerischer Abstand zu Paulus besteht) und Karl-Wilhelm Niebuhr das evangelische Amtsverständnis im Anschluss an Paulus und Luther (wobei er als ent-

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scheidende neutestamentliche Impulse den Gemeindebezug, das profilierte Osterzeugnis, die Diakonie als Lebenshingabe und die Begeisterung herausstellt). Thiessen, Jacob (Hg.): Das antike Judentum und die Paulusexegese (BThSt 160). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2016, 130 S. In vier Beiträgen wird das Denken des Paulus über Gesetz (Jörg Frey) und Lohn (Jacob Thiessen) mit dem antiken Judentum (zwei Beiträge von Günter Stemberger) verbunden und kontextualisiert. Stemberger zeigt auf, dass und wie das antike rabbinische Judentum nicht als Leistungsreligion gedeutet werden darf. Die Tora wird umfassender verstanden, als es die nicht selten abwertende Rede vom „Gesetz“ erkennen lässt; die Tora dient im Zusammenhang rabbinischer Theologie der Heiligung Israels (vgl. 17). Beim Lohngedanken bleibt in der rabbinischen wie in der paulinischen Theologie das Paradox, dass sich niemand Lohn verdienen kann, aber dennoch geglaubt wird, dass Gott das Gute belohnen wird (vgl. 45). Frey analysiert das komplexe Nomos-Verständnis des Paulus in seinem jüdischen Kontext. Paulus vertritt weder eine abrogatio legis, noch führt er das jüdische Toraverständnis ungebrochen weiter, noch differenziert er zwischen kultischer und ethischer Tora. Christus ist „in der Tat ‚Ende des Gesetzes‘ (Röm  10,4) in seiner fordernden, verpflichtenden, sanktionierenden und verurteilenden Funktion. Zugleich ist in ihm und durch ihn eine neue Weise des Gehorsams gegenüber dem geoffenbarten Gotteswillen im Glauben eröffnet, die nicht vom Buchstaben, sondern vom Geist und der Liebe bestimmt ist“ (88). Thiessen zeigt die Dimensionen des Lohngedankens bei Paulus, bei dem es nicht um Ängstigung oder die Verursachung eines schlechten Gewissens geht, „sondern darum, Gott mit einem guten / reinen Gewissen zu dienen“, das nach Paulus „nur auf Grund der vergebenden Gnade Gottes durch Jesus Christus erlangt werden“ (125) kann. Wright, Nicholas Thomas: Rechtfertigung. Gottes Plan und die Sicht des Paulus. Aschendorff Verlag: Münster 2015, 260 S. Wright, Neutestamentler in St. Andrews und früherer anglikanischer Bischof von Durham, hat in seiner 2009 in Englisch erstmals publizierten Monographie, die nun dankenswerterweise auch in Deutsch zugänglich ist (erweitert um einen Vortrag Wrights zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg/CH vom November 2014 und um ein knappes Interview), die new perspective als fresh perspective mitgeprägt. In seiner ausführlichen Exegese legt er dar, dass Rechtfertigung theozentrisch zu verstehen ist. Dabei verbindet er die beiden bisher eher antagonistischen Forschungspositionen einer individuellen Perspektive auf Sündenvergebung und Gerechtmachung und einer erwählungstheologischen Perspektive des Hinzu­ tretens der Heiden in das Heil Israels und entwickelt einen bundestheologischen Zugang, in dem Soteriologie und Ekklesiologie in ihrer inneren Einheit und in ihrer Ausrichtung auf die neue Schöpfung sichtbar werden. Als gegenwärtige Zielperspektive ist hier ein starkes ökumenisches Engagement erkennbar: „Im eigentlichen Sinne ist Rechtfertigung die Lehre, die besagt, dass wir zusammengehören“ (247). Heilig, Christoph / Hewitt, J. Thomas / Bird, Michael F. (Hg.): God and the Faithfulness of Paul. A Critical Examination of the Pauline Theology of N. T. Wright (WUNT II, 413). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 833 S. N. T. Wright hat mit seinem opus magnum „Paul and the Faithfulness of God“ (2013) und in seinen zahlreichen anderen Arbeiten und Kommentaren zu Paulus die Exegese stark beeinflusst. Im vorliegenden Sammelband werden Methodologie, Kontext, exegetische Argumentationen und Befunde und die theologischen Aspekte dieser Arbeiten kritisch befragt. Dadurch werden die Treue Gottes, die Treue des Apostels

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und die des Exegeten in einem anregenden und weiterführenden Diskurs dargestellt und entfaltet. von der Osten-Sacken, Peter: Der Gott der Hoffnung. Gesammelte Aufsätze zur Theologie des Paulus (SKI.NF 3). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2014, 660 S. In dem umfangreichen Sammelband werden 30 Aufsätze (5 bisher unveröffentlicht) zur Theologie des Paulus publiziert. Von der Osten-Sacken geht zentral von der konstitutiven apokalyptischen Prägung der paulinischen Theologie aus, zeigt dies in dem programmatischen, bisher unveröffentlichten Eingangstext („Der Gott der Hoffnung“, S. 12 ff), aber auch an der Kreuzestheologie und Anthropologie bis hin zum letzten, ebenfalls erstmals veröffentlichten Text zur „Ethik aus der neuen Welt“ (630 ff). Die beiden Hauptteile präsentieren die für Exegese und christlich-jüdischen Dialog gewichtigen Untersuchungen zu „Evangelium und Tora“ (9 Aufsätze)  und „Evangelium und Israel“ (5 Aufsätze). Tilly, Michael: Aspekte der Leiblichkeit im paulinischen Denken. In: Bernd Janowski /  Christoph Schwöbel (Hg.): Dimensionen der Leiblichkeit. Theologische Zugänge (Theologie interdisziplinär 16). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 69–85. Der Sammelband präsentiert die Beiträge eines gleichnamigen Symposiums der „Elisabeth und Jürgen Moltmann Stiftung für Ökumenische Theologie“ von 2012; dass hier auffälligerweise ein praktisch-theologischer Beitrag fehlt, bleibt unverständlich. In seinem anregenden neutestamentlichen Beitrag untersucht Tilly das paulinische Denken, analysiert die Begriffe sarx, soma und soma Christou und hebt die christologischen wie die anthropologischen Aspekte hervor. Durch die Ausrichtung auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus wird die menschliche Leiblichkeit bei Paulus positiv umgewertet. „Der gekreuzigte Christus gilt Paulus als typologisches Vorbild und Zuspruch der eigenen Bestimmung. Das gesamte menschliche Leben und die menschliche Leiblichkeit werden von ihm darum im Sinne dieser positiven Umwertung der Begriffe soma und sarx als Möglichkeiten verstanden, in der Nachfolge Christi zu dem zu werden, zu dem Gott einen berufen hat“ (79). In der Leib-Metapher entfaltet Paulus die Sozialität der christlichen Gemeinschaft, in der das gegenseitige Angewiesensein der einzelnen Glieder des Leibes hervorgehoben wird. Die Auferstehung der Toten ist für Paulus keine Trennung von Leib und Seele, sondern nur als „personale Lebenseinheit“ (80) zu denken. Ekklesiologisch, eschatologisch und ethisch gilt: „Der Mensch kann sich … nicht von seiner kreatürlichen Leiblichkeit distanzieren“ (82), und der Heilsindikativ begründet „den Imperativ gegenwärtigen sittlichen Umgangs mit dieser Leiblichkeit“ (ebd.). Edsall, Benjamin A.: Paul’s Witness to Formative Early Christian Instruction (WUNT II, 365). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 297 S. In seiner Oxforder Dissertation (Betreuer: Markus Bockmuehl) untersucht Edsall die Unterweisung des Paulus (kerygma, didache, Katechese)  auf dem Hintergrund der antiken Kommunikationspraxis, nach der man sich auf das Wissen verließ und bezog, das die Partner besitzen. Edsall unterscheidet in 1Thess und 1Kor explizite Erinnerung an die eigene Lehre, direkte und indirekte Appelle an das Wissen der Gemeinde. Paulus wird immer dann ausführlich, wenn er auf Überzeugungen und Deutungen zu sprechen kommt, bei denen er einen Dissens vermutet. Edsall legt allen Wert auf die Kontinuität frühchristlicher Lehre und zeigt das bes. am Röm, den Paulus an eine nicht von ihm gegründete Gemeinde richtet. Die Kontinuität besteht nicht nur im Glauben an Jesus als auferstandenen Herrn (James Dunn), sondern umfasst auch Gott als Schöpfer und Vater, das pro nobis, den von Gott den Glaubenden verliehenen Geist, Taufe und veränderten Lebenswandel; auch die Verbundenheit mit

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den Schriften sowie eine apokalyptische Kosmologie und Eschatologie gehören dazu. „Ultimately, my study leads me to conclude that the convictions Paul believed himself to share with his Roman readers do resemble a musical theme of surprising fullness and complexity“ (227). Stettler, Hanna: Heiligung bei Paulus. Ein Beitrag aus biblisch-theologischer Sicht (WUNT II, 368). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 762 S. In ihrer umfangreichen Tübinger Habilitationsschrift (Betreuer: Peter Stuhl­macher) präsentiert Stettler eine detaillierte Untersuchung zum Begriff und zur theologischen Konzeption der Heiligung bei Paulus, die schon rein quantitativ die Texte über die Rechtfertigung deutlich übertreffen. Die Untersuchung ist klar gegliedert: nach der Forschungsgeschichte (3 ff), folgen die Voraussetzungen des paulinischen Heiligungsverständnisses (47 ff: AT, Frühjudentum, synoptische Jesusüberlieferung) und die Einzelexegese der entsprechenden Texte im Corpus Paulinum in der Abfolge seiner Briefe, wozu Stettler auch 2Thess, Kol und Eph zählt (215 ff). Stettler summiert ihre Ergebnisse unter der Perspektive: „Die Heiligung des eschatologischen Gottesvolkes zur Verherrlichung des Heiligen Israels“ (621 ff). Im Blick auf die zentrale Frage nach dem Tun Gottes und der Menschen kommt Stettler zum Ergebnis: „Bei Paulus verhalten sich Werk Gottes und Werk des Menschen in der Heiligung nicht so zueinander, dass sie in Konkurrenz treten können. Vielmehr empfängt der an das Evangelium Glaubende mit der Vergebung die Erneuerung durch den Geist, der zum Gehorsam befähigt und treibt. Es ist also Gottes Werk, dass er durch den Heiligen Geist den Menschen zum Werk ermächtigt“ (628 f). Omerzu, Heike / Schmidt, Eckart D. (Hg.): Paulus und Petrus. Geschichte  – Theologie – Rezeption. FS Friedrich Wilhelm Horn (ABG 48). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 368 S. Sind in der kirchlich-liturgischen Tradition Peter und Paul eng verbunden und in historisch-kritischer Theologiegeschichte strikt getrennt, widmet sich der Sammelband beiden Aposteln. Dabei werden in den historischen Beiträgen von Bernd Kollmann und Dietrich-Alex Koch auch die Gemeinsamkeiten beider hervorgehoben, wobei Koch, anders als Kollmann, das Verhältnis beider auch nach dem Antiochenischen Zwischenfall nicht als zerrüttet ansieht. In den theologischen Beiträgen von Oda Wischmeyer, Udo Schnelle und Michael Bachmann stehen Röm und Gal im Zentrum, während Ruben Zimmermann und Marco Frenschkowski über das ethische Subjekt bzw. über das Naturrecht bei Paulus reflektieren. Dieter Zeller vergleicht Röm 6,1–11 und 1Petr 2,24; 4,1 f und hält es für wahrscheinlich, dass der Verfasser von 1Petr den Röm vielleicht aus gottesdienstlichen Lesungen kannte. Unter der Rubrik „Rezeption“ untersuchen Konrad Huber und Christfried Böttrich neutestamentliche und frühchristliche Petrusrezeptionen, Jens Herzer die Paulusrezeption in 1Tim. Karl-Wilhelm Niebuhr zeigt das ökumenische Potential einer Kanonhermeneutik am Beispiel des Corpus Apostolicum in NT. Ulrich Volp untersucht das Petrus­bild in den Auseinandersetzungen zwischen Christen und Nichtchristen vom späten 2. bis zum späten 4. Jh., während Friedrike Nüssel die gegenwärtigen ökumenischen Konvergenzen zu Petrusamt und Petrusdienst auslotet. Meijer, Fik: Paulus. Der letzte Apostel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2015, 340 S. In dieser aus dem Niederländischen übersetzten, allgemeinverständlichen Biographie lässt der Historiker, Altphilologe und Mittelmeerarchäologe Leben und Wirken des Paulus lebendig werden, vor allem hinsichtlich der historischen Hintergründe und der urbanen mediterranen Welt.

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Synoptische Frage – Evangelien Klinghardt, Matthias: Das älteste Evangelium und die Entstehung der kanonischen Evangelien, Bd. 1 (Untersuchung), Bd. 2 (Rekonstruktion – Übersetzung – Varianten) (TANZ 60). Francke Verlag: Tübingen 2015, 1279 S. Die synoptische Frage ist die Frage nach dem literarischen Verhältnis der ersten drei Evangelien. Seit dem 19. Jh. scheint sie, mit gewissen Modifikationen, durch Markus­ priorität und Zwei-Quellen-Theorie beantwortet zu sein. Jedoch sind vor allem die sog. minor agreements ein Problem, das immer wieder zur Verkomplizierung der einfachen Theorie durch Postulat eines Ur- oder eines Deuteromarkus und durch die Annahme unterschiedlicher Redaktionsstufen in Q führte. Die Komplexität sowohl in methodischer wie in inhaltlicher Hinsicht ist enorm. Ihr werden auch die verschiedenen alternativen Erklärungsvarianten, die stärker der Mündlichkeit der Überlieferung vertrauen oder alternative Benutzungshypothesen entwickeln, nicht gerecht. Klinghardt legt hier ein detailliert ausgearbeitetes und begründetes Gegenmodell vor. Er nimmt als ältestes Evangelium das von Marcion zwar nicht verfasste, aber rezipierte Evangelium an, das aus der Sicht des mainstreams der Forschung das von Marcion benutzte und aus theologischen Gründen von ihm veränderte Lukasevangelium ist. Dieses älteste Evangelium wurde nach Klinghardt von den anderen drei Evangelien – Mk, Mt und Joh (!) – als Quelle unterschiedlich intensiv benutzt. Das, was wir als Lk bezeichnen, ist die kritische redaktionelle Bearbeitung und Erweiterung des ältesten Evangeliums und ist gleichzeitig verantwortlich für die Zusammenstellung, evtl. Bearbeitung, der vier kanonischen Evangelien, die wohl bis zur Mitte des 2. Jhs. abgeschlossen war. Damit entfallen die Hypothesen der Markuspriorität und der Existenz des Spruchevangeliums. Der Überlieferungsprozess ist vielmehr ein rein literarischer Redaktionsprozess, für den weder der mündliche Faktor (und damit auch die mündliche Jesustradition) noch die Gemeindebildungen und -bedürfnisse (und damit die Konstruktionen einer mk, mt, lk oder joh Gemeinde) eine Rolle spielen. Das entworfene Gesamtbild, das methodisch Überlieferungs- und Textgeschichte verbindet, führt im 2. Band zu einer minutiösen Rekonstruktion des griechischen Textes samt Kenntlichmachung der unsicheren Entscheidungen oder Vermutungen. Man darf gespannt sein, wie dieses neue Modell in der Einleitungswissenschaft diskutiert wird. Eine entscheidende Schwachstelle bleibt sicher die hypothetische Rekonstruktion des ältesten Evangeliums auf den Grundlagen der wenigen, nur durch die Häresiologen (Tertullian, Epiphanius, Adamantius) bezeugten Inhalte und des Textes des kanonischen Lk.

Logienquelle / Spruchevangelium Tiwald, Markus: Die Logienquelle. Text, Kontext, Theologie. Kohlhammer Verlag: Stuttgart 2016, 208 S. Tiwald legt ein gut verständliches Lehrbuch zum Thema vor. Auf eine kurze Einleitung zu den Grundproblemen und Optionen der synoptischen Frage folgt eine mit textkritischen Notizen verbundene deutsche Übersetzung (von T. Hieke, 1999) und der überzeugende Hinweis, Q als „Spruchevangelium“ zu verstehen. Im zweiten Teil wird der Kontext (79 ff), im dritten Teil die Theologie von Q dargestellt (147 ff). Tiwald sieht in Q vor allem ein doppeltes missing link: Es ist Bindeglied zwischen

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dem Frühjudentum und den Anfängen der Jesusbewegung und zwischen dem historischen Jesus und dem späteren Christentum (besonders an den Entwicklungsprozessen in Christologie und Ekklesiologie erkennbar). Tiwald appelliert abschließend: „Möge ein Stück der irenischen Liebenswürdigkeit, der eschatologischen Zeichenhaftigkeit, aber auch des ardenten Missionseifers jener Q-Boten auf den Leser und die Leserin überspringen“ (184). Heil, Christoph: Das Spruchevangelium Q und der historische Jesus (Stuttgarter Biblische Aufsatzbände 58). Verlag Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2014, 299 S. Der Grazer Neutestamentler, ausgewiesen in der Q-Forschung, legt hier gesammelte Aufsätze vor, die insgesamt aus dem Kontext des „International Q Project“ stammen, das sich durch Forschung, Rekonstruktion, Edition und Kommentierung dem Spruchevangelium widmet. Das Buch bietet – strukturiert in die Themenfelder „Rekonstruktion und Gattung von Q“, „Transformationen der Jesusüberlieferung in Q“ und „Historische Rückfrage nach Jesus“ – Detailuntersuchungen, die sich durch verständliche Sprache, klare Argumentation und historisch-nüchterne Kritik auszeichnen. Zu Beginn rekapituliert Heil die Forschungsgeschichte und führt in die neueste Methodik zur Rekonstruktion von Q ein. Nach einer kritischen Analyse zu den Dimensionen Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der Antike (bei Homer und Q) wird mit Recht gezeigt, dass Q trotz seiner formalen Abkürzung nicht auf eine „Quelle“ reduziert werden darf, sondern als Spruchevangelium oder als Spruch- bzw. Redensammlung anzusehen ist und inhaltlich einen eigenständigen Strang judenchristlicher Überlieferung darstellt. Bei den historischen Rekonstruktionen argumentiert Heil für die Herkunft / Geburt Jesu in Nazareth und hält es für sehr wahrscheinlich, dass Jesus Analphabet war, jedoch die biblischen und schriftgelehrten Traditionen mündlich kennenlernte, was auch die zumindest unbedachte Rede vom „Rabbi Jesus“ infrage stellt. Historisch wahrscheinlich ist es nach Heil, dass Jesus nicht mit einem Schriftgelehrten verwechselt werden konnte, aber von den Zeitgenossen durchaus als Lehrer angesehen werden konnte, denn „Analphabetismus führte in der Umwelt Jesu nicht zu einem niedrigeren Sozialprestige“ (290 f). Tuckett, Christopher: From the Sayings to the Gospels (WUNT 328). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, XXI + 642 S. Im vorliegenden Buch werden Aufsätze des Oxforder Neutestamentlers aus den Jahren 1981–2011 unverändert veröffentlicht. Tuckett untersucht vor allem die Jesustraditionen, ihre Ursprünge, Entwicklungen und Verwendungen im frühen Christentum. Im Mittelpunkt steht  – neben den synoptischen Evangelien, Paulus und dem Thomasevangelium – die Logienquelle. Tuckett bleibt zur Recht kritisch gegenüber eindeutigen Festlegungen auf unterschiedliche Redaktionen von Q. Inhaltlich untersucht er verschiedene Einzelaspekte wie die Möglichkeit kynischer Einflüsse oder einer aramäischen Vorlage, die Bedeutung der Weisheit, deren weibliche Seite in Q keine Rolle zu spielen scheint, die Perspektive der Kirche bzw. Q-Gemeinschaft im Kontext des Judentums und die traditionsgeschichtlichen Linien und Deutungen des „Menschensohns“, die bei allen unterschiedlichen Verwendungen durch Q, Mk und Lk sich dem Impuls des historischen Jesus verdanken. „The possibility … that Jesus used the Aramaic phrase bar nash, or bar nasha, to refer to himself and to evoke the context of the Danielic scene is thus not impossible […] In doing so he may then have been giving expression to his conviction that he, like others before him, was destined to suffer rejection, hostility and violence because of his commitment to God, but that he would be subsequently vindicated in the heavenly court“ (289).

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Matthäusevangelium Konradt, Matthias: Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2015, 507 + XVI Seiten. In seinem umfangreichen Kommentar zeigt der Heidelberger Neutestamentler die Frucht seiner zehnjährigen Forschungen zum Matthäusevangelium (vgl. auch JLH 53 [2014], 81: FS Kähler) – der Vorgabe dieser Kommentarreihe entsprechend ohne Auseinandersetzung mit der Forschungsgeschichte, ohne Fußnoten, ohne griechische Begriffe. In allgemeinverständlicher Sprache wird präzise und klar der Bibeltext ausgelegt. Dabei werden besonders die intertextuellen Bezüge und die dichte Aufnahme der Heiligen Schrift hervorgehoben und für die theologischen und ethischen Grundlinien fruchtbar gemacht: So wie christologisch David- und Gottessohnschaft verbunden sind, sind es ekklesiologisch Israel und die Kirche und es bleibt die Thora – in der Auslegung Jesu, nicht in der der als Gegner stilisierten Pharisäer – für Ethos und Nachfolge bestimmend. Von einer Ablösung Israels durch die Kirche kann im ersten Evangelium nicht die Rede sein. Vielmehr schließt Mt „an die theologischen Traditionen Israels an, und zugleich interpretiert und entfaltet er sie auf eine Weise, dass sie sich seiner Vorstellung von der universalen ecclesia Jesu aus Juden und Menschen aus den (übrigen) Völkern einfügen“ (17). Mt ist ein christusgläubiger Jude, der sein Evangelium um 80 n. Chr. in Syrien, vielleicht Damaskus, verfasste und durchaus antimarkinisch konzipierte. Ein neues und grundlegendes Standardwerk für Schule und Gemeinde! Konradt, Matthias: Studien zum Matthäusevangelium, hg. v. Alida Euler (WUNT 358). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 488 S. In diesem umfangreichen Sammelband mit Aufsatzstudien zum Mt, von denen fünf bisher unveröffentlicht waren und die übrigen teils erheblich überarbeitet und auf den aktuellen Forschungsstand gebracht wurden, sind die zentralen exegetischen Entscheidungen und Argumentationen zu Konradts Kommentar greifbar. In drei Abteilungen werden die Kontexte des Mt, die Christologie und Israeltheologie und die Ethik detailliert untersucht. Vf. verdeutlicht z. B., warum Mt nicht antipaulinisch ist, sondern ein unpaulinisches Christentum vertritt, während es andererseits als ein dezidiert antimarkinischer Entwurf zu gelten hat – mit entsprechenden Konsequenzen: „Theologiegeschichtlich ist Matthäus’ Bestreben, das Markusevangelium durch seine eigene Jesusgeschichte zu verdrängen, keineswegs pauschal als eine eigenmächtige, sekundäre Judaisierung der Jesustradition zu begreifen, sondern Matthäus agiert dabei als Anwalt der ihm bekannten Gestalt der Jesustradition“ (68). Dabei verbindet er die positive Sonderstellung Israels mit der Öffnung für die Völkerwelt im Gegenüber und Konflikt zur pharisäischen Theologie. Als theologisch fundierte ethische Kategorie gilt bei Mt die Barmherzigkeit, die eine grundlegende ethische Haltung darstellt und auch die innere Bejahung des Mitmenschen impliziert. Klaiber, Walter: Das Matthäusevangelium, 2 Teilbände. Neukirchener Verlag: Neu­ kirchen-Vluyn 2015, 333, 326 S. Auch der zweite neue Matthäuskommentar ist allgemeinverständlich (Reihe: Die Botschaft des NT) und ohne Fußnoten und griechische Begriffe verfasst. Klaiber basiert in den Einleitungsfragen auf dem Forschungskonsens (Zwei-Quellen-Theorie, um 80 n. Chr. von einen Judenchristen geschrieben). Stärker als der oben genannte Kommentar wird hier nach einer knappen auf innerbiblische Referenzen achtenden Kommentierung der Perikopen jeweils eine ansprechende Applikation für Verkün-

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digung und Unterricht geboten. Am Ende des Kommentars fasst Klaiber die theologische Botschaft des Evangeliums zusammen (II, 295–316), auch hier am Ende mit Bezug auf Bonhoeffers „Nachfolge“ applizierend: „Jesus, wie ihn Matthäus bezeugt, macht uns Mut, uns Gott vorbehaltlos anzuvertrauen und mit ihm als zu unserem Vater zu reden … [er] fordert uns heraus, uns nicht damit zu begnügen, den Buchstaben des Gesetzes nicht verletzt zu haben, sondern das zu tun, was recht ist und was anderen hilft … [er] macht auch klar, dass das, was so schwierig klingt, letztlich nichts anderes ist, als das Selbstverständliche zu tun, nämlich Menschen in Not zu helfen“ (315). Carlston, Charles E./ Evans, Craig A.: From Synagogue to Ecclesia. Matthew’s Community at the Crossroads (WUNT 334). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 618 S. In einer Situation großer Pluralität und Unterschiedlichkeit befand sich auch die matthäische Gemeinde. Die Verfasser untersuchen dies mit der Doppelperspektive nach den jüdischen Traditionen und nach den stärker werdenden heidnischen Einflüssen. An diesem Scheidepunkt der Kirche zeigt sich die theologische Konzeption des Mt an den zentralen Topoi Christologie, Gesetz, Kirche, Schrift und Tradition sowie Geschichte, Eschatologie und Apokalyptik. Diese bilden die fünf großen Teile des Buches, die unterteilt in 11 Kapiteln in exegetischer Genauigkeit und Ausführlichkeit analysiert werden; dabei werden als größere Textzusammenhänge u. a. Mt 5, das Vaterunser und der Missionsbefehl behandelt. Das bringt neue Aspekte zum Verständnis der theologischen Gesamtkonzeption. Zu vermissen ist leider eine konzise und knappe Zusammenfassung der Ergebnisse. Themenheft: Matthäusevangelium. In: ZNT 18 (2015) H. 36, 79 S. Nach einer forschungsgeschichtlichen Einführung zur Arbeit am matthäischen Sondergut (Uta Poplutz), bearbeitet Klaus Wengst das Toraverständnis anhand von Mt 5,17–48, die nicht als „Antithesen“, sondern als Toraauslegung verstanden werden. Michael Schneider fragt nach der Textfunktion der „Gegner“, Stefan Alkier nach der Intertextualität des MtEv. Roland Deines und Manuel Vogel diskutieren kontrovers die Bedeutung der Ethik bzw. der Christologie für den Gerechtigkeitsbegriff.

Markusevangelium Blumenthal, Christian: Gott im Markusevangelium. Wort und Gegenwart Gottes bei Markus (BThSt 144). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 181 S. In seiner auf Vorlesungen basierenden Studie, die wohl daher eine Fülle von Tabellen präsentiert, verfolgt Blumenthal seine Fragestellung und betont zu Recht hierfür die Bedeutung der zitierten Stimme Gottes, die zum ersten Mal in Mk 1,2, zum letzten Mal in 14,27 erscheint, wobei im Kontext der letzten Stelle Jesus dies mit einer IchAussage fortsetzt. In der Geschichte vom leeren Grab wird dann auch dieses Wort Jesu in der erzählten Welt zitiert. Blumenthal bündelt: „Wie Gott als zitierte Stimme in der erzählten Welt erscheint und so seine absolute Handlungs- und Geschichtshoheit eindrucksvoll unter Beweis stellt, so verschafft das Evangelium dem irdischen Jesus weiterhin Gehör und vergegenwärtigt seine Botschaft in Zeiten seiner Abwesenheit“ (168). Bosenius, Bärbel: Der literarische Raum des Markusevangeliums (WMANT 140). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 527 S. In ihrer Berliner Habilitationsschrift verbindet Bosenius die räumlichen Angaben des Evangeliums (vertikale und horizontale Raumachse) mit erzähltheoretischen Zu-

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gängen zur Konstruktion eines literarischen Raums (graphische Skizze auf S. 477), mit dem auch die Erzählfiguren verbunden sind. Das MkEv. zeigt eine doppelte Bipolarität zwischen Himmel und Erde wie zwischen dem Haus (in Kapernaum) und dem Tempel (in Jerusalem), mit denen jeweils oppositionelle Figuren erzählerisch verbunden sind: Nicht mehr der Tempel gilt als Schnittstelle horizontaler und vertikaler Raumachse, sondern das Haus; dort zeigt der markinische Jesus, „dass durch den angemessenen Umgang mit Ehepartnern, Kindern und Eltern, die richtige Einstellung zum Besitz und den Vorsatz, anderen zu dienen, statt sich (be-)dienen zu lassen, das Eingehen in die basileia tou theou möglich wird“ (482). Dorthin, nach Galiläa, kehrt auch der Auferstandene zurück; gleichzeitig ist er der am Ende der Zeiten kommende Menschensohn. „Somit endet das Evangelium dort, wo es angefangen hat: im himmlischen Thronsaal“ (483). Hübenthal, Sandra: Das Markusevangelium als kollektives Gedächtnis (FRLANT 253). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2014, 529 S. Hübenthal analysiert das MkEv., vor allem die Abschnitte 6,7–8,26, auf der Grundlage kulturwissenschaftlicher Erinnerungs- und Gedächtnisdiskurse und zeigt wie die Erzählgemeinschaft des Evangeliums als Erinnerungsgemeinschaft agiert, die ihre eigene Identität auf der Basis ihrer Jesuserinnerungen entwirft und so Erfahrung und Deutung der Geschichte zeigt. „Nicht das Ereignis selbst wird repräsentiert, sondern die Bedeutung, die es für die sich artikulierenden Subjekte der Erinnerung hat“ (73). Jesus wird hier zentral erinnert „als der Messias und Sohn Gottes, der durch Lehre und Heilungen (Wunder) den Weg eröffnet und vorgezeichnet hat in die herangenahte basileia tou theou als neue Wirklichkeit, in der die Menschen leben können und sollen“ (446). Als Mahlgemeinschaft konstituiert besitzt die Gemeinschaft das Potenzial, Abgrenzungen zu überwinden, zu neuer „Familiarisierung“ einzuladen und die „Mögliche Welt Jesu“ zu übernehmen und zu realisieren. Jay, Jeff: The Tragic in Mark. A Literary-Historical Interpretation (HUTh 66). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 319 S. In seiner anregenden literaturhistorischen Untersuchung zeigt Jay entgegen der bisherigen Forschungsmeinung, dass das Tragische und die Tragödie als Kunstform in der antiken jüdisch-christlichen Tradition nicht einfach ignoriert oder abgelehnt wurden. Jay argumentiert, dass Markus eine Erzählung schuf, die „tragisch“ ist, da sie einige häufige Motive und Stimmungen der Tragödie (Verkehrung, Rache, Wiedererkennen, Klage, Gefühle, Übernatürliches) aufweist, ebenso wie eine höchst theatralische Atmosphäre und ein präzises Gespür für die Unerbittlichkeit, die Jesus in die verhängnisvolle Passion treibt. Im Blick auf das offene Ende des Mk interpretiert Vf.: „Yet rather than ending the story of the followers of Jesus with this prospect of success, the narrator again echoes the failures, fears, and uncertainities […] The gospel closes with a profound image. The tomb is empty except for a heavenly youth ex machina. Jesus is absent from the tomb, but he was raised. Great hope is alive, yet the tragic undercurrent remains“ (204).

Lukasevangelium Böttrich, Christfried: Das lukanische Doppelwerk im Kontext frühjüdischer Literatur. ZNW 106 (2015), 151–183. Böttrich argumentiert auf dem Hintergrund der hellenistisch-jüdischen Literatur, dass Lk kein Heidenchrist, sondern ein Diasporajude war, der zum Glauben an

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Christus kam und wahrscheinlich in Griechenland lebte. „Die jüdische Tradition ist für ihn das Ererbte, die hellenistische Bildung das Erworbene“ (181). Kramer, Helga: Lukas als Ordner des frühchristlichen Diskurses um „Armut und Reichtum“ und den „Umgang mit materiellen Gütern“ (NET 21). A. Francke Verlag: Tübingen 2015, 381 S. In ihrer von Oda Wischmeyer betreuten Erlanger Dissertation untersucht Kramer die verschiedenen Stellen zu Armut und Reichtum im LkEv. Dabei harmonisiert sie die durchaus unterschiedlichen Aussagen nicht, sondern zeigt in einer genauen Analyse, wo hier lukanisches Sondergut, Q- und Mk-Stoffe vorliegen und wie – das ist die anregende These des Buches – Lukas als theologischer Redaktor diese Diskurse, die sich in Q, Mk und Lk Sg spiegeln, aufnimmt, ordnet und im Blick auf seine Gemeinde, zu der Wohlhabende und Arme gehören, lenkt. Zusammenfassend formuliert: „Nicht zuletzt durch seine eigene kompositorische Tätigkeit … spitzt Lukas ethische Impulse zu, konkretisiert sie … und fordert seine Hörer zum Handeln auf. Er zögert dabei nicht, die eschatologische Gefahr von Reichtum und egozentrischem Umgang mit materiellen Gütern drastisch vor Augen zu führen und damit auf die Dringlichkeit einer Entscheidung zum Umgang mit Besitz hinzuweisen. Gleichzeitig ermutigt er seine Hörer durch die Schilderung der Fürsorge Gottes, die den Jüngern Jesu zuteil wurde, sich mit ihrer Entscheidung zur Bindung an Jesus ‚heute‘ in der christlichen Gemeinde ebenfalls – aber auf ihre Weise – von materiellen Gütern zu lösen. […] Die Gemeinde aus Armen und Reichen soll zusammenwachsen und sich gut gerüstet, materielle Güter teilend und für die Verkündigung der basileia einsetzend …, auf den Weg machen“ (355 f, ohne Hervorhebungen des Originals). Gillner, Jens: Gericht bei Lukas (WUNT II, 401). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 387 S. In seiner von Peter Pilhofer betreuten Erlanger Dissertation untersucht Gillner detailliert die zehn, teils umfänglichen Gerichtsstellen bei Lk (7 aus Q, 2 aus Sondergut, 1 aus Mk) sowie im Anhang auch die Areopagrede und zeigt insgesamt deren Funktion innerhalb der lukanischen Soteriologie. Die Rede vom künftigen und universalen Gericht geschieht „nicht, um Angst zu schüren, sondern einzig dazu, den homo corrigendus zu motivieren, damit dieser sich unermüdlich darum bemüht, durch die enge Pforte in den Festsaal des Herrn zu gelangen“ (316).

Johannesevangelium Ringleben, Joachim: Das philosophische Evangelium. Theologische Auslegung des Johannesevangeliums im Horizont des Sprachdenkens (HUTh 64). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 545 S. Der Göttinger Systematische Theologe, der bereits 2008 eine theologische Auslegung der Jesusgeschichte in Mk vorgelegt hat, widmet sich hier dem JohEv.: „Die hier vorgelegte Interpretation … zeichnet sich durch eine entschiedene Konzentration auf ein Zweifaches aus. 1. sie will in möglichster Reinheit den gedanklichen Gehalt des vorliegenden Textes herausarbeiten und so das Gesagte konsequent in seiner Logik begreifen. 2. soll in engstem Anschluss an den Wortlaut die sprachliche Gestalt der Texte als adäquater Ausdruck des theologischen Gedankens verstanden werden“ (1). Ringleben führt dies an der Interpretation des Prologs exemplarisch vor, erarbeitet dann dessen Bezüge zum Gesamttext und mündet in die Auslegung der Ich-binWorte. Ein sprachphilosophisch und theologisch nicht zuletzt die Predigt anregendes Buch!

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Zimmermann, Ruben: Figurenanalyse im Johannesevangelium. Ein Beitrag zu Sinn und Wahrheit narratologischer Exegese. In: ZNW 105 (2014), 20–53. Zimmermann gibt einen Einblick in die Figurenanalyse in Literatur- und Medienwissenschaft und in der Johannesforschung, stellt einen Überblick über die in Frage kommenden Haupt-, Neben- und Randfiguren im vierten Evangelium auf und zeigt exemplarische Ergebnisse der Figurenpräsentation und -analyse (Joh  4; 11; Johannes der Täufer). Am Ende hebt Zimmermann die Stärken narratologischer Exegese im Bereich der Christologie und der Wahrheitsfrage hervor, plädiert aber ebenso für eine ausgewogene „Balance zwischen historischen, narratologischen und … rezep­ tionsästhetischen Ansätzen“ (53). Moser, Marion: Schriftdiskurse im Johannesevangelium. Eine narrativ-intertextuelle Analyse am Paradigma von Joh 4 und Joh 7 (WUNT II, 380) Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 304 S. In ihrer Züricher durch Jean Zumstein betreuten Dissertation analysiert Moser den Schriftgebrauch und die Schrifttheologie des Joh unter besonderer Verwendung der Intertextualitätsforschung. In den beiden angegebenen Kapiteln, statt in den wenigen Belegstellen expliziter Schriftzitate, wird hervorgehoben, dass und wie hier die Figuren bzw. Figurengruppen in die Debatten um die richtige Auslegung der Schrift fungieren. „Die Schrift behält zwar ihre Autorität und Gültigkeit, kann aber unterschiedlich ausgelegt und auch von der Gegenseite in ihrer Argumentation verwendet werden. Zu Christus führen kann sie deswegen nur dann, wenn sie ‚richtig‘ inter­ pretiert wird“ (269). Watt, Jan G. van der / Culpepper, R. Alan / Schnelle, Udo (Hg.): The Prologue of the Gospel of John. Its Literary, Theological, and Philosophical Contexts. Papers read at the Colloquium Ioanneum 2013 (WUNT 359). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 342 S. Die 14 Beiträge des Sammelbandes konzentrieren sich auf die Bedeutung des Prologs, also des herausfordernden Schlüsseltextes des gesamten Evangeliums. Dabei werden im ersten Teil  die Herausforderungen der Auslegung samt der religionsgeschichtlichen, literarischen und theologischen Hintergründe thematisiert, während im zweiten Teil die methodischen und philosophischen Aspekte hervorgehoben werden, z. B. im Verständnis von logos (Frey), pneuma (Koester) oder semeion (Zumstein), und eine philosophische Lektüre des Evangeliums perspektiviert wird (Schnelle). Poplutz, Uta / Frey, Jörg (Hg.): Erzählung und Briefe im johanneischen Kreis (WUNT II, 420). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 305 S. Die einzelnen Beiträge untersuchen in drei Abteilungen die Erzählstrukturen des Evangeliums, die brieflichen und narrativen Formen in Evangelium wie Briefen einschließlich der frühchristlichen Rezeptionen und zentrale theologische Aspekte wie Doketismus, Christologie, Hamartiologie und Ethik.

Apostelgeschichte Gebauer, Roland: Die Apostelgeschichte, Teilband 1 (Apg 1–12) (Die Botschaft des Neuen Testaments). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 231 S. Ders.: Die Apostelgeschichte, Teilband 2 (Apg 13–28) (Die Botschaft des Neuen Testaments). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 279 S. In der von Walter Klaiber herausgegebenen allgemeinverständlichen Kommentarreihe legt Gebauer, Rektor der evangelisch-methodistischen Hochschule in Reutlingen, die Apg in zwei Teilbänden aus. Der Kommentar bietet knappe Auslegungen

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der Verse und Perikopen, die in den graphisch hervorgehobenen Schlussabschnitten jeweils gebündelt und teils mit gegenwärtigen Fragen und Applikationen verbunden werden. Zum Abschluss wird die theologische Botschaft unter den Aspekten der Souveränität Gottes als Herr der Geschichte, der Heilsgeschichte, der Christologie, der Pneumatologie und der Soteriologie zusammengefasst (239–262) und mit einem auf die Gegenwart zielenden Schlusswort (263–267) verbunden. Hier votiert Gebauer durch die Hervorhebung der Verkündigungsdimension in der Apg u. a. grundsätzlich für die Mission unter Juden bei aller durch die Geschichte notwendig gewordenen Zurückhaltung und der Empfehlung, die Kirche möge hier das gegenwärtige Zeugnis der Judenchristen fördern. Gebauer wendet sich auch gegen das aus seiner Sicht postmoderne Verständnis des Evangeliums als Deutungs- und Sinnstiftungsangebot: „Die Heilsbotschaft von Jesus ist mehr und anderes als ein bloßes Angebot zur Deutung des Lebens und der Welt, das einem hilft, besser mit sich und seiner Existenz zurechtzukommen. Es geht um mehr und anderes als Sinnstiftung, es geht auch um mehr und anderes als die Etablierung einer Kultur der Nächstenliebe, der Toleranz und des Friedens (so wichtig und wertvoll sie ist) – es geht um das Erfasst- und Durchdrungen-Werden mit der alles verändernden Lebenskraft des lebendigen Gottes“ (267). Die Gegensätze erscheinen mir als konstruiert, bieten aber Stoff und Anregung zur Auseinandersetzung. Balch, David L.: Contested Ethnicities and Images. Studies in Acts and Arts (WUNT 345). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 479 S. Im vorliegenden Band verbindet Balch zwanzig mehrheitlich bereits veröffentlichte Studien zur Apg und zur antiken Kunst. Dabei zeigt er detailliert auf, wie sich Apg an den ethnischen, ökonomischen und politischen Debatten beteiligt; hier wird dafür geworben, dass Fremde aufgenommen werden, stolze und reiche Städter Demut lernen und eine Gemeinde mit den Armen bilden. Anregend sind die Untersuchungen zu den Bildern aus antiken Häusern, z. B. in der Darstellung von Frauen als Priesterinnen und deren Verbindung zu NT-Texten. Hier erscheint eine Analogie zur Entwicklung wie sie beispielweise Theißen im Bereich der frühchristlichen Ethik als Demokratisierung aristokratischer Werte und Normen beschreibt: „the frescoes were powerful exponents of this Greco-Roman aristocratic ethic also for the lower classes, both on the forum and in domestic spaces“ (304). Die zahlreichen Abbildungen sind dem Buch als CD beigefügt. Schnell, Vítor Hugo: Die Areopagrede des Paulus und Reden bei Josephus. Eine vergleichende Studie zu Apg 17 und dem historiographischen Werk des Josephus (WUNT II, 419). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 317 S. In seiner durch Karl-Wilhelm Niebuhr betreuten Jenaer Dissertation zeigt Gebauer die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rhetorischen und literarischen Profile von Lukas und Josephus im Gegenüber zu einem hellenistisch gebildeten Publikum. Dabei werden auch die Gottesvorstellungen der beiden Theologen hervorgehoben.

Römerbrief Wolter, Michael: Der Brief an die Römer, Teilband 1 (Röm 1–8) (EKK NF VI/1). Neukirchener Verlag / Patmos Verlag: Neukirchen / Ostfildern 2014, 559 S. Mit diesem Band beginnt die Neue Folge des EKK. Nach dem dreibändigen Römerbriefkommentar von Ulrich Wilckens (1978–82) legt Wolter im Anschluss an sein wichtiges Lehrbuch zur Theologie des Paulus (vgl. JLH 53 [2014], 76) nun den ersten

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Teilband vor. In den Einleitungsfragen bleibt die Unsicherheit der Datierung aufgrund der unklaren Quellenlage gewahrt (2. Hälfte der 50er Jahre). Weitreichend ist seine wohl begründete Annahme, dass Paulus an die heidenchristlichen Gläubigen schreibt, aber die nichtchristlichen Juden als Gesprächspartner stets im Blick hat, während die christlichen Juden, die es in Rom selbstverständlich gab (vgl. 30–41: instruktiver Exkurs zu „Juden und Christen in Rom“), nicht direkte Adressaten sind. Paulus gestaltet hier die „Vorstellung seiner Theologie vor den römischen Heidenchristen als einen Dialog mit dem nichtchristlichen Judentum […] Der das Judentum repräsentierende Dialogpartner im Römerbrief ist darum niemand anderer als der Jude Paulus. Von ihm sieht der Apostel Paulus sich genötigt, theologische Rechenschaft über den Weg abzulegen, den er als ‚Sklave Christi Jesu‘ und ‚Apostel‘ gegangen ist, den Gott mit der Verkündigung seines Evangeliums beauftragt hat (Röm 1,1)“ (49). In guter EKK-Tradition folgt dann (75–559) die präzise und detaillierte historische, traditionsgeschichtliche und theologische Auslegung, die keine Wünsche offen lässt. Zu kritisieren ist lediglich, dass hier keine wirkungsgeschichtlichen Exkurse und Ausblicke zu finden sind, die die EKK-Auslegungen bisher besonders profiliert haben und für Predigt und Unterricht eine Fundgrube darstellen. Zwar betonen die Herausgeber in ihrem Geleitwort, dass die Wirkungsgeschichte ein besonderes Profil der EKK-Bände bleiben wird und beim neuen Römerbriefkommentar im 2. Teilband die Rezeption des Gesamtbriefes dargestellt werden wird (vgl. VIIf); und auch Wolter schreibt – sicher mit Recht –, dass die wirkungsgeschichtlichen Teile von Ulrich Wilckens so informativ seien, dass sie nicht wiederholt zu werden brauchen (vgl. IX); jedoch setzt dies eben Leserinnen und Leser voraus, die Zugang zum Wilckens-Kommentar haben – eine etwas einseitige Implikation! Theißen, Gerd / Gemünden, Petra von: Der Römerbrief. Rechenschaft eines Reformators. Vandenhoeck&Ruprecht: Göttingen 2016, 560 S. Der im Untertitel auftauchende Reformator ist nicht Martin Luther, sondern der Apostel Paulus. Die Verfasser verstehen ihn grundlegend als Reformator des Judentums, der für die Öffnung des Judenchristentums für Heidenchristen, ja, des Judentums für Heiden eintrat. Paulus war ein scheiternder Reformator, inspirierte aber gleichwohl die Theologie und wurde u. a. zur Grundlage der Reformation. In ihrem einführenden Überblick zur Forschungsgeschichte (27 ff)  zeigen die Verfasser die Grundlinien von der liberalen Paulusdeutung im 19. Jh. über die existentiale Interpretation Bultmanns bis zur new perspective, aber auch zur neueren antiimperialen Deutung. Dabei werden sowohl die Grundeinsichten der new perspective gewürdigt, als auch deren Grenzen in Methodik und einseitiger Abgrenzung von der traditionellen Exegese aufgewiesen. Schon hier zeigt sich der unaufgeregte integrative Ansatz dieses Buches, der auch die Berechtigung der reformatorischen Bezüge des 16. Jhs. zur Geltung bringt und vor allen die bisher getrennten individuellen und sozialen Dimensionen der Rechtfertigungsbotschaft verbindet. In mehreren Durchgängen werden unterschiedliche, einander ergänzende und fortführende „Lektüren“ vorgenommen: textimmanent (59 ff), historisch (89 ff), bildsemantisch (in Bezug auf das Gottesbild, 135 ff), theologisch (in Bezug auf die vier Heilskonzepte des Briefs [Heil durch das Tun des Gesetzes, durch Rechtfertigung ohne Gesetz, durch Verwandlung und Befreiung vom Gesetz, durch Erwählung vor jedem Gesetz], 227 ff), sozialgeschichtlich (297 ff) und psychologisch (357 ff), die dann abschließend gebündelt und weitergeführt werden (442 ff). „Wie sich Gott im Laufe des Römerbriefs durch seine Offenbarung in Christus von einem zornigen Gott zu einem liebenden Gott verwandelt, so verwandelt sich auch der Mensch durch seine Verbindung mit

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Christus von einem aggressiven zu einem kooperativen Wesen. Die ganze objektive ‚Heilsgeschichte‘ wird durch den persönlichen Glauben zu einer inneren verändernden Kraft im Leben“ (497)  – eine Kraft, die auch heute alle Religionen anspricht: „Alle Religionen müssten sich tiefgreifend verändern, um diesen reformatorischen Impuls zu verwirklichen. Alle müssen ihre Traditionen wie Paulus neu interpretieren, um sie für andere Menschen zu öffnen. Alle Menschen müssen wie Paulus separatistischen Fanatismus überwinden. Das Ziel ist: Am Ende soll Gott alles in allem sein“ (ebd.). Ein wichtiges Buch, das neu anregt, ermutigt und Wege zur hohen paulinischen Theologie zeigt, die auch Predigt und Bildung einschlagen sollten! Solon, Dennis T.: Rechtfertigung der Sünder und Solidarität mit den Opfern. Eine befreiungstheologische Auslegung des Römerbriefs (Beiträge zum Verstehen der Bibel 26) LIT Verlag: Berlin 2015, 285 S. In seiner von Gerd Theißen betreuten Dissertation zeigt der philippinische Theologe Dennis Solon in seiner Römerbriefexegese, dass dort eine doppeltes Verständnis von Unheil und von Erlösung vorliegt: Unheil erscheint als Sünde und als Leid, Erlösung ist Schuldüberwindung und Leidüberwindung. Befreiungstheologisch interpretiert kann man „dem Römerbrief die Botschaft entnehmen: Gnade für die Täter, Solidarität mit den Opfern“ (240). Paulus’ Verkündigung „von Kreuz und Auferstehung zielt nicht nur auf die Überwindung der Sünde, sondern auch auf die Überwindung und Bewältigung von Leid“ (243). Krauter, Stefan (Hg.): Perspektiven auf Römer 7 (BThSt 159). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2016, 205 S. Der Sammelband dokumentiert sieben Beiträge einer Nachwuchswissenschaftlertagung der Universitäten München und Zürich zu einem in der Deutung durch die gesamte Auslegungsgeschichte hindurch umstrittenen Kapitel. Dabei vermittelt die Forschungsgeschichte, zumal in den neueren Abhandlungen und Kommentaren, durchaus den Eindruck, dass eigene Deutungen mit (zu) großer Selbstsicherheit vorgetragen werden. Hiervon unterscheidet sich dieser Band wohltuend. Inhaltlich geht es um die Deutung des „Ich“, das weiterhin auch zu bestimmten anderen, wiederum komplexen Begriffen im Text (Fleisch, innerer Mensch, Glieder, Vernunft, Körper, Sünde, Begierde und last but not least: Gesetz) in Beziehungen steht bzw. gesetzt werden muss. Die einzelnen Beiträge zeigen, wie gerade durch Kontexte und Interpretationsrahmen (antikes Judentum, hellenistische Philosophie [Platonismus oder Stoa], Sozialgeschichte, systematisch-theologische Anthropologie) Auslegungen bestimmt werden, die hier als einander ergänzend vorgelegt werden und die auch insgesamt der offenen Konzeption des Paulus in Röm  7,7–25 entspricht. „Mit dieser offenen Konzeption … ist es Paulus … gelungen, dass sich ganz unterschiedliche Leserinnen und Leser die Frage stellten, inwieweit sie sich mit den geschilderten Erfahrungen des ‚Ich‘ identifizieren können“ (202; Jakob Spaeth). Schreiber, Stefan: Weitergedacht. Das versöhnende Weihegeschenk Gottes in Röm 3,25. In: ZNW 106 (2015), 201–215. Die traditionelle bibeltheologische Auslegung von hilasterion bezieht dieses auf die kapporæt, die Deckplatte oder Sühnestätte an der Bundeslade im ersten Tempel, und damit auf den Blutritus des frühjüdischen Jom Kippur (Lev  16); Paulus habe dies dann typologisch gedeutet: Jesus trete an die Stelle des Sühneortes oder Sühne­r ituals und leiste in seiner Lebenshingabe (‚durch sein Blut‘) Sühne für die Vergehen der Menschen. In Weiterführung seiner Interpretationsalternative (vgl. ZNW 97 [2006], 88–110) argumentiert Schreiber, dass mit hilasterion hier das versöhnende Weihegeschenk gemeint sei. Damit werde das kulturelle Wissen der Hörer gestört, denn ein

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Weihegeschenk richten sonst Menschen an die Gottheit und es handelt sich normalerweise um einen Gegenstand, nicht um eine Person. Gerade diese Störung macht Paulus als starke innovative Metaphorik für seine Theologie fruchtbar: Im Tod Jesu handelt Gott selbst und „wirkt Versöhnung mit den Menschen, d. h. er wendet sich ihnen unmittelbar heilstiftend zu und nimmt die Beziehung zu ihnen neu und ohne Vorbedingungen auf“ (213). Horn, Friedrich W.: Romans in America. In: ThLZ 140 (2015), 873–881. Der Mainzer Neutestamentler und Herausgeber des neuen Standardwerkes „Paulus Handbuch“ (vgl. JLH 53 [2014], 75) stellt in seinem Literatur- und Forschungsbericht neuere amerikanische Arbeiten und Kommentare zum Römerbrief vor und resümiert: „Das Beachten der Auslegungs- und Rezeptionsgeschichte des Römerbriefs hält für die neutestamentliche Arbeit einen Blick für das Gesamte der Theologie wach. Ein durchgehend brisantes Thema ist die Frage des Verhältnisses von Christusgläubigen zu Juden im Blick auf den Begriff des Volkes Gottes. Das Interesse an Rhetorik und Epistolographie und deren Stellenwert für die Interpretation erscheinen notwendig, aber begrenzt. Die theologischen Themen drängen nach vorne. Die Flut von Kommentaren, die sich nur selten fundamental voneinander unterscheiden, macht stutzig und verlangt nach einer Erklärung“ (881).

Korintherbriefe Schmeller, Thomas: Der zweite Brief an die Korinther, Teilband 2 (2 Kor  7,5–13,13) (EKK VIII/2). Neukirchner Verlag / Patmos Verlag: Neukirchen-Vluyn / Ostfildern 2015, 407 S. Fünf Jahre nach dem ersten Teilband liegt nun der abschließende 2.  Teilband vor. Schmeller legt diesen stark persönlich geschriebenen Paulusbrief als literarische Einheit aus und zeigt die theologischen Konzeptionen des Apostels im Gegenüber zu den Angriffen der Gegner und der Vorbehalte seitens der Gemeinde. Das besondere Profil der Kommentarreihe liegt auch in der skizzierenden Beschreibung der Wirkungsgeschichte, die häufig Anregungen für Predigt und Unterricht enthält. Schmeller bietet hier nicht wie bisher die Wirkungsgeschichte zu einzelnen Versen und Perikopen (Hinweise dazu finden sich allerdings in den Anmerkungen), sondern zu den großen theologischen Themen: Armut und Reichtum (vgl. 2Kor 8,9), Rhetorik (vgl. 11,6), Himmelsreise (vgl. 12,2 ff), Stachel (vgl. 12,7 ff)  und Kreuzestheologie (vgl. 13,4). In zwei größeren Exkursen werden die Kollekte für Jerusalem und die Gegner des Paulus in 2Kor auf der Grundlage der bisherigen Forschungsgeschichte profiliert. „Paulus versucht, die korinthischen Christen zur Beteiligung an einer Geldsammlung zu bewegen, die seine eigene Initiative war. In lockerem Anschluss an die Vereinbarung auf dem Apostelkonvent hatte er freiwillig mit einer Kollekte für Jerusalem begonnen, die zugleich die Verbundenheit seiner Gemeinden mit den dortigen Christen und die Anerkennung seines Evangeliums durch das Judenchristentum demonstrieren sollte“ (39 f). Bei der Gegnerfrage urteilt Schmeller pointiert: „Paulus schuf sich die Gegner zu großen Teilen selbst, indem er überzeichnete und polemisierte. Das Gegnerbild, das sich daraus ergibt, ist beinahe eine Chimäre“ (171). Das heißt auch, dass der Kern des Konflikts weniger theologische Kontroversen waren, sondern Anerkennung, Autorität und Einfluss des Paulus in der Gemeinde  – eine Konstellation, die auch in heutigen kirchlichen und konfessionellen Konflikten wiederkehrt!

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Hofius, Otfried: „Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“? Zum Problem der Übersetzung und Auslegung von 2 Kor 5,7. In: ZThK 111 (2014), 271–283. Hofius zeigt, dass eidos in 2Kor 5,7 nicht das aktivische Schauen meint, sondern passivisch: die äußere Erscheinung, die sichtbare Gestalt. Das hat eine gewichtige Konsequenz: Im Vers geht es nicht um eine Gegenüberstellung zwischen dem Glauben als Bezeichnung gegenwärtiger Existenz und dem Schauen als Merkmal zukünftiger himmlischer Existenz. Der Glaube wird nach Paulus nicht durch das Schauen von Angesicht zu Angesicht (vgl. 1Kor  13,12) abgelöst und findet auch kein Ende. „Der Glaube ist für den Apostel die durch das Evangelium gewirkte Relation zu Jesus Christus und als solcher der Modus der Teilhabe an dem Heil, das Gott dem Menschen in der Person und dem Werk seines Sohnes bereitet hat“ (283). Jantsch, Torsten (Hg.): Frauen, Männer, Engel. Perspektiven zu 1 Kor 11,2–16 (BThSt 152). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2015, 247 S. Dieser für das Verhältnis von Mann und Frau sowie für die Frage nach der Kopfbedeckung der Frau im Gottesdienst wirkungsstarke Text wird hier in vier Beiträgen (vom Hg., von David S. du Toit und Loren T. Stuckenbruck) untersucht und durch eine ausführliche, thematisch wie chronologisch gegliederte Bibliographie zur Stelle (von Jacob Brouwer) ergänzt. David S.  du Toit stellt heraus, dass die Muster „Status und Anstand“, sozialgeschichtlich und argumentationslogisch begründet, Verstehensschlüssel für diesen Text sind, bei dem die in der Antike weitverbreitete soziale Höherstellung des Mannes vorausgesetzt wird. Torsten Jantsch zeigt mit einem wachsenden Konsens in der Exegese, dass hier nicht an einen Schleier oder eine andere textile Kopfbedeckung für die Frauen zu denken ist, sondern dass es um die Frisur geht: Frauen sollen die Kontrolle über ihren Kopf haben (V. 10) und ihr (langes) Haar geordnet und nicht frei und gelöst herunterhängend tragen; dahinter steht die Abgrenzung von ekstatischen Kulten. Stuckenbruck vermutet demgegenüber doch eine Kopfbedeckung, die die Trennung von Männern und Frauen markiere und Frauen wie Männer (und Engel) vor sexuellen Reizen schütze.

Galaterbrief John, Felix: Der Galaterbrief im Kontext historischer Lebenswelten im antiken Kleinasien (FRLANT 264). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 259 S. In seiner von Dieter Sänger betreuten Kieler Dissertation erschließt John die altertumswissenschaftlichen Einsichten und Hypothesen zu Kleinasien für ein Verständnis der Adressaten des Gal. (Noch) Gegen den mainstream der deutschen Exegese favorisiert er die südgalatische Hypothese, nach der die Adressaten in der Provinz, nicht ausschließlich im nördlichen Kerngalatien, zu suchen sind. Die Beschneidungsfrage ist ein Binnenproblem der judenchristlichen Gruppierungen mit Auswirkung auf die heidenchristlichen Galater. Paulus votiert hier pointiert „für eine christliche Identität …, die sich nur durch den Glauben an Christus definiert (Gal 2,16) und die die christliche Gemeinschaft außerhalb des durch die jüdischen Identitätsmerkmale abgesteckten Rahmens ansiedelt (Gal 2,3.7.9.11–21)“ (211).

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Philipperbrief / Philemonbrief Schluep-Meier, Christoph: Der Philipperbrief / Der Philemonbrief (Die Botschaft des Neuen Testaments). Neukirchner Verlag: Neukirchen-Vluyn 2014, 224 S. In der von Walter Klaiber herausgegebenen allgemeinverständlichen Kommentarreihe legt Schluep-Meier die beiden Briefe aus, die er als die beiden letzten Briefe des Apostels (zwischen 59 und 61 während der Gefangenschaft in Rom geschrieben) ansieht; der Philipperbrief wird als literarisch einheitlicher Brief verstanden. Der Kommentar bietet knappe Auslegungen der Verse und Perikopen, die in den graphisch hervorgehobenen Schlussabschnitten jeweils gebündelt und teils mit gegenwärtigen Fragen und zurückhaltenden Applikationen verbunden werden, z. B. beim Philipperhymnus: „Kein Wort ergeht jedoch … zum Gericht über die Sünder. Könnte dies ein Hinweis sein, dass es überflüssig geworden ist? Wäre es möglich, dass der Hymnus davon ausgeht, dass irgendwann tatsächlich jedes Knie sich beugen wird und jede Zunge Christus bekennt? Dann nämlich wäre das Schweigen über das Gericht konsequent, denn wo jedes Geschöpf sich zum Kyrios bekennt, braucht es in der Tat kein Gericht mehr“ (78). Zum Abschluss der Kommentare bietet Schluep-Meier knappe Zusammenfassungen der theologischen Botschaften (163–169.213–216), die für Verkündigung, Unterricht und Bibelarbeit anregend sind. Frey, Jörg / Schliesser, Benjamin (Hg.): Der Philipperbrief des Paulus in der hellenistisch-römischen Welt (WUNT 353). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 421 S. Der Sammelband präsentiert die zu Ehren Samuel Vollenweiders gehaltenen Beiträge einer internationalen Fachtagung in Zürich (2013). Der Bogen spannt sich von der differenzierten Darstellung der Forschungsgeschichte (Jörg Frey) über die vielfältigen sozialgeschichtlichen Zugänge (Benjamin Schliesser, Markus Öhler, Heike Omerzu, Eva Ebel), Interpretationen der „Freude“ aus antiker (Petra von Gemünden) und moderner Perspektive (Anke Inselmann) bis hin zu den grundsätzlichen Überlegungen des Jubilars zur Kommentierung dieses Briefes. Der forschungsgeschichtliche Überblick zeigt u. a. die derzeitigen Tendenzen, den Brief nicht literarkritisch zu teilen und als Abfassungsort eher an Ephesus als an Rom zu denken, ihn also zeitlich in die Nähe der Abfassung der Korintherbriefe zu rücken und nicht als letzten oder vorletzten Brief mit Vermächtnischarakter zu stilisieren. Vollenweider selbst gibt einen instruktiven Überblick über die gängigen Kommentare zu Phil und skizziert seine eigenen Entscheidungen, die die Kohärenz des Briefes voraussetzen und außerdem Bezüge zur romanitas und zur politischen Theologie des Apostels erschließen, wobei letztere nicht als pathetische antiimperialistische Antithese zu verstehen ist, sondern im Sinne einer Überbietung: „Christliche Gemeinden bauen nicht einfach einen Kontrast zur imperialen Gesellschaft auf, sondern sie übertreffen die vorfindlichen Gemeinschaftsformen: was eine Polis und ein Haushalt eigentlich sein soll, was Friede, Gleichheit, Gemeinschaft und Freiheit in ihrer Fülle ausmacht, hier unter den Geschwistern ‚in Christus‘ ist es Wirklichkeit – fragmentierte Wirklichkeit im Zeichen der himmlischen Stadt“ (392). Auf diesen Kommentar (EKK) darf man gespannt sein! Betz, Hans Dieter: Studies in Paul’s Letter tot he Philippians (WUNT 343). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 189 S. In sieben Aufsätzen untersucht Betz den Phil, den er als letzten Paulusbrief, während der Gefangenschaft in Rom geschrieben, ansieht. Nach einer Einleitung in den Text werden Phil 1,21–26 (a statement of principle), 3,1–21 (an autobiographical me-

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morandum), 4,8 f (on being  a Paulinist), 4,10–13 (on self-sufficiency), 4,10–20 (the cost of mission: a look at Paul’s finances) und schließlich die literarische Komposition und Gattung untersucht. Hier urteilt Betz, dass als Gattung die auch bei Seneca in Briefform zu findende praemeditatio mortis anzunehmen sei. Im Gegensatz zu Seneca ist Paulus’ Brief und Briefwechsel allerdings real. Betz zeigt, dass vor allem die Abschnitte des autobiographischen Memorandums und der Kostenrechnung (4,10 ff) Beigaben sind zu den anderen Texten, die insgesamt als von Paulus, Timotheus und dem philippischen Boten Epaphroditus (und anderer im Brief namentlich erwähnter Christusnachfolger) gemeinsame theologische Überzeugungen gelten können. „Since only Paul is the prisoner on trial, he has formulated the substance of his praemeditatio mortis. It can be presupposed that he wrote his response on the basis of his apostolic authority, but it certainly is also the result of a consensus among his collaborateurs“ (153). Arnold, Bradley: Christ as the Telos of Life. Moral Philosophy, Athletic Imagery and the Aim of Philippians (WUNT II, 371). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 259 S. In seiner Dissertation an der University of Exeter (Betreuer: David Horrell) untersucht Arnold den Phil in seinem historischen Kontext, im Rahmen der moralphilosophischen Strömungen (Aristoteles, Epikureismus, Stoa) und der Bedeutung des Sports in der Antike. Paulus fasst nach Arnold sein Verständnis des Lebens im Bild des Athleten / Läufers zusammen (Phil 3,13 f), das gleichzeitig einen ansprechenden Appell an die Philipper bedeutet: „The rhetorical potency of this imagery makes it something that would linger in the mind of the audience; it is the picture that sums up how they should think and live and is, therefore, at the heart of Paul’s argument in this letter“ (221). Becker, Eve-Marie: Der Begriff der Demut bei Paulus. Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 268 S. In dieser Monographie, die explizit als Vorarbeit zu einem Kommentar zum Phil (KEK) angekündigt wird, untersucht Becker den vielschichtigen paulinischen Begriff der Demut, einschließlich wirkungsgeschichtlicher Aspekte in der Kultur-, Frömmigkeits- und Theologiegeschichte. Dabei wird der paulinische Begriff als „Niedrig-Gesinnung“ qualifiziert: „So bedeutet Demut Christus-Akkomodation zum Zwecke der Durchsetzung ekklesialer Henophronesis“ (217). Becker zeigt hierbei den LXX-Hintergrund und die Berührungen zur platonischen Staatslehre und zur aristotelischen Ethik. Die paulinische Demutsforderung „ist nicht als ethisches Gebot oder moralischer Appell zu verstehen, sondern Ausdruck einer Existenzform …, die an Christus Maß nimmt und von Paulus vorgelebt wird“ (219 f).

Kolosserbrief Lang, T. J.: Disbursing the Account of God. Fiscal Terminology and the Economy of God in Colossians 1,24–25. In: ZNW 107 (2016) 116–136. Die jede Soteriologie irritierende Formulierung, dass der Apostel „auffüllt, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24) wird hier detailliert untersucht. Lang legt nahe, dass hier ein terminus technicus aus dem Finanzwesen vorliegt, das auch in V. 25 eine Rolle spielt: Die finanzielle Verantwortung des Apostels besteht darin, „das Konto Gottes auszubezahlen“ (V. 25), also die christologischen Reichtümer, die ihrerseits gerade nicht unzulänglich sind, den Völkern auszubezahlen.

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Thessalonicherbriefe Schreiber, Stefan: Der erste Brief an die Thessalonicher (ÖTK 13,1). Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2014, 330 S. In dem neuen Kommentar präsentiert Schreiber eine Auslegung des ältesten Paulusbriefes in klarer und verständlicher Sprache (griechische Begriffe erscheinen in deutscher Umschrift), die die bisherigen Forschungsergebnisse bündelt. Zu Beginn werden auf rund 50 Seiten die historischen Kontexte und Verstehensbedingungen präsentiert  – z. B. zur Geschichte der Stadt, den antiken Bauwerken, den Kulten, der Zusammensetzung der jungen Christengemeinde. Daran schließt sich die Einzelauslegung an. Schreiber ist bezüglich der immer wieder beschriebenen oder konstruierten Entwicklungen des paulinischen Denkens äußerst zurückhaltend. „Da alle erhaltenen Paulusbriefe aus einem engen Zeitkorridor stammen (wohl 50–56) und keiner dieser Briefe eine systematische Gesamtdarstellung einer paulinischen Theologie entfaltet, bleibt die Nachweisbarkeit theologischer Entwicklungen ohnehin beschränkt“ (69). Auch bei der umstrittenen Frage nach dem Antijudaismus in 2,15 f legt Schreiber zunächst historisch aus, um die Polemik verständlich zu machen (148–167). Im hermeneutischen Teil  (167–171) votiert er für Kanonkritik und eine theologisch begründete entschiedene Ablehnung des Antijudaismus. Der Ausblick auf Röm 9–11 (171) weitet den Blick auf Paulus’ spätere Äußerungen – ob hier nicht doch eine theologische Entwicklung vorliegt? Roose, Hanna: Der erste und der zweite Thessalonicherbrief (Die Botschaft des Neuen Testaments). Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2016, 214 S. Roose legt in diesem allgemeinverständlichen Kommentar beide Briefe aus. Dabei versteht sie mit der Mehrheit der Forschung 1Thess als ältesten Paulusbrief und 2Thess als pseudepigraphes Schreiben. Allerdings stellt sie begründet da, dass 2Thess nicht den ersten Brief ersetzen soll, sondern eine korrigierende Leseanweisung darstellt, wie sowohl an den zahlreichen intertextuellen Bezügen wie an den inhaltlichen Korrekturen gezeigt wird. Konkret werden das Verständnis der sog. „Unordentlichen“ und der „Bedrängnisse“, das Gericht mit doppeltem Ausgang und die Dehnung der Naherwartung durch diese Leseanweisung verändert. Den theologischen Antijudaismus (1Thess  2,15 f)  legt Roose historisch aus und nimmt als rhetorische Funktion eine Analogiebildung zwischen „den Juden“ und den die Gemeinde verfolgenden heidnischen Landsleuten an. Als Teil des Kanons ist dieser Abschnitt „ein hochproblematischer Text“ (46): „Die Schärfe der Polemik hinterlässt Ratlosigkeit“ (ebd.) und stellt „eine schwere Bürde“ (117) im jüdisch-christlichen Dialog dar.

Petrusbriefe / Judasbrief Vahrenhorst, Martin: Der erste Brief des Petrus (ThKNT 19). Kohlhammer: Stuttgart 2016, 226 S. Vahrenhorst kommentiert 1Petr (61–203) als pseudepigraphes Schreiben und präsentiert in seiner ausführlichen Einleitung (9–59) Forschungsgeschichte, Verfasserund Datierungsfragen. Er hebt begründet hervor, dass man keine allgemeine Verfolgungssituation der Gemeinde annehmen muss, wohl aber soziale Diskriminierungen und verbale Angriffe. Die Adressaten entstammen dem Heidentum, machen ähnliche Fremdheitserfahrungen wie die bei Philo und JosAs beschriebenen Proselyten,

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werden von der Umwelt aber nicht als Juden, sondern als „Christianer“ (1Petr 4,16) wahrgenommen. Für die Datierung ergibt sich ein Zeitraum von vier Jahrzehnten ab dem Jahr 80. Frey, Jörg: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus (ThHK 15/II). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, XLIII und 366 S. Den beiden, vor allem in der Sicht protestantischer Exegese, randständigen kleinen Briefen widmet sich endlich ein genauer wie gut verständlicher Kommentar. Frey sieht mit der Mehrheit der Forschung beide Briefe als Pseudepigraphen, bei denen 2Petr den Jud literarisch benutzt und dessen Ketzerpolemik in veränderter Zeit und Situation zustimmend aufgegriffen hat. Als wahrscheinliche Abfassungszeiten gelten der Beginn des 2. Jhs. (100–120) für Jud und die Mitte des Jhs. (140–160) für 2Petr. Frey weist zu Recht die Abqualifizierungen der Briefe zurück und beschreibt – nicht ohne sachliche Fragen zu stellen – das theologische Profil der Texte. Dabei zeigt Jud eine mit Jak zusammenhängende theologische Traditionslinie, genaue Schriftkenntnis (einschließlich des Henochbuches) und die ungebrochene Bedeutung „frühjüdischer, apokalyptischer Traditionen, auch im griechischen Gewand und in vermutlich heidenchristlichen Gemeinden“ (44). Jud ist „nicht nur ein polemisches Pamphlet, sondern nach seinem Anspruch eine seelsorgerlich bemühte Mahnung zum Festhalten an der Ursprungsidentität des Glauben …, wobei es dem Autor nicht nur um Lehrinhalte, sondern um eine lebendige Glaubenspraxis geht“ (ebd.). Der 2Petr, dessen Kanonizität schon in der Alten Kirche umstritten war, ist stark auf die Eschatologie fokussiert, zeigt Gott als „Ursprung und Ziel des Weltgeschehens und auch des Heilsgeschehens“ (197) und Christus als „Gott und Retter“ (1,1), der „starken Anteil an Attributen Gottes“ (200) erhält. Die Eschatologie des 2Petr ist mit dem Stichwort der Parusieverzögerung gerade nicht adäquat erfasst. Vielmehr handelt es sich um eine „zur Stetserwartung umgebogene Naherwartung“ (204).

Apokalypse Lichtenberger, Hermann: Die Apokalypse (ThKNT 23) Verlag W. Kohlhammer: Stuttgart 2014, 288 S. In dem Kommentar, der methodisch bewusst einen zeitgeschichtlichen Zugang wählt, um die Schrift aus ihrem historischen Kontext zu verstehen („nicht eine Weissagungsschrift, sondern eine Mahn- und Trostschrift“ [35]), folgt auf eine ca. 30-seitige Einführung zu Forschungsgeschichte, Einleitungsfragen und Hermeneutik die durchgängige Kommentierung der Perikopen in knapper Form. Lichtenberger wendet sich gegen die Spätdatierungen (z. B. Witulskis, s. u.) und nimmt die späteren Regierungsjahre Domitians an, in der zwar keine „Christenverfolgung“ anzunehmen ist, wohl aber einzelne Übergriffe und insgesamt eine bedrohliche Situation für Christen. Dass der Verfasser mit dem von Papias erwähnten kleinasiatischen Presbyter Johannes identisch ist, ist möglich, aber nicht sicher. „Was man mit Sicherheit sagen kann, ist jedenfalls, dass der Verfasser der Apk ein den Gemeinden Kleinasiens wohlvertrauter Johannes ist, der sich seine Autorität nicht von irgendwoher leihen muss, sondern dem sie selbstverständlich entgegengebracht wird“ (48). Er wird ein prophetisches Selbstverständnis gehabt haben (vgl. 10,1–11). Neumann, Nils: Hören und Sehen. Die Rhetorik der Anschaulichkeit in den Gottesthron-Szenen der Johannesoffenbarung (AGB 49). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2015, 492 S.

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In der von Paul-Gerhard Klumbies betreuten Kasseler Habilitationsschrift untersucht Neumann die Gottesthron-Szenen mit den Mitteln des rhetorical criticism. Der Topos der Anschaulichkeit in der hellenistischen Rhetorik (evidentia, enargeia) wird untersucht und für die Exegese der Gottesthron-Szenen überzeugend fruchtbar gemacht. Die auditive und visuelle Anschaulichkeit spricht die Lesenden kognitiv und vor allem emotionell stark an, versetzt sie in die erzählte Szene hinein. Damit werden die idealen Lesenden motiviert, in ihrem Alltagsleben Ehrfurcht und Dank gegenüber Gott und dem Lamm, Christus, zu realisieren. „So leiten die Gottesthron-Szenen der Johannesoffenbarung ihre Hörer zum aktiven Lob Gottes und Christi“ (419). Witulski, Thomas: Die vier „apokalyptischen Reiter“ Apk  6, 1–8. Ein Versuch ihrer zeitgeschichtlichen (Neu-)Interpretation (BThSt 154). Neukirchener Verlagsgesellschaft: Neukirchen-Vluyn 2015, 212 S. In seiner detaillierten exegetischen Studie untersucht und kategorisiert Witulski die Forschungsgeschichte zur Perikope (1–106) und entwickelt dann in genauer Textanalyse eine zeitgeschichtliche Interpretation (107–200). Der Text bezieht sich auf den Disporaaufstand der Juden in Nordafrika in der Regierungszeit Trajans, und die vier Reiter sind auf konkrete Personen, die im Aufstand eine Rolle gespielt haben, zu beziehen: „Die Gestalt des ersten ‚apokalyptischen Reiters‘ repräsentiert den römischen Kaiser Traianus, die des zweiten den als messianische Gestalt auftretenden Führer der nordafrikanischen und ägyptischen Juden, die des dritten den in der Zeit der Rebellion in der römischen Provinz Asia amtierenden Statthalter, der die für die Provinz sich aus diesem Aufstand ergebenden negativen Folgen zu bewältigen hatte, die des vierten die römischen praefecti M. Rutilius Lipus und Q. Marcius Turbo als diejenigen, die bei der Niederschlagung des jüdischen Aufstands offensichtlich zusammenwirkten“ (200). Die Apk wurde sehr wahrscheinlich in der Regierungszeit Hadrians zwischen 132 und 135 verfasst. Alkier, Stefan / Hieke, Thomas / Nicklas, Tobias (Hg.): Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse (WUNT 346) Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 475 S. Die 19 Beiträge dieses Sammelbandes befruchten die seit einiger Zeit wieder inten­ siver betriebene Forschung an der Apk durch die detaillierte und perspektivenreiche Untersuchung der Sprache, Stilistik und literarischen Konzeption der Apk. Poetik, Rhetorik und Intertextualität (nicht nur in den Bezügen zu den verarbeiteten Traditionen des AT) bilden hier die zentralen Zugänge zum Textverstehen, das allein durch zeitgeschichtliche Deutungen nicht gelingt. Im letzten Beitrag skizziert Sotiros Despotis die Beziehungen zwischen der himmlischen Liturgie nach Apk 4 f zur irdischen Liturgie der Orthodoxie. Profiliert wird in Apk die Position, „dass die eucharistischen Elemente nur oben im himmlischen Tempel und in den Eschata in vollendeter Weise genossen werden können; und zwar nicht von allen, sondern nur von denen, die siegen, weil sie bis zum Tod Zeugnis für Christus abgelegt haben. Vielleicht kämpft Johannes gegen eine sakramentalistische Auffassung der großen christlichen Mysterien. Diese Auffassung ist bis heute im Osten dominierend“ (458). Schedtler, Justin Jeffcoat: A Heavenly Chorus. The Dramatic Function of Revelation’s Hymns (WUNT II, 381). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 382 S. In seiner Dissertation an der Emory University (Betreuer: Luke T. Johnson) untersucht Schedtler die Hymnen der Apk auf dem Hintergrund der Chöre und Refrains in den antiken Dramen und bietet dabei detaillierte Exegesen der Hymnen. Als Ergebnis wird betont, dass die Apk-Hymnen nicht im Allgemeinen als lyrische ChorTexte („choral lyrics“) zu interpretieren sind, sondern im Besonderen als dramatische Hymnen („tragic hymns“). „Revelation’s hymns can be viewed in terms of their

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function as an ‚implied audience‘ to lead the audience of Revelation to adopt the mytho­logical-theological perspective offered in response to the events depicted in the text“ (319). Chan, Common L. P.: Die Metapher des Lammes in der Johannesapokalypse. Eine sprach- und sozialgeschichtliche Analyse (NTOA/StUNT 99). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 280 S. Chan legt in seiner Heidelberger Dissertation (Betreuer: Gerd Theißen) nach einer knappen, aber präzisen Darstellung der Forschungsgeschichte in drei großen Teilen eine durch Methodenvielfalt und philologischer wie sozialgeschichtlicher Kompetenz gekennzeichnete und gleichzeitig in ihren Ergebnissen kohärente Analyse der Lammmetapher in der Johannesapokalypse vor, die als Schlüssel zum Gesamtverständnis angesehen wird. Die Hauptthese heißt (vgl. S.14 f): Die Lammmetapher deutet Jesus als vorbildlichen Märtyrer-Krieger; damit schuf der Verfasser der Apk eine innovative dialektische Metapher im Dienst einer Wertrevolution, um die Christen zu motivieren in der Situation der Romanisierung der östlichen Mittelmeerwelt weder aggressiv (so die Juden im ersten jüdisch-römischen Krieg) noch evasiv (wie einzelne christliche Gruppierungen) zu handeln, sondern aktiv evangelisierend zu wirken. Stowasser, Martin (Hg.): Das Gottesbild in der Offenbarung des Johannes (WUNT II, 397). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 256 S. Die acht Beiträge des Sammelbandes untersuchen das Gottesbild und arbeiten einmal nicht die Christologie, sondern die Theozentrik heraus. Dabei stehen z. B. die Bezüge zum AT, zur hellenistischen Kultur und zum Johannesevangelium und die Rezeption in moderner Literatur im Zentrum.

Jüdische und griechisch-römische Antike, Archäologie, Epigraphik Stökl Ben Ezra, Daniel: Qumran. Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum (Jüdische Studien 3). Mohr Siebeck / UTB: Tübingen 2016, 462 S. Endlich ein Qumran-Lehrbuch in deutscher Sprache! Klar, sachlich und argumentativ werden hier die zahlreichen Hypothesen der Qumranforschung samt der abenteuerlichen Forschungsgeschichte mit ihren mitunter abstrusen Ausreißern dargestellt, Texte und Archäologie aufeinander bezogen und im Schlusskapitel die Beziehungen zum frühen Christentum, zum weiteren Judentum, zu liturgischen und mystischen Traditionen und zur halachisch-rabbinischen Tradition aufgezeigt und gewichtet. Dies Buch lässt keine Wünsche offen und sollte Pflichtlektüre sein. Frey, Jörg / Popkes, Enno Edzard (Hg.): Jesus, Paulus und die Texte von Qumran (WUNT II, 390). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 519 S. In dem umfangreichen Sammelband, der im Wesentlichen die Beiträge der VI. Schwerter Qumrantagung von 2009 sowie einige Ergänzungen umfasst, werden deutschund englischsprachige Einzelstudien zur Qumranforschung und den neutestamentlichen Bezügen geboten. Jörg Frey zeichnet hierzu die methodologischen und hermeneutischen Perspektiven, die sich aus der neueren Qumranforschung ergeben (1–29), während Heinz-Wolfgang Kuhn, zu dessen Ehren des Symposium veranstaltet wurde, abschließend das Münchner Qumran-Projekt umschreibt (417–471). Anregend ist die umfassende philologische Studie von Ursula Schattner-Rieser, die das Vaterunser auf qumranaramäischer Basis analysiert und eine neue aramäische Rückübersetzung bietet und begründet (81–144). Gleichzeitig wird hier nochmals das „Jeremias-Problem“ aufgezeigt und dessen bestechende These, dass die Gottesanrede

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Abba mit der kindlichen Anrede Papa wiederzugeben sei, zurückgewiesen. Lutz Doe­r ing bündelt seine interessante Untersuchung zur Sabbatproblematik: „Auch für Jesus … darf man annehmen, dass die Tradition der Gemeinschaft mit Gott gerade am Sabbat eine wichtige Rolle spielt … Dabei ist zu überlegen, ob der Sabbat nicht für Jesus ein Tag ist, an dem Gott dem Menschen besonders nahe ist und die Wohltat des Ruhetages in Wiederaufnahme der urzeitlichen Zuordnung des Sabbats zum Menschen wieder erfahrbar werden lässt. In einer solchen Deutung des Sabbats wäre dann ein – wenn nicht gar der entscheidende – Grund für Jesu Vollzug von Heilungen an nicht lebensgefährlich Erkrankten zu sehen“ (61). In den Untersuchungen zu Paulus stehen die Fragen nach Schriftauslegung, Gerechtigkeit und Bundeserneuerung im Zentrum. Tiwald, Markus: Das Frühjudentum und die Anfänge des Christentums. Ein Studienbuch (BWANT 208). Kohlhammer: Stuttgart 2016, 367 Seiten mit 11 Abb. In diesem informativen Lehr- und Studienbuch verbindet Tiwald die Darstellung der Geschichte des Frühjudentums von der Babylonischen Zeit bis zum Beginn des Rabbi­n ischen Judentums im 2./3. Jh. (Tanaaniten, Abschluss der Mischna) mit den Darstellungen der entsprechenden frühjüdischen Gruppierungen sowie der Schriftsteller und der zwischentestamentlichen Schriften. Erst auf diesem Hintergrund werden dann die Jesusbewegung und das frühe Christentum verständlich. Dies alles ist klar und lesefreundlich geschrieben und weist stets die Interdependenz von politischen, ökonomischen, religiösen und soziologischen Mustern auf und zeigt die Komplexität des „Parting of the ways“ (J. Dunn). Langer, Gerhard: Midrasch (Jüdische Studien 1). Mohr Siebeck / UTB: Tübingen 2016, 368 S. In diesem Lehrbuch, dem ersten Band der neugegründeten Reihe, in der weitere Monographien zur jüdischer Theologie, Geschichte und Kunst zu erwarten sind, gibt Langer, Professor für Judaistik in Wien, in 14 Kapiteln einen Überblick über Funktionen, Entwicklung, Formen und Themen der Literaturgattung Midrasch sowie abschließend eine kurze inhaltliche Zusammenstellung der bekanntesten Midraschim. Während in früherer Forschung die homiletischen Bezüge und die Verbindung zur Liturgie als relativ stark angesehen worden waren, wird dies heute deutlich zurückhaltender gesehen und die Texte werden stärker als Produkte des Lehrhauses angesehen. „Ein eigenständiges Phänomen stellen die liturgischen Dichtungen (Pijjutim) und die Entwicklung der Gebetstradition unter Rückgriff auf midraschartiges Material dar“ (225). Cline, Eric H.: Biblische Archäologie. Von Genezareth bis Qumran. Philipp von Zabern: Darmstadt 2016, 191 S. In seiner Biblischen Archäologie präsentiert der amerikanische Archäologe sowohl der Forscherpersönlichkeiten und Ergebnisse seit dem 19. Jh. (25 ff) als auch neue archäologische Entdeckungen zur Bibel (93 ff), von denen sich drei Kapitel der neutestamentlichen Zeit widmen (126 ff). In pointierter Abgrenzung zu den HobbyArchäologen und ihren multimedial verbreiteten „Sensationen“ (Kap.  12: „Fabelhafte Funde oder fantastische Fälschungen?“ [146 ff]) liegt hier ein reich bebildertes Überblickswerk vor, das gleichzeitig spannend geschrieben und daher mit Freude und Erkenntnisgewinn zu lesen ist: „… es geht in der Biblischen Archäologie nicht darum, die Bibel zu beweisen oder zu widerlegen; die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, wollen die materielle Kultur der entsprechenden Länder und Zeiten untersuchen und die Kultur und Geschichte des Heiligen Landes über eine Zeitspanne von mehr als zweitausend Jahren hinweg rekonstruieren“ (168).

