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German Pages 234 [236] Year 2020
Ist Gott gerecht?
BEITRÄGE ZUR ERFORSCHUNG DES ALTEN TESTAMENTS UND DES ANTIKEN JUDENTUMS Herausgegeben von Matthias Augustin, H. Michael Niemann und Meik Gerhards
BAND 63
Hermann Vorländer
Ist Gott gerecht? Theodizee und Monotheismus im Alten Testament unter besonderer Berücksichtigung der Theologie Deuterojesajas
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISSN 0722-0790 ISBN 978-3-631-82840-3 (Print) E-ISBN 978-3-631-83204-2 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-83205-9 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-83206-6 (MOBI) DOI 10.3726/b17412 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2020 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com
Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................. 9 A. Begriffsklärungen ...................................................................... 13
1. Theodizee ................................................................................ 13
2. Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus ...................... 19
B. Die Erfahrung von Gottes Gerechtigkeit .............................. 21
1. Gotteserfahrung und Wirklichkeitsverständnis ........................ 21
2. JHWH und die anderen Götter im vorexilischen Israel ........... 25
3. JHWHs Gerechtigkeit ............................................................. 33
4. Die Erfahrung von JHWHs Gerechtigkeit im Leben des Einzelnen ................................................................................ 36
5. Die Erfahrung von JHWHs Gerechtigkeit im Leben des Volkes ..................................................................................... 40
C. Der Zweifel an JHWHs Gerechtigkeit und die Krise der Gotteserfahrung im Exil ................................................... 49 D. Die Botschaft Deuterojesajas als kollektive Theodizee ...... 57
1. Entstehung und Gattungen ...................................................... 57
2. Die Rechtfertigung JHWHs aus der Schöpfung und der Geschichte ............................................................................... 62
3. Die Rechtfertigung JHWHs aus der Wirksamkeit des prophetischen Wortes .............................................................. 77
4. Die Rechtfertigung JHWHs durch die Ankündigung seines rettenden Handelns ................................................................. 93
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Inhaltsverzeichnis
5. Die Rechtfertigung JHWHs durch die Zusage seiner schützenden und helfenden Nähe als persönlicher Gott des ganzen Volkes ....................................................................... 108
6. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Verborgenheit, Freiheit und Weltüberlegenheit ...................... 120
7. Die Rechtfertigung JHWHs in der Doxologie ....................... 125
8. Zusammenfassung ................................................................ 126
E. Das Hiobbuch als individuelle Theodizee .......................... 131
1. Die Rahmenerzählung Hi 1 – 2 und 42,7–17 ........................ 131
2. Der Dialogteil (Hi 3,1 – 42,6) ............................................... 132
3. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Macht, Güte und Weisheit in der Schöpfung ......................... 135
4. Die Rechtfertigung JHWHs aus der persönlichen Erfahrung seiner Nähe .......................................................... 137
5. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner unbegreiflichen Freiheit und Überlegenheit sowie des unendlichen Abstandes zwischen Gott und Mensch .............. 139
F. Das Theodizeemotiv in den Psalmen sowie bei Kohelet . 143
1. Der Zweifel an JHWHs Macht, Güte und Weisheit ............... 143
2. Die Bewältigung des Theodizeeproblems in den Psalmen ...... 145
3. Die Theodizeefrage bei Kohelet ............................................. 148
G. Die Urgeschichte als universale Theodizee ........................ 151
1. Einleitung .............................................................................. 151
2. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht Gen 1,1 – 2,4a .... 152
3. Die jehowistische Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte Gen 2,4b – 3,24 .................................................................... 153
4. Die Sintflutgeschichte Gen 6 – 9 ............................................ 155
Inhaltsverzeichnis
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H. Das Theodizeemotiv in der Geschichtsschreibung ............ 159
1. Das deuteronomistische Geschichtswerk ............................... 160
2. Chronist und Esra-Nehemia .................................................. 164
I. Das Theodizeemotiv in den prophetischen Büchern ........ 167 J. Das Theodizeemotiv in der Eschatologie und Apokalyptik ............................................................................. 171 K. Die Entstehung des Monotheismus als Antwort auf die Theodizeefrage .................................................................. 173 L. Theodizee und Monotheismus im Neuen Testament ....... 183 M. Zusammenfassung .................................................................. 187 N. Abschluss .................................................................................. 193 O. Bibliographie ........................................................................... 197 P. English Summary .................................................................... 211 Q. Register ..................................................................................... 221
1. Bibelstellen (in Auswahl) ....................................................... 221
2. Namen .................................................................................. 227
3. Autorinnen und Autoren ....................................................... 228
Vorwort Das Thema Monotheismus wird gegenwärtig in der alttestamentlichen Forschung und darüber hinaus vielfach diskutiert. Es hängt mit der Frage zusammen, ob und wie der Mensch Gott erfahren kann. Sie prägt auch mein eigenes theologisches Denken. Sie spiegelt sich in meiner wissenschaftlichen Arbeit wider, die überwiegend länger zurückliegt. In meiner Dissertation „Mein Gott. Die Vorstellungen vom persönlichen Gott im Alten Orient und im Alten Testament“ (erschienen 1975) habe ich den Bereich der persönlichen Frömmigkeit und Familienreligion erforscht. In einer weiteren Arbeit „Die Entstehungszeit des jehowistischen Geschichtswerkes“ (erschienen 1978) habe ich wohl als einer der ersten im deutschsprachigen Raum die Spätdatierung von Jahwist und Elohist vertreten. Dabei entdeckte ich die Zeit des Exils Israels in Babylon als für die alttestamentliche Religionsgeschichte entscheidende Periode. Deshalb verfasste ich den Aufsatz „Der Monotheismus als Antwort auf die Krise des Exils“ für den von Bernhard Lang herausgegebenen Sammelband „Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus“. Ich vertrat die Auffassung, dass der Monotheismus nicht am Anfang der israelitischen Religionsgeschichte stand – wie früher vielfach behauptet – sondern an ihrem Ende. Dabei spielt die Theologie des Deuterojesajabuches (Jes 40 – 55) eine bedeutende Rolle, denn sie bildet die Schaltstelle zwischen vor- und nachexilischem JHWH-Glauben. In diesem Zusammenhang stieß ich auf das Problem der Theodizee und fragte mich, wie Theodizee und Monotheismus zusammenhängen. Nach langjähriger Tätigkeit in Kirche und Mission habe ich im Ruhestand begonnen, dieses Thema in Anknüfung an frühere Studien zu bearbeiten. Ich wage es, mich an der Diskussion zu beteiligen, nachdem ich festgestellt habe, dass meine damals vielfach als abwegig betrachteten Thesen inzwischen von der Mehrzahl der Forscherinnen und Forscher geteilt werden. Bei der gegenwärtigen Diskussion über den Monotheismus fällt mir auf, dass die Theodizeefrage kaum eine Rolle spielt. Nur gelegentlich kommt der Begriff Theodizee in Untersuchungen zu Deuterojesaja vor, z.B. bei Wildberger1,
1 Monotheismus, 267.
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Vorwort
Koch2 und Köhlmoos3. Zumeist wird der Theodizeebegriff im Alten Testament nur auf das individuelle Gottesverhältnis, z.B. bei Hiob und den Gottesknechtsliedern Deuterojesajas bezogen. Ich unternehme im Folgenden den Versuch, den neuzeitlichen Begriff der Theodizee auf die Theologie Deuterojesajas und anderer Texte des Alten Testaments anzuwenden. Der Theodizeefrage liegt der Zweifel an Gottes Macht, Güte und Weisheit zugrunde. Diese Zweifel haben die Israeliten insbesondere in der exilisch-nachexilischen Zeit im Hinblick auf ihren Gott JHWH umgetrieben. Deuterojesaja will darauf eine Antwort geben, indem er JHWH als den einzigen Gott bekennt und in seinem Handeln rechtfertigt. Die Bewältigung der Theodizeefrage hat in Israel einen ungeheuer fruchtbaren Prozess in Bewegung gesetzt, der zu einem neuen Gottesverständnis führte. Ohne die im Exil vollzogene Wende wäre der JHWH-Glaube wahrscheinlich untergegangen. Nur durch die Verkündigung Deuterojesajas und seiner Schule in der babylonischen Diaspora konnte der JHWH-Glaube auf eine neue Basis gestellt werden und somit überleben. Das damals formulierte Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Gott bildete die Grundlage für das Neue Testament. Daraus entstanden die anderen großen monotheistischen Weltreligionen, nämlich Christentum und Islam. Anhand der bei Deuterojesaja gewonnenen Erkenntnisse befasse ich mich dann mit dem Hiobbuch, den Psalmen und Kohelet, den geschichtlichen und prophetischen Büchern sowie dem Neuen Testament. Das kann freilich nur überblicksweise erfolgen.4 Ich danke den Professoren Dr. Hermann Michael Niemann, Dr. Stefan Seiler und Dr. Helmut Utzschneider für wertvolle Hinweise, sowie Pfarrer Walter Dummert für seine Hilfe bei den Korrekturen. Den Herausgebern danke ich für ihre freundliche Bereitschaft, die Arbeit in der Reihe „Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des Antiken Judentums“ erscheinen zu lassen.
Monotheismus, 205f. 2 3 Theodizee, 216. 4 Die Texte werden gewöhnlich nach der revidierten Lutherbibel von 2017 zitiert.
Vorwort
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Ich widme dieses Buch meinen Kindern Henriette, Martin, Christian, Michael und ihren Familien, die mir insbesondere nach dem Tod meiner Frau Dorothea liebevoll zur Seite stehen. Neuendettelsau, Pfingsten 2020 Hermann Vorländer
A. Begriffsklärungen 1. Theodizee Die Frage nach Gottes Gerechtigkeit wird angesichts der Schrecken unserer Zeit – insbesondere „nach Auschwitz“ – heute radikaler gestellt als früher. Sie verbindet sich mit der Frage nach der Denkbarkeit und Erfahrbarkeit der Existenz Gottes. Der Dichter Georg Büchner lässt in seinem Drama „Dantons Tod“ den amerikanischen Revolutionär Thomas Payne sagen: „Warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus.“ Viele von der Kirche enttäuschte Zeitgenossen stellen mit der Gottesfrage zugleich die Theodizeefrage: Wie ist der Glaube an einen guten und allmächtigen Gott vereinbar mit der Faktizität von sinnlos scheinendem Leid und von Bösem in der Welt? „Diese Frage hat als Theodizee-Frage eine spezifisch neuzeitliche Gestalt gewonnen (Anklage Gottes bzw. des Gottesglaubens vor dem Forum der Vernunft), ist aber im Grunde Jahrtausende alt. Sie wird dort zum Problem, wo – monotheistisch und schöpfungsuniversalistisch – ein guter Gott als Schöpfer von allem, was ist, verstanden wird.“5 Der wissenschaftliche Atheismus behauptet, alle Fragen lassen sich wissenschaftlich beantworten. Die Naturwissenschaft forscht, „etsi deus non daretur“ – als ob es Gott nicht gäbe. Der religionskritische Atheismus verweist auf das Unheil im Namen Gottes. Es gibt auch einen Atheismus des Desinteresses, der letzte Fragen beiseiteschiebt. Globale Katastrophen, wie z.B. die Corona-Krise, Triumph der Gewalt, Zerstörung von Gemeinschaften, Wettrüsten etc. provozieren die Frage, wie Gott dies alles zulassen kann. „Das Leiden eines einzigen unschuldigen Kindes ist eine unbestreitbare Widerlegung der Vorstellung des allmächtigen und gütigen Gottes im Himmel.“6 Dabei geht es nicht mehr nur um die Frage, wie Gott so viel Böses zulassen kann. Es geht vielmehr um die Frage, ob es einen Gott geben kann, der so viel Böses zulässt. „Wie lässt sich angesichts der Übel in der Welt, angesichts vorzeitigen Todes, unaufhebbarer sozialer Misere, unheilbarer körperlicher und geistiger Entartungen und ungehemmter Bösartigkeiten Sandler, Theodizee, 22. 5 6 Moltmann, Trinität, 63.
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Begriffsklärungen
noch von einer göttlichen Allmacht und Weisheit, von der Güte des Schöpfers und der Schöpfung, von der Einheit der Welt und von einer moralischen Weltordnung reden?“7 Bereits der griechische Philosoph Epikur (341–270 v.Chr.) schrieb: „Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, dann ist er nicht allmächtig; oder er kann es und will es nicht, dann ist er nicht gut; oder er kann es nicht und will es nicht, dann ist er ohnmächtig und missgünstig; oder er kann es und will es, was allein Gott angemessen wäre, aber woher kommen dann die Übel und warum beseitigt er sie nicht?“8 Der spätantike Philosoph Boethius (477 – 524 n.Chr.) fragte: Si deus est, unde malum? Et si non est, unde bonum? – Wenn es Gott gibt, woher kommt das Böse? Doch wenn es ihn nicht gibt, woher kommt das Gute?9 Auch im Alten Testament begegnen wir des Öfteren der Warum-Frage angesichts von Leid (Ps 10,11; 22,2; 42,10; Num 14,3; Hi 3,11.20–22). Erst in der Neuzeit hat hierfür Gotthold Wilhelm Leibniz den Begriff Theodizee geprägt. Er bedeutet wörtlich „Rechtfertigung Gottes“ und ist als Kunstwort aus Röm 3,5 abgeleitet. Der Begriff erscheint zuerst 1697 bzw. 1710 als Titel seiner Schrift „Essais de theodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l´homme et l´origine du mal.“10 In dieser Schrift setzt sich Leibniz mit den Einwänden gegen die Vereinbarkeit des in der Welt anzutreffenden Übels mit der Existenz eines zugleich unendlich mächtigen, weisen und gütigen Gottes auseinander. Es geht um die „Vereinbarkeit des im gegenwärtigen Weltzustand begegnenden Übels mit der Gerechtigkeit Gottes“. Leibniz behandelt die metaphysischen, moralischen und physischen Übel und beantwortet die Theodizeefrage mit dem Hinweis auf die Welt als die beste aller denkbaren Welten, die Gott in seiner Weisheit und Güte hatte schaffen können. Hintergrund ist bei Leibniz nicht eine existentielle Situation, sondern die Auseinandersetzung mit der Vernunft als Kern der Welt. Die Frage nach der Allmacht Gottes wurde insbesondere nach dem Erdbeben von Lissabon an Allerheiligen 1755 mit über 30 000 Toten gestellt.
Trillhaas, Theodizee, 743. 7 8 Buntfuß, Theodizee, 1176. 9 De Consolatione philosophiae, Buch III. 10 „Abhandlungen zur Rechtfertigung Gottes, über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels“.
Theodizee
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Nach Leibniz definierte Immanuel Kant Theodizee als „die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt. Man nennt dieses, die Sache Gottes verfechten; ob es gleich im Grund nichts mehr als die Sache unserer anmaßenden, hierbei aber ihre Schranken verkennenden Vernunft sein möchte.“11 Diese Zweckwidrigkeiten verstoßen gegen die drei Eigenschaften der höchsten Weisheit Gottes: gegen seine Heiligkeit, Güte und Gerechtigkeit. Kant kommt zu der Einsicht, dass alle Versuche der Rechtfertigung Gottes angesichts der Übel und des Bösen in der Welt im Rahmen einer „doktrinalen Theodizee“ zum Scheitern verurteilt sind.12 Dieses „Vernünfteln“ hat es „vielmehr mit einer Glaubenssache zu tun“. Er lässt allerdings die „authentische Theodizee“ gelten, weil Gott durch unsere sittlich gesetzgebende praktische Vernunft selbst als der Ausleger seines durch die Schöpfung verkündigten Willens betrachtet wird. Er verweist dabei auf das Hiobbuch. Eine Rechtfertigung Gottes ist also nur im Rahmen des Glaubens und der persönlichen Überzeugung möglich. Sie gehört nicht in den Bereich „der theoretischen, sondern der praktischen, Zwecke setzenden Vernunft“.13 Georg Wilhelm Friedrich Hegel löst das Problem durch seine Antithetik und Dialektik der Geschichte. Theologie und Religion setzen voraus, dass die Gottheit die Macht besitzt, in der Welt eine sinnvolle Ordnung und Gerechtigkeit herzustellen. „Dass die Weltgeschichte dieser Entwicklungsgang und das wirkliche Werden des Geistes ist, unter dem wechselnden Schauspiel ihrer Geschichten, dies ist die wahrhafte Theodicee, die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte. Nur die Einsicht kann den Geist mit der Weltgeschichte und der Wirklichkeit versöhnen, dass das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur nicht ohne Gott, sondern wesentlich das Werk seiner selbst ist.“14 Oelmüller15 kritisiert die Verwendung des Theodizeebegriffs in der Philosophie. „Die unmittelbare und erste Reaktion auf Erfahrungen und
11 Werke, 255. 12 Vgl. Kaiser, Glaube, 94. 13 Dietrich/Link, 107. 14 Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Kap. 51. 15 Antwortversuche, 85.