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Eck, Werner: Judäa  – Syria Palästina. Die Auseinandersetzung einer Provinz mit römischer Politik und Kultur (TSAJ 157). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 307 S. Im Umfeld der Herausgabe des großen deutsch-israelischen Inschriftenprojektes Corpus Inscriptionum Iudaeae / Palaestinae (CIIP) hat Eck zahlreiche Aufsätze zu diesem Bereich verfasst, von denen nun 24 hier gesammelt veröffentlicht werden. Neben grundsätzlichen Texten zur Methodik finden sich konkrete Untersuchungen zu epigraphischen Quellen im Umfeld Judäas und der römischen Provinz Syria. Damit werden u. a. die römische Sichtweise und das römische System der Provinzverwaltung samt einiger ihrer Amtsträger deutlicher, was nicht zuletzt im Umfeld des Bar Kochba-Aufstandes neue Verständnisse ermöglicht  – z. B. dass Rom hier deutlich überproportionale Verluste erlitt und verstärkte Rekrutierungen anordnen musste. Auch wenn Latein die offizielle Amtssprache blieb, so zeigen die Inschriften der Region, dass die öffentliche Kommunikation im Osten des Reiches wesentlich auf Griechisch verlief. „Zwar hat … kein Statthalter sich der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung, des Aramäischen, bedient – das hat erst Mel Gibson in seinem Film: Passion of Christ geschafft, da er Pilatus mit den Mitgliedern des Hohen Rats in Jerusalem Aramäisch parlieren ließ. Doch die griechische Sprache … wurde offensichtlich weiterhin verwendet und akzeptiert“ (64). Eck verdeutlicht zudem stark die Parteilichkeit des Josephus und stellt heraus, wie dadurch gerade seine Kritik an einigen Präfekten Judäas (z. B. Pontius Pilatus) erklärbar (und korrigierbar) ist. Zangenberg, Jürgen K. (Hg.): Herodes. König von Judäa. Philipp von Zabern: Darmstadt 2016, 112 S. In diesem Sammelband, der zudem mit über 120 Abbildungen reich und anschaulich bebildert ist, wird die bis heute schillernde Figur mit historischer und archäologischer Expertise vorgestellt und die besondere kulturelle, politische und religiöse Umbruchsituation im 1. Jh. v. und n. Chr. hervorgehoben. Die Beiträge widmen sich der Person und dem Herrschaftssystem (Jürgen K. Zangenberg), der augusteischen Politik im östlichen Mittelmeerraum (Werner Eck), der materiellen Alltagskultur (Byron McCane), dem Vergleich mit dem Nabatäerreich und seinen Hellenisierungsprozessen (Robert Wenning), verschiedenen Bauprojekten (Tempel [Katharina Galor], Caesarea am Meer [Joseph Patrich], Machärus [Gyözö Vörös]), den Ausgrabungen in Jerusalem (Dieter Vieweger) und abschließend der Herodesrezeption im frühen Christentum (Thomas Schumacher). Förster, Niclas / de Vos, J. Cornelis (Hg.): Juden und Christen unter römischer Herrschaft. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. (SIJD NF 10). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2015, 224 S. Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen auf ein Symposium zum 65. Geburtstag von Folker Siegert zurück. Sie untersuchen für die Zeit der Auseinandersetzung zwischen Judentum und aufkommenden Christentum die identitätsstiftenden sozioreligiösen Prozesse im Wechselspiel von Selbst- und Fremdwahrnehmung, auch im Gegenüber zur hellenistisch-römischen Umwelt. Themenheft: Ephesus – Early Christian Communities in a Pluriform Urban Context. In: EC 8 (2016) Vol. 7, 123 S. Sonnabend, Holger: Götterwelten. Die Religionen der Antike. Konrad Theiss Verlag / Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2014, 192 S. In dem reich bebilderten Band präsentiert der Stuttgarter Althistoriker präzise und gut verständliche Einführungen in die Religion der Griechen, des antiken Judentums, der Ägypter, der Sumerer und Babylonier, der Römer, der Kelten und Germanen. Das Buch endet mit einer 20-seitigen Darstellung des antiken Christentums bis

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Konstantin. Text und Abbildungen gewähren einen anschaulichen Einblick in die Vielfalt der antiken Religion und Kultur, die in ihren jeweiligen Kontexten, aber auch in ihren wechselseitigen Bezügen gewürdigt werden. „Die Beschäftigung mit den so vielgestaltigen und unterschiedlichen religiösen Vorstellungen der Antike kann schließlich ein Schritt auf dem Weg zur heute so viel beschworenen, gleichwohl so häufig missachteten, religiösen Toleranz sein“ (9). Rüpke, Jörg: Römische Religion in republikanischer Zeit. Rationalisierung und ritueller Wandel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2014, 284 S. Ders.: Von Jupiter zu Christus. Religionsgeschichte in römischer Zeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt (2011) 22015, 304 S. Der Erfurter Historiker bietet hier eine historisch wie systematisch beeindruckende Analyse der römischen Religion in ihren Wandlungen und Veränderungsprozessen – sowohl auf dem Hintergrund der enormen gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen und politischen Transformationen in der mittleren und späten Republik als auch mit Hilfe der Weber’schen Kategorie der Rationalisierung. Die definiert Rüpke als „den Versuch, Ideen auf Praktiken anzuwenden und diese Praktiken zu systematisieren, um sie in Worte zu fassen und Regeln unterwerfen zu können. Demnach ist Rationalisierung die Systematisierung … von Praxis“ (Röm. Religion, 10). Die einzelnen Kapitel widmen sich der Analyse der öffentlichen Rituale, der Rechtsnormen und Regelentwicklungen sowie der antiken Literatur und Philosophie, einschließlich ­Ciceros philosophischer Abhandlung über die Religion. „Die zugrundeliegende Überzeugung dieses Buches ist, dass es möglich ist, Religion bis in die augusteische und die Kaiserzeit hinein als einen herausragenden Indikator für historischen Wandel anzusehen“ (15). Der zweite Band umfasst die Kaiserzeit, in der Religion die gesamte Lebensführung prägt, Gruppenidentitäten ausbildet und zu politischer Legitimierung dient, also zur „Reichsreligion“ als einem innovativen Faktor des Imperiums führt. Corsten, Thomas / Öhler, Markus / Verheyden, Joseph (Hg.): Epigraphik und Neues Testament (WUNT 365). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 213 S. In diesem Sammelband, der auf eine Wiener Tagung von 2014 zurückgeht, die ihrerseits den Startschuss zu einer Reihe „Epigraphische Kommentare zum NT“ abgab, werden forschungsgeschichtliche Überblicke geboten, methodologische Fragen erörtert und im Blick auf 1Joh und diverse Einzeltexte, die das Register gut erschließt, die Bereicherung der Exegese durch Kenntnis von Inschriften dargestellt. Nachdem die von Peter Arzt-Grabner herausgegebene Reihe „Papyrologische Kommentare zum NT“ immer wieder neue Einsichten ermöglicht, darf man auch auf die neue Reihe gespannt sein.

Einzelthemen Stegemann, Wolfgang: Streitbare Exegesen. Sozialgeschichtliche, kulturanthropologische und ideologiekritische Lektüren neutestamentlicher Texte, hg. v. Klaus Neumann. Kohlhammer: Stuttgart 2016, 480 S. In den fünf Abteilungen Sozialgeschichte, Kulturanthropologie, Ideologiekritik, Judentum und Christentum sowie Spiritualität werden 28 Aufsätze Stegemanns gesammelt veröffentlicht, die nicht nur einen Einblick in das Forschungsprofil des Neuendettelsauer Neutestamentlers, sondern auch in die jeweils neuen Entwicklungen des Gesamtfaches bieten. Neben exegetischen Detailstudien wie z. B. zum römischen

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Bürgerrecht des Paulus, zur Rolle und Bedeutung der Kinder in der Antike, zur Messianität Jesu im LkEv. treten einführende Überblicksartikel zur Kulturanthropologie, zur Paulusexegese, zur Kultur der Gabe, zur christlichen Judenfeindschaft im NT und streitbare Texte zum Schweigegebot, zur Beurteilung der Homosexualität bei Paulus, zur Gewissensbindung (Apg 5,29) oder zur Theologie im Schatten des neuen Antisemitismus. Der Band wird beschlossen durch eine Untersuchung zur paulinischen Spiritualität und zum Sterben als sozialer Erfahrung. Haacker, Klaus: Stephanus. Verleumdet, verehrt, verkannt (Biblische Gestalten 28). Evang. Verlagsanstalt: Leipzig 2014, 249 S. In der bekannten Buchreihe, in der biblische Personen portraitiert werden, bietet Haacker eine allgemeinverständliche Darstellung des Stephanus. In zwei Hauptteilen wird zunächst der große Textabschnitt Apg 6,1–8,3 ausgelegt (13 ff)  und dann werden Rezeptionen in Theologie, Frömmigkeit, Predigt, bildender Kunst, Musik und Literatur aufgezeigt (101 ff). Mit dem Dreiklang seines Untertitels kennzeichnet Haacker den historischen Stephanus („verleumdet“), den in Frömmigkeit und Kunst rezipierten („verehrt“) und den in diversen modernen Auslegungen „Verkannten“, der laut Haacker zum Teil sogar zum Täter umgedeutet wird, obwohl es hier doch eher um Hypothesen zu historischen Kontexten und Konstellationen geht. Demgegenüber zeigt Haacker die historische Zuverlässigkeit der lukanischen Darstellung einschließlich der Rolle der falschen Zeugen und sieht in der Hinrichtung einen Wendepunkt: Die Jesusgläubigen werden kriminalisiert und vertrieben, jedoch mit unerwarteten Folgen: „Die Flüchtlinge werden zu Verkündigern, erzwungene Migration verwandelt sich in Mission“ (96). Ein inhaltsreiches Buch, das dazu anregen sollte, den Stephanustag (26.12.) auch liturgisch und homiletisch neu zu entdecken. Broer, Ingo: Hermeneutik in Geschichte. Fallstudien (BBB 171) V&R unipress: Göttingen 2014, 312 S. Im vorliegenden Band werden zehn Aufsätze aus den Jahren 1988–2012 des langjährigen Siegener Neutestamentlers gesammelt. Themenschwerpunkte sind Antijudaismus im NT, die Rede von der Auferstehung sowie ein Überblick zur Forschungsgeschichte katholischer Exegese in der ersten Hälfte des 20. Jhs. Untersuchungen zur Wissenschaftlichkeit der Exegese, zum Schriftverständnis christlicher Fundamentalisten und zur Toleranz in den paulinischen Briefen bieten konkrete hermeneutische Studien. Themenheft: Perspektiven des Jüdischen. In: ZNT 19 (2016) H. 37, 71 S. Anstelle mit den inzwischen weithin als unbrauchbar angesehenen Begriffen „Juden­ tum“ und „Christentum“ zu operieren, werden hier Perspektiven des Jüdischen im NT geboten, forschungsgeschichtlich der Antijudaismus im NT (Rainer Kampling) und in heutigen Schulbüchern und Lehrplänen (Martin Rothgangel, Julia Spichal) aufgezeigt und die Frage des „parting of the ways“ kontrovers diskutiert (James Dunn, Tobias Nicklas). Dagmar Börner-Klein zeigt anhand von exemplarischen Quellentexten die Besonderheit rabbinischen Denkens und der hier gepflegten Diskussionskultur. Dochhorn, Jan / Rudnig-Zelt, Susanne / Wold, Benjamin (Hg.): Das Böse, der Teufel und Dämonen – Evil, the Devil, and the Demons (WUNT II, 412). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 297 S. Der Sammelband präsentiert religionshistorische Untersuchungen zum Thema in Ausrichtung auf AT, Qumran, NT, Targumim und mittelalterliche Hagiographie. Dabei steht im Mittelpunkt, wie das Böse in Religionen gedacht wird, die sich als monotheistisch verstehen und welchen theologischen wie anthropologischen Stellenwert hier dann dualistische Argumentationen und Denkstrukturen gewinnen.

Literaturbericht zum NT und der antiken Welt (2014–2016) Literaturbericht zum NT und der antiken Welt (2014–2016)

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Themenheft: Apokryphen – Die Bibel außerhalb der Bibel. In: VuF 61 (2016) H. 1, 78 S. Apokryphen haben oft Konjunktur: einmal in medialer Aufmachung, die nicht selten vermeintliche Verdächtigungen und Verschleierungen zu entlarven sucht, dann aber in seriöser Weise 2017 durch die Erweiterung der Luther- wie der Zürcher Bibel durch die neu übersetzten Apokryphen. Im Themenheft werden Überblicke zur Forschungsgeschichte geboten, die die alt- wie den neutestamentlichen Apokryphen sowie das Phänomen der Pseudepigraphie in der Antike grundsätzlich analysiert als auch sich den Spitzenreitern der ntl. Apokryphen, Judas und Maria Magdalena, widmen. Themenheft: Frühchristliche Heilungen und antike Medizin. In: Early Christiantity 5 (2014) Vol. 3, 150 S. Das Themenheft bietet Einblicke in die historische Forschung antiker Medizin, paganer Heilkulte und frühchristlicher Heilungserzählungen (Reinhard v. Bendemann, Annette Weissenrieder, Philip van der Eijk, Vivian Nutton). Themenheft: New Perspectives on the Formation of the New Testament. In: Early Christianity 7 (2016) Vol. 1, 152 S. Das Themenheft präsentiert sieben Einzelbeiträge zur Formung des neutestamentlichen Kanons unter Berücksichtigung der Fragen nach der Autorisierung frühchristlicher Schriften und ihres Gebrauchs in frühchristlichen Gemeinden. Theobald, Florian: Teufel, Tod und Trauer. Der Satan im Johannesevangelium und seine Vorgeschichte (NTOA / StUNT 109). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2015, 323 S. In seiner Heidelberger Dissertation (Betreuer: Gerd Theißen) untersucht Theobald in einem ersten Kapitel die Vorstellungen vom Teufel im AT, der zwischentestamentlichen Literatur und bei Paulus und den Synoptikern. „Der Teufel tritt in den Texten des frühen Judentums somit sowohl als Widersacher Gottes als auch als göttlicher Funktionär bzw. göttliches Instrument auf. Die Menschen scheinen keine Schwierigkeiten gehabt zu haben, ihm beide Rollen zugleich zuzuschreiben“ (87) – eine Interpretation, die auch für Paulus zutrifft. Im zweiten Kapitel wird die Funktion des Teufels im Johannesevangelium analysiert. Hier ist er als mythologische Gestalt eine schillernde Figur im kosmischen Drama, wird durch den Tod Jesu zwar auf kosmischer Ebene entmachtet, wirkt auf anthropologischer Ebene aber als Macht der Lüge weiterhin und bewirkt Todesangst und Traurigkeit, die vom Heiligen Geist überwunden werden. Backhaus, Knut: Religion als Reise. Intertextuelle Lektüren in Antike und Christentum (Tria Corda – Jenaer Vorlesungen zu Judentum, Antike und Christentum 8). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 368 S. Schon der erste Satz des Vorworts macht neugierig und zeigt den weiten Horizont: „Reisen und Religion haben manches gemeinsam: Sie entspringen Fernweh, überschreiten Grenzen, weiten Perspektiven, verleiblichen Transzendenz“ (VII). Die religiösen Reiseabenteuer vom Gilgamesch-Epos über Odyssee und Aeneis bis zum Nazarener, den Wandercharismatikern, dem Schiffbruch leidenden Paulus und schließlich den Höllen- und Himmelfahrten werden hier interdisziplinär analysiert und anregend dargestellt. Backhaus zeigt die gemeinsame antike Erzähl- und Hoffnungskultur, an der Früh- und Nicht-Christen in wechselseitiger Bereicherung Transzendenz lernten. Auch für die fernste aller Reisen, die Himmelsreise des Sehers Johannes, gilt: „Sie führt zu sich selbst. Sie dient letztlich einem einzigen Zweck: das eigene Haus bauen, die eigene Heimat entdecken, die eigene Hoffnung verstehen. Um sich selbst zu verwurzeln durchreist Johannes den Kosmos und die Zeit. Es kommt nicht darauf an, dass wir anderswo sind; es kommt darauf an, dass wir anders sind, als wir vorher waren“ (307 f).

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Nicklas, Tobias: Jews and Christians? Second Century ‚Christian‘ Persepctives on the ‚Parting of the Ways‘ (Annual Deichmann Lectures 2013). Mohr Siebeck: Tübingen 2014, 233 S. Wann genau kann von einem „Parting of the Ways“ zwischen Juden und Christen gesprochen werden? Der Regensburger Neutestamentler zeigt in seinem Buch, das auf die Deichmann Lectures des Jahres 2013 zurückgeht, dass bereits die oben formulierte Frage falsch gestellt ist. Stattdessen ist zwischen den Situationen verschiedener Gruppen und Einzelpersonen in verschiedenen historischen Kontexten zu differenzieren. Dazu werden exemplarisch Bilder und Vorstellungen von „Juden“ in frühchristlicher Literatur vor allem des 2.  Jhs, Konzepte von Israels Gott, von seinem Erwählungshandeln und seinem Bund mit Israel, das Problem christologisch beeinflusster Hermeneutiken sowie Fragen einer Halakha auch für Christen diskutiert. Am Ende entwirft er als Veranschaulichung das Bild eines großen, alten Strauches: „If we look at it from a certain distance we have the image that this bush is cut into two main parts, but as soon as we look closer we see that there are many more divisions, but there have always been veins connecting the different parts of this plant. Even, however, if some branches seem stronger than the others and even if some of them try to block the others in their way to the sun, all of them drink from the same source, and all of them want to reach the same light“ (223 f). Böhm, Martina (Hg.): Kultort und Identität. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike (BThSt 155). Neukirchener Verlag: NeukirchenVluyn 2016, 204 S. In diesem Sammelband wird – schwerpunktmäßig bezogen auf den bzw. die Jerusalemer Tempel – die Bedeutung des Kultortes für religiöse Identitätsbildung analysiert, eine Frage, die sich im Judentum angesichts von Tempelzerstörungen und möglichen Restitutionen intensiv stellt. Neben religionswissenschaftlichen, alttestament­lichen und rabbinischen Beiträgen zeigt Enno Edzard Popkes, welche kreativen und verschiedenen Aufnahmen und Fortschreibungen von Tempelmetaphorik es im frühen Christentum gibt. Max Küchler gibt einen Überblick über die Geschichte des Jerusalemer Kultorts ab der kanaanäischen Zeit unter Berücksichtigung nicht nur literarischer, sondern auch archäologischer, numismatischer und epigraphischer Dokumente. Am Ende verweist er auf eine erstaunliche ökumenische jüdische Eschatologie: In einer Illustration einer Pessach-Haggada von 1665 sieht man das Kommen des Messias und die Völkerwallfahrt in die offene Stadt, in deren Zentrum das Heiligtum steht, und zwar in der Gestalt des Felsendoms. Hierin liegt auch die Aufforderung, „mit den bestehenden Gebäuden eine gemeinsame Stätte der Gottesverehrung zu schaffen, an welcher jeder und jede nicht mehr um seine Identität zu fürchten braucht“ (164). Baum, Armin D./ Häusser, Detlef / Rehfeld, Emmanuel L. (Hg.): Der jüdische Messias Jesus und sein jüdischer Apostel Paulus (WUNT II, 425). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 417 S. Der Sammelband geht auf ein Symposium des Arbeitskreises für evangelikale Theologie und des Tübinger Albrecht-Bengel-Hauses zurück und ehrt Rainer Riesner zum 65. Geburtstag. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die jüdischen Wurzeln des frühen Christentums, die in drei grundlegenden Aspekten, die jeweils Kontinuitäten wie Diskontinuitäten aufweisen, entfaltet werden: „das Verhältnis des Wirkens von Jesus und Paulus zu den heiligen Schriften Israels, die Beziehung von Jesus und Paulus zum zeitgenössischen Judentum und die Verknüpfung der paulinischen Theologie mit der Verkündigung Jesu bzw. der synoptischen Tradition“ (1).

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Vier Beiträge widmen sich Jesus und den synoptischen Evangelien, sieben Beiträge Paulus und dem Corpus Paulinum.

Editionen / Übersetzungen antiker Texte Wehnert, Jürgen (Hg.): Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Schriften. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2015 ff. Um das frühe Christentum kennenzulernen und zu verstehen, ist nicht nur die Lektüre der kanonischen Schriften des NT notwendig, sondern auch der sog. zwischentestamentlichen jüdischen und der nicht kanonisch gewordenen christlichen Literatur empfehlenswert. Obwohl sie größtenteils in wissenschaftlichen Textausgaben auch in Deutsch zugänglich sind, fehlen doch handliche Leseausgaben. Sie werden hier einschließlich der Einführungen in Texte und Kontexte geboten. Erschienen sind die „Weisheit Salomos“ (Felix Albrecht, 2015; 70 S.), Philos Schrift „Über die Freiheit des Rechtschaffenen“ (Reinhard v. Bendemann, 2016; 89 S.), die „Esra-Apokalypse“, die auf die Tempelzerstörung 70 n. Chr. reagiert (Bonifatia Gesche, 2015; 72 S.) sowie die frühchristlichen Texte „Taten des Petrus“ (Bernhard Lang, 2015; 88 S.), der Klemensroman (Jürgen Wehnert, 2015; 338 S.) und die bei Euseb überlieferten Fragmente des Hegesipp mit seinen Notizen zu Jakobus und anderen Familienmitgliedern Jesu (Frank Schleritt, 2016; 85 S.). Niebuhr, Karl-Wilhelm (Hg.): Sapientia Salomonis (Weisheit Salomos) (SAPERE 27). Mohr Siebeck: Tübingen 2015, 350 S. Das Buch enthält eine zweisprachige Ausgabe der SapSal (40–111, Text und Übersetzung: Heinz-Günther Nesselrath; 112–134: Anmerkungen), die um die Zeitenwende verfasst wurde und nicht zuletzt für das NT und das frühe Christentum (z. B. Ori­ genes) große Bedeutung besaß. In acht Essays wird dann die Weisheitsschrift in ihrem Hintergründen, ihrem sprachlichen und theologischen Profil und ihrer Wirkungsgeschichte portraitiert (137–316).

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I. Quellen Wilhelm Durandus: Rationale divinorum officiorum. Übersetzung und Verzeichnisse von Herbert Douteil, mit einer Einführung herausgegeben und bearbeitet von Rudolf Suntrup (LQF 107), 3 Teilbände. Aschendorff: Münster 2016, 1681 S. Nun liegt die erste vollständige deutsche Übersetzung der so wichtigen mittelalterlichen Liturgieerklärung des Durandus von Mende vor, deren erste Fassung er wahrscheinlich 1291 abgeschlossen hat. Der Übersetzer Herbert Douteil hat die maßgebliche kritische Ausgabe des lateinischen Textes benutzt, die von Anselme Davril und Timothy M. Thibodeau erarbeitet und herausgegeben wurde: Guillelmi Duranti Rationale divinorum officiorum. Diese Bände sind bei Brepols erschienen: Buch I–IV: 1995, Buch V–VI: 1998, Buch VII–VIII: 2000. Die Übersetzung hat Rudolf Suntrup durchgesehen und in Zusammenarbeit mit Herbert Douteil bearbeitet. Suntrup charakterisiert Douteils Übersetzung wie folgt: „Sprachlich ist sie sehr genau am lateinischen Original orientiert. Sie will nicht einen möglichst gefälligen Text, sondern eine verlässlich präzise Übersetzung bieten.“ (XLV) Davril / Thibodeau geben 151 vollständige und 49 unvollständige Handschriften an, hinzu kommen noch Texte für den Universitätsgebrauch und Kurzfassungen für den einfachen Pfarrer. Der erste Druck erschien 1459, bis zur Mitte des 19.  Jahrhunderts sind 111 Druckausgaben überliefert. In deutscher Sprache sind bislang nur der Prolog und das vierte Buch zur Messe übersetzt worden, auch in französischer, englischer und italienischer Sprache liegen nur einige Bücher übersetzt vor; am weitesten fortgeschritten ist die englische Übersetzung mit den ersten fünf Büchern von Timothy M. Thibodeau, dem Mitherausgeber der kritischen lateinischen Ausgabe. Die acht Bücher des Durandus behandeln folgende Themenbereiche: I. Kirche und kirchliche Orte, künstlerische Ausstattung, Weihungen, Sakramente, II. Diener der Kirche und ihre Aufgaben, III. Priester und ihre Gewänder, IV. Messe, V. kirchliche Offizien im Allgemeinen, VI. im Besonderen von einzelnen Sonntagen, Ferialtagen, Herrenfesten, VII. Heiligenfeste, Fest und Offizium der Kirchweihe, Totenoffizium, VIII. Kalender und seine Berechnung. Durandus legt eine allegorische Liturgieerklärung vor, die als Liturgieverständnis seit der Karolingerzeit maßgeblich ist. Ihm ist der Zeichencharakter der Liturgie wichtig und er führt seine Leser darin ein. Durandus nennt im Prolog als Grund für seine Ausführungen „eine beklagenswerte Unwissenheit der einfachen, aber auch der vorgesetzten Priester (…), die dem Kirchenvolk doch leuchtende Vorbilder sein sollten (…), tatsächlich aber bei der Ausübung ihres Amtes den Sinn und die Bedeutung der liturgischen Handlungen nicht mehr verstehen, wenig oder nichts gelernt haben und nur noch wie blinde Blindenführer agieren (…). Sie vollziehen die Mysterien, die

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sie weder verstehen noch erkennen, deshalb drohen sie dem gerechten Gericht Gottes zu verfallen (…). Wenn die Lehrer der weltlichen Wissenschaften, Künstler und Handwerker ihre Tätigkeiten verstehen müssten, gibt Durandus weiter zu bedenken, so gelte dies umso mehr für die Priester.“ (XXIII) Zahlreiche Verzeichnisse und Register ermöglichen, das Werk gezielt zu verwenden: Abgekürzt zitierte Quellenreihen und Editionen, Verzeichnis der zitierten Autoren und Werke, Verzeichnis zitierter Bibelstellen, Register liturgischer Quellen, Register juristischer Quellen, Index Liturgicus und erweitertes Namen- und Sachregister. Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, begründet von Emil Sehling, fortgeführt von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, hg. v. Eike Wolgast, Bd.  VII: Niedersachsen, II. Hälfte: Die außerwelfischen Lande, 2.  Halbband, 2. Teil: Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen, bearbeitet von Gerald Dörner. Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 664 S. Mit diesem Band wird für das heutige Bundesland Niedersachsen die Reihe der Kirchenordnungen vervollständigt. 1955 war Bd. VI, 1. Hälfte (Die welfischen Lande), erster Teilband, erschienen und 1957 konnte der zweite Teilband publiziert werden. 1963 ist von der 2. Hälfte (Die außerwelfischen Lande) der erste Teilband erschienen, vom zweiten Teilband 1980 aber nur der erste Teil. Der zweite Teil liegt also jetzt vor. In der Grafschaft Schaumburg wurde die Reformation erst 1559 eingeführt, was sicherlich an Graf Adolf XIII. lag, der die Grafschaft seit 1531 regierte und Aussicht auf den Stuhl des Kölner Erzbischofs in der Nachfolge von Hermann von Wied hatte. 1546 wurde er zum Erzbischof gewählt, verstarb 1556, sein jüngerer Bruder, der aber schon 1558 starb, folgte ihm auf dem Bischofssitz. Erst jetzt war der Weg frei, die Reformation in der Grafschaft Schaumburg einzuführen. Davon zeugt die Übergabe der Mecklenburgischen Kirchenordnung an die Pfarrer vom 5. Mai 1559. Diese Kirchenordnung ist 1552 entstanden. Für die Grafschaft Schaumburg werden weitere Dokumente zum Abdruck gebracht, die die Beachtung dieser Kirchenordnung einschärfen, Visitationsfragen klären, Rechtsfragen beantworten, Standesfragen der Familien klären, wie z. B. Eheverlöbnisse oder Taufe unehelicher Kinder, schließlich die umfangreiche Kirchenordnung, die eine große Nähe zur Mecklenburgischen Kirchenordnung aufweist. Diese Kirchenordnung von 1614 enthält fünf Teile: Von der Lehre  – Von der Erhaltung des Ministerii Evangelici oder Predigamts  – Von ordnung der Ceremonien, Lection, Fest-, Feyer-, Werck- und Bettagen – Von Erhaltung Christlicher Schule und Studien – Von Unterhaltung und Schutz der Pastorn, dern Witwen unnd andern Schul- und Kirchendienern. In der Stadt Goslar konnte sich die Reformation bis 1531 zwar durchsetzen, weil das Bürgertum die Reformation wollte, aber Herzog Heinrich d. J. hat dies zunächst verhindert. Der Rat der Stadt wollte den Herzog deshalb loswerden, wollte es sich aber mit Kaiser Karl V. nicht verderben. Ein Zeugnis dieser Auseinandersetzung ist das erste abgedruckte Dokument, die Articuli Jacobitarum von 1528. Es ist ein Gesuch der Gemeinde von St. Jakobi, dass das Evangelium gepredigt werde und dafür evangelische Geistliche notwendig seien. Des Weiteren sind abgedruckt Gottesdienstordnungen, die Kirchenordnung von 1531, Urkunden für die Superintendenten; Fragen zu Prädikanten werden geklärt, Versorgungszusagen für Arme getätigt, Visitationsordnungen gegeben, und ein Verzeichnis der in Goslar gültigen Lehrschriften von 1595 ist ebenso abgedruckt. In Bremen begann die Reformation mit Heinrich von Zütphen, der 1522 um Predigten in einer Seitenkapelle der Pfarrkirche St. Ansgarii gebeten wurde. Der Bremer Rat duldete diese evangelischen Predigten, der Bremer Erzbischof wandte sich

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dagegen, die Bürger der Stadt waren für die evangelische Predigt. 1525 wurden entsprechende Geistliche als Pfarrer an den Pfarrkirchen St. Ansgarii und St. Stephani berufen. 1525 wurde schließlich eine Evangelische Messe veröffentlicht, die auf der Evangelischen Messe von Kaspar Kantz aus dem Jahr 1522 fußt. Es finden sich Vereinbarungen zwischen der Stadt Bremen und dem Erzbischof, eine Kirchenordnung von 1534 und 1561, dann Almosenordnungen, Zuchtordnungen, Visitationsordnungen, Bestallungsurkunden, Ordnungen für Hochzeiten, Bettage etc. Wie alle bisherigen Bände, bietet auch dieser Band eine ausführliche Darstellung der Geschichte des jeweiligen Ortes sowie eine Beschreibung der Entwicklung der Reformation. Zudem helfen ein Abkürzungs- und Siglen-, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, ein mittelniederdeutsches Glossar und entsprechende Register, mit diesem Band gut arbeiten zu können.

II. Agenden Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Ökumenischer Gottesdienst zum gemeinsamen Reformationsgedenken 2017. Hg. v. Dieter, Theodor / Thönissen, Wolfgang, im Auftrag der Liturgischen Arbeitsgruppe der lutherischen / römisch-katholischen Kommission für die Einheit. Bonifatius und Evangelische Verlagsanstalt: Paderborn und Leipzig 2016, 28 S. Diese Liturgievorlage wurde verwendet bei der ökumenischen Gebetsfeier in Lund (Schweden) am Reformationstag 2016, die gemeinsam geleitet wurde durch den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, und Papst Franziskus, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Die Vorlage sieht vor, dass die Liturgie eröffnet wird mit einem Lied, Voten, Willkommensworten mitsamt einer kurzen Lesung aus dem Dokument Vom Konflikt zur Gemeinschaft und einem abschließenden Gebet. Nach einem weiteren Lied folgen unter dem Stichwort des Dankes weitere Lesungen aus diesem Dokument sowie Gebete, die mit dem aus Taizé stammenden Gesang Laudate Dominum abgeschlossen werden. Derselbe Ablauf wiederholt sich unter dem Stichwort Buße, wobei hier mehrmals ein Kyrie gesungen wird. Dieser Teil der Gebetsfeier wird mit Ps 130 beschlossen. Es folgt ein Friedensgruß, danach die Rubrik Gemeinsames Zeugnis und gemeinsame Verpflichtung. Zuerst wird Joh 15,1–5 verlesen, dann über den Weinstock gepredigt. Nach der Predigt wird der Glaube bekannt mit dem Lutherlied Wir glauben all an einen Gott (EG 183). Dem schließt sich die Rubrik Verpflichtung: Die fünf Imperative an. Fünf Selbstverpflichtungen werden vorgelesen, dazu wird jeweils eine Kerze entzündet. Es folgen ein Lied und Fürbitten mit Vaterunser. Segen und ein Lied zum Auszug beschließen die Feier. Der Liturgie vorangestellt sind einführende Worte und praktische Hinweise für den Gottesdienst wie für die Predigt. Reformierter Abendmahlsgottesdienst. Liturgieheft zur Aargauer Jubiläumsliturgie. Hg. v. Brändlin, Sabine / Locher, Gottfried Wilhelm / Wagner, Dieter. Theologischer Verlag Zürich: Zürich 2016, 38 S. Für das Reformationsjubiläum 2017 veröffentlichte die Reformierte Landeskirche Aargau diese Abendmahlsliturgie, die sich für besonders festliche Gottesdienste eignet und mit Musik unterschiedlicher Stile gefeiert werden kann. Die Herausgeber führen in ihren Vorworten in die Liturgie und in die Musik ein, der Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg hat ein Geleitwort beigesteuert. Er weist darauf hin, dass sich der Aufbau der Abendmahlsfeier am klassischen Messaufbau orientiert,

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der aber an die gängige liturgischen Praxis einer Gemeinde angepasst werden kann. Auch sei diese Jubiläumsliturgie kein kirchenamtlicher Text, sondern sie sei „eine Einladung, die eigene Lust und Freude an der liturgischen Form und Gestaltung (wieder) neu zu entdecken.“ (1) Der Begriff Abendmahlsliturgie mag beim Leser zunächst Assoziationen hervorrufen, dass es sich hierbei „nur“ um eine Abendmahlsliturgie handelt. Dem ist aber nicht so, denn es ist in diesem Buch der komplette Verlauf eines Gottesdienstes abgedruckt. Auf der linken Blattseite finden sich die Rubriken, die mit kursivem Text teilweise erklärt werden. Auf der rechten Blattseite finden sich Informationen zu jeder Rubrik, die Hinweise, Alternativen, Ausführungsmöglichkeiten aufzeigen, dazu gibt es auch Alternativtexte. Der Verlauf des Gottesdienstes richtet sich nach der Liturgie der sogenannten Taschenausgabe (Liturgie. Taschenausgabe. Erarbeitet durch die Deutschschweizerische Liturgiekommission, hg. v. der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz. Theologischer Verlag Zürich: Zürich 2011, vgl. dazu JLH 51 [2012] 121.) Der erste der fünf Schritte wird Sammlung genannt: Eingang – Eingangswort (Im Namen des Vaters … – Unsere Hilfe steht im Namen Gottes, …) – freie Begrüßung – Eingangsgebet mit Schuldbekenntnis  – Kyrie eleison  – Zuspruch der Vergebung  – Gloria. Es folgen: 2. Verkündigung: Schriftlesung – Antwortpsalm – Halleluja – Predigttext – Musik – Predigt – Musik – Credo; 3. Fürbitten: Abkündigungen – Fürbitten mit liturgischem Ruf; 4.  Abendmahl: Gabenbereitung mit Joh  6,35 (Ich bin das Brot des Lebens …) – Abendmahlsgebet (evtl. mit einleitendem Präfationsdialog) – Sanctus – Bitte um den Heiligen Geist über Brot und Wein (Ja, du bist heilig, grosser Gott, du bist die Quelle alles Guten. Wir bitten dich: Sende deinen Geist auf diese Gaben und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut Jesu Christi.) – Einsetzungsworte – Geheimnis des Glaubens (Deinen Tod, o Herr, …) – Bitte um den Heiligen Geist über die Gemeinde (Wir bitten dich: Sende deinen Heiligen Geist auf uns, heile uns und stärke unseren Glauben, erneuere uns und lasse uns eins werden in Christus. Ehre sei dem Vater und dem Sohn …) – Amen der Gemeinde – Unser Vater wird durch den Liturgen eingeleitet, dann gemeinsam weiter gesprochen – Friedensgruß – Agnus Dei – Austeilung von Brot und Wein – Dankgebet; 5. Sendung: Mitteilungen – Lied – Segen – Sendung – Amen der Gemeinde – Musik. In den Erläuterungen zu dieser Liturgie wird auf den ökumenischen Charakter hingewiesen und auf das Verhältnis von Hören und Erfahren, Brot und Wein, Kanzel und Tisch, Liturg/-in und Gemeinde, Alltag und Gottesdienst, Musik und Wort, Form und Freiheit aufmerksam gemacht.

III. Monographien und Sammelbände Barth, Hans-Martin: Das Vaterunser. Inspiration zwischen Religionen und säkularer Welt. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 222 S. Barth hat sich bereits in verschiedenen Publikationen mit den Inhalten des Christentums im Kontext von Religionen und Säkularität auseinandergesetzt. Nun folgt ein Buch, das denselben Kontext thematisiert und durchaus persönlichen Charakter hat. Der Autor hält fest, dass nicht das Glaubensbekenntnis alle Christen eint, sondern das Vaterunser, das alle beten. Es hat dieselbe Dignität wie die erste Sure für den Islam oder die Zufluchtsformel für den Buddhismus. Aber Verstehensveränderungen und -eröffnungen ergeben sich nicht nur aufgrund sich verändernder religiöser und

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säkularer Kontexte, sondern auch aufgrund des sich wandelnden Weltbildes: Kann es denn noch einen ‚Vater im Himmel‘ geben? „Zusammen mit vielen Christen und Christinnen heute glaube ich nicht im traditionellen oder gar fundamentalistischen Sinn an die ‚Existenz‘ eines göttlichen ‚Vaters im Himmel‘. Ich glaube nicht an eine für sich bestehende ‚übermenschliche‘, ‚jenseitige‘ Welt. Ich kann mir nur eine Wirklichkeit vorstellen, in der Diesseits und dem Diesseits Jenseitiges, Menschliches und dem Menschlichen Entzogenes zusammengehören.“ (11) Mit diesen Prämissen unternimmt es Barth, das Vaterunser im Horizont nichtchristlicher Religionen und auch des areligiösen säkularen Denkens unserer Zeit zu interpretieren. Und so geht es nicht nur um den Vater, sondern auch um den heiligen Namen, das Reich oder das Paradies, den Willen, das Brot, um Vergebung, Versuchung, Erlösung und abschließend um Lobpreis und Protest. Bedford-Strohm, Heinrich / Jung, Volker (Hg.): Vernetzte Vielfalt. Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Die fünfte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2015, 543 S., 1 CD-ROM. Nachdem die Ergebnisse der fünften Kirchenmitgliedschaftserhebung der EKD 2014 unter dem Titel Engagement und Indifferenz erschienen sind, folgte ein Jahr später dieser Auswertungsband. Der Titel zeigt schon an, dass Pluralisierungsprozesse weiter fortschreiten, sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Gesellschaft. Für das kirchenleitende Handeln bedeutet dieser Befund, dass die Vielfalt der Profile vernetzt werden muss. „Eine von ihren Angeboten, Sprachformen und Frömmigkeitsstilen vielgestaltige Kirche hat das Potential vielfältiger Bindungskräfte. Kirchenleitendes Handeln wird dieses Potential vor allem dann entfalten können, wenn es gelingt, einerseits die Unterschiede der Profile nicht zu Gegensätzen werden zu lassen, sondern miteinander zu vernetzen und andererseits die Vielfalt der Profile nicht zur Blässe einer unverbindlichen Pluralität verkommen zu lassen.“ (14) Es wird zunächst eingeführt in den theoretischen Ansatz, die methodischen Grundentscheidungen und zentralen Ergebnisse der 5. KMU. Danach werden die Daten gedeutet unter folgenden Themen: Mitgliedschaft als soziale Praxis, Religion und Kirche im Lebenslauf, ausgewählte Dimensionen der Kirchenbindung, Protestantismus in der Zivilgesellschaft, Netzwerkerhebung, Perspektiven für die kirchenleitende ­Praxis. Besonders in den ersten Kapiteln kommt die gottesdienstliche Dimension christlichen und kirchlichen Lebens zum Tragen, wenn es um Ortsgemeinde, personale Kommunikation, liturgische Praxis zwischen Teilhabe und Teilnahme ebenso geht wie um Religion und Kirche im Lebenslauf. Benini, Marco: Die Feier des Osterfestkreises im Ingolstädter Pfarrbuch des Johannes Eck (LQF 105). Aschendorff: Münster 2016, 711 S. Johannes Eck war Pfarrer am Ingolstädter Münster und Theologieprofessor und ist aus kirchengeschichtlicher Perspektive bekannt als Kontroverstheologe und Gegenspieler Luthers. Benini würdigt mit diesem Buch den Liturgen, der als Pfarrer von 1525 bis 1532 und von 1538 bis 1540 am Ingolstädter Münster wirkte. Eck hat ein Pfarrbuch geführt, in dem er die Gottesdienste im Lauf des Kirchenjahres schildert und präzise Anweisungen für Rituale etc. gibt. Es finden sich Hinweise auf herzogliche Stiftungen, auf Gottesdienste der Bruderschaften und der Universität, auf das vorhandene Personal. So ist Ecks Pfarrbuch eine bedeutsame Quelle für Gottesdiente in der Reformationszeit, das nun gedruckt und übersetzt vorliegt. Benini hat dazu eine liturgiehistorische Erklärung und Einordung vorgenommen. Der Hauptteil dieser Arbeit widmet sich dem Osterfestkreis von der Vorfastenzeit bis zur Pfingstoktav. Da das Pfarrbuch keine Gesamterklärung der liturgischen Feiern enthält, zieht

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Benini für die Rekonstruktion der gottesdienstlichen Feiern am Ingolstädter Münster die damals üblichen liturgischen Bücher, aber auch andere Pfarrbücher, Messnerpflichtbücher, Libri Ordinarii bei. Zuvor legt er die Anlage und Methode dieser Arbeit dar, führt in die Vita von Johannes Eck ein, beschreibt das Ingolstädter Münster als dessen Wirkort und stellt die relevanten historischen Quellen vor. Im Anhang finden sich die Textedition des Pfarrbuchs und seine Übersetzung, ebenso eine Auflistung anderer Pfarrbücher in chronologischer Ordnung, dazu ein Abkürzungsverzeichnis und Register. Benini hält fest, dass Eck ein umsichtiger Liturg war, der einerseits gegen die Banalisierung der Liturgie kämpfte und entsprechende Bräuche, die er vorfand, abschaffte, andererseits aber sehr wohl das katechetische Element der Liturgie kannte und durch szenische Inszenierungen einzusetzen wusste, so dass die Liturgie vom einfachen Volk mit Verständnis und auch emotionaler Beteiligung mitgefeiert werden konnte. Deshalb war ihm auch an der Predigt gelegen, die er wohl fast immer selbst hielt. Eck ließ sich selten vertreten, entsprechende Predigtskizzen enthält das Pfarrbuch. Eck legte Wert auf die feierliche Gestaltung der Liturgie, da die ecclesia militans in lebendiger Beziehung zur ecclesia triumphans stehe. Folglich waren ihm die Weihrauchgebete wichtig, denn mit ihnen komme diese Verbindung vermittels der Engel zum Ausdruck, die die Gebete vor Gottes Thron bringen. So hat er diese Gebete als einzige vollständig im Pfarrbuch aufgeschrieben, während alle anderen Gebete mit einem Incipit angegeben wurden. Auch die Mitnahme von Reliquien bei Prozessionen an entsprechenden Festtagen war ihm wichtig, weil so die Heiligen gleichsam anwesend seien und der ecclesia militans durch Fürbitte und Vorbild den Weg zu Gottes Ewigkeit wiesen. Bremer, Thomas / Kattan, Assaad Elias / Thöle, Reinhard (Hg.): Orthodoxie in Deutschland. Aschendorff: Münster 2016, 276 S. Wie sich orthodoxes Glaubensleben in Deutschland entwickelt hat, welche Geschichte es dazu zu erzählen gilt, welche Themen relevant sind, wird in diesem Buch anhand zahlreicher Beiträge von orthodoxen, evangelischen und katholischen Autoren beschrieben. Mittlerweile gibt es in Deutschland 1,5 Millionen orthodoxe Gläubige; für viele gerade jüngere Gläubige ist Deutschland zu einer dauerhaften Heimat geworden und damit auch für ihre Kirchen. Ihre Situation ist etwas unübersichtlich, da die orthodoxen Christen und Gemeinden engen Kontakt zu ihren Heimatkirchen bewahren und darum in über zwanzig unterschiedlichen Kirchen organisiert sind. Inwiefern diese Gemeinden in Deutschland zueinanderfinden, ist auch für die Feier der Liturgie relevant. Der erste Teil des Bandes zeichnet die Geschichte orthodoxer Christen, so z. B. der russischen orthodoxen Gemeinde, der serbischen oder der syrischen Christen nach; die Einrichtung einer orthodoxen Bischofskonferenz, die die ethnische Vielfalt und die Einheit im Glauben repräsentiert, wird vorgestellt, ebenso die ökumenischen Bemühungen wie auch die Übersetzung liturgischer Texte der orthodoxen Tradition in die deutsche Sprache. Es folgen Beiträge zu bestimmten Sachthemen, z. B. der orthodoxe Religionsunterricht in Deutschland, die orthodoxe Theologie an der Universität in Deutschland, orthodoxe Medienarbeit, die Nutzung evangelischer Gottesdiensträume durch orthodoxe Christen, evangelische und katholische Stipendienarbeit für orthodoxe Theologen. Zum Abschluss des Buches werden vier altorientalische Kirchen – die assyrische Kirche des Ostens, die Kopten, die syrisch-orthodoxen Christen und die armenischen Kulturvereine und Kirchengemeinden – in Deutschland vorgestellt.

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Cornehl, Peter: Vision und Gedächtnis. Herausforderungen für den Gottesdienst (PTHe 150). Kohlhammer: Stuttgart 2016, 390 S. Cornehl versteht diesen Band als Fortsetzung und Ergänzung seines 2005 erschienenen Buches: „Die Welt ist voll von Liturgie.“ Studien zu einer integrativen Gottesdienstpraxis (vgl. JLH 47 [2008] 117). In diesen neuen Band wurden nun auch Beitrage aus dem Bereich der Homiletik aufgenommen, die im vorhergehenden Band ausgeklammert blieben, aber ebenso zu einer integrativen Gottesdienstpraxis beitragen. Es sind hiermit also Beiträge seit 2005, aber auch ältere Beiträge wieder abgedruckt worden. Sie wurden teilweise gegenüber dem Erstdruck überarbeitet und erweitert. Die Beiträge sind nach übergeordneten Themen geordnet, wobei das Thema der liturgischen Bildung das Buch eröffnet mit acht Thesen zur Ausbildung im liturgischen Feld und Überlegungen zum öffentlichen Gottesdienst zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution. Das Buch wird beschlossen mit Grundfragen gegenwärtiger liturgischen Bildung. Die Abteilungen dazwischen befassen sich mit Fragen zu einem neuen Geschichtsbild evangelischer Liturgik, das den Antimodernismus überwindet und auch das politische Element der Liturgik zu berücksichtigen hat. Das zeigt sich darin, dass Liturgiegeschichte auch eine Konfliktgeschichte ist. Dafür stehen Personen wie Ernst Lange, Dorothee Sölle und in ganz anderer Weise Manfred Josuttis. Mit der Predigt zwischen Politik und Poesie befassen sich vier Beiträge, die die Predigt im Kirchenkampf 1933 bis 1945 in den Blick nehmen, Tillichs religiöse Reden ebenso wie die Verschränkung von Eschatologie und Alltag würdigen. Es folgen Überlegungen zur Predigt als umstrittener Gattung, in die drei E-Mails an KarlHeinrich Bieritz eingeflochten sind. Weitere Themenfelder sind die Taufe: Cornehl legt eine kleine Geschichte der evangelischen Taufe vor und reflektiert über das Jahr der Taufe im Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, denn, so das Fazit, getauft wird heute in einer bedrohten Welt; sowie das Abendmahl, das Cornehl eingespannt sieht zwischen Aufbruch und Stillstand, da er das Feierabendmahl und die ökumenische Lage zu Frage von Abendmahl und Eucharistie kritisch betrachtet. Derksen, Heinrich: Das Gottesdienstverständnis der russlanddeutschen Freikirchen. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 361 S. Derksen ist selbst Russlanddeutscher und hat die Gottesdienste untersucht, die hier in Deutschland von russlanddeutschen Aussiedlern gefeiert werden. Sie gehören zu den bestbesuchten Gottesdiensten Deutschlands. In diesen Gottesdiensten werden zwei oder drei Predigten gehalten, die von Laienpredigern übernommen werden. Es gibt mehrere Gebetszeiten, in vielen Gemeinden ist auch das Murmelgebet üblich, wobei jeder zur selben Zeit betet und spricht bzw. murmelt. Viele Gemeindemitglieder beteiligen sich an der Gestaltung der Gottesdienste. Kreuze und Symbole werden gemieden, die Kirchen heißen Bethäuser, an den Wänden finden sich Bibelworte. So stellt sich die Frage der Untersuchung wie folgt: „Welche Bedeutung und Funktion hat der Gottesdienst für die Mitglieder in den russlanddeutschen Freikirchen in Deutschland?“ (17) Zur Beantwortung wird der russlanddeutsche Gottesdienst unter Berücksichtigung seiner Entstehung und Entwicklung beschrieben, dann für die Formulierung eines Gottesdienstverständnisses beurteilt und im Kontext einer deutschen Migrationsgesellschaft reflektiert. Wesentliche Einflüsse dieser Gottesdienste gehen auf die Täuferbewegung in ihrer mennonitischen Prägung zurück, aber auch baptistische, brüdergemeindliche und pietistische Einflüsse sind feststellbar. Für viele Russlanddeutsche ist ihr Gottesdienst nicht nur ein Ort religiöser Erfahrung, sondern auch eine soziale und geistliche Mitte ihres Lebens. Die Gemeinden können sich exklusiv verstehen, denn neue Mitglieder müssen sich anpassen und eine Integra-

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tion in die Mehrheitsgesellschaft wird nicht angestrebt. Gemeinden können sich auch konservativ verstehen, dann ist man bedingt integrativ, hält christliche Werte hoch und ist Teil der Mehrheitsgesellschaft. Die dritte Gruppe ist progressiv, ihre Mitglieder wollen sich in Deutschland integrieren und haben kein allzu großes Interesse an traditionellen russlanddeutschen Gottesdiensten. Derksen stellt zu Recht fest, dass diese Gemeinden ihr Gottesdienstverständnis reflektieren sollten, denn die Entwicklung bleibt nicht stehen; sie ist nicht festzuhalten, sondern ist zu gestalten, damit auch in Zukunft ein an Verkündigung orientierter Gottesdienst mit biblischer Kontur in einer postmodernen Wirklichkeit gefeiert werden kann. Domsgen, Michael / Handke, Emilia (Hg.): Lebensübergänge begleiten. Was sich von Religiösen Jugendfeiern lernen lässt. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 248 S., 1 CD-ROM. Die erste Feier zur Lebenswende fand 1998 im Dom zu Erfurt statt und es zeigt sich, dass in ganz Ostdeutschland schulische wie überschulische, katholische wie evangelische Initiativen entstanden sind, die solche religiösen Schulfeiern für Konfessionslose anbieten. Dem Buch beigegeben ist eine CD-ROM, auf der man einen Kurzfilm zur Segensfeier der Evangelischen Sekundarschule Haldensleben vom Mai 2014 sehen kann. Der vorgelegte Sammelband bewegt sich auf religionspädagogischem Feld und fragt, wie religiöse Erfahrungen gemacht und weitergegeben werden, wenn der kulturelle Hintergrund nicht kirchlich oder zumindest nur mehr oder weniger kirchlich geprägt ist. Zudem ist festzustellen, dass auch Jugendliche nicht mehr selbstverständlich über die familiären Strukturen erreicht werden, wenn nicht Bildung und eine intakte Familienstruktur vorhanden sind. Das wird auch daran deutlich, dass im Jahr 2010 in Ostdeutschland 49 % und in Westdeutschland 43 % der Jugendlichen an gar keiner öffentlichen Übergangsfeier – also weder an Konfirmation, Firmung, Jugendweihe oder Lebenswendefeier – teilgenommen haben. Die Beiträge geben Einblick in die Entstehung und das Profil solcher religiösen Jugendfeiern und damit auch in kirchlich mitverantwortete Alternativen zur Jugendweihe. Solche Feiern werden ritualtheoretisch, liturgiewissenschaftlich und schultheoretisch beleuchtet. Einige Beiträge befassen sich mit dem Fragenkomplex, ob nicht auch die von Kirche mitverantworteten Feiern eine Konkurrenz zur Konfirmation bzw. Firmung sind. Dass Kirche auch Lebensübergänge längst begleitet, ohne auf eine Feier dafür zu rekurrieren, wird an Beispielen verdeutlicht. Die Diskussion darüber, wie solche Phänomene gedeutet werden können und wie sich die Ergebnisse in Forschung wie (Kirchen-)Praxis niederschlagen, hat erst begonnen. Ebach, Jürgen: Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 368 S. In gewisser Weise legt Ebach mit diesem Buch auch eine Theologie des Alten Testaments vor, wenn er den einzelnen Elementen des sonntäglichen Gottesdienstes entlanggeht und erörtert, wie deutlich, wichtig, unüberhörbar Texte, Geschichten, Bilder, Motive etc. der hebräischen Bibel den evangelischen Gottesdienst mitprägen. So wird der Gottesdienst zum Klangraum des Alten Testaments und dabei kommen zentrale Themen alttestamentlicher Theologie zu Gehör. Ebach schließt sich Frank Crüsemanns Verstehenslinie an, der das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen Testaments interpretiert, da das Neue Testament die Wahrheit des Alten Testa­ments entfaltet und erneuernd bestätigt. Dabei wird die alttestamentliche Grundierung immer deutlich, selbst wenn Psalmen zerstückelt werden oder der Name Gottes fast unkenntlich mit ‚Herr‘ wiedergegeben wird. Andere hebräische Worte wie Amen oder Halleluja, auch die großen theologischen Worte wie Christus / Messias, Ehre, Gnade, Liebe,

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Barmherzigkeit, Friede, Ewigkeit, Geist, Schöpfung, Schuld, Sünde, Vergebung, Gerechtigkeit machen immer wieder deutlich, „dass Gott im christlichen Gottes-Dienst Israels Gott ist.“ (16) Entfaltet, erörtert, exe­gesiert wird Alttestamentliches anhand des Gottesdienstverlaufs. Ebach beginnt mit der Frage nach dem Wohnort Gottes, bedenkt das Glockenläuten, die Lieder, auch die Presbyterinnen und Presbyter einer Kirchengemeinde, die die Gottesdienstfeiernden begrüßen. Es folgen die Rubriken der Liturgie vom ‚Im Namen Gottes‘ bis zum Segen. Das Buch macht deutlich, dass ein Christentum ohne Altes Testament eine entwurzelte Religion wäre. Fendler, Folkert (hg. im Auftrag des Zentrums für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst): Kirchgang erkunden. Zur Logik des Gottesdienstbesuchs. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 176 S. Warum Menschen Gottesdienste feiern, ist die Frage, die in den Beiträgen dieses Buches bedacht wird aufgrund einer Studie, die das Zentrum für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst als Onlinebefragung 2013 durchgeführt hat. Diese Studie wollte erkunden, inwiefern sich Gottesdienstbesucher auch als Kunden verstehen, auch wenn sie sich selbst gar nicht als Gottesdienst-Kunden bezeichnen würden. Die Beiträge beschäftigen sich einerseits mit den empirischen Ergebnissen, aber betrachten zugleich auch die normativen Implikationen. Die Ergebnisse werden mit der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung V in Zusammenhang gebracht. Einander gegenübergestellt werden die Auftragsgebundenheit von Gottesdiensten und die Bedürfnisbefriedigung der Gottesdienstbesucher. Es wird ein Konzept vorgestellt, das beide Pole verbindet, so dass der Primat des Auftrags erhalten bleibt und die Bedürfnisorientierung gleichwohl zu ihrem Recht kommt. Fries, Thomas: Eucharistische Spiritualität bei Augustinus von Hippo (Cassiciacum 53). Augustinus-Verlag bei Echter: Würzburg 2016, 423 S. Bevor Fries die eucharistische Spiritualität bei Augustinus anhand der Quellen beschreibt, klärt er das Konzept der eucharistischen Spiritualität. Er geht aus vom Wortursprung und den biblischen Schriften und begreift durch Taufe, Firmung und Eucharistie die christliche Spiritualität. Im Zusammenhang der Ekklesiologie ist die eucharistische Spiritualität eine liturgische Spiritualität. Zuerst erarbeitet Fries die augustinische Anthropologie anhand der neuplatonischen und biblisch-paulinischen Einflüsse auf Augustins Denken, dann legt er Augustins heilsgeschichtliche Sicht dar. Anschließend wird die für Augustins eucharistische Spiritualität wichtige Quelle, der Traktat zum Johannesevangelium (Tractatus in Iohannis Euangelium) 25–27, untersucht, worin Augustinus das für die Eucharistie wichtige Kapitel 6 des Johannesevangeliums behandelt. Zugleich finden sich darin wichtige anthropologische, theologische und spirituellen Themen wieder, die Augustinus auch in anderen Texten behandelt hat. Anhand des Werkes De civitate Dei, Buch 10, wird im Folgenden die Eucharistie als Opfer in Augustins Denken betrachtet. Das letzte Kapitel behandelt die Frage, wie häufig die Eucharistiefeier bei Augustinus und den Glaubenden seiner Zeit stattfand und wie es um ihren leib-seelischen Bezug bestellt ist. Abschließend lässt sich vielleicht zusammenfassend formulieren, dass die eucharistische Spiritualität bei Augustinus von Christus ausgeht, der durch das verkündigte Wort und durch die Eucharistie den geistlichen Hunger der Menschen stillt. In dieser Verbundenheit mit Christus wird der Christ durch diese Gnade zum (recht verstandenen) Opfer und zur Selbsthingabe fähig. Greifenstein, Johannes: Ausdruck und Darstellung von Religion im Gebet. Studien zu einer ästhetischen Form der Praxis des Christentums im Anschluß an Friedrich Schleiermacher (PThGG 18). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 499 S. Im ersten Teil der Studien werden die beiden Leitbegriffe Ausdruck und Darstellung

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in ihrer ästhetikgeschichtlichen Perspektive behandelt, wie sie vor Schleiermacher in der Musik (Ausdruck des Gefühls) und Poetologie (schöpferische Darstellung) bedacht worden sind. Im zweiten Teil werden Ausdruck und Darstellung von Religion im Gebet bei Schleiermacher anhand seiner Predigt Vom rechten Gebet des Christen im Namen Jesu (1794) sowie in den Reden Über die Religion (1799), den Monologen (1800) und in der Christlichen Sitte (ab 1809) dargelegt. Mit dem dritten Teil  legt Greifenstein Perspektiven der Theorie des Gebets als Ausdruck und Darstellung von Religion vor. Für diese Perspektiven sind die Begriffspaare Hinwendung – Einkehr (Zum Verhältnis von Gottesbeziehung und Innerlichkeitskultur im Gebet), Andenken und Anreden (Zum Verhältnis von Reflexion und Artikulation im Gebet), Werk und Gnade (Zum Verhältnis von Aktivität und Passivität im Gebet) leitend. Als Ertrag seiner Untersuchung hält Greifenstein fest, dass zum einen das Gebet als Phänomen religiöser Praxis verständlich gemacht wurde. Zum anderen ist es „in einen Transformationsprozess wissenschaftlicher Reflexion des Christentums eingezeichnet, den man  – nicht zuletzt im Blick auf Schleiermacher  – als religionstheologische oder religionstheoretische Wende in der neueren protestantischen Theologie beschrieben hat. (…) Es dürfte aber kein Zweifel daran bestehen, daß das Gebet als eine Form der Praxis christlicher Religion in diesen Prozeß bislang nicht einmal ansatzweise hinlänglich integriert war.“ Die Praktische Theologie kann es „als eine ihrer Aufgaben ansehen, die Erscheinungen christlicher Praxis zum Gegenstand einer Theorie zu machen, welche sie konsequent handlungstheoretisch als Vollzugsformen einzelner oder gegebenenfalls kollektiver religiöser Subjekte untersucht.“ (447) Hafner, Johann / Enxing, Julia / Munzinger, André (Hg.): Gebetslogik. Reflexionen aus interkonfessioneller Perspektive (ÖR.B 103). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 217 S. In diesem Band sind hauptsächliche Beiträge abgedruckt, die bei der Jahrestagung 2014 des Interkonfessionellen Theologischen Arbeitskreises gehalten wurden. Letzterer versteht sich nicht dadurch, dass die eigene konfessionelle theologische Entwicklung verfolgt wird, sondern eher dadurch, dass die ökumenisch-theologische Zusammenarbeit ergänzt wird durch eine transkonfessionelle Arbeit: „Die verschiedenen Perspektiven und Konfessionen werden vorausgesetzt, diese können, müssen aber nicht, selbst zum Thema werden, weil die gemeinsamen Sachfragen im Mittelpunkt stehen.“ (8) Die Sachfrage hier ist die Gebetslogik, die vornehmlich durch das Bittgebet in Frage gestellt wird. So befassen sich einige Beiträge mit dem Bittgebet und mit dem damit durch den Beter verbundenen Gottesbild. Es geht auch um die Gebetskultur im Baptismus, um das relational verstandene Gottesbild und damit Gebet im Methodismus, um eine Auslegung von Ps 77, um die Frage, ob Gott durch Gebete beeinflussbar ist, wie es vielleicht die Prozesstheologie nahelegt, und abschließend um die Möglichkeit der Doxologie in interreligiöser Perspektive. Harasta, Eva (Hg.): Traut euch. Schwule und lesbische Ehe in der Kirche. Wichern-Verlag: Berlin 2016, 144 S. Dieses Buch ist im engeren Sinn kein wissenschaftliches Buch, aber es macht Fragen und Antworten deutlich, die sich auftun, wenn es um Ehe für Homosexuelle geht. Es kommen ganz verschiedene Personen – Amtsträger, Betroffene, Engagierte, Wissenschaftler  – zu Wort. Es geht um gleichgeschlechtliche Liebe und Bibel, um das Gewicht von homosexueller Orientierung angesichts ethischer Debatten, um Familienvielfalt und Arbeit mit gleichgeschlechtlichen Paaren und Familien, um liturgische Feiern für homosexuelle Paare. Es wird aus der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homo­sexuelle und Kirche berichtet sowie von der Gesprächslage innerhalb der EKD

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zu Ehe und homosexueller Partnerschaft, und es geht grundsätzlich um Homosexualität im Protestantismus als gleichwertige Liebes- und Lebensform. Haunerland, Winfried: Liturgie und Kirche. Studien zu Geschichte, Theologie und Praxis des Gottesdienstes (StPaLi 41). Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 512 S. Haunerland legt eine Auswahl seiner Aufsätze vor, die zwischen 1995 und 2015 erschienen sind. Sie sind von dem Leitgedanken seines Anliegens bestimmt, „dass die Liturgie unter den Rahmenbedingungen unserer Zeit ihre kirchliche Identität bewahrt und ein Ort lebendiger Gottesbegegnung für die Menschen von heute bleibt.“ (9) Die Aufsätze sind vier Abteilungen zugeordnet: Liturgiegeschichte, Liturgie­ theologie, Liturgische Spiritualität, Liturgiepastoral. Sie zeigen, wie sehr sich Haunerland mit der liturgischen Erneuerung, die durch das Zweite Vatikanische Konzil begonnen wurde, auseinandersetzte und dabei die enge Verbindung von Kirche und ihrem Gottesdienst hervorgehoben hat. Im Ganzen sind 24 Aufsätze wieder abgedruckt worden; im Anhang finden sich der Nachweis der Erstveröffentlichungen, ein Verzeichnis konziliarer, päpstlicher, kurialer und episkopaler Dokumente, ein Autoren- und Personenregister und abschließend ein Sachregister. Hermisson, Sabine: Spirituelle Kompetenz. Eine qualitativ-empirische Studie zu Spiritualität in der Ausbildung zum Pfarrberuf (ARP 60). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 361 S. Spirituelle Kompetenz sollen angehende evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen erwerben – das ist die Forderung, die seit der Jahrtausendwende in allen evangelischen Landeskirchen erhoben und auch in die Tat umgesetzt wurde. Forschungsgegenstand sind sämtliche lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen des deutschen Sprachraums, also Deutschlands, Österreichs und der Deutschschweiz. Als Grundlage dienen Texte, die nun aber nicht hermeneutisch, sondern empirisch bearbeitet werden nach Methode der Grounded Theory, einer Standardmethode der empirischen Sozialforschung. Zwei Fragen sind leitend: Wie thematisieren diese Texte den Begriff Spiritualität? Wie werden Ansätze aufgegriffen, Spiritualität zu fördern? Das erste Kapitel befasst sich mit theologischen Vorüberlegungen zum Begriff und zur Sache Spiritualität in der bisherigen pastoralen Ausbildung. Im zweiten Kapitel werden die Methodik, die Daten und der Forschungsprozess dargelegt. Das dritte Kapitel legt die Ergebnisse vor. Es zeigt sich, dass die meisten untersuchten Kirchen in der Ausbildungsphase Spiritualität fördern und dabei auf innovative spirituelle Methoden setzen. Diese Ansätze werden durch ein durchgängig funktional begründetes Verstehen des Pfarrberufs entwickelt, so dass Spiritualität eine Kompetenz des Pfarrberufs ist. Die davon zu unterscheidende persönliche Spiritualität der angehenden Pfarrer wird selten in den Texten genannt oder gar ganz ausgespart. Die aus ökumenischen Vergleichstexten erhobenen Passagen zur Spiritualität thematisieren z. B. die spirituelle Bildung als ein Wachsen, als Kreuzesnachfolge, als Raum für die Passivität des Rechtfertigungsgeschehen sola gratia. Grund für solche Thematisierungen ist, dass in der Ökumene Spiritualität nicht funktional, sondern im existentiellen oder gar ontologischen Sinn verstanden wird. Solche Themen kommen in evange­ lischen Texten des deutschen Sprachgebiets nicht vor. Im vierten und letzten Kapitel wird dieser Sachverhalt daraufhin befragt, ob die spirituelle Kompetenz funktional verstanden werden kann, ob Spiritualität ein Gegenbegriff zur Funktionalität ist (hier wird auf Schleiermachers Gottesdiensttheorie zurückgegriffen und Spiritualität als darstellendes Handeln verstanden) und wie die Kirchen mit dieser Schwierigkeit umgehen. Abschließend wird festgestellt, dass es einen erheblichen Bedarf an

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theologischer Theoriebildung gibt, um entweder den Zusammenhang von Spiritualität, Funktionalität und evangelischem Amtsverständnis zu beschreiben und in ein schlüssiges Ausbildungskonzept zu gießen, oder ob man sich eingestehen muss, dass es sich hier um nicht vereinbare Faktoren handelt. Hoffmann, Veronika: Christus – die Gabe. Zugänge zur Eucharistie. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 156 S. Hoffmann legt hier einen allgemeinverständlichen Zugang zum Gabecharakter der Eucharistie vor; ihre wissenschaftliche Abhandlung ist bereits 2013 mit dem Titel: Skizzen zu einer Theologie der Gabe. Rechtfertigung – Opfer – Eucharistie – Gottesund Nächstenliebe, erschienen (vgl. dazu JLH 53 [2014], 117 f). Im ersten Teil führt sie in den Charakter der Gabe ein, der durch Geben und Nehmen bestimmt ist. Im zweiten Teil wird Christus als Gabe erörtert anhand der damit verbundenen OpferProblematik, der dritte Teil widmet sich den Gaben der Eucharistie anhand der Unterscheidung von Sach- und Selbstgabe, der Hingabe Jesu an den Vater, der menschlichen Dankbarkeit, der empfangenen Gabe und der menschlichen Hingabe etc. Klie, Thomas / Nord, Ilona (Hg.): Tod und Trauer im Netz. Mediale Kommunikation in der Bestattungskultur. Kohlhammer: Stuttgart 2016, 224 S., 8 farbige Abb. Die sich ausdifferenzierende Bestattungskultur zeigt sich auch in den digitalen Medien, getrauert und bestattet wird auch im Cyberspace. Es ist eine wichtige Aufgabe, sich der damit einhergehenden Veränderung der Kommunikation (und der Kommunikationsmedien) bewusst zu werden und diese praktisch-theologisch wahrzunehmen. So dient ein QR-Code auf einem Grabstein der Erinnerung des Verstorbenen und aktiviert zugleich das kulturelle und kommunikative Gedächtnis für eine digitalisierte Bestattungskultur. Erinnerungs- und Trauerkulturen finden sich auch in Online-Friedhöfen. Facebook ermöglicht Trauerarbeit mit vielen und online. Im Computerspiel wird  – virtuell oder doch real?  – gestorben und bestattet. Insofern spielen Bilder des Todes eine gewichtige Rolle für die Trauer wie für die Kommunikation über den Tod. Dazu gehört die Totenfotografie ebenso wie das Sterben im Film oder die Darstellung von Bestattungsritualen und reale wie virtuelle Kirchenkolumbarien. Kopp, Stefan: Volkssprachliche Verkündigung. Die Modellanreden in den Diözesanritualien des deutschen Sprachgebiets (StPaLi 42). Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 513 S. In den Diözesanritualien finden sich volkssprachliche Modellanreden, die zu bestimmten Anlässen in den lateinischen Messen zum Einsatz kommen konnten. Waren sie moralische Ermahnungen, dogmatische Belehrungen, liturgische Unterweisungen? Oder kamen sie zum Einsatz als Antwort auf die reformatorischen Entwicklungen? Das hauptsächliche Ziel dieser Untersuchung ist, „die volkssprachlich ausgeführten Verkündigungselemente der liturgischen Quellen vom späten 15.  bis ins 20.  Jahrhundert auf ihren homiletisch-katechetischen und sakramententheologischen Gehalt zu untersuchen und so ein differenziertes und differenzierendes Bild des sich darin ausdrückenden Liturgieverständnisses, der Liturgiepastoral sowie der verkündeten Theologie zu gewinnen.“ (1 f) Dafür werden Diözesanritualien des deutschen Sprachgebiets vom 15. bis zum 20. Jahrhundert herangezogen. Es zeigt sich, dass es mystagogisch-katechetische Liturgieerklärungen gibt, dass präskriptive und moralische Ansprüche, z. B. für den Kommunionempfang, für die Ehe und zur allgemeinen moralischen Lebensweise, laut wurden und es sowohl dogmatische Belehrungen als auch Trost und die Bestärkung der christlichen Hoffnung gegeben hat. Die erste Modellansprache findet sich in einem Diözesanrituale von 1496, die letzte

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1959. Dann endet diese 450-jährige Ära, sicherlich auch, weil nun die Liturgie in deutscher Sprache gefeiert werden kann, aber wohl auch, weil die Musteransprache oftmals die aktuelle Situation der Hörenden nicht trifft, als veraltet empfunden werden muss und so wohl auch früher empfunden wurde. Kranemann, Benedikt / Benz, Brigitte (Hg.): Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Theologische und sozialwissenschaftliche Zugänge (EKGP 3). Neukirchener Verlagsgesellschaft / Echter Verlag: Neukirchen-Vluyn / Würzburg 2016, 196 S. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln befassen sich Beiträge mit Trauerfeiern nach Großkatastrophen, wobei der Schwerpunkt auf der säkularen Gesellschaft liegt, in der eine Trauerfeier oftmals ökumenisch unter Verantwortung der beiden Großkirchen begangen wurde. Als Beispiele werden das Gedenken der Toten des Amoklaufs in Erfurt im Jahr 2002 und die Trauerfeier wegen des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen im Mai 2015 herangezogen. In den Beiträgen wird reflektiert über die Bedeutung von Liturgie in der Öffentlichkeit, über die Funktion solcher Liturgien für die Gesellschaft, und was es bedeutet, dass solche ‚KatastrophenLiturgien‘ selten verwendet werden. Die Frage ist, wie angesichts einer unfassbaren Katastrophe im biblischen Sinn von Gott gesprochen werden kann, zumal wenn im säkularen Kontext davon gesprochen werden soll; welche Deutungsmacht solch eine Liturgie für die Feiernden freisetzen kann. Wie kann und soll die Ästhetik einer solchen Trauerfeier sein? Wird dabei nicht aufgrund des Staat-Kirche-Verhältnisses in Deutschland die Trauerfeier zu einem zivilreligiösen Bewältigungsritual aufgrund öffentlicher Kontingenzerfahrung, weil mit der zivilreligiösen Feier versucht wird, das durch eine Katastrophe erschütterte Vertrauen in die Gesellschaft wieder herzustellen? Es wird berichtet von der Arbeit der Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe der Bundesregierung. Bei solchen Katastrophen-Liturgien müssen viele Aspekte berücksichtigt und einander zugeordnet werden, weil die Trauerfeiern nach Großkatastrophen angemessen sein sollen, da Symbole und Rituale, Sprache und Musik etc. verwendet werden, das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Religion berührt wird und die Frage nach dem Umgang mit dem Täter gestellt wird. Larson-Miller, Lizette / Stuflesser, Martin (Hg.): Liturgische Bildung. Traditionelle Aufgabe und neue Herausforderung (Theologie der Liturgie 12). Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 181 S. In diesem Buch sind die Hauptvorträge des 25. Kongresses der Societas Liturgica, der 2015 in Quebec City (Kanada) stattfand, abgedruckt. Der Kongress befasste sich mit der Liturgischen Bildung und veröffentlichte ein Congress Statement, das ebenfalls abgedruckt ist, wie auch die Ansprache der Präsidentin Larson-Miller und das Programm des Kongresses. Der Kongress orientierte sich an sechs Forschungsachsen, die mit Vorträgen eingeleitet wurden: Die Geschichte der liturgischen Bildung – Wie funktioniert liturgische Bildung? Systematische Perspektiven – Die Ziele liturgischer Bildung: ein besserer Christ zu werden? – Die Rolle der Autorität in liturgischer Bildung – Reziprozität in der liturgischen Bildung – Kulturelle Veränderung und liturgische Bildung. Pohl-Patalong, Uta / Hauschildt, Eberhard: Kirche verstehen. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 222 S. In ihrem Vorwort schreiben beide Autoren, dass in diesem Buch das, was für die Praxis der Gestaltung von Kirche wichtig ist, in allgemein verständlicher Sprache formuliert wurde, nachdem beide im selben Verlag 2013 eine wissenschaftliche Kirchentheorie publiziert haben (vgl. JLH 53 [ 2014], 131). Der aktuelle Band richtet sich

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nun vorrangig an Kirchengemeinderäte, Kirchenvorstände und an jene, die in der Kirche hauptamtlich tätig sind. Die Autoren haben die Hoffnung, dass „das Buch dazu beiträgt, dass sich Menschen und Kirche noch besser verstehen, Entscheidungen leichter und begründeter getroffen werden und das Engagement in der Kirche vor allem Freude macht“ (10). Im ersten Kapitel wird geklärt, was eigentlich mit dem Begriff Kirche gemeint ist. Anschließend wird reflektiert, wie sich Kirche im 21. Jahrhundert im Kontext von Gesellschaft, Religion, Krise und Reform bewegen könnte. Es folgen kontrastreiche Kirchenideale – als Bewegung, Gruppe, Institution, Volkskirche, Organisation  – und das von beiden Autoren vorgeschlagene Zukunftsbild, Kirche als ein Hybrid zu verstehen aus all diesen Logiken, die nebeneinander produktiv bestehen können anstatt sich gegenseitig zu schwächen. Anschließend geht es weiter mit Gemeinde sein und Strukturen der Kirche; wie gehört man zur Kirche; Mitmachen im Handeln und Leiten der Kirche. Das abschließende Kapitel formuliert Auftrag und Zukunfts­aufgaben der Kirche. Riß, Martin: Feiern der Buße und Versöhnung. Zur Reform des Bußsakraments nach den II. Vatikanischen Konzil (Theologie der Liturgie 11). Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 384 S. Die Krise der Buße und Beichte zeigt sich nicht nur in der römisch-katholischen Kirche, sie ist in ihr aber auffälliger, weil sie die Beichte stärker als die evangelischen Kirchen institutionalisiert hat und zudem durch das Zweite Vatikanische Konzil eine umfassende Reform des Bußsakraments veranlasst wurde. Wie es nun um die Krise und um das Bußsakrament bestellt ist, wird zunächst anhand seiner geschichtlichen Entwicklung, beginnend mit den biblischen Zeugnissen, dargestellt, dann werden Taufe, Beichte, Absolution, Generalabsolution, das Bußsakrament des Rituale Romanum (1614), die liturgische Entwicklung und das Zweite Vatikanische Konzil beschrieben. Es wird die Entstehungsgeschichte von SC 72 eruiert, so dass die Entstehung und Bedeutung dieses Textes, der zur Reform des Bußsakraments aufrief, deutlich wird. Weiter werden die nachkonziliaren Reformbemühungen festgehalten und das Ergebnis, der Ordo Paenitentiae von 1973, vorgestellt. Er umfasst drei Feierformen: die Feier der Versöhnung für einzelne, gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der Einzelnen, gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution. Ein Kapitel würdigt die Rezeption dieser Feiern im Blick auf die katholische Weltkirche, ein weiteres Kapitel die Rezeption im deutschen Sprachraum, ein Kapitel befasst sich mit der Rezeption im Bistum Würzburg. An der Darstellung vieler Schreiben, Hirtenworte, Dekrete etc. zeigt sich, wie sehr man sich um dieses Bußsakrament bemüht hat. Riß legt in seinen liturgietheologischen Überlegungen überzeugend dar, dass der Bezug zur Taufe als der paenitentia prima, denn die Taufe ist das eigentliche Sakrament der Sündenvergebung, kaum reflektiert und ebenso kaum wahrgenommen wurde, weder im Konzilstext noch in den nachfolgenden kirchenamtlichen Äußerungen oder gar im Ordo Paenitentiae. Die paenitentia secunda wird eher selten praktiziert, weil damit die Wiederaufnahme in die Kirche bzw. Eucharistiegemeinschaft gefeiert wird, nachdem jemand wegen einer schweren Schuld aus dieser ausgeschlossen wurde oder sich selbst ausgeschlossen hat. Dagegen ist die paenitentia quotidiana die tägliche Buße und Umkehr, die tägliche Aktualisierung der Taufe. Dass die Taufe nicht als paenitentia prima wahrgenommen wird, hängt sicherlich mit der Säuglingstaufe zusammen und mit der fehlenden anschließenden kirchlichen Sozialisierung, die dafür ein Bewusstsein schaffen könnte. Das heißt auch, dass ungeachtet der vergebungsbedürftigen Menschen die Bußliturgie mehr oder weniger unterschiedslos vollzogen

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wird, was sicherlich nicht zur Förderung des Bußsakraments beiträgt. Hier gilt es, mehr Sensibilität und theologische Kompetenz an den Tag zu legen. Roth, Markus: Die Zuwendung Gottes feiern. Evangelische Gottesdienst-Theologie bei Martin Luther, Oswald Bayer und Paul Tillich als ein Beitrag zu einer fundamentalliturgischen Praxistheorie. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 307 S. Ausführlich werden die Gottesdiensttheologien bei Martin Luther, Oswald Bayer und Paul Tillich dargestellt. Anschließend legt Roth eine Gottesdiensttheologie in eigener Verantwortung vor, die die Zuwendung Gottes als Feier in den Mittelpunkt rückt. Er schließt sich der Korrelativen Theologie von Tillich an, erörtert in Auseinandersetzung von Sein und Wort den Leitbegriff ‚Zuwendung‘, legt dar, dass das Fest und die Feier die Zuwendung Gottes zum Menschen und die Zuwendung des Menschen zu Gott zu inszenieren vermögen, und plädiert dafür, dass der Gottesdienst in seiner personalen, sakramentalen und mystischen Dimension wahrgenommen und gestaltet wird. Denn – so Roth: „Mit dem Gottesdienst der christlichen Kirche steht das Christentum auf dem Spiel. Gelingt es nicht, im Gottesdienst die Fragen und Bedürfnisse der Menschen aufzunehmen und Antworten zu geben, werden die Menschen andere Orte aufsuchen, wo sie als religiöse Menschen ein Zuhause finden.“ (294) Er beschließt seine Darlegungen zur Gottesdiensttheologie in Anlehnung an Luthers berühmter Torgauer Formel von 1544: „Es möge im Gottesdienst nichts anderes geschehen, als dass sich Gott in einem besonderen Raum und zu einer besonderen Zeit uns zuwendet durch Worte, Musik und Bild, durch sakramentale Zeichen und in der Stille, und wir uns ihm zuwenden durch Lobpreis, Gebet und Kontemplation, damit auch im Alltag jeder Moment erfahrene und gestaltete Zuwendung Gottes und damit ein Gottesdienst werden kann.“ (295) Schachenmayr, Alkuin Volker: Sterben, Tod und Gedenken in den österreichischen Prälatenklöstern der Frühen Neuzeit. Be&Be-Verlag: Heiligenkreuz im Wienerwald, 363 S. Es geht in diesem Buch vorrangig um die Sepulkralkultur in Prälatenklöstern, aber damit auch um ihre Vorbildfunktion für die Sepulkralkultur in deren Umland. Die Studie befasst sich mit österreichischen Klöstern. Der Zeitraum setzt ein mit dem Ende des Trienter Konzils 1563 und endet mit dem Verbot von intramuralen Bestattungen durch Kaiser Joseph II. im Jahr 1784. Das besondere Anliegen dieser Untersuchung ist, dass nun nicht die oft beschriebenen und untersuchten Bestattungen von Prälaten behandelt werden, sondern die Bestattungen von einfachen Mönchen, die durchaus seltener Anlass boten, schriftliche Zeugnisse zu hinterlassen. Folgende Stationen werden aufgrund der vorhandenen Quellen vergleichend dargelegt: Das Auf-den-Tod-hin-Leben im Kloster – Einkleidung – Krankenpflege – Sterben. Der Ablauf im Detail – Leiche als Objekt der Pflege und Betrachtung – Exequien – Bezirke der Bestattung  – Friedhofsverwaltung  – Gedenken. Am Ende der Untersuchung wird exemplarisch dargestellt, wie ein Novizenmeister gestorben und bestattet wurde. Schaufelberger, Thomas / Hartmann, Juliane (Hg.): Perspektiven für das Pfarramt. Theologische Reflexionen und praktische Impulse zu Veränderungen in Berufsbild und Ausbildung. Theologischer Verlag Zürich: Zürich 2016, 239 S., mehrere farbige Abb. Für 18 reformierte Kirchen der Deutschschweiz wurde ein Kompetenzstrukturmodell für das evangelisch-reformierte Pfarramt erarbeitet. Das Modell wurde 2013 beschlossen und wird mit diesem Buch vorgestellt und auch diskutiert. Es bildet die Grundlage für die Ausbildung für das Pfarramt und für die Personalentwicklung von