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Begriffsklärungen
Widerfahrnisse des Leidens in seinen privaten und gesellschaftlich-politischen Dimensionen ist nicht Philosophieren, sondern in der Regel Schweigen, Klagen, Helfen, Mitleiden“, denn Philosophieren setzt Distanz voraus. Auch kann man den Begriff nicht wie in der Neuscholastik oder bei Max Weber als Prozess verstehen, „in dem die menschliche Vernunft beansprucht, Gott als allmächtigen und guten Schöpfer angesichts der Anklagen wegen der Übel und Leiden in der Welt rechtfertigen zu können“.16 Vielmehr kann die Philosophie lediglich „philosophisches Orientierungswissen angesichts des Leidens“ bieten.17 Auch Marquard18 kommt zu dem Ergebnis seiner Überlegungen, dass alle philosophischen Antworten der Theodizee „durchweg unzureichend“ seien und es nur auf das „Vertrauen auf Gott“ ankomme. Das Theodizeeproblem ist zunächst ein philosophisches Thema, nämlich die Rechtfertigung Gottes vor dem Forum der menschlichen Vernunft, wurde dann aber auch in der Theologie aufgenommen. Slenczka sieht in der Theodizeefrage den „Konflikt zwischen dem Glauben an Gott als den Schöpfer und Erhalter der Welt und der Welt- und Selbsterfahrung des Menschen“.19 In Anlehnung an Kant führt er aus, dass die „doktrinale“ Theodizee das Problem eher spekulativ behandelt und somit keine eindeutige Antwort geben kann, „da zwischen einer vernünftigen Welterkenntnis des Menschen und einem objektiven Sinn der Welt eine prinzipielle und schlechterdings nicht zu vermittelnde Differenz besteht“.20 Die „authentische Theodizee“ behandelt Theodizee als ethische Frage. „Die christliche Antwort auf die Theodizeefrage ist das Evangelium, in dem bezeugt wird, dass Gott sich den Menschen und dieser Welt zugewendet hat, dass er sie bejaht hat, so wie sie ist, und dass er das harte Gesetz von Schuld und Vergeltung durchbrochen hat.“ Ebeling zieht aus seinen Überlegungen den Schluss: „Alle Dogmatik ist im Grunde Theodizee Gottes.“21 2003 veröffentlichten Antti Laato und Johannes C. de Moor22 einen umfangreichen Sammelband zur Theodizee in der Welt der Bibel. Hierin 16 A.a.O., 85f. 17 A.a.O., 86. 18 Schwierigkeiten, 100f. 19 Sozialethik, 83. 20 Ebd. 85. 21 Dogmatik III, 514f. 22 Theodicy.
Theodizee
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werden altorientalische, die biblischen Bücher, frühjüdische und rabbinische Schriften auf ihren Bezug zur Theodizeefrage untersucht. Erstaunlicherweise fehlt jedoch der Bezug von Monotheismus und Theodizee bei Deuterojesaja23. In der Einleitung unterscheiden die Herausgeber in Anknüpfung an R. M. Green24 sechs Typen von Theodizee in jüdisch-christlichen Kontexten: 1. Vergeltungstheologie: Der Tun-Ergehen-Zusammenhang wirkt sich auf das individuelle und kollektive Leben aus (Hiob, Weisheitspsalmen, Sprüche, Geschichtsbücher). 2. Erzieherische Theodizee: Das Leiden spielt eine erzieherische Rolle im Leben der Menschen (Hiob, Ruth, geschichtliche und prophetische Bücher, Klagelieder, Konfessionen Jeremias). 3. Eschatologische Theodizee: Die Vergeltung wird ins Eschaton verschoben (Daniel, Apokalyptik). 4. Das Geheimnis der Theodizee: Gottes Gerechtigkeit unterscheidet sich grundlegend von menschlicher Gerechtigkeit und bleibt ein Geheimnis (Dtjes, Hiob, Psalmen, Koh). 5. Gemeinschaftliche Theodizee: Das Leiden bringt Menschen näher zu Gott und vertieft die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch (Psalmen, Hiob). 6. Menschlicher Determinismus: Kohelet. Im Folgenden wird Theodizee definiert als Rechtfertigung Gottes angesichts der Zweifel an seiner Macht, Güte und Weisheit. Unter diesen Gesichtspunkten werden Dtjes, Hiob, die Psalmen und Kohelet, die Urgeschichte, sowie die geschichtlichen und prophetischen Bücher analysiert, in wie weit in ihnen Antworten auf die Theodizeefrage gegeben werden. Dabei hängt insbesondere bei Dtjes die Beantwortung der Theodizee eng mit dem Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen, universalen Gott zusammen. Es handelt sich also streng genommen um eine „JHWH-dizee“. Denn es geht nicht um das göttliche Handeln im Allgemeinen, sondern um das konkrete Handeln JHWHs in bestimmten Situationen im Sinne einer „authentischen Theodizee“ (Kant).
3 Im Folgenden mit Dtjes abgekürzt. 2 24 Theodicy, 432ff.
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Begriffsklärungen
Die Notwendigkeit für die Klärung des Verhältnisses von Gottes- und Welterfahrung entstand im Verlauf der Geschichte Israels am dringendsten durch die Katastrophe des Exils, als alles zusammenbrach, was für den JHWH-Glauben bisher konstitutiv war. Auf diesem Hintergrund entwirft Dtjes eine kollektive Theodizee. Er will aufzeigen, dass JHWH auch weiterhin mächtig, weise und gütig handelt, d.h. sich als „gerecht“ (ṣadīq) erweist. Die geschichtlichen und prophetischen Bücher bezeugen anhand der Geschichte Israels und des Wirkens der Propheten, dass JHWH die Ereignisse bewirkt und vorausgesagt hat. Die kollektive Theodizee unterscheidet sich von der individuellen Theodizee, wie sie insbesondere das Hiobbuch und die Psalmen entfalten. Dort geht um die Rechtfertigung des Handelns JHWHs angesichts der Erfahrung des Leides. Die Urgeschichte (Gen 1 – 11) kann man als universale Theodizee verstehen. Sie rechtfertigt JHWH als den einzigen Gott, der die Welt mit souveräner Macht geschaffen hat und regiert. Er zeigt seine Güte, indem er sich dem Menschen trotz seines Fehlverhaltens gnädig zuwendet. Die heilsamen Ordnungen der Natur spiegeln seine Macht, Güte und Weisheit wider, die auch nach der durch die Sünde des Menschen verursachten Sintflut fortdauern. Es geht dabei um das Verhältnis von Gotteserfahrung und Welterfahrung. Der Mensch erwartet von Gott, dass er den Gang der Welt, der Gemeinschaft und des individuellen Lebens zielgerichtet, machtvoll und heilsam gestaltet. Der Glaube gerät in eine tiefe Krise, wenn sich die Wirklichkeitserfahrung nicht mehr mit der Vorstellung von Gott als mächtig, gütig und weise vereinbaren lässt. Dann ist es notwendig, die Existenz und Handlungsweise Gottes angesichts der gegenwärtigen Leiden und Katastrophen zu rechtfertigen. „Die in Geschichte wie persönlichem Leben geltende Gerechtigkeit Gottes, der die menschliche zu entsprechen hat, … kann als die charakteristische Form alttestamentlicher Bewältigung des Theodizeeproblems gelten. Sie bleibt jedoch immer an die Situation gebunden, die es religiös zu verarbeiten gilt. Eine Theodizee im Rahmen metaphysischer oder ontologischer Prämissen entwickelt die alttestamentliche Literatur nicht.“25
25 Köhlmoos, Theodizee, 217.
Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus
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2. Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus Zunächst sind einige Begriffe aus dem Bereich des Monotheismus zu klären, die in der gegenwärtigen Forschung oft unterschiedlich verstanden werden: Unter Monotheismus versteht man die Anerkennung und Verehrung eines einzigen Gottes, verbunden mit der ausdrücklichen praktischen und theoretischen Leugnung des Vorhandenseins anderer Götter. Monotheismus ist ein neuzeitliches Kunstwort, das erstmals 1680 bei dem englischen Theologen und Philosophen Henry More nachweisbar ist. Es bezeichnet die Überzeugung, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der folglich auch nur als einziger verehrt werden kann.26 Während der inklusive Monotheismus gegenüber polytheistischen Vorstellungen weitgehend tolerant ist, grenzt sich der exklusive Monotheismus scharf von anderen Göttern ab, die er als nichtexistent ansieht.27 Vom Monotheismus sind Aussagen zur Unvergleichlichkeit und Einzigartigkeit einer Gottheit zu unterscheiden, die auch im Rahmen eines polytheistischen Weltbildes möglich sind.28 Der Monotheismus ist von der Monolatrie zu unterscheiden, wonach man ebenfalls praktisch nur einen Gott verehrt, aber die Existenz anderer Götter nicht grundsätzlich bestreitet. In diesem Sinne proklamierte um 600 v.Chr. der im heutigen Iran wirkende Priester Zarathustra Ahuramazda als einzigen Gott.29 Eine weitere Form der Gottesverehrung ist der Henotheismus, d.h. die zeitlich begrenzte Verehrung eines Gottes bzw. eines Götterpaares oder einer Götterfamilie.30 Als Beispiel ist der letzte neubabylonische König Nabonid (ca. 609–539 v.Chr.) zu nennen, der den Kult des Mondgottes Sin im Sinne eines Henotheismus förderte und Marduk als oberste Gottheit absetzte.31 Vor ihm verehrte bereits der ägyptische Pharao Echnaton (1352–1326 v.Chr.) den Sonnengott Aton als höchsten, vielleicht auch einzigen Gott. Die Übergänge sind allerdings fließend: „Wenn etwa im Sinne von Monolatrie nur eine einzige Gottheit verehrt wird, so spielen andere Götter eben 6 Vgl. Gertz, Grundinformationen, 69. 2 27 Vgl. Petry, Entgrenzung, 392f. 28 Vgl. Wildberger, Monotheismus, 507. 29 S. u. S.104.176. 30 Vgl. Feldmeier/Spieckermann, Gott, 92. 31 S. u. S.56.95.104.175f.
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Begriffsklärungen
keine Rolle. Insofern ist Monolatrie sozusagen ein praktischer Monotheismus, während ein Monotheismus im ganz strengen Sinne eher eine philosophisch abstrakte Größe ist.“32 Im Zusammenhang mit dem monotheistischen bzw. monolatrischen Bekenntnis entwickelte sich in Israel das Konzept der Bildlosigkeit JHWHs, wie es insbesondere im Bilderverbot des Dekalogs (vgl. Ex 20,4f; Dtn 5,8) seinen Niederschlag fand. Der Begriff Polytheismus kommt erstmals bei Philo von Alexandria im ersten nachchristlichen Jahrhundert vor und bezeichnet eine Religion, in der eine Vielzahl von personhaft vorgestellten Gottheiten nebeneinander existieren, die man verehren kann.33 Sie stehen oft in gewissen Beziehungen zueinander und bilden manchmal eine Hierarchie von größeren und kleineren Gottheiten im Rahmen eines Pantheons. Im Bereich des Polytheismus kann man positive und negative Erfahrungen im Leben auf verschiedene Gottheiten verteilen. Dies ist im Rahmen eines monotheistischen Glaubens nicht möglich. Deshalb verschärft sich hier die Theodizeefrage. Nach Feldmeier/Spieckermann handelt es sich bei der Unterscheidung von Polytheismus und Monotheismus um eine Ermessensfrage: „In der Spätantike kann sich schließlich Polytheismus sowohl mit einem philosophisch-theoretischen Monotheismus als auch mit einem praktizierten Monotheismus verbinden, ohne dass beide auch nur partiell in Spannung zum Polytheismus gerieten.“34
2 Kreuzer, Entstehung, 4. 3 33 Vgl. Gertz, Grundinformationen, 70. 34 Gott, 93.
B. Die Erfahrung von Gottes Gerechtigkeit 1. Gotteserfahrung und Wirklichkeitsverständnis In der Antike war Gotteserfahrung ein allgemeines Phänomen, da die Existenz von Gottheiten als selbstverständliche Gegebenheit angenommen wurde. Die Gotteserfahrung Israels unterschied sich lange Zeit nur wenig von allgemeiner Gotteserfahrung, wie wir sie auch sonst insbesondere im semitischen Bereich finden. „Die Gottesfrage ist allgemein in der alten Welt … keine Sonderfrage, sondern Teil des umfassenden Wirklichkeitsverständnisses.“35 Gotteserfahrung und Welterfahrung lagen eng beieinander. Alles Geschehen wurde auf göttliches Handeln zurückgeführt, wobei die Wirksamkeit von Gottheiten zumeist lokal und funktional begrenzt war. Ein Atheismus im modernen Sinne ist dem alten Israel und seiner Umwelt unbekannt. Man kann JHWH vergessen (Jes 17,10), verlassen (Jes 1,4), verwerfen (Num 11,20), verschmähen (Dtn 31,20), sich gegen ihn auflehnen (1Kön 8,50; Jes 1,2), ihm die Treue brechen (Jer 3,20) oder den Rücken kehren (Jer 7,23). Man kann aber nicht seine Existenz leugnen. Nur die Toren leugnen Gott (Ps 14,1; 53,2; vgl. 10,4). Die Beziehung des Menschen zu Gott ist so natürlich und selbstverständlich wie die von Ochs und Esel zu ihrem Stall (Jes 1,3), oder wie ein Storch seine Zeiten kennt (Jer 8,7). Es gab damals noch keinen theoretischen, sondern höchstens einen praktischen Atheismus, d.h. man leugnete JHWHs Wirken in einer konkreten Situation. Nur so ist die Frage an den Beter zu verstehen: „Wo ist nun dein Gott?“ (Ps 42,4.11; vgl. 79,10; 115,2)36 Die Gegner des Beters können also an seinem Zustand nicht erkennen, dass Gott an seiner Seite steht. JHWH wurde als eine spezielle Manifestation der Gottheit verstanden, der sich durch seinen Namen von anderen göttlichen Manifestationen unterscheidet. Gott wurde „in, mit und unter“ der Wirklichkeit erfahren und interpretiert. Er geht zwar nicht in einer vorfindlichen Wirklichkeit auf, aber er geht in sie ein. „So sind alle Zusammenhänge menschlichen Lebens und
5 Knierim, Offenbarung, 211. 3 36 S. dazu u. S. 143ff.
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Die Erfahrung von Gottes Gerechtigkeit
alle Wesensseiten menschlichen Daseins Einbruchstellen des Heiligen.“37 Der Mensch im Alten Testament erlebte die gesamte Wirklichkeit als von göttlichen Mächten durchwirkt. Sein Bestreben ging dahin, diese göttlichen Mächte zu seinen Gunsten zu beeinflussen, und zwar insbesondere durch Kult, Opfer, Gebet und richtiges Verhalten. In den Phänomenen der Welt wurde das Handeln Gottes erfahren. Die modernen Begriffe transzendent und immanent bzw. natürlich und übernatürlich lassen sich auf das Alte Testament nicht ohne Weiteres anwenden. Das Geschehen in Leben und Welt wurde als immanent und transzendent zugleich erfahren und gedeutet. Auch die „natürlichen“ Ereignisse galten als von Gott in „übernatürlicher“ Weise gelenkt. Man rechnete viel intensiver, als wir es heute nachvollziehen können, mit dem Außergewöhnlichen und Überraschenden, d.h. mit dem Wunder, obwohl man wusste, wie sich das Leben normalerweise abspielt. Überall war die erfahrbare Wirklichkeit transparent auf Gott hin. Ereignisse im individuellen Leben wie im Leben der Gemeinschaft, der Natur und der Geschichte wurden unmittelbar mit Gottes Eingreifen in Beziehung gebracht. Das hebräische Wort für Gott ’ēl bzw ’ᵆlōhīm, akad. ilu, arab. allah ist appellativisch und nicht als Eigenname zu verstehen. Seine Etymologie ist umstritten. Es handelt sich wohl um ein Grundwort der Sprache, das philologisch nicht weiter aufzulösen ist. In der neueren Forschung besteht weithin Einigkeit darüber, dass das Wort ursprünglich das Bedeutungsfeld von Kraft und Macht analog zu dem in der Religionswissenschaft gebrauchten Begriff Mana umfasst.38 ’ᵆlōhīm ist als Plural von ’ēl aufzufassen und bringt die Fülle der Macht und Herrschaft Gottes zum Ausdruck. Es bezeichnet auch die Götter anderer Völker, oftmals ohne deren Existenz in Frage zu stellen (vgl. Jos 24,15 u.ö.). Auch Hausgottheiten (Ex 21,6) und Totengeister (1Sam 28,13) können ’ᵆlōhīm genannt werden. In Gen 6,1–4 und Hi 1f kommen die „Göttersöhne“ als zur Umgebung JHWHs gehörende Wesen vor. In einer Reihe von Redewendungen meint ’ᵆlōhīm den Superlativ oder die intensivierende Kraft, z.B. „Gottesfeuer“ = „großes Feuer“ (Hiob 1,16)