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Pfarrerinnen und Pfarrern. Damit sind natürlich auch gottesdienstliche Felder des Pfarramts betroffen. Folgende Fragen haben die Erarbeitung des Kompetenzstrukurmodells geleitet: „Wie müssen Pfarrerinnen und Pfarrer ausgebildet sein angesichts der Komplexität dieses Wandels und der Steigerung der Anforderungen an sie? Welche Pfarrerinnen und Pfarrer brauchen wir für eine Zukunft, in der die Kirche vielfältiger werden muss und in der es gleichzeitig an Pfarrerinnen und Pfarrern mangeln wird? Welche Eckpunkte kristallisieren sich in der Kompetenzdiskussion heraus, wenn es um das lebenslange Lernen der Pfarrerinnen und Pfarrer geht? Welche konzeptionellen Grundlagen könnten für die Personalentwicklung der Pfarrerinnen und Pfarrer handlungsleitend sein?“ (15) Das Kompetenzstrukturmodell besteht aus zwölf Standards, die fünf Bereichen zugeordnet sind. Bereich 1 – Glaubwürdig leben: Leben aus dem Evangelium, Berufsidentität, Selbstmanagement. Bereich 2 – Lösungen entwickeln: Hermeneutische Reflexion, Kreativität. Bereich 3 – Beziehungen gestalten: Beziehung und Empathie, Team- und Konfliktfähigkeit. Bereich 4  – Ergebnisse erbringen: Ziel- und Ergebnisorientierung, Planung und Organisation. Bereich 5 – Einfluss nehmen: Leitung, Auftritt und Repräsentation, Kommunikation. Unter Kompetenz wird verstanden, dass in der Verbindung von Wissen, Können (Fähigkeiten / Fertigkeiten) und Erfahrung komplexe Situationen bewältigt werden können. In mehreren Beiträgen wird dieses Modell in verschiedener Richtung diskutiert: für Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenleitungen, Gemeinden, theologische Wissenschaft, Bildungstheorie etc. In einem weiteren Abschnitt des Buches stellen elf Professoren der Praktischen Theologie ihre pastoraltheologischen Ansätze vor, die aufzeigen, wie vielfältig und bunt die Vorstellungen zum Pfarramt sind  – was immer wieder in anderen Beiträgen gelobt oder kritisiert wird, manchmal aber auch als eine Beschwernis empfunden wird. Es wurden dazu mehrere Außenperspektiven eingeholt, so z. B. von katholischer Seite, vom Pfarrverein, von einem Kirchenratspräsidenten, so dass sich die Buntheit unter Beachtung der daraufhin vorgestellten Anwendungsperspektiven noch erweitert. Symptomatisch scheint eine Fotografie zu sein, die die Autoren selbst zur Beschreibung ihrer Situation gewählt haben: Aus der Vogelperspektive sieht man eine große Brücke in einer Flusslandschaft Honduras’ aus dem Jahr 1998. Der Fluss fließt nicht mehr unter der Brücke durch, sondern hat seinen Flusslauf jetzt neben der Brücke, so dass die Brücke auf dem Land, sozusagen im Trockenen, steht: „Es zeigt eine Brücke, die mit Geldern aus der Entwicklungshilfe solide und stabil gebaut wurde und ihren Zweck erfüllt hat. Dann aber kam im Herbst 1998 der Hurrikan Mitch, der den Flusslauf veränderte. Die Brücke steht jetzt an der falschen Stelle. Sie ist unbeschädigt, aber sie kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Diese Brücke kann ein Sinnbild für die Kirche sein. Auch sie ist an vielen Orten noch stabil gebaut. Auch sie hat ihren Zweck, für den sie gebaut wurde, erfüllt. Jetzt aber fliesst der Fluss an einem anderen Ort. Was tun? Den Fluss wieder in sein altes Flussbett zwingen? Die Brücke vollständig abreissen und neu  – am richtigen Ort – wieder aufbauen? Die Brücke verlängern oder verschieben? Sie stehen lassen als Denkmal oder Touristenattraktion? Oder einfach verfallen lassen und andernorts neu anfangen?“ (25) Walti, Christian: Gottesdienst als Interaktionsritual. Eine videobasierte Studie zum agendenfreien Gottesdienst im Gespräch mit der Mikrosoziologie und der Liturgischen Theologie (APLTH 87). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 715 S. Ein agendenfreier Gottesdienst sperrt sich gegen Agenden, wie sie in der römischkatholischen oder in evangelisch-lutherischen Kirchen in Gebrauch sind, weil diese aufgrund historischer Forschung und systematisch-theologischer Reflexion Leit-

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linien und Normen für die gegenwärtige Gottesdienstpraxis erarbeiten, die dann von entsprechenden legislativen Institutionen (Episkopat, Synode)  für ihre Kirchen in Kraft gesetzt und ggf. auch vorgeschrieben werden. Solch eine Legislative gibt es in reformierten Kirchen nicht, sondern die Verantwortung für die Gottesdienstgestaltung liegt bei der jeweiligen Pfarrperson und der Kirchengemeinde. So kann von einer flächendeckenden mehr oder weniger gleichen Gottesdienstgestaltung nicht gesprochen werden. Sind dann nicht Reformprogramme, wie sie auch die deutschschweizer reformierten Kirchen initiiert haben, letztendlich zwecklos? Das nicht, meint Walti, wenn die implizite theologische und anthropologische Logik gottesdienstlicher Interaktion verstanden wird. Seine Arbeit zeigt diese Logiken auf; er wendet sich damit einer empirischen Liturgik zu, die bei der Gegenwart ansetzt, indem die jetzt gefeierten Gottesdienste Gegenstand der Untersuchung sind, und setzt nicht bei der historischen oder systematisch-theologischen Liturgik an. Seine Studie wird von zwei Thesen geleitet: „Gottesdienste [sind] weder durch theologische Normen, noch durch Intentionen ihrer Teilnehmenden, sondern durch implizite Ordnungen der Interaktion geregelte Praktiken“. Die zweite These ist die von der Liturgischen Theologie vertretene normative These, „dass Gottesdienste auf Gott ausgerichtete und durch ihn bestimmte Interaktionen sind, und sie diesen Anspruch durch nichts anderes als durch seine Teilnahme an ihnen einzulösen vermögen.“ (25) Auf dem Hintergrund der beiden Thesen sollen mit dieser Studie drei Fragestellungen beantwortet werden: 1.  Welchen „impliziten Regeln“ folgt „die faktische Gottesdienstinteraktion in reformierten Gottesdiensten“? 2. „Welche implizite Theologie“ manifestiert „sich in diesen Regeln“? 3. Wo liegen „mögliche Ansatzpunkte für Reformen der Gottesdienstinteraktionen (…), um dem normativ-theologischen Anspruch eines Gottesdienstes gerechter werden zu können“? (25 f) Im ersten Teil werden dafür die theoretischen Grundlagen gelegt, indem die schon verwendeten oder zu verwendenden Begriffe wie Interaktion, Ritual, Ritualisierung, religiöses Ritual aufgrund ihres Gebrauchs in den Gottesdienstanalysen mithilfe der Mikrosoziologie geklärt werden, so dass auch eine extrinsische und intrinsische Orientierung erkannt werden kann, die dann wiederum an der Ritualität unter den Bedingungen der Moderne reflektiert wird. Anschließend werden die methodologischen Grundlagen für eine empirische Gottesdienstforschung erörtert. Der zweite Teil der Untersuchung stellt die empirische Rekonstruktion von Gottesdiensten dar, die videobasiert aufgenommen wurden. Es wurden mehrere unterschiedliche Gemeinden ausgewählt und in diesen Gemeinden mehrere Gottesdienste aufgenommen. Sodann wurden die einzelnen Sequenzen, wie z. B. die Eröffnung, eine Lesung, ein Gebet etc., miteinander verglichen. Im dritten Teil werden Kontrastfelder bearbeitet, indem die Interaktionsordnung eines römisch-katholischen Gottesdienstes und zwei Anbetungsgottesdienste einer Kirchengemeinde, die der charismatisch-evangelikalen Vineyard-Bewegung angehört, dargestellt werden. Im vierten und letzten Teil der Untersuchung werden Diskurse der Liturgik für das Untersuchungsergebnis fruchtbar gemacht, wie die Liturgische Präsenz und die gottesdienstliche Partizipation in interaktionstheoretischer Sicht. Wegmann, Susanne: Der sichtbare Gaube. Das Bild in den lutherischen Kirchen des 16. Jahrhunderts (SMHR 93). Mohr Siebeck: Tübingen 2016, 370 S., 64 schwarz-weiß Abb., 20 farbige Abb. Für die lutherische Kirche des 16. Jahrhunderts wird das Bild in Abgrenzung zu den reformierten Kirchen und den Bilderstürmern zu einem konfessionellen Zeichen. Die dabei auch verwendeten Lutherporträts tragen zur Identitätsbestimmung bei. Bilder,

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zumal auch Altarbilder wie die aus der Wittenberger Stadtkirche, definieren die Gemeinschaft der Gläubigen und stellen eine sichtbare Predigt dar. Wegmann zeichnet den lutherischen Bilddiskurs nach und stellt exemplarisch die Marktkirche von Halle, die lutherisch wurde und dies auch durch entsprechende Bilder anzeigte, und die lutherisch eingeweihte Schlosskapelle von Torgau vor. Auch bei anderen Kirchen und ihren Bildern ist zu erkennen, dass Künstler, Stifter und Auftraggeber sich durch Bildnisse, Signaturen und Inschriften im lutherischen Glauben verorteten. Für die Rekonstruktion dieser Entwicklung hat die Autorin selbstverständlich nicht nur Texte, sondern auch Bilder herangezogen. Dabei kommen die „Bilder im Bild“ in den Blick, die die eigene lutherische Identität sowohl anzeigen wie auch reflektieren. Das gilt für die inhaltlichen Aussagen ebenso wie für die dargestellten Zeremonien von Predigt, Taufe, Abendmahl und Gottesdienstfeiern: „Bilder, die Bilder darstellen, behandeln, kontextualisieren und verorten das eigene Medium in einer Handlung und einem Bildraum. Direkt oder indirekt intendieren sie auf diese Weise auch eine sich selbst reflektierende Aussage über Bilder, die Orte und den Gebrauch der Bilder, sowie über ihre eigenen medialen Möglichkeiten und Ansprüche.“ (27) Insofern ist es erfreulich, dass im Anhang viele Bilder zum Abdruck gekommen sind. de Wildt, Kim / Kranemann, Benedikt / Odenthal, Andreas (Hg.): Zwischen-Raum Gottesdienst. Beiträge zu einer multiperspektiven Liturgiewissenschaft (PTHe 144). Kohlhammer: Stuttgart 2016, 335 S., 1 farbige Abb. Bei diesem Buch handelt es sich um eine Festschrift für Albert Gerhards anlässlich seines 65. Geburtstags. Auf Gerhards geht es zurück, den Begriff des ZwischenRaums für die Liturgie und für das Kirchengebäude etc. dadurch qualifiziert zu haben, dass der Kirchenraum selbst schon Liturgie ist. Seine Forschungen zeigen, dass Liturgiewissenschaft im praktisch-theologischen Verständnis multiperspektivisch sinnvoll betrieben werden kann. So spiegeln die Beiträge seiner Schüler, seiner Kollegen und Freunde Gerhards historische, theologische und ästhetische Interessen wider, die sich in seinen Publikationen finden. 22 Beiträge wurden zusammengestellt: geschichtliche und anthropologische Perspektiven, theologische Anfragen, Ökumene und Dialog, kunstgeschichtliche und kirchenmusikalische Perspektiven, Liturgiewissenschaft im Umbruch. Dabei werden recht unterschiedliche Themen behandelt: heilige Räume, Sakralräume, die liturgische Bewegung, Popularliturgik, Rituale, römischer Ritus für ehemalige Anglikaner, Liturgie und Politik, allgemeines Priestertum aller Glaubenden, Predigt, Ökumene, Kunst, praktisch-theologische Liturgiewissenschaft etc. Winnebeck, Julia: Apostolikumsstreitigkeiten. Diskussion um Liturgie, Lehre und Kirchenverfassung in der preußischen Landeskirche 1871–1914 (AKThG 44). Evange­ lische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 447 S. Das Ziel dieser Untersuchung ist eine systematische Darstellung der Apostolikumsstreitigkeiten. Dafür wurden kirchenrechtliche und liturgische Entwicklungen ebenso berücksichtigt wie das sich ausbreitende kirchliche Parteien- und Vereinswesen. Zentrum der Untersuchung ist die preußische Landeskirche, der eine gewisse Vorreiterrolle zukam. Hier wurden die Akten der Kirchenverwaltung ausgewertet. Dabei steht zur Diskussion, ob das Apostolikum „der zutreffende und vollgültige Ausdruck des christlichen Glaubens“ (17) ist. Die drei Auseinandersetzungsphasen – von 1871 bis in die 1880er Jahre, dann bis etwa 1900, danach bis zum Ersten Weltkrieg – sind im Wesentlichen durch die konservative und liberale Strömung im Protestantismus geprägt, weil es um das wie auch immer verstandene richtige Verständnis des Apostolikums geht und um die Frage, ob es wirklich im Gottesdienst,

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bei Taufe, Konfirmation und der Ordination von Geistlichen zu verwenden sei. Da die liberalen Theologen darin keinen zeitgemäßen Ausdruck des Glaubens mehr erkennen konnten, wurde für die Agende 1895 bestimmt, dass das Apostolikum nicht länger ein Teil der Lehrverpflichtung ist, sondern zum liturgischen Rahmen der Ordination gehöre. Nach dem Ersten Weltkrieg traten diese Fragen so gut wie gar nicht mehr auf. Die ältere liturgische Bewegung brachte sowieso immer wieder neue Gottesdienstvorschläge in die Öffentlichkeit, so dass die Kirchenleitungen 1931 einen Agendenentwurf vorlegten, der den Gebrauch des Apostolikums relativierte, weil er auch ersetzt werden konnte durch das Nizänum, Luthers Glaubenslied, die Artikel des zweiten Hauptstücks aus Luthers Kleinem Katechismus oder durch die Fragen 1, 26 und 60 des Heidelberger Katechismus. Sieht man auf die Gegenwart, so finden sich Spuren dieser Auseinandersetzung in der heutigen ökumenischen Fassung, da einige als anstößig empfundene Formulierungen ersetzt wurden, wie z. B. „hinabgestiegen in die Hölle“ durch „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ oder „Auferstehung des Fleisches“ durch „Auferstehung der Toten“. Die Folgen der Apostolikumsstreitigkeiten zeigen sich bis in die Gegenwart für die Lehre und die Kirchenverfassung, da die Lehrauffassungen nach wie vor recht unterschiedlich sein können. So wurden in den 1960er und 1970er Jahren viele neue Formulierungen für ein zeitgemäßes Glaubensbekenntnis formuliert und auch in Gottesdiensten verwendet. Der Fall Lüdemann hat weite Kreise gezogen, weil Lüdemann einige Sätze des Apostolikums für sich als Glaubenssätze ablehnte. Die gemeinsame Agende von UEK und VELKD für Berufung, Einführung und Verabschiedung aus dem Jahr 2012 formuliert nach wie vor, dass der zu Ordinierende bereit ist, das Evangelium zu verkünden, wie es ausgelegt ist in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen etc. Winnebeck hat also nicht nur den Zeitraum der Jahre 1871 bis 1914 für den Apostolikumsstreit intensiv erforscht und dargestellt, sondern die Linien bis in die Gegenwart ausgezogen. Zerfass, Alexander: Auf dem Weg nach Emmaus. Die Hermeneutik der Schriftlesung im Wortgottesdienst der Messe (PiLiSt 24). Narr Francke Attempto: Tübingen 2016, 277 S. Die biblischen Schriftlesungen im Gottesdienst werden durch den liturgischen Kontext beeinflusst, in dem sie verlesen werden. Denn die Liturgie hat zunächst einmal einen anamnetischen Grundzug, der auch das Schriftwort in seinem Verständnis in Bezug auf die Heilsgeschichte und die Gegenwart der Feiernden beeinflussen wird. Zudem werden die biblischen Texte im Wortteil der Messe mit rahmenden Formeln und Akklamationen in einen eigenen Kontext gebracht und dadurch sogar rituell in Szene gesetzt. Es sind also verbale wie nonverbale Kontexte zu beachten. Bei mehreren Lesungen hintereinander treten diese Lesungen sozusagen in ein Gespräch ein. All das hat auch Bedeutung für die Homilie. Diese Zusammenhänge reflektiert Zerfass im ersten Teil seiner Untersuchung, in dem anhand der Lesungen in der Osternacht, auf die ja immer eine Oration folgt, die Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte im Vordergrund steht. Der Begriff Heilsgeschichte wird in Bezug auf die gegenwärtig Feiernden reflektiert. Der zweite Teil untersucht den Wortgottesdienst im Kontext der Eucharistiefeier, wobei das Eucharistiegebet als Vergegenwärtigung des Christusereignisses in Bezug gesetzt wird zur Gegenwart Christi in den Schriftlesungen. Im dritten Teil wird reflektiert über Text und Kontext innerhalb des Wortgottesdienstes der Messe, über die Intertextualität und Konsonanz der Schriftlesungen, über Text und Paratext (z. B. rahmende Worte zu einem zu verlesenden Text), über Ambo, Kleidung und Bewegung, über den rituellen Umgang mit dem Evangeliar, über den Vortrag der Lesungen und über die Haltungen und Gebärden der Gemeinde.

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Zerfass, Alexander / Franz, Ansgar (Hg.): Wort des lebendigen Gottes. Liturgie und Bibel (PiLi 16). Narr Francke Attempto Verlag: Tübingen 2016, 507 S., 3 farbige Abb., 1 farbige Abb. des Jubilars. Viele der hier abgedruckten Beiträge wurden während der Studientagung der interdisziplinären Vereinigung „Kultur – Liturgie – Spiritualität e. V.“ im Jahr 2012 gehalten, um insbesondere SC 24 des Zweiten Vatikanischen Konzils zu bedenken, denn diese Liturgiekonstitution wurde 1963 promulgiert, jährte sich also zum fünfzigsten Mal. Zugleich wurde Hansjakob Becker zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 2013 geehrt und ihm das „Manuskript“ als Festgabe überreicht. Viele Beiträge werden dem Text von SC 24 zugeordnet, so dass die Bedeutung der Heiligen Schrift für die Liturgiefeier bedacht wird, danach geht es um Lesungen und Homilie, die Psalmen, liturgische Gebete, Orationen und Gesänge, wie aus der Heiligen Schrift Handlungen und Zeichen ihren Sinn empfangen, wie östliche und westliche Riten die ehrwürdige Überlieferung der Heiligen Schrift bezeugen. So ist es selbstverständlich, dass bei dieser interdisziplinären Studientagung auch Theologen unterschiedlicher Konfessionen zu Wort kamen und nicht nur Liturgiewissenschaftlicher oder Praktische Theologen, sondern interdisziplinär auch Theologen aus den anderen Disziplinen das Wort ergriffen. Im Anhang ist ein Aufsatz von Hansjakob Becker abgedruckt, der sein Projekt Patmos versteht als Weiterführung der Reform der Leseordnung des Wortgottesdienstes, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Ordo Lectionum Missae 1969 seinen Ausdruck fand. Becker hebt dabei die Bedeutung des Alten Testaments hervor.

IV. Artikel Christiansen, Birgit: Liturgische Agende, Unterweisungsmaterial und rituelles Traditionsgut. Die hethitischen Festritualtexte in kulturvergleichender Perspektive. In: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (2016), 31–65. Handke, Emilia: Weder Jugendweihe noch Konfirmation. Erkundungen in einem unbekannten Feld. In: PTh 105 (2016), 105–120. Happel, Martin: Bestattung neu denken. Ergebnisse einer Umfrage unter Bestatterinnen und Bestattern. In: PTh 105 (2016), 520–537. Haunerland, Winfried: Feier der Barmherzigkeit Gottes. Die Liturgie als Gestaltprinzip kirchlicher Jubiläen. In: MThZ 67 (2016), 139–152. Kunz, Ralph: Warum das Abendmahl vom Tisch muss und doch nicht „tabula rasa“ herrscht. Christian Grethleins Vision einer zukunftsfähigen Mahlpraxis. In: PTh 105 (2016), 396–407. Kühn, Rolf: Eucharistie  – Lebensidentität oder Leibfraktur? Lebensphänomenologisches und dekonstruktives Verständnis nach Michel Henry und Jean-Luc Nancy im Vergleich. In: ThQ 196 (2016), 139–159. Neijenhuis, Jörg: Neue liturgische Entwicklungen im Bereich Taufe. In: MD 67 (2016), 53–55. Wahle, Stephan: Realpräsenz Christi im Wort? Annäherungen aus liturgiewissenschaftlicher Perspektive. In: BiLi 89 (2016), 194–206. Walter, Philipp: „… und die Einigung aller Menschen auf dem Grunde des heiligen Evangeliums“. Der lutherische Gottesdienst im byzantinisch-slawischen Ritus. In: Im Dialog mit der Orthodoxie (2016), 27–35.

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V. Einführungen, Lehrbücher und Handbücher Arnold, Matthias / Thull, Philipp (Hg.): Theologie und Spiritualität des Betens. Handbuch Gebet. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 416 S. Das Handbuch vereint wissenschaftliche Beiträge über das Beten sowie Ermutigungen und Praxishilfen zum Beten in unserer Zeit. Denn so schreiben die Herausgeber in ihrem Vorwort: „Weil die tiefe Sehnsucht nach einem Sinn im eigenen Leben viele Menschen vor sich hertreibt, ist es uns so wichtig, Menschen dabei zu helfen, ein religiös-spirituelles, für die Stimme Gottes offenes Leben kennen- und führen zu lernen.“ (10) So wurden die 35 Beiträge in sechs Abteilungen gegliedert: I. Das Gebet in der Heiligen Schrift, II. Das Gebet in der Theologie, III. Formen des Gebets, IV. Das Gebet in der Praxis, V. Das Gebet in der christlichen Ökumene, VI. Multidimensionale Zugänge zum Gebet. Die letzte Abteilung behandelt Themen wie die Frage, ob das Beten etwas nützt, ob es ein Thema für die Pädagogik ist, wie Gebetserfahrung sich niederschlägt in Todes- und Traueranzeigen, die psychologische Seite des Betens, Gebet und Krankheit, die Macht des Gebets, Gebet bei ostdeutschen Jugendlichen, religionsphilosophische Überlegungen. Lumma, Liborius Olaf: Feiern im Rhythmus des Jahres. Eine kurze Einführung in christliche Zeitrechnung und Feste. Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 246 S. In dieser wahrhaft „kurzen“ Einführung ist eine Menge an Informationen untergebracht worden, die in vier Teile gegliedert ist: I. Es geht um die vielen unterschiedlichen Kalender besonders im Christentum, aber auch im Judentum und Islam. Es werden dargestellt der römische und julianische Kalender, die Festlegung des Osterdatums, der gregorianische Kalender, der meletianische Kalender (das ist der gregorianischer Kalender, der aber das Osterfest nach dem julianischen Kalender berechnet), Kalenderreformideen des 20. Jahrhunderts, der koptische und äthiopische Kalender. In Teil II werden das Osterfest von Gründonnerstag bis zur Osternachtsfeier, dann die 40 Tage vor Ostern als Bußzeit, anschließend die 50 Tage nach Ostern mit Himmelfahrt und Pfingsten dargelegt. Im Teil III geht es um andere Feste im römisch-katholischen Kalender wie z. B. den Sonntag, Weihnachten und Epiphanias, die Herrenfeste, Marienfeste, Märtyrerfeste etc. Teil IV widmet sich anderen christlichen Riten und Konfessionen: dem Byzantinischen Ritus, der Lutherischen Kirche, der Reformierten Kirche, der Anglikanischen und Altkatholischen Kirche, dem koptischen und äthiopischen, dem westsyrischen und armenischen sowie dem ostsyrischen Ritus. Ein Glossar und Literaturempfehlungen beschließen das Buch.

VI. Arbeitshilfen Arnold, Jochen / Kraft, Friedhelm / Leonhard, Silke / Noß-Kolbe, Peter (Hg.): Gottesdienst und religiöse Feiern in der Schule (gemeinsam gottesdienst gestalten 27). Hannover 2015, 471 S. Ein Schulgottesdienst ist eine besondere und herausfordernde Art von Gottesdienst, weil dieser Gottesdienst nicht im Umfeld einer Kirchengemeinde, sondern im Kontext einer Schule gefeiert wird. Das schließt zugleich immer die konfessionsüberschreitenden Möglichkeiten der Ökumene mit ein, in neuerer Zeit stellen sich auch die religionsüberschreitenden Forderungen dazu, weil an vielen Schulen nicht nur vereinzelte Schüler, sondern ein erheblicher Teil  der Schülerschaft aus nichtchrist-

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lichen Religionen kommen. So werden im ersten Teil  mit mehreren Beiträgen die Schulgottesdienste praktisch-theologisch reflektiert, die Herausforderungen thematisiert und verschiedene Zugänge zum Gottesdienstgeschehen aufgezeigt. Der zweite Teil  stellt religiöse Feiern und Gottesdienste durch das Schuljahr vor, der dritte Teil enthält Themengottesdienste und kasuelle Feiern, wie z. B. Trauergottesdienste für einen verstorbenen Schüler. Der vierte Teil bietet gottesdienstliche Elemente im Schulleben, wie z B. eine Postkartenaktion zum Valentinstag oder eine Aschermittwochbegehung als Parcours. Arnold, Jochen / Baltruweit, Fritz / Oxen, Kathrin (Hg.): Reformation erinnern, predigen und feiern. Gottesdienste und Predigten zu Themen, Orten und Personen (gemeinsam gottesdienst gestalten 28). Hannover 2016, 620 S. Dieses viele Seiten umfassende Buch bietet zahlreiche und vielfältige Impulse für das Reformationsjubiläum, um der Reformation gottesdienstlich zu gedenken und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Es umfasst Gottesdienste, Predigten etc. zu Themen, Orten und Personen. Der erste Teil enthält eine theologische Grundlegung zu Reformation und Gottesdienst aus lutherischer und reformierter Perspektive. Die ökumenische Perspektive wird am Straßburger Münster verdeutlicht, der Gottesdienst im Geist der Reformation wird als Inszenierungsaufgabe aufgefasst und das Predigen mit den Reformatoren dargestellt. Der zweite Teil umfasst zahlreiche Gottesdienste, Predigten und Gottesdienstimpulse: Reformationsgottesdienste allgemein, Gottesdienste an Orten der Reformation, Bildgottesdienste, Themengottesdienste, Gottesdienste und Predigten zu Personen der Reformation, Gottesdienstelemente und Predigten im Kirchenjahr, Gottesdienste und Liedpredigten zu Liedern und Musik der Reformation, Schulgottesdienste, Gottesdienste für Kinder, Jugendliche und die ganze Familie, Anspiele. Der dritte Teil enthält Predigten und Predigtmeditationen zu den Perikopen des Reformationstages. Bonkowski, Frank und Jubilee: Okay, Gott. Ehrliche Gebete für Teens. Neukirchener Verlagsgesellschaft: Neukirchen-Vluyn 2016, 111 S. Vater und Tochter haben Gebete für Jugendliche und von Jugendlichen zusammengestellt, die von Anliegen und Themen handeln, die sie bewegen. Es ist ein Hosen­ taschen-Büchlein geworden, damit Jugendliche es immer in der Hosentasche bei sich haben können. Themen der Gebete sind Vergebung, Heilung, Fragen und Zweifel, Dank, Führung, Angst, für andere beten. Brand, Fabian: Advent und Weihnachten feiern. Gottesdienste, Texte und Impulse. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 205 S., 1 CD-ROM. In seinem Vorwort sieht Brand die Lage der vielen gottesdienstlichen Vorbereitungen der Advents- und Weihnachtszeit realistisch: Man hat wenig Zeit, viele Aufgaben drängen, so dass diese Arbeitshilfe Abhilfe schaffen kann. Somit werden für die Adventszeit Gottesdienste, Andachten, Familiengottesdienste, für die Weihnachtszeit Krippenspiele, Weihnachtsgottesdienste, Jahresabschluss und Neujahr, Jugendgottesdienste etc. angeboten. Zu unterschiedlichen Gelegenheiten können die dargebotenen Lied- und Bildbetrachtungen sowie Schriftmeditationen verwendet werden. Brantzen, Hubertus: Für Verstorbene beten. In Familie und Gemeinde. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 48 S. Dieses schmale Heftchen kann man Trauernden in die Hand geben und sogar auf der ersten Seite eine Widmung eintragen. Es will helfen, sich gut von einem Verstorbenen zu verabschieden und die Beisetzung im christlichen Geist zu gestalten. Thematisiert werden auch ein Wiedersehen im Himmel, die Verbundenheit in der Gemeinde, und wie man ein Gedächtnis bewahren kann.

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Dam, Harmjan / Doˇgruer, Selçuk / Faust-Kallenberg, Susanna: Begegnung von Christen und Muslimen in der Schule. Eine Arbeitshilfe für gemeinsames Feiern. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 111 S. In die Problematik des gemeinsamen Feierns von Christen und Muslimen in der Schule wird übersichtlich eingeführt. Ein schwieriger Punkt ist dabei das Gebet. Zu Beginn wird deshalb eine Einführung in die theologischen Grundlagen des Betens geboten: aus evangelischer Sicht von Reinhold Bernhardt und aus islamischer Sicht von Selçuk Doˇgruer. Unter der Überschrift, was man für die Begegnung von Christen und Muslimen in der Schule wissen sollte, werden viele Fragen beantwortet, die die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründe aufnehmen, wie z. B. die Fragen nach Jesus, Trinität, Koran und Bibel, Pfarrer und Imam, Gebetsformen, Festen, Krankheit, Bestattung etc. Anschließend wird die Frage beantwortet, was zu beachten ist, wenn sich in der Schule Christen und Muslime begegnen: pluralitätsfähiger Religionsunterricht, Moscheebesuch, Klassenfahrt, tägliches Gebet, Raum der Stille, Schwimmunterricht, Ramadan etc. Anschließend werden unterschiedliche Feiermöglichkeiten vorgestellt: die Liturgische Gastfreundschaft, die multireligiöse sowie die interreligiöse Feier. Auch eine Schulveranstaltung mit religiösen Elementen (z. B. Einweihung eines Schulgebäudes, Jubiläumsfeier) wird thematisiert. Abschließend werden drei religiöse Feiern dargestellt: ein Einschulungsgottesdienst in der Grundschule (Liturgische Gastfreundschaft), ein Trauergottesdienst in der Grundschule (multireligiöse Feier), ein Trauergottesdienst in einer weiterführenden Schule (interreligiöse Feier). Eine kleine Materialsammlung bietet weitere Gebetstexte und Segensworte. Dyckhoff, Peter: Geheimnis des Ruhegebetes. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 431 S. Das Ruhegebet geht auf Johannes Cassian zurück, der die hesychastische Gebetsweise aufzeichnete. Sie wird bis heute kontemplativ wahrgenommen. Das Ruhegebet, das vorrangig aus der Anrufung des Namens Jesus besteht, ermöglicht nicht nur innere Ruhe, sondern auch eine völlige Hinwendung zu Gott, ja eine Hingabe an Gott. Man richtet sein Inneres auf Gott aus und löst sich dabei von sich selbst. Das ist sicherlich eine besondere Erfahrung. Viele Menschen, die diese Gebetsweise üben, berichten über eine innere Krafterfahrung. Gerade in unserer hektischen Welt ermöglicht das Ruhegebet erstaunliche Erfahrungen. Dyckhoff, der das Gebet seit vielen Jahren übt und lehrt, führt in drei ausgreifenden Kapitel in diese Gebetsweise ein: Das Ruhegebet entdecken  – In das Geheimnis des Ruhegebetes eintauchen  – Der weglose Weg zur unerschöpflichen Quelle. Engelsberger, Gerhard: Den Müden ein Fest. Tröstliches für die Seele. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 190 S. Es sind überreich viele Texte in diesem Buch zu finden, die trösten. Es ist Engelsbergers Wunsch, dass man das Buch zur Hand nehmen kann, wenn man trostbedürftig ist. Er weiß, dass jeder Mensch trostbedürftig ist – manche immerzu, andere hin und wieder oder besonders nach schlimmen Erlebnissen. Das Buch gibt ebenso viele Texte für jene, die andere Menschen trösten wollen. Die Überschriften zeigen ein wenig die Richtung der Trosttexte an: Fehlstarts und Umwege – Jahreszeiten, Lebenszeiten – Kinder und Narren – Dem Segen eine Feier geben – Mit dem Herzen reparieren – Glauben leben – Beim Staunen bleiben – Über die Brücke gehen – Über den Rand, über den Fluss, über das Meer – den Müden ein Fest. Der letzte Abschnitt ist wohl auf die gesamte westliche Gesellschaft gemünzt, da oft gesagt wird, dass sie ermattet und ermüdet, wenn nicht gar erschöpft sei.

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Ferstl, Franz / Mitterstieler, Elmar: Segnen. Eine Berufung für alle. Grundlagen – Rituale – Gebete. Tyrolia: Innsbruck 2016, 165 S. Es wird in das Segnen eingeführt mit dem Verweis auf das Zweite Vatikanische Konzil, dass nicht nur geweihte Personen zum Segnen berufen sind. Darum wird gerade für nicht geweihte Personen das Thema Segen und Segnen ausführlich behandelt: persönliche Erfahrungen werden geschildert, biblische Texte geboten, dogmatische Fragen geklärt, von den Früchten und von der Kraft des Segens berichtet. Es folgen liturgische Modelle für Segensfeiern, das können persönliche Feiern, Familienfeiern, Wort-Gottes-Feiern sein, die unter bestimmten thematischen Vorgaben stehen, wie z. B. freier Zugang zu Gott, Selbstgabe, Versöhnung, Verkündigung, Vermittlung der ganzen Fülle Gottes. Abschließend finden sich Segensgedanken und Segensgebete. Goldschmidt, Stephan (Hg.): Ein Wort so viel wert wie das Leben. Literaturgottesdienste. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 256 S. Bevor in diesem Buch die Literaturgottesdienste geboten werden, wird in die Konzeption und die praktischen Anforderungen von Literaturgottesdiensten eingeführt, da es unterschiedliche Formate gibt: den klassischen Literaturgottesdienst, den dramaturgischen Literaturgottesdienst, Theatergottesdienst, Gottesdienst mit Literatur-Predigt, Literaturkirche. Es folgen acht vollständig ausformulierten Gottesdienste, davon haben sieben einen Roman zur Grundlage, einer fußt auf Gedichten, mit denen eine literarisch-musikalische Nachtkirche gefeiert wurde. Die Formen der Textlesungen aus den Romanen können ganz unterschiedlich sein, sie können über den gesamten Gottesdienst verteilt und mit anderen, z. B. biblischen Texten konfrontiert werden, oder es kann ein Textteil geschlossen vorgelesen werden, um dazu zu predigen oder mit Liedern oder Gebeten darauf zu reagieren. Zu jedem Gottesdienst gibt es einen Bericht über das Konzept, das diese Gottesdienste in der jeweiligen Gemeinde trägt. Hanglberger, Manfred: Die Liebe in die Welt tragen. Ein Kreuzweg für Kinder. Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 32 S. Das Heftchen ist z. B. für Kommunionkinder gedacht, die zum ersten Mal eine Kreuzwegandacht mitfeiern. Der Kreuzweg anhand der Bilder in der Kirche wird durch vorlesende Erwachsene und ein Rollenspiel der Kinder vergegenwärtigt. Zuvor aber sehen sich die Kinder das Kreuzwegbild an und erzählen, was sie sehen. Jede Station wird mit einem Gebet beschlossen. Hoffsümmer, Willi: Das große Buch der Trauungen und Ehejubiläen. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 205 S., 1 CD-ROM. In diesem Buch werden zwanzig Gottesdienste für Trauungen aufgeführt, die alle an einem Symbol orientiert sind: zwei Tauben, zwei Schwäne, Bumerang, Gingkoblatt, Baum, zwei Herzen, Brücke etc. Für die elf Gottesdienste zu Ehejubiläen gilt dasselbe, hier werden eine Orchidee, Rose, Perle, ein Apfel oder Erntekorb verwendet. Die Symbole können für den gottesdienstlichen Gebrauch von der CD-ROM kopiert werden. Im Anhang sind Lieder, Meditationen, Ehesegen und Schlusssegen gesammelt. Hoffsümmer, Willi: Wort-Gottes-Feiern mit Familien. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 224 S., 1 CD-ROM. Hoffsümmer legt 38 Vorschläge für Wort-Gottes-Feiern vor, die den Kreis des Kirchenjahres abdecken und besondere Anlässe berücksichtigen, wie z. B. Pfarrfest, Muttertag, Erntedank, Welttierschutztag. Anschließend finden sich Feiern, die Maria, Heilige oder heiligmäßige Menschen im Blick haben, wie z. B. Mahatma Gandhi. Zu Beginn des Buches wird die Struktur des Gottesdienstes dargelegt.

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Huber, Max: Dein Reich komme. Wort-Gottes-Feiern zum Vaterunser. Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 85 S. Jede Bitte des Vaterunsers wird in die Mitte einer Wort-Gottes-Feier gestellt und mit einer ausführlichen Predigt gewürdigt. Für diese Feiern werden folgende Texte angeboten: Einführung – Christusrufe – Lesung und Evangelium – Predigt – Meditation  – Bitten  – Überleitung zum Vaterunser und Beten des Vaterunsers  – Schlussgebet – Segen. Dabei werden die Bitten nicht allein bedacht, sondern sie werden auch auf das heutige Leben bezogen. Jung, Herbert: Großes Werkbuch Kreuzwege. Modelle und Andachten. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 208 S., 1 CD-ROM. Das Volk Gottes ist unterwegs, und das soll auch für die Kreuzwege gelten, die in der Passionszeit begangen werden können. Jung möchte aber nicht einer depressiven Stimmung Vorrang geben, sondern den Weg bis zur Auferstehung weiterführen und Trost ermöglichen. Darum werden ganz unterschiedlich gestaltete Kreuzwege angeboten: für Kinder oder Jugendliche, ein Lebensweg oder ein Blumenweg, ein Kreuzweg als Bußgottesdienst. Anschließend werden noch verschiedene Gestaltungselemente aufgeführt, wie eine Fastenaktion mit Jugendlichen oder eine Meditation. Jung, Martina (Hg.): Familiengottesdienste. Modelle und Elemente für Wort-GottesFeiern. Ideenwerkstatt Gottesdienst – Themenheft 2016. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 126 S. Vielfältiges Material für Familiengottesdienste ist hier zusammengetragen worden. Eine Vorlage mit Erklärungen für Wort-Gottes-Feiern und Eucharistiefeiern mit Familien, kindgerechte Gottesdienstelemente für Wort-Gottes-Feiern mit Familien. Besonders heben sich neue Gottesdienstformen für Familien mit kleinen Kindern hervor. Einige Gottesdienstvorschläge für Gottesdienste zum Fest der Heiligen Familie (30. Dezember) werden ergänzt durch Bausteine für die heutige Familie, die thematisch orientiert sind: Lebenswert, die Mütterlichkeit Gottes, Bekenntnis des Glaubens in der Familie. Zum Schluss: Gottes Familie, hier wird an generationenübergreifende Familiengottesdienste gedacht. Kappes, Michael / Rudolph, Barbara (Hg.): Christusfest. Ökumenisches Zugehen auf das Reformationsfest 2017. Eine Arbeitshilfe für Gemeinde und Unterricht. Bonifatius / Evangelische Verlagsanstalt: Paderborn / Leipzig 2016, 302 S., zahl­reiche Abb. In diesem Buch werden viele Anregungen und Materialien geboten, um das Reformationsjahr 2017 gebührend und auch ökumenisch begehen zu können. Es wird zunächst in das Ökumenische Feiern des Reformationsfestes 2017 eingeführt. Zuerst werden Bausteine und Materialien zum Ereignis der Reformation geboten – z. B. die reformatorische Grunderkenntnis Luthers, Rechtfertigung –, um dann weitere Anregungen und Praxismodelle für die ökumenische Erschließung des Reformationsgedenkens 2017 als Christusfest zu geben, z. B. Bibel, Jesus Christus, Taufe, Abendmahl. Abschließend werden Impulse zur Fortsetzung des ökumenischen Weges, sozusagen nach 2017, vorgelegt. Die Bausteine und Materialien sind geeignet für die Gemeindearbeit und für den Konfirmanden- wie Schulunterricht. Auch werden Hinweise gegeben für die Gestaltung von Gottesdiensten. Kaufmann, Jürgen: Ökumenische Trauerandachten. Meditationen, Impulse und Rituale. Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2016, 144 S. Diese ökumenischen Trauerandachten richten sich an alle trauernden Menschen, wobei die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit keine große Rolle spielt, denn Trauern ist ein alle Menschen betreffendes Geschehen. Insofern wurden die zahlreichen Andachten nach den Jahreszeiten geordnet; nur eine Andacht zum Heiligabend

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fällt aus diesem Kreis heraus, da Trauer an diesem Tag besonders ins Gewicht fällt. Abschließend werden einige Andachten geboten, die jederzeit passen. Texte, Musik, kleine Rituale und Meditation sind Elemente dieser Andachten. Kirchgessner, Bernhard: Barmherzigkeit hat ein Gesicht. Bildbetrachtungen zu Festen im Kirchenjahr. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 205 S., 28 meist farbige Abb. Dieses aufwendig gestaltete Buch zeichnet sich nicht nur durch entsprechende Texte aus, sondern auch durch die gute Auswahl an Kunstwerken auch der neuesten Zeit, die alle im Buch abgebildet sind. Kirchgessner versteht es, die Bilder und die entsprechenden biblischen Texte der Feste im Jahreskreis so aufeinander zu beziehen, dass sich sie gegenseitig erschließen. Das Leitthema ist Barmherzigkeit, die ein Gesicht hat. So stehen auf den Bildern wie in den Texten immer in irgendeiner Form Gesichter im Fokus der Aufmerksamkeit. Kardinal Schönborn aus Wien verfasste ein Geleitwort zu diesem Buch. Kohn, Kuno / Wüstenberg, Michael (Hg.): Ehrenamtliche Begräbnisleiter als Osterzeugen in den Gemeinden. Echter: Würzburg 2016, 135 S. Dies Buch berichtet von ehrenamtlichen Begräbnisleitern, die es in der katholischen Kirche gibt, weil es an Priestern mangelt und auch Laien ein Begräbnis leiten dürfen, da das Begräbnis ja kein Sakrament ist. Auch aus nicht-europäischen Ländern werden gute Erfahrungen vermeldet. Die in Deutschland mit der Ausbildung gemachten Erfahrungen und die Erfahrungen der Begräbnisleiter selbst werden beschrieben, auch Einwände von Gemeinden werden erwähnt. Das Buch wertet diese Entwicklung als einen Prozess, der eine Kirche der Beteiligung im Blick hat. Der Kreuzweg am Campo Santo Teutonico. Mit einem Geleitwort von Kurt Kardinal Koch und einer geschichtlichen Einordnung von Melanie Rosenbaum. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 72 S. Die in diesem handlichen Bändchen gebotenen Kreuzwegstationstexte sind dem Gotteslob entnommen. Da die Grabmäler im Campo Santo Teutonico im Vatikan einen besonderen Anziehungspunkt bilden, werden Pilger auch auf die Kreuzwegstationen aufmerksam, die man mit diesem Büchlein in der Hand meditativ begehen kann. Wer sich nicht in Rom aufhält, kann sich auch mit den abgedruckten Abbildungen der Kreuzwegstationen begnügen. Kardinal Koch hat ein einführendes Geleitwort geschrieben, Rosenbaum erklärt die Geschichte des Friedhofs und der Kreuzwegbilder. Kutzner, Hans-Jürgen (Hg.): Wie lieblich sind deine Wohnungen. Spiritualität und sakraler Raum (gemeinsam gottesdienst gestalten 26). Hannover 2016, 144 S., zahlreiche meist farbige Abb. In diesem aufwendig gestalteten Band wird die Spiritualität der sakralen Räume erkundet, wofür zahlreiche Bilder ebenso notwendig sind wie die Texte, die die Räume etc. erklären und deuten. Dabei werden ganz verschiedene Orte aufgesucht und Themen benannt: Portale, Fenster, Taufsteine, Kirchraumgeometrie, Kathedralen, Kanzeln, Altäre, Paramente etc. In drei Buchteilen werden ihre Wirkungen und Wechselwirkungen unterstrichen: Teil 1: Schwellen, Wechselwirkungen, Zugänge, Teil 2: Auf dem Weg, Teil 3: Am Platz. Zwei Beiträge führen in die Erkundungsgänge ein. Lehnert, Christian / Schnelle, Manfred: Die heiligende Kraft der reinen Gebärde. Gespräche über liturgische Präsenz (Impulse für Liturgie und Gottesdienst 2). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 93 S., 43 schwarz-weiße Abb. In diesem Buch sind neun Gespräche zwischen Christian Lehnert und Manfred Schnelle abgedruckt. Die Themen sind: Raum und Körper – Gehen – Sitzen – Begrüßung – Gebetsgesten – Abendmahl – Kreuzzeichen – Tanz – Übung. Einige Gesprä-

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che werden mithilfe Bildern verdeutlicht, so dass man auch von der Ausdruckskraft des Tanzes oder der Gestik von Manfred Schnelle einen gewissen Eindruck erhalten kann. Denn das Buch will helfen, auch eigene Übungen zu wagen und den eigenen Ausdruck als Liturg zu verbessern. Ein Vorwort und ein Nachwort bzw. ein Nachruf auf den 2016 verstorbenen Manfred Schnelle runden das Buch ab. Lüke, Ulrich: Schaut auf den Herrn. Gottesdienste in der Fasten- und Osterzeit. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 144 S., 1 CD-ROM. Zu diesen erprobten Gottesdiensten für die Fasten- und Osterzeit schreibt Lüke in seinem Vorwort: „Die Verkündigung muss zwischen der Skylla einer nur animierenden Eventlastigkeit und der Charybdis eines mumifizierten Ritualismus hindurch.“ Darum sind zu diesen Messtexten auch immer seine Predigten mit angegeben, dazu Einführungsworte, Meditationen. Alle Sonn- und Feiertage von Aschermittwoch bis Pfingstmontag sind bedacht. Neijenhuis, Elisabeth (Hg.): Meinen Gott gehört die Welt. Kindergebete & -lieder. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2016, 81 S. Die Gebete und Lieder für Kinder werden mit dem im Buchtitel genannten Lied von Arno Pötzsch eröffnet, es folgt das Apostolische Glaubensbekenntnis, dann das Lied Gott liebt diese Welt. Damit ist die erste Rubrik ‚Wie wir an Gott glauben‘ be­endet und die nächste Rubrik ‚Wie Jesus uns beten lehrt‘ wird eröffnet mit dem Vaterunser und Ps 23. Weitere Rubriken sind: Bei Gott geborgen, Gebete für den Morgen, Dank für Essen und Trinken, Gebete für den Abend, Beten für andere Menschen, Gottes Schöpfung entdecken, Wie Kinder aus anderen Ländern beten. Es finden sich Gebete aus Gesangbuch und Literatur, Neijenhuis hat auch eigene Gebete formuliert. Neysters, Peter: Großes Werkbuch Seniorenarbeit. Gottesdienste, Ideen und Texte. Herder 2016, 208 S., 1 CD-ROM. Für die Seniorenarbeit, insbesondere für Gottesdienste, wird hier zahlreiches Material angeboten: elf Gottesdienste zu Themenkreisen wie z. B. zum Umgang zwischen Alt und Jung, Gesundheit und Krankheit, Schuld und Versöhnung, vom Trost in der Trauer. Ebenso Material für Gesprächsrunden und Gottesdienste im Kirchenjahr. Im Anhang sind Volkslieder abgedruckt mit den Hinweis, dass sie geeignet sind für den Ausklang und das gemütliche Beisammensein, anschließend werden Texte zum Alter geboten. Redtenbacher, Andreas / Tatzreiter, Helmut (Hg.): Lebensquelle Eucharistie. Gedanken zur heiligen Messe (Schriften des Pius-Parsch-Instituts Klosterneuburg 7). Herder: Freiburg i. Br. 2016, 154 S., 8 farbige Abb. Von zahlreichen Autoren wird in die Feier der Messe eingeführt, indem sie jeweils einen Aspekt zu ihrem Thema machen. So wird der Reigen mit Gedanken zu grundlegenden Aspekten eröffnet, um dann in die Geschichte der Messe einzuführen. Anschließend werden die Eröffnung, der Wortgottesdienst, die Eucharistiefeier und der Abschluss dargelegt. Impulse für die Praxis bilden den Abschluss. Die Herausgeber sehen dieses Buch in der Tradition von Pius Parsch, der sich um die Liturgiepastoral verdient gemacht hat. Die hier abgedruckten Texte sind vor geraumer Zeit in der Zeitung der Erzdiözese Wien „Der Sonntag“ erschienen. Rinder, Nicole / Rausch, Florian: Das letzte Fest. Neue Wege und heilsame Rituale in der Zeit der Trauer. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 176 S. Die beiden Autoren sind Bestatter und gehen aufgrund ihrer eigenen reichen Erfahrung mit Trauer und Trauernden auf die Bedürfnisse der Trauernden ein. Ihr Buch ist daher überkonfessionell angelegt, es bietet Rituale, Praxisbeispiele und einen Serviceteil an. Es schreitet die Wege des Lebens, des Trauerns und des Begleitens ab,

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denn so ist die Erkenntnis der Autoren: Man muss etwas vom eigenen Leben erfahren, um zu erfahren, wie man erfüllend Abschied von Toten nehmen kann, und wir sollten erfahren bzw. lernen, wie man Trauernden helfen kann, ohne ihnen zu schaden oder sie zu verletzen. Saß, Marcell / Meyer, Karlo (im Auftrag der Liturgischen Konferenz herausgegeben): Mit Konfirmandinnen und Konfirmanden Gottesdienst feiern. Eine Orientierungshilfe der Liturgischen Konferenz. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 104 S. Diese Orientierungshilfe besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden grundsätzliche Fragestellungen und Hintergründe zum Thema Konfirmandinnen und Konfirmanden im Gottesdienst dargelegt: Wie sieht die Lage in den Gemeinden aus, welche Erwartungen bestehen, was ist Gottesdienst, was ist Gemeinde? Es werden empirische Daten aus der Jugendforschung vorgelegt und bewertet. Im zweiten Teil wird ein Modell vorgestellt, das mit „würdigen – entwickeln – gestalten“ umschrieben wird. Das Modell besteht aus drei Aspekten: sich an Jugendlichen orientieren, sich bewusst sein über die Bedeutung evangelischer Gottesdienstpraxis für ganz bestimmte Zeiten der Lebensgeschichte, der agendarische Sonntagsgottesdienst soll das Zentrum der Gemeinde bleiben. Der dritte Teil bietet zahlreiche praktische Anregungen für die Gottesdienstgestaltung. Im Anhang werden typische Konfirmanden ihrem Alter gemäß beschrieben. Eine Literatur- und Materialliste lädt zur weiteren Arbeit ein. Der Vorsitzende der Liturgischen Konferenz, Michael Meyer-Blanck, schreibt in seinem Geleitwort: „Die wichtigste These besteht in der Einsicht, dass die Alternative zwischen einer Heranführung an das agendarische Normalmaß oder einer Gottesdienstreform durch Konfirmandenarbeit produktiv überwunden werden sollte. Weder der Sonntagsgottesdienst noch erlebnisbezogenen Formen in „Konfi-Camps“ oder auf Freizeiten können die alleinige liturgiedidaktische Norm sein. Das Ergebnis der Projektgruppe ist darum eine Orientierungshilfe, die die Spannungsfelder mehrperspektivisch abschreitet und so zu eigenen Wahrnehmungen und Klärungen anregt. In der Tradition früherer Publikationen der LK sollen keine bloßen Ratschläge erteilt, sondern Impulse zur Wahrnehmung von jugendlichen Interessen, lebensgeschichtlichen Realitäten und ortsgemeindlichen Erwartungen gegeben werden.“ (7) Schmitt, Arno: Das Leben ist groß. Segensraum Taufe – ein Werkbuch. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 272 S., 1 CD-ROM. In Bezugnahme auf das Taufwasser wird das Buch mit Quellengängen eröffnet, die in die Sache der Taufe einführen und darüber informieren. Anschließend finden sich Taufliturgien, die bestimmten Sonntagen im Kirchenjahr zugeordnet sind: z. B. Weihnachten, Palmsonntag, Osternacht, Pfingstmontag, an Michaelis. Im mittleren Teil werden kleine Formen und besondere Taufen vorgestellt, wie z. B. Schulgottesdienst mit Taufen, Taufe eines behinderten Jungen, Tauferinnerungen, Taufe und Abendmahl am Vorabend der Konfirmation etc. Der letzte Teil bietet weiteres Material wie z. B. Gebete, Taufbekenntnisse, Tauferinnerung, Sendung, Segen etc. Die Texte sind recht klein gedruckt, weil das Buch eine überreiche Fülle an Material enthält. Simon, Evamaria und Reinhard: Ostern inszenieren. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 64 S., 1 CD-ROM. So, wie man zu Weihnachten Krippenspiele aufführt, kann man auch zu Ostern Osterspiele entwickeln. In diesem Büchlein werden ein Ostergottesdienst nach dem Johannesevangelium und ein Mysterienspiel nach dem Nikodemusevangelium angeboten. Es folgen zu beiden Osterspielen nachdenkliche und reflektierende Gedanken. Beide Gottesdienste sind ein einziges Osterspiel, in das die üblichen gottesdienst-

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lichen Elemente wie biblische Lesungen, Gebete, Predigt, Segen etc. eingeordnet sind. Welche Vorbereitungen dafür nötig sind, wird ebenfalls erwähnt, die CD-ROM bietet dafür eine Hilfe. Stock, Alex: Orationen. Die Gabengebete im Jahreskreis. Friedrich Pustet: Regensburg 2016, 102 S. Stock legt hier wieder einmal ein Büchlein mit von ihm aus dem Lateinischen übersetzten Gebeten vor. Es handelt sich um Gabengebete, mit denen Brot und Wein für die Eucharistiefeier auf den Altar gestellt werden. Jeder Sonntag hat sein eigenes Gabengebet, das nur aus einem, wenn auch meist längeren Satz besteht. Abgedruckt werden die Gabengebete sowohl in lateinischer Sprache nach dem Messbuch 1975 als auch in der deutschen Übersetzung durch Stock. Er führt zunächst in diese Art des Gebetes ein, um dann für jedes Gabengebet eine Erklärung seines Inhaltes und auch Rechenschaft über seine Übersetzungsentscheidungen zu geben. Mit Sonntagen im Jahreskreis sind jene Sonntage gemeint, die nicht auf einen „Festsonntag“, wie z. B. Ostern, fallen. Unter deinem Segen. Gebete und Segenswünsche im Kirchenjahr und für besondere Anlässe. Herder: Freiburg i. Br. 2016, 193 S. Einen Herausgeber hat dieses Buch nicht, die Rückseite des Buches teilt mit, dass die Texte von bekannten Autoren des Herder-Verlags stammen und ergänzt wurde mit Texten anderer bekannter Autoren und aus dem Gebetsschatz der Kirche. So sind die Texte jedem Tag der Woche für Tagesbeginn, -mitte und -ende zugeteilt worden, weitere Texte dem Lauf des Jahres, wobei sich Kirchenfeste und Jahreszeiten abwechseln, zum Schluss folgen Lebenslagen wie z. B. Freundschaft, Beziehung, Liebe, Dank und Freude, Trauer und Trost. Wahl, Stephan: Ungehobelte Gebete. Echter: Würzburg 2016, 103 S. Ungehobelt sind diese Gebete, weil sie so formuliert worden sind, wie einem ‚der Schnabel gewachsen‘ ist. Die Gebete werden nach Situationen, Anlässe und Zeiten geordnet. Themen sind z. B.: Gebet für einen unausstehlichen Kollegen; Meine Tochter ist lesbisch, Bettler in der Fußgängerzone; Vor einem Vorstellungsgespräch, Gebet zur Trennung; Schlecht geschlafen, Gebet am Lenkrad. Weiß, Thomas: Werkbuch Schulgottesdienste. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2016, 256 S., 1 CD-ROM. Im Vorwort betont Weiß, dass es sich bei den vorgelegten Schulgottesdienstentwürfen um einfache Schulgottesdienste handelt – aber nicht in dem Sinn, dass das Wesentliche von Glauben und Kirche im schulischen Kontext verloren geht, sondern in dem Sinne, dass es in einfacher Weise herausgestellt wird. Denn die Entwürfe sind gedacht für die Grundschule und für die Klassen 5 und 6 weiterführender Schulen. Einfach ist aber auch die Vorbereitung dieser Gottesdienste mit Schulklassen, es soll dafür nur eine Schulstunde Zeit verwendet werden, denn die Entwürfe sind ja ‚fertig‘. Die Gottesdienste sollen etwa 30 Minuten dauern; es werden Entwürfe zum Schuljahresanfang und -ende, für das Kirchenjahr und für Wochengottesdienste zu Zeichen, Symbolen und Themen vorgelegt.

Deutsche Pastoren im lettischen Raum: die Übersetzung des geistlichen Liedes ins Lettische im 16. und 17. Jahrhundert  Māra Grudule

Der vorliegende Artikel bietet eine Einsicht in die lettischen lutherischen und katholischen Gesangbücher im Kontext der Kulturgeschichte des Baltikums im 16. und 17. Jahrhundert. In dieser Zeit sind die meisten geistlichen Lieder ins Lettische übersetzt worden – vor allem aus dem Deutschen, aber einige auch aus dem Schwedischen und Polnischen. Bei Betrachtung des gesamten Textkorpus wird die Aufmerksamkeit vor allem den Besonderheiten der Übersetzung gewidmet. Die geistlichen Lieder sind fast nie genau und wortgetreu aus dem Original ins Lettische übersetzt worden. Die Übersetzer – die in den lettischen Gemeinden dienenden deutschen Pastoren – haben erstens mit der Notwendigkeit gerechnet, dass die Lieder den deutschen Melodien, gleichzeitig aber auch den Besonderheiten der Form und nicht selten auch dem Wohlklang des Originals angepasst werden sollen, und dass zweitens auch der lettischen geistigen Welt und Spezifik der Sprache Rechnung getragen werden sollte: In den Liedertexten sind sowohl die Reduplikationen und Phraseologismen als auch die Elemente der Volkskultur verwendet worden. Diesen beiden Aspekten ist der Hauptteil des Artikels gewidmet, und im Abschluss wird auf die Rezeption der geistlichen Lieder in den lettischen Gemeinden eingegangen.

1. Historischer Kontext Im 13. Jahrhundert, während der Kreuzzüge, wurde das Territorium Lettlands dem deutschen Orden und den Bischöfen untergeordnet. Die deutsche Dominanz im wirtschaftlichen und kulturellen Leben blieb unabhängig von der territorialen Zugehörigkeit bis Anfang des 20. Jahrhundert erhalten. Der deutsche Orden eroberte die Länder, festigte dort seine Positionen, was die Unterwerfung und allmähliche Christianisierung der einheimischen lettischen Bevölkerung bedeutete. Auf dem Lande bildete sich dadurch eine breite Schicht von Bauern, die direkt von den deutschen Grundbesitzern abhängig waren, in den Städten entstanden die Schichten der Handwerker und Unvermögender. Die Standesgesellschaft, in der die Standesgrenzen auch nationale Grenzen bedeu-

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teten, blieb bis zum 19. Jahrhundert – bis zum nationalen Erwachen des lettischen Volkes – erhalten. Das Territorium des heutigen Lettlands bilden drei ethnographische Gebiete, dabei hat jedes von diesen eine eigene Geschichte. Das sind: Vidzeme (Livland, Livonia), Latgale (Lettgalen) und Kurzeme (Kurland, Kuronia, Courland). In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehörten alle drei Gebiete dem Livonischen Orden. Schon Anfang 1520 erreichten die Ideen der Reformation das Baltikum, und die Reformation konnte ihre Positionen festigen – zuerst in Riga, später verbreiteten sich diese Ideen auch in Kurzeme und Vidzeme. Als die Klöster und Kirchen unter den Einfluss des Protestantismus kamen, entstanden die ersten Gemeinden, die nach sprachlichem Prinzip differenziert waren – deutsche bzw. lettische Gemeinden. Die neuen protestantischen Ideen festigten sich zuerst in der deutschen Gesellschaft. Die Stammbevölkerung, besonders die auf dem Land, betraf das weniger oder überhaupt nicht. Mitte des 16. Jahrhunderts, nach dem Zerfall der Baltischen Besitzungen des Deutschen Ordens wurden alle Länder Polen-Litauen unterworfen. Kurzeme wurde ein Vasallenstaat von Polen-Litauen und behielt das Recht, bei dem während der Reformation angenommenen Luthertum zu bleiben. Auch in Vidzeme blieb dieses erhalten. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, gleichzeitig mit dem neuen Verwaltungssystem der Großmacht Polen-Litauen, kamen die Jesuiten nach Vidzeme, Kurzeme und Latgale. 1583 wurde in Riga das Jesuitenkollegium gegründet. Die Jesuiten regten Reformen des Bildungssystems an und initiierten die Eröffnung der ersten Druckerei in Riga 1588. Die Tätigkeit der Jesuiten unter der Bevölkerung war rege, sie wurden als Vertreter der christlichen Lehre und seit diesem Zeitpunkt als Verbreiter des Katholizismus aufgefasst. Anfang des 17.  Jahrhundert, während des polnisch-schwedischen Krieges wurde Vidzeme in die Großmacht Schweden integriert. Kurzeme wurde Herzogtum und Vasallenstaat unter Polen-Litauen, und Latgale wurde eine Provinz der Großmacht Polen-Litauen. Also gewann der Protestantismus Oberhand im Herzogtum Kurzeme und im Territorium von Vidzeme, das damals zu Schweden gehörte, und konnte so seine Positionen unter der lettischen Bevölkerung festigen. Die Jesuiten aber gingen nach Latgale zurück und gründeten 1630 ihre Residenz in Daugavpils (Dünaburg). Die selbstständige Tätigkeit des Jesuitenordens in Latgale war aktiv und wurde bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert fortgesetzt. Die Geschichte der lettischen geistlichen Lieder im 16. und 17. Jahrhundert war vor allem mit den lutherischen und weniger mit den katholischen Liedern verbunden. Infolge der Reformation entstanden in Riga schon in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts die ersten lettischen und deutschen Gemeinden, in denen deutsche Pastoren dienten. Die Notwendigkeit, die Gottesdienste in der Sprache der Gemeindemitglieder durchzuführen, war der Grund dafür, dass die Ordnung des Gottesdienstes, die Predigten und geistliche Lieder in lettischer Sprache abgefasst werden sollten. Die deutschen Pastoren schufen aufgrund der in Riga gesprochenen lettischen Sprache eine Schriftsprache, in der vieles dem Muster des

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Deutschen entsprach, auch die deutschen Buchstaben – zu dem Zeitpunkt war das die gotische oder Frakturschrift. Die von den Deutschen geschaffene lettische Schriftsprache wird als deutsch-lettische Hybridsprache bezeichnet, sie unterschied sich etwas von der gesprochenen Sprache und wurde als geschriebene Sprache bis Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet.

2. Die Zugehörigkeit der Letten zur christlichen Kirche und die Geschichte der lettischen Gesangbücher Obwohl die Zeugnisse über die Christianisierung der Letten weit ins Mittelalter reichen, kann eine genaue Vorstellung darüber hauptsächlich nur in Bezug auf die Rigaer Letten gemacht werden. Sie gehörten schon seit dem 14. Jahrhundert verschiedenen Bruderschaften an und besuchten daher regelmäßig mehrere Rigaer Kirchen1. Es kann angenommen werden, dass auf diese Zeit die ältesten geistlichen, in lettischer Sprache verfassten Lieder zu beziehen sind, die die Letten, ähnlich wie andere europäische Christen, außerhalb der Messe in ihrer eigenen Sprache gesungen haben. Leider gibt es keine dokumentarischen Belege über die Existenz dieser Lieder. Im Zeitalter der Reformation – schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts  – wurden die ersten lutherischen Lieder für die Gottesdienste ins Lettische übersetzt. Die ältesten bis heute erhaltenen lutherischen Gesangbücher stammen leider nur aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, nämlich das Gesangbuch für die lettischen Gemeinden in Kurzeme von 15872 und das Gesangbuch für die lettischen Gemeinden Riga und Vidzeme von 1615. 3 Allerdings gibt es Zeugnisse, dass einige Lieder schon früher veröffentlicht worden sind4. Zu dieser Zeit und auch bis Ende des 18. Jahrhunderts wurde in manchen Quellen der Begriff „Undeutsche“ für die einheimische Bevölkerung – in Kurzeme und Vidzeme für die Letten  – gebraucht5. Die Bauern wurden als intendierte Adressaten und Benutzer benannt. 1621 erscheint auch das lettische katholische

1 Arbusow, Leonid: Studien zur Geschichte der lettischen Bevölkerung Rigas im Mittelalter und XVI. Jahrhundert. In: Latvijas augstskolas raksti 1 (1921), 76–100; Ders.: Kirchliches Leben der Rigaschen Losträger im 15. Jahrhundert. In: Latvijas augstskolas raksti 6 (1923), 183–224; Strenga, Gustavs: Remembering the Dead: Collective Memoria in Late Medieval Livonia, Doctoral Thesis. Manuskript. London 2013. 2 Vndeudsche Psalmen vnd geistliche Lieder oder Gesenge, welche in den Kirchen des Fürstenthums Churland vnd Semigallen in Liefflande gesungen werden. Königsberg 1587. 3 Psalmen vnd geistliche Lieder oder Gesenge, welche in der Kirchen Gottes zu Riga vnd anderen örtern Liefflandes mehr in Lieffländischer Pawrsprache gesungen werden, Dem gemeinen Haußgesinde vnd Pawren zu erbawung nutz vnd fromen. Riga 1615. 4 Vanags, Pēteris: Luterāņu rokasgrāmatas avoti. Vecākā perioda (16.gs.–17.gs.sākums) latviešu teksti. Stokholma / Rīga 2000. 5 Lenz, Wilhelm: Undeutsch. Bemerkungen zu einem besonderen Begriff der baltischen Geschichte. In: Forschungen zur Baltischen Geschichte 7 (2012), 169–184.

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Gesangbuch6 , seine wiederholte Auflage erscheint 16737. Es bleibt das einzige lettische katholische Gesangbuch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Der stilistisch einprägsame Text und die relativ gute, der gesprochenen Tradition nahestehende Sprache lassen annehmen, dass es sich dabei um christliche Lieder älterer Herkunft handeln könnte. Die ersten lettischen lutherischen Gesangbücher stützen sich ihrem Inhalt nach auf das Rigaer deutsche lutherische Gesangbuch8 und diese Nähe bleibt bis Ende des 17. Jahrhundert erhalten. Schon im 16. Jahrhundert und Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Texte Martin Luthers, seiner Mitkämpfer Lazarus Spengler, Paul Speratus, Erasmus Alber, Paul Eber sowie die der ersten Autorin lutherischer geistlicher Lieder Elisabeth Cruciger (auch Kreuziger) ins Lettische übersetzt. Charakteristisch für sie sind eine helle Stimmung, Hoffnung auf den neuen protestantischen Glauben, der die Menschen Gott näherbringt und die Gemeinschaftsgefühle in der Gemeinde stärkt. In der Mitte und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts machen sich in den Liedern persönliche Erlebnisse, Frömmigkeit und ein dadurch geschaffenes Hochgefühl bemerkbar. Die Texte werden subjektiver, ihr Ausdruck wird vielseitiger, eine immer größere Rolle spielt die Natur, dabei dominiert ihre allegorische Bedeutung. Das Gesangbuch wird um die Rubriken „Morgen- und Abendlieder“ ergänzt. In dieser Zeit werden die Lieder von Bartholomäus Ringwaldt, Johann Heermann, Martin Moller, Johann Leon, Martin Behm, Valerius Herberger und Martin Rinckart ins Lettische übersetzt. Nicht ohne Aufmerksamkeit bleibt die lokale deutsche literarische Tradition – schon in den ersten Sammlungen sind die Originalarbeiten der Rigaer Reformatoren in lettischer Sprache und ihre Nachdichtungen, z. B. die Lieder von Andreas Knopken (auch Knöpken, Knopius, ­1468–1539) und­ Johann Eck (auch Ecke, von Ecken? gestorben um 1552) zu finden. Wie der Erforscher der Geschichte des lettischen Buchwesens Aleksejs Apīnis schreibt, ist schon in den ersten lettischen Gesangbüchern eine „Renaissance-Mentalität“ zu beobachten: „eine außerordentliche Pietät vor der geistigen Welt des Menschen ist eines der wesentlichsten Merkmale des frühen Protestantismus […]. Letztendlich lassen sich auch die Ansätze des kommenden Kulturtyps – des BarockDenkens – feststellen: gesteigerte Emotionalität, Hang zum üppigen Ausdruck“.9 6 Geistliche Catholische Gesänge / von guthertzigen Christen / auß den Lateinischen / Teutschen / vnd Polnischen Psalmen / vnd Kirchengesängen in Unteutsche sprach gebracht. Jetzt aber mit vielen schönen Liedern vermehret vnd in Druck verfertiget Durch Societet IESV. Braunsberg 1621. 7 Cantiones Spirituales ex Latinis, Germanicis & Polonicis translatae in idioma Lothavicum, additis pluribus. Per P.Georgium Elger è Societate JESV. Vilnius 1621. 8 Kurtz Ordnung des Kirchendiensts Sampt eyner Vorrede von Ceremonien / An den Erbarn Rath der löblichenn Stadt Riga ynn Liefflandt. Mit etlichen Psalmen / vnd Götlichen lobgesengen die yn Christlicher versamlung zu Riga ghesungen werden. Rostock 1530. 9 […] „ārkārtējā uzmanība pret cilvēka iekšējo pasauli ir viena no būtiskākajām iezīmēm agrīnajā protestantismā […].Visbeidzot, pavīd arī nākamā kultūras tipa – barokālās domāšanas – iedīgļi […]  – sakāpinātā emocionalitāte, tieksme uz pārbagātu izteiksmi“ Zitiert und übersetzt nach: Apīnis, Aleksejs: Pirmā latviski Rīgā iespiestā grāmata kā literāra problēma. In: Bibliotēku zinātnes aspekti. Daiļliteratūra grāmatniecībā. Rīga 1991, 21.

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Die Merkmale der Spätrenaissance und des Barocks kommen noch deutlicher in dem ersten lettischen katholischen Gesangbuch zum Ausdruck (1621). Davon zeugen der stark ausgeprägte künstlerische Ausdruck und die Form, die vielseitigen Reime und die Verwendung der Elemente des Wohlklangs sowie die ambrosianischen und sapphischen Strophen. Auch in diesem Gesangbuch ist die lokale deutsche Tradition vertreten  – darin finden wir ein Lied des Bischofs Otto Schenking (um 1554–1637).10 Vermutlich ist es deswegen geschehen, weil während seiner Amtszeit am 4.  März 1611 die Synode einberufen wurde, die den Beschluss über die Zusammenstellung und Veröffentlichung des ersten lettischen katholischen Gesangbuches fasste.11 In der lettischen Lyrik festigten sich die Traditionen des deutschen Barocks zur Mitte und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter dem Einfluss des 1664 in Riga veröffentlichten deutschen Gesangbuches,12 in dessen Einleitung sein Herausgeber Johannes Brever (1616–1700) auf die Prinzipien der Poetik von Martin Opitz hinwies. Mit diesem Gesangbuch kam eine Reihe von Barocklyrikern ins Baltikum, die in dem deutschsprachigen Raum schon populär waren: Simon Dach, Paul Gerhardt, Paul Fleming, Gottfried Wilhelm Sacer, Benjamin Prätorius, Georg Lilien u. a. Im Zeitalter des Barocks wurde aktiv an der Sprache gearbeitet. Es erschienen die ersten lettischen Wörterbücher und Grammatiken.13 Der Kurländer Christoph Fürecker (1615–1685?)14 stellte fest, dass im Lettischen trotz Ausnahmen die erste Silbe betont wird.15 Beim Übersetzen der deutschen Lieder ins Lettische war es dadurch möglich, rhythmische und den deutschen Melodien entsprechende Texte zu schaffen. Schon Ende des 17. Jahrhunderts erkannte der Pastor Johann Wischmann (gestorben 1705):

10 Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 42. 11 Julijans Kardināls Vaivods. Katoļu baznīcas vēsture Latvijā. Kristīgās baznīcas vēsture­ senajā Livonijā. Latvijas rekatolizācija. Rīga 1994, 282. 12 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch. Riga 1664. 13 Mancelius, Georg: Lettus. Das ist Wortbuch. Riga 1638 (das Exemplar dieses Wörterbuches: Akademische Bibliothek der Universität Lettlands, Abteilung für Rara, Nr. 16807); Rehehusen, Johann Georg: Mandvctio ad Lingvam Lettonicam facilis & certa, monstrata. Riga 1644; Elger, R. P. Georg: Dictionarium Polono-Latino-Lottauicum. Opus posthumum. Vilnius 1683; Adolphi, Heinrich: Erster Versuch Einer Kurtz-Verfasseten Anleitung Zur Lettischen Sprache. Mitau 1685. 14 Von seinem Zeitgenossen Heinrich Adolphi in der Einleitung des lettischen Gesangbuchs (1685) ist er Christophorus Füreckerus genannt; auch Christophorus Fürecker in: Tetsch, Carl Ludwig: Curländischer Kirchen=Geschichte. Dritter Theil. Königsberg und Leipzig 1770, 154. Weder sein Geburts- noch sein Todestag, weder sein Geburts- noch sein Grabort sind bekannt. Vgl.: von Recke, Johann Friedrich / Napiersky, Karl Eduard: Allgemeines Schriftstellerund Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Erster Band, A-F. Mitau 1827, 622. 15 Adolphi, Heinrich: Erster Versuch Einer Kurtz-Verfasseten Anleitung Zur Lettischen Sprache (s. Anm. 13). Über Füreckers Materialien darin: Draviņš, Kārlis: Christophor Füreckers, Adolphis und anderer Anteil an der lettischen Grammatik vom Jahre 1685. In: Ders.: Altlettische Schriften und Verfasser 1 (1965), 105–112.

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auff jambisches Genus sind meist alle die Lieder gemacht, die aus den Teutschen gewöhnlichen Kirchen=Oden ins Unteutsche Metricè und Rythmicè sind übersetzet worden.16

In einem solchen Fall kam das erste einsilbige Wort zu dem zweiten. So etablierte sich in den lettischen geistlichen Liedern der syllabotonische Versbau. Fürecker übersetzte und verfasste auch selbst fast 180 rhythmische, lettische geistliche Lieder. Ihm folgten seine Zeitgenossen Gerhard Remling (1633–1695) und Nikolaus Hespe (gestorben 1699). Mit dem Barock wurden nicht nur neue Motive thematisiert, indem vanitas, carpe diem und memento mori besonders betont wurden, sondern Wohlklang, Ausdruck und Form der Texte wurden große Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht umsonst waren die besten Nachdichter der geistlichen Lieder auch hervorragende Sprachwissenschaftler, die in der zweiten Hälfte des 17.  Jahrhunderts und Anfang des 18.  Jahrhunderts tätig waren; sie sind die Autoren der ersten lettischen Grammatiken und Wörterbücher. Unter Beibehaltung der Grundideen der deutschen Originale rechneten sie in ihren Nachdichtungen mit ihren Adressaten – den Letten, indem sie darin die lettische geistige Welt berücksichtigten und die Phraseologie, die Formen der Volkslieder und einzelne Elemente der bäuerlichen Kultur synthetisierten. Bei Betrachtung der lettischen Lyrik bemerkte und popularisierte Wisch­ mann die mögliche Anwesenheit der Prinzipien der deutschen Poetik. Diese Betrachtungen können als die erste lettische Lyriktheorie aufgefasst werden. Unter dem Titel „Der Unteutsche Opitz“ erschien sie 1697 in Riga und wurde Inspirationsquelle und ABC der Poetik für weitere Generationen der auf dem Gebiet der Poesie tätigen Deutschbalten. Sowohl Wischmanns Arbeit als auch Füreckers meisterhaftes Beispiel fanden eine Reihe von Nachfolgern, und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert wurde unter den Pastoren der lettischen Gemeinden das Nachdichten der geistlichen Lieder zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung, die nicht nur auf Erbauung, sondern auch auf Spaß und Wettbewerbsgeist zurückzuführen ist. Sonst dürfte es schwerfallen, die vielen Übersetzungsvarianten ein und desselben deutschen Liedes zu erklären. Am stärksten kommt die deutsche Tradition des Barocks um die Wende des 17.  und 18.  Jahrhunderts in den lettischen lutherischen Gesangbüchern von Kurzeme sowie von Vidzeme zum Ausdruck. Auch ihre Zahl nimmt zu: Von 1685 bis 1711 wurden elf lettische Gesangbücher herausgegeben. Das war die sogenannte Schwedenzeit, in der man bemüht war, das wirtschaftliche Leben in Ordnung zu bringen sowie die Bildungsreform durchzuführen. Es wurde per Gesetz festgelegt, dass auch die Bauernkinder die Schule besuchen müssen. Sehr langsam, aber doch allmählich nahm die Zahl der Lesekundigen zu. In den Gesangbüchern gab es Titelblätter und Einleitungen in lettischer Sprache statt der früheren deutschen Titelblätter und Inhaltsverzeichnisse, auch der Inhalt wurde vielfältiger. Gleichzeitig mit dem von verschiedenen Autoren über 16 Wischmann, Johann: Der Unteutsche Opitz oder kurze Anleitung zur Lettischen Dicht= Kunst. Riga 1697, 39.

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setzten und verschiedene Epochen umfassenden lettischen Gesangbuch wurden zwei von Pastoren übersetzte Werke herausgegeben. So enthält die Beilage der schon erwähnten Poetik Wischmanns eine Auswahl geistlicher Lied-Übersetzungen, darunter ein Lied Paul Flemings in lettischer Sprache17 sowie selbstverfasste Texte. Diese Beilage von Wischmann fand Anerkennung: Die lettische Gemeinde sammelte Spenden und erreichte, dass die Auflage, ergänzt durch 100 neue, von Wischmanns Zeitgenossen, dem kurländischen Pastor Bernhard Wilhelm Bienemann übersetzte Lieder,18 wiederholt erschien. Das war das erste Buch, dessen Herausgabe die Letten selbst finanziert hatten, und das erste Gesangbuch, in dem nur deutsche Dichter des Barocks Simon Dach, Paul Gerhardt, Johann Rist u. a. zu finden waren. Diese Ausgabe war sehr populär – bis auf den heutigen Tag ist nur ein Exemplar in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen erhalten geblieben. Fast gleichzeitig mit dieser Ausgabe wurde 1711 das erste Gebet-, Lieder- und Handbuch für die Frauen „Garīga pērļu rota“ publiziert – eine Übersetzung des populären deutschen Buches „Geistlicher Perlen-Schmuck“ (1667) von Johannes Cundisius. Das 8.  Kapitel der lettischen Ausgabe enthielt ein seinem Umfang nach kleines Gesangbuch, dass sich vom deutschen Original unterschied. Darin waren nicht nur die Übersetzungen von Cundisius, sondern auch die ersten aus dem Schwedischen übersetzten Lieder enthalten. Der Übersetzer des „Geistlichen Perlen-Schmucks“ ist der deutsche Pastor Svante Gustav Dietz (1670–1723), in der lettischen Literatur ist er mehr bekannt durch seine Übersetzungen von mehr als 200 geistlichen Liedern, darunter auch die Lieder seines Zeitgenossen Gustav von Mengden (1625–1688), des Gutsherrn, Dichters und Komponisten in Vidzeme. Um die Wende vom 17.  zum 18.  Jahrhundert waren die geistlichen Lieder der bekanntesten deutschen Barockdichter schon ins Lettische übersetzt. Das Zeitalter des Barocks dauerte in der lettischen Lyrik bis Mitte des 18. Jahrhunderts, als es allmählich von der Aufklärung abgelöst wurde und die deutschen Pastoren die üppigen und blumigen Texte revidierten. Den Anfang des neuen Zeitalters machte 1754 das Gesangbuch von Kurland,19 das sich sowohl in der Aufmachung als auch inhaltlich von der alten Tradition wesentlich unterschied.

17 In allen meinen Taten / „Es Dievam lieku gādāt“. In: Wischmann, Johann: Der Unteutsche Opitz oder Kurze Anleitung Zur Lettischen Dicht=Kunst. Riga 1697, 185–187. 18 Mežmuižas un Kukuru draudzu dziesmu grāmatiņa, kurā simts it jaunu un latviskā valodā nekad redzētu dziesmu ir vēl citās šīs zemes dziesmu grāmatās nemanītas, atrodamas, Dieva goda un ticīgu siržu prieka pēc sagādāta. Mitau 1714. 19 Kurzemes jauna un pilnīga dziesmu grāmata, kurā sešsimts un četrdesmit garīgas jaukas un daudz no jauna sataisītas dziesmas, kā arī lūgšanu grāmata uz visiem laikiem, svētām dienām, un ikviena cilvēka vajadzības. Königsberg 1754.

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3. Zur Übersetzung von geistlichen Liedern 3.1 Formale Beziehungen zwischen Original und Übersetzung In den Übersetzungen sowohl der katholischen als auch der lutherischen Lieder ist die Strophenzahl des Originals beibehalten worden. Es gibt nur drei Lieder, denen die Übersetzer neue Strophen hinzugefügt haben. Das sind katholische Lieder, alle aus dem Polnischen übersetzt. Das erste Lied Rozmyślajmy dziś, wierni chrześcijanie / Apdomājiet šodien, visi kristīti ļaudis [Überlegt heute alle christlichen Leute] ist eine Paraphrase des Jesuiten Jakob Wujek (1541–1597) über ein altes Lied aus dem 15. Jahrhundert aus einem Zyklus über die Kreuzigung Jesu. Wujek hat das Lied in 13 sapphische Strophen umgedichtet. In der lettischen Übersetzung sind noch drei Strophen hinzugefügt. Das Lied wurde Anfang des 17. Jahrhundert in Lettisch veröffentlicht, als die Letten die christliche Lehre noch auf mündlichem Weg durch das Hören auffassten. Walter J. Ong weist darauf hin, dass das Auffassen des Inhalts durch mnemotechnische Mittel erleichtert wird. Dazu gehören: ein bestimmter Rhythmus, einfache Form, klarer Inhalt, Epitheta, Metaphern, Assonanz, Alliteration, Wiederholungen, Gegensätze sowie leicht in Erinnerung bleibende Phrasen und Sprichwörter. 20 Gegenüber dem polnischen Original gibt es in dem lettischen Lied noch mehr Epitheta, Metaphern und Wiederholungen, wodurch eine größere Expressivität erreicht wird. So entsteht ein bleibendes visuelles Bild, das durch die drei hinzugefügten, auf dem Neuen Testament basierenden Strophen weiter verstärkt wird. Darin werden Christi Leiden geschildert. In einer dieser Strophen verlangen seine Verspotter von ihm, dass er vom Kreuz herabsteigen soll. 21 Durch dieselbe Episode ist noch ein anderes aus dem Polnischen übersetztes Lied ergänzt worden. 22 Offenbar lag diese Szene den Pastoren besonders am Herzen. In einem der aus dem Polnischen übersetzten Lieder über das Fronleichnamsfest Twoia cʒesć chwala / O Kungs, pirmāk būs tai pasaulei pazust [Oh, Herr, zuerst soll die Welt verschwinden] gibt es fast die gleichen Zeilen zweimal – sowohl am Anfang als auch am Ende. Darin ist eine Verallgemeinerung und Mahnung enthalten, dass die höhere geistliche Macht über allen Zeiten steht, das sündhafte und kurzzeitige irdische Leben aber vergänglich ist. 23

20 Frei zitiert nach: Ong, Walter J.: Oralität und Literarität. Die Technologisierung des Wortes. Opladen 1987, 40. 21 Tie galvu kratīdam to ir apsmējuš: / Tu mācēj vesel darīt citus ļaudis, / Ja tu es Dieva dēls, kāp no krusta zemē, / Un parādi kād’ zīme. [Ihre Köpfe schüttelnd lästerten sie über ihn: / du konntest andere Menschen gesund machen, / Wenn du Gottes Sohn bist, steig herab vom Kreuz, / Und gib ein Zeichen]. In: Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 82. 22 Płaczy dzisia/ „Apvaidat visi kristīti ļaudis“ [Beweinet, alle christlichen Leute], ebd., 67. 23 Tapēc pirmāk būs tai pasolu’ pazust,/ Ekam no touv’ slav’ mese mēl’ pekust [Deswegen soll auch zuerst die Welt verschwinden / Bevor unsere Zunge dich lobend müde wird], ebd. 138 f.