7 Mowinckel, Religion, 62. 3 38 Vgl. Schmidt, Art. ’ēl, 142; Mowinckel, Religion 35; Vorländer, Art. Elohim, 526.
Gotteserfahrung und Wirklichkeitsverständnis
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Auch die Epitheta, die gewöhnlich mit JHWH verbunden sind, deuten auf Macht bzw. Herrschaft hin, z.B. ba‘al „Herr“, mǽlǽk „König“, ’ādōn „Herr“, ’āb „Vater“, páḥad jişhāq „Schrecken Isaaks“ (Gen 31,42.53). Zahlreiche Wendungen des religiösen Lebens werden mit ’ᵆlōhīm gebildet, z.B. „gottesfürchtig“ (Gen 22,12), „Gott befragen“ (Ri 18,5) oder „Gotteserkenntnis“ (Hos 4,1). Propheten und andere Führer Israels tragen den Titel „Mann Gottes“ (1Kön 17,18 u.ö.), um ihre außergewöhnliche, von Gott verliehene Vollmacht zum Ausdruck zu bringen. Ihr Handeln wird oft auf den „Geist Gottes“ zurückgeführt (Num 24,2 u.ö.).39 In der umstrittenen Stelle Ps 45,7 wird sogar der König mit ’ᵆlōhīm angeredet. Nach Gen 1,26f wurde der Mensch nach dem „Bild Gottes“ geschaffen. ha-’ᵆlōhīm mit Artikel meint in Gen 20,6 u.ö. JHWH als den Gott schlechthin, unter dessen universaler Herrschaft Natur, Geschichte und Völkerwelt stehen. Wenn ein Mensch Gottes Gegenwart erfährt, begegnet er demnach außergewöhnlicher Macht. Allerdings tritt das Element des Personhaften hinzu. Unterpersönliche und dynamistische Rudimente sind auch noch in alttestamentlichen Gotteserfahrungen zu erkennen. Das Sein Gottes wird im Alten Testament als Wirksamsein und Mächtigsein verstanden und erfahren. Das hebräische Verb „sein“ (hjh) bezeichnet nach Ratschow40 „lebendig, kraftgeladen aus sich wirksam sein“. Görg41 spricht von der „Charakteristik machtvoller und zugreifender Präsenz“ Gottes. Die Definition JHWHs in Ex 3,14 („Ich bin, der ich bin“) bedeutet nach von Soden42 „er erweist sich dauernd (als kraftvoller Helfer)“, wobei von Soden auf die akkadischen ibassi-Namen hinweist. In ihnen stellt der Namengeber dankbar fest, „dass die Macht und Güte seines Gottes sich in seinem Leben manifestiert“ hat, und er rechnet damit, „dass sie sich auch weiter manifestieren wird“. Wolff43 übersetzt: „(Gott) erweist sich als der,unvergleichlich Wirksame‘“, Bartelmus44: „ich werde sein, wer immer ich sein werde“. Beim Sein Gottes geht es also um mehr als nur
9 S. dazu u. S. 36. 3 40 Werden, 50. 41 Ich bin, 214ff. 42 Jahwe, 176ff. 43 Jahwe, 399f. 44 HYH, 232.
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die statische Perspektive des Dabeistehens, sondern um den „funktionalen Sinn des helfenden Begleitens“45. Das Sein der Götter entscheidet sich an ihrem machtvollen Handeln.46 Dies gilt auch für JHWH.47 Israel war nicht an der Frage der Existenz JHWHs als solcher interessiert, sondern in erster Linie an seinem Handeln, nicht an seinem An-sich-Sein, sondern an seinem Wirksamsein.48 Die Macht Gottes kann auch als numinos bzw. heilig bezeichnet werden. Es handelt sich nämlich um eine geheimnisvolle Kraft, die von aller irdischen und menschlichen Kraft qualitativ unterschieden ist. Nach Jacob49 ist Heiligkeit „als Bezeichnung des Wesens Gottes nicht eine Eigenschaft neben andern“, sondern das „Gottesprädikat schlechthin“. Das hebräische Wort qādōš „heilig“ meint „abgesondert“, ähnlich wie das lateinische Wort sanctus von sancire „trennen“ abzuleiten ist. Heilig wird im Sinne des Machtgeladenen verstanden, das sowohl positiv wie negativ wirken kann. Von der bedrohlichen Macht des Heiligen berichtet 1Sam 6,20, wonach Menschen getötet werden, wenn sie dem Heiligen zu nahe kommen. Insgesamt formt das Alte Testament „den Begriff der Heiligkeit um und zieht ihn aus seiner unterpersonhaften Sphäre in den Bereich des Gottes, der als Ich von dem Du angeredet wird“50. Otto51 hat die Gotteserfahrung mit den Begriffen numen tremendum und numen fascinosum umschrieben: Wenn der Mensch dem Göttlichen begegnet, erschrickt er einerseits und wird gleichzeitig von der Erscheinung merkwürdig angezogen. Es besteht eine Ambivalenz zwischen Abstand und Verbundenheit, Erschrecken und Freude. Man könnte sagen, dass der Mensch von der lebensfördernden Macht Gottes angezogen wird, weil er diese für die Existenz des Einzelnen und der Gemeinschaft braucht. Gleichzeitig erschrickt er jedoch vor der lebensbedrohenden Macht JHWHs, die ihn vernichten kann. Nicht nur das Numinose der Gotteserfahrung zieht
5 Görg, Ich bin, 221. 4 46 Vgl. Ri 6,3; 10,14; 1Kön 18,21.27.2Kön 18,33; Dtjes 44,9. 47 Vgl. Dtjes 40, 18; 43,10–13; Jer 2,27f; Hos 13,4. 48 Vgl. Westermann, Loben, 499. 49 Gott, 586. 50 Ratschow, Werden 50. 51 Das Heilige, 55.
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den Menschen an oder stößt ihn ab, sondern seine lebensfördernde oder lebenszerstörende Macht. Nach dem Bericht von Ex 3,1–5 will Mose das Wunder sehen und erschrickt zugleich vor der Heiligkeit des Ortes. Der Mensch erkennt das Andersartige, das wirklicher und mächtiger ist als alles andere. Er reagiert mit Ehrfurcht und Staunen, Scheu und Demut. Die Größe JHWHs wirkt furchterregend.52 Die Heiligkeit JHWHs manifestiert sich in Gestalt des kābōd als ihrer nach außen wirkenden Macht. Sie kann Wunder vollbringen (Ex 15,11), aber auch verzehrend wirken (Ex 33.5; Lev 10,1–7; Num 31,16). Menschen müssen sterben, wenn sie JHWH sehen.53 Sogar das Hören seiner Stimme tötet (Ex 20,19). Wer den Berg Gottes anrührt, muss sterben (Ex 19,12; 34,3). Die alttestamentliche Gotteserfahrung beinhaltet die Begegnung mit der Macht JHWHs, die sich positiv oder negativ auswirken kann. JHWH handelt nicht nur machtvoll, sondern auch gütig, gerecht und weise. Sein Handeln ist nicht willkürlich, sondern dient dem Ziel, Leben zu fördern und zu bewahren. Trotz aller Leiderfahrungen wird der Gott Israels als ein den Menschen zugewandter Gott erfahren, der nicht ihr Verderben, sondern ihr Heil will.