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Um den Rhythmus des Originals genau wiederzugeben, gehen einige Übersetzer den leichteren Weg – sie lassen die Endungen der lettischen Wörter weg. Wegen der vielen Apostrophe fallen diese Lieder gleich ins Auge. Das finden wir bei Johann Ottonis (gestorben 1679). Seine Übersetzungen haben ihre Zeit nicht überdauert, und schon Anfang des 18. Jahrhundert wurden sie in die lettischen Gesangbücher nicht mehr aufgenommen. Zur Illustration eine Strophe aus dem Lied von Paul Eber Helft mir Gotts Güte preisen in Ottonis’ Übersetzung: Helfft mir Gotts Güte preisen

O krustiet ļaudis nākam [Oh, christliche Leute, wir kommen!]

Lehr=amt / schul / kirch erhalten In gutem fried und ruh: Nahrung für jung und alten Bescheret auch darzu Und gar mit milder hand Sein güter außgespendet Verwüstung abgewendet Von dieser stadt und land. 24

Dievs uzturēj’ sav’ vārdu Un svēt’ iestādīšan’ Caur Dieva rok’ un darb’ Stāv mierīg’ valdīšan’ Un karam nebūs vaļ’ Mūs’ zem’ un pil’ izpostīt, Virs ceļ’ tos ļaudis gūstīt, Tie vaidniek’ paliks tāl’. 25 [Gott hat sein Wort gehalten / und die heilige Taufe;/ Durch Gottes Hand und Werk / Steht die Herrschaft / Und den Krieg wird es nicht geben / der unsere Länder und Städte zerstört /  Und die Bösen, die die Leute auf dem Weg gefangen nehmen / Die bleiben weit von uns.]

Es ist leicht zu bemerken, dass Ottonis Übersetzung auch inhaltlich stark von dem deutschen Original abweicht. Fast gleichzeitig mit Ottonis übersetzt auch Fürecker das Lied. Auch er erwähnt die Schulen und das Lehrahmt nicht. Die Idee von Bildung reduziert Fürecker bloß auf die christliche Lehre: Mums skaidri mācīts kļuvis / Tas svētais Dieva vārds [Uns klar gelehrt war / Das heilige Wort Gottes]. 26 Beide, Fürecker und Ottonis, sind Kurländer. Ihre Übersetzungen spiegeln die Bildungssituation der Letten im Kurzeme des 17. Jahrhunderts wider, als fast alle lettischen Bauern Analphabeten waren. Noch 1776 schreibt der Theologe und Aufklärer Gotthard Friedrich Stender: „In Livland gibt es Schulen bei fast allen Kirchen. Wie ist es in Kurland? – Die Tränen kommen, wenn man das erwähnt“. 27 24 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 20. 25 Mancelius, Georg / Fürecker, Christoph: Lettische Geistliche Lieder Und Psalmen. Riga 1685, 35. 26 In Füreckers Übersetzung: Mums skaidri mācīts kļuvis / Tas svētais Dieva vārds / Uns klar gelehrt war / Das heilige Wort Gottes. In: Adolphi, Heinrich (Hg.): Lettische Geistliche Lieder und Collecten […] Theils vormahls von dem […] Herrn Georgio Mancelio […] aus dem Teutschen übersetzet / theils hernach von […] Christophoro Fürecker […] in wol-lautende Reime verfasset / und […] vermehret. Mitau 1685, 26. 27 Vidzemē pie visām baznīcām skolas iraid. Bet kā tas ir Kurzemē? – Asaras birst to minēt. In: Stenders, Gothards Frīdrihs. Tās kristīgas mācības grāmata tiem latviešiem par svētu izskaidrošanu sarakstīta no Sērpiles un Sonakstes baznīckunga Stender. Aizpute 1776, 6.

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Gleichzeitig mit der genauen Wiedergabe der deutschen Originalform kommen verschiedene in Westeuropa populäre Strophen in die lettische Lyrik  – Alexan­driner, Sapphische Strophe, Eteostichon und Akrostichon. Wie schon erwähnt, sind die ersten Lieder in der Sapphischen Strophe 1621 in lettischer Sprache in dem katholischen Gesangbuch veröffentlicht worden. Eines von diesen ist das schon genannte Lied von Jakub Wujek, ein anderes ist eine freie Übersetzung aus zwei deutschen Liedern, in denen der Tod, das Jüngste Gericht, Paradies und Hölle thematisiert werden. 28 Es besteht aus 49 Strophen und betrachtet das Menschenleben, blickt auf die Versuchungen durch weltliche Güter und menschliche Leidenschaft zurück, erinnert an die Unvermeidlichkeit des Todes und Jüngsten Gerichts, macht Angst vor Qualen in der Hölle und belehrt: sündige nicht, sei bereit schon heute zu sterben. 29 Helmut Husenbeth weist darauf hin, dass die katholischen Priester diese Texte als didaktisches Mittel einsetzen. Die Ausmalung der Höllenstrafen sollten der Abschreckung und somit der Disziplinierung dienen.30 Bisweilen gingen die Autoren sehr drastisch vor und beschrieben die Qualen in allen Einzelheiten und mit allen sensorischen Komponenten.31 Als Beispiel diene ein Lied von den Vier Letzten Dingen aus dem Jahr 1621. Mit seinen Reduplikationen, Alliterationen und Assonanzen ist es stilistisch gut gemacht: Ar smarkoņiem smarkoņi, ar bargiem bargi, Iekšan elles versmes tupēs: par dusmību Savu pašu miesu krimten krimtīs ar zobiem, Dievu lādēdam.32 [Mit den Stinkenden Stinkende, mit den Bösen Böse / Werden sie in der Höllenglut hocken: Aus Zorn / Werden sie an ihrem eigenen Leib mit Zähnen nagen / Und Gott verfluchen].

Ins Lettische sind auch fünf deutsche lutherische Lieder in sapphischer Odenstrophe übersetzt worden. Als erste ist die Übersetzung des Liedes Wend ab deinen Zorn, lieber Gott, aus Gnaden (anonym, Ende 16. Jahrhundert) schon Anfang des 17. Jahrhundert veröffentlicht worden, aber der Übersetzer Georg Mancelius (1593–1654) hatte die Form nicht adäquat wiedergegeben. Dieses Lied übersetzte Christoph Fürecker noch einmal, diesmal in sapphische Strophen. Er korrigierte und verbesserte die ungeschickte Sprache und passte den Reim dem deutschen Original an:

28 O Liebe Seel wenn du vom Leibe scheidest und: Wie unglückselig ist die arme Seele. 29 Viena dziesma no tām četrām pēdīgām lietām [Ein Lied von den vier letzten Dingen]. In: Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 180–189. 30 Husenbeth, Helmut: Es ist ein Schnitter heißt: der Todt. Sterben, Tod und Auferstehung im geistlichen Lied des 17. Jahrhunderts (Koblenz-Landauer Studien zu Geistes-, Kultur- und Bildungswissenschaften 2). Trier 2007, 200. 31 Garstein, Oskar: Rome and the Counter-Reformation in Scandinavia. Jesuit educational strategy 1553–1622. Leiden / New York etc. 1992, 54–59. 32 Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 187.

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Wend ab deinen Zorn

Atjem Tavu dusmību [Entwende deinen Zorn]. Mancelius, 1631

Ņem no mums tavas dusmas [Nehme von uns deinen Zorn fort]. Fürecker, 1685

Wend ab deinen zorn, lieber GOTT, mit gnaden Und laß nicht wühten deine blutige ruhten Richt uns nicht streng nach unsern missethate Sondern nach güte.33

Atjem tavu dusmibu, mīļais Dievs, ar lēnību Un neliec bargot tavu asiņainu rīksti, Nesodi mums bargi pēc mūsu nopelnu, bet ar žēlastību.34

Ņem no mums tavas dusmas, Dievs, tik dārgas, Par tavu asins rīksti ikviens laid sargās, Tos grēkus piedod, žēlo tavu draudzīt, To gribi saudzīt.35

[Wende ab deinen Zorn, lieber Gott, mit Sanftmut / Und prügele nicht mit deiner bluti­ gen Rute,/ Bestrafe uns nicht streng nach unserem Verdienst, / Sondern mit Gnade.]

[Wende ab deinen so gnädigen Zorn von uns, Gott,/ Vor deiner blutigen Rute soll sich jeder hüten, / Vergib die Sünden, zeige die Gnade deiner Gemeinde und schone sie.]

Fürecker übersetzte auch das Lied Herzliebster Jesu von Johann Heermann. Im deutschen Original handelt es sich um das Gespräch eines Sünders mit Jesus. Fürecker hat in den ersten Strophen die Pluralform wir verwendet und die Aufmerksamkeit auf die persönliche Entscheidung gelenkt. Nur nach und nach folgt der Übergang zum Monolog des Individuums. Aufgrund der Reduplikationen ist der lettischen Übersetzung Wohlklang verliehen und auch eine größere Aufmerksamkeit auf Christus Leid gelenkt worden. Mit Hilfe der Allegorien hat Fürecker seine Übersetzung der bäuerlichen Lebensauffassung nähergebracht. Herzliebster Jesu

Ak, taisnais Jēziņ [Oh, gerechtes Jesulein]

6. Ich war von fuß auff voller schand und sünden,

6. Kur man bij kokam labam būt un zaļam; Tur es pilns grēku līdz pat kāju galam, Par to bij mūžam gruzdēt maniem kauliem Ar elles prauliem 37.

Biß zu der scheitel war nichts guts zu finden. Dafür hätt ich in der hölle müssen Ewiglich büssen.36

[Wo ich wie ein Baum, gut und grün sein sollte,/ war ich voller Sünden bis Fußende, / Deswegen sollen meine Knochen zusammen /  mit Mulm in der Hölle schwelen.]

In der lettischen Übersetzung präzisiert Fürecker auch die von Heermann ausgedrückte „lust und freuden“, indem er Singen und Händeklatschen zum Tanz als Bestandteile eines Volksfestes vor Augen führt. 33 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 243. 34 Lettische Geistliche Lieder und Psalmen, Collecten und Gebethe, so das gantze Jahr durch in Christlicher versammlung zu Hause und in den Kirchen gebraucht werden. Von newen ubersehen, corrigiret und vermehret Durch GEORGIVM MANCELIVM, Semgallum P. Riga 1631, 132. 35 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 152. 36 Neu Vollständiges Rigisches Gesangbuch. Riga 1670, 611. 37 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 39.

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Herzliebster Jesu

Ak, taisnais Jēziņ [Oh, gerechtes Jesulein]

7. O grosse lib, o lib ohn alle masse, Die dich gebracht auff diese marter=strasse! Ich lebe mit der welt in lust und freuden, Und du must leiden 38!

7. Es gāju dziedams un iekš rokām sisdams; Bet Jēziņš krustu nes, pie zemes krisdams: Redz, kāda karsta mīlestība rodās! Viņš nāvē dodās39. [Ich ging singend und Hände klatschend; / Jesulein trägt das Kreuz und fällt zu Boden; / Schau, welch heiße Liebe dabei entsteht /  Er geht in den Tod.]

Füreckers Zeitgenosse und Übersetzer der Bibel ins Lettische Ernst Glück (1654–1705) hat das Lied Da Jesus an dem Creutze stund von Vincentius Schmuck (1565–1628) übersetzt. Im deutschen Original „Neu vermehrtes vollständiges Rigisches Gesangbuch“ gibt es Fünfzeiler. Glück übersetzt in sapphischen Strophen und behält alle neun Strophen des Originals. Zur Illustration ein Beispiel: Da Jesus an dem Creutze stund

Klaus’ mana dvēsel’ [Höre zu, meine Seele]

8. Zum siebndn rieff der Gottes Sohn: Mein Vater, meinen Geist nim an In dein göttliche hende! Darauff neigt er sein heiligs Heupt, Beschloß damit sein ende40 .

8. Un kad viņš Dievam savu dvēsel’ sniedze, Tad viņš it gauži stiprā balksnī kliedze: Tēvs, es nodom’ iekš tavu roku varu, Šeit – manu garu41. [Uns als er Gott seine Seele reichte / Dann schrie er in lauter Stimme:/ Vater, ich gebe in die Macht deiner Hände / Hier – meinen Geist.]

Glück ist einer der ersten deutschen Pastoren, der das Korpus der lettischen geistlichen Lieder mit Bibelliedern ergänzte, und so konnten die wenig gebildeten lettischen Bauern diese Stellen aus der Heiligen Schrift besser verstehen. Martin Rinckarts Lied Nun danket alle Gott ist im Original in Alexandrinern verfasst. Christoph Fürecker hat bei seiner Übersetzung alle Besonderheiten der Form genau beibehalten. Das ist eines der seltenen in dieser Form verfassten lettischen geistlichen Lieder. Fürecker hat auch das erste Eteostichon oder Chronogramm verfasst. Diese für den Barock, das Zeitalter der Geheimnisse und Rätsel, charakteristische Form lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang zwischen den römischen Ziffern und lateinischen Buchstaben und ermöglicht die Jahreszahl in den Text einzubeziehen, wenn alle römischen Ziffern und lateinischen Buchstaben zusammengezählt werden. Füreckers Lied schließt das 1671 veröffentlichte lettische lutherische Gesangbuch ab. In den letzten zwei

38 Neu Vollständiges Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 36), 611. 39 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 39. 40 Neu vermehrtes vollständiges Rigisches Gesangbuch. Königsberg 1689, 92. 41 Lettisches Geistliches Gesangbuch. Riga 1696, 100.

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Zeilen ist die Jahreszahl 1672 enthalten (M+I+D+V+V+L+L+L+V+V+I), es ist das auf die Herausgabe folgende Jahr: Nāc, mīļais Jēzu! Nāc, no sirds mēs tevis gaidām, Kas mēs ar asarām šeit apakš krusta vaidam, Še redzam ļauna vien, tur būs tā jauna dien’; Ak! mīļais Jēzu, nāc, mēs tevis gaidām vien. Amen. Tas tahMert rakstot beIgts: DeeVVs aLLaß sLaVVets / teIkts42 . [Komm, lieber Jesus! Vom Herzen warten wir auf dich, / Die wir in Tränen unter dem Kreuz stöhnen,/ Hier sehen wir nur Böses, dort wird es einen neuen Tag geben; / Oh, lieber Jesus, komm, wir warten auf dich. Amen / Es ist in Schrift beendet:/ Gott wird immer gepriesen.]

In den weiteren Ausgaben der Gesangbücher sind nur die ersten vier Zeilen in Alexandrinern veröffentlicht. Mit der Übersetzung des Liedes Allein auf Gott setz dein Vertraun 43 oder „Das Güldene ABC “ kommt das Akrostichon zum ersten Mal in die lettischen Gesangbücher, und auch das hat Christoph Fürecker ins Lettische übersetzt. Dem deutschen Original entsprechend sind die 24 lettischen Verse in alphabetischer Reihenfolge nach den Anfangsbuchstaben geordnet. Sie enthalten Belehrungen für ein frommes Leben und verurteilen das Laster. Jeder Vers kann als selbstständiger Sinnspruch wahrgenommen werden. Deshalb kann dieses Lied als Anfang der lettischen aphoristischen Dichtung bezeichnet werden. Das Akrostichon mochte auch der kurländische Pastor Bernhard Wilhelm Bienemann (gestorben 1732). Er übersetzte das Lied Keinen hat Gott verlassen eines unbekannten Autors des 17. Jahrhunderts und das Lied des Sterbens und Todes Valet will ich dir geben von Valerius Herberger. In beide hat der Übersetzer versucht, seinen Familienamen einzutragen. Im deutschen Original ist der Anfang des Wortes VALEt 44 fettgeschrieben, die weiter folgenden vier Strophen enthalten die anderen in Herbergers Namen enthaltenen Buchstaben, und so ist der Name VALERIUS entstanden. Für Bienemanns Namen gibt es kein gleichzusetzendes lateinisches oder deutsches Wortspiel, deshalb hat der Übersetzer seinen Namen in Silben getrennt und die Strophenanfangszeilen mit diesen Silben beginnen lassen.45 Eine ähnliche Vorgehensweise finden wir auch in Bienemanns Übersetzung des anonymen Liedes.46

42 Das lettische Gesangbuch von 1671 ist nicht erhalten. Das Lied ist zitiert nach einer Foto­ kopie aus: Bērziņš, Ludis: Kristofors Fürekers. Novilkums no Filologu biedrības Rakstu 8.sēj. Rīga 1928, 15. 43 Das güldene ABC in seinem eigenen ton. Allein auff Gott setz dein vertraun. In: Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 226. 44 Übersetzung aus dem Lateinischen: Sveiks! Paliec sveiks! Vergl.: Neu vermehrtes vollständiges Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 40), 890. 45 Mežmuižas un Kukuru draudzu dziesmu grāmatiņa (s. Anm. 18), 171. 46 Mežmuižas un Kukuru draudzu dziesmu grāmatiņa (s. Anm. 18), 133.

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3.2 Stilmittel Schon in den Liedern des 16. Jahrhunderts sind phonetische Finessen, vor allem Assonanzen und Alliterationen, verwendet worden. Einem der ersten protestantischen Pastoren, Johann Eck, werden sieben Lieder aus dem lettischen Gesangbuch zugeschrieben. Im Unterschied zu den anderen lettischen Texten dieser Zeit sind Ecks Lieder wohlklingend. Es ist allerdings nicht leicht festzustellen, in welchem Fall die Alliterationen aufgrund von Paronomasien ohne Absicht des Autors entstanden sind und in welchem Fall sie bewusst gebildet sind. Ein Beispiel ist das folgende Lied von Eck, das er auf deutsch und lettisch verfasst hat und an gleichen Textstellen Alliterationen verwendet: O Jesu Christ du bist war minsch vnd Godt

O Jezu Krist, Tu es paties cilvēks unde Devs [O Jesu Christ, du bist wirklich Mensch und Gott]

… vor der tücken des düuels vnd syner stricken

… pasarge mums no to velne viltībe unde viņa valgems [Schütze uns vor den Tücken des Teufels und seinen Stricken].47

Seit Anfang des 17. Jahrhundert wird in den lettischen Liedern die Paronomasia verwendet, d. h. es werden nebeneinander Wörter mit gleichen Wurzeln benutzt. Die deutschen Pastoren haben das bei der Sammlung des lettischen lexikalischen Materials bemerkt. Beispiele dafür gibt es auch in den auf Christoph Fürecker bezogenen Notizen, die in dem Deutsch-lettischen Wörterbuch zu finden sind.48 Im Zeitalter des Barock wurde dem Wortspiel eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, aber in den lettischen Übersetzungen erscheint es auch dann, wenn es sie im Original nicht gibt. Im Lied Herr, ich denk an jene Zeit arbeitet Georgius Mylius nur mit dem Endreim, aber der Übersetzer Fürecker verwendet auch die Etymologische Figur und den Binnenreim. Zur Illustration die dritte Strophe im Original und in der Übersetzung: Herr, ich denk an jene zeit

Kungs, tas laiks man prātā stāv [Herr, diese Zeit steht in meiner Erinnerung]

Mein gebrochnes augenlicht Und die fast erstarrte sinnen, Mein verfallen angesicht Eilen dann von hinnen. Alles wird mir abgerafft Geist und krafft Wil mir gar zerrinnen. 49

Manas acis tūkst in īgst, Visi mani prāti zūdās; Ir tas vaidziņš nīcin nīkst, Visas miesas trūdās; Krūtis smagi pūš in elš, Mēle melš In tie vārdi kļūdās50 . [Meine Augen schwellen, / Meine Sinne schwinden, / Mein Leib verfällt; / Die Brust stöhnt und keucht, / Die Zunge lügt, Die Wörter machen Fehler.]

47 Vanags, Pēteris: Luterāņu rokasgrāmatas avoti (s. Anm. 4), 206. 48 Mancelius, Georg: Lettus (s. Anm. 13). 49 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 343. 50 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 187.

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Ähnliches gibt es in der Übersetzung des Liedes aus der Kriegszeit In unser Krieges = Noth/ „Iekš tāda grūta kar’“ [In solchem schweren Krieg]: In vier von sieben Strophen hat Fürecker Paronomasien verwendet, sowohl in der Mitte als auch am Anfang und Ende der Zeilen.51 Um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert ist die Stilfigur in den lettischen geistlichen Liedern schon eine bekannte Erscheinung. Ähnlich wie Fürecker verwendet Bernhard Wilhelm Bienemann zusätzlich den Binnenreim, die Alliteration und Assonanz in der Übersetzung des Liedes Ach! Stirbt dann so mein allerliebstes Leben von Gottfried Wilhelm Sacer: Ach! Stirbt dann so mein allerliebstes leben

Ak, būs tā aiziet manai dzīvībiņai [Ach, so soll mein Lebenchen hingehen.]

Ihr gräber, brecht, ihr harten felsen, splittert. Du sonn’, erblaß, ihr erden=klüffte, schittert. Du lufft, du meer, Du sternen heer Klagt euren Herrn, ihr elementen zittert. 52

Jūs kapi, plīstiet, akmiņi, sašķīstat, Bēdz, saule, zeme, satrīc, viļņi, rīstat! Sauc, gais’, ak grēks! Dreb zvaigžņu spēks, Kas savu Kungu bīstat un pazīstat. 53 [Ihr Gräber, brecht, ihr steine, splittert / Flieh, du Sonne, die Erde zittre,/ schlagt, ihr Wellen, Die Luft ruft, oh, du Sünde! Die Kraft der Sterne zittert,/ Die, die ihren Herrn kennen und fürchten.]

3.3 Lexik Noch Anfang des 20. Jahrhundert erwähnt der Deutschbalte Guido Eckardt die Vielzahl der Deminutiva als ein typisches Merkmal für den Einfluss des Lettischen auf die deutsche Sprache im Baltikum und veranschaulicht das mit einem Beispiel aus dem Alltag: Sie stellen ihr Spiegelchen vor sich auf, legen ein frisches Kragchen um, schmücken sich mit Blumchen oder Bandchen […], stecken sich ein Broschchen vor und versorgen sich noch extra mit einigen „Karamelchen“ und „Monpensierchen“, um unterwegs ein wenig „knabbern“. Der neue Hut mit dem hübschen „Fluchtchen“ krönt das kleine Gebäude, es ergreift sein Schirmchen und schickt sich zur Promenade an, so lange – pardon – „bis“ das „Sonnschen“ noch scheint 54.

Das Deminutiv verleiht der Sprache Zärtlichkeit und Zuneigung. Das ist ein in den lettischen Volksliedern und in der lettischen Kinderliteratur weit verbreitetes Stilmittel und wurde auch in den lettischen geistlichen Liedern verwendet. Schon in dem ersten lettischen katholischen Gesangbuch (1621) gibt es recht viele Deminutiva in den Weihnachts-, Oster- und Jesusliedern, oft auch deshalb, 51 Ebd., 174. 52 Neu vollständiges Rigisches Gesangbuch. Riga 1695, 102. 53 Mežmuižas un Kukuru draudzu dziesmu grāmatiņa (s. Anm. 18), 20. 54 Eckardt, Guido: Wie man in Riga spricht. Riga 1904, 26.

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weil sie schon in den deutschen und lateinischen Originalen vorlagen. Am häufigsten – in 19 Liedern – kommt das Deminutiv bērniņš (Kindlein, Kindchen) vor. In neun von diesen Liedern ist es auch im deutschen Original zu finden. Ziemlich häufig sind silīte (Krippchen), jēriņš (Lämmchen), dēliņš (Söhnchen), enģelīši (Engelchen), eher selten gibt es vērsītis (Stierchen), ēzelītis (Eselchen), saulīte (Sonnchen), meitiņa (Mädelein), putniņi (Vögelein). Alle Beispiele entstammen Weihnachts- und Osterliedern; durch die Verwendung von Deminutiven wollen sie Affekte wie Liebe, Leid, Freude erwecken. Vier Deminutiva gibt es nur in den lettischen Liedern und jedes von ihnen nur einmal: autiņi (Windelchen), jumpraviņa (Jungfrauchen), pātariņi (Gebetchen), ļautiņi (Leutchen). Viele Deminutiva gibt es in den lettischen lutherischen Liedern. In diesen wird auch der Name Gottes als Deminutiv gebraucht  – Dieviņš (Gottchen). Eine solche Form werden wir in den deutschen Liedern nicht finden. Die Übersetzer kannten sich gut in der lettischen Kultur aus: Dieviņš (Gottchen) und nicht Dievs (Gott) ist oft in den lettischen Volksliedern als Bezeichnung für die mythologische Gottheit gebraucht worden. Fürecker verwendet als erster in den lettischen lutherischen Liedern das Wort Dieviņš. Der Religionsforscher Haralds Biezais schreibt, dass mīļais Dieviņš (liebes Gottchen) als Vermischung von altlettischer Religion und Christentum schon eine sehr lange Zeit im lettischen Bewusstsein präsent ist, mindestens seit dem Zeitpunkt, als die christlichen Missionare das Wort Dievs (Gott) auch für die Bezeichnung des christlichen Gottes gewählt haben. Noch heute möchte man die intuitive Verwendung von Dieviņš in christlichen Liedern aus einem Einfluss des heidnischen Volkslieds herleiten. Es gibt aber auch Lieder, in denen Dieviņš eindeutig in christlicher Bedeutung erscheint.55 Das Wort Dieviņš ist auch in der Übersetzung des Liedes Nun ruhen alle Wälder von Paul Gerhardt verwendet. Der Übersetzer Nikolaus Hespe könnte Füreckers Tradition gefolgt sein, möglich, dass Fürecker und Hespe sogar bekannt waren. Hespe hat seine Übersetzung dem Bauernleben nähergebracht, dabei hat er nicht nur die Deminutiva verwendet, sondern Gott mit dem Motiv des Mitgefühls und der Nächstenliebe verbunden, was im deutschen Original nicht der Fall ist. Es entsteht gleichsam ein neuer Text: Nun ruhen alle wälder

Nu dusēs visas lietas [Nun werden alle Dinge ruhen]

Mein augen stehn verdrossen Im huy sind sie geschlossen, Wo bleibt denn leib und seel? Nim sie zu deinen gnaden, Sei gut für allen schaden, Du aug und wächter Israel 56 .

Bet kas par manim gādās, Kad sev kāds niknums rādās, Man nieka nejūtot? Stāv, Dieviņ, tu pie manim Tu tavu ļaužu ganiņ! Tu arī manu vaidu prot’. 57

55 Biezais, Haralds: Die Gottesgestalt der lettischen Volksreligion. Stockholm / Göteborg /  Uppsala 1961, 177–180. 56 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 495. 57 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 235.

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Nu dusēs visas lietas [Nun werden alle Dinge ruhen] [Aber wer sorgt für mich, / Wenn dich der Zorn ergreift, / So daß ich nichts fühle. / Steh, Gottchen, neben mir / Du Hirte deiner Leute!/ Du verstehst auch meinen Jammer].

Manchmal ist das Wort in der Deminutivform aus formalen Gründen verwendet worden. Das kann mit der Bildung des Reims bzw. des Rhythmus verbunden oder aus der Originalsprache des Liedes übernommen sein. Als Beispiel folgt ein Abschnittaus Martin Luthers Lied Vom Himmel hoch da komm ich her „No debesīm būs man atnest“ [Vom Himmel sollst du mir bringen] in Füreckers Übersetzung: Vom Himmel hoch da kom ich her

No debesīm būs man atnest [Vom Himmel sollst du mir bringen]

Ach, mein hertzlibes Jesulein, Mach dir ein rein sanfft bettelein, Zu ruhn in meines hertzen schrein, Daß ich nimmer vergesse dein. 58

Ak! saldais mīļais Jēzuliņ, Nāc, taisies mīkstu spilveniņ, In dusi manā sirdsniņā, Ka tu man paliec prātiņā. 59 [Oh! Süßes, liebes Jesulein,/ Komm, mach ein weiches Kissenchen / Und ruhe in meinem Herzchen / Dass du in meinem Köpfchen bleibst.]

In diesem Lied gibt es schon im deutschen Original zwei Deminutiva. Den ganzen Vierzeiler verbindet auch ein Reim. In den ersten zwei Zeilen der Übersetzung ist das Deminutiv in Übereinstimmung mit dem Original verwendet worden, aber in den nächsten zwei Zeilen dienen beide Deminutivformen der Bildung des Reims. Im Unterschied zu Fürecker verwendet der Pastor Svante Gustav Dietz aus Vidzeme in seinen übersetzten Liedern die Deminutiva nie anders als nur, um den Adressaten emotional anzusprechen. Vermutlich ist diese für die Übersetzungen von Dietz charakteristische Besonderheit mit der Verbreitung der Ideen des (Früh-) Pietismus in der Geisteswelt von Kurzeme und Vidzeme in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert verbunden. In Dietz’ Übersetzungen verstärkt das Deminutiv das Motiv der Liebe, nicht selten ist es in den Morgen- und Abendliedern in den Strophen mit pastoraler Stimmung verwendet, z. B., in dem Abendlied von Benjamin Prätorius:

58 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 11. 59 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 12.

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Schönste Sonne, Himmels Zier

Spoža, skaista saulīte [Leuchtendes, schönes Sonnchen]

Schönste Sonne, Himmels-Zier, Scheidestu nun auch von mir Hastu, Auge dieser Welt, Dich nun auch in Ruh’ gestellt. 60

Spoža, skaista saulīte, Tu man vairs nespīdi še, Actiņa šās pasaules, Voi tu ar’ pie miega es’?61 [Leuchtendes schönes Sonnchen, / Du scheinst mir hier nicht mehr, Das Äugelein dieser Welt, Schläfst du auch?]

Prätorius’ Wörter im Original  – Sonne, Himmels-Zier, Auge dieser Welt lassen den Eindruck von Weite und Würde entstehen, Dietz’ Leuchtendes, schönes Sonnchen, Äugelein dieser Welt bringen den Menschen Gott näher. Einen ähnlichen Weg geht auch Fürecker, indem er die Metapher Händchen des Glaubens und das Verb umarmen verwendet und dadurch der ganzen Strophe eine persönliche Note verleiht. In Martin Luthers Original wird der äußere Ausdruck der Freude – die Freude beim Singen und Tanzen betont: Vom Himmel hoch da komm ich her

No debesīm būs man atnest [Vom Himmel sollst du mir bringen]

Da von ich allzeit fröhlich sei, zu springen, singen immer frei das rechte susanine schon, mit herzens lust den süssen Ton. 62

Tu gribies cieti apkampjams Ar stiprāms ticībs rociņāms: Es turu tev’ iekš manas sirds, No tevim es netapšu šķirts 63. [Du moechtest fest umarmt sein / Von starken Händchen des Glaubens:/ Ich halte dich in meinem Herzen / Von dir werde ich nicht getrennt sein.]

Die lettischen Phraseologismen sind schon in der oben genannten Übersetzung des Akrostichons Allein auf Gott setz dein Vertraun zu finden. Im deutschen Original wird überall die zweite Person Singular gebraucht – der Autor wendet sich direkt an den Adressaten. In Füreckers Übersetzung gibt es dieses Gefühl der direkten Anwesenheit nicht, der direkten Ansprache folgen allgemeine Behauptungen. Das von Fürecker Gesagte erinnert an die Rede eines weisen Pastors, der seinen Blick über die Gemeinde schweifen lässt. In seinem Text sind mehrere lettische Sprichwörter enthalten sowie semantisch genaue und überlegt gewählte Synonyme zur Bezeichnung einer und derselben Tätigkeit, z. B. gibt es für das Reden elf, für das Schweigen drei verschiedene Wörter und Wort­

60 Fischer, Albert / Tümpel, Wilhelm (Hg.): Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts. Bd. IV. Gütersloh 1908 (Reprint Hildesheim 1964), 51. 61 Latviska Dziesmu Grāmata. Rīga 1711, 532. 62 Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 11. 63 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 12.

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verbindungen. In Bezug auf die Lexik ist dieses Lied ein prägnanter Beweis für Füreckers meisterhafte Übersetzungsleistung. Das güldene ABC

Latviešu zelta ABC [Das lettische güldene ABC]

Claff nicht zuviel, sondern hör mehr, Das wird dir bringen lob, preiß und ehr, Mit schweigen sich verredt niemand, Claffen bringt manchn in sünd und schand.

Dažs plukšķ in tērzē visai daudz, In cita jaukus vārdus jauc; Tam klātos labis klusu ciest, Uz otra stāstiem ausis griezt. [Mancher klafft und plaudert recht viel /  Und stört die netten Worte des anderen; /  Der müsste eher schweigen / Und die Ohren den Erzählungen des anderen zuwenden.] Kad ķildu šis jeb tas grib celt, Tad domā, tas jau nebūs velt’: Es labis gribu atkāpties; Laid kasās, kam tā āda niez. 65

Wenn imand mit dir hadern wil, So raht ich, daß du schweigest still, Und ihm nicht helffest auff die bahn, da er gern wolt ein ursach han64.

[Wenn der oder ein anderer einen Hader auslösen möchte, / Dann denk daran, es wird nicht ohne Grund sein:/ Ich möchte gern zurücktreten; / Lass denjenigen sich kratzen, wen es juckt.]

Ein guter Kenner der lexikalischen Nuancen war auch Liborius Depkin (1652– 1708), der Verfasser eines der umfangreichsten lettisch-deutschen Wörter­bücher um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts.66 Wie Fürecker folgt auch er beim Übersetzen der geistlichen Lieder der lettischen Idiomatik. Wenn auch dabei die eine oder andere Nuance des Originals in der Übersetzung verlorengeht, wird der Inhalt des Liedes verständlicher. Depkin verwendet im Lettischen statt des deutschen Originals Mitternacht  – jau gaiļi dzied (schon krähen die Hähne); statt „Kummer“ asaras kā zirņi birst (Tränen rollen wie Erbsen); statt „vom Wind schützen“ slēgt vēju maisā (den Wind in den Sack schließen); statt „füttern“ barot ar pilnu roku (aus voller Hand füttern); statt „schützen“ mēs atspiežam uz tev kā kok’ (wir stützen uns auf dich wie auf einen Baum); statt „Gift“ velna rutks (Teufelsrettich, eine sehr giftige Pflanze); statt „in der Jugend“ kad tu vēl tavā šūpulīt (iekš miega pasmējies (als du in deiner Wiege im Schlaf noch lächeltest). In Depkins Übersetzungen ist eine große Aufmerksamkeit der Natur in Vidzeme und Kurzeme gewidmet: In den lettischen Liedern ist der Vogel allgemein erwähnt, außerdem kommen noch Adler, Pfau, Rabe,

64 Das güldene ABC in seinem eigenen ton. Allein auff Gott setz dein vertraun. In: Neu vermehrtes Rigisches Gesang und Gebätbuch (s. Anm. 12), 226–229. 65 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 134–136. 66 Depkin, Liborius: Lettisches Wörterbuch: The original manuscript transcribed and anno­ tated by Trevor G. Fennell. Vol. I–IV. Rīga 2005–2008.

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Hahn, Taube, Schneevogel (vermutlich ein Synonym für Schneesturm) sowie die Metapher Unglücksvogel vor. Die letzten vier sind in den deutschen Originalen nicht zu finden. Zur Illustration folgen zwei Beispiele aus deutschen Liedern in Depkins Übersetzung. Der Autor des ersten Originals ist Samuel Rodigast, des zweiten Simon Dach: Was Gott thut, das ist wolgethan

Ko Dieviņš dar’, viss teicams ir [Was Gottchen macht, ist ausgezeichnet.]

6. Was Gott thut, das ist wol getahn: Dabey will ich verbleiben. Es mag mich auf die rauhe bahn Noth, tod und elend treiben, So wird Gott mich gantz väterlich In seinen armen halten, Drum laß ich ihn nur walten. 67

6. Ko Dieviņš dar’, ne smādu es: Lai paliek tā, kā bijis! Viņš man caur ērkšķu krūmiem nes, Nelaim’ ar laimes mījis. Dzēš manu svec’, Man ir jālec kā putnam koka zarā. Tač’ ceru es, Dievs palīdzēs! Labs ir, ko Dieviņš dara. 68 [Was Gottchen macht, das verschmähe ich nicht: Es soll bleiben, wie es ist! / Er bringt mich durch Dornensträucher, / Unglück löst Glück ab./ Löscht meine Kerze. / Ich muss hüpfen wie ein Vogel auf dem Ast. / Doch hoffe ich, Gott wird helfen! / Es ist gut, was Gottchen macht.]

Der Tag beginnet zu vergehen

Tā diena steigusies pagalam [Der Tag hat sich sehr beeilt]

Drum kom, sie endlich zu umfangen, Es ist schon um die mitternacht, Die lampe brennt, sie sitzt und wacht, und will verschmachten für verlangen, Sie wird für trauren schwach und alt, Drum komm gewünschter aufenthalt. 69

Nāc! brūtgāns, sāci lolot tavu Sirdsmīlulīt’, ko gaidi vēl? Jau gaiļi dzied, ne ir tev žēl, Tā atstāt svešam, redz’! to savu? Redz’! Asaras kā zirņi birst, Bez tevim viņai jānomirst.70 [Komm! Bräutigam, beginne dein Herzliebchen / zu umsorgen, worauf wartest du noch?/ Schon krähen die Hähne, tut es dir nicht leid,/ Es so einem Fremden zu überlassen?/ Schau! Die Tränen rollen wie die Erbsen,/ Ohne dich stirbt es.]

Mit den Ausrufen, die es im deutschen Original nicht gibt, verleiht Depkin dem Ausdruck Expressivität, dazu kommt noch, dass die neuen Metaphern und der Wechsel der Bilder das Gesagte der Bauernwelt näherbringen. Statt des lettischen Wortes draudze (Gemeinde)  schreibt Depkin sirdsmīlulīte (Herzliebchen). In der Zeit, als die Bauern zu Hause für die Beleuchtung den Kienspan

67 Neuvielvermehrtes Rigisches Gesangbuch. Riga / Leipzig 1715, 1028. 68 Latviska Dziesmu Grāmata (s. Anm. 61), 326. 69 Neuvielvermehrtes Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 67), 641. 70 Latviska Dziesmu Grāmata (s. Anm. 61), 366.

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und keine teuren Kerzen, geschweige denn die fremdartigen Lampen71 benutzten, verschiebt er die Zeit von der im Original erwähnten Mitternacht auf die Morgendämmerung und verwendet die den Letten gut bekannte Bezeichnung gaiļa dziedāšana (Hahnenschrei; wortwörtlich: Hahnensingen). Das Letztere könnte mit der Bibel72 assoziiert werden oder die Idee des neuen, hellen Morgens und Erwachens beinhalten. Das Bauernleben verläuft im Einklang mit dem Rhythmus der Natur. Auch die Sehnsucht nach dem Erlöser zeigt Depkin dadurch, dass er die Intensität des Leidens steigert und heftiges Weinen betont. So zeigt er indirekt, dass das Leiden vergänglich ist, er vertieft sich nicht in die im Original angebotene Verallgemeinerung „von Trawren schwach und alt werden“. Auch hier nutzt Depkin den aus dem Alltag stammenden lettischen Ausdruck zur Bezeichnung eines verzweifelten, intensiven Weinens  – asaras kā zirņi birst (die Tränen rollen wie Erbsen). Die Metaphern Unglücksvogel und Windvogel verwendet Depkin in der Übersetzung des Liedes Sollt ich meinen Gott nicht singen/ „Grēks ir tevi, cilvēks, kavēt“ [Es ist Sünde, Mensch, dich aufzuhalten]73 von Paul Gerhardt, im deutschen Original gibt es sie nicht.74 In Paul Gerhardts Weihnachtslied Ich steh an deiner Krippen hier/ „Pie­ taviem šūpļiem stāvu es“ [An deinen Wiegen stehe ich] ersetzt Depkin die im Original erwähnten und dem lettischen Bauern unbekannten Nelken und Rosmarin durch einen prachtvollen Blumenstrauß, dabei ist die Zahl der in dem lettischen Lied genannten Blumen durchaus grösser als im deutschen Original: Ich steh an deiner Krippen hier

Pie taviem šūpļiem stāvu es [An deinen Wiegen stehe ich]

11. Nehmt weg das stroh, nehmt weg das heu: Ich wil mir blumen holen, Daß meines heylands lager sey Auf cräntzen und violen. Mit rosen, nelcken, roßmarin Aus schönen garten wil ich ihn Von oben her bestreuen.

11. Jūs salmi nost!nost! nost! tu siens Es grib ar prātu lasīt Tās liljes, baltas kā viens piens, Es grib’ pēc rozēm prasīt, Kas sarkanas kā asinis, Jūs jaukas smaržas zāles viss, Es jūs iekš kroni pīšu.

71 In seinem Wörterbuch übersetzt Depkin das Wort „Lampe“ als „Kerze“. In: Depkin, Liborius: Lettisches Wörterbuch (s. Anm. 66), Bd. IV, 139. In den lettischen Wörterbüchern des 17. Jh. gibt es das Wort lukturis (Leuchter, Laterne) – ein in einem Gefäß oder in einer Gartenpflanze befestigter Span. In: Depkin, Liborius: Lettisches Wörterbuch (s. Anm. 66), Bd. II, 151. 72 Noch heute ist in der lettischen Bibelübersetzung pirmajos gaiļos (gleichzeitig mit den ersten Hähnen / mit dem ersten Hahnenschrei) beibehalten: vgl. Lukas 12, 38: „Un, ja viņš nāktu nakts vidū vai pirmajos gaiļos un tos atrastu nomodā, svētīti tie!“ (Und wenn er mitten in der Nacht oder gleichzeitig mit den ersten Hähnen käme und sie wach finden würde, gesegnet seien sie). 73 Latviska Dziesmu Grāmata (s. Anm. 61), 435. 74 Neuvielvermehrtes Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 67), 233.

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Ich steh an deiner Krippen hier

Pie taviem šūpļiem stāvu es [An deinen Wiegen stehe ich] [Weg, du Stroh! Weg du Heu! / Ich will mit Verstand pflücken / Die Lilien, weiß wie die Milch, / Ich will nach Rosen fragen, Die rot wie Blut, / Ihr, Duftpflanzen,/ Ich flechte euch in eine Krone.]

Zur seiten will ich hie und dar Viel weisse lilien stecken, Die sollen seiner äugelein paar Im schlafe sanfft bedecken; Doch liebt vielmehr das dürre graß Das Kindelein als alles das, Was ich hier nenn und dencke.75

Es bezdelīgas actiņas, Es ņemšos ziemas ciešus, Vēžokļus, gaiļa paslavas, Zilgalvas, saules viešus, Ir citas puķes lasīšu: Ko zin ar tevim patiktu Ar tādām tevi godāt.76 [Ich werde Mehlprimeln, winterharte Pflanzen, / Maiglöckchen, Schlüsselblumen,/ Blauköpfchen, Königskerze, / Auch andere Blumen werde ich pflücken: / Um dir zu gefallen, um dich mit diesen zu ehren.]

Von allen Übersetzern der lettischen geistlichen Lieder, die im 16. und 17. Jahrhundert tätig waren, ist Depkin der Einzige, bei dem die Lokalisierung der deutschen Lieder in der Landschaft von Vidzeme so stark ausgeprägt ist. 3.4 Die geistige Welt der Letten Einige deutsche Lieder haben auch den gleichen Refrain, der für lettische Volkslieder besonders charakteristisch ist, zum Beispiel, der Refrain eya, eia. In dem ersten lettischen katholischen Gesangbuch ist dieser Refrain nicht aus dem lettischen Volkslied, sondern aus der lateinischen oder deutschen Vorlage übernommen. Heute ist es schwer zu sagen, ob dieser in den lettischen Volksliedern häufig vorkommende Refrain aus lateinischen oder deutschen Quellen stammt oder vielleicht den Letten schon früher bekannt war. In zwei anderen lettischen katholischen Weihnachtliedern gibt es den Refrain žū žū und līgo līgo. Möglich, dass beide Lieder älterer Herkunft sind. Für eines ist weder das deutsche noch das lateinische Original gefunden worden. Vielmehr könnte es sich um ein altes lettisches Lied handeln. Dafür spricht der in den lettischen Volksliedern oft verwendete Refrain līgo, für den es weder im Deutschen noch im Lateinischen ein Äquivalent gibt:

75 Neu vollständiges Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 52), 29. 76 Latviska Dziesmu Grāmata (s. Anm. 61), 38–39.

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Mums ir viens bērniņš dzimdenāts, Marija ir tā šķīsta māte, Viena jumprava ir Dieva dēlu dzimdenājus, Priecaties jūs, bērniņi, ar līksmu dziedāšan, Līgo, līgo bērniņš, Līgo, līgo bērniņš ar līksmu dziedāšan 77. [Uns ist ein Kindlein geboren,/ Marie ist die tugendhafte Mutter / Eine Jungfrau hat den Gottessohn geboren, / Freut euch Kindlein mit frohem Singen, / Līgo, līgo, Kindlein, / Līgo, līgo Kindlein mit frohem Singen.]

Es kann angenommen werden, dass man dieses Lied vor dem Altar gesungen hat, während die Kinder eine Puppe – ein symbolisches Jesuskind – wiegten. Davon zeugen sowohl der Refrain als auch die wiegenden, das Lied begleitenden Bewegungen. Wie Haralds Biezais mitteilt, ist eine solche Tradition der europäischen Völker in mehreren Quellen des 16. Jahrhundert erwähnt (Kindelwiegen). Ihre Spuren hat Biezais auch in einem lettischen Volkslied gefunden: Sit, eņģeli, kokles, / Lai iet Māra diet. Māra diet nevarēja, / Mārai Kristus klēpī. Liec to Kristu šūpulī, Lai šūpo eņģelīši. Zuzu, Kristiņ, zuzu, / Zuzu, Māŗas dēliņ 78 . [Spiele, Engel, die Kokle [ein lettisches Saiteninstrument], / Māra79 soll tanzen. / Māra konnte nicht tanzen, / Māra hat Christus auf dem Schoß. / Lege Christus in die Wiege, die Engel sollen wiegen. / Zuzu, Christlein, zuzu, / Zuzu, Māras Söhnlein.]

Das andere Lied mit dem Titel „Viena bērna dziesma“ [Das Lied eines Kindes] könnte eine freie Übersetzung des katholischen Liedes Der Spiegel der Drei­ faltigkeit sein. Der lateinische Ausgangstext (En trinitatis speculum) ist alt, aber seit mindestens Mitte des 16. Jahrhundert wurde dieses Lied auch deutsch gesungen. Im Vergleich zum deutschen Text, gibt es im lettischen Lied inhaltliche Veränderungen, dennoch sind der Rhythmus und der Reim beibehalten. In dem katholischen lettischen Gesangbuch ist es mit der deutschen Melodie veröffentlicht80:

77 Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 23–25. 78 Biezais, Haralds: Seno latviešu galvenās dievietes. Rīga 2006, 89. 79 Entweder ist Māra eine selbstständige lettische Göttin oder sie ist unter dem Einfluss des christlichen Kultus von Jungfrau Maria zu betrachten. Die Ansichten der Forscher der lettischen Folklore darüber unterscheiden sich. So betont Haralds Biezais die Einflüsse des christlichen Kultus: Biezais, Haralds: Die Hauptgöttinnen der alten Letten. Uppsala 1955, 91–104. Janīna Kursīte aber betrachtet Māra als eine alte lettische heidnische Göttin, die verwandte Parallelen bei mehreren anderen indoeuropäischen Völkern hat: Kursīte, Janīna: Latviešu folklora mītu spogulī. Rīga 1996, 258–300. Das Problem entsteht dadurch, dass die ältesten Angaben über die lettische Folklore und Mythologie aus der Zeit stammen, als der christliche Kultus den Letten schon bekannt war. 80 Bäumker, Wilhelm: Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen. Bd. 1, Freiburg / Breisgau 1886, 337.

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Der Spiegel der Dreyfältigkeit

Viena bērnu dziesma [Das Lied eines Kindes]

Der Spiegel der Dreifaltigkeit, Erleuchtet der Welt Finsterkeit, Eia lieben Christenheit, Mit lobgesang bistu bereit, Mit innigkeit, mit fröligkeit, Dem Kindlein in der ewigkeit, Sussa liebe Nenna, Sussa liebe Nenna 81.

Jezu pedzimšen it kā saul’ Apgaismo šo tumše pasaul’ Eia mīļie bērniņi, dziedam līdz ar Enģeļiem ar līksmību, ar līksmību tam bērniņam, kas silītē gule, zuzu zuzu bērniņš, zuzu zuzu bērniņš 82 . [Jesus Geburt ist wie Sonne / Sie beleuchtet diese dunkle Welt / Eia liebe Kinder / Singen wir zusammen / mit den Engeln mit Freude über das Kind / das in der Krippe schläft. /  zuzu zuzu Kindlein, / zuzu zuzu Kindlein].

In der lettischen Übersetzung ist der Inhalt etwas verändert. Vermutlich hat das einen Grund. Die englische Forscherin Kathleen R. Palti, die über die englischen Wiegenlieder des Mittelalters geforscht hat, weist auf das für sie charakteristische Gespräch Marias mit dem Christuskind hin, das mit den englischen Wiegewörtern ergänzt ist, z. B., Lollai, lollai, litel child, whi wepistou so sore.83 Die Wiegenlieder zählt sie zum Genre der mittelalterlichen Lyrik, wo die Wechselwirkung der christlichen Doktrin und der Volkskultur deutlich zum Ausdruck kommt.84 Zu einer ähnlichen Feststellung über diese Wechselwirkung ist die Erforscherin der deutschen Wiegenlieder Emily Gerstner-Hirzel gekommen.85 Man kann nicht übersehen, dass in den beiden lettischen Liedern die Verbindung mit Maria und dem Christuskind beibehalten ist, beide sind mit den für die lettischen Volkslieder charakteristischen Wiegewörtern eijā und žūžū ergänzt. Das lettische žūžū ist der deutschen Version sussa auch wegen der Aussprache sehr nah, ebenfalls auch dem bei den Holländern bekannten zuz, zuz, dem niederdeutschen tus tus, dem dänischen Tys, die alle beim Wiegen in den Schlaf gesungen wurden. Das deutsche Nenna ist im Lettischen einfach bērniņš (Kindlein)86. Es ist auch möglich, dass das lettische aijā žu žū unter Einfluss anderer Sprachen im späten Mittelalter entstanden ist. Auch später, im 17. und 18. Jahrhundert ist die Verbindung mit der traditionellen Kultur gerade in den Wiegenliedern, die in den Gesangbüchern veröf 81 Kehrein, Joseph: Katholische Kirchenlieder, Hymnen, Psalmen. Bd. I. Würzburg 1859 (Reprint: Hildesheim 1965), 256. 82 Geistliche Catholische Gesänge (s. Anm. 6), 23–25. 83 Palti, Kathleen R.: Singing Women: Lullabies and Carols in Medieval England. In: Journal of English and German Philology 3 (2011), 361 f. 84 Ebd., 361. 85 Gerstner-Hirzel, Emily: Das Kinderlied. In: Brednich, Rolf Wilhelm / Röhrich, Lutz / Suppan, Wolfgang (Hg.), Handbuch des Volksliedes 1. Die Gattungen des Volksliedes. München 1973, 922–967. 86 Kehrein, Joseph: Katholische Kirchenlieder (s. Anm. 81), 256.

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fentlicht sind, am deutlichsten zu sehen. Das vor 1685 entstandene erste lutherische Wiegenlied „Bērniņ mīļais, Dieva stādīts“ [Du liebes Kindlein, von Gott gepflanzt] könnte ein Originallied Füreckers sein. Darin gibt es nicht nur Deminutive, sondern auch die den lettischen Volksliedern charakteristische M ­ etrik und die Zäsur in der Mitte der Zeile. Ein anderes Wiegenlied ist etwas später entstanden. 1789 veröffentlichte der kurländische Pastor Gotthard Friedrich Stender (1714–1796) sein „Wiegenlied“, das unter dem Einfluss des deutschen Liedes Schlumm’re liebe Kleine entstanden ist. Auch dieses Lied hat eine metrische Ähnlichkeit mit dem Volkslied und es gibt dort die Refrains eijā und žūžo, paleijā und pūpo: Žūžū, bērniņ, pūpo! / Miega māmiņ, šūpo Manu mazu eņģeli, / Actiņas iemidzini! Eijā, paleijā… [..] Daža māte skraida, / Ciema puišus gaida, Grozās, aizmirst bērniņus – / Bet pie tevim māte dus. Eijā paleijā…87 [Žūžū, Kindlein, pūpo! / Die Schlafmutter wiegt dich in Schlaf / Mein kleiner Engel,/ Mach die Augen zu! / Eijā, paleijā … [. .] [Manche Mutter läuft herum,/ Wartet auf die jungen Burschen,/ Vergisst die Kinder -/ aber bei dir ist deine Mutter / Eijā paleijā.]

Heutzutage ist Stenders Lied zur Folklore geworden, im Internet ist es ohne Hinweis auf den Autor88 zu finden, die Folkloregruppe „Saucējas“ hat es in ihrem Repertoire. In die Übersetzungen der geistlichen Lieder sind noch andere Elemente integriert, die man mit der traditionellen lettischen Kultur verbinden kann. Zum Beispiel ist das Paradies in einem von Fürecker übersetzten Lied viņa saulīte (jenes Sonnchen). Ähnlich wie Fürecker verwendet diese Bezeichnung der schon oben erwähnte Nikolaus Hespe, vermutlich Füreckers Schüler in Christian Keimanns Lied Meinen Jesum lass ich nicht: Meinen Jesum laß ich nicht

Es pie Jēzus turēšos [Ich werde mich an Jesus halten]

Ich werd ihn auch lassen nicht, Wann ich nun dahin gelandet, Wo für seinem angesicht Meiner eltern glaube pranget. 89

Ir tad Jēzu turēšos, Kad es viņā saulē nākšu, Kur es pašos vaidziņos Īsti Jēzu skatīt sākšu.90 [Auch dann werde ich mich an Jesus halten, / Wenn ich in jene Sonne komme, / Wo ich die Wangen Jesus / So richtig anschauen werde.]

87 Stenders, Gothards Frīdrihs: Dzeja. Rīga 2001, 127–128. 88 http://www.pasakas.net/muzika/supuldziesmas/e/ee-apa/?viewVideo=1 (19.05.2014) 89 Neuvielvermehrtes Rigisches Gesangbuch (s. Anm. 67), 78. 90 Lettische Geistliche Lieder und Collecten (s. Anm. 26), 240.

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In beiden Fällen ist der christliche Glaube volkstümlich eingekleidet. Die lettische Volkskunde verweist auf die auch im Christentum verbreitete Sonnen­ metaphorik (Christus als Sonne). Die gleiche Bildlichkeit findet sich auch in einigen lettischen Volksliedern, obwohl die Sonne im Großen und Ganzen bereits in den lettischen mythologischen Vorstellungen eine wesentliche Rolle spielt.91

4. Die Rezeption der geistlichen Lieder in den lettischen Gemeinden im 16. und 17. Jahrhundert Die Frage, ob alle Gesangbücher dieses Zeitalters gebraucht wurden und wieviel sie die Letten benutzen konnten, ist kompliziert. Die Letten waren wenig gebildet, die Situation in Riga war etwas besser, aber ein Lesekundiger auf dem Lande unter den Bauern war noch in der 2.  Hälfte des 17.  Jahrhunderts eine Ausnahme. Der Forscher der deutschen lutherischen Lieder Joseph Herl weist darauf hin, dass die Gesangbücher wegen des niedrigen Bildungsniveaus im deutschsprachigen Raum erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert in die Hände der Gemeindemitglieder kamen.92 Es war üblich, dass das Singen auf dem Lande von den Gemeindepastoren beigebracht wurde, in den Städten von den Jungen, die das Singen in der Schule lernten. Der Übergang auf die Benutzung in den Gemeinden geschah sehr allmählich. In dieser Hinsicht sind die Rigaer Deutschen eine unerwartete Ausnahme. Ein 1537 in der zweiten Auflage des deutschen protestantischen Gesangbuches veröffentlichtes Gedicht weist darauf hin, dass dieses Gesangbuch sowie das Singen in der Rigaer Gemeinde und insbesondere der Jugend (dem Schulchor) bekannt waren: Geistlich sanckbuechlein man mich nent, Zu Riga jn Lyfflandt wol kent, Da selb byn ich Christlicher gemein, Zu dienst wan sy singen jn eynn Vnd sunderlich der lieben Jugent, Sye sich vleyst Christlicher tugent, Vill neyer Psalmen vnd geseng, Auch mit den Noten ich hie breng.93

Wie Joseph Herl festgestellt hat, singt man bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Gemeinden mit Unterstützung des Pastors sechs bis acht Lieder, ganz selten zwölf.94 In den lettischen Gemeinden könnte die Situation nur 91 Kokare, Elza: Latviešu galvenie mitoloģiskie tēli folkloras atveidē. Rīga 1999, 34–36. 92 Herl, Joseph: Worship Wars in Early Lutheranism. Choir, Congregation and Three Centuries of Conflict. Oxford 2008, 104–105. 93 Ebd., 103. 94 Ebd., 104–106.

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im besten Fall ähnlich gewesen sein, wenn nicht viel schlechter – die Gemeinde und den Pastor trennte die Sprachbarriere. Der Posten des Vorsängers,95 wie die Forschung der lettischen Musikwissenschaftlerin Ieva Pauloviča zeigt, wurde in Vidzeme in der Schwedenzeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeführt. Dennoch gibt es wenige Belege über Küster, die auch als Vorsänger tätig gewesen wären: in der Gemeinde Rūjiena / Rujen seit 1667, in Dikļi / Dickeln, Allaži / Allasch, Krimulda / Kremon und Dole / Dahlen 1669. 1674 besuchte der Gemeindeküster Michael Trost die Gemeinden dreimal im Jahr, um „die Einfältige und Kinder, in betten und singen, fleißig zu unterrichten.“ In Vidzeme gab es erst im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhundert einen Küster fast in jeder Gemeinde, über Kurzeme gibt es keine Angaben. In Vidzeme gab es im 17.  Jahrhundert nur in drei Kirchen ein Positiv  – in Valmiera / Wolmar, Cēsis / Wenden und Rūjiena / Rujen, während es in Riga in fast allen Kirchen eine Orgel oder ein Positiv gab. Wegen Mangel an Musikinstrumenten blieb manchmal das gemeinsame Singen in den Gemeinden aus.96 Die ersten Gesangbücher erlauben folgende Hypothese über das Singen der geistlichen Lieder in den lettischen Gemeinden: Wie oben gesagt, gibt es in den lettischen katholischen Gesangbüchern Noten für fast alle Lieder, in den lutherischen Büchern viel weniger. Dennoch gibt es in der öffentlichen Bibliothek New York / New York Public Library einen interessanten Beleg  – ein Exemplar des lettischen Gesangbuches von 1615, in dem neben mehreren Liedern mit der Hand geschriebene Noten zu sehen sind.97 Noch bis Ende des 17. Jahrhunderts pflegte man in den meisten Gemeinden die alte katholische Tradition des gregorianischen Gesanges, der das Singen der Prosatexte bedeutete. Und so gestaltet sind auch die meisten ersten Übersetzungen der lutherischen Lieder im 16. Jahrhundert und am Anfang des 17. Jahrhunderts: Der Rhythmus ist frei und der Prosa sowie dem Rhythmus einer guten lateinischen Deklamation angenähert – lebendig, melismatisch und nicht in Takte eingeteilt. Einer Silbe kann eine Note oder eine Gruppe von Noten entsprechen.98 Davon zeugen die in die lettischen Gesangbücher von 1587 und von 1615 aufgenommenen Notenschriften. Die Situation änderte sich allmählich in der Mitte und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es erschienen neue rhythmisierte Übersetzungen, und nach und nach wurden die lettischen Texte den jeweiligen deutschen Melodien angepasst. 95 Schon in der „Königliche Maij:t zue Schweden Consistorial vnd Visitation Ordnung wie es Liefflandt hinfüro zue Halten 1633“ ist darauf verwiesen, dass in den lettischen Gemeinden ein „Teutsche[r] Küster“ singen üben muss, aber in kleineren Gemeinden auf dem Lande macht das auch ein ansässiger Bauer, der die Gemeinde lesen, schreiben, beten und auch „helffen singen vnd den Chor halten“ muss. Diese Bedingungen sind erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts realisiert worden. Vgl.: Pauloviča, Ieva: Zviedrijas baznīcas likums un mūzika Vidzemē 17. un 18. gadsimta mijā. In: Latvijas Zinātņu Akadēmijas Vēstis, Theil A, 1 (2016), 51–52. 96 Pauloviča, Ieva: Zviedrijas baznīcas likums un mūzika Vidzemē 17. un 18.  gadsimta mijā (s. Anm.) 95, 52, 58. 97 Psalmen vnd geistliche Lieder oder Gesenge (s. Anm.  3), 59, 84.  – In: New York Public­ Library. Abteilung für Rara: KB 1615 Latvijas evaņģēliski luteriskā baznīca. 98 Vgl. Vītoliņš, Jēkabs: Mūzikas vēsture. Rīga [o. J.], 29–30.

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Dem Singen in der Gemeinde schenkten auch die Pastoren in ihren Predigten Aufmerksamkeit. In dem ersten Predigtbuch in lettischer Sprache (1654) hob dessen Autor, der deutsche Pastor Georg Mancelius, drei wichtige Sachen hervor – erstens den Kirchenbesuch, zweitens die Teilnahme an dem Gebet und, drittens das Singen: „[..] wenn du vor den Leuten so tust, als dientest du Gott, wenn du zur Kirche gehst, zu Gott betest und Gottes Lieder singst…“99 Wie die kurländische Kirchenordnung vorschrieb, war viel Singen während des Gottesdienstes vorgesehen: In der Visitation der Kirche zu Durbe / Durben wurde darauf hingewiesen, dass in der undeutschen bzw. lettischen Gemeinde der Gottesdienst von 6 bis 8 Uhr morgens im Sommer und von 7 bis 9 Uhr morgens im Winter durchzuführen ist. Er wurde von einem Morgenlied, einem Dankpsalm sowie den zwei Lobliedern, Te Deum laudamus und Allein Gott in der Höhe, der Rezitation der fünf Hauptteile des Katechismus und dem gesungenem Glaubensbekenntnis begleitet.100 In der Visitation der Kirche zu Dobele / Dobeln ist schon der Lehrer erwähnt, dem ausdrücklich nahegelegt worden ist, fleißig an dem gemeinsamen Singen in der Kirche zu arbeiten, besonders die Jugend solle zum Singen angeregt werden. Auch Georg Mancelius, wenn er mit den Letten über die Schulen sprach, hob das Erlernen des Singens als eine ihrer wichtigsten Aufgaben hervor: Wenn Gott dir so viel gegeben hat, dass du dein Kind in die Schule schicken kannst, dann soll dir nicht das dafür ausgegebene Geld Sorge machen: in der Schule kann er lernen zum Gott beten, Gottes Lieder singen, das Buch lesen und dann auch den anderen vorlesen.101

In dem ersten deutsch-lettischen Wörterbuch (1638) stehen neben dem Stichwort singen / dziedāt noch folgende Wörter: dziedātājs (Sänger), līdze-dziedāt (mitsingen) und priekšā dziedāt (vorsingen)102. In dem Kapitel „Von Kirchen und dero Gerähte“ sind dem Lied und Singen sogar mehrere Absätze gewidmet: dziedāt (singen), dziesmis (ein Gesang), vāciske (deutsch), latviske (lettisch), leitiske (litauisch), igganiske (estnisch) dziedāt (singen), māki tu dziedāt? (kannst du singen?), palīdzi dziedāt (hilf mir singen), tam ir skanīga balss (er hat eine helle Stimme), šis nemāk ne nieke dziedāt (er kann nichts singen).103 All das könnte auf die bedeutende Rolle des Liedes im Gottesdienst hinweisen. Hinsichtlich der Einstellung der Letten selbst dem Singen in der Kirche gegenüber 99 „… kad tu liecies priekš ļaudīm Dievam kalpojot, baznīcā ejot, Dievu pielūdzot, Dieva dziesmas dziedājot“. In: Mancelius, Georg: Langgewünschte Lettische Postill / Das ist: Kurtze und Einfältige / jedoch Schriftmässige Außlegung und Erklärung der Sontäglichen und vornehmsten Festevangelien / so im Fürstenthumb Cuhrland und Semmgallen / auch im überdünischen Liefflande / so weit die Lettische Sprache sich erstrecket / gelesen werden. Theil II. Riga 1654, 151. 100 Staatliches Historisches Archiv Lettlands, nr. 631, apr. nr.1, lieta nr. 9.  Kirchenvisitation Durbe 1609, 13. 101 Mancelius, Georg: Langgewünschte Lettische Postill (s. Anm. 99), Theil. II, 401 (381). 102 Mancelius, Georg: Lettus (s. Anm. 13). Erster Theil. [o. S.]. 103 CAP. XXXI. In: Mancelius, Georg: Lettus (s. Anm. 13). Ander Theil. Phraseologia Lettica. [o. S.].

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konnten bis heute keine konkreten Hinweise gefunden werden. Und dennoch – die Predigt könnte den lettischen Kirchgängern schon genügt haben, sie könnten danach aufgestanden sein, um die Kirche zu verlassen, warum denn sonst hätte Georg Mancelius in einer lettischen Predigt gesagt: Willst du, Vater und Mutter, dass dein Kind Gott zu Ehren aufwächst, dann bleib so lange im Gotteshaus, bis alle Lieder gesungen sind.104

Das Können im Singen verbesserte sich Anfang des 18.  Jahrhundert, als der Übergang auf die neuen, rhythmisierten Lieder abgeschlossen war und den Hauptteil der lettischen Gesangbücher die Lieder bildeten, die von Fürecker und seinen Nachfolgern aus dem Deutschen übersetzt, in seltenen Fällen von ihnen selbst verfasst wurden und in denen Hinweise auf die jeweiligen Melodien der deutschen Lieder enthalten waren. Wie erfolgreich dieser Übergang war, konnte man schon 1685 sehen, als das Gesangbuch zum ersten Mal durch eine größere Anzahl von Füreckers Liedern ergänzt wurde. In der Einleitung schrieb Heinrich Adolphi, das Oberhaupt der kurländischen Kirche, folgendes: […] ein herrliches Gesang=Buch Reim=weise verfertiget, deßgleichen noch nie in Lettischer Sprache gesehen worden / worinnen sonderlich ein zierliches und ungezwungenes verständliches Unteutsch zufinden ist. [..] von meinen Zuhören / mit so grosser Begierde entgegen genommen / daß Sie nicht allein den Text / da Ihnen eines nur etliche mahl vorgelesen worden / bald behalten / sondern auch hernach die Melodey/ (welche sonst den meisten Lettischen recht nachzusingen eine Unmögligkeit zu seyn scheint/) so wol gefasset / das auch die jenigen Teutschen / denen vor dem die armen Leute mit ihren Thun gar verdrießlich gewesen / so eine hertzliche Freude darauß geschöpffet / daß Sie wieder vorige Gewohnheit / dem Lettischen Gottesdienste / mit grosser Vergnügung fleissig beygewohnet.105

104 „Gribi tu, tēvs un māte, ka tavam bērnam Dievam par godu uzaugt būs, tad paliec tik ilgi Dieva namā, kamēr visas dziesmas izdziedātas“. In: Mancelius, Georg: Langgewünschte Lettische Postill (s. Anm. 99), Theil 1, 133. 105 Vorrede: Dem Durchläuchtigsten Fürsten und Herrn Friedrich Casimir, Christlicher und in Christo geliebter Leser. In: Vermehretes Lettisches Hand=Buch Ehmals Durch den Weyl:WolEhrwürdigen und Hochgelahrten Hrn. GEORGIUM MANCELIUM, SS:Theol:Licentiatum und HochFürstl:Curländischem Hoff=Predigern außgegeben: Hernach Durch den Weiland Ehrenfesten und Wolgelahrten Hn:CHRSTOPHORUM FÜRECCERUM, SS: Theol: Studiosum, Auffs fleissigste von vielen Sprach=Fehlern gesaubert / mit der Historia CHristi, einem Theil Davidischer Psalmen, hohen Fest=und etlicher Zeit=Gebeter / fürnehmlich aber / mit einem / in reine Verse übersetztem Gesang=Buche vergrössert / Und nunmehro in einer gutbefundenen und richtigen Schreib=Art mit Beyfügung eines vollständigen und auff den Zustand der Lettischen Einwohner gerichteten Gebet=Buchs außgefertiget von HENRICO ADOLPHI, Der Herzogthümer Curland und Semgallen Superintendente, und in der HochF:Residentz Mitau / zur Heil:Dreyfaltigkeit Ober=Pastore. Mitau: Radetzky 1685, [o. S.].

Pietismus und Dadaismus Das „Geheimniß=volle Triumph-Lied“ aus Gottfried Arnolds zweitem Teil der Göttlichen Liebesfunken von 1701

Wolfgang Herbst

Das Geheimnisvolle Triumphlied, das Gottfried Arnold in den zweiten Teil seiner „Göttlichen Liebesfunken“ 17011 aufgenommen hat, sorgt seitdem in der literarischen und hymnologischen Öffentlichkeit für Ratlosigkeit. Dabei ist erstaunlich, dass es nach dem Erstdruck nie vollständig veröffentlicht worden ist, sondern immer nur in wenigen Beispielstrophen zitiert wurde. Meist war es die Absurdität dieser Strophen, die besonderes Interesse fand. Der Text des Geheimnisvollen Triumphliedes wird im Folgenden zum ersten Mal vollständig dargeboten, in seine Strophenform gebracht und kommentiert. Als Vorlage diente das Exemplar in der Thüringischen Landes- und Universitätsbibliothek Jena. Aber zunächst zur Entstehung des Gedichtes mit seinen 56 Strophen: Im Fürstentum Waldeck soll um 1720 ein neues Gesangbuch eingeführt werden. Dabei will man nicht nur die altehrwürdigen, sondern auch neue Lieder in das Gesangbuch aufnehmen, aber gerade die sind umstritten. Im Fürstentum hatte es schon bittere Auseinandersetzungen zwischen Pietisten und der Obrigkeit gegeben. Die haben tiefe Spuren hinterlassen und endeten mit einem Verbot des Pietismus durch die Waldecksche Regierung. Wenige Jahre zuvor war in Halle an der Saale ein berühmtes und erfolgreiches Gesangbuch erschienen, das „Geist-reiche Gesang-Buch“, 1704 herausgegeben von Johann Anastasius Freylinghausen. Das hätten die Waldecker Pietisten gern übernommen. Aber die Regierung beschließt, sich zuvor an prominenter Stelle Rat zu holen, weil dieses Gesangbuch umstritten ist. So bittet sie 1713 die Theologische Fakultät zu Wittenberg, die seit Luthers Wirken als Wächterin der Rechtgläubigkeit gilt, um ein „Bedenken“, das heißt: ein Gutachten über das Hallesche Gesangbuch. Solche Gutachten gehörten zu den Aufgaben der Fakultät. Sie waren kostenpflichtig und „bildeten eine nicht unwichtige Einnahmequelle der Fakultät.“2 Die theologische Schiedsrichterfunktion der Wittenberger Fakultät beruhte nicht allein 1 Arnold, Gottfried: Göttliche | Liebes-| Funcken/| Auß dem | Grossen Feuer | Der Liebe Gottes | In Christo Jesu | entsprungen […] Franckfurt am Mayn 1701, Anderer Theil, 79–108. 2 Sträter, Udo: Wittenberger Responsen zur Zeit der Orthodoxie. In: Oehmig, Stefan (Hg.): 700 Jahre Wittenberg, Weimar 1995, 291.

Pietismus und Dadaismus Pietismus und Dadaismus

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auf deren Selbstbewusstsein als geistige Statthalterin der rechten Lehre Martin Luthers, sondern auch auf einer Ermahnung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen nach dem Tode Luthers. Er wies sie an, wie bisher die Eintracht zu bewahren und die reine Lehre nach innen und außen zu verteidigen. 3 Lehrabweichungen seien sofort dem Kurfürsten zu melden. Verfasser der „Bedenken“ zu dem Halleschen Gesangbuch waren der „Dechant Senior [Dekan] | Auch übrige Doctores und Professores | der Theologischen Facultät daselbst.“4 Das Urteil der Herren fiel vernichtend aus. Die Frage, ob man dieses Gesangbuch „jederman ohne besonderes Aergerniß in die Hände geben könne“, wird schließlich „anders nicht  /  als mit Nein“ beantwortet.5 Kritisiert wird vor allem der pietistische „Fanatismus“, der die mystische Verzückung und die persönlichen Glaubenserlebnisse höher bewerte als die Treue zur Schrift und zur kirchlichen Lehre. Auch die Melodien würden zur Gravität kirchlichen Singens nicht passen, weil sie auf die Stilmittel der Tanzund Unterhaltungsmusik zurückgriffen. Da ging es vor allem um den daktylischen Rhythmus, den schon Martin Opitz als ungeeignet für erhabene Gedanken angesehen hatte.6 Die Lieder sollten der „Gravität und Hoheit der Sache“ entsprechen und keine „springende und tantzende Art“ haben. Die konsequente Verwendung des Daktylus im „Geheimnisvollen Triumphlied“ stellt demnach eine Art Bekenntnis des Autors zur pietistischen Gesangspraxis dar. Außerdem wäre es nicht damit getan, so heißt es in dem Wittenberger Gutachten, die Texte auf die Reinheit der Lehre hin zu überprüfen. Auch die Personen der Textdichter sollten unter die Lupe genommen werden. Denn „es liegt in Warheit nicht wenig dran / daß man wisse / so wohl quid? als quis cecinerit?“7 Die Nennung ihrer Namen bei jedem Gesangbuchlied wäre unerlässlich. Dabei ging es den Wittenbergern nicht um hymnologische Information. An den Namen konnten sie vielmehr sofort erkennen, ob die betreffenden Liedermacher bei den Orthodoxen sozusagen auf der schwarzen Liste stehen und von vornherein theologisch verdächtig sind. Das Hallesche Gesangbuch von 1704 will aber gerade nicht von der Person des jeweiligen Liedermachers sprechen, 3 Brief des Kurfürsten vom 28.2.1546 an Bugenhagen und Melanchthon. In: Förstemann, Karl Eduard: Denkmale (1846), 130–132, Nr. 37 [H 1795]. 4 Um 1713 lehrten an der Theol. Fakultät Wittenberg folgende Professoren: Caspar Loescher (1. Professor, Vater des Dresdner Superintendenten Valentin Ernst Löscher), Gottlieb Wernsdorf d. Ä. (2. Professor, Generalsuperintendent, Verfasser einer Streitschrift gegen Gottfried Arnold), Martin Chladni d.Ä (3. Professor, Propst an der Schlosskirche), Georg Friedrich Schröer (Hauslehrer der Kinder C. Löschers, 1706 Prof. der Theologie). Großen Einfluss auf die Fakultät hatte Valentin Ernst Löscher. 5 „Der Löblichen | Theologischen Facultæt | zu Wittenberg | Bedencken | über das zu Glauche an Halle 1703. im | Waysen-Hause daselbst edirte | Gesang-Buch | eingeholt und zum Druck befördert | durch | Hoch-Gräfliche Waldeckische | zur Regierung | Verordnete Land-Drost und Räthe. | Franckfurth und Leipzig | Zu finden bey Gottfried Zimmermann 1716.“ S. 3. − Die Schrift ist an ihrem Ende datiert auf 17. Sept. 1714. 6 Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau 1624, VIII. Cap. „Von Ordnung der Wörter wie sie auch zu der Ausdruckung der Sache helffen.“ 7 Bedenken (s. Anm. 5), 9.

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sondern vom Heiligen Geist, der ohne Ansehen der Person des Dichters aus den Liedern selbst spricht, denn die geistlichen Lieder und Lobgesänge sind „aus der lebendigen und reinen Quelle des Geistes Gottes entsprungen“8. Die Professoren kritisieren weiter, es werde mit den neuen Melodien gegen die Gewohnheit des Alten und Bewährten verstoßen, wenn springende, tanzende und hüpfende Weisen mit ihren daktylischen Versen in das Gesangbuch geraten. Die alten Lieder wären in diesem Gesangbuch ohnedies nur ein Alibi für die Veröffentlichung der neuen enthusiastischen Lieder, und die wären wie „Gifft unter die Artzeney […] eingemenget“.9 Überhaupt werde bei den Pietisten in Halle der notwendige Theologenstreit und alle polemische Theologie, die ja in Wirklichkeit der Erhaltung der rechten Lehre diene und deren Reinheit verteidige, abgelehnt und durch „Indifferentismus“ ersetzt. Das sei auch in diesem Gesangbuch zu spüren. Dort liest man z. B.: Ach schaue / wie des Satans List sie jämmerlich zertrennet / Wie sichs im Zancke beist und frist / im Unverstande brennet; Wie alles in Verwirrung geht / da eins das andere nicht versteht/ und sich unnöthig zweyet.10

Einfältige Menschen würden durch solche Lieder, die nichts als Satans Werk sind, zu Schwärmern gemacht, zu Fanatikern und Ekstatikern. Sie gerieten womöglich in Trance und Raserei.11 Aber dann missachten die Wittenberger „Doctores und Professores“ in ihrem Zorn die akademischen Sitten. Sie kritisieren nämlich in ihrem Gutachten über das Gesangbuch auch solche Lieder, die aus guten Gründen gar nicht darin zu finden sind, denn die aufgeführten Beispiele waren von dem radikalpietistischen Kirchenhistoriker Gottfried Arnold, einem Lieblingsfeind der Wittenberger, im zweiten Teil  seiner „Göttlichen Liebesfunken“ 1701 veröffentlicht worden. Sie stammen nicht einmal von ihm selbst, eignen sich aber gut als Beispiele für das Verwerfliche, das angeprangert werden soll. Ein „Geheimnisvolles Triumphlied“ mit 56 Strophen wird von den Professoren als besonders verwerflich vorgeführt. Aber die Herren argumentieren ziemlich grob: Ein Buch, in dem ein dermaßen − im heutigen Sinne − surrealistisches und anarchistisches Lied abgedruckt ist, wie das „Geheimnisvolle Triumphlied“, könne nur als trüber Brunnen bezeichnet werden.12 Und aus diesem trüben Brunnen der „Göttlichen Liebesfunken“ schöpfe das Gesangbuch Freylinghausens. Der Verweis 8 Aus dem Titelblatt der „Geistlichen Lieder und Lobgesänge“ 1695. In: Busch, Gudrun /  Miersemann, Wolfgang (Hg.): „Geist-reicher“ Gesang. Halle und das pietistische Lied. Halle / Tübingen 1997, Faksimile S.65. 9 Bedenken (s. Anm. 5), 5. 10 Bedenken (s. Anm. 5), 17. 11 Dass dieses Argument nicht aus der Luft gegriffen war, zeigen die Wirkungen pietistischer Lieder auf einzelne religiös Begeisterte. Vgl. McMullen, Dianne Marie: Melodien geistlicher Lieder und ihre kontroverse Diskussion zur Bach-Zeit […]. In: Busch / Miersemann, (s. Anm. 8, 702). 12 Bedenken (s. Anm. 5), 28.

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Abb. 1:

auf das Geheimnisvolle Triumphlied hat in der literarischen Öffentlichkeit dazu geführt, dass dem Herausgeber Freylinghausen unterstellt wurde, die 56 Strophen in sein Gesangbuch aufgenommen zu haben. Gottfried Christoph Claudius, Pfarrer in Pratau (heute ein Ortsteil von Wittenberg) behauptet, Freylinghausen habe „ein langes Lied mit eingerücket, in welchem der Dichter gar nicht bey Sinnen gewesen seyn muß, oder andere Leute von Sinnen hat bringen wollen.“13 Es folgen die beiden im Wittenberger „Bedenken“ auf den Seiten 27−28 13 Claudius, Gottfried Christoph: Das entdeckte Heiligthum der Schwärmer […], Zittau 1736, 236. − Die Beurteilung des Liedes hat der Verfasser wörtlich aus dem Wittenberger Gutachten abgeschrieben.

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zitierten Strophen 6 und 32 des Liedes. Die Fehler, die ihm beim Zitieren unterlaufen sind, zeigen, dass Claudius den Originaldruck Arnolds gar nicht kennt. Das Gleiche gilt für den Direktor der Franckeschen Stiftungen August Hermann Niemeyer. Er beruft sich in einem Leserbrief in der Allgemeinen Literaturzeitung vom November 1821 auf G. C. Claudius und geht fest davon aus, dass das beanstandete Lied in ein Gemeinde-Gesangbuch aufgenommen worden sei. Nun ist gleichwohl an der Existenz eines Gesangbuchs, worin jenes sinnlose Lied enthalten ist, gar nicht zu zweifeln; auf der anderen Seite aber auch nicht zu begreifen, wie diess unter den Augen eines Mannes wie Freylinghausen […] hätte gedruckt werden können. […] Ich bitte daher alle, die vielleicht Auskunft zu geben wissen oder ein solches Gesangbuch besitzen, um unmittelbare gefällige Mittheilung, wo möglich des Buches selbst auf kurze Zeit zur Einsicht.14

So hat das Geheimnisvolle Triumphlied schon eine Rezeptionsgeschichte entwickelt, bevor es überhaupt bekannt geworden ist, und mehr als 100 Jahre später beziehen sich die Kritiker noch immer nur auf die beiden Strophen, die sie im Wittenberger Gutachten gelesen haben. Gottfried Arnold, der Herausgeber des Triumphliedes, war sich darüber im Klaren, was er den Lesern mit dieser Veröffentlichung zumutet. Er berichtet darüber im Vorwort zum 2. Teil der „Liebesfunken“ 1701: Das sehr lange Geheimniß-volle Lied hat vor einigen Jahren ein erleuchteter Mann auffgesetzet / welches sehr viele Wunder GOttes in sich begreifft / und dahero der P u b l i c a t i o n wohl werth ist. Wenn aber jemand darauß wenig oder nichts verstehen kan /  der wolle zu Hertzen nehmen was so offt in der Schrifft und in andern guten Büchern von der Hoheit Göttlicher Geheimnissen / und von der natürlichen Menschens-Blindheit und Thorheit bezeuget wird. Erleuchtete Gemüther aber werden unerinnert sehen / daß der Geist der Weißheit und Offenbahrung in dem Urheber mächtig gezeuget und gespielet habe. Welche außnehmende Göttliche P r æ r o g a t i v [Vorrecht] ihn auch von denen Gesetzen der Poesie frey und über alle niedrige menschliche Dinge erhöhet hat.15

Tatsächlich geht der Dichter mit den Gesetzen der Grammatik sehr frei um und kümmert sich kaum um die Syntax oder die Regeln von Deklination und Konjugation. Andererseits ist das Lied keineswegs völlig frei von den Gesetzen der Poesie. Das beginnt bereits mit der Strophenform. Gottfried Arnold lässt es allerdings im Fließtext abdrucken (siehe Abbildung 2), obwohl es in seinen 56 Strophen eine ziemlich konsequent durchgehaltene Form und eine klare rhythmische Struktur der einzelnen Verse hat. Alle Strophen sind mit Endreimen versehen. Das Gedicht entbehrt in seiner äußeren Gestalt jeder improvisatorischen Freiheit. In der schieren Un- oder Schwerverständlichkeit wurde damals viel 14 Anfrage und Bitte an Hymnologen und Besitzer älterer Gesangbücher. In: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 322, Dezember 1821, 847−848. − Im darauf folgenden Jahr hat Niemeyer das Triumph-Lied tatsächlich gelesen und das Wittenberger Gutachten kennen gelernt (Allg. Lit.-Zeitung Nr. 88, 1822, S. 702–703). Sein Urteil darüber ist nach wie vor negativ. 15 „Nachricht Von diesem II. Theil der Liebes-Funcken“, 5.