2. JHWH und die anderen Götter im vorexilischen Israel Bis in die 1980er Jahre herrschte in der alttestamentlichen Wissenschaft die Auffassung vor, dass der JHWH-Glaube von Anfang an von seinem Ausschließlichkeitsanspruch bestimmt war und sich deutlich von den kanaanäischen Religionen unterschied.54 Nach v. Rad55 ist der Jahwismus
52 Vgl. Dtn 5,24; Jos 4,14; Jes 5,16; 57,15; Ez 38,23; Mal 1,6. Der Mensch reagiert auf die Begegnung mit Gott mit Schaudern und Furcht. jr’ meint das Erschauern bei einer Gottesbegegnung (Gen 28,17; Ex 3.6; 20,18; Dtn 5,5), nach einem Machtbeweis JHWHs (Jes 25,3; 41,5; Jer 10,7), z.B. beim Exodus (Ex 14,31; vgl. 34,30; Jos 4,14; 1Sam 12,18). Häufig wird die Gottesfurcht aus dem numinosen Erlebnis der Theophanie abgeleitet, wobei man sich insbesondere auf Ex 20,18–20; Ri 6,20f; Jes 6; Ez 1 bezieht. Andererseits finden sich in den Vätergeschichten Berichte von Gotteserscheinungen ohne numinosen Aspekt, z.B. Gen 15,1ff; 26,24f; 46,2ff. 53 Vgl. Ex 33,20; Ri 13,22; Ri 13,22; Jes 6,5; Jer 30,21. 54 Vgl. Zum Folgenden v.Oorschot, Gott, 115ff. 55 Vgl. v. Rad, Theologie I, 13ff.
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ohne die Forderung der alleinigen Verehrung JHWHs nicht denkbar, „denn der Ausschließlichkeitsanspruch des Jahweglaubens hat ja von Anfang an kein friedliches Nebeneinanderexistieren der Kulte geduldet. Ein Jahwekultus ohne das erste Gebot ist wirklich nicht vorstellbar.“56 In Vergessenheit geriet, was schon Wellhausen vor über hundert Jahren lapidar feststellte: „Der Monotheismus war dem alten Israel unbekannt.“57 Ich habe bereits in meiner 1978 erschienenen Arbeit die Meinung vertreten, dass das jehowistische Geschichtswerk mit seinem heilsgeschichtlichen Aufriss und dem darin vorausgesetzten Monotheismus erst in exilisch-nachexilischer Zeit entstanden sein kann.58 Durch neuere Forschungen59 zum sog. Gott der Väter im Sinne von A. Alt, zum sog. kleinen geschichtlichen Credo im Sinne von G. v. Rad und zum sakralen Stämmebund (Amphiktyonie) im Sinne von M. Noth wurde das klassische Bild der Religionsgeschichte Israels immer mehr in Frage gestellt.60 Hinzu kamen die Funde in Kuntillet ‘Agrūd bei Beerscheba und Khirbet el-Qōm bei Hebron aus dem 9./8. Jahrhundert, in denen Gottesbezeichnungen wie „JHWH von Samaria“, „JHWH von Theman“ und „JHWH und seine Aschera“ vorkommen. Überall in Palästina wurden Götterfigurinen gefunden. Deshalb geht die gegenwärtige Forschung überwiegend davon aus, dass das vorexilische Israel polytheistisch bzw. synkretistisch bestimmt war und sich in seiner Volksfrömmigkeit wenig von seinen Nachbarn unterschied.61 Das Alte Testament selbst verschweigt nicht, dass die Israeliten neben JHWH auch andere Götter verehrten, die oft pauschal Baale und Astarten genannt werden.62 Sogar im JHWH-Tempel von Jerusalem stand eine Aschera. Sie wurde nach dem Bericht von 1Kön 15,13 von der Königinmutter Maacha aufgestellt und von ihrem Sohn Asa beseitigt. Später hat König
6 A.a.O., 35. 5 57 Geschichte, 29. 58 Vgl. Vorländer, Entstehungszeit. 59 Vgl. Vorländer, Gott, 169ff; Albertz, Frömmigkeit. 60 Vgl. Köckert, Gott, 138ff; Kaiser, Glaube, 3ff. 61 Vgl. Vorländer, Monotheismus, 98ff; Zapff, Monotheismus, 27; Petry, Entgrenzung, u.a. 62 Ri 2,1ff; 3,7; 8,27; 10,6; 1Sam 12,10; 2Kön 17,7ff; Jer 2,7; Ez 16,16ff; Am 3,14; 8,14; Hos 1–3; 8,4–6.11–13; 10,1.5.; 11,1ff; Am 3,14; 8,14. Als Paare gehören El und Aschera, Baal und Anat zusammen.
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Manasse von Juda ein Standbild der Göttin aufstellen lassen (vgl. 2Kön 21,7; 23,4). Der Jerusalemer Tempel wurde auf einem alten jebusitischen Kultort gebaut (vgl. 2Sam 24). Manches spricht dafür, dass Salomo das dort vorgefundene Heiligtum lediglich renoviert und erweitert hat. Bereits Soggin vermutete einen „offiziell geförderten Synkretismus während des 10. Jahrhunderts“.63 Die Propheten kritisierten allerdings aufs Schärfste die Anfälligkeit der Israeliten für den Götzenkult: „Denn so viele Städte, so viele Götter hast du, Juda“, ruft Jeremia in 2,28 aus. Polytheistische Anklänge finden sich in Dtn 32,8f: „Als der höchste Gott (’ēl ‘æljōn) den Völkern Land zuteilte und der Menschen Kinder voneinander schied, da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israels. Denn JHWHs Teil ist sein Volk, Jakob ist sein Erbe.“ In Ps 82,1 heißt es: „Gott steht in der Gottesversammlung, inmitten von Göttern hält er Gericht.“ Nach Ps 89,6–8 gehört JHWH zum himmlischen Götterrat, der von El geleitet wird.64 Wie K. Schmid65 allerdings zutreffend feststellt, müssen diese Texte nicht als „polytheistische Fenster“ in die Königszeit verstanden werden, sondern sind ähnlich wie Gen 6,1–4 und Hi 1f in nachexilische Zeit zu datieren, wo sich sowohl polytheisierende als auch monotheistische Aussagen finden. Als oberster Gott wurde offensichtlich vielfach der aus Ugarit bekannte Götterkönig El verehrt. Eißfeldt hat richtig beobachtet, dass El im Alten Testament nirgendwo bekämpft oder kritisiert wird, vielmehr – ganz anders als bei Baal, dem „Erzfeind“ JHWHs – ein friedliches Nebeneinander von El und JHWH vorherrscht.66 Dies gilt auch für das 1. Gebot des Dekalogs nach Ex 20,2f: „Ich bin JHWH, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (Vgl. 22,19; 23,13; Dtn 5,6f) Der Satz besagt lediglich, dass die Israeliten ausschließlich JHWH als ihren Gott verehren sollen und bestreitet nicht grundsätzlich die Existenz anderer Götter. Der Dekalog gehört somit in den Bereich der Monolatrie, nicht des Monotheismus. Weder das Altargesetz in Ex 20,24
3 Synkretismus, 179ff. 6 64 Vgl. auch 1Kön 22,19; Jes 6,1–6; Hi 1–2. 65 Reste, 1. 66 El, 386ff.
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noch das Kultzentralisationsgebot in Dtn 12,13–18 polemisieren gegen andere Götter. „Beide setzen jedoch voraus, dass Opfer auf den der (Groß-) Familie übergeordneten Ebenen (wenn nicht ausschließlich so doch gewöhnlich) JHWH dargebracht werden.“67 In Ri 11,23f lässt Jephtah dem Moabiterkönig ausrichten: „So hat nun JHWH, der Gott Israels, die Amoriter vertrieben vor seinem Volk Israel, und du willst ihr Land einnehmen? Du solltest das Land derer einnehmen, die dein Gott Kemosch vertreibt, uns dagegen das Land derer einnehmen lassen, die JHWH, unser Gott, vor uns vertrieben hat.“ JHWH und Kemosch stehen demnach auf gleicher Ebene. Ihre Völker können Kriege nur gewinnen, wenn ihre Götter ihre Heere zum Sieg führen. JHWH übt ähnlich wie Kemosch die Funktion eines Nationalgottes aus. Oft stehen Menschen zu einzelnen Gottheiten in einem persönlichen Verhältnis, das durch Familie und Sippe vorgegeben ist.68 Sie nennen diese Gottheit „meinen Gott“, „Gott meines Vaters“ o.ä. und bezeichnen sich selbst als Söhne oder Knechte ihres Gottes. Jede beliebige Gottheit kann als persönlicher Gott für das Individuum und seine Familie fungieren.69 Die persönliche Beziehung beginnt gewöhnlich mit der Geburt oder mit einem feierlichen Akt in einer persönlichen Lebenssituation (vgl. Gen 28,10ff). Diese persönliche Frömmigkeit wird von Albertz als „religionsinterner Pluralismus“70 bezeichnet. Nach seiner Meinung enthält die Religion der Familie auch eine Tendenz zur inklusiven Monolatrie, da sich eine Familie notwendigerweise auf eine oder wenige Gottheiten konzentriert.71 Es gibt im Alten Testament Anhaltspunkte, dass auch die Israeliten solche persönlichen Gottheiten im Rahmen eines Privatkultes verehrten.72 So hält sich nach dem Bericht von Ri 17f ein reicher Israelit einen Privatpriester für sein kostbares privates Götterbild, das auch Terafim genannt wird (vgl. 7 Petry, Entgrenzung, 386. 6 68 Vgl. die umfassende Dokumentation über „Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant“ von Albertz/Schmitt, die die archäologischen, ikonographischen, epigraphischen und biblischen Befunde gründlich auswerten. 69 Vgl. Vorländer, Gott, 169ff; Albertz, Frömmigkeit; ders., Religionsgeschichte 1, 47ff. 70 Religionsgeschichte I, 144ff. 71 Albertz/Schmitt, Religion, 362. 72 Vgl. v.d.Toorn, Religion, 3ff.
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Gen 31,34).73 Viele Israeliten tragen Baal-haltige Namen74 bis hinein in die Familie und Umgebung des Königs, was in Analogie zur altorientalischen Namengebung darauf schließen lässt, dass sie einen lokalen Baal oder eine Astarte als persönliche Gottheit verehrten. Darauf deuten auch die ikonographischen Zeugnisse in Gestalt von Siegeln, Siegelabdrücken und Statuetten hin.75 Auch die sog. Vätergötter gehören keineswegs einer nomadischen Sonderreligion an, sondern sind dem Typus eines persönlichen Gottes zuzuordnen.76 Nach Ex 6,2 sind sie von JHWH unterschieden, werden aber nachträglich mit ihm identifiziert. Niemann weist zu Recht auf die Ortsfrömmigkeit hin, die als „mittlere Ebene“ zwischen der „persönlichen Frömmigkeit“ und der „Nationalreligion“ angesiedelt war.77 Neben der Verehrung von persönlichen und örtlichen Gottheiten gab es in Juda auch den Staatskult. Aus 2Sam 7 ist zu schließen, dass David sich JHWH zum persönlichen Gott seiner Dynastie erwählte, und dieser fortan zugleich als Staatsgott fungierte. Somit diente der Jerusalemer Tempel sowohl als Privatheiligtum des Königs als auch als Staatstempel. Dem einfachen Israeliten standen die lokalen Baale und Astarten im Rahmen ihrer Volksreligion allerdings viel näher als der Staatsgott JHWH. An sie wandte er sich in seinen alltäglichen Anliegen, indem er ihnen auf den Kulthöhen (bāmōt) opferte. Zusammen mit dem Königshaus pflegte insbesondere die judäische Oberschicht die persönliche JHWH-Verehrung. Darauf deuten die sog. Samaria-Ostraka hin, in denen die höheren Beamten wesentlich häufiger JHWH-haltige Namen tragen als das einfache Volk.78 Von Jerusalem aus verbreitete sich die JHWH-Verehrung besonders in Juda. Deshalb kommen
73 Vgl. die Geschichten von Davids Frau Michal (1Sam 19,12f) und Jakobs Frau Rahel (Gen 31,19ff) mit ihren Götterfiguren. 74 Die Söhne Sauls heißen Ischbaal und Meribaal (vgl. 2Sam 2,4; 21,7), Gideons ursprünglicher Name lautet Jerubaal (Ri 6,32; 7,1), ein Sohn Davids heißt Baaljaba (1Chron 14,7), ein Sohn Jonathans Mefibaal (2Sam 4,4), ein Beamter Baalhanan (1Chron 27,28). Weitere Belege sind bei Vorländer (Gott, 228f) aufgeführt. 75 Vgl. Kaiser, Glaube, 90. 76 Vgl. Vorländer, Gott, 184ff. 77 Herrschaft, 280. 78 Vgl.Tigay, Gods, 41.
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gegen Ende der Königszeit in außerbiblischen Dokumenten immer mehr Namen mit dem Element JHWH vor.79 Diese Entwicklung kann als Bewegung hin zur Monolatrie gedeutet werden.80 Nach Petry81 war der Staatskult sogar „faktisch monolatrisch“. Dennoch muss angenommen werden, dass der JHWH-Glaube in vorexilischer Zeit noch keinen Anspruch auf Exklusivität erhob. So befürchtet David, dass er außerhalb seines Landes den Kontakt zu JHWH verliert und andere Götter anbeten muss (1Sam 26,19). Wenn Elia nach dem Bericht von 1Kön 18,36 bekennt, dass JHWH der Gott in Israel ist, fordert er nicht die Anerkennung der alleinigen Existenz JHWHs. Noch der sehr späte Text Mi 4,5 stellt die JHWH-Verehrung zu der Anbetung anderer Götter durch ihre Völker in Parallele: „Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes. Wir aber wandeln im Namen JHWHs, unseres Gottes, immer und ewig.“ Ruth sagt zu ihrer Schwiegermutter: „Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ (Ru 1,16) Es gab in Israel allerdings kein polytheistisches System wie in Griechenland oder Rom. „Erst mit dem Exil setzt sich nach vorhergehenden monolatrisch-henotheistischen Ansätzen ein dezidierte Monotheismus auf breiterer Basis durch, um alsbald zurückgespiegelt zu werden in die israelitische Ursprungsgeschichte, die sich historisch geurteilt in religiöser Hinsicht von ihrer Umwelt kaum oder nur sehr bedingt unterschied.“82 Auch ist für das vorexilische Israel mit einer ethnischen Absonderung noch nicht zu rechnen. Mehrere Könige gehen nach dem Bericht des deuteronomistischen Geschichtswerkes Mischehen mit ausländischen Frauen ein, z.B. Salomo (1Kön 11,1) und Ahab (1Kön 16,31). Erst nach dem Exil setzte sich die strenge Absonderung von anderen Völkern als Folge des monotheistischen Bekenntnisses zu JHWH durch.83
9 Vgl. Vorländer, Gott, 101. 7 80 Keel (Geschichte, 861) rechnet bei der von ihm „Nationalreligiöse“ genannten Gruppe am Königshof bereits in vorexilischer Zeit mit einem „partikulären Monotheismus“. 81 Entgrenzung, 388. 82 Wenz, Gott, 93. 83 S. u. S.178f.
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Dieses Bild bestätigt sich durch die Funde von Elephantine.84 Diese jüdische Militärkolonie bei Assuan in Oberägypten wurde wahrscheinlich von den Persern im 6. vorchristlichen Jahrhundert gegründet. Nach den uns erhaltenen Texten verehrten die auf der Insel lebenden Juden zwar JHWH als ihren Hauptgott, doch spielte daneben eine Göttertrias, bestehend aus Ascham-Bethel, Anat-Bethel und Haram-Bethel eine Rolle. Sie schworen zwar im Namen JHWHs, riefen aber auch ägyptische und babylonische Gottheiten an, wie Bel, Nabu, Schamasch, Nergal und Chnum. Im Mittelpunkt stand der JHWH-Tempel, doch waren die Elephantine-Juden keineswegs Monotheisten. Die im Dtn geforderte Kultzentralisation war ihnen offensichtlich unbekannt. Denn ihre Oberhäupter fragten sowohl in Jerusalem als auch in Samaria an, ob sie ihren zerstörten JHWH-Tempel wiederaufbauen dürften.85 So wird man sich der Meinung von Meyer86 anschließen dürfen, wonach die Verhältnisse in Elephantine als repräsentativ für die judäische Volksreligion vor dem Exil zu gelten haben. Viele Forscher nehmen an, dass die JHWH-Verehrung ursprünglich aus dem Süden stammt.87 JHWH gehört dem Typus eines Wetter- oder Berggottes an, der vielleicht von Nomaden verehrt wurde.88 Sein Name lautete möglicherweise ursprünglich „Jah“ o.ä. De Moor89 vermutet auf Grund von archäologischen Befunden, dass ein Ahnherr oder König zum Gott unter dem Namen Yahwi Ilu als Mitglied des kanaanäischen Pantheons in der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends erhoben wurde. Er stieg später als YHWH El zum obersten Gott auf, ähnlich wie Amun-Re in Ägypten oder Marduk in Babylonien. Unter David kam die JHWH-Verehrung wohl nach Jerusalem.