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Abb. 2

fach das Anzeichen göttlicher Inspiration gesehen. Deswegen neigt der Dichter dazu, manches in den Text hinein zu geheimnissen, und der Leser mag aus ihm auch allerlei Geheimnisvolles herauslesen. Für Gottfried Arnold ist es die göttliche Sophia, die sich versteht „auff verdrehete worte / und auff die aufflösung der rätzel oder dunckeln sprüche.“16 Sie heißet die Ihrigen „nach gelegenheit der umständen jetzt reden / jetzt schweigen / jetzt mit verblümten reden und dunckeln sprüchwörtern etwas vorzutragen / damit die geheimnisse allein bey de-

16 Das | Geheimniß | Der | Göttlichen | SOPHIA oder Weißheit / Beschrieben und Besungen von Gottfried Arnold, Leipzig 1700, 127.

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nen Gottsfürchtigen bleiben.“17 Für ihn ermöglichen die Obskuritäten des Gedichts demnach eine Art Arkandisziplin, bei der die göttliche Weisheit vor Ungläubigen verborgen bleibt. Derartige Unverständlichkeiten und Absurditäten ähnlicher Dichtungen haben in der Literaturkritik zu unterschiedlichen Beurteilungen geführt. Der Schriftsteller Christian August Vulpius, ein Bruder von Goethes Christiane, urteilt über die englische Mystikerin Jane Leade, mancher versuche, „sich mit allen seinem Verstande hinter das Unverständliche am besten zu verstecken […] um gesucht zu werden.“18 Diese Art Versteckspiel hat Gottfried Arnold jedoch gänzlich fern gelegen. Er hat das Unverständliche als Wunder Gottes, als Zeichen der göttlichen Eingebung und des vom Heiligen Geist inspirierten Geheimnisses verstanden, als ein Zeugnis besonders intensiver Frömmigkeit. In neuerer Zeit wurde die Frage gestellt, ob es sich bei dem Lied vielleicht um Glossolalie oder gar so etwas wie Dadaismus handele. Steffen Arndahl definiert eine „des syntaktischen Zusammenhangs und der Verstehbarkeit spottenden Sprache“ als Glossolalie.19 Nun fehlen allerdings dem Lied wichtige Kennzeichen des Zungenredens. In den 56 Strophen finden wir keine glossolalischen Lautproduktionen und keine Imitationen fremder Sprachen. Nirgends ist der Informations- oder Kommunikationswert völlig abhanden gekommen. Auch unsemantische Lautkombinationen fehlen, denn alle zunächst unverständlichen Worte und Buchstabengruppen sind letzten Endes aus dem Zusammenhang ableitbar. Die kognitive Ebene wird nirgends verlassen, und die Selbstkontrolle des Dichters ist weder reduziert noch regressiv verengt. Gottfried Arnold − oder der unbekannte Dichter selbst − hat durch das Wort „geheimnisvoll“ im Titel des Triumphliedes eine Verbindung zu 1Kor 14,2 hergestellt: „Wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist Geheimnisse.“ So mögen es damals fromme Leser des langen Gedichtes auch empfunden haben. Die obscuritas des Textes ist jedoch rational zugänglich und kunstvoll hergestellt. Sie ist absichtlich geheimnisvoll gemacht. Das erinnert an den „Kühlpsalter“ Quirinus Kuhlmanns (1651−1689), der stilistisch einige Ähnlichkeiten mit dem Geheimnisvollen Triumphlied aufweist, auch wenn Kuhlmann aus mehreren Gründen als dessen Verfasser nicht in Frage kommt. Wegen dieser Zugänglichkeit für den „rationalen Diskurs“20 eignet sich der Begriff Glossolalie nicht für die Charakterisierung des Geheimnisvollen Triumphliedes. Auch ekstatisches Singen, wie es von einer der begeisterten Mägde, der „Erfurttischen Liese“ (Anna Maria Schu 17 Arnold, Gottfried: Das Geheimnis der göttlichen Sophia (s. Anm.16), 132. 18 Vulpius, Christian August: „Mystischvisibler Unsinn und Nachrichten von der Seherin Jane Leade“. In: Curiositäten der physisch-literarisch-artistisch-historischen Vor- und Mitwelt, Bd.1 Weimar 1811, 48–49. 19 Arndahl, Steffen: Inspiration und subjektive Erfahrung. Zum Begriff des „Geist=reichen“ bei Johann Anastasius Freylinghausen und Christian Friedrich Richter. In: Busch / Miersemann (s. Anm. 8), 161. 20 Schmittem, Ralf: Die Rhetorik des Kühlpsalters von Quirinus Kuhlmann − Dichtung im Kontext biblischer und hermetischer Schreibweisen, Diss. phil. Köln 2003, 135.

Pietismus und Dadaismus Pietismus und Dadaismus

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chart) berichtet wird, kann als Vergleich kaum herangezogen werden. 21 Unserem Gedicht fehlt das spontan Improvisierende, und die theologische Reflexion beherrscht weite Teile seiner Strophen. Wir finden nirgends den Kontrollverlust des Ekstatikers und sein Außer-sich-Sein. Der logisch reflektierende Verstand ist nicht ausgeschaltet, und es gibt bei dem Dichter keinen geistigen Dämmerzustand wie bei einer Trance. Auf eine interessante Beziehung weist Traugott Stählin hin. Er erkennt in dem Gedicht „eine eigenartige Nähe zu gewissen Formen der Lyrik des 20. Jahrhunderts.“22 Er dürfte dabei an den Dadaismus gedacht haben. Natürlich sind die Prinzipien einer lyrischen Richtung des 20. Jahrhunderts nicht mit denen der Barockzeit gleichzusetzen. Die Dadaisten lehnen die traditionell bürgerliche Kultur ab. Sie kämpfen gegen das Wahre, Gute und Schöne und gegen eine missbrauchte und pervertierte Sprache. Bei Ihnen entsteht eine Antikunst, die den Unsinn als eigentlichen Sinn der Welt proklamiert. Sie pflegt den Nonsens, die Inkohärenz der Einfälle, den Mangel an Zusammenhängen, den Zufall, den parodierenden Witz und nicht zuletzt die Provokation des bürgerlichen Publikums und dessen Verhöhnung. Die Ratlosigkeit des Publikums beim Suchen eines Sinnes, beim Entdecken eines vermuteten Geheimnisses hinter den dadaistischen Gedichten bereitet den Dichtern besonderes Vergnügen. So ist das Programm des Dadaismus weit entfernt von dem, was uns im Geheimnisvollen Triumphlied begegnet. Andererseits gibt es in den Methoden und Techniken erstaunliche Ähnlichkeiten. Hier wie dort spielen klangliche Assoziationen eine große Rolle, denn auch in den Gedichten Hugo Balls, Richard Huelsenbecks oder Hans Arps werden Wörter klanglich variiert oder in Silben zerlegt. Aber das Verfahren hat bei ihnen den Zweck, den Wortsinn zu entfernen anstatt − wie im Geheimnisvollen Triumphlied − neue gedankliche Verbindungen herzustellen. Die Dadaisten inszenieren die Sprachlosigkeit mit den Mitteln der Sprache und später auch der Grafik. In ihren Lautgedichten werden völlig zufällige Wortbildungen, Silben- und Buchstabenkombinationen verwendet, die wie Wörter klingen, aber keine sind. Sie sollen jede Deutung oder Sinnfindung garantiert unmöglich zu machen. Beispiele hierfür sind Christian Morgensterns „Das große Lalula“ (1905) oder Hugo Balls „Karawane“ (1917). Die Dichter spiegeln Geheimnisse vor, aber ihre Mystifizierung hat keinerlei tieferen Sinn. Die Vertreter der „akustischen Poesie“ brechen das Zusammenspiel von Wort und Bedeutung auf. Sie benutzen aber die Bruchstücke nicht als Brücke für neue Sinnzusammenhänge, sondern lassen die Trümmer einfach liegen. Ihre Lautge 21 „Bisher hat sie zwar keine [neuen] Ekstasen gehabt, allein herrlich und wunderbar ist’s anzuhören, daß sie jetzo des Tages etliche hundert Verse machend, mehrenteils aus dem Fenster guckend, in herrlichen Melodien absinget.“  – Miersemann, Wolfgang: Auf dem Wege zu einer Hochburg „geist-reichen“ Gesangs. Halle und die Ansätze einer pietistischen Liedkultur im Deutschland des ausgehenden 17. Jahrhunderts. In: Busch / Miersemann (s. Anm. 8), 41. − Hierzu auch der eindrucksvolle Bericht Freylinghausens über die Ekstasen der Anna Maria Schuchart. Ebd., 118–120. − Die „herrlichen Melodien“ dürften improvisiert worden sein. (s. u. Anm. 24). 22 Stählin, Traugott: Gottfried Arnolds geistliche Dichtung − Glaube und Mystik. Göttingen 1966, 120.

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dichte sind „sprachliche Gebilde ohne semantischen Ballast“ (Reinhard Döhl). Im Geheimnisvollen Triumphlied dagegen haben die Wort- und Silbenmontagen allesamt Sinn und führen zu neuen Gedankenverbindungen (z. B. „landiersch“ 25,5; „Pabgrund“ 28,12; „Kehrufix“ 32,6; „Seruf“ 55,12). Sie entbehren im Gegensatz zu den Schöpfungen der Dadaisten jeglicher Ironie. Aber hier wie dort werden Satzteile ausgelassen, werden Deklination und Konjugation verweigert, und Sätze werden reduziert auf ihre Stichworte und Bedeutungsträger. Oft wird auf Füllwörter, Relativpronomen und Konjunktionen verzichtet. Die Entstehungszeit des Triumphliedes deutet nach dem Zeugnis des Herausgebers Arnold ungefähr auf das letzte Jahrzehnt vor 1700. Sein Verfasser ist unbekannt. Das ist kein Zufall, denn wie die Auseinandersetzungen um das Hallesche Gesangbuch von 1704 zeigen, ging es den Pietisten vor allem darum, dass der Geist Gottes aus dem Lied selbst spricht. Das erinnert an das Wort Jesu Mt 10,20 „Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Weil das geistliche Lied letztlich nicht Menschenwerk sondern das Werk des Heiligen Geistes ist, tritt der Name des Autors dahinter zurück oder wird absichtlich verschwiegen. Genau daran hatten aber die Wittenberger Professoren Anstoß genommen. Wir werden die Geheimhaltung, die Arnold walten lässt, respektieren müssen, dürfen uns aber trotzdem Gedanken über die Person des Dichters machen. Zweifellos kommt er aus Kreisen des radikalen Pietismus und steht der philadelphischen Sammlungsbewegung nahe (siehe Kommentar zu Strophe 2). Wir können feststellen, dass er über eine Bibelkenntnis auf hohem Niveau verfügt. Er verwendet auch weniger bekannte und kaum irgendwo zitierte Bibelstellen. Es deutet auf einen theologisch gebildeten Verfasser hin, dass in dem Geheimnisvollen Triumphlied reichlich Anklänge an die griechische, hebräische und sogar arabische Sprache zu finden sind. Das Griechische und das Hebräische sind dem Dichter so vertraut, dass er Worte aus diesen Sprachen in seine Wortspielereien und Assoziationsketten einbezieht und sogar solche Worte zitiert, die in der ganzen Bibel nur ein einziges Mal vorkommen. Darüber hinaus verwendet er arabische Wortformen anstatt der hebräischen (z. B. „Sina“ 11,6; „Bethlam“ 7,2), wenn ihre Silbenzahl oder ihr Reim besser passt oder wenn sie Assoziationen ermöglichen, die sonst nicht nahe gelegen hätten. Auffällig ist allerdings, dass die lateinische Sprache selten Verwendung findet. Sie galt in den Kreisen der radikalen Pietisten als die Sprache Babels, des Antichrists, der „Sekten“, Kirchen und Hochschulen. Die Nähe des Autors zu Jakob Böhmes Weltbild, seinen Zahlenspekulationen und seiner Natursprachenlehre ist an vielen Stellen deutlich zu spüren. Auch der Chiliasmus war in radikal pietistischen Kreisen weit verbreitet. Der Verfasser untermauert ihn durch eigene Berechnungen (Str. 40−41). Für das ganze Lied durchgängig ist die Abneigung gegen die orthodoxe Kontroverstheologie und stattdessen die Hinwendung zur Bruderliebe, die im Tausendjährigen Reich herrschen wird. Außerdem ist die kirchliche Gerichtsbarkeit, die über Recht und Unrecht in Lehre und Leben entscheidet, für ihn ein Stein des Anstoßes. Dass der Verfasser die Streittheologie und Rechthaberei der Orthodoxen ablehnt, ist verständlich. Aber dass er die von ihm geforderte

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Bruderliebe (Philadelphia) im Gewand der Unverständlichkeit präsentiert, um sie als vom Geist Gottes inspiriert darzustellen, sozusagen als „geist=reich“ im Sinne Freylinghausens, erinnert an ein Problem, das schon in den korinthischen Gemeinden der Urchristenheit die zurückhaltende Stellungnahme des Apostels Paulus zur Gabe der Zungenrede veranlasst hat. Paulus lehnt die Zungenrede zwar nicht ab, aber er verlangt eine Auslegung dazu, ansonsten möge der Betreffende seine Rede nur an sich selbst und an Gott richten, nicht aber in die Öffentlichkeit bringen. Auch das von Gottfried Arnold veröffentlichte Gedicht hat wegen seiner obscuritas eine Auslegung im Sinne von 1Kor 14,26 verdient, selbst wenn es mit der Glossolalie der Urgemeinden nichts zu tun hat. Wer sich dem Text des Liedes annähern möchte, der muss sich auf das assoziative Denken des Verfassers einlassen und versuchen, dessen ungewöhnlichen Gedankenwegen zu folgen, ohne an sprachlichen Kuriositäten Anstoß zu nehmen. Die Strenge in Versmaß und Strophenbau mag ein gewisses Gerüst zur Verfügung stellen, mit dem sich das scheinbar Zufällige als wohlbedacht und sorgfältig geplant zu erkennen gibt. Auch wenn in dem Lied keine Gesamtkonzeption zu erkennen ist, sind doch gelegentlich mehrere Strophen demselben Thema gewidmet oder ergänzen sich gegenseitig. Versmaß und Strophenform:23 Hebungen und Senkungen:

Reime:

Endungen: 0 (männl.) 1 (weibl.)

Zahl der Hebungen:

1

ẋxx ẋxx ẋxx ẋ

a

0

4 daktylischer Vierheber

2

x ẋxx ẋ

a identischer Reim zu Z. 1

0

2

3

x ẋxx ẋxx ẋxx ẋ

b

0

4 dakt. Vierheber mit Auftakt

4

x ẋxx ẋ

b identischer Reim zu Z. 3

0

2

5

ẋxx ẋxx ẋxx ẋ

a

0

4

6

x ẋxx ẋ

a identischer Reim zu Z. 5

0

2

7

x ẋxx ẋxx ẋxx ẋ

b

0

4

8

x ẋxx ẋ

b identischer Reim zu Z. 7

0

2

9

x ẋxx ẋ

c

0

2

10

x ẋxx ẋ

c

0

2

11

x ẋxx ẋ

c

0

2

12

x ẋxx ẋ

c identischer Reim zu Z. 9

0

2

13

Refrain: ẋxx ẋ (Halleluja)

x (ohne Reim)

0

2

14

ẋxx ẋx

d

1

2

15

ẋxx ẋx

d

1

2

16

ẋxx ẋxx ẋx

d

1

3

23 Nach Frank, Horst Joachim: Handbuch der deutschen Strophenformen. München / Wien 1980.

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Edition und Kommentar

5

10

15

Ein Geheimniß-volles Triumph-Lied. In seiner eigenen Melodey.24

1. JAuchzet / ihr Brüder! im Himmel wirds klar / Im Himmel wirds klar! Der Anblick deß HErren ist Sonne und Schild / Ist gülden im Schild; Jauchzet / es kommet das liebliche Jahr/ das liebliche Jahr! Die ewige Hütte will zeigen ihr Bild. [will zeigen ihr Bild] Die Häupter empor! Zum oberen Thor / Auff! Auge und Ohr; Die Häupter empor. Hallelujah! A und O herrschet/ JEsus uns hertzet / Ob es gleich Satan sehr schmertzet.

In den Strophen 1–5 werden noch vollständige Sätze geboten, die frei sind von Verkürzungen und dunklen Andeutungen. 1–2 Ex 24,10: Mose und seine Begleiter sahen den Gott Israels, und „unter seinen Füßen war es […] wie der Himmel, wenn es klar ist“. 3–4 Ps 84,12: „Gott, der Herr, ist Sonne und Schild.“ 1Reg 10,16 „Und der König Salomo ließ machen zweihundert Schilde vom besten Golde − sechshundert Lot Gold tat er zu einem Schilde.“ 5−6 Als „liebliches“ oder „Wunderjahr“ wurden mehrfach auf Grund von Bibelstellen errechnete eschatologische Termine bezeichnet, z. B. die Jahrhundertwenden 1600 und 1700, vor allem wird der Anbruch des Tausendjährigen Reiches so benannt.25

24 Eine eigene Melodie zu diesem Lied ist nicht bekannt. Möglicherweise ist hier auch an musikalische Improvisation gedacht, s. o. Anm.  21. − Hierzu: Grutschnig-Kieser, Konstanze: „Inspiriertes“, „inspirierendes“ und „improvisiertes“ Singen − zur Singpraxis im radikalen Pietismus. In: IAH Bulletin 2004, 127−130. − Das Geheimnisvolle Triumphlied mit seinen 56 Strophen ist in seiner Länge noch überboten worden durch einen Gesang mit 58 Strophen von Christoph Schütz (1689−1750): „Das ewige Evangelium zur Verherrlichung des Namens GOTTES und zur Bekehrung der Völcker aller Creatur verkündiget: Oder Ein Gesang Von der ewigen Gnade, Liebe und Erbarmung Gottes über alle Creatur. Ans Liecht gegeben von Christoph Schütz. Im Jahr Christi 1725.“ Dieses Gedicht ist in konventioneller Art gestaltet und enthält keinerlei Obskuritäten und „Geheimnisse.“ Als Melodie wird angegeben Wachet auf ruft uns die Stimme. 25 Schneider, Hans: Die unerfüllte Zukunft. Apokalyptische Erwartungen im radikalen Pietismus um 1700. In: Jakubowski-Tiessen, Manfred (Hg.): Jahrhundertwenden − Endzeit und Zukunftsvorstellungen vom 15. bis 20. Jahrhundert. Göttingen 1999, 187–210 – Thomas Kaufmann: Deutungen der Jahrhundertwende im deutschen Luthertum, ebd. S.73–128.

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7–8 Die ewige Hütte, die ihr Bild zeigen will (Lk 16,9: „dass sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten“), stehen für den Beginn des Tausendjährigen Reiches. – An der Stelle von Vers 8 fehlt die Wiederholungszeile aus Vers 7. 9–10 Lk  21,28: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so sehet auf und erhebt eure Häupter darum, dass sich eure Erlösung naht.“ – Gemeint ist das obere Tempeltor, das auf der Nordseite liegt (Ez 9,2). Der Prophet Ezechiel berichtet von einer Vision: „Da führte mich ein Wind zwischen Himmel und Erde und brachte mich gen Jerusalem in einem göttlichen Gesichte zu dem Tor am inneren Vorhof, das gegen Mitternacht sieht. […] Und siehe, da war die Herrlichkeit des Gottes Israels“ (Ez 8,3−4). 11 1Kor 2,9: „Es ist gekommen […] was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat.“ 13 Die mit dem Halleluja beginnenden letzten vier Verse sind ein Refrain, der ab Str.4 meistens nur noch durch ein Wiederholungszeichen (rc. = receptus) angedeutet und nur in den Strophen 41, 45, 46 und 48–56 abgewandelt wird. 14 Anfang und Ende des griechischen Alphabets haben theologische Bedeutung als Beginn der Welt mit der Schöpfung und Ende der Welt im Gericht. Apk 1,8: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist, der war und der kommt.“ 15 Cant 2,6: „Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich.“ Der in die Brautmystik eingegangene Gedanke aus dem Hohen Lied kehrt auch in Str. 12 wieder. 16 Die Vorstellung, dass der Satan nicht nur wütet und zornig ist, sondern auch Schmerz leiden muss, findet sich in Apk 20,10, wo der Teufel gequält wird Tag und Nacht. Ähnliche Schmerzen bereitet man ihm in der Sakralarchitektur: Als Figur an Kapitellen muss er täglich der Messe beiwohnen oder er wird als Fratze auf Orgelpfeifen gemalt und dadurch gezwungen, zur Ehre Gottes fromme Lieder zu singen (z. B. in Klosterkirche Steinfeld, Stadtpfarrkirche St. Andreas in Karlstadt am Main).

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2. Jauchzet ihr Himmel! die Brüder-Liebe sieget / Philadelphi sieget. Die bittre Myrr-Schmirrens wird Honig im Mund / Wird Honig im Mund / Unter dem Geist sich Pergamus biegt / Sich Hoheburg biegt / Vernunfft und Buchstaben tritt Liebe zu Grund / Tritt Liebe zu Grund. Verborgenes Brodt / vertreibet den Todt / Nur eines ist noth/ verborgenes Brodt! Hallelujah! [weiter ausgeschrieben wie Str. 1, Zeile 14–16]

1−2 Der Sieg der Bruderliebe ist das Generalthema des ganzen Triumphliedes. Nach Mt 24,31 werden sich am Ende der Tage die Auserwählten Gottes aus allen Enden der Welt versammeln. Das Wort Bruderliebe φιλαδελφία ist zugleich eine Anspielung auf die Philadelphische Sammlungsbewegung. Die englische visionäre Ekstatikerin Jane Leade (1623−1704) gründete 1694 in London eine „Philadelphische Sozietät“, in der sich alle, die es mit ihrem Seelenheil ernst meinen, unabhängig von allen theologischen Differenzen vereinen sollten. Ihre auf die spirituellen Spekulationen Jakob Böhmes zurückgehenden Gedanken waren im radikalen Pietismus weit verbreitet. Auch in Deutschland gab es zahlreiche Philadelphier-Gemeinden. 3–4 „Sie gaben ihm Myrrhe im Wein zu trinken“ (Mk 15,23). Schmirrens= Schmiere.

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5−6 Pergamus: Hauptsitz des Zeus- und Asklepioskultes mit dem berühmten Zeusaltar auf dem hohen Burgberg „da des Satans Stuhl ist“ (Apk 2,12−13). Unter dem Geist der Bruderliebe biegt sich der heidnische Kult. 7−8 Die Liebe tritt den Vernunft- und Buchstabenglauben zu Grund (= zu Boden). 9−12 „Verborgenes Brot“: Apk 2,17 „Wer überwindet, dem will ich geben von dem verborgenen Manna“, der geheimnisvollen Gnadengabe Gottes, vgl. dazu Joachim Neanders Lied Eitelkeit! Eitelkeit! was wir hier sehen, Str. 5: Christen genießen verborgenes Brod / Welches ist ihr hochgelobeter GOtt.26 16 vgl. zu 1,15.

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3. Herrlich / HErr / bistu im güldenen Kräyß / Im güldenen Kräyß / Du König der Leuchter / wie strahlet dein Licht/ Wie strahlet dein Licht! Liebe du wandelst so schön und schneeweiß / So schön und schneeweiß / Macht siebenmahl lauter im Kirchen-Gericht / Im Kirchen-Gericht / Du theureste Zier / ach nimm mich doch mir/ und gib mich doch dir / du theureste Zier. Hallelujah! [weiter ausgeschrieben wie Str. 1, Zeile 14–16]

Die Strophen 3−9 sind Gebete. 1–2 Der „goldene Kreis“ (Tiphereth) ist das Zentrum des jüdisch-kabbalistischen Lebensbaumes und symbolisiert die Aufrechterhaltung des Daseins, die Pracht, Verherrlichung, Schönheit und Harmonie. 3–4 Apk 1,12: „als ich mich wandte, sah ich sieben goldene Leuchter“; Sach 4,2: „Und siehe, da steht ein Leuchter, ganz aus Gold.“ 5−6 Ps 51,6: „Wasche mich, dass ich schneeweiß werde.“ 7–8 Thema ist die Unschuld vor den kirchlichen Richtern. Wer vor ihnen steht spricht im Auftrag des Herrn, und seine Worte sind „lauter wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal“ (Ps  12,7). − „Die Rolle der Siebenzahl als numerus perfectus et sacratus wird grundsätzlich vorausgesetzt.“27 vgl. 7 Gaben des Hl. Geistes, 7 Vaterunser-Bitten, 7 Arme des Leuchters, 7. Tag als Ruhetag u. a. 10−11 Die beiden Verse stammen aus dem täglichen Gebet des schweizerischen Mystikers Nikolaus von Flüe (1417−1487), genannt Bruder Klaus: „Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“ Dieses Gebet findet sich auch bei Jakob Böhme und war bei den Lutheranern beliebt.28 26 A & Ω. JOACHIMI NEANDRI Glaub= und Liebes=Ubung. Wesel / Duisburg / Frankfurt 1686 (DKL 168609), 69. Das Lied steht auch in späteren Gesangbüchern, z. B. Porst, Johann: Geistliche und liebliche Lieder. Berlin 1868, Nr. 743. 27 Meyer, Heinz / Suntrup, Rudolf: Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen. München 1987, Spalte 480. 28 Böhme, Jakob: Der Weg zu Christo, verfasset in neun Büchlein, Das 1. Von wahrer Buße. Amsterdam 1682, 12. − Johann Heermann im Lied Herr Jesu Christe, mein getreuer Hirte Str.7: Nim mich mir, gib mich dir eigen in: FT I, 337 – Paul Gerhardt im Lied O Häupt voll blut und wunden Str.9: Wann ich einmal sol scheiden / So scheide mich von mir. in: FT III, 467. − Salomo Franck im Text zur Bach -Kantate „Nur jedem das Seine“, BWV 163 (Duett mit Choral: „Nimm

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4. Wunderbahr bistu im heiligen Rath / im heiligen Rath / Die Tieffen der Gottheit ergründet dein Geist / ergründet dein Geist / Siebenfach zirckelt dein himmlisches Rad/ Dein himmlisches Rad / Den Sternen-Lauff / welchen die Rechte beweist / Dein Hand Recht beweist. Geheimniß-Bericht / ein Engel-Gesicht / O grosses Gewicht / Geheimniß-Bericht. Hallelujah! A und O /  rc.

1−2 Mit dem „Du“ ist noch die Liebe aus Str.3 gemeint. − Vom heiligen Rat ist in Dan 4,14 im Zusammenhang mit Nebukadnezars Traum die Rede: „Solches ist im Rat der Wächter beschlossen und im Gespräch der Heiligen beratschlagt, auf dass die Lebendigen erkennen, dass der Höchste Gewalt hat über der Menschen Königreiche und gibt sie, wem er will, und erhöht die Niedrigen zu denselben.“ Der Geist der Liebe ist Mitglied im heiligen Rat. 3–4 1Kor 2,10: „Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.“ 5−6 Der Verfasser findet ständig neue Assoziationen durch Veränderung einzelner Buch­ staben (Rat ▸ Rad). Solche Gedankenverbindungen durchziehen das ganze Lied. Zur Siebenzahl s. o. zu 3,7. − Im Anschluss an die Visionen Ezechiels von den frei aufgehängten Rädern (Ez 1,15; 10,9 ff.) kamen im Mittelalter vielfältige Spekulationen auf. Der Gedanke eines mystischen siebenfachen Rades stammt von dem mallorcinischen Philosophen Ramon Lull (1232−1316), dessen Werke seit etwa 1500 gedruckt vorlagen. Er konstruierte sieben um ein Zentrum drehbare unterschiedlich große Scheiben, auf deren Rändern Wörter und Begriffe standen, die durch das Drehen der Scheiben ganz unterschiedlich einander zugeordnet werden konnten. Diese Radkonstruktion übernimmt Jakob Böhme und baut sie in seine spekulative Lehre von der Entstehung des Kosmos ein: „Dan die Gottheit ist gleich wie ein Radt / daß sich mit seinen fälgen und speicheln / und mit sampt der Naben umbwendet / und daß in einander gefälget ist als wie 7. Räder / daß es kan ohne umbwendung für sich und hinter sich / so wol über sich / unter sich und neben sich gehen. − Da man immer die gestalt aller 7. Räder und die Einige Nabe in mitten in alle 7. Räder recht siehet / und doch nicht verstehen kan / wie das Radt gemacht ist / sondern man wundert sich immer ob dem Rade / in dem sichs immer wunderlicher erzeiget mit seinem auffsteigen / und bleibet doch auch nur an seiner stelle. − Auff eine solche arth wird die Gottheit immer gebohren / und vergehet doch auch keinmahl / und auff eine solche arth wird das leben in Engeln und Menschen auch immer gebohren.“29 7–8 Apk 1,20: „Das Geheimnis der sieben Sterne, die du gesehen hast in meiner rechten Hand […] sind Engel der sieben Gemeinden.“ – Die „Rechte“ [Hand] wird umgedeutet: Die Hand beweist es zu / mit Recht, weist auf das Recht hin. − Wiederholung desselben Wortes in anderer Bedeutung (Diaphora). mich mir und gib mich dir!“). – Stirnimann, Heinrich: Der Gottesgelehrte Nikolaus von Flüe, Fribourg 1981,131–133. 29 Böhme, Jakob: Morgen=Röte im Aufgangk. Das ist: Die Wurtzel oder Mutter | Der PHILOSOPHIÆ, ASTROLOGIÆ und THEOLOGIÆ […]. (Erstdruck 1612) Amsterdam 1656, 319.

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9−12 Geheimnis-Bericht / Engel-Gesicht / großes Gewicht: 1Tim  3,16: Das gottselige Geheimnis ist erschienen den Engeln. Die Engel der sieben Gemeinden in der Provinz Asien werden in Apk 2 und 3 angeschrieben und in ihrer geistlichen Situation beurteilt. Für den Verfasser haben diese Gemeinden trotz ihrer Mängel als Vorbilder für Europa „großes Gewicht.“ 14 rc.= receptus, wie gewohnt. Der Schluss mit den vier letzten Versen soll auch hier wie in den folgenden Strophen als Refrain wiederholt werden.

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5. Anfangs und Endes Geburth ist in dir / Geburth ist in dir. Ein JEsus-Held / JEsu-El mächtig gegrüst / El mächtig gegrüst. Schönstes Lieb / Weißheit-Kind / wohne bey mir / Kind / wohne bey mir. Dein ewiger Blitz-Pfeil macht alle Feind wüst / macht alle Feind wüst. Die Brüder erfreu / die Mutter verneu / die ewige Treu / die Mutter erfreu. Hallelujah / rc.

1–2 Anfang und Ende: Α & Ω. s. o. zu 1,13. − Geburt: „Also nahe ist dir GOTT / daß die gebuhrt der heiligen Dreyfaltigkeit auch in deinem hertzen geschicht / es werden alle 3. persohnen in deinem hertzen gebohren /  GOTT Vater / Sohn Heiliger Geist“ (Jakob Böhme, Morgenröte, s. Anm. 29, 159). 3–4 Das Kind der Liebe von Str. 2−4 ist Jesus, der hier als Held begrüßt wird. Ps 89,20: „Ich habe einen Helden erweckt, der helfen soll.“ − Die Schreibweise JEsu-El soll Jesu Verbindung mit Gott (El ‫)אל‬ ֵ unterstreichen. Die Anspielung auf den Gottesnamen durch die Endung „el“ begegnet uns auch in späteren Strophen. Wir finden „Jesuel“ auch bei Quirinus Kuhlmann (1651−1689) in seinem „12. Kühlpsalm“, allerdings mit einer anderen Ableitung der Namenskombination. Er versteht sie als Zusammenführung von „Jesus“ und „Israel“. Die Christen werden von ihm deshalb „Jesueliter“ genannt. 5–6 „Das Kind wuchs auf und ward stark, voller Weisheit“ (Lk  2,40). − Die Weisheit (Sophia) spielt als femininer Aspekt Gottes, als seine Hypostase, eine besondere Rolle in der „Sophienmystik“. Sie ist durch Jakob Böhme in die Frömmigkeit des Protestantismus eingeführt worden und geht zum großen Teil auf das apokryphe Buch der Weisheit Salomos zurück. − Wohne bei mir: „Dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen“ (Eph 3,17). 7–8 Mt 24,27: „Wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und leuchtet bis zum Niedergang, so wird auch sein das Kommen des Menschensohns.“ 9−12 Die Verse 9−12 beziehen sich auf Cant 1,8 „Meiner Mutter Kinder zürnten mit mir.“ Der Vers wurde auf die alte Mutter Kirche gedeutet, die den Frommen wegen deren Treue zürnt und die samt ihren Kindern erneuert und zur ewigen Treue geführt werden soll, wenn die Feinde erst einmal vernichtet sind. Gottfried Arnold dichtet dazu: „Der alten mutter alt geschlecht |Von mißgunst angetrieben | Verfolgte mich durch scheinbar recht: | Du bist ja, hieß es, blieben | Bey unserm theil so lange zeit, | Trotz, der dich nunmehr von uns scheidt, | Als unflath uns zu meiden! | Hier hastu ehr und freuden.“30 30 Arnold, Gottfried: Poetische Lob- und Liebes-Sprüche von der Ewigen Weißheit nach Anleitung des Hohenliedes Salomonis, Lied Nr.  XI: Hohe-Lied Cap. I. V. 6. „Meiner mutter kin-

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6. Gegone /  Jesse Blüth / Amen-Geschlecht / ja! Wahrheits-Geschlecht / Gebohrnes Je! gone Kind! je und je Held! Kind / je und je Held! Je Jo nä Ewigs jo / ja O / ja Recht / jo / jo / ja ho / Recht. Geist Hao / Vermehrer und hauchen der Welt / Anhauchen der Welt / Geh künfftiger Welt / blitzt donnernder Held / bring Vatter der Welt / Erkommender Welt / Hallelujah / rc.

Von dieser Strophe an, die im Wittenberger „Bedenken“ als besonders sinnlos zitiert wird, nehmen die Assoziationen zu, und die Sätze sind weder vollständig noch grammatikalisch korrekt. Auf den ersten Blick könnte man vor allem die Verse 5 und 6 für Teile eines dadaistischen Lautgedichtes halten. 1−2 Der Autor beginnt mit dem Wort „gégone“ von griechisch γίνομαι / γίγνομαι (entstehen, gezeugt werden). In Mt 1,22 lesen wir Τοῦ �το δε` ο῞ λον γέγονεν „Das alles ist geschehen, damit erfüllet würde“. Der Verfasser benutzt jedoch das Wort als deutschen Vokativ: Gégone! Du Geschehener! Du Gezeugter! weil der Adressat der Strophe das Jesuskind ist. Die Buchstaben des griechischen Wortes werden im Folgenden zum assoziativen Spielmaterial. − Die Silbe „Ge“ führt zu dem Wort „Geschlecht“. Amen-Geschlecht ist das Geschlecht dessen, „der da Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge“ (Apk 3,14). 3−4 Aus der Silbe Ge von gégone wird die Silbe Je von Jesse (Vers 1: Jesse Blüth, Jes 11,1), damit das Jesuskind ins Wortspiel gebracht werden kann, und das ist „je und je“ (von jeher) ein Held. Dabei wird angespielt auf Ps 89,20 „Ich habe einen Helden erweckt, der helfen soll.“ Das Kind ist der erwartete Held. 5−6 Aus „gégone“ wird durch den Wechsel von g zu j „je jo nä“. Die Konsonanten und Vokale des griechischen Wortes werden zu Anknüpfungspunkten für weitere Assoziationen. Das Je ist das geborene Kind aus dem Stamm Jesse (Vers 1). Der mittlere Vokal von gégone − das O − wird besonders herausgehoben: „Ewigs Jo“. Die Buchstaben J und O (Ω) bedeuten nach Vers 5 „Ja Ewigkeit.“ Dabei ist es dem Dichter gleichgültig, ob es sich im griechischen Ursprungswort um ein Omikron oder ein Omega handelt. Er ist an orthografischer oder grammatikalischer Korrektheit nicht interessiert. Der Herausgeber Gottfried Arnold stellt im Vorwort fest, dass der Dichter des Geheimnisvollen Triumphliedes durch göttliches Ausnahmerecht „von den Gesetzen der Poesie frei und über alle niedrige menschliche Dinge erhöhet“ sei weil „der Geist der Weisheit und Offenbarung in dem Urheber mächtig gezeuget und gespielet habe.“ − Das Wort „Recht“ beinhaltet nicht nur das, worauf der Mensch einen Anspruch hat, sondern auch das, was Gott von ihm erwartet, seine Anordnungen und Gebote, das Normen setzende göttliche Recht („auf dass sie in meinen Sitten wandeln und meine Rechte halten und darnach tun“ Ez 11,20). − Der Vers 6 leitet zum folgenden Vers über, denn da wird der Buchstabe h eingeführt, „ja ho“. Was er bedeutet, erfahren wir in Vers 7. 7−8 Das H ist das Anhauchen der Welt. Es ist nicht nur ein Buchstabe des Alphabets, sondern das physische Hauchereignis, das in der Natursprachenlehre Jakob Böhmes die Verbinder zürnen oder streiten wider mich“ Strophe 2. In Ders.: Das Geheimnis der göttlichen Sophia (s. Anm. 16), 9.

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dung zur Sophia schafft, denn Hauch und Hall sind die Eingangstore, die zum Buchstaben, zum Wort, zu seiner Bedeutung und zum Geheimnis hinter dem Wort führen. Sie haben direkten Bezug zur Schöpfung, bei der dem Menschen der Lebensatem in die Nase geblasen wird (Gen 2,7), und zum Auferstandenen, der seine Jünger durch Anhauchen heiligen Geist empfangen lässt (Joh 20,22). Das Schöpfungswort Gottes ist bei Böhme das Urbild der menschlichen Sprache. Das „ja ho“ von Vers 6 meint deshalb „ja Hauch der Ewigkeit“. Der Geist ist darüber hinaus das Hauchen von Anfang bis Ende, von Alpha bis Omega, vom Schöpfungsbeginn bis zur Ewigkeit, „Hao.“ Wer dieses Wörtchen laut liest, führt den Hauch auch körperlich aus. 9−10 Aus Je von Jesse wird wieder Ge von gégone. Das angehängte h stellt die Verbindung zum Hauch Gottes her. „Geh“ in Vers 9 bedeutet demnach: Geborener der künftigen Welt und Hauch Gottes. In dieser Bedeutung kehren die drei Buchstaben auch in weiteren Strophen wieder. − Die Blitze und Donner beziehen sich auf Apk 4,5: „Von dem Stuhl gingen aus Blitze, Donner und Stimmen“ vgl. 5,7. 10−11 Der Geborene soll als donnernder Held auch der Vater der kommenden Welt sein. Hier ist das Tausendjährige Reich gemeint, mit dessen genauer Datierung sich der Verfasser in späteren Strophen befasst. − Der Satzbau ist unvollständig, und es fehlen die syntaktischen Verbindungen der Satzteile. Das göttliche Ausnahmerecht macht den Dichter auch hier frei von den Gesetzen der Poesie und der Rhetorik.

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7. Alpha /  mein Abba der war / sagt Belam / der wahr sagt Bethlam / Der Geist geht auß von dir / Ben Sohn / du bist Beth / Mein Wohnhauß / Ruh-Bett. JEsu Lamm / Alphens Ruh-O! Davids Stamm / Ruh O Davids Stamm. Ruch-Olam! du ewiger Geist / O Lamm rett’/ Geist Olam errett’/ Eyl JEsu / Heyl Els / der ächzende Felß/ Komm Hülff Israels / eyl / geh du Heyl Els. Hallelujah / A und O herrschet / rc.

1–2 Die Assoziationskette führt vom Αlpha in Richtung Omega. Dabei wird aus Alpha zunächst Abba (aramäisch: Vater, Papa), dann folgt Belam. Gemeint ist Bileam (Bilam ‫ִּבלְ עָ מ‬ Num 22,5), ein Wahrsager („der wahr sagt“, Vers 2), der nach Num 22−23 das Volk Israel im Auftrag des Moabiterkönigs Balak verfluchen sollte, es aber auf Befehl JHWHs segnen musste. Der Verfasser wählt hier die arabische Bezeichnung für Bethlehem (beth lahm), damit er eine Überleitung zur Assoziation von „Lamm“ (Vers 5) zur Verfügung hat, wie schon bei dem Wort Belam. Die Assoziationskette setzt sich fort: 3–5 Ben ▸ Beth ▸ Bett. Belam ▸ Bethlam ▸ Jesu Lamm ▸ Ru[a]ch-Olam (‫)רּוח עֺולָ ם‬ ַ ewiger Geist. Aus hebr. Olam wird „O Lamm [Gottes]“. − „Alphens Ruh-O!“: Das Alpha führt zur ewigen Ruhe im Omega. 6−7 Ruh-Bett ▸ Ruh-O ▸ O Davids Stamm ▸ Olam ▸ O Lamm. Das Lamm ist der Gestalt gewordene ewige Geist Gottes. 9–12 Eyl ▸ Heyl Els (Gottes): „Eile, Jesus, Heil Gottes!“ Jesus, das Heil Gottes, möge sich mit seiner Wiederkunft beeilen. In dem Lied Moses Dt 31,30–32,44 wird Gott selbst als der Fels bezeichnet („Preist die Größe unseres Gottes! Er heißt ‚der Fels‘“), der Israel zu Hilfe kommt, auch wenn er unter dessen Untreue leidet und lieber strafen möchte.

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12 Das Wort „geh“ nimmt den Gedanken von 6,9 wieder auf und meint zugleich, er soll sich eilig auf den Weg machen.

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8. Gürt mit dem Liebes-Gold uns um die Brust / Rein Gold um die Brust / Vollend uns zu dir in das seeligste Eins / O seeliges Eins. Flammendes Auge / tilg alle Welt-Lust / Tilg alle Welt-Lust / Durchforsche uns gründlich und laß nichts gemeines / Und laß nichts gemeines. Schneeweisse Haarwoll / Entsündigungs-Woll / Tilge / lindre den Groll / Schneeweisse Lamm-Woll / Hallelujah / rc.

1–2 Apk 1,13: „Als ich mich wandte, sah ich […] einen, der war eines Menschen Sohn gleich, […] der war begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.“ 3−4 Joh 17,11: „Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, […] dass sie eins seien gleich wie wir.“ − Das „Eine“ ist im neuplatonischen Verständnis die Quelle und Kraft, aus der alles Seiende stammt, das unbeschreibliche, einfache und oberste Urprinzip. „Die Eins ist der von den Zahlen selbst zu unterscheidende Seinsgrund der Zahlen […] Zugleich ist die Eins das unteilbare Eine als ein Ganzes, das aller multitudo vorausgeht.“31 Gott als die ewige Einheit ist auch ein zentraler Gedanke Jakob Böhmes (Theosophische Fragen 1,1−3). 5−6 Apk 1,14: „… seine Augen [waren] wie eine Feuerflamme.“ 2Petr 1,4: „… so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt.“ 7−8 Apk 21,27: „Es wird nicht hineingehen irgendein Gemeines und das da Gräuel tut und Lüge, sondern die geschrieben sind im Lebensbuch des Lammes.“ 9–10 Apk 1,14: „… und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee.“ Jes 1,18: „Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden“.

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9. Zücke dein Schwerdt / steh auff Christus! im Geist / Auff Christus im Geist! Durchhauche die Heuchler / Neid / Zanck und Betrug / Neid / Zanck und Betrug. Trenne Vernunfft-Streit den Eigen-Sinn heist / den Eigen-Sinn heist. Gib Sion den ewigen Friedens-Geruch / Geist Fried-Reichs /  Fried-Ruh / Davidischer Bund / Friedliebender Mund / Auß Sion sey kund / Davidischer Mund. Hallelujah / rc.

1–2 „Zücke dein Schwert“: „Dem Engel der Gemeinde zu Pergamus schreibe: Das sagt, der da hat das scharfe zweischneidige Schwert“ (Apk  2,12). Christus selbst soll von dem Schwert des Geistes (Eph 6,17) Gebrauch machen. 31 Meyer / Suntrup (s. Anm. 27), Sp. 94.

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3−4 „Hauch“ des Heiligen Geistes, s. o. 6,7. − Wortspiel Hauchen / Heuchler. Als Heuchler werden in den radikalpietistischen Kreisen die Kirchenprediger und Hochschullehrer bezeichnet, deren Kontroverstheologie auf Neid, Zank und Betrug hinausläuft. Gottfried Arnold dichtet im Gegensatz dazu über die noch unverdorbene Urchristenheit: „Hier zanckte man sich nicht / Um satz- und meinungen: das heuchlerische scheinen / Das disputir gewäsch war noch nicht eingericht.“32 5−6 Der Eigensinn führt zu Vernunft-Streit. Eine Anspielung auf die dogmatischen Streitigkeiten und Rechthabereien der Orthodoxie. − „heist“ kommt von heißen („Wer hat dich das tun heißen?“), befehlen, veranlassen. 7−9 „Gott offenbart den Geruch seiner Erkenntnis durch uns an allen Orten, denn wir sind Gott ein guter Geruch Christi […] ein Geruch des Lebens zum Leben“ (2Kor 2,14). Den Dogmen- und Lehrstreitigkeiten wird der Frieden gegenübergestellt, der in dem Bund mit David vorgesehen ist. Jes 55,3: „Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.“ 10−12 Die Botschaft aus Zion sind friedliebende Worte („friedliebender Mund“). König David wurde vor allem als Friedenskönig wahrgenommen.

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10. Eitele Hügel / ey pralet ihr noch? was pralet ihr noch? Gewonnene Berge / was rühmet ihr euch? Was rühmet ihr euch? Secten von Buchstab und Meinungen-Joch? Und Meinungen-Joch? Die Güte / nicht Opffer / will JEsus sein Reich/ Will JEsus sein Reich. Mehr Liebe als Blut / Gehorsam als Muth/ Sey unsere Hut / mehr Liebe als Blut. Halleluja / rc.

1−2 Jes 40,4: „Alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden.“ Das Hohe will sich aber in seinem Stolz nicht erniedrigen lassen, sondern prahlt mit seiner Macht. Gemeint sind die herrschenden kirchlichen und universitären Strukturen. 3–4 „Gewonnene Berge“: Mt 16,26 „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ 5–6 Röm 7,6: „… dass wir dienen sollen im neuen Wesen des Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens.“ − Als Sekten bezeichnen die Radikalpietisten auch die Katholiken, die Lutheraner und die Reformierten, weil sie sich fernhalten von der ökumenischen Einheit der Erweckten. „Drei Hauptsecten sind im Christenthum/ […] Römischcatholische / Luthrische /  Reformirte.“33 − „Meinungen-Joch“: Sie berufen sich auf Buchstaben und sind im Meinungs-

32 Arnold, Gottfried: „Vom Zustand der ersten Christen“. In: Neue Göttliche Liebesfunken und Ausbrechende Liebes-Flammen. Leipzig 1700, 282. − Arnold hatte schon 1696 eine ausführliche Begründung der Vorbildlichkeit der Urgemeinde veröffentlicht: „Die Erste Liebe Der Gemeinen Jesu Christi, Das ist, Wahre Abbildung Der Ersten Christen Nach Ihren Lebendigen Glauben Und Heiligen Leben“, Frankfurt am Main 1696. 33 Kuhlmann, Quirinus: Neubegeisterter Böhme […], Leiden in Holland 1674, Zuschrift S. 23.

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streit befangen. Die „Meinungen“ galten als das Gegenteil von „unparteiischer“ (konfessionell nicht gebundener) Bruderliebe.34 7−9 Hos 6,6: „Ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer“ und am Blut des Opfers. 10–11 1Sam 15,22: „Gehorsam ist besser denn Opfer.“ – „Hut“: Aufmerksamkeit („auf der Hut sein“).

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11. Eines vornehmlich / das andre kommt nach / Das andre kommt nach. Bißherige Streiter / wo habt ihr das Eins? Wo habt ihr das Eins? Trümmern deß Zornes in Sinai Bach / In Sina Bach / Um Wörter und Zahlen deß sinnlichen Scheins / Deß sinnlichen Scheins. Im Geist GOtt lebt / und Menschen-Sohn webt / Nach solcher Tauff strebt / im Geiste GOtt lebt. Hallelujah / rc.

1–2 Joh 17,11: „Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien gleichwie wir.“ Bisher haben sich die Theologen und Doctores gestritten, anstatt eins zu sein. „Das andre kommt nach“: Alles, was nach der Eins kommt, ist nicht mehr so wichtig. 3–4 „Bisherige Streiter“: Gottfried Arnold schreibt über sie im Vorwort zu seiner Schrift „Das Geheimniß Der Göttlichen Sophia“: „Von den disteln und dornen derer schul-zänker sind wohl weder feigen noch trauben zu lesen.“ − „Wo habt ihr das Eine?“: Was ist der Urgrund eures Wesens, die Quelle eures Verstehens? − Zu „Eins“ siehe 8,4. 5−6 Dt 9,21: „Aber eure Sünde, das Kalb, das ihr gemacht hattet, nahm ich und zerschmelzte es mit Feuer und zerschlug es und zermalmte es, bis es Staub ward, und warf den Staub in den Bach, der vom Berge fließt.“ − „Sina“: arabische Form von Sinai. Ein ähnlicher Arabismus findet sich in 7,2 („Bethlam“ statt Bethlehem). − Die Auslassung von Satzteilen (Ellipse) ist ein Kennzeichen des ganzen Liedes. 7−8 Statt der Einheit gibt es Streit um Wörter und Zahlen des sinnlichen Bereichs, während Gott im Geist lebt. Die Begriffe und Wörter der orthodoxen Theologie sind ohne den Geist nur dem sinnlichen Bereich zuzuordnen. Gott lebt nicht in ihnen. − Die Zahlen werden in der hermetisch-neuplatonischen Tradition als höhere Seinsstufen der Realität angesehen. „In den Zahlen stekken di grösesten Verborgenheiten / und kan di Schrifft nach der heiligsten Tiffe [Tiefe] nimahls recht gründlich verstanden werden / wann wir den Zahlengrund misverstehen.“35 − „Verstehst du di Zahlen/ (nemlich ihr innerliches Wesen) so verstehest du alles:“36 − „Wörter und Zahlen“ in Vers 7 bedeutet demnach: Wörter und ihr tieferer Sinn, ihr verborgenes Geheimnis. Sie nicht zu verstehen, weckt den Zorn des Herrn. 9–12 Im Geist lebt Gott und der Menschensohn. Die Einheit mit ihnen ist wie ein Sakrament (Taufe). – „weben“: lebendig sein („In ihm leben und weben und sind wir“ Act 17,28).

34 Schneider, Hans: Der radikale Pietismus im 17. Jahrhundert. In: Brecht, Martin u. a. (Hg.), Geschichte des Pietismus, Bd. 1. Göttingen 1993, 405. 35 Kuhlmann, Quirin: Neubegeisterter Böhme (s. Anm. 33), 336. 36 Kuhlmann, Quirin: Himmlische Libes=Küsse […]. Jena 1671,59.

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12. Christum dem Fleische nach kennt man nicht mehr / Erkennt man nicht mehr. Er ist der HErr Geist / geht von Nazareth weg / Von Nazareths Weg. Drum wird Nazorisch neu / Nazaren leer / Alt Nazaren leer. Auffstehende Nazor-Blüth zeiget den Steg / Blüth zeiget den Steg. Zeigt Sion sein Weib / sein Fleisch und Bein / Leib / bey JEsu ich bleib/ In Sion als Weib. Halleluja / rc.

1–2 „Ob wir auch Christus früher nach fleischlicher Weise erkannt haben, so erkennen wir ihn doch jetzt nicht mehr.“ (2Kor 5,16) 3–4 Der auferstandene Herr lebt nicht mehr in dem Ort Nazareth, sondern im Geist. Das Wort „weg“ wird zu „Weg“ (rhetorische Figur der Diaphora, Wiederholung desselben Wortes in verschiedener Bedeutung). Jesus schlägt mit seinem Weggang aus Nazareth einen neuen Weg ein. 5−6 Mt 2,23: „Auf dass erfüllet werde, was da gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoraios (Ναζωραĩος) heißen.“ Nazoraios steht hier für die prophetische Weissagung, dagegen Nazaren[os] (Ναζαρηνός, Bewohner von Nazareth) für das irdische Leben Jesu (Mk  1,24). Christus im Geist wird wichtiger als Christus im Fleisch. 7–8 „Nazor-Blüth“: Anspielung auf Jes 11,1, den messianischen Trieb aus der Wurzel Isais (Wurzelschoss, hebr. nezer ‫)נֵ צֶ ר‬.Die Vokalisierung „Nazor“ ermöglicht die Assoziationsreihe Nazareth ▸ Nazoraios ▸ Nazor. Gemeint ist Jesus, als die Blüte aus der Wurzel Jesse. 9–10 Jes 62,1−5: „Man soll dich nicht mehr ‚die Verlassene‘, noch dein Land ‚eine Wüstung’ heißen; sondern du sollst ‚Meine Lust an ihr‘ und dein Land ‚Liebes Weib‘ heißen, denn der Herr hat Lust an dir, und dein Land hat einen lieben Mann […] und wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.“ − Jerusalem (Zion) wird als die geschmückte Braut gesehen (Apk 21,1–2), die in „Fleisch, Bein, Leib“ buchstäblich „leibhaftig“ ist. 11−12 Persönliches Bekenntnis des Dichters: Er bekennt sich zu Jesus von Nazaret, aber überhöht als Zionsbraut, vgl. zu 1,15.

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13. AntiChrist-Hauffen sind anders gesinnt / Sind anders gesinnt / Lieb / Brüder-Lieb haben sie Stückweiß geübt / Eins Stückweiß geübt. Kirchenweiß / Nichts Frag / Schluß-redender Wind / Schlußredender Wind. Wahl / Sacrament / Kleider-Streit hat sie gesiebt / Streit hat sie gesiebt. So muste es seyn / beym alten Erd-Wein/ Ohn Sions Geist-Wein / So muste es seyn. Halleluja / rc.

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1–2 Die „AntiChrist-Hauffen“ sind die Heuchler, die sich auf Buchstaben und theologische Lehrsätze versteifen, und die Streitsüchtigen, die in den Strophen 9−11 angeklagt werden. 3–4 Bruderliebe und Einheit haben sie nur teilweise geübt („Jetzt erkenne ich’s stückweise“ 1Kor 13,12). Der tröstlich gemeinte Bibelspruch wird in seiner Tendenz umgedreht und als Vorwurf verwendet: Die Bruderliebe wird von ihnen nur stückweise geübt. − Zu „Eins“: siehe Str. 8,4. 5−6 Das stückweise Erkennen wird als typisch für die Handlungsweise der Kirche angesehen, es ist nach des Verfassers Meinung die „Kirchenweise“: Es gelten keine Fragen, sondern nur abschließende Entscheidungen und der Abbruch jeder Diskussion. Der Jesuit Jodocus Kedd veröffentlichte 1646 „Zwölff Schluß=Reden“ als abschließende Verurteilung der Protestanten. Als ein ähnliches Vorgehen empfindet der Verfasser die Entscheidungen der Kirchenführung. Aber sie sind nichts als Wind. 7–8 Der Streit um Wahlen (Ämtervergabe), um Sakramentsverwaltung und um prunkvolle, sozial aufwertende Gewänder hat die Kirchen ausgedünnt („gesiebt“). 9–12 Wegen der weltlichen Orientierung der Kirche ohne den Geist Gottes musste es so kommen.

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14. Friede in Sion / ja ewiger Fried / Ja ewiger Fried / Auff Sieger / auß Sion / im ewigen Sieg / Ja ewiger Sieg. Davids-Tag öffnet erst Sion im Lied / Ja Sions neu Lied. Jerusalem nennt der Davidische Krieg / Davidische Krieg / Vor hieß es Jebus / thu je und je Buß / Zertretter ihr Fuß / Hieß je und Jebus. Halleluja / rc.

1−2 In Sach 9,10 wird der Tochter Zion eine Abrüstung der Feinde und umfassender Frieden zugesagt. 3–4 Der Frieden basiert auf dem ewigen Sieg Zions, denn der Herr wird Zion gegen seine Feinde „zum Schwert eines Riesen machen“ (Sach 9,13). 5−6 Der Siegestag Davids eröffnet erst die Möglichkeit „ein Lied von Zion“ zu singen, wie es die babylonischen Unterdrücker von ihren Gefangenen verlangt hatten (Ps 137,3). 7−9 Es geht um die Einnahme der Stadt Jebus und ihre Umbenennung in „Jerusalem“. 2Sam 5,6 ff.: „Der König zog mit seinen Männern vor Jerusalem gegen die Jebusiter, die im Lande wohnten. […] David aber eroberte die Burg Zion […] So wohnte David auf der Burg und nannte sie ‚Stadt Davids‘.“ − Ri 19,10: „Der Mann […] kam bis gegenüber von Jebus − das ist Jerusalem.“ − Der alte Name Jebus wird in den Versen 10−12 gebraucht für die Assoziationskette Jebus ▸ je und je Buß ▸ Fuß. 10 „je und je“: zu allen Zeiten. Tue ständig Buße! 11 Röm 16,20: „Der Gott des Friedens zertrete den Satan unter eure Füße.“ 12 Der Zertreter „hieß je“: Jesus und dazu Jebus, (das neue bußfertige) Jerusalem.

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15. Heute sagt Davids Geist / härtet euch nicht / Verhärtet euch nicht. Wann A und O euch rufft zu seines Reichs-Lieb. Zu seines Reichs-Lieb. Viertzigmahl viertzig Jahr irrte euer Licht / Euer irriges Licht. Sind sechzehn mahl hundert im AntiChrists Trieb / In AntiChrists Trieb. Solch Stadium ist von Mose zu Christ / Von Alt- zu Neu-Christ / Solch Kämpffer Raum ist. Hallelujah / rc.

Die Strophen 15−17 sind eine Predigt zur Bekehrung und warnen vor dem Gericht. 1−2 „Verhärtet euch nicht“: Macht es nicht wie Pharao, der angesichts der ägyptischen Plagen immer wieder sein Herz verhärtete (Ex 8,28). 3−4 „Zu seines Reichs-Lieb“: Zur Liebe, die in seinem Tausendjährigen Reich herrscht. – Im Folgenden stellt der Verfasser chiliastische Berechnungen an. 5–8 Das Weltbild des Verfassers geht davon aus, dass der zeitliche Abstand von Moses zu Christus vierzigmal vierzig, also 1600 Jahre beträgt (V. 9−10). Das war eine Zeit des Irrtums und des „Antichrists Trieb“ (V.8). Die Bedeutung des Jahres 1600 als eschatologischer Schlüsseltermin wird von Apk 14,20 abgeleitet. Dort wird eine Entfernung von 1600 Stadien erwähnt, die als Zeitangabe auf die Jahrhundertwende im Jahr 1600 bezogen wird. Außerdem wird nach Apk 20,2 den islamischen Mächten, auf die man diese Bibelstelle bezieht, nur eine Herrschaftszeit von 1000 Jahren zugemessen, was wiederum auf die Jahrhundertwende 1600 hinweist. − Eine ganz andere eschatologische Begründung dieser Jahrhundertwende findet sich im Umkreis Jakob Böhmes. In der Vorrede zum Erstdruck von Böhmes Morgenröte im Aufgang (1656) wird darauf verwiesen, dass im Jahr 1600 Jakob Böhme vom göttlichen Licht erleuchtet worden ist und seine Bekehrung erlebt hat. „Darwieder hat nun GOtt viel Geistreiche Männer und sonderlich in angegangenem diesem 1600 Seculo einen von den geringsten Layen / nemlich den Seel. Jacob Böhmen erwecket“,37 und Quirinus Kuhlmann sagt über Böhme, er sei „nach etlichen Jahren / nemlich 1600. und also im anfange dises wunderjahrhundert […] vom Göttlichen anblikk ergriffen“ worden.38 9−10 Stadium (στάδιον) ist in seiner ersten Bedeutung eine Längenmaßeinheit (Apk 14,20; 21,16), hier als Zeitdifferenz von Moses zu Christus gemeint. 11 Moses und Christus sind die Schlüsselpersonen des Alten und des Neuen Bundes, deshalb wird Moses hier als Alt-Christus, das heilsgeschichtliche Analogon zu Christus, bezeichnet und Jesus als Neu-Christus. vgl. Joh 3,14: „Wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden.“ − „Wenn ihr Mose glauben würdet, so müsstet ihr auch mir glauben, denn über mich hat er geschrieben“ (Joh 5,46). 12 Dieser Vers bezieht sich auf die zweite Bedeutung von στάδιον als Rennbahn, auf der die Wettkämpfer eine bestimmte Strecke zurücklegen müssen. „Raum“ meint hier die Distanz zwischen Start und Ziel der Rennstrecke in der Arena. In diesem Vers: der zeitliche Abstand von Moses zu Christus.

37 Böhme, Jakob: Morgenröte (s. Anm. 29), Vorrede der Liebhaber, 9. 38 Kuhlmann, Quirinius: Neubegeisterter Böhme (s. Anm. 33), VI. Kapitel S. 42.

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Die Strophen 16 und 17 haben eine andere Form als alle bisherigen. Sie vertauschen lange und kurze Verse. Am Rand sind die Vergleichsverse aus der Übersicht „Versmaß und Strophenform“ (s. o.) angegeben.

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16. Was sich da setzet / Fürst / Priester / Zung / Gut Fürst /  Priesterthum Gut / Bau / Ruh und Erb bleibet im Feur Rad und Roß-Lauff. Hagar / alt Adam / Dam / Edom. Roth Blut Dom / Dame Koth / Blut. Egypten / Rom / Babel mit Sodom Vollauff / Mit Sodom Vollauff/ Der Erst-Geburth Rausch / Ehbrecher-Geräusch / Deß Hurenweins Rausch / der Erst-Geburth Rausch. Hallelujah / rc.

1 2 3 mit Endung 1 5 4 7 8 9 10 11 12

Die Wortketten (Akkumulationen) in Strophe 16 sowie in weiteren Strophen (17, 28, 33, 40, 43, 48) erinnern an die sprachphilosophische Wortkette (versus vertumnalis) bei Thomas Lansius (1577−1657) und an die Proteus-Verse Georg Philipp Harsdörffers (1607−1658).39 Beide gehören zur Tradition barocker Sprachanalyse mit den Mitteln der Zerteilung von Wörtern und ihrer maschinellen Neukombination zu anderen Wörtern und Denkformen, wie wir sie schon bei Ramon Lull finden (s. o. zu 4,5). Das Ergebnis ist in unserem Fall eine noch rigorosere Begrenzung lediglich auf Stichworte als für sich sprechende Bedeutungsträger ohne weitere verbindende Satzelemente. 1−2 Weltliche Macht (Fürst) − geistliche Macht (Priester) − Rede bzw. Predigt (Zung) − Besitztum (Gut). Thema ist hier die Christenheit, die zwar nominell lebt, aber in Wirklichkeit tot ist wie die Gemeinde von Sardes (Apk 3,1). 3–4 „Bau, Ruh und Erb“: Was erbaut und geerbt wurde und worauf man sich in aller Ruhe verlassen konnte. − „Feuerrad und Rosslauf“: Verzweiflung Elisas nach der Himmelfahrt Elias mit feurigem Wagen und feurigen Rossen (2Kg 2,12). − Vernichtung der Wagen und Reiter des Pharao bei der Verfolgung der Kinder Israels (Ex 13,28). – Hagar wurde vertrieben, und ihr Sohn ist nicht erbberechtigt (Gen 21,9). Der alte Mensch mit seinem vorherigen Wandel möge nach Eph 4,22 abgelegt werden. Edom (zweiter Name Esaus) verachtete seine Erstgeburt wie in einem Rausch (Gen 25,34) s. u. V.9. − Die assoziative Wortkette lautet hier: Adam ▸ (A)Dam ▸ Edom ▸ Sodom, sämtlich negativ besetzte Namen. Weil Esau das rote Linsengericht gegessen hat wird er Edom genannt. „Rot“ und „Edom“ haben – wie auch „Adam“ – den gleichen hebr. Wortstamm ‫אדם‬. So rot wie Blut ist Edom, zugleich steckt in seinem Namen und in dem Wort Sodom das negative Reizwort „Dom“, das kirchenkritisch mit Babel (V.6) verbunden ist. 5–7 (A)Dam wird zu „Dame“ und diese wird verächtlich („Kot“) mit Ehebruch und Hurerei (V. 10–11) in Verbindung gebracht. Dadurch passt „Rot Blut“ zu „Kot Blut“. Die Reihe negativer Personennamen wird mit entsprechenden negativ belasteten Ortsnamen fortgesetzt. Die Land- und Städtenamen stehen jeweils für Begriffe und geschichtliche Zusammenhänge (Eponomasie). Der Name Babel / Babylon ist in Dan 4,25–30 und in 39 Lansius, Thomas: CONSULTATIO de principatu inter provincias Europae | Editio tertia prioribus auctior operâ | THOMAE LANSII | TVBINGAE | typis Brunnianis. (1626), PRÆFATIO AD LECTOREM – Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter,/ Teutsche Dicht- und Reimkunst / ohne Behuf der Lateinischen Sprache / in VI. Stunden einzugiessen. Nürnberg 1647 I,50.

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der Johnnesapokalypse die Chiffre für eine widergöttliche Macht. Hier steht er für die vom rechten Weg abgekommene Kirche. 8–9 Der Erstgeburt-Rausch bezieht sich auf die Geschichte, in der Esau seine Erstgeburt verkauft hat gegen ein Linsengericht (Hebr 12,16). 10−11 Apk 14,8: „Sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt; denn sie hat mit dem Zorneswein ihrer Hurerei getränkt alle Völker.“ Ehebruch und Hurerei werden als Symbolbegriffe für den Abfall vom wahren Glauben und für die Zuwendung zu fremden Göttern gebraucht. Deswegen ist Babylon (V.6) „die Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden“ (Gen 25,33 f.).

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17. Tunckel-Furcht Flammen /  Posaunen-Gericht / 1 Posaunen Gericht. 2 Plag / Knechtschafft / Angst / Brodt mit Tod / schädliche Thier. 3 mit Endung 1 Hat ihr Mond-Schatten zum Kelch und Gericht / 5 Zum Kelter-Gericht. 4 Den Sünden-Sold nennt man da Märterer Zier / 7 Weh Märterer Zier. 8 Wohl Märterer Rach / 9 nicht JEsu Heyls-Sach / 10 Ja folgt man der nach / 11 So wär es nicht Rach. 12 Hallelujah / rc.

1–2 Zeph 1,15: „Dieser Tag ist ein Tag des Grimms, ein Tag der Trübsal und der Angst, ein Tag des Wetters und des Ungestüms, ein Tag der Finsternis und Dunkels, ein Tag der Wolken und des Nebels, ein Tag der Posaune und des Kriegsgeschreis.“ 1Thess 4,16: „Denn er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel.“ 3–4 „Brot mit Tod“ könnte Gift oder Hungersnot bedeuten. − Zu der Wortkette s. o. Str.16,1. Am Tag des Herrn geht die Sonne finster auf, „und der Mond gibt keinen Schein“ (Jes 13,10). Wer das Tier anbetet „wird von dem Wein des Zornes Gottes trinken, der unvermischt eingeschenkt ist in den Kelch seines Zornes“ (Apk 14,10). 5 „Die große Kelter des Zornes Gottes“ (Apk 14,19). 6−7 Obwohl der Tod eigentlich der Sünde Sold ist (Röm 6,23), kann er für die Märtyrer im Jüngsten Gericht auch zur Zierde werden, weil ihnen „die Krone des Lebens“ verheißen ist (Apk 2,10). Das Martyrium Einzelner könnte sich im Gericht allerdings für alle anderen negativ auswirken, denn auch wer kein Märtyrer ist, muss letztlich sterben, jedoch ohne die Märtyrerkrone zu erhalten. 8–9 Das kann Neid erzeugen, denn der Tod der Märtyrer würde zur Benachteiligung der noch Lebenden führen, zur „Rache“ an ihnen. Wenn das Martyrium für geistlich wertvoller gehalten wird als das friedliche Miteinander entsteht eine Situation wie zur Zeit des 5. Kreuzzugs, wo Papst Gregor IX . 1229 einen von Friedrich II . ausgehandelten Frieden zwischen Christen und Moslems ablehnte, weil den Christen dadurch die Möglichkeit eines selig machenden Martyriums genommen wird.40 Diese Argumentation ist nicht Sache Jesu.

40 Brief Gregor IX. an den Erzbischof von Mailand vom 13.  Juni 1229 in: Monumenta Germaniae historica, Epistulae saeculi XIII e regesti pontificum Romanorum selectae, tom.I, Berlin 1883, 309.

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18. Davon ist frey / das ankommende Reich / Ankommende Reich / So Recht von dem Himmel bringt / Wahrheit / auf Erd Treu / Wahrheit auff Erd. Daß sich der Held und Friede küssen zugleich / Sich küssen zugleich / Da Treu die Güt hertzlich umfasset und ehrt / Umfasset und ehrt. So lebet Sion / in Freude und Wonn / so wächst in der Sonn/ das Leben Sion. Halleluja[sic: ohne h]! A und O herrschet / rc.

1−2 Von all den endzeitlichen Plagen der Strophen 16 und 17 ist das kommende Tausendjährige Reich frei. 3–4 Wenn das Recht vom Himmel Treue und Wahrheit auf die Erde bringt, dann wird die neue Epoche der Heilsgeschichte zu Wahrheit, Treue, Güte und Frieden mit dem Helden Jesus führen (s. o. Str. 5,3). − Das Wort „Recht“ umfasst mehr als den juristischen Bereich. Es bedeutet hier so viel wie die Botschaft von Gott und ihre Wirkung. 5−8 Ps  85,11: „Dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“ 9−10 „So lebet Sion“: Jes 35,10: „Die Erlösten des Herrn werden […] gen Zion kommen mit Jauchzen; Freude und Wonne werden sie ergreifen.“ − Die Worte „so“ in den Versen 3, 9, 11 bedeuten „Wenn − dann.“ 11−12 Ri 5,31: „Die ihn lieb haben müssen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Macht.“

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19. Alle Zung / Zunfft / Geschlecht / Religion; Volck Religion. Versammlet nun JEsus vom gantzen Welt-Kräyß / Vom gantzen Welt-Kräyß. Sein Gerichte zu sehn in Zion / Zu sehn in Zion. Wie seine Hand wircket Macht / Wunder und Preiß / Macht / Wunder und Preiß. Nur Eigen-Sinn bleibt / Sectirisch beweibt/ von Christo entleibt / weh dem der Sinn bleibt. Hallelujah / rc.

1–2 Jesus vereint die Menschen aller Sprachen (Zung), Berufe (Zunft), Geschlechter, Religionen und Völker. 3–4 Die Vorstellung von der Apokatastasis panton (᾽Άποκατάστασις πάντων, vgl. Act 3,21) – hier verstanden als die Wiederbringung aller Menschen am Ende der Heilsgeschichte  – wurde vor allem von der englischen Philadelphierin Jane Lead (1623−1704) vertreten und durch Johann Wilhelm Petersen (1649−1727) und seine Frau Johanna Eleonora (1644−1724) im deutschen radikalen Pietismus propagiert. Siehe Kommentar zu Strophe 2. 5–8 Zion und Jerusalem werden in der Jesaja-Apokalypse (Jes 24−27) als Orte des Gerichts

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und des Heils proklamiert. Dort werden alle Menschen Gottes Gerechtigkeit und die Wirkungen seiner Macht erkennen. 9–12 Wer eigensinnig bleibt hat an alledem keinen Anteil (Str. 9,5). Er verharrt in der ehebrecherischen Verbindung (Str. 16,10) mit den Sekten (den offiziellen Kirchen) und wird von Christus gerichtet. Weh dem, der im Eigensinn verbleibt.

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20. Kommet Feur-Pfeiler / zu keltern die Köpff / Zu keltern die Köpff. Deß Secten-Saffts / welcher verdirbet die Erd / Verdirbet die Erd. Komme du Friedens-Strohm / hilff dem Geschöpff / Strom / hilff dem Geschöpff. Das Eitelkeit fühlet / von Thieren verheert / Von Thieren verheert. Gib Recht mit Gewolck / als himmlischen Volck / Dein Zeugniß bewolck / mit Wahrheits-Gewolck. Hallelujah / rc.

1−4 Die feurigen Pfeile (Eph 6,16) sollen den verderblichen Sektensaft (vgl. zu 10,5) aus den Köpfen keltern als wären diese Weintrauben. 5−6 Jes 66,12: „Ich breite aus den Frieden wie einen Strom.“ 7–8 „Eitelkeit“: Vergänglichkeit (vgl. Koh 1,2). In Röm 8,20 heißt es deshalb: „Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen.“ − „Von Thieren verheert“: Gemeint sind die Tiere (Dan 7,17), die in ihren vier Reichen die Macht haben und Verderben (V.3−4) und Verheerung (V.7−8) anrichten bis das Reich des Friedens anbricht (V.5). 9−12 „Gewolck“: Wolken oder Gewitter stellen eine himmlische Beglaubigung göttlichen Redens und Handelns dar. Ex 16,10: „Da Aaron also redete zu der Gemeinde der Kinder Israel wandten sie sich gegen die Wüste; und siehe, die Herrlichkeit des Herrn erschien in einer Wolke.“ Die Wolkensäule zeigt den rechten Weg (Ex 13,21) und zeugt für die Wahrheit.

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21. Auff! dann du Auffgang der Welt / mach uns froh / Neu Welt mach’ uns froh / In JEsu der Grundfest zum ewigen Bund / Zum ewigen Bund. JEsu du Jaspis der Gleichheit A / O / Der Gleichheit A / O. Geliebter weit über den zeitlichen Grund / Vor zeitlichem Grund. Alls wird erst in dir / All Zier und Begier Ist nichtig allhier / Es werd dann in dir. Hallelujah / rc.

Gebet: 1–2 „Aufgang“: Im Lobgesang des Zacharias wird Jesus als Aufgang aus der Höhe (Sonnenaufgang) bezeichnet (Lk 1,78). Der „Aufgang der Welt“ meint hier den Beginn der neuen chiliastischen Weltepoche. Zugleich ist das eine Anspielung auf den Titel von Jakob Böhmes programmatischer Erstschrift „Morgenröte im Aufgang“ (s. o. Anm. 29). 3–4 „Grundfest“: Die Gemeinde Gottes ist die „Grundfeste der Wahrheit“ (1Tim 3,15). „Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen“ (Jes 55,3).

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5−6 „Jaspis“: Edelsteine sind Symbole der Vollkommenheit, Hoheit und Reinheit. „Gleichheit“: Jesus ist gleichzusetzen mit A und O, Schöpfung und Vollendung. 7−8 Geliebter über die Zeiten hinweg und vor ihrem Beginn. 9−12 Alles gründet sich auf das „in Jesus Christus sein“, auf seinen Wirkungsbereich, sein Kraftfeld. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“ (2Kor 5,17). Extrem knappe Ausdrucksweise (Brevitas). Der Refrain in den vier letzten Versen bildet einen eigenen Merkspruch. Der Vers 12 ist als ein Vorgang zu verstehen: „Es entwickelt sich in dir“. vgl. auch „Das Werden ist der ontologische Ort des Seins Gottes.“41

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22. Wann nun A und O in dir schaffet gantz neu / Dir schaffet gantz neu. Vertilget das Alte / das Creutz und den Tod / Dein Kreutz in den Tod; Darum gib Vertrauen mit Liebe und Treu / Mit Liebe und Treu. Und schaff uns dein Leben durch Leyden und Noth / Durch Leyden und Noth. Die Hoffnung heist neu / vertrau zur Treu / Der Glaub die Treu / In Wahrheit heist neu. Hallelujah / rc.

Die Strophen 22 bis 24 handeln von der Treue zum Bund, den Gott dem Volk am Sinai gewährt hat und der von ihm selbst verlässlich eingehalten wird. Das Volk dagegen wird immer wieder untreu. Vgl. Jan Assmanns Begriff des „Monotheismus der Treue“.42 22.1–4 Wenn Gott in dir das Neue schafft, dann werden der alte Adam, das Kreuz und der Tod zunichte gemacht, und auch dein persönliches Kreuz wird in den Tod gegeben. 5−6 Gemeint ist: Vertrauen resultiert aus Liebe und Treue. Beide werden bei Hosea zu Synonymen des Glaubens: „Es ist keine Treue, keine Liebe […] im Lande“ (Hos 4,1). 7−8 Leiden und Sterben, dulden und untreu werden sind von Gottes Treue umfangen (2Tim 2,11−13). 9−12 Die neue Hoffnung ist: Vertraue auf die Treue. Der Glaube heißt in Wahrheit Treue.

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23. GOtt und Christ glaubt Satan / doch ohne Treu / Tand Satans ohne Treu. Betriegliche Hoffnung reitzt Belials Land / Reitzt Belials Land: Aber Vertrauen fehlt dabey Untreu: Fehlt dabey Untreu: Apostel und Alter / Dollmetscher Verstand / Dolmetscher Verstand. Vertraut Elpizei zum Helffer in Treu: GOtt Treu und Mensch Treu / Ein p i s t i s hält zwey. Hallelujah / rc.

41 Jüngel, Eberhard: „Gottes Sein ist im Werden“, Vorwort zur 1. Auflage 1965. – Hinweis von Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin (Marburg). 42 Assmann, Jan: Exodus. Die Revolution der Alten Welt. München 2015, 233 und 279.

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1–2 In Hi 1,6 steht auch der Satan mit den Kindern Gottes vor dem Herrn. Auch er kennt Gott und Christus, aber er vertraut ihnen nicht. „Tand“: Wertloses Zeug. 3−4 Mk 4,19: „Aber die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums […] dringen ein und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht.“ − „Belials Land“: Die Belial-Söhne (‫נֵ־בלִ ּיַ עַ ל‬ ְ ‫)ּב‬ ְ haben die Bürger ihrer Stadt zu anderen Göttern verführt (Dt 13,14). − „Land“: Das Land ist die Adresse, an die sich Gottes Wort richtet („O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“, Jer 22,29). Hier wird es als der unwissende „Am Haarez“ (‫מ־ה ָא ֶרץ‬ ָ ‫)ע‬ ַ verstanden, das gemeine Volk, der Pöbel. 5–6 Der Untreue fehlt das Vertrauen. − Umkehrung der normalen Wortstellung im Satz (Anastrophe). 7–8 Auch der Verstand der Apostel und ihrer alten Übersetzer fehlt. − Die unterschiedliche Schreibweise des Wortes Dolmetscher dürfte keine tiefere Bedeutung haben. 9 Vertraut der Hoffnung, die zur Treue verhilft. Gleich zwei griechische Worte bedürfen hier eines Dolmetschers: „Elpizei“ und „pistis“. 1Kor 13,7 „Die Liebe hofft alles“ (panta elpizei, πάντα ε᾽λπίζει). 10−11 Ein und derselbe Glaube (pistis, πίστις) hält beide: die Treue zu Gott und die Treue zu den Menschen.

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24. Menschen Treu bricht doch offt Banden deß Bunds / Verbindung deß Bunds. Drum mach mich treu biß zum Todt / der du bist treu / Zum Todt warstu treu. Unter tieff stehende Feste deß Grunds/ O Poste deß Grunds. Außharrung von A zu O. Siegel ohn Reu. A O. Siegel ohn Reu. Die Rede der Krafft/ dein keuscher Mund schafft: Lebmachender Safft / du Rede der Krafft. Halleluja / rc.

1–2 Die Treue, wie Menschen sie verstehen, bricht oft den Bund mit Gott, die Verbindung zu ihm. − Zur Wortfamilie binden−Band−Bund, s. u. 31,1. 3–4 Apk 2,10: „Sei getreu bis in den Tod.“ 5–6 Lk 6,48: „Er ist gleich einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf den Fels.“ „Poste“: Vocativ von lat. postis, der Pfosten, der Pfeiler. Gemeint ist: „O Grundpfeiler der Treue!“ 7–8 Ausharren vom Anfang bis zum Ende. − 2Tim 2,19: „Der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel.“ 9–10 2Tim 1,7: „Gott hat uns gegeben den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Die „Rede der Kraft“ ist der Gegensatz zum ungeistlichen, losen Geschwätz, das in 2Tim 2,16−17 genannt wird und das wie ein Krebs um sich frisst. – „Keusch“: „Die Weisheit von oben her ist aufs erste keusch [kultisch rein], danach friedsam, gelinde …“ (Jak 3,17). 11 Vocativ: Lebendig machender Saft!

25. Aber zu Kämpfen ist dieses gemeint / Ist dieses gemeint. Ein reinen Pfeil trifft an die thierische Stirn / Die Thieres Gestirn.

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Landiersch Speichel das Kämpfen verneint / Das Kämpffen verneint. Will Frieden nicht brechen mit Babels-Gehirn / Mit Babels Verwirrn. Doch Volck-Recht in Geh: (heist Laodicä) In Wohl und in Weh / Recht kämpfend versteh. Hallelujah / rc.

3–4 „Ein reiner Pfeil“ oder „eines Reinen Pfeil“ trifft an die Stirn des apokalyptischen Tieres. David traf den Philister Goliath an seiner Stirn (1Sam  17,49). Erweiterung in die kosmische Dimension: Stirn ▸ Gestirn 5–6 „Landiersch“: Rhetorische Montage der Worte „Land“ und „tierisch.“ Das Wort Land bezeichnet die Adresse, an die sich Gottes Wort richtet. Jer 22,29: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ Zur negativen Bedeutung von „Land“ siehe 23,3. Das Wort tierisch bezieht sich auf Vers 3. „Land-tierisch“ sind die unentschlossenen Hörer. − „Speichel“ erinnert an das Verdikt gegen Laodicea, dessen Bewohner „weder kalt noch warm“ sind (Apk  3,16): „Weil du aber lau bist, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde“ (vgl. 44,3). 7−8 Sie sind nicht zum Kämpfen bereit (V.6), weil sie es mit dem Tier und den verwirrenden Gedanken Babels („Sekten“, Konfessionskirchen) nicht verderben wollen. 9−12 „Volk-Recht in Geh“: „Volk-Recht“ ist die Verdeutschung des Namens Laodicea (Laos /  λαóς, Volk und Dikaia / von δíκαιος, gerecht). − Das Wort „Geh“ bezieht sich auf 6,9 und 7,12 und bedeutet hier: Wenn sie in Christus wären, dem Geborenen der künftigen Welt und Hauch Gottes („Geh“), würden die Bewohner Laodiceas in guten und schlechten Zeiten („in Wohl und Weh“) zum Kampf bereit sein.

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26. Fleischlich fünff Sinnen-Recht Kirchen-Tyrann / Heist Kirchen-Tyrann. Fünff Finger der Rechten zu streiten davor / Zu streiten davor. Fünff in der Linken zu wehren den Bann / zu wehren den Bann. An lincken Fuß fünff zu zertreten den Chor / (den aussern Chor) Fünff Rechte die Macht / deß gantzen Volcks-Macht / Diß ist die Thieres Acht/ so fünffmal (fünff) macht. Hallelujah / rc.

1–2 Die Fünfzahl steht für die fünf Sinne des Menschen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen (Tastsinn). Sie ist die Zahl des Menschen, der Sinne, der Irrtümer und Verfehlungen und daher „fleischlich.“ Im Altertum verbindet man mit der Fünf die Göttin Ischtar, die Venus, die Sinnlichkeit des Hermes. Sie ist die „ungerade“ Zahl. „Wie keine andere Zahl […] ist die Fünf auf eine einheitliche Bedeutung festzulegen: Signum der Verhaftung des Menschen an die natürlich-zeitliche Welt („fünf-Sinne“) und der Erlösungsbedürftigkeit des Alten Bundes (fünf Gesetzesbücher und fünf Weltalter vor der Geburt Christi). Der Ort der Fünf in der Zahlenreihe unter der vollkommenen Sechs macht sie zum Zeichen der Unvollkommenheit […], so dass Bibelstellen, welche die Fünfzahl bevorzugen, auf die imperfectio derjenigen

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verweisen, die mit ihren fünf Sinnen vorwiegend den äußeren Dingen (exteriora), mehr dem Irdischen als dem Schöpfer zugewandt sind.“43 − Das Gerichtswesen der Kirche folgt dem „sinnlichen Schein“ (vgl. 11,7), ist ungeistlich und tyrannisch. Seine Methode sieht keine Fragemöglichkeit vor, sondern äußert sich nur in abschließenden Feststellungen (vgl. 13,5) und führt zu Gewissenszwang.44 3–6 Dem kirchlichen „Fünfsinnenrecht“ werden nun positive Fünfergruppen gegenüber gestellt: Finger an beiden Händen, Zehen an beiden Füßen. Das fünffache Kreuzeszeichen mit der linken Hand in der Liturgie und das Brustklopfen mit allen fünf Fingern bewirken Abwehr des Bösen und Befreiung vom Bann sowie Heilung von Sünden.45 7–8 Der linke Fuß soll den Vorhof zertreten (Apoc 11,2): Der äußere Vorhof des Tempels, der Bezirk, den alle Menschen betreten durften und in dem sich die Tempelreinigung durch Jesus (Joh 2,13 ff.) vollzog. 9−10 Die Fünfzahl des rechten Fußes soll die Macht des ganzen Volkes zertreten. 11 Darauf richtet das apokalyptische Tier (Dan 7) seine Aufmerksamkeit (alte Bedeutung des Wortes Acht: „in Acht nehmen“, „außer Acht lassen“). 12 5 x 5 = 25 (siehe 27,1). Fünfundzwanzig, die verstärkende Quadratzahl von fünf, wird als die Zahl des apokalyptischen Tieres angesehen, in der sich alles Negative der Zahl fünf potenziert.

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27. Solche Arth zwantzig fünff kreutziget Christ / Fünff krutzifixt Christ. Die Schul der Fünff-Wunden (da fünffmahl fünf stirbt) Da zwantzig fünff stirbt. Macht wieder lebendig deß Sünd Adams List / Alt Menschlicher List. Durch Gottes Sohns Todt den Thieren Leben erwirbt / Thier Leben erwirbt. Doch wahr sein Reichs-Bund (der Christi Schwerd / Mund / zur fünfften Plag-Stund) Macht tödlich haupt wund. Hallelujah / rc.

1–2 Die besondere Betonung und Verstärkung der Fünf durch ihre Quadratzahl 25 wird auch in Zusammenhang gebracht mit Unglauben oder Gegnerschaft zur jüdischen Religion (Ez 8,16; 11,1 ff.) und ist hier verantwortlich für die Kreuzigung Christi. 3–4 Durch die fünf Wunden Jesu wird − wenn die „25“ stirbt − die Sünde des listenreichen Adams getilgt. − „Schule“ im Sinne von „Schule machen“, als Vorbild dienen. 5−6 Die List Adams besteht darin, dass er die Schuld für das Essen der verbotenen Frucht auf sein Weib geschoben hat (Gen 3,12). Adams List ist typisch für den „alten Menschen.“ Eph 2,4 ff.: „Aber Gott […] hat auch uns, die wir tot waren in den Sünden, samt Christus lebendig gemacht.“ 7–8 Der Tod des Gottessohns erwirbt für alle, die jetzt noch dem Tier nachfolgen, das Leben. 43 Meyer / Suntrup (s. Anm. 27), Sp. 403. 44 Arnold, Gottfried: Wohlgegründete Remonstration An alle Hohe und Niedere Obrigkeiten / Wie auch An alle andere bescheidene und vernünfftige Leser / In puncto des GewissensZwanges in dem Kirchen-Wesen. [o. O.] 1700. 45 Suntrup, Rudolf: Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen in lateinischen und deutschen Auslegungen des 9.−13. Jahrhunderts, München 1978, 172, 274–275, 280–281.

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9 Wahr ist der neue Bund des Gottessohns. „So ist Jesus eines viel besseren Bundes Bürge geworden“ (Hebr 7,22). 10–11 Apk  2,16: „Ich werde bald […] streiten durch das Schwert meines Mundes.“ vgl. zu 9,1. − „Fünfte Plagstund“: Die Stunde des Verhörs durch Pilatus vor der sechsten Stunde, in der Jesus gekreuzigt wurde. 12 Apk 13,3: „Ich sah seiner Häupter eines, als wäre es tödlich wund.“ Christus macht das Haupt des apokalyptischen Tieres tödlich wund. Vertauschung zweier zusammengehöriger Wörter (Anastrophe).

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28. Fleischlichen Sünden Leib / Fluch und Gesetzen / Fluch Leib und Gesetz. Sabbathen-Mond /  Erbsünd /Plag /  Todt /  Gericht / Krieg Klag / Blut / Gericht Krieg. Mosis Deck-Clerisey / Läy- und Geld-Netzen / Einweihung /  Seel-Netz. (Das fünffmahl fünff Bild) verschlingt Christ CreutzSieg / Deß Todes Todts Krieg. Und trits zum AbgrundAbfall zum Thier kund / Europ heist Breit-Mund / Dan reitzt den Pab-Grund. Hallelujah / rc.

In dieser Strophe bestehen die Verse 1−6 ausschließlich aus Aneinanderreihungen von Stichworten als Bedeutungsträger ohne weitere verbindende Satzelemente. Es entsteht eine Negativ-Liste, die zusammen das „Fünfmal-fünf-Bild“ in V.7 erklären soll. − Zu den Wortketten in der barocken Poesie s. o. zu 16,1. 1–2 Röm 7,14: „Ich bin aber fleischlich, unter die Sünde verkauft.“ − Gal 3,13: „Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes.“ 3–4 „Sabbathen-Mond“: Der häufig mit dem Mond in Verbindung gebrachte Sabbat wird hier in eine Reihe gestellt, die in ihrer negativen Bewertung offensichtlich ist. Sie verstärkt das Verdikt Jesajas (Jes 1,13): „Neumonde und Sabbate, da ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht!“ 5–6 Moses legte eine Decke über sein Gesicht (Ex 34,33), wenn er zum Volk redete. Seine wankelmütigen Zuhörer (siehe die Geschichte vom goldenen Kalb, Ex  32,1−6) werden als Klerisei, als Kirchenleute verhöhnt. In 2Kor 3,15 wird die Decke des Moses mit dem Verhältnis der Juden zur Moses-Tradition in Verbindung gebracht: „Doch bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn so wird die Decke abgetan.“ − Die Kleriker verstricken die Menschen durch Votivmessen, Messstipendien, Opfergaben u. a. in Geldgeschäfte. Durch Weihehandlungen und die damit verbundenen Zahlungen und Spenden werden die Seelen wie mit Netzen eingefangen. 7−9 Das Bild des Satans (vgl. 27,1) − durch die Zahl 25 beschrieben − will den Sieg Christi am Kreuz und seinen Krieg gegen den Tod zunichte machen und in den Abgrund treten. vgl. auch 29,10: „so wird der Tod tot.“ vgl.: „Jesu, meines Todes Tod“ (aus: Jesu meines Lebens Leben von Ernst Christoph Homburg; EG 86,1). 10–11 Der Abfall hin zum antigöttlichen Tier ist offenkundig. Der Name „Europa“ wird volksetymologisch abgeleitet von „breit“ (griech. eurys ε᾽υρύς) und von Gesicht, Antlitz, Aussehen (griech. o῎psis ψις). Beabsichtigte Verhöhnung Europas gegenüber der glaubensstarken Provinz Asia.

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12 Der Stamm Dan wird mit einer Schlange verglichen, die auf dem Wege lauert und das Pferd in die Fersen beißt (Gen 49,17). − „Pab-Grund“: Rhetorische Montage aus den Worten „Papst“ und „Abgrund“ (vgl. „Landiersch“ in 25,5; „Kehrufix“ 32,6; „Seruf“ 55,12). Dan wird hier sozusagen als „Wadenbeißer“ gegen das Papsttum in Anspruch genommen.

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29. Höre nun Israel / Davids auß Christ / In Davids Hauß-Christ. (Was tilget das thierlichen rückfals Nachwerck / Europ-Lojal-Merck. Und nicht ein kreutzigend wieder Christ ist / Wie Anti-Christ ist. Im schwachen sey Engel starck wieder Thier starck / Held wieder fünff stärck. Den Brüder-Streit tödt / so wird der Todt todt / Mit freundlicher Noth / drum Bruder Mord todt. Hallelujah / rc.

1−2 Die Worte „Höre Israel“ („Sch’ma Jisrael“ Dt 6,4, wichtigstes jüdisches Glaubensbekenntnis) geben der Strophe einen feierlichen Beginn. − „Davids auß Christ“: Christ aus [dem Haus] Davids. Vertauschung zusammengehöriger Wörter (Anastrophe), um die Assoziation von aus ▸ Haus zu ermöglichen. 3–4 Was tilgt die Folgen des Abfalls von Gott? Achte auf Redlichkeit, Vertragstreue und Loyalität gegenüber Gott. Mit „Europ“ ist das religiös problematische Europa gemeint, im Gegensatz zur frommen Provinz Asia. 5–6 Dass du kein kreuzigender Widerchrist bist. 7–8 In der Schwachheit sei engelsstark wider das starke Tier, ein Held gegenüber den menschlichen Schwächen (vgl. 26,1). 9–10 Töte (beende) den Bruderzwist, dann tötest du auch den Tod. vgl. Benjamin Schmolcks Osterlied Der Tod ist tot, das Leben lebet (A. F. W. Fischer: Kirchenliederlexikon I,117), vgl. auch „wie ein Tod den andern fraß“ (aus Luthers Christ lag in Todesbanden; EG 101,4). 11–12 Die Tötung von Bruderstreit und Tod ist eine freundliche Notwendigkeit. Darum ist der Brudermord tot. Er ist das Gegenteil von Philadelphia (Bruderliebe).

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30. Aber ihr Scepter und Priester von Bann Erd Priester von Dan. Verräther deß Bruder-Bluts / Lästrer im Grab / Ja Mörder im Grab. Sincket / Last Steine / wie jener Tyrann / Im Meere Zerran. Ihr wollet- und könnet-nicht siegen fünff pap / Noch Pap noch apap. Ihr bleibt im Feur-Meer / mit Lehr und Gewehr / Gleich andrer Thier Lehr/ tritt euch das Feur Heer. Halleluja[sic: ohne h]/ rc.

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1 Angesprochen sind die Herrscher (Szepter) und Priester als Symbolfiguren eines bestehenden Banns. Jos 7,13: „Es ist ein Bann unter dir, Israel; darum kannst du nicht stehen vor deinen Feinden bis dass ihr den Bann von euch tut.“ 2–4 Der Stamm Dan führte den Götzendienst ein und wurde schon früh als der Stamm angesehen, aus dem einst der Antichrist hervorgehen wird. Daher die Bezichtigung als Erd-Priester anstatt „Priester Gottes und Christi“ (Apk 20,6). Sie sind Verräter, Lästerer und Brudermörder. − „im Grab“: die längst tot sind und der Vergangenheit angehören. 5−6 „Sinket [wie die] Last [der] Steine.“ Der Tyrann, der im Meer zerrann, war Pharao, der das Volk Israel verfolgte und mit seinen Streitkräften im Schilfmeer unterging (Ex 15,4). „Die Tiefe hat sie bedeckt, sie fielen zu Grund wie die Steine […] sie sanken unter wie Blei im mächtigen Wasser“ (Ex 15,5.9). – Die verkürzte Sprache soll das Geheimnisvolle der Verse unterstreichen. 7–8 „Fünf“: s. o. 26,1. − „Fünff pap“: Angesprochen wird das sinnlich-weltliche („fünf“) Papsttum. „Apap“: Papperlapapp, Abweisung von törichtem Gerede, hier auch deutbar als Unpapst („A-pap“). – Ein ähnliches Wortspiel findet sich bei Eugène Ionesco in „Die kahle Sängerin“, Szene 11 (Hinweis von Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin – Marburg). 9 Apk 19,20: „Das Tier ward gegriffen und mit ihm der falsche Prophet […]. Lebendig wurden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brannte.“ 10 Ihr bleibt im Feuermeer mit eurer Lehre und euren Waffen (Gewalt). 11−12 Euch wird das Feuer ergreifen wie es die Lehre anderer widergöttlicher Tiere ergreift.

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31. Lasset euch binden deß Davids klein Heer / Philadelphi Heer. Wer will widerstehn des Els streitender Red. Der Starcken Streit Red? Welche eur Kriegen und Opfern macht leer / Schwerd Alter macht leer. Nun Sions Red trifft die Stirn himmlischer Feht. Fünff feindliche Fehd. Eur andre fünff Bild / in Kirch- und Reich-Schild / Läst Goliats wild / mit gleichen fünff Bild. Hallelujah / rc.

Trostrede an Davids kleines Heer, das Heer der Bruderliebe. 1 Das Wort „binden“ bedeutet „in den Bund nehmen“, verbünden, sich auf den Bund mit Gott besinnen. Die Wortfamilie von „binden“, „Band“ und „Bund“46 begegnet uns im Triumphlied mehrfach47. Sie hat ein gemeinsames Verbum, in dessen Konjugation alle Wortformen vorkommen (binden, band, gebunden). 2–4 Das Heer der Bruderliebe („Philadelphi“) ist zwar klein, aber es steht auf der Seite des Starken. „Els streitende Red“: Gottes streitbares Wort. Nach Apk 19,13 ff. sitzt das Wort während der himmlischen Fehde mit dem Tier auf einem weißen Pferd. 5–6 Kriegführen und Opferkult werden durch die Rede Gottes beendet. Das Schwert des „Alten“ (Dan 7,9.22) beendet Kriege und Opferwesen. 7–8 Bei der himmlischen Fehde trifft jetzt Zions Wortgewalt die Stirn der Feinde, wie der Stein Davids die Stirn Goliaths getroffen hat. − Apk 19,19: „Ich sah das Tier und die Könige 46 Grimm, Jacob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1860, Bd.2, Sp. 31−34. 47 24,1: die „Bande des Bundes“; 50,6 „Bruder-Geists Bund“; 51,10 „zum Band machen“ u. a.

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auf Erden und ihre Heere versammelt, Streit zu halten mit dem, der auf dem Pferde saß und mit seinem Heer.“ – Die unterschiedliche Schreibweise von „Fehd“ hat keine Bedeutung. 9−12 Eure andere negative Gestalt mit dem Wappen von Kirche und Obrigkeit gleicht der Wildheit Goliaths und seines widergöttlichen Bildes.

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32. Thier und fünff geistlich recht richten im Creutz / (K r u x ficht im Krufix) Heist Volck-Recht auff Erden auß führen zum Sieg / Erd-Richters jagt Sieg. Weil Kehruf heisset Als-Rechten Kerux / Als Fecht Kerufix. Zwey seitig Kreutz hieb und zweymündig Schwerd-Krieg / Zweymündig Schwerd Krieg. Freund Israels Thier / Feuer läutert sich hier / Philister Feind-Thier / weicht Isr-Els Neu Thier. Allelujah / rc.

1–2 „Tier und fünf“: Die klangliche Gestalt des Satzes lässt eigentlich „vier und fünf“ erwarten. Das kirchliche Gericht wird in Verbindung gebracht mit dem widergöttlichen Tier. − „Fünf“: s. o. zu 26,1. – Die Verse 2, 5 und 6 erinnern auf den ersten Blick an die Worthülsen, mit denen in Jes 28,10 das unverständliche Sprechen von Priestern und Propheten karikiert wird.48 Diese Verse folgen jedoch den Regeln der klanglichen Assoziation und der rhetorischen Wortmontage, die sich über das ganze Lied hinziehen. − „Krufix“: Das Wort Kruzifix passt nicht zu der folgenden Wortspielerei mit Krux ▸ Krufix ▸ Kerux ▸ Kerufix. Deshalb der Verzicht auf die Silbe „zi“ von Kruzifix. – „Im Kreuz“: Unter dem Zeichen des Kreuzes im Gerichtssaal (?) Lat. crux, crucis, das Kreuz. − Das Wort ist im Deutschen doppeldeutig. Was selbst eine „Krux“ ist, eine schwierige Mühsal, nämlich das geistliche Gericht, führt Prozess im Namen des Kreuzes. 3−4 Volk-Recht = Laodizea, vgl. 25,9. Das Gericht heißt die Lauen und Unentschlossenen auf Erden dem Sieg nachzujagen. Die irdischen Richter wollen siegen. 5–6 Kehruf: hebr. Keruv ‫כְ רּוב‬, Cherub. − „Kerux“: Amtsträger im Tempeldienst, Herold (gr. κη̃ρυξ). 2Tim 1,11: „ich bin Prediger und Apostel“. − Sinn des Verses 5: Weil der Cherub in Wirklichkeit ein neutestamentlicher Verkündiger ist. – Kerufix: Rhetorische Wortmontage aus Keruv und Kruzifix (vgl. „landiersch“ 25,5; „Pabgrund“ 28,12; „Seruf“ 55,12). Der Keruv ist ein Kämpfer für das Kreuz mittels eines Schwertes wie bei der Austreibung aus dem Paradies (Gen 3,24). 7–8 Das Wort Gottes wird als zweischneidiges Schwert verstanden (Hebr  4,12; Apk  1,16). Dementsprechend „zweimündig“ ist der Krieg mit diesem Schwert. 9−10 An dem mit Israel befreundeten Tier scheiden sich die Geister. Im Feuer wird geläutert: 11–12 Das feindliche Tier der Philister weicht dem Freund-Tier Israels, Gottes (Els) Neu-Tier. Gott, der Beschützer Israels, wird als Neutier bezeichnet. Eine ähnlich gewagte Passage findet sich in 15,10−11, wo Moses als Altchrist dem Neuchristen Jesus gegenübergestellt wird.

48 Jes 28,10: „Zawlazaw zawlazaw, kawlakaw kawlakaw“.

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33. Löwen-Geist /  Morgen-Sieg /  Rechtes Liecht-Heer / Sieges-Rechte im Heer. Lincks /  Abends /  Feur /  Opfer /  Kalb /  blutige Noth / Kampff biß zur Blüth-Noth: Antlitz /  Mensch /  Mittag /  Friedmachender Herr / Rechtliebender Herr. Nord / AdlersRück / rückt auß Schwerd / Hunger / Thier / Tod / (Als Viereck der Nacht-Noth.) Kurtz: Siegfried /  Streit /  Tod / Ist Geist und Fleisch Noth: Als schafft und theilt GOTT / Ja Sieg-Fried / Streit / Todt. Hallelujah / rc.

1 Die Strophe beschreibt nach Num 2 die Lagerordnung des Volkes Israel um die Stiftshütte herum und kombiniert sie mit der Vision von den vier Tieren (Hes 1,10 und Apk 4,7): Auf der Morgenseite Juda (Löwe), auf der Abendseite Ephraim (Kalb, junger Stier), im Süden Ruben (Mensch), im Norden Dan (Adler). − Apk 4,7: „Das erste Tier war gleich einem Löwen, das andere Tier war gleich einem Kalbe, das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch, und das vierte Tier war gleich einem fliegenden Adler.“ 2 „im Heer“: Hier in der Bedeutung von „Kampf.“ vgl. Gottfried Arnold, Das Leben der Gläubigen, 1701, Vorwort: „Daher auch ich ernstlich wünsche / daß ein jeder Leser […] sich bey zeiten um ein dauerhafftes und im Heer bestehendes Wesen des Geistes und der neuen Geburth zu bekümmern […].“ vgl. auch Luthers „Heerpredigt“ WA 30, II , 149. – Ps 118,15 f. „Die Rechte des Herrn behält den Sieg. 3–4 Links: Im Westen (abends) Brandopfer eines jungen Stieres. Blutige Not ▸ Blütnot. Die blutige Not des Opfers wird zur Blüten-Not, „Das Gras, das da frühe blüht und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorret“ (Ps 90,6). − Zu den Wortketten in dieser Strophe siehe zu 16,1. 5−6 Im Süden (mittags), des Menschen Antlitz, mit dem der Herr, der das Recht liebt, Frieden macht. 7–8 Im Norden: Dan galt als besonders gefährlich (s. o. 30,2). Die ihm zugeschriebenen Nöte Krieg, Hunger, Teufel und Tod bilden ein geheimnisvolles Viereck (vier Himmelsrichtungen). 9–10 „Kurtz“ = Zusammengefasst. Sieg und Frieden, Streit und Tod sind Nöte sowohl des Geistes wie auch des Fleisches. 11 Das alles wird von Gott geschaffen und zugeteilt.

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34. Löw ist neu Anfang in Judä Reichs-Lehr / Der Könige Lehr / Gewinnt vor Auffopfferung viel Heyden in Kalb / Zehn Füll Ephräms Kalb. Benjam Mensch über Thier / Heyden Erb-Herr/ Wie Salems Stamm-Herr / Als Adler Manassens Flucht aus Magged halff (Würg-Türben Macht halb.) Wer solche vier hält / durch alle Christ-Welt / Im Band und Leib-Zelt / Ist übers Thier-Feld. Hallelujah / rc.

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1–2 Der „Löwe Judas“ (33,1) bildet den Anfang des Reiches Davids und Salomos und ihrer Nachfolger. Die Lehre vom Reich Judas ist die Lehre von seinen Königen. 3–4 Vor dem Brandopfer sind viele Heiden dem Götzenbild des Kalbes gefolgt (Hos 8,5 ff.; 10,5 f.). Ephraim, Manasse und Benjamin gehören zur Lagerordnung der Israeliten (Num 2,32−37). Ephraim steht für die 10 Stämme des Hauses Joseph. Ihm wird das Bild des Kalbes zugeordnet. Zehn ist die Zahl der Fülle und Vollständigkeit. Von Ephraim heißt es: „Seine Nachkommen werden zu einer Fülle von Völkern“ (‫)מלאׁ־ ַהּגֹויִ ם‬ ְ Gen 48,19. 5–6 „Die übrigen von Benjamin müssen ihr Erbe behalten“ (Ri 21,17). Jakob ist des Herrn Erbe (Dt 32,9). Als Gründer und Stammherr Jerusalems (Salems) wird der König David angesehen. 7 2Chr 33,11−13: Die Assyrer ließen den König Manasse gefangen nehmen, in Ketten legen und nach Babel bringen. Dort tat Manasse Buße und ließ ab von seiner Abgötterei, bevor er floh. Es wird vorausgesetzt, dass Dan (der Adler) ihm zur Flucht verholfen hat. − „Magged“: Die Stadt Megiddo (LXX Μαγεδδώ, Vulg. Mageddo). Sie gehört zum Stamm Manasse, liegt aber auf dem Gebiet der Stämme Issachar und Asser (Jos 17,11). Unklar ist, wieso Manasse aus Megiddo geflohen sein soll. Vielleicht weil er die Bewohner von Megiddo nicht zu vertreiben vermochte (Ri 1,27). 8 In Jes 22,13 wird das Ochsenwürgen und Schafeschlachten als Zeichen eines frivolen Lebens angesichts des Zornes Gottes angesehen. − „Türben“: von lat. turba, Menge, Haufen, Pöbel. Dessen Macht wird gebrochen, halbiert. 9 „Solche vier“: Judas Löwe, Ephraims Kalb, Rubens Menschenantlitz, Dans Adler (Hes 1,10) vgl. 33,1. 10 Das alles gilt nicht nur für den alten Bund, sondern auch für den neuen mit den Christen. 11 Gebundenheit und Begrenzung im leiblichen Leben. − „Band“: s. zu 31,1. 12 vgl. Vers 5: „Mensch über Tier“ – „Tier-Feld“: Das Tier wird nicht das Feld behalten (aus dem Feld schlagen, s. Grimm, Dt. Wörterbuch, Bd.3, 1474 ff.).

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35. IsrEls Hirt / Cherubs-Thron / Josefs Geleit / Jo Schäffchen geleit / Leucht hell / du mein wachendes Augen-Merck. Leucht! wach! Selen-Aug’/ leucht. Lämmlein /  Armion /  Art Davids /  Wahrheit / O Königs-Klarheit! Laß Judä Löw sehen / wie deine Macht zeucht / Wie deine Pracht zeucht. Vor Ephraim her/ mit Benjamins Heer / Manasse verklähr / Mit Ephräm-Hülf-Heer. Hallelujah / rc.

Gebet: 1–2 Ps 80,2: „Du Hirte Israels, höre, der du Joseph hütest wie Schafe; erscheine, der du sitzest über den Cherubim!“ – „Jo Schäfchen-Geleit“: Die Abkürzung Jo für Joseph geschieht um des Versmaßes willen. 3–4 Ps 34,16: „Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten“. – „Seelen-Auge“: Ein Ausdruck von Jakob Böhme. „Alleine der Geist der Ewigkeit führet der Seelen Auge“.49 vgl. An-

49 Böhme, Jakob: Viertzig Fragen Von der Seelen Urstand, Essentz, Wesen, Natur vnd Eigenschafft […]. Amsterdam 1648, 5 u. a.

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gelus Silesius (1674): „Zwey Augen hat die Seel: eins schauet in die Zeit, | Das andre richtet sich hin in die Ewigkeit“.50 5–6 „Armion“: arnion (α᾽ρνίον) das Lamm, der Widder. Der Buchstabe m statt n soll das lateinische Wort arma („Waffe“ oder „Kampf“) mit dem Lamm assoziieren. Das Lamm ist nicht machtlos, sondern hat sieben Hörner (Apk  5,6) und Macht, Kraft, Ehre und Herrlichkeit (Apk 5,12). Das Wort soll zugleich phonetisch zu „Art“ Davids überleiten. Art (lat. ars, artis) ist hier verstanden als Handlungsweise, Eigenschaft. 7–9 Jes  51,9: „Ziehe Macht an, du Arm des Herrn.“ − Der Löwe Judas soll sehen, wie die Macht Gottes vor Ephraim herzieht durch das Heer Benjamins. – Ps 45,9: „Wenn du aus den elfenbeinernen Palästen daher trittst in deiner schönen Pracht.“ 10−12 Zu Ephraim, Benjamin und Manasse siehe 34,4. − Die Heere der Stämme Ephraim, Manasse und Benjamin gehören gemeinsam ins Lager Ephraims und bilden eine große Streitmacht, die von Gottes Pracht zeugt (Num 2,18−24). „Manasse verklär“: Manasse, der Sohn des Königs Hiskija bekehrte sich zu JHWH (2Chr 33,12–13).

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36. Donner-Red Juda / Haupt herrschender Mund / (Oraculn Schreck-Mund.) Zückt Ephräms Krafft-Schultern-Arm auß deß Liebs Füll / Der zwölfte Stamm füll. Davids Thorn Benjamin / Aller Halß Bünd / Mein Helden Halß-Bund / In Salems Haupt-Schirm / in den Schultern Els Stuhl / GOtts ewiger Stuhl. Der Fuß Manass Gluth / Von thierlichem Wuth Und freundlicher Hut / macht manches Ertz Gut. Hallelujah / rc.

1–2 Donner dient als Verstärkung der prophetischen Sprache: „Da geschahen Stimmen und Donner und Blitze“ (Apk 8,5). − Juda ist das Haupt, Ephraim die Schultern (V.3), Benjamin das Halsband, Manasse der Fuß (V.9). Daniel deutet den Traum Nebukadnezars (Dan 2,31 ff). Nebukadnezar erschrickt vor dem Traumorakel (Dan 2,3). 3–4 Ephraims starker Arm wird von der Liebe gesteuert. Benjamin ist der zwölfte Stamm. 5−6 „Thorn“: Thron (Druckfehler, Buchstabendreher?) vgl. 45,3–4. Den Thron Davids einnehmen zu dürfen, ist eine besondere Auszeichnung, denn ihm wird ewiges Bestehen zugesagt (2Sam  7,13). − Benjamin ist das „Erfolgskind“ der Rahel (Gen  35,18 nach der Einheitsübersetzung), und seine Leute schließen sich dem König David an, welcher sie sofort zu Militärbefehlshabern macht (1Chr 12,16−18). − Von allen Halsbändern ist Benjamin das Helden-Halsband. Sein Band ist der mit ihm geschlossene Bund (zu binden-Band-Bund s. o. 31,1). 7–8 „Salems Haupt Schirm“: Der Schutzschirm über dem Haupte der David-Stadt Jerusalem, die Gottes ewiger Thronsitz ist (Jer 3,17: „Zu jener Zeit wird man Jerusalem heißen ‚des Herrn Thron‘.“). 9–10 „Manass Gluth“: Das Wüten des Königs Manasse vor seiner Bekehrung (2 Chr 33). − „Von tierlichem Wut“: Der Verfasser setzt sich auch hier, wie schon in 25,3; 20,10; 28,1 über die Gesetze der Deklination hinweg, was den Charakter des Geheimnisvollen verstärken 50 Arnold, Gottfried (Hg.): JOHANNIS ANGELI, SILESII, | Cherubinischer | WandersMann […].Altona 1737, 3. Buch, Nr. 228.

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und beweisen soll, „dass der Geist der Weißheit und Offenbahrung in dem Urheber mächtig gezeuget und gespielet“ hat (Arnolds Vorwort zum 2. Teil der „Liebesfunken“ 1701 s. o. S.5). 10−12 Der wütenden Zerstörung des aus verschiedenen Metallen hergestellten Götterbildes (Dan 2,35) folgt die Aufrichtung eines unzerstörbaren Reiches (Dan 2,44). 11 „Hut“: Behütung, Schutz. 12 „Ertz“: Anspielung auf das Götterbild aus Erz (Dan 2,31−35), das zerstört und durch das ewige Reich Gottes ersetzt wird.

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37. Weißheit der Ewigkeit kommt zum Gericht / (Heist Olams Gericht) Das Creutz Panier Jesu der Prophetie-Geist / Der Prophetie-Geist. Ist nun ein El der wie Blitz im Creutz ficht / Das Creutz im Blitz ficht. Debbora die redet / wie Barack Blitz heist / Wie Besec auch heist. Fall Babels Weißheit: Zur Kelter-Thür streit / Verzehr die Boßheit / hersch Geistes Weißheit. Halleluja[sic: ohne h] / rc.

1–2 Sophia als Richterin: „Sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten“ (1Reg 3,28). – „Olams Gericht“: ewiges Gericht, hebr. olam (‫ )עֹולָ מ‬ewig (vgl. 7,7−8). 3−4 Das Geschehen am Kreuz ist der Geist, der in aller Prophetie mächtig ist. 5–6 Dieser Geist ist ein Gott, der im Kreuzgeschehen wie ein Blitz ficht. Mt 24,27: „Gleich wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und scheint bis zum Niedergang, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns.“ 7–8 Bei dem Wort Blitz fällt dem Dichter die Geschichte von Debora und Barak ein. Debora (von hebr. ‫ = דבר‬reden) redet ermunternd auf Barak ein (Ri 4,14), Sisera zu verfolgen. Nach der bestialischen Ermordung Siseras durch Jael, die Frau des Keniters Heber, singen Debora und Barak ein Triumphlied über die Tötung der Feinde mit Segenswünschen für Jael (Ri 5,24 ff.). – Das hebräische Wort Barak (‫)ּב ָרק‬ ָ bedeutet Blitz. In vier aufeinander folgenden Versen wird der apokalyptische Blitz zitiert, der durch das Geschehen am Kreuz Babels Weisheit zu Fall bringt. – Nur ein einziges Mal, nämlich in Ez 1,14, wird das Wort Basak (‫) ָבזָ ק‬ in der hebräischen Bibel für „Blitz“ verwendet. In der Vokalisierung „Besek“ ist das Wort der Eigenname eines Ortes, an dem Juda 10.000 Kanaaniter und Pheresiter tötete (Ri 1,4). Die Worte „Barak / Basak“ und „Besek“ stehen für das Gericht, das wie der Blitz über die Feinde hereinbricht. 9 „Fall“: Imperativ, wie in den folgenden Versen. „Bringe Babels Weisheit zu Fall.“ 10 „Kelter-Tür“: Die Kelter ist das Symbol des göttlichen Gerichts (vgl. 17,5; 20,1). Wenn die Weisheit zum Gericht erscheint (V.1) möge sie streitend die Tür zur Kelter öffnen. 11–12 Verzehre die Bosheit! Lass herrschen des Geistes Weisheit!

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38. Schlage Dan / zweymahl beflecke der zwölff zwey Horn auff zwey zwölff. Stirbt zweymahl im Garten ein fallender Strauch / Und wiederfals Strauch. Weck wieder auff auß deß Thieres Gewölb / Von Abgrunds-Gewölb.

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Deß Ed Christs Fünff-Wurtzel zu Israels Bauch / Falsch Israels Bauch. Deß Thieres Gesicht kommt zweymahl ans Licht. Eins war und ist nicht / Eins ist und war nicht. Hallelujah / rc.

Die Strophe handelt von der Rückfälligkeit Israels in heidnische Bräuche. 1–2 „Schlage“: Imperativ wie in der vorigen Strophe. Dan, die Negativperson unter den Stämmen Israels, mag die Macht der Vierundzwanzig (der Gläubigen, 2x12) brechen. „Der zwölf zwei Horn“: Horn als Symbol der Macht 3–4 Ein Strauch im Garten stirbt zweimal, wenn er abgehauen wird (beim Fällen und beim Vertrocknen). Auch die Befleckung der 24 geschieht zweimal (V.1), und das Tier erscheint zweimal (V. 9−10). − Israel hat sich der Abgötterei hingegeben und wird von Gott bestraft (Ri 3,7). Vierzig Jahre später taten die Israeliten wieder, was dem Herrn missfiel (Ri 3,12) und wurden zur Strafe dem Moabiterkönig Eglon unterworfen. Die Zweimaligkeit der Strafaktion gegen Israel wird zum Thema der ganzen Strophe. – „Wiederfalls“: noch einmal. 5−6 Das Gewölbe des Tieres und des Abgrunds hat Israel gefangen, denn die Kinder Israel „taten übel vor dem Herrn und vergaßen des Herrn, ihres Gottes, und dienten den Baalim und den Ascheroth“ (Ri 3,7). 7−8 Die Verse sieben und acht lassen eine der heftigsten Schauergeschichten der hebr. Bibel durchschimmern. Der Dichter blättert von Ri 4 und 5, die er in Strophe 37 zitiert hatte, zwei Kapitel zurück. In Ri  3 ff. wird berichtet, dass der Herr zur Strafe den Moabiterkönig Eglon als Tyrann schickte. Sie schrien zum Herrn, und der Herr erweckte ihnen einen Retter (Luther: „einen Heiland“), Ehud, den Benjaminiten. Der spiegelte dem Moabiterkönig vor, er habe eine Botschaft Gottes für ihn. Als dieser ihn in seine Privatgemächer einließ zog Ehud einen Dolch und rammte ihn tief in den Bauch des fettleibigen Königs. Anschließend floh Ehud ins Gebirge, blies die Posaune und veranlasste die Kinder Israel zur Massentötung von 10.000 Moabitern. Anlass und „Wurzel“ des ganzen Geschehens waren die fünf Philisterfürsten Ri 3,3 („Fünf-Wurzel“), wobei die Zahl Fünf wieder ein Negativ-Signal aussendet (vgl. 26,1). − Der Bauch des Königs Eglon hätte eigentlich Israels Bauch sein müssen, weil es durch seine Abgötterei „falsch Israel“ geworden war. − „Ed Christ“: Ehud war als Erretter, als Heiland Israels, sozusagen eine Vorweg-Erscheinung Christi. Der Name Ehud musste aus Gründen des Versmaßes auf eine Silbe verkürzt werden. − Die Erzählung ist hier dermaßen komprimiert, dass sie nur von sehr bibelfesten Lesern einigermaßen verstanden werden kann. 9−12 Des Tieres Gesicht kommt bei der erneuten Götzendienerei Israels wieder zum Vorschein. Apk 17,8: „Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist nicht und wird wieder emporsteigen aus dem Abgrund.“ − Das apokalyptische Tier tritt zweimal auf, nämlich in der Vergangenheit, die keine Gegenwart mehr ist und in der Gegenwart, die noch keine Vergangenheit ist.

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39. Zweymahl zwölff fall zu deß Thieres fünff fünff / Zu zwantzig und fünff. Macht lauter fünff zwantzig auß zwantzig und vier / Auß zwantzig und vier. Erst wird ein Bund: hernach Stärcke sich fünff / (heist Mäusim fünff fünff) (ge: Romai fünff fünff.)

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 Wolfgang Herbst Und werden Mann über zween zwölffen Weibszier / (Hur Babels Christ Zier:) Die schwächere Zahl wird drauff m u l t i p l i c i r t  / (wie Ehbruch handthiert:) vom obern Zahl-Wirth. Hallelujah / rc.

Der Rückfall Israels, von dem in den Strophen 38–41 die Rede ist, veranlasst den Verfasser zu einer mystisch-apokalyptischen Zahlenspekulation über das Tausendjährige Reich. 1−4 vgl. 27,1−4 Die Vierundzwanzig wird zur Fünfundzwanzig. Die Zahl der Frömmigkeit und Gottesnähe (Zahl der Ältesten in Apk 4,4) wird dadurch zur Zahl des apokalyptischen Untiers (s. o. 27,1). 5 Aus dem Bund mit Gott wird die Stärke des Antichrists. In der chiliastischen Heilsgeschichte ist zuerst ein Bund mit Gott vorgesehen, danach wird dem Satan noch einmal für kurze Zeit freier Lauf zugestanden. 6 „Mäusim“: hebr. von Ma-us (‫)מעֹוז‬ ָ Bergfeste, Zufluchtsort. Dan 11,37−38: „Die Götter seiner Väter wird er [der König] nicht achten […] Er wird sich wider alles aufwerfen, aber stattdessen wird er den Gott der Festungen ehren.“ Der Verfasser bezieht das auf die Institution Kirche. − Jakob Böhme wird noch deutlicher und versteht Maosim als Eigennamen einer Gottheit: „Dieser Esau in seinem Seegen ist eine wahre Figur des Antichrists / welcher mit den Lippen sich zu Gott nahet / und sich in einen äusserlichen Scheindienst Christi begiebet / als tue ers GOtt / stehet auch und pranget mit Gleißnerey / stellet sich andächtig / auff daß er von Menschen geehret werde / und daß sein Gott Maosim fett werde / weinet auch für Boßheit / wenn man ihme nicht wil thun / was er haben wil / wenn er nicht mag den Bauch-Seegen bekommen / wie viel sein GOtt Maosim wil.“51 7 „ge“: hebr. ‫ גֵ א‬stolz, hochmütig (nur in Jes 16,6) − „Romai“: Irregulärer Plural. Die Verehrer Roms, die Romai, zählen zur Zahl des Tieres (5x5). 8 „Als denn auch widerumb der Mann des Weibes beste zier vnnd schmuck ist.“52 − Mit „Weibszier“ dürften hier die ehrenhaften Männer gemeint sein („Zween zwölffen“, Zahl 24), die überwältigt worden sind. 9−12 Die Hure Babels ist zum Abzeichen der Christen geworden. Das wird von Gott, dem Herrscher aller Zahlen, dem „oberen Zahlwirt“, wie Ehebruch behandelt. In dem Wort „handthiert“ steckt das Wort „Tier“. Das Tier ist für den Ehebruch (die Abgötterei) verantwortlich. − Die 24 wird mit der 25 multipliziert. (vgl. 40,7−11). Dieses spekulative Rechenexempel dient ausschließlich dazu, in der nächsten Strophe auf die Zahl 600 zu kommen.

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40. Jedem der zwantzig fünff als die Thier Krafft / Thier /  Wurtzel /  Zahl-Krafft / Ergreiffet den gantzen Teig zwantzig und vier / (Falsch Christliche Zier.) Welcher empfängt das Eins von dem fünff Safft / Von fünffmahl fünff Safft / Das jedes Eins mit und auß zwantzig und vier / Als Abfalls Begier.

51 Böhme, Jacob: Mysterium magnum. Amsterdam 1682, Kap.55, Nr. 44, 523. 52 Schuward, Johannes: EhrenFackel deß keuschen Ehelichen lebens […]. Leipzig 1585, 187.

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Neu zwantzig fünff mehrt: wenn eins so oft mehrt / Wirts biß 6oo. fünff zwantzig vermehrt. Halleluja / rc.

1−2 Fünfundzwanzig: s. o. 27,1. – Zu der Wort-Kette V.2 s. o. 16,3. − Vierundzwanzig: Zwei mal zwölf (Apk 4,4). Die Zahl steht für die Gemeinde Gottes insgesamt. 3–4 Schon ein kleiner Teil der widergöttlichen Tier-Kraft kann den gesamten Teig der Getreuen Gottes („vierundzwanzig“) durchsäuern (1Kor  5,6: „Wisset ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert?“). Das wäre ein falscher Schmuck für die Christen (vgl. 39,9). 5−9 „Das Eins“ (s. o. zu 8,4): die Urkraft. Wer diese von dem apokalyptischen Tier („fünfmal fünf Saft“) empfängt, der begeht Abfall von der Urkraft aus „24“, dem Glauben. Er vermehrt dadurch die „25“, das Reich des Unglaubens. 10 „so oft mehrt“: Wenn die Eins sich so oft vermehrt, vervielfacht. – Da die schwächere Zahl damit multipliziert wird (s. o. 39,10) ergibt sich aus 24x25 die Zahl 600. Dazu gerechnet wird 25 als Zahl des Tieres. Nach Apk 13,18 ist die Gesamtzahl des Tieres aber 666. Deshalb folgt in Strophe 41 eine Zusatzberechnung, um auf 666 zu kommen.

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41. Solche Thier-Fülle auß der Hure so macht / So wie gedacht / macht sechs hundert und zwantzig fünff / wird ihm der Grund Zugleich der Eins Grund. Seiner 42. Kirch-Monden-Streit macht / Als äusserer Thor Macht. Die ändert sechshundert und sechzig sechs Rund / Vom zwantzig-fünff-Grund. Nun sehet zumahl / Thier-Menschliche Zahl / Und Satans fünff-PfahlUrtheilets zumahl. Hallelujah / Jesse Gott herrschet / JEsus uns hertzet! Obs die Nicht-Götter gleich schmertzet

1–4 Aus der apokalyptischen Hure Babel entspringt eine Fülle von Tieren. Das macht wie berechnet („gedacht“) sechshundertfünfundzwanzig. − „Ihm“: Gemeint ist das Tier, dessen innerstes Wesen („Eins-Grund“) mit diesen Zahlen beschrieben wird. 5 Die „42-Kirch-Monden-Streitmacht“ sind die 42 Monate, in denen die heilige Stadt von den Heiden zertreten wird (Apk  11,2) und die 42 Monate dauernde Herrschaft des Tieres (Apk 13,5). 6 Das äußere Tor des Tempels (auf der Ostseite) war zugeschlossen, „und der Herr sprach: Dies Tor soll zugeschlossen bleiben und nicht aufgetan werden und soll niemand da durchgehen, denn der Herr ist dadurch eingegangen, darum soll es zugeschlossen bleiben“ (Ez 44,2). Über das äußere Tor Macht zu gewinnen war frevlerisch. 7 Durch hinzufügen der Zahl 42 (Apk 12,6) zu 625 summiert sich die Zahl auf unheilvolle 667 (625+42= 667). Die Rechnung geht nicht auf, denn eigentlich sollte die Zahl 666 herauskommen. Sie wird als die Zahl des Tieres bzw. des Antichrists angesehen. Apk 13,18: „Hier

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ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tiers; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“ Der Autor gesteht die rechnerische Ungenauigkeit ein, hält sie aber für vernachlässigbar und relativiert sein Rechenergebnis durch die Angabe, es sei „rund“ 666. 9–10 Seht! Die tierisch-menschliche Zahl 666 (V.7.) zeigt, was aus dem apokalyptischen Tier geworden ist. 11–12 Es ist des Satans („fünf“-) Pfahl im Fleisch. Die Fünf ist das Signal des Negativen. 2Kor  12,7: „mir ist gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage.“ 14 Jesse: Isai, der Vater Davids (1Sam 16,1 und Mt 1,6). 16 Die Nichtgötter stehen hier an Stelle des Satans, der in den Schlussversen der Strophen 1−3 und 42−44 genannt wird.

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42. Wie nun die Kinder deß Geistes JEsu / Deß Reiches JEsu / An aller Welt Enden in Harmonie stehn / Im Liebes-Band stehn / Ob wohl nach thierischer Anzahl und Ruh / (heist vielmehr Un-Ruh.) Klein / Arm / ja nichts in der fünff Sinnen Ansehn / Fünff fünffen Ansehn. So wird die Thier-Welt / zu Stücken zerschellt / Da Schwerdt das Schwerdt fällt / So stirbt die Thier-Welt. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / ob es gleich Satan sehr schmertzet.

Nach all dem Wüten des apokalyptischen Tieres wird nun in Str. 42–47 die Liebesgemeinschaft der Philadelphier (s. o. zu 2,2) beschrieben, die in aller Welt durch Harmonie vereint sind. 4 Zu binden−Band−Bund siehe 24,1/31,1. 5–6 Mt 12,43: Der unsaubere Geist „sucht Ruhe und findet sie nicht.“ (vgl. 55,17). 7−8 Die Kinder des Geistes Jesu sind nach weltlichen, widergöttlichen Maßstäben der fünf Sinne (26,1) klein und unansehnlich. 9−12 Aber die Welt des Tieres wird zerstört und durch das Schwert gefällt, sie stirbt. Ein Schwert fällt das andere. Mt 26,51: „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.“ Dadurch stirbt die Welt des Tieres.

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43. Abram war euer Gott macht auß viel unzählbar und viel. Bel Babel war groß: Nun ists Wildnüß Koth / Nichts / Schand / Zeichen / Fluch nichts. Sarä Frucht siegt biß zur gantzen Welt Ziel / Setzt Zeiten und Ziel. Posaunet vom Meer zu Meer Wercke deß Liechts / Vom Thron des Gerichts. Der Erst-Geburth Ehr / der heiligen Heer /

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die GOTT um sich her / erquicket vorher. Hallelujah/ [weiter ausgeschrieben wie Str. 42, Zeile 14–16] 1−2 Gen 17,4 f.: „Du sollst ein Vater vieler Völker werden. Darum sollst du nicht mehr Abram (‫)א ְב ָרם‬ ַ heißen, sondern Abraham (‫)א ְב ָר ָהם‬ ַ soll dein Name sein, denn ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker.“ Unklare volksetymologische Ableitung des Namens Abraham. Der Gott Abrahams ließ sein Volk unzählbar groß werden. 3−4 Der Gott Babels, der einst groß war, ist zunichte und zuschanden geworden. − Zu den Wort-Ketten siehe zu 16,1. 5–6 Sarah gilt als Stammmutter Israels (Jes 51,2). Ihre Nachkommen siegen bis zum Ende der Zeiten. 7−8 „Von Meer zu Meer“: Von einem Ende der Welt bis zum anderen. – Röm 13,12: „Lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes.“ Vom Thron des Gerichts aus sollen beim Urteilsspruch die Werke des Lichts herausposaunt werden. 9−12 Das Heer der Heiligen hat die Ehre der Erstgeburt. Hebr 12,22−23: „Ihr seid gekommen […] zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten.“ – „vorher“: in früheren Zeiten.

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44. Ein Kind der Freyheit gibt mehr als ein Land / Mehr als ein gantz Land: Der andre Schwarm ist wie ein Speichel geacht / Der außrinnt zur Acht / Und verliert Volck-Creatur-Recht und Stand / Natur / Recht und Stand / Bey allen Geschlechtern / so kommen mit Macht / Mit neuer Welt-Macht. Wie Heyde /  Mönch /  Jud / Auff Tempel / Volck / Guth Die Feuer Flucht lud. So herrscht noch die Ruth. Hallelujah [weiter ausgeschrieben wie Str. 42, Zeile 14–16]

1−2 Ein Kind der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21), ist mehr wert als ein ganzes Land. 3–4 Alle anderen sind nur Speichel, der heraus rinnt (vgl. 25,5). – „Acht“: Alte Bezeichnung für Ächtung (vgl. „in Acht und Bann tun“). 5−6 Der Schwarm der anderen verliert Bürgerrecht, Naturrecht und soziale Einbindung, 7−8 wenn alle Geschlechter mit Macht kommen, die den neuen Äon des Tausendjährigen Reiches beherrschen werden. 9–12 Heide, Mönch (Kirche) und Jude sind schuldig, weil sie auf Religion, Nation und Besitz bis heute eine Strafe (Rute) geladen haben, nämlich die Flucht wie vor einem Feuer (Am 7,4: „Der Herr rief dem Feuer, damit zu strafen.“).

45. Eitel Menschen! was fürchtet ihr Fleisch / Nahm / Ansehn vom Fleisch. Das Völcker- und Kriegs-Recht erbt Davids sein Thron / Ein ewiger Thron.

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 Wolfgang Herbst Da JEsu Jesse Zucht spricht; von mir heisch’/ (Ich heisse dir heisch:) Der Heyden Erb / du bist in Isr El mein Sohn / Im Reichstag mein Sohn. Der andern Reichs-Recht / Erklähr ich unächt. Als Götter ohn Recht Mit Kirch und Christi Recht. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich halb Egypt verschertzet.

1–2 „Eitel“: im Sinne von vergänglich („Alles ist ganz eitel“ Koh 1,2).  − Ihr vergänglichen Menschen, was fürchtet ihr um euer leibliches Wohl, euren Namen und euer Ansehen. 3–4 Das übergeordnete Recht geht als Erbe an Davids ewigen Thron, vgl. 36,5. 5–7 Da Jesus − von Jesse stammend − spricht: von mir verlange das Erbe der Heiden, denn du bist Israel, mein Sohn. Ps 2,8: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget; heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben“. − „Heische von mir“ bedeutet: fordere mich auf, verlange von mir. Das Wortspiel „Ich heisse dir, heisch!“ meint: Ich fordere dich auf: verlange dein Erbe, tritt dein Erbe an! 8 „Reichstag“: Tag des ewigen Gerichts, vgl. 52,4; 9–12 Die Heidengötter haben kein Recht mehr, wo Christi und der Kirche Recht herrscht. Der sonst so kirchenkritische Verfasser bringt die Kirche hier mit dem Recht Christi in Verbindung. 16 Ägypten steht für Fremdheit, Fremdherrschaft und fremde Religion. Jes 31,3: „Denn Ägypten ist Mensch und nicht Gott, und ihre Rosse sind Fleisch und nicht Geist.“ − „Verscherzen“: die Sympathie verlieren. − „Halb Ägypten“: Ein großer Teil Ägyptens. Man sagt „die Hälfte“ und meint doch mehr als das Ganze (Pars pro toto).

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46. Last euch neu widmen / ihr Inseln von ferne! Christ Häufflein von ferne. Nord! Abend! Meer! Wechselt mit heisserm Liebs-Schein / Mit hellerm Liebs-Schein. Ewige Hütten-Glut /  Zemah /  Früh-Stern / Heist blühet früh gern. Von Salems Höh ladet zum Bruder-Fest ein / Zur Lauber Hütt ein. Verlasset Chams Zelt / dem Aug und Zung fällt / Und fault / weil er bellt / zuwider Sems Zelt. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich der Welt Furcht verschertzet.

1–2 Die Christen in fernen Ländern sollen sich Jesus neu zueignen, sich ihm neu widmen in noch heißerer Liebe als bisher. 3–4 „Nord, Abend, Meer“: Im Norden, im Westen und in Übersee. − „Wechselt mit heißerem Liebesschein“: Gehet auf noch heißere, hellere Liebesstrahlen über. 5−6 „Ewige Hütten-

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Glut“: Der heißere Liebesschein („Glut“) macht, dass die Kinder des Lichts am Ende aufgenommen werden in die ewigen Hütten (Lk 16,8–9). − „Zemah“: hebr. ‫ צֶ ַמח‬Spross. Eigenname für einen messianischen Herrscher. Sach 6,12: „So spricht der Herr Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt Zemach; denn unter ihm wird’s wachsen, und er wird bauen des Herrn Tempel.“ − „blühet früh gern“: Der Morgenstern geht früh auf. Gott hilft früh am Morgen (Ps 46,6). 7–8 Einladung zum Verbrüderungsfest, zum Laubhüttenfest (Dtn 16,13−17). 9 Ham ist der zweite der drei Söhne Noahs, der nach Gen 9,20 ff. seinen Vater entehrte und verflucht wurde. Sein Zelt (Laubhütte)  soll verlassen werden, weil er sich gegen seinen Bruder Sem stellte. − Der Dichter gebraucht hier die hebräische Namensform von Ham: Cham (‫)חם‬. ָ 10–12 Augen und Zunge verfallen, er verfault, weil er wie ein Hund gegen seinen Bruder bellt. Sem war von Noah gesegnet worden (Gen 9,26), sein Bruder Ham aber nicht. 16 Die Ehrfurcht vor der Welt verliert an Sympathie, an Einfluss.

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47. Völcker! sucht willig die Zahl der Menschheit / Der neuen Menschheit / So werdet ihr gülden Kirch Asia seyn / Die güldne Zeit seyn / Das Leuchter-Land seyn. Flieget zur Ewigkeit Adler! auß Zeit / Geists Erstling auß Zeit / So kommt euch entgegen deß Lämmleins Braut-Schein / Deß Sonnen-Hauses Schein Sucht neue Reichs-Ehr: Last thiersche Volckwehr / Werdet Löwen im Heer / durch Judä Reichs-Lehr. Hallelujah/ [weiter ausgeschrieben wie Str. 42, Zeile 14–16]

In diese Strophe ist ein zusätzlicher Vers eingefügt (Vers 5). 1−2 Alle Völker sollen die große Zahl von Gott erneuerter Menschen suchen. 3–4 Nach dem Vorbild der goldenen Kirche Asiens wird das Tausendjährige Reich gestaltet sein. Gottfried Arnold schildert die „güldene Zeit“ der Apostel in der Provinz Asien als die Zeit reinen und unverfälschten Christentums. „WIltu das Christenthum in seinem Grund erkennen / So forsche wol die schrifft / durchs Geistes licht und schein: Gaff aber nicht auff die / so sich die kirche nennen / Der ersten Christen-stand muß dir vor augen seyn: Als noch der Gottesdienst einfältig eingemischet / Und schlecht [schlicht] im hertzen blieb.“53 5 Das erleuchtete Land. – Überzähliger Vers. 6–7 Jes 40,31: „Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.“ Sie sollen aus der Zeit in die Ewigkeit fliegen. – „Geists Erstling“: Röm 8,23: Alle Kreatur sehnt sich, „aber nicht allein sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge [die Erstlingsgabe des Geistes], […] warten auf unsers Leibes Erlösung.“ 8−9 Aus der Ewigkeit kommt des Lämmleins Braut-Lichtschein, der Sonnenhaus-Schein, entgegen. Apk 21,9: „Ich will dir zeigen die Braut des Lammes.“ 10–11 Sucht die neue Botschaft vom Reich (Gottes). Dan 7,14: Gott „gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten.“ Gebt den vom apokalyp-

53 „Vom Zustand der ersten Christen“ in: Arnold, Gottfried: Das Geheimnis der göttlichen Sophia (s. Anm. 16), 282.

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tischen Tier verursachten Widerstand des Volkes auf. − Das Volk wird hier (wie in 23,3) als der unwissende Am Haarez (‫מ־ה ָא ֶרץ‬ ָ ַ‫ )ע‬das gemeine Volk, der Pöbel verstanden. 12–13 „im Heer“: im Kampf s. o. 33,2.  – „Judä Reichs-Lehr“: Judas Botschaft vom Reich Gottes.

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48. GOttesRed theilet neu / Erde / Mond / Sonn / Höh /  Tieffen /  Zeit /  Sonn / Das Kirchen-Land Christi heist Asiens Theil / Sems Asiens Theil; Da verfiel Syr / Philist / Moab / Ammon / zum Pfeiffen-Bilds-Thron / Euch haben Bels Sieben-Berge Art trifft Chembs Pfeil / David Sions Pfeil. Concilien /  Lehr Phrath / Aus Priegsch Arons Stadt / Schwind werde ein Pfad / Neu Orients Stadt. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich der Abfall verschertzet.

1–2 Das Wort Gottes ordnet alles neu: Erde, Mond, Sonne, Höhen, Tiefen und die Zeit. – Zu den Wort-Ketten s. o. 16,1 3–4 Wie sich Christus die Kirche wünscht, so ist „Asien“, s. o. 47,3. Asien gehört zum gesegneten Stamme Sem (s. o. 46,9−12). 5–6 Syrer, Philister, Moabiter und Ammoniter sind dem abtrünnigen Götzenbild verfallen. – „Pfeifen“: Symbol des ungezügelten Hedonismus. Jes 5,11−12: „Weh denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich zu fleißigen, und sitzen bis in die Nacht, dass sie der Wein erhitzt, und haben Harfen, Psalter, Pauken, Pfeifen und Wein in ihrem Wohlleben und sehen nicht auf das Werk des Herrn.“ − „Bild“: Das hemmungslose Wohlleben ist wie ein thronendes Götzenbild. Lev 26,1: „Ihr sollt euch keinen Götzen machen noch Bild.“ 7−8 „Bels sieben Berge Art“: Apk 17,9: „Die sieben Häupter sind die sieben Berge, auf welchen das Weib [Babylon] sitzt.“ Bel ist die Gottheit Babylons. „Art“: lat. ars, artis, hier: Handlungsweise, Eigenschaft −„Chembs Pfeil“: Der göttliche Bannstrahl der Vertilgung (Cherem ‫)ח ֶרם‬ ֵ Mal 3,24; Sach 14,11. Der Dichter brauchte an dieser Stelle für die Einhaltung der Verslänge ein einsilbiges Wort, deshalb die Verkürzung auf „Chem“ statt „Cherem“. Das klingende „m“ wird sozusagen abgebremst durch den bilabialen Verschlusslaut „b“ oder „p“. Luther gebraucht häufig Wortbildungen wie „darumb“, „warumb“, „widderumb“, „frembd“, „sampt“, „umb Gottes willen“. – Gemeint ist: Euch, die ihr die Eigenschaft der sieben Berge Bels angenommen habt, trifft der Bannstrahl Gottes, nämlich Davids und Zions Pfeil. 9 Kirchliche Konzilien und Babylons Lehre. − „Phrath“: hebr. ‫פ ָרת‬, ְ Luther kommentiert in der Biblia Germanica 1545 Gen 2,14: „Phrath aber ist das nehist wasser in Syria / das man Euphrates heisst.“ Das Wort Euphrat steht für das berüchtigte Babylon. 10−12 „Priegsch“: ital. brigare = intrigieren, Brigant = Schurke, Straßenräuber, Bandit. − „Stadt“: gemeint ist hier nicht eine Stadt (lat. urbs), sondern ein Ort (lat. statio). Aaron starb nach Num 33,38 f. auf dem Berg Hor, der Überlieferung nach nahe der Felsenstadt Petra (Jordanien). Er war wegen seiner Verfehlungen nicht würdig, das gelobte Land selber zu sehen. Deswegen ist Hor (arab. „gebel harun“, ein islamischer Wallfahrtsort) für den Autor ein

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Schurkenort, der sich geschwind in einen Pfad zum gesegneten Ort („neu Orients Stadt“) verwandeln möge. 16 Auch wenn es der Abtrünnigkeit vom Glauben nicht gefällt.

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49. Tigris / der tausend Jahr Lehrers strömt / bleibt schnell fließt ein und bleibt Der ältesten Kirchen-Lehr Arams Außfluß / Der ersten Kirch Fluß / Daher sträut Feuer Tauff / löst was beweibt / Erd-Bürger Recht treibt. Els Engel Zahl / setzt daher Gräntzen und Schluß: (Lands Grentzen / Rechts-Schluß:) Dem Land und dem Heer / dem Feind und Gewehr / Der Heyden Sprach lehr / In Kirch und Welt lehr. Hallelujah / A und O herrschet/ JEsus uns hertzet / ob es den Abgrund gleich schmertzet.

1−2 Der Tigris, der unter dem Namen Hiddekel zum Bewässerungssystem des Paradieses gehört (Gen 2,14), fließt schon seit ewigen Zeiten. − „Lehrers“: Nach dem Zeugnis der alten Schriften. 3−4 Die Verkündigung der ältesten Kirche geschah in aramäischer Predigt. Nach alter Überlieferung weist die Herkunft der Aramäer auf Mesopotamien hin. 5–6 Mt 3,11: „Der nach mir kommt ist stärker als ich, […] der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ Diese Taufe löst, was mit dem apokalyptischen Weib verbunden ist (Apk 17,3 ff.) und was nach weltlichen Regeln (Erd-Bürger Recht) lebt. 7–8 Die zahlreichen Engel Gottes („Els“) machen ein Ende damit. Ps  74,17: „Du setzest einem jeglichen Land seine Grenze.“ 9−10 Die Engel Gottes (Els) setzen auch dem Feindesland mit seinem Heer und seinen Waffen eine Grenze. 11−12 Der Genetiv „der Heiden“ ist wörtlich aus Sach 8,23 übernommen, obwohl er grammatikalisch an dieser Stelle nicht passt: „So spricht der Herr: Zu der Zeit werden zehn Männer aus allerlei Sprachen der Heiden einen jüdischen Mann bei dem Zipfel ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir hören, dass Gott mit euch ist.“ Gemeint ist: Den Leuten heidnischer Sprache bringe die Sprache des Glaubens in Kirche und Welt nahe.

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50. Asiens Reich tritt Europs Stuhl zum Abgrund / Zum finstern Thier Grund / Und steigt dahin aller Erd-Pfaffen Kopff / Schwantz / Thier / Hauß mit Pfaff-Schwantz. Asiens Salem zeigt Philadelphs Bund / Deß Bruder-Geists Bund. Das ist deß Liecht-Reiches Feldzeichen und Glantz / Deß Heers Gebers Glantz / Joh.14. und 15. Wie fleucht doch und kracht / vor neuer Reichs Macht / Die Bruder-Mords Nacht /

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 Wolfgang Herbst da Stück bey Stück kracht. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs den Erdbrüchen gleich schmertzet.

Die letzten Strophen des Liedes weisen verstärkt auf Bibelstellen hin, was auf eine spätere Entstehung schließen lassen könnte oder auf eine spätere Bearbeitung, evtl. von fremder Hand. 1−2 Die fromme Provinz Asien überwindet das glaubensarme Europa und tritt es in den Abgrund. − Die Verse 1−4 sind deutlich gegen die Institution Kirche mit ihren „Erd-Pfaffen“ gerichtet. 3−4 „Es steigt dahin“: es verschwindet. − „Darum wird der Herr abhauen von Israel beide, Kopf und Schwanz“ (Jes 9,13). 5–6 „Salem“ (hebr. ‫)שׁלֵ ם‬: ָ friedfertig, integer, sich ganz hingebend (1Reg 8,61). Die gottergebenen Gemeinden der Provinz Asien weisen auf den Bruderliebe-Bund hin und sind Vorbild für die philadelphischen Gemeinden (vgl. 2,2). 7−8 Sie sind ein glänzendes Feldzeichen, das vorangetragen wird und verweisen auf den „Heer-Geber“, den Regenten, dem das Heer gehört. 9−12 Vor der Macht des neuen Reiches bricht die Nacht des Brudermordes Stück für Stück entzwei. Brudermord ist das Gegenteil von der siegreichen Bruderliebe (Philadelphia). 16 „Erdbrüche“: Das Zerbrechen des Irdischen.

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51. Christi Reichs Sonnen-Lehr / mit dem Braut-Gruß / Apoc.1/4 cap.22/16.17. Mit Asiens Kirch-Gruß. Schreckt durch die Füß / Mond-Reformations-Zeit / Apoc.3/3. Halb Mond Kräyses Zeit. Fünffzehen von dreyssig halbstündige Buß / Apoc.8/1. Halb Mond am Liecht Fuß. Da Sardems Posaunen Chor fünffe einweicht / Die fünffte Stell weicht. Da GOTT die Thier acht hält zum Band macht / Hos.2/18. Joh.11/6.7.8. Zeigt Petro und sagt: Ich mach es rein Schlacht. Act.10/11. biß 16.  Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich Bels Unthier verschertzet.

1−2 „Sonnen-Lehr“: „Ich sah einen Engel in der Sonne stehen, und er rief mit großer Stimme und sprach zu allen Vögeln, die unter dem Himmel fliegen: Kommt und versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes“ (Apk  19,17). − „Der Geist und die Braut sprechen: Komm!“ (Apk 22,16−17). – Gruß des Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Apk 1,4. 3–4 Der Mond wird in Joel 3,4 und Apk 6,12 mit Schrecken und Blut in Verbindung gebracht, und der Reformationszeit mit ihren Streitereien fährt der Schrecken durch die Füße. Das Gleiche gilt für die „Halbmond-Kreises Zeit“ des Islam: Die Mondsichel entwickelt sich im osmanischen Reich zum religiös-staatlichen Symbol. − Der Islam wurde von frommen Christen als zeitlich begrenzt betrachtet (1000 Jahre nach Apk 20,2), vgl. Anmerkung zu 15,5. 5−6 „Und da das Lamm das siebente Siegel auftat, ward eine Stille in dem Himmel bei einer halben Stunde.“ − „Fünfzehn“: die Hälfte von 30 Minuten − die Hälfte des Mondes. „Es er-

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schien ein großes Zeichen am Himmel: Ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen“ (Apk 12,1). − Die „Mondsichelmadonna“ wird zum Symbol des Sieges von Kirche und Abendland über die Türken und den Islam. 7–8 „Ich hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune. Die sprach: Was du siehest, das schreibe in ein Buch und sende es zu den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodicea“ (Apk 1,10−11). − Nicht nur eine einzelne Posaune, sondern ein ganzer Chor von Posaunen bringt die „Fünf“ (vgl. 26,1−12) zum Nachgeben. Ihr Widerstand wird „weich“, er weicht. Die fünfte Adresse der sieben Sendschreiben ist Sardes. Darüber wird gesagt „Du hast den Namen, dass du lebest, und bist doch tot“ (Apk 3,1). 9–10 Gott hält die Tiere in Acht (Aufmerksamkeit, Fürsorge) und schließt mit ihnen einen Bund (Hos 2,20). − Zur Wortfamilie binden−Band−Bund: 24,1; 31,1. 11–12 Act 10,11−16: Die Vision des Petrus von den reinen und unreinen Speisen, wobei ein großes Tuch vom Himmel kommt. In dem Tuch „waren allerlei vierfüßige Tiere der Erde und wilde Tiere und Gewürm und Vögel des Himmels. Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes oder Unreines gegessen. Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“ − Der Satz „Ich mach es rein Schlacht“ ist eine besonders knappe Ausdrucksweise (Ellipse). Er würde vervollständigt heißen: „Ich mache, dass die Schlachtung kultisch rein ist.“ 16 Bels Untier könnte der große rote Drache von Apk 12,3−4 sein.

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52. Aller Welt Geist und Trieb heisset Wind / Lufft / Welt GOttes Reichs-Lufft / a Herrsch Hamans Rath; ist sie Nacht / GOttes Rath-Tag / b GOtts Engeln Reichstag. Dessen Rath bläst die Nord-Dämpffe zur Grufft / Feind Judä zur Grufft. Folgt Roß deß Reichs tausend Trieb / gehets ohne Klag / Weiß Sieg / Feind / ohne Klag. c Kirch Welt und Feld Rath! wißt von hoch sieben Rath / d Dreht Juda das Rad / so gehts erst gerad. e Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet/ obs gleich Welt Eigennutz verschertzet.

a Eph 2/2. 6/12 b Dan.10 c Apoc.6/1.2. Mich.4/4 d Zach.4/10 Jes.9/6. 11/21. e Ezech.1/10.20.28. Apoc.6/1.2. Zach.6/5.6.12.13. cap.10. und 12.

In dieser Strophe werden erstmalig Anmerkungen als Fußnoten gemacht, die auf Bibelstellen hinweisen. 1−2 Eph 2,1−2: „Auch ihr waret tot in euren Übertretungen und Sünden, in welchen ihr vormals gewandelt seid nach dem Lauf dieser Welt, nach dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens“. Den bösen Geistern, die in der Luft und unter dem Himmel herrschen, wird die Luft des Gottesreichs entgegengesetzt, vgl. auch das „Brausen vom Himmel“ in der Pfingstgeschichte Act 2,2.

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3−4 „Rat“: lat. ratio, Erwägung, Denkweise. Haman ist der vom König Ahasveros (Xerxes) Beauftragte, vor dem alle niederfallen müssen. Er will alle Juden im Königreich umbringen lassen, fällt aber in Ungnade und wird selbst hingerichtet (Est 5,8−12). − Die „Luft“ ist Nacht nach Hamans Plan. Sie ist Tag nach Gottes Plan. Bei Gottes Engeln ist sie „Reichstag“, Jüngstes Gericht (s. o. 45,8). 5–6 Gottes Engelfürst Michael siegt über die Engelfürsten Persiens und Griechenlands (Dan 10,20–21). Der „König des Nordens“ wird besiegt und zur Gruft geblasen (Dan 11,3 ff.). Gruft−Grube−Grab: „Ich will dich hinunter stoßen zu denen, die in die Grube gefahren sind, zu dem Volk der Toten“ (Ez 26,20). 7−8 Apk 6,2: „Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß hatte einen Bogen, und ihm ward gegeben eine Krone, und er zog aus sieghaft und dass er siegte:“ Das weiße (Ross) besiegt den Feind im Tausendjährigen Reich und bekommt deshalb den Namen „Tausendtrieb“, dann gibt es keine Klage mehr. 9–10 Die Denkweisen von Kirche und Welt sollen wissen, dass „jene sieben Augen des Herrn alle Lande durchziehen“ (Sach 4,10) und die ratio Gottes hoch von oben den Weltlauf bestimmt. 11–12 Wenn Juda das Rad dreht, dann geht es geradeaus. 16 „Eigennutz“: Die Eigenschaft der Welt, immer und ausschließlich den eigenen Vorteil zu suchen. Davon bleibt nichts mehr, wenn Juda erst einmal das Rad dreht.

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53. Perser Pferd / Sonnenweiß / wiehelt zur Kron / a Früh Reuter zur Kron! Vom Löw-Ost / der Juda ReichsLehrer Quartier / Liecht Siegel Quartier.) Elam Verß heist / wo GOTT setzt den Els Thron./ Herrn Kyrus-Rechts-Thron. b Deß Lämmleins neu Schöpffungsbild / nennts im Geist hier / (Buchstab hat letzt Zier.) c Das Fleisch ist kein Nutz: Deß Geistes Krafft Stütz / Bey Rede mich schütz / Drauff wird auch Fleisch nütz. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich die Geistlose schmertzet.

a Apoc.6/1.2 Zach.6/6. b Jes.41/2.4. c Jes.45/1.13. c. 32/1.

1–2 Apk 6,2: „Ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm ward gegeben eine Krone, und er zog aus sieghaft und dass er siegte“. − „Perser Pferd“: Das weiße Pferd wird den Persern zugeordnet. Sie waren die Befreier Israels, und zu ihrem König Kyros sagt JHWH: „Mein Hirte! Er soll all meinen Willen vollenden und sagen zu Jerusalem: Werde wieder gebaut! und zum Tempel: Werde gegründet!“ (Jes 44,28). Kyros wird von Deuterojesaja als Gesalbter JHWHs gefeiert (Jes 45,1). Das Perserpferd ist demnach ein Symbol für Befreiung und Zukunft Israels. Es wiehert der Krone entgegen am Morgen („Frühreiter“), also auf der Seite Judas. 3–4 Vor „Liecht“ ist eine Klammer zu denken (vgl. Vers 8). – Nach der Lagerordnung der Israeliten in Num 2,3 hat Juda auf der Ostseite der Stiftshütte sein Quartier: „Gegen Morgen soll sich lagern Juda mit seinem Panier und Heer.“ Von dort (Osten) steigt ein Engel auf, der das Siegel des lebendigen Gottes hat (Apk 7,2).

Pietismus und Dadaismus Pietismus und Dadaismus

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5–6 „Elam“: Landschaft östl. von Babylonien. Die Bewohner werden zu den Nachkommen Sems gezählt. JHWH ist der Gott Sems (Gen  9,26). − „Elam Vers heißt“: Für Elam gilt der Satz… – „So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, zu Kyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergreife“ (Jes 45,1). 7–8 Jesajas Worte über die Völker vor dem Weltenrichter („Wer ruft die Geschlechter von Anfang her? Ich bin’s, der Herr, der Erste, und bei den Letzten noch derselbe“ Jes 41,4) werden hier als Hinweis auf das Lämmlein Christus verstanden. „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“ (Apk 1,17). – „Buchstab hat letzt Zier“: Das geschriebene Wort gibt das abschließende Zeugnis. 9−10 Ohne des Geistes Kraft nützt alles Fleisch nichts. – Die Verse 9–12 sind ein Gebet. 11–12 Mk 13,11: „Sorget nicht zuvor, was ihr reden sollt; sondern was euch zu der Stunde gegeben wird, das redet. Denn ihr seid’s nicht, die da reden, sondern der heilige Geist.“ Das wird auch dem Fleisch (dem ganzen Menschen) nützen. 16 Die Geistlosen sind Menschen ohne den heiligen Geist. − Verweigerung der korrekten Deklination bei „Geistlose“ (vgl. 20,10; 25,3 u. a.).

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54. Cherubs Geist schreibet Neu-Himmel-Erd Zier / a Ge Astronoms Zier / Ist wieder alt Secten und Thier Wahn ein Schwerdt / Macht all mit dem Schwerdt. b Eigensinn alles ticht / garstig / welck hier. c Sinn Asien welck hier. Da doch die Geist-Rede / das alles hat verheert / Und jetzt noch verzehrt. Das alte Welt-vier (Apoc.6/7.8.) wurd geistlich wüst hier / Wie Sodom Chams Zier / c.2/8. wüst geistlich / Hur Thier. d Hallelujah! A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich Alt-Welt verschertzet.

a Ps.45/1. Apoc.4/11. 5/1.13. b Hebr.8/13. 4/12. c Hebr.9/11. Gal.4/25. Ps.90/4.6. d Apoc.17/3. Cap.14/13.20.

1–2 Apk 5,1: „Ich sah in der rechten Hand des, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben inwendig und auswendig:“ − „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“ (Jes 65,17). − „Neu-Himmel-Erd-Zier“: Die Schönheit des neuen Himmels und der neuen Erde. – „Ge“: Geborener der künftigen Welt (siehe 6,9). – Jesus bewirkt auch die Schönheit der Sternenwelt. Sie spielte in der naturphilosophischen Lehre Jakob Böhmes eine besondere Rolle. 3–4 Cherubs Geist ist eine Waffe wider den Wahn der alten Sekten (s. o. 10,5) und des apokalyptischen Tieres. „Die Cherubim mit dem bloßen hauenden Schwert“ (Gen 3,24) vernichten Sekten und Tier. Der Geist Cherubs macht sie mit seinem Schwert alle („alle“ umgangssprachlich: er bereitet ihnen das Ende). 5–6 Das Dichten und Trachten des Eigensinns lässt alles garstig und welk werden. Da verwelkt auch die lautere Gesinnung der frühen Christenheit (Provinz Asien: s. o. 47,3). 7−8 Das Wort des Cherubs hat das alles vernichtet und verzehrt und tut das heute noch.

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9–10 Die Öffnung des vierten Siegels (Apk 6,8) offenbart Schwert, Hunger und Tod für die vier Erdteile. „Das fahle Ross mit dem Tod, der über die vier Teile der Erde Macht hat.“54 Die alte Welt Europas (vgl. 29,4) wurde zur geistlichen Wüste. 11–12 Sodom, die Stadt, die dem Gericht verfallen ist, mag für den vom Vater verstoßenen Ham noch als Schmuck dienen (s. o. 46,9). − Der Verfasser wählt die hebräische Schreibweise des Namens Ham: Cham (‫)חם‬. – ָ „Er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah ein Weib sitzen auf einem scharlachfarbenen Tier, das war voll lästerlicher Namen.“ (Apk 17,3) 16 Die alte Welt verliert an Sympathie und Einfluss.

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55. Christi Mensch aller Orth heist an Neu Land / a Ein Erste Geburth Land. Sanfft helle Lufft / ist da GOtts herrschender Geist / Der freyen Thron Geist / b Sions Liebs-Weißheit Band GOttes Reichs-Stand / Hochtieff in GOtts Hand. Wird vor den Sinnbergen an Majestäten frist / Vom Senff-Korn Graß frist / Feind / berge: c Reichs Macht / sucht Friede / nicht Schlacht Thron Engel stehn Wacht / Mit Serufs Feur Macht: sucht Friede / nicht Schlacht. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet/ obs gleich Bel uneins verschertzet.

a Es.66/21.22. Jac.1/18. b Ps.51/14. Apoc.1/4. Gal.4/26.18. Jer.3/17. 1.Reg.19/12. 1.Petr.3. Exod.24/10. c Ps.21/10.11. und Ps.55/22. und Psalm 17/14. in ἀπολύων Apoc.9/11.

1–2 Wo Christus-Menschen allerorten leben wird das Land neu. 2Petr 3,13: „Wir warten eines neuen Himmels und einer neuen Erde.“ Jak 1,18: „Er hat uns geschaffen nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf dass wir wären Erstlinge seiner Kreaturen.“ 3–4 Wo Gottes Geist herrscht, da ist die Luft, in der sonst der Teufel und die bösen Geister herrschen (Eph 2,2), sanft und helle (s. o. 52,2). Gal 4,26: „Das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie.“ − „Zu jener Zeit wird man Jerusalem nennen ‚des Herrn Thron‘ “ (Jer 3,17). 5 Zions Liebesweisheit ist verbunden mit dem Reich Gottes. − Binden−Band−Bund: s. o. 24,1/31,1/51,10. 6 „Hochtieff in GOtts Hand“: „Weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes“ (Röm 8,39). 7 Apk 17,9: „Hier ist der Sinn, zu dem Weisheit gehört! Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf welchen das Weib sitzt, und sind sieben Könige.“ − Die „Sinnberge“, vor denen die Liebesweisheit die königlichen Majestäten auffrisst, sind eine kontrapunktische Wortbildung zu den Feindbergen (V.9). 8 Die Liebesweisheit frisst das Unkraut vom Senfkorn, damit „das kleinste unter allen Samen der Erde“ (Mk 4,38) ungestört wachsen kann. 9−10 Die „Feindberge“ sind die sieben Berge, auf denen das Weib sitzt (Apk 17,9). Diesen Bergen widersteht die Macht des Reiches Gottes. Sie sucht Frieden, nicht Krieg. 54 Meyer / Suntrup (s. Anm. 27), zu Apk 6,8, Sp. 391.

Pietismus und Dadaismus Pietismus und Dadaismus

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11–12 Umkehrung der normalen Wortstellung im Satz (Inversion). Gemeint ist: Die Engel halten Wache vor Gottes Thron. – „Seruf“: Der Singular von Serafim heißt Saraf (‫)ׂש ָרף‬. ָ Das Wort bedeutet eigentlich brennen, verbrennen, daher die „Feuermacht“. Die Vokalisation „Seruf“ fügt die Vokale von „Cherub“ in den Wortstamm s-r-f ein. Es entsteht eine rhetorische Montage zweier Wörter, nämlich Cherub und Saraf (vgl. 25,5; 28,12; 32,6). 16 „Bel uneins“: Der falsche Gott ist mit sich uneins. Mt 12,25: „Ein Reich, das mit sich selbst uneins wird, das wird verwüstet“ (vgl. 42,6).

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56. Alle Welt! fürchtet GOTT stille: wircket recht / Er kommt der richtet recht. Letzt richtet: Erst prüfft: Wer nicht fast die Red; schweig; wers fast der zeig Was nicht fasset alter Sinn / nennt er Unrecht / mist alles nach sich schlecht. Mensch! haar und lern / werde jung / laß den Alt-Teig / den alten Zanck-Teig. Harmonisch alles miß / mit Zucht ohn Verdrieß / Der spottenden Biß / trifft Cherubs-Heer Riß. Hallelujah / A und O herrschet / JEsus uns hertzet / obs gleich falsch Urtheil verschertzet.

ENDE .

1–2 Ps 33,8: „Alle Welt fürchte JHWH .“ − 1Thess 4,11: „Ringet danach, dass ihr stille seid und das Eure schaffet und arbeitet mit euren Händen.“ – „Er, der recht richtet, kommt“. Umkehrung der normalen Wortstellung im Satz. 3–4 Anweisung zum Umgang mit dem „Geheimnisvollen Triumphlied“: So, wie Gott recht richtet, sollt auch ihr erst am Schluss urteilen. Vorher prüfen! Wer es nicht versteht, soll schweigen. Wer es fassen kann, der zeige es an. 5–6 Die im alten Denken Verbliebenen nennen dieses Gedicht ein Unrecht, weil sie alles, was nach ihnen selbst kommt, schlecht finden. 7−8 Mensch! Höre und lerne! − „Alter Zank-Teig“: Die orthodoxe Kontroverstheologie. 9−10 Beurteile alles ohne Aggression und Verdrießlichkeit. 11–12 Den Biss der Spottenden trifft der Riss (er wird zerrissen) von Cherubs Engelheer. 16 Auch wenn ein falsches Urteil dadurch ungültig wird.

Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern im 19. Jahrhundert Matthias Schneider

„Pomerania non cantat“  – dieses Diktum teilen die Pommern mit anderen Volksstämmen, etwa denen der Friesen und der Westfalen.1 Doch wenn wir einen Blick auf die (kirchen-) musikalischen Quellen aus Pommern werfen, so verdichtet sich dieser Eindruck keineswegs: Zahlreiche Dokumente erhellen das Singen von Kurrenden und Kantoreien, die Begleitung von Chor- und Sologesang auf der Orgel und Vieles mehr. 2 Schwieriger wird es, wenn wir genauer wissen möchten, was und wie gesungen und musiziert wurde. Um dieser Frage nachzugehen, sind wir vielfach auf die Hinzuziehung und Interpretation indirekter Quellen angewiesen. Bevor wir uns einigen Dokumenten aus Pommern im 19. Jahrhundert näher zuwenden, gebe ich einen kurzen Überblick über die Orgelmusik im Gottesdienst vor 1800.

1. Orgelspiel im nachreformatorischen Gottesdienst Von der Bedeutung des Orgelspiels zeugen zuallererst die Orgeln selbst, über die viele Kirchen schon lange vor der Reformation verfügten. 3 Ihre Größe und Disposition, aber auch ihr Aufstellungsort vermögen Hinweise auf ihre litur­ gische Verwendung zu geben. Als Johannes Bugenhagen im Jahre 1535 für Pommern eine Kirchenordnung ausarbeitete, schien die liturgische Orgelmusik aber kein Gegenstand zu sein, über den vertiefte Gedanken angebracht schienen. Bei seinen Überlegungen zum kirchlichen Personal findet sich lediglich ein kleiner Absatz über die Organisten, in dem es heißt:

1 Vgl. hierzu etwa Kremer, Joachim: Gelegenheitsmusik im interregionalen Vergleich. Perspektiven und Forschungsstrategien. In: Tenhaef, Peter (Hg.): Gelegenheitsmusik im Ostseeraum vom 16. bis 18. Jahrhundert (Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 20). Berlin 2015, 130. 2 Vgl. etwa Bugenhagen, Beate: Die Musikgeschichte Stralsunds im 16. und 17. Jahrhundert. Köln / Weimar / Wien 2015. 3 Vgl. exemplarisch dazu Funck, Markus T.: Die Orgeln der Hansestadt Greifswald. Schwerin 2009.

Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern 

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Organisten schölen ynn groten Steden geholden werden vnde ehrlick besoldet / tho ehren der Musica / da mit se nicht vörgha […] Wor men ydt överst nicht vormach / ysset nicht eyn nödich Gades denste.4

Konkretere Hinweise auf die Tätigkeit der Organisten finden sich erst in den späteren Agenden. So lesen wir in der in Bezug auf die Gottesdienstordnungen wesentlich ausführlicheren Agende zur pommerschen Kirchenordnung von 1569, der Organist habe in der Vesper nach der Lesung „up der orgel [zu] sin, unde slan tom responsorio, hymno unde magnificat“.5 Auch hier fehlt ein konkreter Hinweis auf die Musik selbst; dafür sind wir auf die Hilfe anderer Quellen angewiesen. Musik für die verschiedenen liturgischen Anforderungen des nachreformatorischen Gottesdienstes in Norddeutschland enthalten etwa die wenige Jahrzehnte später aufgezeichnete Celler (1601) sowie die Visbyer Tabulatur (1611): liturgische Orgelmusik, die zumindest anzeigt, wie die Beiträge der Organisten gestaltet sein sollten, wenn sie mit dem Chor in der Liturgie alternierten. Gleichwohl dürfte die Musik kaum exakt so, wie sie in den Tabulaturbüchern aufgezeichnet ist, in der Liturgie gespielt worden sein. Vielmehr dienten die Stücke wohl eher als Exempla für die Improvisation der Organisten – und damit als Anregung für den Unterricht und die organistische Praxis oder gar als eine Art Musterbuch für das eigene Studium am Instrument.6 Aus der pommerschen Agende von 1569 können wir über das Zitierte hinaus nur wenig darüber erfahren, an welchen Stellen der Liturgie die Orgel mitwirken sollte. In Übereinstimmung mit vielen weiteren Quellen erfahren wir dagegen von den Einschränkungen und Verboten, die Organisten auferlegt wurden: „Wenn dise gesenge under der communion gesungen werden, schölen de organisten eren gesank mit der orgel deste körter maken, unde nene weltlike, lichtverdige gesenge slan.“7

2. Orgelspiel zur Gemeindebegleitung Weitverbreitet ist die Vorstellung, die Hauptaufgabe der Organisten habe zu allen Zeiten darin bestanden, die Gemeinde bei ihren Gesängen zu begleiten. In der Tat ist dies heute die wesentliche Aufgabe von Organistinnen und Orga 4 Buske, Norbert (Hg.): Die pommersche Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen 1535. Berlin 1985, 99 [21]. 5 Zit. nach Sehling, Emil: Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. Bd. 4: Das Herzogtum Preußen. Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preußen. Das Herzogtum Pommern. Leipzig 1911, 435. 6 Schneider, Matthias: Die Visbyer Orgeltabulatur – ein ‚Musterbuch‘ der liturgischen Orgelkunst? In: Acta Organologica 34 (2015), 357–368; ferner ders., Bugenhagens Kirchenordnungen und die liturgische Orgelmusik im Ostseeraum. In: Steiger, Johann Anselm (Hg.): Reformatio Baltica. Bericht über den Kongress Vilnius 2015 (Metropolis. Texte und Studien zu Zentren der Kultur in der europäischen Neuzeit 2), 707–723. 7 Sehling, Emil: Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. Bd. 4 (s. Anm. 5), 437.

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nisten. Allerdings war diese Praxis zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade einmal hundert Jahre alt, kaum älter. Generell wurden die Gemeindelieder noch lange nach der Reformation unbegleitet gesungen. Alternierte das Orgelspiel zunächst mit dem Chorgesang, etwa bei Versetten des Magnificat, so hatten die Organisten bei den Gemeindeliedern zu präludieren und konnten bei einer Ausführung per omnes versus einzelne Strophen ganz übernehmen: Diese wurden dann nicht gesungen, sondern von der Gemeinde lediglich angehört und meditiert. Manchmal sang auch ein Knabe mit einer schönen Stimme „in die Orgel“. Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts wurde der von Vorsängern oder dem einstimmig singenden Chor angeführte Gemeindegesang immer langsamer.8 Die ursprünglich rhythmischen Melodien wurden durch äqualistische Melodieformen ersetzt, wie wir sie heute noch bei einigen Liedern im Gesangbuch antreffen (vgl. Ein feste Burg ist unser Gott in seiner ursprünglichen und der „späteren“ Form im Evangelischen Gesangbuch 1993); zwischen den Choralzeilen wurden größere Pausen eingelegt, damit die Gemeinde Atem holen konnte. Nun wurde es zur Hauptaufgabe der Organisten, den Gemeindegesang zu stützen, insbesondere um zu verhindern, dass die Gemeinde im Ton immer weiter absackt; die Pausen zwischen den Choralzeilen hatten sie mit Zwischenspielen zu füllen. Beispiele für eine solche Praxis finden wir in Georg Friedrich Kauffmanns Harmonischer Seelenlust (1733). Seine „schlechten [= schlichten] Choräle“ dienten dazu, dem Organisten Anleitung und Hilfestellung für seine Aufgabe zu geben.9 Berühmt sind die „Arnstädter Choräle“, die Johann Sebastian Bach vermutlich während der Zeit seiner Anstellung an der Neuen Kirche in Arnstadt aufgeschrieben hat.10 Auch hier handelt es sich um Choralharmonisierungen mit Zeilenzwischenspielen, die allerdings so kühn sind, dass man sich auf den ersten Blick kaum vorstellen kann, dass sie sich für die Begleitung des Gemeindegesangs eigneten. Daher werden diese Stücke häufig mit einem Konflikt in Zusammenhang gebracht, in dem das Arnstädter Konstistorium monierte, Bachs Orgelspiel habe die Gemeinde beim Singen verwirrt: Halthen Ihm vor daß er bißher in dem Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone mit eingemischet, daß die Gemeinde drüber confundiret worden. Er habe ins künfftige wann er ja einen tonum peregrinum mit einbringen wolte, selbigen auch außzuhalthen, vnd nicht zu geschwinde auf etwas anders zu fallen, oder wie er bißher im brauch gehabt, gar einen Tonum contrarium zu spiehlen.11 8 Vgl. dazu Gable, Frederick K.: The reconstruction of a Hamburg Hauptgottesdienst in 1660. In: Jullander, Sverker (Hg.): Proceedings of the Weckmann Symposium Göteborg 1991. Göteborg 1993, 105–122. 9 Kauffmann, Georg Friedrich: Harmonische Seelenlust. Leipzig 1733. 10 Vgl. Schneider, Matthias: Bachs Arnstädter Choräle  – komponiert in Weimar? In: Geck, Martin (Hg.): Bachs Musik für Tasteninstrumente. Bericht über das 4. Dortmunder Bach-Symposion 2002. Dortmund 2003 (Dortmunder Bach-Forschungen 6), 287–308. Auf die Kontroversen über Entstehungszeit und Funktion der Arnstädter Choräle sei hier nur hingewiesen; vgl. jüngst dazu Zehnder, Jean-Claude: Die Passaggio-Orgelchoräle. In: Bach-Jahrbuch 99 (2013), 223–242. 11 21. Februar 1706, vgl. Bach-Dokumente II, 19 f.

Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern Gemeindegesang und liturgisches Orgelspiel in Pommern 

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Notenbeispiel 1 aus: Georg Friedrich Kauffmann, Harmonische Seelenlust, Leipzig 1733 (Takt 1–4)

Wir haben hier den seltenen Fall vor uns, dass sich ein Konsistorium in musiktheoretische Fragen einmischt und vorschreibt, wie der Organist zu spielen habe. Die Praxis der Zeilenzwischenspiele hielt sich an einigen Orten noch bis ins 19. Jahrhundert. Mit der Aufgabe, den Gemeindegesang zu begleiten, traten zugleich andere liturgische Aufgaben der Organisten in den Hintergrund, z. B. das Alternieren mit dem Chor. Die Gemeindebegleitung bei den Kirchenliedern im evangelischen Gottesdienst wurde zu ihrer Hauptaufgabe. In Pommern wird das Thema „Zeilenzwischenspiele“ erst im 19. Jahrhundert ausführlicher diskutiert – mit interessanten Neuerungen. Die wichtigsten pommerschen Organisten haben sich dazu geäußert, so dass wir für unser Thema auf einige Quellen zurückgreifen können. Diese sind Gegenstand der folgenden Ausführungen.

3. Liturgisches Orgelspiel in Pommern im 19. Jahrhundert 3.1 Die liturgische Situation in Pommern am Beginn des 19. Jahrhunderts Bis 1815 stand Vorpommern unter schwedischer Herrschaft: Im Westfälischen Frieden war es zwischen Brandenburg und der schwedischen Krone aufgeteilt worden. Während in Hinterpommern, das unter Brandenburgischer Verwaltung stand, auch reformierte Gemeinden errichtet wurden, blieb es in Schwedisch-Pommern bis ins späte 18. Jahrhundert einzig beim lutherischen Bekenntnis. Nach den Befreiungskriegen wurde Schwedisch-Pommern 1815 – nunmehr als „Neu-Vorpommern“ – wieder mit den übrigen Teilen Pommerns verbunden und unter Preußische Herrschaft gestellt. Zum Reformationsjubiläum 1817 proklamierte König Friedrich Wilhelm III. die Vereinigung der lutherischen und reformierten Kirchen zur Union. In den unterschiedlich geprägten Gemeinden Hinterpommerns setzte sie sich nach und nach durch. Wie Norbert Buske konstatiert, galt für das lutherisch geprägte ehemals schwedische Vorpommern die Union ohnehin zumeist stillschweigend als angenommen.12

12 Vgl. Buske, Norbert: Pommersche Kirchengeschichte in Daten. Schwerin 22001.

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1822 erschien die auf Initiative des liturgisch sehr interessierten Königs erstellte „Preußische Agende“, zunächst als Agende für die Hof- und Domkirche in Berlin; später wurde sie zur landeskirchlichen Agende.13 Das Ziel einer für Reformierte und Lutheraner unter dem Dach der Union einheitlichen Gottesdienstordnung rief jedoch auch viele Kritiker auf den Plan. Die rigide Durchsetzung der Union führte sogar zu mehreren Auswanderungswellen in die USA , namentlich aus Schlesien. Die liturgische Einigung mit Ausnahmen führte zu der Zweigleisigkeit, die unsere Agenden bis heute bestimmt. In den ersten preußischen Formularen spielte die Gemeinde übrigens nur eine untergeordnete Rolle: Sollten die liturgischen Gesänge zunächst im Wechsel zwischen Pfarrer und vierstimmigem Männerchor (Soldatenchor) gestaltet werden, so wurden 1829 Gemeindelieder immerhin zugelassen. Dass sie allerdings nicht als vollwertiger Bestandteil des Gottesdienstes gesehen wurden, mag folgende Bemerkung aus der Agende bezeugen: Wenn überhaupt Gesänge der Gemeinde in die Liturgie selbst eingelegt werden, so kann während dessen der Geistliche entweder in die Sakristei zurückkehren, oder sich in der Nähe des Altars niedersetzen.14

Ganz so konfliktfrei, wie Buske es zusammengefasst hat, ging allerdings die Einführung der Unionsagende auch in Pommern nicht über die Bühne, auch wenn lutherische Christen sich in der Gottesdienstform der preußischen Agende eher wiederfinden konnten als reformierte. Trotzdem dürfte bis um 1825 die Unionsliturgie überall in Pommern eingeführt gewesen sein. Auch in Greifswald wurden die Widerstände gegen die Unionsagende spätestens um diese Zeit aufgegeben. Maßgeblichen Einfluss darauf hatte Johann Christian Friedrich Finelius, Greifswalder Superintendent und Pfarrer am Dom St. Nikolai sowie Professor für Praktische Theologie an der Fakultät.15 Als paradigmatisch für die Aufbruchstimmung in der neuen, nunmehr preußisch geprägten Umgebung mag die Umgestaltung des Greifswalder Doms gelten. Über ein Jahrzehnt wurde sein Inneres den liturgischen und architektonischen Vorstellungen des frühen 19.  Jahrhunderts angepasst. Beteiligt daran war unter Leitung des Greifswalder Architekten Johann Gottlieb Giese, eines Schinkel- Schülers, der Kunsttischler Johann Christian Adolf Friedrich, Bruder des berühmten Malers Caspar David Friedrich, der das gesamte Holzinventar 13 Vgl. Herbst, Wolfgang: Friedrich Wilhelm III. und die Preußische Agende. In: Gerhards, Albert / Schneider, Matthias (Hg.): Der Gottesdienst und seine Musik. Bd.  2: Liturgik: Gottesdienstformen und ihre Handlungsträger (Enzyklopädie der Kirchenmusik 4.2). Laaber 2014, 133 f. 14 Agende für die evangelische Kirche in den Königlich Preußischen Landen (1829), zit. bei Herbst, Wolfgang: Friedrich Wilhelm III. und die Preußische Agende. (s. Anm. 13), 133. 15 Vgl. Garbe, Irmfried: Geschichte der Theologischen Fakultät Greifswald 1815–1938. In: Alvermann, Dirk / Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald. Bd. I: Die Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert. Rostock 2006, 11–91, hier 22, sowie Assel, Heinrich: „Prophetische Bürger einer spätern Welt“. Theologisch-ästhetische Netzwerke in Greifswald und auf Rügen 1799–1833. In: Schneider, Matthias (Hg.): Die Buchholz -Orgel im Greifswalder Dom St. Nikolai. Schwerin 2013, 77–98, hier 79.

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bis hin zu Orgelgehäuse und Kanzel neu schuf.16 Bei der Umgestaltung wurde der Chorraum erhöht und eine filigran verzierte innere Chorwand eingezogen. Der gesamte Innenraum wurde in einen hellsandsteinfarbenen Ton getaucht. Zum krönenden Abschluss errichtete Carl August Buchholz (1796–1884) zu Beginn der 1830er Jahre eine Orgel mit 44 Registern auf drei Manualen und Pedal, die im Januar 1833 eingeweiht wurde. Diese Orgel ist nicht das einzige Großinstrument der Zeit: Bereits 1818 hatte Carl August zusammen mit seinem Vater Johann Simon Buchholz in Demmin eine Orgel ähnlicher Größe einweihen können, die 1866/67 durch Barnim Grüneberg sogar noch erweitert wurde; 1821 erbaute Buchholz in Barth eine ebensogroße Orgel, ebenfalls später von Grüneberg erweitert. Zusammen mit weiteren Instrumenten belegen diese Orgeln, dass Pommern im 19.  Jahrhundert nicht nur über einige Wirtschaftskraft verfügte, sondern große, zeitgemäße und künstlerisch anspruchsvolle Orgeln zu schätzen wusste. Das mag vor allem deshalb erstaunen, weil wir kaum Anhaltspunkte für eine konzertante Nutzung dieser Instrumente besitzen. So können wir nur schließen, dass ihre Hauptaufgabe im Gottesdienst lag, für den wir die nun folgenden Quellen untersuchen. 3.2 Pommersche Quellen zum liturgischen Orgelspiel Bei den hier vorgestellten Quellen handelt es sich um Orgelschulen und Choralbzw. Melodienbücher zum Gesangbuch. Bieten die ersteren ausführliche Erörterungen zum richtigen und angemessenen Einsatz der Orgel im Gottesdienst, so dokumentieren die anderen in ihren Einleitungen und dem bereitgestellten Notentext die liturgischen Gepflogenheiten. Allen Ausführungen ist gemeinsam, dass sie sich auf das Improvisieren beziehen, also voraussetzen, dass die gebotenen Notenbeispiele nicht 1:1 abgespielt, sondern als Vorlage und Anregung für eigene improvisatorische Versuche genutzt werden. Dies sollte auch bei den in jüngerer Zeit als eigenständige Kompositionen herausgegebenen Stücken bedacht werden, deren Stellenwert sonst allzu leicht überschätzt werden könnte.17 3.2.1 Abbé Vogler und das liturgische Orgelspiel (Organist-Schola, Stockholm 1798) Georg Joseph Vogler (1749–1814), genannt Abbé Vogler, stammte aus Bamberg und wirkte in Mannheim, am schwedischen Hof in Stockholm sowie später in Prag und Wien. In Rom wurde er 1775 zum Priester geweiht. Bekannt wurde er vor allem als reisender Konzertorganist. Er war Lehrer des langjähigen Greifs 16 Vgl. Schneider, Matthias (Hg.): Die Buchholz -Orgel im Greifswalder Dom St. Nikolai (s. Anm. 15). 17 Vgl. etwa Münther, Henning (Hg.): Carl Loewe: Zwanzig Choralvorspiele. St. Augustin 1996, sowie dazu Schneider, Matthias: Carl Loewe als Organist. In: Ochs, Ekkehard / Winkler, Lutz (Hg.): Carl Loewe (1796–1869). Beiträge zu Leben, Werk und Wirkung (Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 6). Frankfurt/M. etc. 1998, 83–97.

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walder Domorganisten Carl Ludwig Lithander, und so dürfte seine Position zum liturgischen Orgelspiel auch für Pommern von Interesse sein. Abbé Voglers Organist-Schola erschien 1798 und damit an der Schwelle zum 19. Jahrhundert. Markus Rathey hat im Jahre 2000 in einem Beitrag zur Greifswalder Konferenz „Das geistliche Lied im Ostseeraum“ die Unterschiede zwischen dem Konzertorganisten (und -improvisator) Vogler und seinem liturgischen Orgelspiel herausgearbeitet. Während der Konzertorganist als extrovertierter Virtuose brillierte, zeigte er sich im liturgischen Orgelspiel eher nüchtern. Vogler orientiert sich in seiner Orgelschule an Daniel Gottlob Türk (Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten, 1787): Aufgabe des Organisten sei es, „das Herz des Menschen zu Gebet umd Danksagung zu bewegen“. Bei Türk hatte es geheißen, der Organist habe die Aufgabe, „durch sein Spielen die Andacht und Erbauung befördern zu helfen“.18 Gerade diejenigen musikalischen Mittel, für die der Konzertorganist Vogler Ruhm genoss – etwa seine Gewitter auf der Orgel, das Dröhnen von Geschützen und ähnliches mehr –, hielt er der Liturgie für unangemessen. Vogler geht aber noch einen Schritt weiter: Der Organist solle sich beim Choralspiel nicht nur allzu drastischer malerischer musikalischer Mittel enthalten, sondern auch auf die seit Beginn des 18. Jahrhunderts üblichen Zeilenzwischenspiele verzichten. Dazu gibt er eine kleine theoretische Ausführung, der wir entnehmen können, worauf es ihm beim liturgischen Orgeldienst ankommt: Zum Schluss möchte ich alle Organisten darum bitten, in die Choräle keine Interludien einzufügen, das sind unpassende Zwischenspiele, Läufe, chromatische Skalen, Triller, ja Terz- und Sexttriller in der Kadenz, Vorschläge, kleine Noten und alle Arten von Verzierungen oder kleine musikalische Malereien. Sollte dagegen jemand mich als Beispiel anführen, so müsste ich ihm den Unterschied zwischen einem Konzert und einem Gottesdienst klarmachen und ihn zugleich daran erinnern, wie ich in den Konzerten einen Choral gespielt habe, bevor ich dessen Thema kontrapunktiert habe.19

Voglers nachdrücklicher Hinweis auf den Unterschied zwischen Konzert und liturgischer Praxis korrespondiert mit der Anweisung, die Choräle langsam zu spielen, ebenso wie damit, bei den alten Kirchenliedern die Kirchentonarten in der Harmonisation erkennbar zu machen. 20 Wie Voglers Schüler Lithander beim Choralspiel mit den Zeilenzwischenspielen umgegangen ist, wissen wir nicht, wohl aber, dass sie in Pommern ein halbes Jahrhundert später zum Gegenstand ausführlicher Erörterungen wurden.

18 Türk, Daniel Gottlob: Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten. Halle 1787, 6, zit. ebd. 19 Vogler, Georg Joseph: Organist-Schola, Teil 1. Vorwort, 2, zit. nach Rathey, Markus: Abbé Voglers Organist-Schola. In: Ochs, Ekkehard / Werbeck, Walter / Winkler, Lutz (Hg.): Das geistliche Lied im Ostseeraum (Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 13). Frankfurt/M. etc. 2004, 97 (Übersetzung: Markus Rathey). 20 Ebd., 99, 104.

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3.2.2 Carl Loewe, Musikalischer Gottesdienst (Stettin 1851) Carl Loewe (1796–1869) ist heute in erster Linie als Balladenkomponist bekannt; in Stettin (heute Szczecin / Polen) wirkte er als Städtischer Musikdirektor und Kantor an St. Jacobi, wozu auch das Amt des Organisten gehörte. Seiner Orgel war Loewe so sehr verbunden, dass er verfügte, nach seinem Tode solle sein Herz im linken Pfeiler an der Orgel eingemauert werden. 21 Zeitgenössischen Berichten zufolge beeindruckte sein Orgelspiel tief. 22 1851 brachte Loewe den Musikalischen Gottesdienst heraus, eine „Anweisung für alles das, was in der evangelischen Kirche von Cantoren und Organisten verlangt wird. Zugleich ein Vollständiges Choralbuch mit Vor=, Nach= und Zwischenspielen“ (so der Untertitel). Zur Frage der Wortausdeutung mit musikalischen Mitteln bei Loewe äußert sich der Greifswalder Musikforscher Hans Engel. In einer 1934 verfassten Studie kritisiert er Loewes angebliche Neigung zu „augenblicklichen musikalischen Wortuntermalungen“; auch wenn es Loewe „in seinen besten Balladen“ oft gelinge, „solche malenden Motive wirkungsvoll in die Komposition einzuverweben“, so träten sie doch sehr oft „unorganisch und störend hervor“. Übernommen habe Loewe dies von seinem Lehrer Daniel Gottlob Türk. 23 Nun haben wir bereits bei Abbé Vogler gesehen, dass dies in Bezug auf Türk nicht zutrifft: Vogler hatte im Anschluss an Türk ja gerade allzu drastische musikalische Mittel, die bloß von Andacht und Erbauung ablenken, abgelehnt. Aber auch Loewes Orgelmusik scheint Engel nicht genauer angeschaut zu haben. Hatte bereits Türk Wert darauf gelegt, dass der Spieler beim Choral die „herrschende Empfindung“ zum Ausdruck bringe und sich der „Tonmalerei“ bei einzelnen Worten und Begriffen unbedingt enthalte, 24 so sind auch Loewes Choralbearbeitungen durch einheitlichen Affekt geprägt und vermeiden die Ausmalung einzelner Worte und Begriffe. Vielmehr geht es Loewe um Schlichtheit und einen der Kirche angemessenen Duktus – seine Ausführungen dazu lesen sich beinahe wie Kirchenordnungen, die in älterer Zeit vor dem Missbrauch der Orgel im Gottesdienst für unzüchtige Stücke gewarnt haben: Alles Melodische, gezierte, weltliche, wie es Sonaten oder wohl gar Tänze und Singstücke an sich haben, muß er ja nicht mit in die Kirche nehmen; er thut vielmehr sehr klug, wenn er sich lieber mit dem Talar der einfachen Harmonie, wie sie der Generalbaß lehrt, anthut, und in den Präludien nicht leicht melodischer verfährt, als der Choral. Dieser muß in der Kirche das oberste melodische Prinzip bleiben. Der Organist bedenke, daß die Kirche nicht viel von ihm verlangt und will, sondern sie will lieber weniger, und dieses gut, einfach, demüthig, andächtig haben, so wie sein würdiger Geistlicher auch nicht

21 Runze, Maximilian: Carl Loewe und seine Orgel in St. Jacobi zu Stettin. In: Der Schatz­ gräber, Heft 6 (1928), Sonderdruck, 6. 22 Ebd., vgl. etwa 2, 5.  23 Engel, Hans: Carl Loewe. Überblick und Würdigung seines Schaffens. Greifswald 1934, 25.  24 Türk, Daniel Gottlob: Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten (s. Anm. 18), 6.

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die Weltweisheit, sondern nur das Wort Gottes lauter und rein verkündigt, ebenso soll auch der Organist nicht alles auf der Orgel hören lassen, was er sonst noch kann. 25

Interessant ist Loewes Haltung zur Frage der Zeilenzwischenspiele. Hatte Abbé Vogler sie in der Organist Schola 1798 bereits abgelehnt, so nahm Türk hingegen kurz zuvor eine durchaus kritische Haltung dazu ein, ohne sie völlig abzulehnen:26 Die Zwischenspiele müssen so beschaffen seyn, daß die Gemeinde dadurch nicht irre gemacht, sondern gerade in den Ton geleitet wird, worin die Melodie der folgenden Zeile anfängt. Wenige, aber bestimmte (in den Anfangston einleitende)  Griffe sind hierzu weit geschickter, als eine ganze Legion nichtssagender Töne, oder wohl gar ein chromatischer Laufer durch alle Oktaven; – denn im letzteren Falle weiß oft die Gemeinde den Ton kaum herauszufinden; anstatt daß ihr dieser gleichsam in den Mund gelegt werden soll. Es versteht sich also wohl von selbst, daß die Zwischenspiele, welche in einen jeden andern, nur nicht in den vorgeschriebenen Ton führen, gar nichts taugen. Wer sich aber in fremden Übergängen u. d. gl. üben will, der thue es zu Hause, und verschone die Gemeinde beym Choralsingen damit.

Für Türk stand also außer Frage, dass Zwischenspiele gemacht werden sollen; gleichwohl sollen die Organisten bei unbekannten, insbesondere bei alten (kirchentonalen) Melodien sich „aller Künsteley in den Zwischenspielen enthalten, damit die Gemeinde nicht irre gemacht, und zum Falschsingen verleitet werde“. 27 In Loewes Musicalischem Gottesdienst finden wir nun – gut 60 Jahre später – ein ganzes Kapitel über die Gestaltung von Zeilenzwischenspielen. 28 Loewe rät, sie wegzulassen, wenn der Organist keine ausreichenden Fähigkeiten dazu besitzt. Schließlich habe bereits Johann Philipp Kirnberger geraten, ganz auf sie zu verzichten. Sodann arbeitet er jedoch die Vorzüge der Zeilenzwischenspiele heraus: Sie verhüten das Herunterziehen der Gemeinde, beseitigen die Leere, die zwischen den Zeilen entstehen kann und bewahren die Gemeinde vor allzu­ großem Eilen. Der geschickte und geübte Organist könne zudem „sehr viel zur Belebung des Liedes, und des Gefühls, was es anregen soll, beitragen“. 29 Der Verfasser gibt sodann Erläuterungen, wie man Zwischenspiele mit einfachen Mitteln gestalten kann. Sie werden aus einem einzigen Dominantsept­ akkord aufgebaut, der in den Anfangsakkord der folgenden Zeile mündet. Dabei gibt Loewe genaue Regeln an, welche Lage jeweils zu wählen ist. 25 Loewe, Carl: Musikalischer Gottesdienst oder Anweisung für alles das, was in der evange­ lischen Kirche von Cantoren und Organisten verlangt wird […]. Stettin 1851, 25.  Unterstreichungen original. – Ich danke Frau Dr. Heidelore Rathgen von der Internationalen Carl-LoeweGesellschaft e. V., Löbejün, für die Überlassung von Scans der Orgelschule. Vgl. Schneider, Matthias: Carl Loewe als Organist (s. Anm. 17), 89. 26 Türk, Daniel Gottlob: Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten (s. Anm. 18), 14 f. 27 Ebd., 16 f. 28 Loewe, Carl: Musikalischer Gottesdienst […] (s. Anm. 25). Loewes Ausführungen zu den Zwischenspielen finden sich unter § 22.  29 Loewe, Carl: Musikalischer Gottesdienst […] (s. Anm. 25), § 22, S. 23.

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Notenbeispiel 2: Carl Loewe, Musikalischer Gottesdienst, 1851, S. 24

Einige Paragraphen später (§ 24) zeigt Loewe, wie die Zwischenspiele mit Hilfe von Durchgängen erweitert werden können.

Notenbeispiel 3: Carl Loewe, Musikalischer Gottesdienst, 1851, S. 35

3.2.3 Alwin Theodor Schenk, Vollständiges Melodienbuch (Gingst 1861) Nur zehn Jahre später gibt Alwin Theodor Schenk, Pastor in Gingst auf Rügen, ein Melodiengesangbuch heraus, das – zumindest für Pommern – einen Wandel in der Ausführung der Kirchenlieder markiert.30 Schenk, der nicht nur hymnologische Quellenforschungen betrieben hat, sondern auch Agendenentwürfe veröffentlichte, setzt sich für eine Rückkehr zu den rhythmischen Melodiefassungen bei den Liedern aus der Reformationszeit ein, die später im Äqualismus zu gleichen Notenwerten zurechtgestutzt worden waren. In seinem Melodienbuch teilt er diese Fassungen neben den gebräuchlichen mit: Zunächst notiert er die „gewöhnliche Weise“, dann die „beste rhythmische Weise“ und darunter schließlich „die ursprüngliche rhythmische Weise“.

30 Schenk, Alwin Theodor: Vollständiges Melodienbuch zu dem Kirchen- und Hausgesangbuch für Neuvorpommern und Rügen. Gingst 1861.

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Notenbeispiel 4: Alwin Theodor Schenk, Vollständiges Melodienbuch, Gingst 1861, Nr. 23–25

Die Lieder sollen nun wieder wesentlich schneller gesungen werden, wodurch die rhythmischen Fassungen erst zur Geltung kommen: Aber überall achte man auf lebhaftes Singen. Ein Pulsschlag eines erwachsenen Menschen ist die eigentliche Länge für eine einfache Silbe und bietet den natürlichen Taktmesser dar.31

Das schnellere Tempo und die rhythmischen Liedfassungen lassen die Zeilenzwischenspiele, die ohnehin den rhythmischen Zusammenhang einer Liedmelodie zerstört haben, nun überflüssig werden. Stattdessen empfiehlt Schenk Zwischenspiele zwischen den Strophen,32 die einerseits ein Innehalten am Ende der Strophe ermöglichen, andererseits zur nächsten überleiten können. Die Zwischenspiele auf der Orgel sind wohl an den meisten Orten verdientermaßen abgeschafft. Statt dessen begegnet man nun dem entgegengesetzten Fehler, dem rast­losen Jagen. Dies ist noch schlimmer. Die Halte sind am Ende der Strophen nicht überall zu entbehren, sondern entsprechen sowohl dem Bedürfniß des Athemholens und des Überlesens der neuen Zeile, als auch der Eigenthümlichkeit gebundener Rede überhaupt. […] Fällt der Halt auf ein einfaches Viertel, so warte man außer diesem noch zwei Viertel lang, so dass Silbe nebst Halt drei Viertel dauern. Fällt der Halt auf eine halbe Note, auf welcher kein Zeichen oder ^ steht, so muß Note und Anhalt zusammen zwei Viertel 31 Ebd., 4, Unterstreichung original. 32 Schenk spricht von ‚Vers‘, meint aber eindeutig damit nicht die Liedzeile, sondern die gesamte Strophe – siehe am Ende des folgenden Zitats.

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währen, steht ein Halt darüber, so kann es, und vor einem Wiederholungszeichen muß es zusammen eine Viertel dauern.33

Die Bemerkungen von Schenk sind auch in aufführungspraktischer Hinsicht interessant und entsprechen dem, was wir in zeitgenössischer Kirchenmusik, etwa in Mendelssohns Oratorien oder auch in den choralartigen Sätzen seiner Orgelsonaten, antreffen. Noch einige Jahrzehnte später finden wir bei Heinrich von Herzogenberg die Praxis, Fermaten auf genau den dreifachen Wert zu dehnen. Ich verdeutliche dies an einem Choral aus dem Oratorium Die Geburt Christi op. 90 (1894), der als Gemeindelied gedacht ist: Unter Begleitung der großen Orgel (im übrigen Oratorium wird der etwas aus der Zeit gefallene ContinuoPart dem Harmonium zugewiesen) singt die Gemeinde zu Beginn und am Ende des Oratoriums je zwei Strophen des Liedes Vom Himmel hoch, da komm ich her. Zu Beginn sind die Zeilenenden ausnotiert (als Halbe plus Viertelpause), am Ende (wie auch bei den übrigen Chorälen, die die Gemeinde während des Oratoriums anstimmen soll) wird stattdessen eine Viertelnote mit Fermate notiert. Der Akkord vor dem Doppelstrich dient der Gemeinde als Intonation.

Notenbeispiel 5: Heinrich von Herzogenberg, Die Geburt Christi op. 90, Choral aus Nr. 1 und 34

3.2.4 Carl Ludwig Lithander, Domorganist zu Greifswald Leider sind uns von Carl Ludwig Lithander (1773–1843) praktisch keine Zeugnisse zum liturgischen Orgelspiel überliefert. Lithander war in Estland geboren und in seiner ersten Lebenshälfte als Offizier, Mathematikprofessor, Pianist und Komponist von Klavierwerken hervorgetreten, bevor er 1824 zum Organisten am Greifswalder Dom ernannt wurde. 34 Damit war er der verant 33 Schenk, Alwin Theodor: Vollständiges Melodienbuch (s. Anm.  30), 6.  Vgl. hierzu auch Funck, Markus T.: Das Evangelische Choralbuch für Kirche und Haus von August Wagner (1869/70) und die Praxis des Gemeindegesangs in Vorpommern. In: Ochs, Ekkehard / Werbeck, Walter / Winker, Lutz (Hg.): Das geistliche Lied im Ostseeraum. Frankfurt/M. etc. 2004, 247–258, hier 253. 34 Vgl. zur Biographie Lithanders sowie zu dessen Oratorium Tempelweihe, das zur Wiedereinweihung von St. Nikolai nach der großen Umgestaltung in den 1820er Jahren aufgeführt wurde, Winkler, Lutz: Greifswalder Kirchenmusikpflege im frühen 19. Jahrhundert: Der Organist Carl Ludwig Lithander. In: Schneider, Matthias (Hg.), Die Buchholz-Orgel im Greifswalder Dom St. Nikolai. Schwerin 2013, 99–120.

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wortliche Organist während der Umgestaltung des Domes und bestimmte, wie Markus Funck zeigen konnte, maßgeblich die Ausrichtung der neuen Buchholz Orgel mit.35 Sein Stettiner Kollegen Carl Loewe, der 1832 die Ehrendoktorwürde der Greifswalder Universität erhalten hatte und 1837 in Greifswald mit einem Balladenabend gastierte, berichtet über Lithanders Spiel: Meiner alten Gewohnheit gemäß ging ich in die Nikolai-Kirche, um doch eine Sonntagsahnung zu haben; sie ist prachtvoll, in schönstem Geschmack von außen und innen. Ich sah dem Abendmahl zu und hörte die Responsorien der Gymnasiasten. Der alte Herr Professor Lithander spielte mit einer Stimme die Riesenorgel. Ich erbaute mich an dem Geistlichen, der sehr schön die Liturgie sang.36

Die Formulierung „Der alte Herr Professor Lithander spielte mit einer Stimme die Riesenorgel“ ist verschiedentlich Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen gewesen: Sollte der versierte Pianist und Organist, den in diesem Alter allerdings bereits die Gicht plagte, lediglich einstimmig gespielt haben? Näher liegt die Annahme, dass er zur Begleitung des Geistlichen in der Liturgie mit lediglich einem Orgelregister (= einer Stimme) spielte. Aus einer Anordnung des Senats der Stadt Greifswald, die auf den 31. März 1845, bald nach Lithanders Tod, datiert, geht übrigens hervor, dass der „Cantor und Gesangslehrer“ an St. Nicolai „den Gesang der Gemeinde mit Kraft und Würde zu leiten und selbst in den Chorälen, welche mit Begleitung der Orgel gesungen werden, durch stetes und bestimmtes Intonieren die Sicherheit des Choralgesangs zu befördern“ habe.37 Um diese Zeit machte man sich also ernsthafte Gedanken, wie der Gesang der Choräle durch die Gemeinde gefördert werden könnte. 3.2.5 August Wagner, Evangelisches Choralbuch für Kirche und Haus (Greifswald 1869) Lithanders Nach-Nachfolger August Wagner, der von 1865 bis 1896 an St. Nikolai wirkte, hat zum Choralspiel auf der Orgel ein ausführliches Choralbuch veröffentlicht.38 Nunmehr im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts angekommen, können wir sehen, wie sich erneut die Anforderungen an das Choralspiel änderten. Wagner orientiert sich an den neu herausgegebenen Gesangbüchern, u. a. dem Kirchen- und Hausgesangbuch für Neuvorpommern und Rügen, zu dem Schenk sein Melodienbuch herausgegeben hatte, weist aber darauf hin, dass die 35 Funck, Markus T.: Die Orgeln der Hansestadt Greifswald (s. Anm.  3), insbesondere 130–153. 36 Zit. bei Ochs, Ekkehard / Winkler, Lutz (Hg.): Hans Engel, Musik und Musikleben in Greifswalds Vergangenheit (Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 9). Frankfurt/M. etc. 2000, 86. 37 Acta das Vorsingen und die Leitung des Kirchengesangs in der Kirche St. Nicolai betreffend, 1818–1895, Stadtarchiv Greifswald, Rep. 5, Nr. 6638, zit. nach Funck, Markus T.: Das Evangelische Choralbuch für Kirche und Haus von August Wagner (s. Anm. 33), 247. 38 Wagner, August: Evangelisches Choralbuch für Kirche und Haus. Greifswald 1869.

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Notenbeispiel 6: August Wagner, Evangelisches Choralbuch für Kirche und Haus, Greifswald 1869, Choral

in Mitteldeutschland entstandenen Melodien „meistens eine höhere Stimmlage beanspruchen“, weswegen er sie für Pommern um einen Ton oder sogar eine große Terz tiefer transponiert habe: bei den Bewohnern Pommern treffe man eine tiefere Stimmlage an. 39 Bei der Harmonisierung setzt er auf Bewährtes, indem er sich an den verbreiteten Choralbüchern orientiert und jeweils das Beste ausgewählt habe. Auch Wagner setzt die Praxis der Strophenzwischenspiele voraus: jedem Choral gibt er eine Auswahl von in der Regel sechs Beispielen bei, um denjenigen, die „in der Erfindung derselben nicht geübt sind“, eine Vorlage zu geben. Freilich scheint Wagner, auch wenn er Strophenzwischenspiele schreibt, Schenks Elan für ein schnelleres Choraltempo und eine rhythmische Singweise nicht zu teilen. Er schreibt ruhige Choralsätze in gleichmäßigem Zeitmaß, bei Allein Gott in der Höh sei Ehr beispielsweise einen geraden Takt und verlangt ausdrücklich auch, die Strophenzwischenspiele langsam auszuführen: Die Zwischenspiele sind selbstverständlich in einem langsamen Tempo zu spielen und wolle man die letzten 4/8 ritardirend ausführen. Bei den Zwischenspielen im 3/2 Takt wird sich ein Ritardando gleich nach dem Anfange bis zum Schluß empfehlen. 39 Ebd., Vorwort.

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Um nach der Einleitung einer neuen Strophe durch das Zwischenspiel die Gemeinde zu einem festen sicheren Einsatze der Melodie zu veranlassen, hat es sich als praktisch herausgestellt, den ersten Melodieton zunächst solo auftreten zu lassen, und dann sofort mit der Harmonie zu beginnen. Auch beim Anfange jeder folgenden Zeile, also nach jeder Fermate, ist es rathsam, dasselbe Verfahren zu beobachten.40

Von dem lebhaften Schwung, den Schenk in seinem Melodienbuch gefordert hatte, ist hier nicht mehr viel zu spüren; vielmehr dürfte es (wohl auch mit Blick auf die Akustik im großen Greifswalder Dom) darum gegangen sein, die Gemeinde beim Singen zusammen zu halten.

4. Fazit Im 19. Jahrhundert wurden in Pommern erhebliche Anstrengungen unternommen, den Gesang der Gemeinde zu fördern und zu verbessern. War es in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch üblich, die Choräle langsam und mit gleichen Notenwerten zu singen und auf den Orgeln Zeilenzwischenspiele einzufügen, so entdeckte der Rügener Pastor Alwin Theodor Schenk die rhythmischen Weisen der alten Lieder wieder und warb für eine lebhaftere Singweise. Die Zeilenzwischenspiele auf der Orgel wurden aufgegeben und durch Strophenzwischenspiele ersetzt, die der Gemeinde Gelegenheit gaben, nach den Strophen kurz innezuhalten. Im Greifswalder Dom wurde der Gemeindegesang auch dann, wenn er von der Orgel begleitet wurde, von Vorsängern angeleitet und gestützt. Die schnelleren, rhythmischen Weisen konnten sich jedoch nicht überall sofort durchsetzen: In August Wagners Choralbuch sind die Harmonisierungen noch immer getragen. Die Stimmlage ist den Möglichkeiten der pommerschen Gemeinden angepasst, die Harmonik schlicht und eingängig, um Andacht und Erbauung zu fördern. Augenblickliche musikalische Wortuntermalungen, wie sie Hans Engel an Carl Loewes Werk zu beobachten meinte (und wie sie zweifellos in seinen Balladen anzutreffen sind), sind für die gottesdienstliche Choralbegleitung auf der Orgel das gesamte 19. Jahrhundert über verpönt – von Daniel Gottlob Türk über Abbé Vogler bis hin zu Wagner, der ja in dieser Hinsicht auf Bewährtes und Traditionelles setzt.

40 Ebd.

Literaturbericht Hymnologie. Deutschsprachige Länder (2014, 2015) 2016/17 Daniela Wissemann-Garbe

Abkürzungen: DKL

EG FKM GL2 KMJ LK MGD MuK MS(D) MuL SiK ThG WBK

Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. I Verzeichnis der Drucke. II Geistliche Gesänge des deutschen Mittelalters. III Die Melodien aus gedruckten Quellen Evangelisches Gesangbuch, Stammausgabe 1993 Forum Kirchenmusik, München (früher: Der Kirchenmusiker) Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 2013 Kirchenmusikalisches Jahrbuch, Regensburg / Köln Liturgie und Kultur, Hannover Musik und Gottesdienst, Basel Musik und Kirche, Kassel Musica Sacra, Regensburg Musik und Liturgie, Gossau CH (früher: Singen und Musizieren im Gottesdienst / Katholische Kirchenmusik) Singende Kirche. Zeitschrift für katholische Kirchenmusik, Salzburg Thema: Gottesdienst, Evang. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz / Evang. Kirche im Rheinland Württembergische Blätter für Kirchenmusik, Stuttgart

Wir danken Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für Hinweise auf Neuer­ scheinungen. Neu ist ab dem vorliegenden Band, dass auch Literatur des laufenden Jahres berücksichtigt wird, sofern sie uns bis Redaktionsschluss im Frühsommer erreicht hat.

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Literaturbericht Hymnologie. Daniela Wissemann-Garbe

I. Theologie und Kirchenmusik A. Grundsätzliche Besinnung Gerhards, Albert: Priester und Kirchenmusik – Liturgie und Pastoral. In: SiK 63 (2016), 254–256. Graf Münster, Michael: Religiöse Erfahrung und Musik am Beispiel des Luthertums. In: FKM 67 (2016), H. 5, 2–9. Inwood, Paul: Wie Musik in der Liturgie wahrgenommen und wie sie angenommen wird. Ein anthropologischer und semiotischer Durchblick. In: SiK 63 (2016), 2­ 47–253. Küster, Konrad: Musik im Namen Luthers. Kulturtraditionen seit der Reformation. Bärenreiter: Kassel 2016, 319 S., Abb. Küster geht der Frage nach, wie Luthers Musikauffassung bzw. das, was man von ihr zu verschiedenen Zeiten verstanden hat, das evangelische Musikleben beeinflusst hat. Und das nicht nur im engeren kirchlichen – gottesdienstlichen – Bereich, sondern auch da, wo lutherisches Selbstverständnis Staat, Gesellschaft und Kultur geprägt hat. Der Blick geht dabei weit über den mitteldeutschen Raum hinaus und gilt gerade auch nicht-lutherischen Einflüssen. So beleuchtet das vorliegende Buch die evangelische Kirchenmusikgeschichte ohne Anspruch auf Vollständigkeit unter der genannten Fragestellung in zehn Kapiteln (Musik in der Liturgie Luthers – Was rechtfertigt „lutherische Musik“ – Kantoren und Organisten, Lateinschüler und Adjuvanten – Das Luthertum und die Orgelkunst im nördlichen Mitteleuropa – „Florilegium Portense“. Warum die lutherische Musiktradition nicht in Luthers Zeit zurückreicht – Heinrich Schütz im Dreißigjährigen Krieg – Das Luthertum nach 1648 und das Lied – Evangelium und Kirchenkantate – Bach als Organist und als Leipziger Director musices  – Kirchenmusik zwischen Gottesdienst und Konzertleben. Das zweite lutherische Vierteljahrtausend) und endet mit einer Bilanz des 20. Jahrhunderts. Mattmann, Erwin: 5. Internationaler Kongress für Kirchenmusik Bern 2015. Ansprüche von Theologie und Musik (an-)erkennen. In: MuL 141 (2016), H. 1, 11–15. Der Bericht gibt einen Überblick über die vielfältigen Themen, die bei dem Kongress thematisiert worden sind. Schilling, Johannes: „… weil sie die Menschen fröhlich macht“. Martin Luther und die Musik. In: MuK 86 (2016), 348–352. Themenheft: Lieder – Gesungene Vielfalt. Mit Beiträgen von Johann Hinrich Claussen, Beate Besser, Meinrad Walter, Andreas Hillger, Rolf Tischer, Marie Schilp und Martin Bartsch. In: MuK 87 (2017), Heft 2.

B. Kirchenlied und Musik in der Ordnung des Gottesdienstes Axtmann, Dominik: Max Regers Kompositionen zum gottesdienstlichen Gebrauch. Ein Überblick für die kirchenmusikalische Praxis. In: MSD 136 (2016), 12–14. Jannibelli, Emanuele: Freie Orgelstücke passend zu Liedern? Streiflicht auf eine Aufgabe im gottesdienstlichen Orgelspiel. In: MGD 70 (2016), 62–66. Kattan, Assaad Elias: Die Kirchenmusik der Rum. Ein Hauch von Byzanz in der arabischen Welt. In: MuK 86 (2016), 220–224. Nicht zuletzt geht es um die Verbindung zu (einstimmiger) westlicher Kirchenmusik.

Deutschsprachige Länder (2014, 2015) 2016/17 Deutschsprachige Länder (2014, 2015) 2016/17

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Einführender Artikel zu weiteren unter www.musikundkirche.de veröffentlichten Artikeln: Ghattas, Michael: Hymnen und Melodien der Koptischen orthodoxen Kirche. Tannous, Youssef: Introduction au chant maronite. Aydin, Gabriel: Syriac sacred Chant. Kaiser, Jochen: Die Lieder, sonntags in der Kirche. Lieder im Gottesdienst zwischen Sinn- und Präsenzkultur. In: FKM 67 (2016), H. 2, 17–23. Küster, Konrad: Musik im frühen lutherischen Gottesdienst. Das Beispiel der Domkirche in Ribe um 1560. In: Schütz-Jahrbuch 37 (2015), 17–38. Marti, Andreas: Ein Requiem am Karfreitag? In: MGD 70 (2016), 93–98. Betr. den Bezug auf die liturgische Zeit für die Musik in Gottesdienst und Konzert. Pacik, Rudolf: Musik in der Tagzeitenliturgie und in der sonntäglichen Wort-GottesFeier. In: SiK 63 (2016), 8–17. Der Text geht von der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils aus und erörtert Möglichkeiten und Funktionen. Praßl, Franz Karl: Liturgische Musik im Kontext eines religiösen und gesellschaftlichen Pluralismus. In: SiK 63 (2016), 87–92. Praßl geht in einer Reihe von Thesen der Frage nach, wie musikalischer Zeitgeist in liturgischer Funktion zu bewerten sein kann. Stalmann, Joachim: Artikel „Musik der Reformation“. In: Leppin, Volker / SchneiderLudorff, Gury (Hg.): Das Luther-Lexikon, Regensburg 2014, 22015, 491–501. Wendebourg, Dorothea: Artikel „Gottesdienst“. In: Leppin, Volker / Schneider-­Ludorff, Gury (Hg.): Das Luther-Lexikon, Regensburg 2014, 22015, 273–375.

II. Hymnologie A. Hymnologische Forschung, Geschichte und Quellen des Kirchenliedes Bubmann, Peter: Flucht ins Formelhafte? Praise-Songs – eine theologische Kritik. In: MuK 86 (2016), 239–246. Falkenroth, Christina: Die Passion Jesu im Kirchenlied. „Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude …“ (Mainzer Hymnologische Studien 28). Narr Francke Attempto: Tübingen 2017, 595 S., Notenbsp. Christina Falkenroth hat in ihrer 2015 eingereichten Dissertation an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal-Bethel Passionslieder des 16.  und 17.  Jahrhunderts untersucht, um daraus erstens eine „Theologie der Passionslieder in ihrem systematisch-theologischen Zusammenhang“ (Kapitel 4) darzustellen und um zweitens deren Bedeutung für die „Praxis des christlichen Lebens“ (Kapitel 5) zu erörtern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf theologischen Fragen, die in einen umfassenden Zusammenhang gestellt und klar geordnet werden. Auf diese Weise wird ein aufschlussreiches Bild davon gezeichnet, wie sich das Passionsverständnis im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat und im Singen zu den Gläubigen transportiert worden ist. Die Melodieanalysen sollen den theologischen Befund stützen. Dabei wurde nur leider nicht berücksichtigt, dass von einer musikalischen Rhetorik überhaupt erst von 1600 an die Rede sein kann. Es ist also unhistorisch, bei Luthers Christ lag in Todesbanden von einer „Figur“ zu sprechen, die den „Ausdruck des Sich-Erhebens oder des Auf-

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stehens“ (S. 66) habe, oder bei der Melodie zu Michael Weisses Christus, der uns selig macht, davon, dass die Tonräume in ihrer Höhe und Tiefe himmlische und irdische Sphären abbilden (S.  109). Angesichts der ausdrücklichen Absicht, die Bedeutung der Musik mit einzubeziehen, ist zu bedauern, dass wichtige musikwissenschaftlichhymnologische Literatur nicht berücksichtigt wurde, etwa der Ergänzungsband 4 der Weimarer Lutherausgabe mit Markus Jennys Edition der Lutherlieder1 oder die Ristausgabe2 oder die Kasseler Kirchenliededition 3 , sondern dass Wackernagel4 , Fischer -Tümpel 5 , Zahn6 als Referenzen ausreichen mussten. Lesenswert bleibt dennoch Falkenroths Ansatz zu verfolgen, wie durch das Singen eine gläubige Aneignung der Passion ermöglicht wird. Folgende Lieder werden ausführlich behandelt: Christ lag in Todesbanden, Christus, der uns selig macht, O wir armen Sünder, O Mensch, bewein dein Sünde groß, O Lamm Gottes, unschuldig, Wir danken dir, Herr Jesu Christ, O Traurigkeit, o Herzeleid, Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen, O Welt, sieh hier dein Leben, Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, O Haupt voll Blut und Wunden, Jesu, deine Passion, Du großer Schmerzensmann, Ich grüße dich am Kreuzesstamm. Fillmann, Elisabeth: „Gott will im Dunkel wohnen …“. „Licht“ im „Evangelischen Gesangbuch“ und im katholischen „Gotteslob“. In: MuK 86 (2016),150–153. Franz, Ansgar: Bildersingen – Bilder singen. Das Beispiel der Ostersequenz [Zima vetus expurgetur] des Adam von Sankt Viktor. In: LuK 7 (2016), H. 3, 36–52. Franz, Ansgar: Licht in der Liturgie. In: MuK 86 (2016), 154–157. Herzfeld-Schild, Marie Louise: Das Gotteslob als emotional-musikalischer Erinnerungs(h)ort. In: Fischer, Michael / Widmaier, Tobias (Hg.): Lieder / Songs als Medien des Erinnerns. (Lied und populäre Kultur. Jahrbuch des Zentrums für Populäre Kultur und Musik 59), Waxmann: Münster 2014, 75–93. Heymel, Michael: Das Gesangbuch als Lebensbegleiter. Studien zur Bedeutung der Gesangbuchgeschichte für Frömmigkeit und Seelsorge. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2012, 366 S., Abb. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das Gesangbuch lange Zeit das wichtigste Erbauungsbuch der evangelischen Christen war, versucht der Autor, aus der Geschichte Erkenntnisse über die Lebensbedeutung von Kirchenlied und Gesangbuch zu gewinnen, z. B. dass Lieder, die im gemeinschaftlichen Gottesdienst gesungen wurden, zuvor in der Schule (z. B. lesen Lernen) erworben und im Alltag und in Privatandacht

1 Jenny, Markus (Hg.): Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge. Vollständige Neuedition in Ergänzung zu Band 35 der Weimarer Ausgabe (Archiv zur Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers 4). Köln / Wien 1985 2 Rist, Johann / Schop, Johann: Himmlische Lieder (1641/42). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Konrad Küster. Mit einer Einführung von Inge Mager. Berlin 2012. 3 Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Abteilung III: Die Melodien aus gedruckten Quellen bis 1680. Hg. von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Edition des deutschen Kirchenlieds. Kassel usw. 1993–2010. 4 Wackernagel, Karl Emanuel Philipp: Das Deutsche Kirchenlied von Martin Luther bis auf Nicolaus Herman und Ambrosius Blaurer. Stuttgart 1841. 5 Fischer, Albert / Tümpel, Wilhelm: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts. Gütersloh 1904–1916. 6 Zahn, Johannes: Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder aus den Quellen geschöpft und mitgeteilt. Gütersloh 1889–1893.

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weiter gepflegt worden sind. Kern der Veröffentlichung sind nach drei einleitenden Abschnitten die zwei quellenorientierten Kapitel, in denen zum einen die Vorreden von 24 Gesangbüchern des 16. bis 18. Jahrhunderts auf Äußerungen zum seelsorgerlichen Gebrauch geistlicher Lieder untersucht, zum anderen 23 Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts daraufhin befragt werden, was Inhalt und Gestalt der Gesangbücher über den individuellen Umgang mit Kirchenliedern und dem Buch als Ganzem erkennen lassen – wobei Heymel die Titel manchmal für sich selber sprechen lässt. Weitere zehn Kapitel im Aufsatzformat widmen sich einzelnen Liedern (Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End) und Dichtern (Johann Heermann, Paul Gerhardt, Christian Scriver, Gerhard Tersteegen, Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Arnold Mendelssohn, Jochen Klepper), die nach der persönlichen Erfahrung des Autors für die Seelsorge eine Rolle spielen. Ziel ist es, Impulse für die Seelsorgepraxis der Gegenwart zu vermitteln. Hofmann, Andrea: Psalmenrezeption in reformatorischem Liedgut. Entstehung, Gestalt und konfessionelle Eigenarten des Psalmliedes, 1523–1650 (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 45). Evangelische Verlagsanstalt: Berlin (2015; 2. korrigierte Auflage) 2017, 341 S. Mit ihrer Psalmliedstudie hat Andrea Hofmann eine systematische und gründliche Arbeit zur Frühgeschichte des deutschsprachigen Kirchenliedes aus theologischer Sicht vorgelegt und gezeigt, welche Bedeutung Psalmen von Anfang an hatten. Sie ordnet die Entstehungsgeschichte dem Verständnis vom Psalter sowie der Haltung zum Kirchengesang bei Martin Luther, Huldrych Zwingli, Martin Bucer und Johannes Calvin zu und arbeitet damit heraus, wie sich das Liedgut in einem Spannungsfeld von gegenseitiger Beeinflussung und eigenständiger Profilierung entwickelt hat. Sie stellt dar, wie das reformatorische Psalmlied seine Anfänge bei Luther nahm und in wesentlichen Teilen in den Straßburger Gesangbüchern und somit bei Bucer verbreitet wurde, der dann durch seine Beziehungen zu Zwingli und Calvin die reformierte Tradition beeinflusst hat. Die musikalische Gestalt, der Hofmann wesentlichen Anteil zuerkennt, wird dabei allerdings allzu pauschal abgehandelt – was man einer theologischen Dissertation aber nicht unbedingt vorwerfen kann. In ihrem historisch-analytischen Teil widmet sie sich weniger einer detaillierten Einzel­a nalyse – was angesichts des umfangreichen Materials unweigerlich ermüdend geworden wäre: das Liedregister listet rund 400 Psalm- und gut 50 weitere Lieder auf – als vielmehr den großen Linien der Entwicklungsgeschichte von einzelnen auf Flugblättern, in Gesang- und Andachtsbüchern sowie Schuldramen publizierten Psalmliedern bis hin zu den Gesamtpsaltern einzelner Autoren. Dabei behält sie den Prozess der Messreform genauso im Blick wie das Verständnis der Reformatoren vom Psalter und die politische Dimension. Zentrales Anliegen ist es, nicht nur das interkonfessionell Trennende, sondern gerade das Übergreifende und sogar Verbindende darzustellen – inclusive der katholischen Reaktion. Abschließend seien hier die Autoren (Herausgeber) und Erscheinungsjahre der Gesamtpsalter, denen Hofmann ein eigenes Kapitel gewidmet hat, aufgelistet: (Joachim Aberlin / Sigmund Salminger, 1537; Jakob Dachser, 1538), Hans Gamersfelder (1542), Burkhard Waldis (1553), Johann Magdeburg (1565), Paul Schede Melissus (1572), Ambrosius Lobwasser (1573), Gregor Sunderreyter (1574), Cyriakus Spangenberg (1582), Caspar Ulenberg (1582), Nikolaus Selnecker (1587), Philipp d. J., Freiherr von Winnenberg und Beilstein (1588), Joachim Sartorius (1591), Cornelius Becker (1602), Franziskus Algermann (1604/1610), Wolfgang Striccius (1606/1607), Cornelius Siegfrid (1607), Jonas Elverfeld (1609), Friedrich Gundelwein (1614), Johann Wüstholtz

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(1618), Johann Thönniker (1621), Jacob Richter (1624), Ambrosius Metzger (1630), Georg Werner (1638/1643), Martin Opitz (1637), Andreas Bucholtz (1640), Johann Trautschel (1643), Johann Neukrantz (1650). Hoondert, Martin J. M. (Hg.): Hymns in Liturgy and Life. Kirchenlieder in Liturgie und Leben. Tagungsbericht der gemeinsamen Internationalen Hymnologischen Konferenz. Cambridge, UK, 2015. Teil I. Hauptreferate. (I. A. H. Bulletin 43/2015). [ohne Verlag] Tilburg 2016, 349 S. Fast alle Beiträge sind jeweils in englischer und deutscher Sprache abgedruckt, im Folgenden werden, wenn vorhanden, die deutschen Titel wiedergegeben: Kirchenlieder, Songs und Gedichte; das Lyrische und das Liturgische (Rowan Williams, ­23–36)  – Kirchenlieder in Liturgie und Leben: Aufgaben, Möglichkeiten und Perspektiven (Britta Martini, 37–50) – Müssen wir werden, was wir singen? Die Rolle der Musik des Gemeindegesanges in der spirituellen Prägung der Gemeinde (Kenneth R. Hull, 84–102)  – Verborgene Weisheit: Kirchenlieder in Frauenliturgie und im Frauenleben (June Bayce-Tillman, 135–171)  – Gesungene Theologie: Der Beitrag des Kirchenliedes zur Liturgie (Rosalind Brown, 189–207) – The Finnish ‚Most beautiful Christmas songs‘: Sing-along events ‚in the minor tune land of melancholy‘ (Tapani Innanen, 208–221)  – Gemeindegesang und Alltagsleben: Ergebnisse einer Umfrage (Robin Knowles Wallace, 236–252) – Ein „Choral am Ende der Reise“? Kirchenlieder als Lebensbegleiter: Empirische Einsichten und praktische Überlegungen (Stephan A. Reinke, 253–268)  – Die Sehnsucht und das Vermächtnis: Liturgie und Leben in den Kirchenliedern von William Williams von Pantycelyn (E. Wyn James, ­300–317) – Das Königreich besingen: Hervorbringen, Widerklingen, Vollen­ den ­(Geoffrey C. Moore, 333–349). Jessen, Thorsten: Gesangbuch- und Katechismusreform im 19.  Jahrhundert unter Bischof Heinrich Wilhelm Koopmann (1814–1871). In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 141 (2016), 155–171. Jürgens, Henning P.: Das Evangelium singen. Gesangbücher und Psalter im europäischen Kontext. In: Dingel, Irene / Lotz-Heumann, Ute (Hg.): Entfaltung und zeitgenössische Wirkung der Reformation im europäischen Kontext. Dissemination and Contemporary Impact of the Reformation in  a European Context (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 216). Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2015, ­103–123. Vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Praxis und unter Berücksichtigung der konfessionellen Kontexte beschreibt Jürgens Einheit und Vielfalt des protestantischen Kirchengesangs in Europa. Angefangen mit dem ersten volkssprachigen Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1501 führt er den Blick weit über die lutherische Reformation hinaus und zeigt, dass Gesangbücher und Psalter und die mit ihnen einhergehenden Verwendungsweisen als gemeinsames europäisches Erbe der Reformation anzusehen sind. Kadelbach, Ada: Paul Gerhardt im Blauen Engel und andere Beiträge zur interdiszi­ plinären Kirchenlied- und Gesangbuchforschung (Mainzer Hymnologische Studien 26). Narr Francke Attempto: Tübingen 2017, 575 S., Abb., Noten. „Ertrag eines Hymnologenlebens“ oder: „Hymnologie in Beispielen.“ So hätte ein Untertitel des Bandes mit 27 Aufsätzen aus 50 Jahren lauten können. Seit ihrer musikwissenschaftlichen Staatsexamensarbeit über das deutsch-amerikanische evangelische Kirchenlied hat Ada Kadelbach hymnologisch gearbeitet. Nicht einseitig, sondern in aller Breite: Zeiten, Regionen, Gattungen, Rezeptionen, Personen, Methoden hat sie interdisziplinär erforscht. Und immer fundiert, breit gebildet, lesens-

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wert, manchmal amüsant dargestellt. Eine Bereicherung für jede hymnologische Bibliothek. I „Vorrede“: 1 „In Christo, unserm Heilande, hertzlich=geliebter Leser“. Die Gesangbuchvorrede – eine hymnologische Fundgrube. – II Norddeutsche Regionalstudien von der Reformation bis zur Restauration: 2 „INt erste singet me eynenn düdeschen Psalm“. Hermann Bonnus und die Bedeutung des Singens für die Reformation am Beispiel Lübecks. 3 Zwischen lutherischer Orthodoxie und Pietismus. Lübecker Gesangbuchpolitik um 1700 und ein wieder entdecktes Gesangbuch. 4 „Geist= reiche“ Lieder in den Hansestädten Hamburg und Lübeck – mit einem Seitenblick auf Schleswig-Holstein. 5 Rationalismus und Restauration im Spiegel der lübeckischen Gesangbuchgeschichte. 6 Zeugnisse höfischer Frömmigkeit und Repräsentation. Gesangbücher im Gottorfer Umfeld. 7 Das Husumer Hofgesangbuch von 1676. Ein verloren geglaubtes Gesangbuch und seine Quellen. 8 Das Husumer Hofleben zur Zeit der Herzogin Maria Elisabeth. Geschöpft aus den Kammerrechnungen 1646–1681. 9 „Eine Sammlung guter, von mystischen Ausdrücken gereinigter Lieder“. Das „Neue“ Mecklenburgische Hofgesangbuch von 1794. 10 Matthias Claudius und „seine“ Gesangbücher. 11 C. P. E. Bach in Choralbüchern seiner Zeit. – III Gesangbücher im Auswanderergepäck: 12 Altes Testament und Täuferlied. 13 Die „HirtenLieder Von Bethlehem“ (Germantown 1762). Zur Singpraxis der Brüdergemeine. 14 Das erste Gesangbuch der Schwenckfelder (Germantown 1762) und seine Entstehung. 15 „Geist=reicher“ Gesang in Amerika. Einflüsse des halleschen Pietismus auf den lutherischen Kirchengesang in der Neuen Welt. – IV Akrostichon und Parodie: 16 Das Akrostichon im Kirchenlied. Typologie und Deutungsansätze. 17 Die geistlichen Lieder Philipp Nicolais und die höfische Akrostichtradition. 18 „Jesu, meine Freude, Purpur, Gold und Seide“. Zitat und Parodie bei Erdmann Neumeister.  – V Paul Gerhardt  – ein Rezeptionsphänomen: 19 […] Paul Gerhardt bei Matthias Claudius und Thomas Mann. 20 Paul Gerhardt im „Blauen Engel“. Ein rätselhaftes Kirchenliedzitat in Heinrich Manns Professor Unrat. 21 „… wer so stirbt, der stirbt wohl“. Paul Gerhardt in der Andachtsliteratur. 22 „Beschauliches und Erbauliches“. Paul Gerhardt im Werk von Ludwig Richter. 23 „I denne fagre sumarstid gå ut, mi sjel …“. Paul Gerhardt in skandinavischen Gesangbüchern. – VI Religion und Kirche bei Thomas Mann: 24 „Was ist das?“ Ein neuer Blick auf einen berühmten Romananfang und die Lübecker Katechismen. 25 Thomas Mann und „seine“ Kirche im Spiegel der Buddenbrooks. – VII Epilog: Kleine hymnologische Narreteien: 26 Ach got In hImel hIlff du mIr. Andreas Marti zum 50. Geburtstag. 27 Hic est dies et annVs iubiLæVs. Hermann Kurzke zum 60. Geburtstag. Kaiser, Jochen: Singen frommer Fangesänge – Fußball oder Gottesdienst. In: WBK 83 (2016), H. 3, 9–14. Klöckner, Stefan: Verzeihung – aber ich hoffe, ich störe … Ein katholischer Zwischenruf, 500 Jahre nach der Reformation. In: MuK 86 (2016), 376–381. Betr. die Ansicht eines katholischen Kirchenmusikers über die Musik der anderen Konfession, nicht zuletzt in Bezug auf das Gesangbuch. Nürnberg, Ute: Der Jahreswechsel im Kirchenlied. Zur Geschichte, Motivik und Theologie deutscher und schweizerischer Lieder (Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 85). Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 414 S., Abb. Im Mittelpunkt der breit angelegten Studie, sie wurde 2014 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich als Dissertation angenommen, stehen exemplarische Analysen von elf Liedern aus fünf Jahrhunderten: Nun wölle Gott, dass unser G’sang, Hilf, Herr Jesu, lass gelingen, Nun lasst uns gehn und treten, Jesus ist der schönste

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Nam’, Er ruft der Sonn und schafft den Mond, Ach, wiederum ein Jahr verschwunden, Das Jahr geht still zu Ende, Der du die Zeit in Händen hast, Von guten Mächten treu und still umgeben, Herr der Stunden, Herr der Tage, Geh unter der Gnade. Eingebettet sind diese Analysen in die Darstellung zeit- und liturgiegeschichtlicher sowie hymnologischer Aspekte.7 Dieser Hauptteil wird von drei Kapiteln eingerahmt: Vorab werden Ursprung und Hintergrund kirchlicher Neujahrslieder auch im Brauchtum betrachtet, danach Motivik, Theologie und Charakteristik zusammen gefasst darstellt und schließlich die heutige Fest- und Gottesdienstpraxis beleuchtet. Im Anhang sind 16 weitere Texte abgedruckt, die aber nur schwer einzuordnen sind, weil sie häufig im Register fehlen, oft beziehen sie sich nur auf eine Fußnote. Eine Tabelle weist das Vorkommen von 171 Liedern in 29 Gesangbüchern nach, wobei unklar bleibt, warum gerade diese 29 aus 108 benutzen Quellen ausgewählt wurden. – Insgesamt aber eine lohnende Lektüre, aus der ersichtlich wird, wie die Feier des kalendarischen Neuen Jahres das überkommene Thema der Namengebung und Beschneidung Jesu Christi verdrängt bis schließlich menschliche Zeit und göttliche Ewigkeit zum Thema des Jahreswechsels geworden sind. Die Arbeit schließt mit Beobachtungen und Anfragen zur gegenwärtigen Gottesdienstpraxis am Jahresübergang. Ryser, Hugo: Der Kirchengesang in Kirchberg, Kanton Bern, im 19. Jahrhundert. In: MGD 70 (2016), 166–170. Schulz, Otmar: Schluss mit den Donnerworten! Zeit und Ewigkeit in Kirchenliedern. In: FKM 67 (2016), H. 1, 21–24. Siepmann, Ralf: Volkslied des Glaubens. In: MGD 70 (2016), 90–92. Zur Aufnahme des „Choralsingens“ in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes durch die deutsche UNESCO-Kommission 2015. Thust, Karl Christian: Bibliografie über die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs. Neufassung. Selbstverlag: Ingelheim 2016, 472 S. Seit der vorhergehenden, bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen erschienenen, Ausgabe von 2006 (vgl. JLH 46 [2007], S. 221 f.) ist zahlreiche Literatur erschienen, die Thust zusammen mit der bisherigen aufführt. Das Prinzip ist das gleiche geblieben, d. h. auf manche Erwähnung eines Liedes wird nur mit der Abkürzung einer Zeitschrift samt Seitenzahl hingewiesen, gelegentlich wird ein Aufsatztitel ausgeschrieben, meist aber verweist ein Name mit einem Sigel auf einen Aufsatz- oder einen Buchtitel. Eine Gewichtung beinhaltet das System dabei nicht, so dass man sich bei literaturintensiven Liedern durch viele Angaben beißen muss, um am Ende entweder an substantielle Literatur zu einem Lied oder nur zu einer nebenbei erfolgten Erwähnung zu gelangen. Anders wäre angesichts der Fülle die Arbeit allerdings vermutlich nicht machbar gewesen. Nützlich für den Praktiker ist, dass Liedpredigten als solche durch eine eingeklammerte Abkürzung kenntlich gemacht sind. Veit, Patrice: Artikel „Gesangbuch“. In: Leppin, Volker / Schneider-Ludorff, Gury (Hg.): Das Luther-Lexikon, Regensburg 2014, 22015, 249–250.

7 Letztgenannte fallen manchmal etwas knapp aus. Z. B. taucht das erste Lied Nun wolle Gott, dass unser Gsang (S.  94) bereits in einem Straßburger Gesangbuch 1537 auf (wie Nürnberg S. 89 im Übrigen selbst geschrieben hat), in einem Bonner 1550, in einem Augsburger 1557, in einem Frankfurter 1565, in einem Nürnberger aus Leipziger Tradition 1569 (nach DKL III/1 Registerband S. 105). Interessant auch die Ergänzung, dass es im katholischen Gesangbuch von Leisentritt 1584 eine eigene Melodie erhalten hat (DKL III/3, A 730).

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Veit, Patrice: Artikel „Lied“. In: Leppin, Volker / Schneider-Ludorff, Gury (Hg.): Das Luther-Lexikon, Regensburg 2014, 22015, 385–389. Volkhardt, Ulrike: Reformation oder Transformation? Katholische Elemente in nachreformatorischen Cantionalbüchern aus Beständen Norddeutscher Kloster- und Kirchenbibliotheken. In: Jahrbuch Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. NF 3 (2015), 211–223.

B. Leben und Werk der Dichter und Melodieschöpfer Crüger, Johann: Praxis Pietatis Melica [PPM]. Edition und Dokumentation der Werkgeschichte. Im Auftrag der Franckeschen Stiftungen zu Halle herausgegeben von Hans-Otto Korth und Wolfgang Miersemann unter Mitarbeit von Maik Richter. Band II, Teil 2. Praxis Pietatis Melica.Tabellarische Übersicht über die Entwicklung des Liedbestands. Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle / Harrassowitz in Kommission: Halle 2016, 281 S. Die schier unübersichtlich scheinende Entwicklung des Liedbestandes der PPM ist hier in eine doppelseitig geführte Tabelle gefasst, die das Vorhandensein oder Fehlen von über 3100 Liedtiteln in 56 Drucken dokumentiert. Eine fortwährende Erweiterung des Repertoires, aber auch der Wegfall und Austausch von Texten und Melodien kann hier im Detail nachvollzogen werden. Dabei wird deutlich, dass es sich bei der PPM, angefangen mit dem New vollkömlichen Gesangbuch von 1640 bis zum Nachdruck der 1779 erschienenen Editio XLV tatsächlich um ein im Kern grundsätzlich übereinstimmendes Werk handelt und nicht etwa nur ein Erfolgstitel für gänzlich neue Inhalte herangezogen worden ist. Crüger, Johann: Praxis Pietatis Melica [PPM]. Edition und Dokumentation der Werkgeschichte. Im Auftrag der Franckeschen Stiftungen zu Halle herausgegeben von HansOtto Korth und Wolfgang Miersemann unter Mitarbeit von Maik Richter. Band I, Teil  3. Johann Habermann, Gebätbüchlein. Berlin 1661. Text und Apparat. Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle / Harrassowitz in Kommission: Halle 2017, 213 S. Wer sich fragt, was Johann Habermanns Gebetbüchlein von 1567 (das zudem seit 2009 in einer Kritischen Edition von Johann Anselm Steiger vorliegt) in der Ausgabe der 1661 erschienenen PPM zu suchen hat, wird im beinahe dedektivisch formulierten editorischen Bericht ab S. 114 aufgeklärt, kurz: Christoph Runge scheint die von ihm produzierten Drucke des Gebetbüchleins zwar äußerlich als selbständige Druckwerke auf den Markt gebracht, tatsächlich aber jeweils als Beigabe zur PPM gedacht zu haben, auch wenn erst auf dem Titelblatt der PPM Editio XV von 1671 ein Hinweis darauf zu finden ist (in einer Stettiner Ausgabe ist das schon 1660 der Fall). Damit sind die Ausgaben des Habermann’schen Gebetbuches als Teil der Editionsgeschichte der PPM zu betrachten. Die seit dem Klug’schen Gesangbuch von (1529) 1533 geübte Praxis, Lieder und Gebete zusammen abzudrucken hat sich in zwei eigenständige, aber zusammengehörige Teile gespalten. Wie gut gerade PPM und Habermann nicht nur aus wirtschaftlichem Kalkül zusammen passen, aber auch wieviel Entwicklungsgeschichte in dem Gebetbuch steckt, lese man im vorliegenden Band nach. Balders, Günter / Bunners, Christian (Hg.): „dort im andern Leben“. Das Paradies bei Paul Gerhardt, in seiner Zeit und heute (Beiträge der Paul-Gerhardt-Gesellschaft 9). Frank & Timme: Berlin 2016, 147 S., Abb. Noten. Enthält folgende Beiträge: „Er wird uns fröhlich leiten ins ewig Paradeis“. Ewigkeitslieder im Liedgut vor Paul Gerhardt (Lukas Lorbeer, 9–28) – Leonhart Hütters Lehr-

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stück „Vom Ewigen Leben“ (1610/1613) mit einigen Erläuterungen vorgestellt (Christian Bunners, 29–41)  – Johann Arndts Vorstellungen vom Paradies (Inge Mager, 43–52) – Himmlischer Garten, schönes Haus, Freudenmusik, Umarmungen … Paul Gerhardts Vorstellungen vom Ewigen Leben (Christian Bunners, 53–71) – Der Ort des Paradieses. Zu den poetologischen Grenzen der Emblematik bei Paul Gerhardt (Walter Schmitz, 73–102) – Gesetz und Gnade, Tod und Auferstehung. Zur musikalischen Textexegese in J. S. Bachs Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (actus tragicus), BWV 106 (Bodo Bischoff, 103–146). Knorr von Rosenroth, Christian: Neuer Helicon mit seinen Neun Musen. Herausgegeben von Rosmarie Zeller und Wolfgang Hirschmann (om 214). ortus musikverlag: Beeskow 2016, 233 S., Noten. Die 70 „Geistlichen Sitten-Lieder von Erkenntnis der wahren Glückseligkeit“, so der Untertitel der 1684 in Nürnberg erschienenen Ausgabe (DKL 168406), die 5 Lieder in deren Anhang und das ebenfalls enthaltene „geistliche Lustspiel von der Vermählung Christi mit der Seele“ liegen nun in einer vorbildlichen Ausgabe das ortus-Verlages vor. Die Literaturwissenschaftlerin Rosmarie Zeller und der Musikwissenschaftler Wolfgang Hirschmann haben aus dem schmalen Band im Duodezformat einen sowohl für die Musikpraxis als auch die Literatur-, Musik- und Kulturgeschichte des späten 17. Jahrhunderts nützliche Edition erarbeitet, die der Wiederentdeckung und der weiteren Forschung über den eigenwilligen Denker, Dichter und Sänger eine verlässliche Grundlage liefert. Bereits dem zeittypisch wortreichen Titelblatt ist zu entnehmen, dass die Liedsammlung für Privatandacht und pädagogische Unterweisung junger Menschen gedacht ist. Dies geschieht auf hohem künstlerischen Niveau, dennoch fanden zahlreiche Arien Eingang in die Gesangbücher der Zeit und wurden dort z. T. bis ins 19. Jahrhundert überliefert. Auch das bis heute wohl in allen großen deutschsprachigen Gesangbüchern enthaltene Lied Morgenglanz der Ewigkeit (in den katholischen allerdings mit abweichenden Strophen 2–4) gehört dazu, wenngleich mit einer anderen Melodie. Weitere bekannte Lieder wie Ach Jesu, meiner­ Seelen Freude, Kommt, seid gefasst zum Lammes-Mahl, Zeuch meinen Geist, triff meine Sinnen stammen aus dieser Sammlung, z. T. wurden sie in der Überlieferung aber ebenfalls von den Melodien getrennt. Andersherum wurde die Melodie zu Hat der Himmel gleich viel Wege mit dem Text der Elisabeth von Senitz O du Liebe meiner Liebe verbunden und in einer Bearbeitung Johann Sebastian Bachs für das Schemelli’sche Liederbuch berühmt. Einer Forschung über die Frage nach dem oder den Komponisten der Sammlung wird mit der vorliegenden Edition eine hervorragende Grundlage gegeben. Dass über die Lieder Martin Luthers noch längst nicht alles gesagt ist, zeigen zwei Editionen, die unterschiedlicher nicht sein können und trotz des gleichen Stoffes in ihren Kommentaren wenig Doppelungen aufweisen. Über sie wird hier an erster Stelle berichtet. Es folgt weitere Literatur über Luthers Lieder und sein Verhältnis zur Musik. Korth, Hans-Otto (Hg.): Lass uns leuchten des Lebens Wort. Die Lieder Martin­ Luthers. Im Auftrag der Franckeschen Stiftungen anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 vorgelegt und erläutert. Mit einem Nachwort von Patrice Veit. Verlag der Francke­schen Stiftungen Halle / ortus musikverlag: Halle / Beeskow 2017, 353 S. Abb., Noten. Mit Hans-Otto Korth, dem einzigen durchgehend beteiligten Editor der Kirchenliededition DKL III hat sich einer der besten Kenner von Gesangbuchdrucken des 16.  Jahrhunderts der Lieder Martin Luthers angenommen. Herausgekommen ist

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nicht nur eine wissenschaftlich fundierte und gut lesbare Ausgabe mit zumeist mehrseitigen ansprechenden Erläuterungen, sondern nebenbei, aber ausdrücklich intendiert, auch eine Art Lehrbuch der Hymnologie des 16.  Jahrhunderts. Das beginnt mit einer allgemeinen Einführung in Luthers Liedschaffen, einer Einordnung der sieben wichtigsten durchweg benutzten Quellen und einer Darstellung der Editionsgrundsätze und endet mit einem Exkurs über Tonalität und einem kleinen aber sehr nützlichen Glossar. Die 37 Lieder, für die Luther als Verfasser oder Bearbeiter erwiesen ist, sind chronologisch nach Drucklegung und innerhalb eines Jahres alphabetisch angeordnet, was in Auswahl und Anordnung mit wenigen Umstellungen im Spätwerk der Liste in 2MGG von Joachim Stalmann8 entspricht. Dadurch ist bereits im Inhaltsverzeichnis eine ungefähre Reihenfolge der Entstehung ablesbar. Die Texte sind diplomatisch nach der gewählten Quelle ediert, die Varianten der Hauptverbreitungen nachgewiesen. Für die Wahl der in moderner Edition beigegebenen Melodien und ihre spezielle Ausprägung – es gab von Anfang an häufig verschiedene – hat kein einheitliches Kriterium den Ausschlag gegeben: Es kann die älteste, eine besonders verbreitete, die qualitativ hochwertigste oder auch die am längsten nachwirkende Quelle gewählt sein. In den Erläuterungen wird aber jeweils belegt, wo auch andere Versionen möglich wären  – eine „gemeinte“ Fassung kann eben ehrlicherweise nicht festgestellt werden! Die auf Melodie und kritischen Bericht (gemeint ist ein Variantenapparat in unaufdringlich kleiner Type) folgenden Texte zeichnen Entstehungsumstände und Quellenlage der Lieder nach, verorten sie in ihrer Zeit und greifen weitere Fragestellungen des Editors auf. Ausdrücklich wird keine allumfassende Vollständigkeit angestrebt. Gerade das macht das Buch als Ganzes so lesenswert. Schade nur, dass Querverweise zu anderen Edition und Literaturhinweise ausgespart werden mussten  – sie hätten allerdings den Rahmen gesprengt. Immerhin ermöglicht das kommentierte Literaturverzeichnis einen Überblick über die wichtigsten hymnologischen Hilfsmittel.  – In seinem Nachwort zeichnet der Theologe und Historiker Patrice Veit ein übersichtliches Bild von „Reformation, Musik und Lied“, „Umstände und Chronologie der Liedproduktion“, „Quellen und Formen“, „Die religiösen Inhalte der Lieder“, „Verbreitung und Einflüsse“ und „Das Kirchenlied in der protestantischen Kultur“. – Der Band ist vom Verlag liebevoll und qualitativ hochwertig ausgestattet. Zahlreiche Melodievorlagen, -verbreitungen und -nachdrucke sind als farbige Faksimiles wiedergegeben. So ist die Vielgestaltigkeit der Quellenlage ohne umständliche Beschreibungen ersichtlich. Parallel ist eine in Kooperation entstandene Edition dänischer Übertragungen der Luther-Lieder erschienen: Kjærgaard, Jørgen / Paulsen, Ove: Luthers salmer på dansk. Tekst, melodi, liturgi og teologi. Forlaget Eksistensen: Kopenhagen 2017, 451 S., Abb., Noten. Heidrich, Jürgen / Schilling, Johannes (Hg): Martin Luther. Die Lieder. Reclam / Carus: Stuttgart 2017, 204 S., Abb., Noten. Auch der Musikwissenschaftler Jürgen Heidrich und der Theologe Johannes Schilling erheben nicht den Anspruch, einen „Urtext“ der Lutherlieder zu rekonstruieren oder den Forschungsstand umfassend darzustellen. Ihr Fokus liegt darauf, die Verbreitung der Lieder nachzuzeichnen und wesentliche Stationen der zeitgenössischen Wahrnehmung der Lieder verständlich zu machen. Sie bilden jeweils zunächst die frei gewählte Editionsvorlage ab, bieten eine kurze aufschlussreiche Einführung und 8 Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Neubearbeitete Ausgabe. Personenteil 11. Kassel usw. 2004, Sp. 640–642.

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dann Melodie in moderner Notation und Text in diplomatischer Schreibweise; nützliche Hilfen zum Textverständnis schließen sich an. Für den wissenschaftlichen Nutzer gibt es einen Anhang mit Angaben zur Quelle, Editionen, heutigem Gebrauch im EG (und seinem Vorgänger) und GL2 (und seinem Vorgänger) Hinweisen zu Text und Melodie, einen Kommentar und Literaturhinweise. In der Anordnung der Lieder folgen Heidrich und Schilling bis Nr. 24 unausgesprochen der Ausgabe von Markus Jenny, „Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge“, Köln / Wien 1985 (Archiv zur Weimarer Ausgabe  4), treffen danach aber an drei Stellen eine andere Auswahl als Korth. Zum einen übernehmen sie die mittelalterliche Leise Christ ist­ erstanden, zu der sie im Anhang schreiben, dass Luther diese sehr geschätzt und in die reformatorischen Gesangbücher übernommen habe. Jennys Aussage, Luther habe sie in die heutige Fassung gebracht, wiederholen sie nicht. Andererseits verzichten Heidrich und Schilling auf die gereimten Gesänge aus liturgischem Kontext J­ esaia, dem Propheten, das geschah und Herr Gott, dich loben wir. Die unkonventionelle Auswahl der Quellen, die als Vorlage für die Editionen dienen, erfüllt das erklärte Ziel, eine Vorstellung von der großen Bandbreite im 16. Jahrhundert zu vermitteln, selbst katholische bleiben nicht außen vor. Äußerst wertvoll sind die Kommentare im Anhang, in denen häufig kenntnisreich ausgewählte Zitate aus der zeitgenössischen Literatur gebracht werden, die man nicht allerorten geboten bekommt. Nicht verständlich ist allerdings, warum im Apparat unter den Editionen zwar die alte und neue Weimarer Ausgabe (WA 35 und AWA 4) sowie die Textedition von Gerhard Hahn angegeben sind, aber die 1993–2010 erschienene MelodieEdition (DKL III) weder hier noch unter der Literatur berücksichtigt worden ist. Die Notation des einzigen bei Heidrich und Schilling nach einer Straßburger Quelle edierten Liedes (Nr. 28, Vom Himmel hoch, da komm ich her) ist als altertümliche Hufnagelnotation bezeichnet und in einer unverständlichen Rhythmisierung mit Achteln, Vierteln, Halben und Ganzen ediert worden, während DKL Straßburger Gotische Notation übertragen hat.9 – Das Nachwort thematisiert streiflichtartig Wissenswertes und Aufschlussreiches zu 14 Aspekten rund um die vorausgegangene Edition. – Die Verlage haben eine leinengebundene Ausgabe mit hochwertigem Papier herausgebracht, die man gerne und mit großem Nutzen in die Hand nehmen wird. Geck, Martin: Luthers Lieder. Leuchttürme der Reformation. Georg Olms: Hildesheim / Zürich / New York 2017, 144 S., Abb., Noten. Fünf Lieder hat Geck ausgewählt, um von ihnen ausgehend Luthers Lieddichtung in die Reformations-, Musik- und Kulturgeschichte einzuordnen. Eine nicht geringe Bedeutung haben dabei auch Wiedergaben aus der bildenden Kunst. Die knappe Darstellung lässt sich gut von jedermann als Einführung in das Thema lesen und verspricht auch Kennern noch die eine oder andere Erkenntnis. Die insgesamt sechs Kapitel sind bis auf das letzte zweigeteilt, ein sogenannter „Ausblick“ führt die Linien jeweils grundsätzlich oder historisch weiter: Ein neues Lied wir heben an zu „Luther und die Musik“, Nun freut euch, lieben Christen g’mein zu „Luthers Lieder als Vorhut der reformatorischen Bewegung“, ein Kapitel über die ersten Gesangbücher zu

9 In der Straßburger Gotischen Notation sind sowohl Virga als auch Punctum als Viertelnote zu übertragen – im Gegensatz zum Bipunctum, das einer Halben entspricht; ein Punctum steht bei mehrsilbigen Worten immer ab der zweiten Silbe.

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„Luther und Schütz “, Ein feste Burg ist unser Gott zu „Luther und Bach “, Vom Himmel hoch, da komm ich her zu „Luther und Mendelssohn “ und abschließend Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort. Klaper, Michael (Hg.): Luther im Kontext. Reformbestrebungen und Musik in der ersten Hälfte des 16.  Jahrhunderts. Unter Mitarbeit von Monika Ramsenthaler (Studien und Materialien zur Musikwissenschaft 95). Georg Olms: Hildesheim 2016, 215 S., Abb., Noten. Im vorliegenden Band sind die meisten Beiträge zum gleichnamigen Symposion, das 2012 in Weimar stattfand, vereint. Der genuine Zusammenhang von Reformation und hymnologischen Neuerungen wird darin kritisch beleuchtet, indem weniger die Wirkung als die zeitgenössischen Bedingungen in den Blick genommen werden. Folgende Artikel sind enthalten: Zur Einführung (Michael Klaper, 7–13) – Why Luther Changed His Mind about Music. Martin Luther’s Theology of Music in Light of His Liturgical Reforms (Carl Bear, 15–38) – Towards a Context for Luther’s Musical Thought. The Theological Value of Musica in Sixteenth-Century German Anti-Lutheran Polemic (Patrick Gilday, 39–70) – ‚So sie in das gesang gefasset ist‘. Melanchthons Anteil an der ‚lutherischen‘ Musikauffassung (Inga Mai Groote, 71–95) – Reformation und Tanz (Marie-Thérèse Mouray, 97–115) – Das katholische Kirchenlied des 16.  Jahrhunderts im Kontext des Wandels liturgischer Ordnungen (Franz Karl Praßl, 117–138) – Protestant Sacred Music Culture in SixteenthCentury Breslau. A Case Study of Music and Confessional Identity (Allen Scott, 139–157)  – Das Konzil von Trient als Reformkonzil unter besonderer Berücksichtigung der Kirchenmusik (Peter Walter, 159–174) – Luther’s Gospel of Music (Rob C. Wegman, 175–199) – Luther, die Schulmusik und die Adjuvantenkultur (Dorlies Zielsdorf, 201–209). Leube, Bernhard: Die Gegner niedersingen? Juden, Türken und der Papst in Luthers Liedern. In: WBK 84 (2017), H. 2, 4–13. Kohnle, Armin / Dingel, Irene (Hg.): Johannes Mathesius (1504–1565). Rezeption und Verbreitung der Wittenberger Reformation durch Predigt und Exegese (LeucoreaStudien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie 30). Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig 2017, 380 S. Der Band vereint die Ergebnisse zweier Tagungen (2004 und 2014 in der Leucorea zu Wittenberg) über Johann Mathesius, gegliedert in die Abschnitte „Biographie und Forschung“, „Mathesius und die Wittenberger“, „Pfarrer und Prediger in Joachimsthal“, „Exeget und Seelsorger“, „Kunst und Musik“. Der Beitrag von Andrea Hofmann, „Musik als Medium der Verkündigung. Die geistlichen Lieder des Johannes Mathesius “ (S. 351–367), widmet sich neben einer Bestandsaufnahme und ausführlichen Einordnung den Liedern Abram glaubt dem verheysnen Christ („Ein christlich Lied von der Rechtfertigung. Gen. 15“), Got Vater, Son, heiliger Geist / durchs sprechen („Ein Geistliches Bercklied“) und Nu schlaf mein liebes Kindelein („Ein Wiegenlied für gotselige Kindermeidlein und andere Christliche personen, so der lieben Kindlein warten […]). Ackermann, Andrea: Das erste Gesangbuch von Joseph Mohr S. J. Eine Feldkircher Entdeckung. In: SiK 63 (2016), 173–178. Angesichts des 500. Reformationsjubiläums und der Flut an Literatur, die sich auch aus hymnologischer Sicht damit beschäftigt, ist es gut, dass daneben außer einem Aufsatz ein im wahrsten Sinne des Wortes dicker Stapel an Publikationen zu Johann Rist erschienen ist, der hier 350 Jahre nach seinem Tod angezeigt werden kann, nämlich

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eine Aufsatzsammlung und vier Ausgaben. Letztere sind alle vom Team Steiger / Huck /  Hernández Castelló herausgebracht (s. u.), drei davon äußerlich gleich in einer Reihe. Alle folgen den gleichen Prinzipien wie die im JLH 53 (2014) 259–260 ausführlich vorgestellten Editionen der (Neuen) Himmlischen Lieder von Johann Anselm Steiger und Konrad Küster. Damit liegen weitere der 701 geistlichen Lieder Rists (vgl. das Verzeichnis der Lieder Rists von Steiger im JLH 52 [2013], 171–204) in einer wissenschaftlichen Edition von Text, Melodie und Continuostimme vor. Auch alle anderen Texte, Vorreden, Ehrengedichte, Register usw. sind ediert. Mit Nachdruck sei auf die jeweiligen Einführungen in Text und Notenedition von Steiger und Oliver Huck verwiesen, die sich jeweils in einem Anhang der Ausgaben befinden und sehr aufschlussreich sind. Unter anderem zitiert Huck in der Ausgabe des Seelenparadieses Alten Testaments (s. u.) den Vorschlag des Komponisten Christian Flor, wie man aus seinen Melodien solche im „Kirchen=Styl“ machen könne, nämlich indem man sie in „ChoralNoten“ umwandle (S. 704–708) und führt dies auch an einem Beispiel durch. Steiger, Johann Anselm / Jahn, Bernhard (Hg. in Verbindung mit Axel E. Walter): Johann Rist (1607–1667). Profil und Netzwerke eines Pastors, Dichters und Gelehrten (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 195). de Gruyter: Berlin 2015, 709 S., Abb., Noten. Der vorliegende Band dokumentiert den Ertrag einer internationalen und interdisziplinären Tagung, die 2013 in Hamburg mit dem Ziel stattfand, auch bisher unterbewertete oder unbekannte Aspekte in Rists Werk zu beleuchten. Denn seinen Zeitgenossen war Rist nicht nur als Dichter, sondern zudem als universaler Gelehrter, Naturkundler und Kommunikator bekannt. Schon die einzelnen Sektionen der Tagung und des Buches machen dies deutlich: Rist und die Poetik, Rists Theater, Rist im theologischen Kontext, Rist und die Musik, Rists (publizistische)  Netzwerke, Rist und die politischen Diskurse, Rist und die Naturkunde. An diesem Buch kommt die Ristforschung also nicht mehr vorbei. Der Hymnologie seien folgende Aufsätze ans Herz gelegt: Die Rezeption der Lieder Rists im Schauspiel des 17. Jahrhunderts (Irmgard Scheitler, 281–298) – Sterbens-Kunst. Eine Anleitung aus den Himmlischen Liedern des Johann Rist (Sven Grosse, 301–320)  – Lyrische Katechismus-­Predigt, Städtelob und Lob der Buchdruckerei. Zu Johann Rists Katechismus-Andachten (1656) (Johann Anselm Steiger, 321–344)  – „Die Worte sind doch gahr zu klahr“. Das Abendmahl als Thema interkonfessioneller Auseinandersetzungen in der geistlichen Lyrik am Beispiel eines Abendmahlsliedes Johann Rists (Sabrina Heintzsch, 345–364)  – Buße und Gesellschaftskritik in Zeiten der Pest, der Inflation und der Türkenbedrohung. Zur literarisch-theologischen Konzeption von Johann Rists Passions-Andachten (1664) (Johann Anselm Steiger, 365–378)  – Anmerkungen zu den Titelkupferstichen der Passionsandachten Johann Rists (Franziska May, 379–395) – Rist und die Mystik (Claudia Benthien, 397–418) – Kein Geistliches Lied: Die Konzepte Rists und seiner Komponisten (Konrad Küster, 421–437); auf fünf Lieder geht Küster dabei näher ein: Wie tröstlich hat dein treuer Mund (Sigmund Theophil Staden, 427–428), Wir haben eine feste Stadt (Johann Schop, 428), Auf, meine Seel und lobe Gott (429–430), Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (430), Jesu, der du meine Seele (431)  – „nach der Melodie meines aus den himlischen wolbekanten Liedes“. Rists Melodieverweise auf seine eigenen geistlichen Lieder (Oliver Huck, 439–457) – Klingende Gottseligkeit. Die geistlichen Lieder von Johann Rist und Thomas Selle – zwischen Athanasius Kircher und Martin Luther (Ivana Rentsch, 459–479) – Himmlische Lieder in Hamburg, Lübeck und Lüneburg. Zur Rezeption von Johann Rist in Gesangbüchern norddeutscher Hansestädte (Ada Kadelbach, 481–512).

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Rist, Johann / Coler, Martin: Neue Hochheilige Passions-Andachten (1664). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Oliver Huck und Esteban Hernández Castelló. de Gruyter: Berlin 2015, 571 S., Abb., Noten. Die Passionsandachten (DKL 166407) gliedern sich in 3 „Heilige und Gottselige Vorbereitungs-Andachten“ (über Jes 53), 12 Andachten, die sich auf die „Hinführung“ Jesu zu seinem Leiden beziehen, 21 Andachten über die sieben letzten Worte Jesu, 7 Andachten über die Glieder Jesu und 4 Schlussandachten. Mit herausgegeben sind die 5 Kompositionen Hinrich Papes zu den Teilausgaben DKL 1648 07 und DKL 165509 samt Vorreden und Ehrengedichten sowie 10 Kompositionen Martin Colers aus Brandanus Langejanus’ „Opfer die Gott gefallen“. Rist, Johann / Flor, Christian: Neues Musikalisches Seelenparadies Alten Testaments (1660). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Oliver Huck und Esteban Hernández Castelló (Neudrucke deutscher Literaturwerke. Neue Folge 87). de Gruyter: Berlin 2016, 765 S., Abb., Noten. Der Band nach DKL 1660 07 enthält 82 so genannte „Musikalische HertzensAndachten“ über jeweils voran gestellte Worte des AT. Rist, Johann / Flor, Christian: Neues Musikalisches Seelenparadies Neuen Testaments (1662). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Oliver Huck und Esteban Hernández Castelló (Neudrucke deutscher Literaturwerke. Neue Folge 89). de Gruyter: Berlin 2017, 720 S., Abb., Noten. Der Band nach DKL 166208 enthält ebenfalls 82 „Musikalische HertzensAndachten“ über jeweils voran gestellte Worte des NT. Rist, Johann / Hammerschmidt, Andreas / Jacobi, Michael: Katechismus-Andachten (1656). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger. Kritische Edition des Notentextes von Oliver Huck und Esteban Hernández Castelló (Neudrucke deutscher Literaturwerke. Neue Folge 88). de Gruyter: Berlin 2016, 612 S., Abb., Noten. Der Band nach DKL 165607 enthält 38 Lieder über einzelne oder mehrere zusammengefasste Stücke des Katechismus und 12 Lieder über die Christliche Haustafel. Außerdem sind zwei Motetten von Andreas Hammerschmidt ediert, nämlich Jesu du mein liebstes Leben und Frisch auf und lasst uns singen (beide für 5 je Sing- und Instrumentalstimmen aus dem 3. Teil der Fest-, Buß- und Danklieder von 1658/59). Huck, Oliver: Melodieverweise bei Johann Rist. Korpus und Kommentierung. In: Richts, Kristina / Stadler, Peter (Hg.): „Ei, dem alten Herrn zoll’ ich Achtung gern’“. Festschrift Joachim Veit zum 60. Geburtstag. München 2016, 397–421. Näf-Mathys, Christof: „Wert, dass Er unvergesslich sey“: Johannes Schmidlin (1722– 1772). Schweizerische Musik der Aufklärungszeit. In: MGD 70 (2016), 8–18. Betr. den Hg. der Sammlung „Singendes und spielendes Vergnügen reiner Andacht“, Zürich 1752. Sprondel, Friedrich: Ein reiches Leben. Eine persönliche Erinnerung an Martin Gotthard Schneider. In: MuK 87 (2017), 106–107. Schulz, Otmar: Fremd in vertrauter Sprache. Autobiografische Anmerkungen zu einem verbreiteten Dilemma. In: Deutsches Pfarrerblatt Juli 2014, 408–410 (zugänglich auch unter: www.pfarrerverband.de). Brusniak, Friedhelm: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort. Zur Biographie Johann Walters und zu seiner „Bekenntnismusik“ von 1566. In: MuK 86 (2016), 360–366.

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Heidrich, Jürgen: Der Beitrag der Musik zur Bildung reformatorischer Identitäten: Das Beispiel Johann Walter. In: Dingel, Irene / Lotz-Heumann, Ute (Hg.): Entfaltung und zeitgenössische Wirkung der Reformation im europäischen Kontext. Dissemination and Contemporary Impact of the Reformation in a European Context (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 216). Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2015, 124–134.

C. Untersuchung und Auslegung einzelner Lieder C.1 Kommentarwerke Alpermann, Ilsabe / Evang, Martin (Hg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Ausgabe in Einzelheften. H. 22. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2016, 96 S. Enthält Kommentare zu folgenden Liedern: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott (Gudrun Mawick, 3–6)  – Gott, der du alles Leben schufst (Andreas Marti, 7–10)  – Herr Jesu Christ, du höchstes Gut (Bernhard Schmidt, Helmut Lauterwasser, ­11–16) – Du hast zu deinem Abendmahl (Wolfgang Herbst, 17–20)  – Ach Gott und Herr (Elke Axmacher, Helmut Lauterwasser, 21–26) – Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (Christa Reich, 27–33) – Wie herrlich gibst du, Herr, dich zu erkennen (Hans-Jürg Stefan, 34–41) – Großer Gott, wir loben dich (Ansgar Franz, Andreas Marti, 4­ 2–53) – Alte mit den Jungen (Thomas Schmidt, 54–56) – In dem Herren freuet euch (Siegfried Meier, 57–62) – Wer nur den lieben Gott lässt walten (Christine Jahn, 6­ 3–70) – Zieh an die Macht, du Arm des Herrn (Andrea Ackermann, 71–75) – Meinen ­Jesus lass ich nicht (Konrad Klek, 76–80)  – Lobt Gott in allen Landen (Joachim Stalmann, 81–83) – Wie lieblich ist der Maien (Joachim Stalmann, 84–86) – Mach’s mit mir Gott, nach deiner Güt (Lukas Lorbeer, 87–91) – Gloria sei dir gesungen (Konrad Klek, ­92–94). Alpermann, Ilsabe / Evang, Martin (Hg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Ausgabe in Einzelheften. H. 23. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017, 95 S. Enthält Kommentare zu folgenden Liedern: Wir wollen fröhlich singen (Bernhard Schmidt, 3–7) – Schmücke dich, o liebe Seele (Konrad Klek, 8–13) – Das Wort geht von dem Vater aus (Dorothee Bauer, 14–18) – Jesu, der du bist alleine (Martin Evang, 19–23) – In dich hab ich gehoffet, Herr (Joachim Stalmann, 24–27) – Es wolle Gott uns gnädig sein (Katharina Wiefel-Jenner, Andreas Marti, 28–36)  – Nun lob, mein Seel, den Herren (Bernhard Leube, 37–43) – Befiehl du deine Wege (Elke Axmacher, Andreas Marti, 44–56) – Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht (Bernhard Leube, Helmut Lauterwasser, 57–63) – Mache dich, mein Geist, bereit (Anne Smets, Andreas Marti, 64–69) – Schönster Herr Jesu (Ansgar Franz, Andreas Marti, 70–79) – Gott liebt diese Welt (Ilsabe Alpermann, Achim Giering, Andreas Marti, 80–83) – Es wird sein in den letzten Tagen (Ilsabe Alpermann, Manfred Schlenker, 84–87) – Valet will ich dir geben (Lukas Lorbeer, Andreas Marti, 88–95). Hug, Wolfgang: Von der Poesie des Glaubens. Ökumenische Liederkunde. Herder: Freiburg 2016, 399 S. Angesichts der ökumenischen Bedeutung von geistlichen Liedern für Glaubensverkündigung und -praxis ist es erklärtes Ziel des Autors, ein wechselseitiges Verständnis für die Lieder auch der jeweils anderen Konfession (gemeint sind die römisch-katholische und evangelisch [meist: -lutherische]) zu fördern. Die Auswahl der 132 Lieder ist daher nicht auf die von der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches

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Liedgut im deutschen Sprachraum (AÖL) 1973 herausgegebenen „Gemeinsame[n] Kirchenlieder“ oder die mit ö gekennzeichneten Lieder in EG und GL beschränkt, sondern bezieht ausdrücklich Eigengut wie Marienlieder oder Ein feste Burg ist unser Gott mit ein. Literarische Qualität, theologischer Gehalt und Beliebtheit waren Hugs Auswahlkriterien – und, so stellt man beim Lesen der Texte fest, seine eigene Begeisterung. Die meisten Lieder sind im GL2 oder / und EG enthalten, gelegentlich werden aber weitere Lieder aufgenommen, z. B. wenn Sebald Heydens O Mensch, bewein dein Sünde groß Paul Gerhardts Nachdichtung O Mensch, beweine deine Sünd gegenüber gestellt wird. Die Kommentare haben manchmal nur Hinweischarakter, wenn z. B. EG 514 (Gottes Geschöpfe, kommt zuhauf!) und EG 503 (Geh aus, mein Herz) auf zwei Seiten besprochen werden, auf denen eine für den Abdruck von zusammen acht Strophen gebraucht wird. Hug, bis 1995 Professor für Geschichte und ihre Didaktik in Freiburg, hat sich ganz überwiegend den Texten gewidmet und meist die Melodien außen vor gelassen. Die Kommentare sind durchaus inspirierend, vor allem, wenn man einen ersten Eindruck von einem Lied gewinnen möchte. Interessant ist die Gruppierung der Lieder in zehn Kapitel wie in einem Gesangbuch: I. Gotteslob in Psalmen und Hymnen, II. Lieder vom Weihnachts­w under, III. Schuld- und Mitgefühl in Liedern zur Passion, IV. Jubellieder zur Osterzeit, V. Lobgesänge auf den Heiligen Geist, VI. Gemeindelieder zur Feier von Eucharistie und Abendmahl, VII. Marienlob im Kirchenlied, VIII. Morgen- und Abendlieder, IX. Lieder zur christlichen Lebens- und Sterbekunst, X. Gottvertrauen, Trost und Dank gesungen.

C.2 Einzeluntersuchungen (nach Liedanfängen alphab. geordnet) Meßner, Herbert: Betrachtungen zu drei neuen Liedern und Gesängen aus dem Gotteslob. In: SiK 63 (2016), 100–102. Betrifft: Der Herr wird dich segnen (GL[2] 452), Befiehl du deine Wege (GL [2] 418) und Aus der Tiefe rufe ich zu dir (GL[2] 283). Meßner, Herbert: Betrachtungen zu drei neuen Liedern und Gesängen aus dem Gotteslob. In: SiK 63 (2016), 22–24. Betrifft: Du, Herr, hast sie für dich erwählt (GL[2] 547), Mein Hirt ist Gott, der Herr (GL[2] 421) und Gott loben in der Stille (GL[2] 399). Teichmann, Wolfgang: Ein neues Lied. Mothering God / Gott, unsre Mutter (Text: Jean Janzen, Melodie: John S. Bell). In: MuK 86 (2016), 175. Stefan, Hans-Jürg: Gottes Ruhetag, unser Ruhetag, Auferstehungs- und Freudentag. Liedbetrachtung zu EG 631 [Regionalteil Niedersachsen / Bremen] von Kurt Rose. In: Für den Gottesdienst 85 (2017), 31–35. Hobi, Martin: Mehr als Worte sagt ein Lied. Auf Platz zwei. In: MuL 141 (2016), H. 4, 4. Betrifft: Heilig, heilig, heilig bist du, Gott und Herr. Walter, Meinrad: Ein neues Lied. Hier stehe ich, ich kann nicht anders (Text: Ute Passarge, Melodie: Jochen Arnold). In: MuK 86 (2016), 396–397. Arnold, Jochen: Ein neues Lied. Ich bin auf der Flucht (Text: Eugen Eckert, Melodie: Ralf Grössler). In: MuK 86 (2016), 306–307. Marti, Andreas: Die Kurzformen der Kernliederliste. In: MGD 70 (2016), 140–144. Betr. Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen, Laudate omnes gentes, Ubi caritas et amor von der Kernliederliste zum Reformierten Gesangbuch. Wissemann, Antje: Ein neues Lied. Ich steh dazu. (Text: Cornelia Georg, Michael Kremzow, Melodie: Michael Kremzow). In: MuK 87 (2017), 42.

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van Lengerich, Martina: Ein neues Lied. In jeder Nacht, die mich bedroht Trostlied am Abend (Text: Jochen Klepper, Melodie: Barbara Kolberg). In: MuK 86 (2016), 43. van Lengerich, Martina: Ein neues Lied. Menschen gehen zu Gott in ihrer Not (Text: Dietrich Bonhoeffer; Melodie: Jochen Arnold). In: MuK 87 (2017), 182. Meßner, Herbert: Nun danket all und bringet Ehr (Gotteslob [GL2] 403). In: SiK 63 (2016), 257–258. Dingel, Irene / Jürgens, Henning P. (Hg.): Meilensteine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Martin Luthers, Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2014, 296 S. + 34 ganzseitige Abb. Dass das aufstrebende Liedschaffen neben Texten wie Luthers Psalmen- und Römerbrief-Vorlesung, den 95 Thesen und der Freiheitsschrift (Von der Freiheit eines Christenmenschen) zu den Schlüsseldokumenten der Reformation gehört, wird im vorliegenden Sammelband in zwei Beiträgen exemplarisch am Lied Nun freut euch, lieben Christen g’mein ausgeführt: Heidrich, Jürgen: Luthers Lied Nun freut euch, lieben Christen g’mein (1523/24) – Historische und musikwissenschaftliche Aspekte. In: Ebd. 200–206. Nehlsen, Eberhard: Nun freut euch, lieben Christen g’mein (1523/24) – Zum LiedEinblattdruck. In: Ebd. 207–216. Zum Schluss veröffentlicht Nehlsen eine aufschlussreiche Liste mit 24 Texten, die in notenlosen Liedflugschriften bis 1650 mit der Tonangabe des vorliegenden Liedes versehen sind (wobei nicht klar heraus gestellt wird, dass damit verschiedene Melodien gemeint sein können). Sie zeigt erstaunlicherweise wenig Überschneidungen mit den 84 bis 1570 auftretenden Texten aus Quellen mit Noten, deren Überschriften eindeutig auf die von Nehlsen gemeinte erstmals auf einem Flugblatt veröffentlichte Melodie verweisen (Das deutsche Kirchenlied. Abteilung III, Band 1, Register, Kassel usw. 1999, S. 53–55). O du fröhliche älter als bislang angenommen? In: MS(D) 136 (2016), 4 f. Neureiter, Michael: Stille Nacht! Heilige Nacht! 2016: vor 200 Jahren in Mariapfarr gedichtet. 2018: vor 200 Jahren in Arnsdorf komponiert und in Oberndorf erstmals erklungen. In: SiK 63 (2016), 243–246. Hobi, Martin: Mehr als Worte sagt ein Lied. Rorate, Tauet! In: MuL 141 (2016), H. 6, 6. Betrifft: Tauet, Himmel, den Gerechten. Röhring, Klaus: „Vom Himmel hoch“. Martin Luthers Weihnachtslied. Musikalische und theologische Deutung. In: MuK 86 (2016), 354–359. Bubmann, Peter: Ein neues Lied. Vom Hörensagen hatt ich dich vernommen (Text: Angelika Nemec; Melodie: Jan Wilke). In: MuK 86 (2016), 109. Walter, Meinrad: Ein neues Lied. Von Angesicht zu Angesicht (Kanon; Text: Sybille Fritsch-Oppermann; Melodie: Andreas Lettau). In: MuK 87 (2017), 110. Brüske, Gunda: Mehr als Worte sagt ein Lied. Highway, Pfad oder Weg der Gnade? In: MuL 141 (2016), H. 5, 4–5. Betrifft: Wechselnde Pfade, Schatten und Licht. Kaiser, Jochen: Die Macht der Melodie – oder: Die Beziehung zwischen Text und Melodie musikwissenschaftlich und empirisch untersucht, Mainz 2016 [Schott Campus, urn:nbn:de:101:1–2016070810182]. Betr.: Wie soll ich dich empfangen (Paul Gerhardt). Meßner, Herbert: Betrachtungen zu zwei neuen Liedern und Gesängen aus dem Gotteslob. In: SiK 63 (2016), 182–183. Betrifft: Wir ziehen vor die Tore der Stadt (GL[2] 225) und Gottes Stern, leuchte uns (GL[2] 259).

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D. Gesangbücher und Liedersammlungen (Ausgaben und Kommentare; Personenbezogene Ausgaben und Kommentare s. II.B) Auel, Hans-Helmar / Giesecke, Bernhard: Bibel und Evangelisches Gesangbuch. Eine Konkordanz. Mit einem elektronischen Additum zur individuellen Optimierung. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2017. Ein nüchternes Zahlenwerk springt dem Nutzer, der das Buch aufschlägt ins Auge, aber das hat es in sich: Angefangen bei Gen 1,1 bis hin zu Off 22,21 sind einzelnen Bibelversen und -versgruppen Lied- und Strophennummern des EG zugeordnet. Geschichten, theologische Aussagen, religiöse Bilder, Symbole und Worte der Bibel, so schreiben die Verfasser im Vorwort, haben Eingang in die Lieder gefunden. Entsprechend breit sind die Verweise angelegt. So findet man beispielsweise bei Gen 1,26 die Strophen EG 432,1 und 515,6; zu Gen 1,26–2,3 sind EG 183, 191, 270,4, 288, 325, 326, 401 und 503 aufgeführt. Den umgekehrten Weg, also die Suche nach den biblischen Quellen der EG-Lieder, kann man elektronisch in 37.165 Datensätzen gehen, wenn man sich eine Exeldatei auf den Rechner geladen hat, für die am Ende des Buches ein Code veröffentlicht ist. Ruft man – um im Beispiel zu bleiben – die Bibelstellen zu EG 503 auf, findet man 89 Verweise. Hier kann man auch nach Stichworten suchen, die im Liedtitel (nicht in den Strophen!) vorkommen. Das Blättern in Bibel und Gesangbuch bleibt dem Nutzer aber nicht erspart, links zu den entsprechenden Stellen gibt es nicht. Wer gründlich und systematisch über die Ausstrahlung von Bibelworten in unser Liedgut und umgekehrt über die biblischen Wurzeln der Lieder im EG arbeiten möchte, ist gut beraten, Auel / Giesecke zu Rate zu ziehen. Die Fülle des Materials und das Fehlen von Stichworten macht es aber mühsam, sich bei der Vorbereitung einer (Lied-)Andacht oder Predigt einfach inspirieren zu lassen. Die Konkordanz zum Evangelischen Gesangbuch (Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch 1, 2 1997) ersetzt die Neuerscheinung nicht. Brauchen wir ein neues evangelisches Gesangbuch? In: MuK 86 (2016). III Zu vielfältigen emotionalen Klängen „verführen“ (Jochen Kaiser, 40–41)  – IV Eindrücke und Impulse nach zwei Jahren „Gotteslob“ (Meinrad Walter, 176–177) – V Wolkige Aussichten (Hartmut Naumann, 308–309). Brauchen wir ein neues Evangelisches Gesangbuch? Ergebnisse einer empirischen Studie. In: Liturgie und Kultur 7 (2016), H. 2. Themenheft mit folgenden Beiträgen: Das Evangelische Gesangbuch. Nutzungsgewohnheiten und Einschätzungen. Ergebnisse einer empirischen Studie zum Evangelischen Gesangbuch (Yvonne Jaeckel / Gert Pickel, 6–32) – Ein Kommentar zur empirischen Studie zum Evangelischen Gesangbuch aus praktisch-theologischer Sicht (Julia Koll, 33–36) – Neue Lieder in altem Gewand. Eine kirchenmusikalische Bilanz zur EG-Rezeptionsstudie (Stephan A. Reinke, 37–47)  – Das Gesangbuch und der Gottesdienst der Zukunft (Ilsabe Alpermann, 48–52) – Ist die Zeit reif? Brauchen wir ein neues Evangelisches Gesangbuch? (Stephan Goldschmidt, 53–63). freiTÖNE. Liederbuch zum Reformationssommer 2017. Bärenreiter: Kassel / 36. Evangelischer Kirchentag Berlin / Evangelische Kirche in Deutschland 2017. Wie üblich ist das „Kirchentagsliederbuch“ eine Mischung von alten beliebten und extra neu entstandenen Liedern verschiedener Frömmigkeitsprofile. Immer für (Neu-) Entdeckungen gut. Gelegentlich sind Lieder um „Variationen / Alternativen in gerechter Sprache“ erweitert. Ob diese sich als zu singende Texte durchsetzen werden, darf bezweifelt werden – und ob das überhaupt erstrebenswert ist ebenso – doch um zu zeigen, was in den meist alten Text mitgedacht werden kann, haben diese Ergän-

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Literaturbericht Hymnologie. Daniela Wissemann-Garbe

zungen auch ihren Wert. Mit drei Gebetsformen  – „kirchentagsklassisch, traditionell und kurz“ – führen die freiTÖNE die alte Tradition eines „Gesang- und Gebetbuches“ fort. Sie könnten etwas vom Geist des Kirchentages in die Gemeinden holen, wenn sie – wie ursprünglich angestrebt – in den Gemeinden weiter genutzt werden. Dazu: Kaiser, Jochen: Glaubenslieder in glaubensschwachen Zeiten. Zum Liederwettbewerb der EKD. In: MuK 86 (2016), 368–373. Betrifft die 13 Lieder, die in freiTÖNE aufgenommen wurden: Ein neuer Tag bricht an (Text: Clemens Bittlinger), All Morgen ist ganz frisch und neu (Melodie: Thomas Pehlken) Mit allen meinen Fragen (Text: Susanne Brandt), Dein Wort (Text: Christa Atten, Melodie: Horst Hinze), Was Gnade kann (Text und Melodie: Tobi Wörner), Nun freut euch, lieben Christen (Melodie: Michael Penkuhn-Wasserthal), Gott hat eine Spur gelegt (Text: Helle Trede, Melodie: Thomas Nickisch), Ich glaube, also bin ich (Text und Melodie: Thomas Mittring), In Christus (Text: Ilona Schmitz-Jeromin, Melodie: Martin Peter), Leben aus Glauben (Text und Melodie: Wolfgang Simon), Ich steh dazu (Text: Cornelia Georg / Michael Kremzow, Melodie: Michael Kremzow), Meine Kirche (Text: Eugen Eckert, Melodie: Bernhard Kießig), When You Will (Text: Holger Lissner, Melodie: Christian Praestholm). Arnold, Jochen: Singend ins Jubiläumsjahr. Das Liederbuch „freiTöne“ zieht eine Zwischensumme christlichen Singens, weit über die evangelische Kirche hinaus. In: MuK 86 (2016), 374–375. Gerhards, Albert: Das neue „Gotteslob“ (2013) und die Hebräische Bibel. Ein kritischer Durchblick. In: Petschnigg, Edith / Fischer, Irmtraud (Hg.): Der „jüdisch-christliche“ Dialog veränderte die Theologie, Wien 2016, 164–172 (online verfügbar unter „unipub.uni-graz.at“). Poetzsch, Ute: Ein „Ehrenstein“ und „ehrwürdiges Denkmal“ aus dem Jahr 1896. Das Faksimile des Magdeburger Gesangbuchs von 1596. In: Köster, Gabriele / Poenicke, Cornelia / Volkmar, Christoph (Hg.): Magdeburg und die Reformation. Teil 2. Von der Hochburg des Luthertums zum Erinnerungsort (Magdeburger Schriften 8). mitteldeutscher verlag: Magdeburg 2017, 392–407. Betr. DKL 159607, das im Verlag von Friedrich Alexander Faber erschienene Faksimile und Magdeburger Gesangbuchgeschichte, insbesondere auch zum Gesangbuchstreit im 19. Jahrhundert. Evers, Ute / Janota, Johannes (Hg.): Die Melodien der lateinischen Osterfeiern. Bd.  1, 1: Editionen Tropus-Feiern und Visitatio-Typ I, Einleitung. Bd. 1, 2: Editionen Visitatio-Typ II und Visitatio-Typ III. de Gruyter: Berlin 2013, 1147 S. – Bd. 2, 1: Kommentare Tropus-Feiern und Visitatio-Typ I. Bd. 2, 2: Kommentare Visitatio-Typ II und Visitatio-Typ III, Verzeichnisse. de Gruyter: Berlin 2013, 1168 S. Das monumentale Werk ist Resultat eines über fünf Jahre hinweg von der DFG geförderten Forschungsprojekts (Universität Augsburg). Entstanden ist die erste umfassende, systematisch geordnete und kommentierte Edition zu den Melodien aller in der Forschung bislang bekannten Osterfeiern vom 10. bis zum 19. Jahrhundert. Dabei stellten die Notationsformen vor allem der Frühzeit (adiastematische und diastematische Neumen) eine besondere Herausforderung dar. – Das Editionsdesiderat lag jedem auf diesem Gebiet tätigen Forscher deutlich zutage. Die Arbeit mit Ernst August Schulers Dissertation von 1940 war mehr als mühsam.10 Grundlage der vor 10 Schuler, Ernst August: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des Mittelalters. Kassel u. a. 1951. Basierend auf: Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des

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liegenden Edition und ihrer Systematik ist Walther Lipphardts neunbändige Textsammlung,11 ergänzt um 25 weitere Spiele. Glücklicherweise boten Lipphardts private Notensammlungen, die Evers und Janota zur Verfügung gestellt bekamen, ein tragfähiges Fundament, auf dem sich aufbauen ließ. Das vorgelegte Korpus von 378 Nummern ist in vier Gruppen geordnet (siehe Titel der Bände). Innerhalb dieser Gruppen erfolgt die Anordnung geografisch (deutschsprachige Länder, Westeuropa, britische Inseln, Skandinavien, Böhmen und Mähren, Italien). Das regionale Ordnungsmuster aus Lipphardt zu übernehmen, hat sich im Grunde bewährt. Es hat aber auch seine Tücken, denn auf engstem Raum, z. B. im Salzburger Dom und in Salzburg Nonnberg, können verschiedene Typen verwendet werden. Leider gibt es kein Register der Aufführungsorte. Daher muss man etwa in Klosterneuburg gesungene Spiele in den Abteilungen von Typ I, Typ II und in der Abteilung der neu aufgefundenen Feiern suchen. – Spiele eines Ordnungstyps haben – ungeachtet möglicher Varianten – die gleiche Form des Dialogs und gleiche Melodien, stehen oft im gleichen Modus und durchschreiten den gleichen Tonraum. Tropus und Typ I-Feiern gehören zwar in dieser Hinsicht zusammen, unterscheiden sich aber durch ihren Zusammenhang mit Messe oder Stundengebet. Die Grenzen zur liturgischen Feier sind nicht immer klar markiert. Den Schluss bildet in der Regel das Te Deum. – Tropus und Typ I-Feiern vertonen das Gespräch der Frauen mit dem Engel am Grab. Dieser Typus ist vornehmlich in Benediktinerklöstern verbreitet. Typ II-Feiern erweitern den Text und ergänzen ihn um den Wettlauf der Jünger. Dieser Typus wurde im Erzbistum Salzburg und bei seinen Suffraganen bevorzugt. Typ III-Feiern hängen an den Dialog die Begegnung mit Maria Magdalena im Garten an.  – Jedes einzelne Spiel ist gründlich kommentiert, ferner bieten Überblicksdarstellungen Auskunft über Melodien und Textgestalt. Register erschließen die Quellen nach ihrer bibliographischen Herkunft, verzeichnen Gesänge, Tropen, Gebete und Lesungen. Musikwissenschaftler, Philologen und Liturgiker werden aus diesem Grundlagenwerk großen Nutzen ziehen. (Irmgard Scheitler)

Mittelalters die Gesänge in Noten übertragen. Diss. Basel 1940, nicht ediert Tl. II: Die Gesänge in Noten übertragen. 11 Lateinische Osterfeiern und Osterspiele herausgegeben von Walther Lipphardt (ab Teil 7 hg. von Hans-Gert Roloff). 9 Bände. Berlin u. a. 1975–1990. (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts / Reihe Drama).

Literaturbericht Hymnologie Französischsprachige Länder 2016 Édith Weber.

I. Liturgie und Musik Bonnet, Alain: Les Psaumes de la veillée pascale, In: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Association Nationale des Organistes Liturgiques, Ottrott, 8–9. Caillaux, Stéphane: Les harmoniques de la veillée pascale, in: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Ottrott, 5–7. Betrifft: Osterliturgie, Einführung und Partitur.

II. Hymnologie B. Lutherchoral Hoffmann, Anne: Un cantique en voyage au XVIe siècle: Le Pater, de la Bohème centrale à la Cité de Londres, in: Musique et chant de la Réforme 1/2016, Nr 16, 4–16. Betrifft Text, Melodie und Varianten (deutsch / französisch) des Vaterunser.

D. Gregorianik Föllmi, Beat / Viret, Jacques (Hg.): Le chant liturgique aujourd’hui et la tradition grégorienne, Paris 2016, 342 S. Betrifft gegenwärtigen liturgischen Gesang und gregorianische Tradition.

III. Kirchenmusik A. Zur Geschichte und Bibliographie der Kirchenmusik La Missa solemnis opus 123, in: Beethoven, sa vie, son œuvre, Nr 18, Association Beethoven France et Francophonie, premier semestre 2016, 136, S. 31–98. Betrifft: Sanctus-Benedictus. La Missa solemnis opus 123, in: Beethoven hier et aujourd’hui, Nr 19, ebda, second­ semestre 2016, 140, S. 109–127. Betrifft Agnus Dei.

Französischsprachige Länder 2016 Französischsprachige Länder 2016

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B. Zur Theorie der Kirchenmusik Pluyaut, Sylvain: Albert Sauvageot (1920–2012). Le maître de la modalité, in: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Association Nationale des Organistes Liturgiques, Ottrott, ­10–11.

C. Zur Aufführungspraxis der Kirchen- und Orgelmusik Canguilhem, Philippe: L’improvisation polyphonique à la Renaissance, Classiques Garnier, Paris 2016, 263 S. Leblond-Martin, Sylvie (dir.): Musiques orales, notations musicales et encodages numériques, Créatic, Paris 2016. Betrifft Kongressbericht 2016, Ergänzung des Symposiums 2015, u. a. Notation von Musik mündlicher Tradition aus: Maghreb, Mashriq, India, Korea, usw., und auch Orgelmusik, digitale Codierung. Pompidor, Henri: Pour une sociologie du chant choral: contribution à l’analyse sociale et culturelle des pratiques chorales, in: L’Éducation musicale, Newsletter Nr. 107, Octobre 2016, Répères pédagogiques, 12–19. Betrifft u. a.: Praxis von Lutherchorälen, Genfer Psalmen und Negro Spirituals und ihre soziologische Auswirkungen. Weber, Édith: L’enseignement musical au XVIe siècle, in: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Association Nationale des Organistes Liturgiques, Ottrott, 31–33. Weber, Édith: Antoine Sibertin-Blanc (1930–2012) et le Grand-Orgue de la Cathédrale de Lisbonne, in: Musique sacrée-l’Organiste, Fontenay, janvier 2016, Nr. 311, 2–4. Weber, Édith: Antoine Sibertin-Blanc: quelques souvenirs, in: Ad memoriam Antoine Sibertin-Blanc (1930–2012), Lisboa, Movimento Patrimonial pela Musica Portuguesa, 2016, 71–75. Betrifft A. Sibertin-Blanc, Organist, Improvisator und Komponist, Tätigkeit am Münster von Lisabon.

D. Leben und Werk der Meister (nach Komponistennamen alphab. geordnet) Charru, Philippe / Theobald, Christoph: Johann Sebastian Bach, interprète des Évangiles de la Passion, Vrin, Paris 2016, 412 S. Leroy, Marc: François Couperin à l’Orgue, in: Préludes Association Nationale des Organistes Liturgiques, Ottrott, Nr 96, 28–30. Cartayrade, Alain: Maurice Duruflé, un grand organiste-compositeur, in L’Éducation musicale, Beauchesne, Paris, Lettre d’information Nr 100, février 2016, 12–21. Weber, Édith: Une dynastie d’organistes-compositeurs. Trois générations de Gardonyi à découvrir, in: Musique sacrée-L’organiste, Nr 314, Fontenay octobre 2016, 2–5. Leroy, Marc: Nicolas de Grigny (1672–1703), in: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Association Nationale des Organistes Liturgiques, Ottrott, 27–33. Ad memoriam Antoine Sibertin-Blanc (1930–2012), Lisboa, Movimento Patrimonial pela Musica Portuguesa, 2016, 128 S. (+ 12 S. u. Photo). Étienne, Jean-Luc: Pour une approche de l’Orgue mystique de Charles Tournemire, in: Préludes Nr 93, Janvier 2016, Ottrott, 33–34.

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Literaturbericht Hymnologie. Édith Weber.

Weber, Édith: Christoph-Thomas Walliser (1568–1648). Musicien et pédagogue pluridisciplinaire avant la lettre, in: Le Théâtre protestante à Strasbourg Caspar Brülow (1585–1627), Études Germaniques, études réunies par P. Andersen et B. Lafond,­ Paris, Centre Universitaire Malesherbes, 2016, Nr. 4, 489–509. Betrifft: Einführung in Wallisers Werk und Wirken.

IV. Ästhetik Albert, Sophie et alia: Sens, Rhétorique et musique. Études réunies en hommage à­ Jacqueline Cerquiglini-Toulet, Honoré Champion, Paris 2016, 2 Bde, 1020 S. Mourey, Colette: Essai sur le son mental. De résonner… à raisonner! L’Harmattan: Paris 2016, 140 S. Betrifft u. a. Wahrnehmung des Klanges, „musikalische Intelligenz“, Wortspiel auf französich (résonner = erklingen; raisonner = überlegen, nachdenken). Münch, Marc-Mathieu, Définir l’émotion musicale, in: L’Éducation musicale, Paroles d’auteur, Newsletter, Nr 107 Oktober 2016, 6–11. Schloezer, Boris de / Scriabine, Marina: Problèmes de la musique moderne, rééd. présentée par Sève, Bernard, Presses Universitaires de Rennes: Rennes, 2016, 222.

Verzeichnis der zitierten Strophen und Lieder Abram glaubt dem verheißnen Christ  267 Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ  270 Ach Gott und Herr  270 Ach Jesu, meiner Seelen Freude  264 Ach! Stirbt dann so mein allerliebstes ­ Leben 171 Ach, wiederum ein Jahr verschwunden 262 Ak, būs tā aiziet manai dzīvībiņai  171 Ak, taisnais Jēziņ  167 f. Allein auf Gott setz dein Vertraun  169, 174 Allein Gott in der Höhe  184 Allein Gott in der Höh sei Ehr  253 Alte mit den Jungen  270 Ar smarkoņiem smarkoņi, ar bargiem bargi 166 Atjem Tavu dusmību  167 Auf, meine Seel und lobe Gott  268 Aus der Tiefe rufe ich zu dir  271 Befiehl du deine Wege  270 f. Bērniņ mīļais, Dieva stādīts  181 Bewahre uns, Gott, behüte uns  54, 270 Christen genießen verborgenes Brot  198 Christ ist erstanden  266 Christ lag in Todesbanden  218, 257 f. Christus, der uns selig macht  258 Da Jesus an dem Creutze stund  168 Das Jahr geht still zu Ende  262 Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausge­ macht 270 Das Wort geht von dem Vater aus  270 Der du die Zeit in Händen hast  262 Der Herr wird dich segnen  271 Der Spiegel der Dreifaltigkeit  179 f. Der Tag beginnet zu vergehen  176 Du großer Schmerzensmann  258 Du hast zu deinem Abendmahl  270 Du, Herr, hast sie für dich erwählt  271

Ein feste Burg ist unser Gott  242, 267, 271 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld  258 Ein neues Lied wir heben an  266 Eitelkeit! Eitelkeit! was wir hier sehen  198 En trinitatis speculum  179 Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort  267, 269 Er ruft der Sonn und schafft den Mond  262 Es pie Jēzus turēšos  181 Es wird sein in den letzten Tagen  270 Es wolle Gott uns gnädig sein  270 Frisch auf und lasst uns singen  269 Geh aus, mein Herz  271 Geh unter der Gnade  262 Gloria sei dir gesungen  270 Gott, der du alles Leben schufst  270 Gottes Geschöpfe, kommt zuhauf!  271 Gottes Ruhetag  271 Gottes Stern, leuchte uns  272 Gott liebt diese Welt  154, 270 Gott loben in der Stille  271 Gott, unsre Mutter  271 Gott Vater, Sohn, Heiliger Geist  267 Grēks ir tevi, cilvēks, kavēt  177 Großer Gott, wir loben dich  270 Hat der Himmel gleich viel Wege  264 Heilig, heilig, heilig bist du, Gott und Herr 271 Helft mir Gotts Güte preisen  165 Herr der Stunden, Herr der Tage  262 Herr Gott, dich loben wir  266 Herr, ich denk an jene Zeit  170 Herr Jesu Christ, du höchstes Gut  270 Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End  259

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Verzeichnis der zitierten Strophen und Lieder

Herzliebster Jesu, was hast du  167 f., 258 Hier stehe ich, ich kann nicht anders  271 Hilf, Herr Jesu, lass gelingen  261 Ich bin auf der Flucht  271 Ich grüße dich am Kreuzesstamm  258 Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen  271 Ich steh an deiner Krippen hier  177 Ich steh dazu  271, 274 Iekš tāda grūta kar’  171 In dem Herren freuet euch  270 In dich hab ich gehoffet, Herr  270 In jeder Nacht, die mich bedroht.  272 In unsrer Kriegesnot  171 Jesaia, dem Propheten, das geschah  266 Jesu, deine Passion  258 Jesu, der du bist alleine  270 Jesu, der du meine Seele  268 Jesu du mein liebstes Leben  269 Jesu meines Lebens Leben  217 Jesus ist der schönste Nam’  261 Keinen hat Gott verlassen  169 Klaus’ mana dvēsel’  168 Ko Dieviņš dar’, viss teicams ir  176 Kommt, seid gefasst zum Lammes-Mahl  264 Kungs, tas laiks man prātā stāv  170 Laudate omnes gentes  271 Lebt doch ein jeder Mensch im Streit  268 Lobt Gott in allen Landen  270 Mache dich, mein Geist, bereit  270 Mach’s mit mir Gott, nach deiner Güt  270 Meinen Jesus lass ich nicht  181, 270 Mein Hirt ist Gott, der Herr  271 Menschen gehen zu Gott in ihrer Not  272 Morgenglanz der Ewigkeit  264 Mothering God  271 Mums ir viens bērniņš dzimdenāts  179 Mums skaidri mācīts kļuvis / Tas svētais Dieva vārds  165 Ņem no mums tavas dusmas  167 No debesīm būs man atnest  173 f. Nu dusēs visas lietas  172

Nun danket alle Gott  168 Nun danket all und bringet Ehr  272 Nun freut euch, lieben Christen  274 Nun freut euch, lieben Christen g’mein  266, 272 Nun lasst uns gehn und treten  261 Nun lob, mein Seel, den Herren  270 Nun ruhen alle Wälder  172 Nun wölle Gott, dass unser G’sang  261 O du fröhliche  272 O du Liebe meiner Liebe  264 O Haupt voll Blut und Wunden  258 O Jesu Christ, du bist wahr Mensch und Gott 170 O Jezu Krist, Tu es paties cilvēks unde Devs 170 O krustiet ļaudis nākam  165 O Lamm Gottes, unschuldig  258 O Mensch, bewein dein Sünde groß  258, 271 O Mensch, beweine deine Sünd  271 O Traurigkeit, o Herzeleid  258 O Welt, sieh hier dein Leben  258 O wir armen Sünder  258 Pie taviem šūpļiem stāvu es  177 Rozmyślajmy dziś, wierni chrześcijanie /  Apdomājiet šodien, visi kristīti ļaudis  164 Schlumm’re liebe Kleine  181 Schmücke dich, o liebe Seele  270 Schönster Herr Jesu  270 Schönste Sonne, Himmels Zier  174 Sollt ich meinen Gott nicht singen  177 Spoža, skaista saulīte  174 Stille Nacht! Heilige Nacht!  272 Tā diena steigusies pagalam  176 Tauet, Himmel, den Gerechten  272 Te Deum laudamus  184 Twoia cʒesć chwala / O Kungs, pirmāk būs tai pasaulei pazust  164 Ubi caritas et amor  271 Valet will ich dir geben  169, 270

Verzeichnis der zitierten Strophen und Lieder Viena bērnu dziesma  180 Vom Himmel hoch da komm ich her  173 f., 251, 266 f., 272 Vom Hörensagen hatt ich dich vernommen 272 Von Angesicht zu Angesicht  114, 272 Von guten Mächten treu und still umgeben 262 Was Gott tut, das ist wohlgetan  176 Wechselnde Pfade, Schatten und Licht  272 Wend ab deinen Zorn, lieber Gott, aus Gnaden  166 f. Wer nur den lieben Gott lässt walten  270

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Wie herrlich gibst du, Herr, dich zu erkennen 270 Wie lieblich ist der Maien  270 Wie soll ich dich empfangen  272 Wie tröstlich hat dein treuer Mund  268 Wir danken dir, Herr Jesu Christ  258 Wir haben eine feste Stadt  268 Wir wollen fröhlich singen  270 Wir ziehen vor die Tore der Stadt  272 Zeuch meinen Geist, triff meine Sinnen  264 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn  270 Zima vetus expurgetur  258

Verzeichnis der Personennamen

Aberlin, Joachim  259 Ackermann, Andrea  267, 270 Adam von Sankt Viktor  258 Adolphi, Heinrich  161, 165, 185 Alber, Erasmus  160 Algermann, Franziskus  259 Alkier, Stefan  106, 119 Alpermann, Ilsabe  270, 273 Alvermann, Dirk  244 Anliker, Hans  38 Apīnis, Aleksejs  160 Arbusow, Leonid  159 Arndahl, Steffen  192 Arndt, Johann  264 Arnold, Bradley  116 Arnold, Gottfried  7, 186–188, 190–193, 195, 200 f., 204 f., 216, 221, 223, 231 Arnold, Jochen  71, 148 f., 271 f., 274 Arnold, Matthias  148 Arp, Hans  138, 193 Assel, Heinrich  244 Assmann, Jan  213 Atten, Christa  274 Auel, Hans-Helmar  273 Axmacher, Elke  270 Axtmann, Dominik  256 Aydin, Gabriel  257 Bach, Carl Philipp Emanuel  261 Bach, Johann Sebastian  242, 256, 264, 267, 277 Backhaus, Knut  125 Balch, David L.  110 Balders, Günter  263 Ball, Hugo  193 Baltruweit, Fritz  149 Barclay, John M. G.  92, 99 Bardet, André  31 Barth, Hans-Martin  131 f., 245 Bartsch, Martin  256 Bauer, Dorothee  183, 270 Baum, Armin D.  126 Bäumker, Wilhelm  179

Bayce-Tillman, June  260 Bayer, Oswald  142 Bear, Carl  267 Beck, Johannes U.  77 Becker, Cornelius  259 Becker, Eve-Marie  74, 116 Bedford-Strohm, Heinrich  132 Behm, Martin  160 Bell, John S.  271 Benini, Marco  132 f. Benthien, Claudia  268 Benz, Brigitte  140 Berger, Teresa  17–19 Bergsma, Joop  30 Berthier, Jacques  50, 52, 58 Bērziņš, Ludis  169 Besser, Beate  256 Betz, Hans Dieter  115 f. Bieler, Andrea  41 Bienemann, Bernhard Wilhelm  163, 169, 171 Bieritz, Karl-Heinrich  10, 13, 17, 134 Biezais, Haralds  172, 179 Bird, Michael F.  100 Bischoff, Bodo  264 Bittlinger, Clemens  274 Blanke, Fritz  35 Blankenburg, Walter  38 Blumenthal, Christian  106 Böhm, Martina  71, 126 Böhme, Jakob  194, 197–205, 208, 212, 222, 226, 237 Bonhoeffer, Dietrich  106, 272 Bonkowski, Frank  149 Bonkowski, Jubilee  149 Bonnus, Hermann  261 Booty, John E.  43 Bormann, Lukas  79 Bosenius, Bärbel  106 Böttrich, Christfried  92, 102, 107 Brand, Fabian  149 Brändlin, Sabine  44–46, 130 Brandt, Susanne  274

Verzeichnis der Personennamen Brantzen, Hubertus  149 Brednich, Rolf Wilhelm  180 Bremer, Thomas  133 Brever, Johannes  161 Broer, Ingo  124 Brown, Paul J.  88 Brown, Rosalind  260 Brunner, Adolf  30 Brüske, Gunda  272 Brusniak, Friedhelm  269 Bubmann, Peter  37, 257, 272 Bucer, Martin  259 Buchholz, Carl August  245 Buchholz, Friedrich  38 Buchholz, Johann Simon  245 Bucholtz, Andreas  260 Bugenhagen, Beate  240 Bugenhagen, Johannes  187, 240 f. Bünker, Michael  49 Bunners, Christian  263 f. Bürki, Bruno  7, 29, 31 Buske, Norbert  241, 243 f. Byrskog, Samuel  83 Calvin, Johannes  38, 44 f., 47, 259 Carlston, Charles E.  106 Castelló, Esteban Hernández  268 f. Chan, Common L.  120 Chapman, David W.  86 Chladni, Martin d. Ä.  187 Christiansen, Birgit  147 Ciesielski, Nina  41 Claudius, Gottfried Christoph  189 Claudius, Matthias  261 Claussen, Johann Hinrich  256 Cline, Eric H.  121 Coler, Martin  269 Cook, John Granger  86 Cornehl, Peter  10, 21, 133 f. Corsten, Thomas  123 Cruciger, Elisabeth  160 Crüger, Johann  263 Culpepper, R. Alan  109 Cundisius, Johannes  163 Dachser, Jakob  259 Dach, Simon  161, 163, 176, 244 Dam, Harmjan  150 Deeg, Alexander  22

Depkin, Liborius  175–178 Derksen, Heinrich  134 f. Detmers, Achim  41 de Vos, J. Cornelis  122 De Wildt, Kim  145 Dieter, Theodor  130 Dietz, Svante Gustav  163, 173 Dingel, Irene  260, 267, 270, 272 Dochhorn, Jan  124 Do˘ gruer, Selçuk  15 Döhl, Reinhard  194 Domsgen, Michael  97, 135 Dörner, Gerald  129 Douteil, Herbert  128 Draviņš, Kārlis  161 Durandus, Wilhelm  128 f. Dyckhoff, Peter  150 Ebach, Jürgen  135 f. Ebeling, Gerhard  24 f., 72 Eber, Paul  160, 165 Eckardt, Guido  171 Eckert, Eugen  271, 274 Eck, Johann  160, 170 Eck, Johannes  132 f. Eck, Werner  122 Edsall, Benjamin, A.  101 Ehrensperger, Alfred  33, 40 Elger, R. P  160 f. Elverfeld, Jonas  259 Engel, Hans  247, 252, 254 Engelsberger, Gerhard  150 Enxing, Julia  137 Erlemann, Kurt  85, 98 Eskola, Timo  77 Euler, Alida  105 Evang, Martin  270 Evans, Craig A.  106 Evers, Dirk  97 Evers, Ute  274 Faber, Friedrich Alexander  274 Falkenroth, Christina  257 f. Faust-Kallenberg, Susanna  150 Feldmeier, Reinhard  80, 84 Fendler, Folkert  136 Fennell, Trevor G.  175 Ferstl, Franz  151 Fillmann, Elisabeth  258

283

284

Verzeichnis der Personennamen

Finelius, Johann Christian Friedrich  244 Fischer, Albert  174, 258 Fischer, Irmtraud  84, 274 Fischer, Michael  258 Fleming, Paul  161, 163 Flor, Christan  268 f. Förster, Hans  88 Förster, Niclas  122 Franck, Salomo  198 Frank, Horst Joachim  195 Franz, Ansgar  147, 258, 270 Frey, Jörg  75, 81, 98–100, 109, 115, 118, 120, 190, 211 Freylinghausen, Johann Anastasius  186, 188–190, 192 f., 195 Friedrich, Caspar David  244 Friedrich II. (Kaiser)  210 Friedrich, Johann Christian Adolf  244 Friedrich Wilhelm III. (König von Preußen)  243 f. Fries, Thomas  136 Funck, Markus T.  240, 251 f. Fürecker, Christoph  161 f., 165–175, 181, 185 Gable, Frederick K.  242 Gäckle, Volker  98 Gamersfelder, Hans  259 Garbe, Irmfried  244 Garhammer, Erich  22 Garstein, Oskar  166 Gärtner, Heribert W.  24 Gebauer, Roland  109 f. Geck, Martin  242, 266 Gemünden, Petra von  111, 115 Georg, Cornelia  271, 274 Gerhards, Albert  10–13, 19, 21, 145, 244, 256, 274 Gerhardt, Paul  161, 163, 172, 177, 198, 259–261, 263 f., 271 f. Gerstner-Hirzel, Emily  180 Ghattas, Michael  257 Giering, Achim  270 Giesecke, Bernhard  273 Giese, Johann Gottlieb  244 Gilday, Patrick  267 Gillner, Jens  108 Glück, Ernst  168, 176 Goethe, Christiane von  192

Goethe, Johann Wolfgang von  192 Goldschmidt, Stephan  151, 273 Graf Münster, Michael  256 Grappe, Christian  93 Greifenstein, Johannes  136 f. Grethlein, Christian  11, 90, 147 Grimm, Jacob  219 Grimm, Wilhelm  219 Groote, Inga Mai  267 Grössler, Ralf  271 Grosse, Sven  168, 199, 268 Grudule, Māra  7, 157 Grundeken, Mark  97 Grüneberg, Barnim  245 Grutschnig-Kieser, Konstanze  196 Gundelwein, Friedrich  259 Gunkel, Heidrun  84 f. Haacker, Klaus  70 f., 124 Hafner, Johann  137 Hahn, Gerhard  266 Hahn, Udo  31, 38 Hammerschmidt, Andreas  269 Handke, Emilia  135, 147 Hanglberger, Manfred  151 Happel, Martin  147 Harasta, Eva  137 Harsdörffer, Georg Philipp  209 Hartlieb, Elisabeth  87 Hartmann, Juliane  142 Haunerland, Winfried  138, 147 Hauschildt, Eberhard  140 Häusser, Detlef  126 Häußling, Angelus A.  18 f., 23 Heermann, Johann  160, 167, 198, 259 Heidrich, Jürgen  265 f., 270, 272 Heil, Christoph  104 Heilig, Christoph  100 Heilmann, Jan  90 Heine, Susanne  49, 61 f. Heintzsch, Sabrina  268 Herberger, Valerius  160, 169 Herbst, Wolfgang  7, 186, 244, 270 Herl, Joseph  182 Hermisson, Sabine  138 Herrmann, Florian  31 Herzfeld-Schild, Marie Louise  258 Herzogenberg, Heinrich von  251 Hespe, Nikolaus  162, 172, 181

Verzeichnis der Personennamen Hewitt, J. Thomas  100 Heyden, Sebald  221, 230, 233, 271 Heymel, Michael  258 f. Hieke, Thomas  103, 119 Hillger, Andreas  256 Hinze, Horst  274 Hirschmann, Wolfgang  264 Hobi, Martin  271 f. Hoffmann, Matthias R.  99 Hoffmann, Veronika  139 Hoffsümmer, Willi  151 Hofius, Otfried  90, 114 Hofmann, Andrea  259, 267 Hofmann, Friedrich  38 Homburg, Ernst Christoph  217 Holmén, Tom  83 Hoondert, Martin J.  260 Horn, Friedrich W.  95, 113 Hübenthal, Sandra  107 Huber, Max  152 Huck, Oliver  268 f. Huelsenbeck, Richard  193 Hug, Wolfgang  270 f. Hull, Kenneth R.  260 Husenbeth, Helmut  166 Hütter, Leonhart  263 Innanen, Tapani  260 Inwood, Paul  256 Ionesco, Eugène  219 Jackelén, Antje  50, 54 Jacobi, Michael  247, 269 Jaeckel, Yvonne  273 Jahn, Bernhard  268 Jahn, Christine  270 James, E. Wyn  124, 260 Jannibelli, Emanuele  256 Janota, Johannes  274 f. Janowski, Bernd  81, 101 Jantsch, Torsten  114 Janzen, Jean  271 Jay, Jeff  107 Jenny, Markus  35, 258, 266 Jessen, Thorsten  260 Johann Friedrich (Kurfürst von Sachsen)  161, 187 John, Felix  99, 114 Jonas, Michael  92

Jordahn, Ottfried  30 Jullander, Sverker  242 Jüngel, Eberhard  213 Junge, Martin  49–55, 57, 60, 63 Jung, Herbert  152 Jung, Martina  152 Jung, Volker  132 Jürgens, Henning P.  260, 272 Juschka, Katrin  90 Kadelbach, Ada  260, 268 Kähler, Christoph  71, 105 Kaiser, Jochen  257, 261, 272–274 Kankaanniemi, Matti  83 Kappes, Michael  152 Karrer, Martin  70 Kattan, Assaad Elias  133, 256 Kauffmann, Georg Friedrich  242 Kaufmann, Jürgen  152, 196 Kedd, Jodocus  207 Kehrein, Joseph  180 Keimann, Christian  181 Kiefner, Walter  38 Kießig, Bernhard  274 Kircher, Athanasius  268 Kirchgessner, Bernhard  153 Kirnberger, Johann Philipp  248 Kjærgaard, Jørgen  265 Klaiber, Walter  105 f., 109, 115 Klaper, Michael  267 Klek, Konrad  270 Klepper, Jochen  259, 272 Klie, Thomas  139 Klinghardt, Matthias  88, 103 Klöckener, Martin  31 Klöckner, Stefan  261 Klumbies, Paul-Gerhard  77, 90, 119 Knopken, Andreas  160 Knorr von Rosenroth, Christian  264 Koch, Dietrich-Alex  74, 99, 102 Kocher, Ursula  71 Koch, Kurt  49–54 Kohn, Kuno  153 Köhnlein, Manfred  87 Kokare, Elza  182 Kolberg, Barbara  272 Koll, Julia  273 Kollmann, Bernd  79, 85 f., 102 Konradt, Matthias  92–94, 105

285

286

Verzeichnis der Personennamen

Koopmann, Heinrich Wilhelm  260 Kopp, Stefan  139 Korth, Hans-Otto  263 f., 266 Körtner, Ulrich H.  61, 75 Köster, Gabriele  274 Kraft, Friedhelm  148 Kramer, Helga  108 Kranemann, Benedikt  10–13, 22, 140, 145 Kraus, Wolfgang  71, 79 Krauter, Stefan  112 Kremer, Joachim  240 Kremzow, Michael  271, 274 Kreuzer, Siegfried  71 Krieg, Matthias  39, 46 Kuhlmann, Quirinus  192, 200, 204 f., 208 Kühn, Rolf  147, 242 Kunz, Ralph  30, 40, 147 Kursīte, Janīna  179 Kurzke, Hermann  261 Küster, Konrad  183, 256–258, 268 Kutzner, Hans-Jürgen  153 Landmesser, Christof  75, 77, 81 Lang, Bernhard  83 Lang, T. J.  116 Lange, Melanie  70 Langer, Gerhard  121 Lansius, Thomas  209 Larson-Miller, Lizette  140 Lauster, Jörg  71 f. Lauterwasser, Helmut  270 Leade, Jane  192, 197 Lehnert, Christian  153 Lenz, Wilhelm  159 Leonhard, Clemens  91 f. Leonhard, Silke  148 Leon, Johann,  160 Leppin, Volker  257, 262 f. Lettau, Andreas  272 Leube, Bernhard  267, 270 Lichtenberger, Hermann  81, 99, 118 Lienhard, Fritz  93 Lilien, Georg  161, 178 Linde, Gesche  14 Lindemann, Andreas  75, 98 Lipphardt, Walther  275 Lissner, Holger  274

Lithander, Carl Ludwig  246, 251 f. Lobwasser, Ambrosius  259 Locher, Gottfried Wilhelm  42–46, 130 Loescher, Caspar  187 Loewe, Carl  245, 247–249, 252, 254 Löhr, Hermut  90 f. Lohse, Eduard  86 Loose, Anika  85 Lorbeer, Lukas  263, 270 Löscher, Valentin Ernst  187 Lugioyo, Brian  79 Lüke, Ulrich  154 Lull, Ramon  199, 209 Lumma, Liborius Olaf  148 Lurz, Friedrich  19 f. Luther, Martin  49, 66, 111, 160, 173 f., 187, 218, 221, 225, 232, 256–259, ­264–268, 272 Luther, Susanne  72, 80 Luz, Ulrich  73, 83 f. Magdeburg, Johann  259 Mager, Inge  258, 264 Mancelius, Georg  161, 165–167, 170, 184 f. Mann, Heinrich  261 Mann, Thomas  261 Maria Elisabeth (Herzogin von Schleswig-Holstein-Gottorf) 261 Marti, Andreas  7, 29, 36 f., 47, 257, 261, 270 f. Marti, Kurt  39 Martin, Gerhard Marcel  147, 213, 219 Martini, Britta  260 Mathesius, Johannes  267 Mattmann, Erwin  256 Mawick, Gudrun  270 May, Franziska  268 McMullen, Dianne Marie  188 Meier, Siegfried  270 Meijer, Fik  102 Meiser, Martin  71, 79, 99 Melanchthon, Philipp  187, 267 Mendelssohn, Arnold  251, 259, 267 Mendelssohn-Bartholdy, Felix  251, 267 Mengden, Gustav von  163 Merz, Michael B.  24 Meßner, Herbert  271 f. Meßner, Reinhard  11 f., 20 f.

Verzeichnis der Personennamen Metzger, Ambrosius  260 Meyer-Blanck, Michael  11, 21 f., 81, 155 Meyer, Heinz  198 Meyer, Karlo  155 Michel, Stefan  71 Miersemann, Wolfgang  188, 192 f., 263 Mildenberger, Irene  38 Mitterstieler, Elmar  151 Mittring, Thomas  274 Mohr, Joseph  267 Moller, Martin  160 Moore, Geoffrey C.  260 Morgenstern, Christian  193, 231 Moser, Marion  109 Mouray, Marie-Thérèse  267 Münther, Henning  245 Munzinger, André  137 Mylius, Georgius  170

287

Ong, Walter J.  164 Opitz, Martin  161–163, 187, 260 Osterholt-Kootz, Birgit  19 Ostmeyer, Karl-Heinrich  96 Ottonis, Johann  165 Oxen, Kathrin  149

Napiersky, Karl Eduard  161 Naumann, Hartmut  273 Neander, Joachim  56, 198 Nehlsen, Eberhard  272 Neijenhuis, Elisabeth  154 Neijenhuis, Jörg  7, 9, 49, 128, 147 Nemec, Angelika  272 Neukrantz, Johann  260 Neumann, Nils  118 f. Neumeister, Erdmann  261 Neureiter, Michael  272 Neysters, Peter  154 Nickel-Bacon, Irmgard  85 Nickisch, Thomas  274 Nicklas, Tobias  119, 124, 126 Nicolai, Philipp  261 Niebuhr, Karl-Wilhelm  72, 78, 99, 102, 110, 127 Niemeyer, August Hermann  190 Nord, Ilona  139, 221, 230 Noß-Kolbe, Peter  148 Nürnberg, Ute  209, 261 f., 264 Nüssel, Friederike  72, 102

Pacik, Rudolf  257 Palti, Kathleen R.  180 Pannenberg, Wolfhart  15, 23 f., 26 Pape, Hinrich  269 Papst Franziskus  7, 49 f., 53, 55, 57, 62, 65, 130 Papst Gregor IX.  210 Paquier, Richard  31 Park, Sung-Ho  99 Passarge, Ute  271 Pauloviča, Ieva  183 Paulsen, Ove  265 Pehlken, Thomas  274 Peirce, Charles S.  14 Penkuhn-Wasserthal, Michael  274 Périllard, Marianne  31 Peter, Martin  274 Petersen, Johanna Eleonora  211 Petersen, Johann Wilhelm  211 Petschnigg, Edith  274 Philipp d. J., Freiherr von Winnenberg und Beilstein  259 Pickel, Gert  273 Poenicke, Cornelia  274 Poetzsch, Ute  274 Pohl-Patalong 140 Pokorny, Petr  84 Popkes, Enno Edzard  75, 81, 99, 120, 126 Poplutz, Uta  106, 109 Porst, Johann  198 Praestholm, Christian  274 Praßl, Franz Karl  257, 267 Prätorius, Benjamin  161, 173 Pricop, Cosmin  78 Puig i Tàrrech, Armand  99

Ochs, Ekkehard  245 f., 251 f. Odenthal, Andreas  21, 145 Oesch, Johannes  61 Öhler, Markus  89, 115, 123 Oldenhage, Tania  78 Omerzu, Heike  102, 115

Ramsenthaler, Monika  267 Rathey, Markus  246 Rathgen, Heidelore  248 Ratzmann, Wolfgang  19–21 Rausch, Florian  154 Recke, Johann Friedrich  161

288

Verzeichnis der Personennamen

Redtenbacher, Andreas  154 Rehehusen, Johann Georg  161 Rehfeld, Emmanuel L.  126 Reich, Christa  270 Reinke, Stephan A.  260, 273 Remling, Gerhard  162 Rentsch, Ivana  268 Reynolds, Benjamin E.  79 Richter, Christian Friedrich  192 Richter, Cornelia  87 Richter, Jacob  260 Richter, Ludwig  261 Richter, Maik  263 Riedl-Daser, Christoph  49 Rinckart, Martin  160, 168 Rinder, Nicole  154 Ringleben, Joachim  108 Ringwaldt, Bartholomäus  160 Riß, Martin  141 Rist, Johann  163, 258, 267–269 Röder, Jörg  80 Rodigast, Samuel  176 Röhrich, Lutz  180 Röhring, Klaus  272 Roloff, Hans-Gert  275 Roose, Hanna  117 Rose, Kurt  271 Rösel, Martin  70 Rosenbaum, Melanie  153 Roth, Markus  142, 209 Rudnig-Zelt, Susanne  124 Rudolph, Barbara  152 Runge, Christoph  263 Runze, Maximilian  247 Rüpke, Jörg  123 Ryser, Hugo  262 Sacer, Gottfried Wilhelm  161, 171 Salminger, Sigmund  259 Sandnes, Karl Olav  91 Sandvik, Bjørn  30 Sartorius, Joachim  259 Saß, Marcell  155 Sauter, Gerhard  15 Schachenmayr, Alkuin  142 Schaufelberger, Thomas  142 Schede Melissus, Paul  259 Schedtler, Justin Jeffcoat  119 Scheitler, Irmgard  268, 275

Schemelli, Georg Christian  264 Schenk, Alwin Theodor  249–254 Schenking, Otto  161 Schilling, Johannes  256, 265 f. Schilp, Marie  256 Schinkel, Karl Friedrich  244 Schläpfer, Esther  92 Schleiermacher, Friedrich  22, 72, 136–138 Schlemmer, Karl  18 Schlenker, Manfred  270 Schliesser, Benjamin  75, 115 Schluep-Meier, Christoph  115 Schmeller, Thomas  113 Schmidlin, Johannes  269 Schmidt, Bernhard  270 Schmidt, Eckart D.  80, 102 Schmitt, Arno  155 Schmittem, Ralf  192 Schmitz, Walter  264 Schmitz-Jeromin, Ilona  274 Schmolck, Benjamin  218 Schmuck, Vincentius  168 Schnabel, Eckhard J.  86, 88 Schneider, Hans  196, 205 Schneider, Martin Gotthard  269 Schneider, Matthias  7, 240–242, 244 f., 248, 251 Schneider-Ludorff, Gury  257, 262 f. Schnell, Vítor Hugo  , 110 Schnelle, Manfred  153 f. Schnelle, Udo  76, 97, 109 Schop, Johann  258, 268 Schottroff, Luise  41 Schreiber, Stefan  79, 82, 112, 117 Schröer, Georg Friedrich  187 Schröter, Jens  44, 79, 81 f. Schuchart, Anna Maria  192 f. Schuler, Ernst August  274 Schulz, Otmar  262, 269 Schurz, Gerhard  13 Schütz, Christoph  196 Schütz, Heinrich  256, 267 Schuward, Johannes  226 Schweyer, Stefan  37 Schwier, Helmut  7, 70, 81, 93 Schwöbel, Christoph  101 Scott, Allen  267 Scriver, Christian  259 Sehling, Emil  129, 241

Verzeichnis der Personennamen Selle, Thomas  268 Selnecker, Nikolaus  259 Senitz, Elisabeth von  264 Siegfrid, Cornelius  259 Siepmann, Ralf  262 Sigismund, Marcus  71 Silesius, Angelus  223 Simon, Evamaria  155 Simon, Reinhard  155 Simon, Wolfgang  274 Smets, Anne  270 Söding, Thomas  94, 97 Solon, Dennis T.  112 Sonnabend, Holger  122 Spangenberg, Cyriakus  259 Spengler, Lazarus  160 Speratus, Paul  160 Spieß, Karl-Heinz  244 Sprondel, Friedrich  269 Staden, Sigmund Theolphil  268 Stählin, Traugott  193 Stalmann, Joachim  257, 265, 270 Stefan, Hans-Jürg  270 f. Stegemann, Wolfgang  78, 123 Steiger, Johann Anselm  241, 258, 263, 268 f. Stender, Gotthard Friedrich  165, 181 Stettler, Hanna  102 Stirnimann, Heinrich  199 Stock, Alex  156 Stökl Ben Ezra, Daniel  120 Stowasser, Martin  120 Sträter, Udo  186 Strenga, Gustavs  159 Striccius, Wolfgang  259 Stuflesser, Martin  140 Sunderreyter, Gregor  259 Suntrup, Rudolf  128, 198, 203, 216, 238 Suppan, Wolfgang  180 Tannous, Youssef  257 Taschl-Erber, Andrea  84, 94 Tatzreiter, Helmut  154 Taussig, Hal  89 Teichmann, Wolfgang  271 Tenhaef, Peter  240 Tersteegen, Gerhard  259 Tetens, Holm  13, 15, 23 Tetsch, Carl Ludwig  161

289

Theißen, Gerd  72 f., 86 f., 93 f., 110–112, 120, 125 Theobald, Florian  76, 89, 125 Theobald, Christoph 277 Thiessen, Jacob  100 Thöle, Reinhard  133 Thönissen, Wolfgang  130 Thönniker, Johann  260 Thull, Philipp  148 Thust, Karl Christian  262 Tillich, Paul  134, 142 Tilly, Michael  101 Tischer, Rolf  256 Tiwald, Markus  79, 103 f., 121 Trautschel, Johann  260 Trede, Helle  274 Trost, Michael  183 Tuckett, Christopher  104 Tümpel, Wilhelm  174, 258 Türk, Daniel Gottlob  246–248, 254 Ulenberg, Caspar  259 Unger, Günter  91 Utzschneider, Helmut  71 Vahrenhorst, Martin  117 Vanags, Pēteris  159, 170 Vanhoozer, Kevin J.  79 f. van Lengerich, Martina  272 Veit, Patrice  262–265, 269 Verheyen, Joseph  97 Violet, Bruno  44 Vītoliņš, Jēkabs  183 Vogler, Georg Joseph  245–248, 254 Volkhardt, Ulrike  263 Volkmar, Christoph  274 Volp, Rainer  10, 13 Volp, Ulrich  95, 102 Von der Osten-Sacken, Peter  83, 101 Vulpius, Christian August  192 Vulpius, Johanna Christiana Sophie s. Goethe, Christiane von Wackernagel, Carl Eduard Philipp  258 Wagener, Fredrik  96 Wagner, August  251 f., 254 Wagner, Dieter  44–46, 130 Wahl, Stephan  156 Wahle, Stephan  147

290

Verzeichnis der Personennamen

Waldis, Burkhard  259 Wallace, Robin Knowles  260 Walter, Axel E.  268 Walter, Johann  269 f. Walter, Meinrad  256, 271–273 Walter, Peter  267 Walter, Philipp  147 Walti, Christian  29, 31, 46, 143 f. Watt, Jan G. von  109 Weckmann, Matthias  242 Wegmann, Susanne  144 f. Wegman, Rob C.  267 Wehnert, Jürgen  127 Weidemann, Hans-Ulrich  89 Weisse, Michael  258 Weiß, Thomas  156 Welker, Michael  41 Wendebourg, Dorothea  257 Wengst, Klaus  78, 106 Werbeck, Walter  246, 251 Werner, Georg  260 Wernsdorf, Gottlieb d. Ä.  187 Widmaier, Tobias  258 Wiefel-Jenner, Katharina  270 Wieruszowski, Lili  38 Wilke, Jan  272 Wilk, Florian  79 Willa, Josef Anton  45 Williams, Rowan  260 Williams von Pantycelyn, William  260 Wiltsche, Harald A.  13 Winkler, Gabriele  20

Winkler, Lutz  245 f., 251 f. Winnebeck, Julia  145 f. Wischmann, Johann  161–163 Wischmeyer, Oda  74, 95, 102, 108 Wissemann, Antje  271 Wissemann-Garbe, Daniela  8, 255 Witulski, Thomas  118 f. Wold, Benjamin  124 Wolgast, Eike  129 Wolter, Michael  88, 110 f. Wörner, Tobi  274 Wright, Nicholas Thomas  87, 100 Wujek, Jakob  164, 166 Wüstenberg, Michael  153 Wüstholtz, Johann  259 Younan, Munib  7, 49–54, 56 f., 59 f., 63, 130 Zahn, Johannes  258 Zangenberg, Jürgen K.  122 Zehnder, Jean-Claude  242 Zeller, Dieter 102 Zeller, Rosmarie  264 Zerfass, Alexander  146 f. Zielsdorf, Dorlies  267 Zimmermann, Ruben  72, 85 f., 95 f., 102, 109 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von  259 Zulehner, Paul  50, 62 Zwingli, Huldrych  32, 35, 41 f., 259

Ständige Berater Pfarrerin Dr. Ilsabe Alpermann, Potsdam Dozent Günter Balders, Berlin Kantor Pfarrer Peter Ernst Bernoulli, Zürich Prof. Dr. Christfried Böttrich, Greifswald Prof. Dr. Paul F. Bradshaw, Notre Dame /  Ind., USA Pfarrer Dr. Christian Bunners, Berlin Prof. Dr. Bruno Bürki, Neuchâtel Prof. Dr. Joachim Conrad, Püttlingen Prof. Dr. Peter Cornehl, Hamburg Prof. Dr. Christian Felmy, Erlangen Dr. Ilona Ferenczi, Budapest Prof. Dr. Gerhard Hahn, Regensburg Prof. Dr. Andreas Heinz, Auw a. d. Kyll Canon Prof. Dr. David R. Holeton, Toronto / Prag Prof. Dr. Konrad Klek, Erlangen Prof. Dr. Hermann Kurzke, Mainz Dozentin Barbara Lange, Mirow Rev. Prof. Dr. Robin A. Leaver, Dover, USA

Rev. Alan Luff, Cardiff, Wales Prof. Dr. Jan R. Luth, Groningen Pfarrer em. Dr. h. c. Jens Lyster, Broager, Dänemark Prof. Dr. Christian Möller, Heidelberg Prof. Dr. Michael Niemann, Rostock Prof. Dr. Franz Karl Praßl, Graz Pfarrer Heinrich Riehm, Heidelberg Prof. Dr. Martin Rößler, Bronnweiler Propst Dr. Eberhard Schmidt, Göttingen Lic. theol. Hannu Vaapavuori, Vantaa, Finnland Superintendent i. R. Alexander Völker, Minden (Westf.) Prof. ém. Dr.ès lettres Édith Weber, Paris Prof. Dr. Paul Westermeyer, St. Paul /  Mn., USA Pfarrer Dr. Karl-Friedrich Wiggermann, Münster Dr. Andreas Wittenberg, Bamberg

Autorinnen und Autoren Autoren Liturgik

Autoren Hymnologie

Prof. Dr. Andreas Marti Könizstr. 252 CH-3097 Liebefeld E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Māra Grudule Bulduru prosp. 86 LV 2010 Jūrmala, Lettland E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Jörg Neijenhuis Mombertstr. 11 69126 Heidelberg E-Mail: [email protected] www.neijenhuis.de www.theologie.uni-heidelberg.de/ fakultaet/personen/neijenhuis.html

Prof. Dr. theol. Wolfgang Herbst Kleinschmidtstraße 52 D-69115 Heidelberg E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Helmut Schwier Theologische Fakultät der Universität Heidelberg Karlstraße 16 69117 Heidelberg E-Mail: [email protected] www.theologie.uni-heidelberg.de/ fakultaet/personen/schwier.html

Prof. Dr. Matthias Schneider Oberstraße 93 D-20149 Hamburg E-Mail: [email protected] https://musik.uni-greifswald.de/ personen-ensembles/personen/schneider Prof. ém. Dr. Édith Weber 1016 rue Thibaud F-75014 Paris E-Mail: [email protected] Dr. Daniela Wissemann-Garbe Moischter Str. 52 35043 Marburg E-Mail: [email protected]