4 Vgl. Gertz, Grundinformation, 171. 8 85 Vgl. Vorländer, Monotheismus 103. 86 Vgl. Meyer, Papyrusfund, 40. 87 Vgl. z.B. Rösel, Gott, 38; Kaiser, Glaube. 88 Mit JHWH werden die Wüste (Ps 68,5), der Berg Sinai (Ri 5,5f; Ps 68,9.18) und die Gebirge Paran und Teman (Hab 3,3) in Verbindung gebracht. Er wohnt in einem Zelt (Ex 33,7–11; Num 12,5–10; Dtn 31,14f). Nach dem Bericht von 1Kön 20,23.28 halten die aramäischen Strategen JHWH für einen „Gott der Berge und nicht der Täler“ und werden dennoch von den Israeliten in der Ebene besiegt. 89 Rise, 223ff.
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Feldmeier/Spieckermann rechnen damit, „dass auch Yhwh selbst wie die altsyrisch-kanaanäischen Gottheiten El, Baal und Aschera zunächst in lokalen und regionalen Erscheinungsformen als Yhwh von Samaria, Yhwh von Teman und gewiss auch als Yhwh von Jerusalem verehrt worden ist.“90 Nach Meinung der beiden Forscher steht in den meisten alttestamentlichen Texten nicht die Frage, ob es einen oder viele Götter gibt, im Mittelpunkt, sondern „was der eine Gott Yhwh für die Seinen bedeutet“91. In der Königszeit gab es Gruppen, „die die Differenz zwischen JHWH und anderen Göttern und deren Kultformen besonders akzentuiert haben“. Lang92 nennt sie eine „Jahwe-allein-Bewegung“ ohne Göttin, die mit Hosea zusammenhängt.93 Lang94 unterscheidet für die Spätzeit des Alten Testaments den „absoluten, exklusiven Monotheismus, der die Existenz aller anderen Götter wie bei Deuterojesaja ausdrücklich leugnet, von einem monarchischen, inklusiven Monotheismus, der JHWH an die Spitze eines ihm untergeordneten Pantheons setzt“ (vgl. Ps 82,1; 95,3; 96,4f). Eher unwahrscheinlich ist allerdings seine Vermutung, dass bereits angesichts der Assyrerbedrohung im Jahr 701 v.Chr. Texte gesammelt wurden als Vorstufe zur deuteronomischen Monolatrie. Fraglich ist auch, ob es eine Kultreform unter Josia tatsächlich gegeben hat (vgl. 2Kön 22f), zumal in Ez 14 - 16 weiterhin die Götzenverehrung in Jerusalem kritisiert wird. Es ist jedoch wohl mit einer Bewegung zu rechnen, an die die Exilsgemeinde anknüpfen konnte. „In der Exilszeit geschah nun der eigentliche gedankliche Durchbruch zu einer Gottesvorstellung, die man monotheistisch nennen kann, weil sie die Existenz anderer Götter ausschloss.“95 Niehr96 vertritt die These, dass es in Palästina nicht so sehr um den Monotheismus ging, sondern um die Frage, wer der höchste Gott sei. JHWH hat die Funktion des „Herrn des Himmels“ (Baalschamin) sowie des in Jerusalem verehrten Sonnengottes übernommen und wurde somit zum höchsten
0 Gott, 94. 9 91 Gott, 95. 92 Lang, Bewegung, 47ff. 93 Ähnlich Beck, Elia, 6ff. 94 Monotheismus, 559f. 95 Lang, Art. Monotheismus, 843. 96 Gott, 44ff.
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Gott (’ēl ‘æljōn). In diesem Prozess der „Solarisierung“ des JHWH-Kultes übernimmt er mythische Elemente, z.B. die Vorstellung des himmlischen Thronrats, des Götterberges als Sitz des höchsten Gottes und der Herrschaft über Schöpfung und Chaos (vgl. Ps 74,13–17; 89,10f). Auch Keel97 vermutet, dass der in Jerusalem verehrte Sonnengott bereits vor dem Exil mit JHWH identifiziert wurde. Mit der Solarisierung JHWHs hängt auch die alttestamentliche Vorstellung von JHWHs Gerechtigkeit eng zusammen.98 Der Monotheismus hat einerseits die Theodizeefrage radikalisiert, da man jetzt nicht mehr wie im Polytheismus Gutes und Böses auf verschiedene Gottheiten verteilen kann.99 Andererseits bot das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Gott die Antwort auf die durch das Exil ausgelöste Theodizeefrage, wie noch zu zeigen sein wird.
3. JHWHs Gerechtigkeit Die hebräischen Begriffe für Gerechtigkeit ṣ ͤ dāqā bzw. ṣǽdæq haben in jüngerer Zeit eine neue Deutung erfahren. Gerechtigkeit bezeichnet im Alten Testament nicht eine abstrakte Norm oder höchste Tugend, sondern ein Verhältnis. Somit handelt es sich nicht primär um einen juristischen, sondern um einen auf die Gemeinschaft bezogenen Begriff. Koch100 übersetzt ihn deshalb mit „Gemeinschaftstreue“. Gerecht ist, wer den Forderungen eines Gemeinschaftsverhältnisses entspricht. JHWH ist gerecht, wenn er seine Macht, Güte und Weisheit zugunsten der ihm anvertrauten Menschen einsetzt. Seine Gerechtigkeit meint demnach keine abstrakte Eigenschaft, sondern seine konkreten Taten. „Die Gerechtigkeit Gottes besteht darin, dass er den Seinen hilft. Sie ist ein gemeinschaftsbezogener Begriff. … Gott hilft, weil er ‚gerecht‘ ist, und er ist ‚gerecht‘, weil er hilft.“ Gerecht ist also, „wer zur Gemeinschaft steht und wer für die Gemeinschaft eintritt.“101 JHWHs ṣ ͤ dāqā meint die Gemeinschaft, die zwischen ihm und dem Volk besteht. JHWH handelt gerecht (ṣaddīq), indem er Israel Heil zuteilwerden lässt, d.h. Frieden, Wohlstand, Sieg über die Feinde, 7 Geschichte, 1271ff. 9 98 Vgl. Janowski, JHWH, 199ff. 99 S. dazu u. S. 181. 100 Vergeltungsdogma, 1ff. 101 Köhler, Theologie, 16.
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Ordnung und Recht. Koch übersetzt deshalb ṣaddīq mit „gemeinschaftstreu/heilvoll sein“.102 Nach Koch103 sah das alte Israel „das Schicksal des Menschen in seiner Guttat oder Übeltat begründet. Durch sein Tun ‚schafft‘ der Mensch sich eine Sphäre, die ihn bleibend heil- und unheilwirkend umgibt. … Diese Sünde-Unheil oder Guttat-Heil-Verhaftung wird in allen alttestamentlichen Traditionen mit dem Handeln JHWHs in Verbindung gebracht. JHWH setzt diese Zusammenhänge in Kraft, indem er die Tat am Täter wirksam werden lässt, sie auf ihn zurücklenkt und vollendet.“ Dieser Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen, zwischen Lebenshaltung und Lebensschicksal ist Teil einer umfassenden Ordnung. Indem der Mensch Gottes Nähe in einem erfüllten Leben erfährt, erfährt er zugleich seine Gerechtigkeit. Wenn Gotteserfahrung und Lebenserfahrung übereinstimmen, dann erweist JHWH seine Gerechtigkeit und der Mensch ist ṣaddīq, d.h. in einem „Zustand gesunden, unangefochtenen heilvollen Ergehens“104. JHWH hält durch den Tun-Ergehen-Zusammenhang die Ordnung des Lebens aufrecht.105 H.H. Schmid106 versteht ṣ ͤ dāqā in umfassender Weise als „die richtige, jahwegewollte heilvolle Ordnung der Welt“, der alle Gaben der Natur, der Sieg über die Feinde, das Königtum, die Weisheit und das Leben insgesamt zu verdanken sind. Er zieht insbesondere die ägyptische Maat zum Vergleich heran, die sich in Recht, Weisheit, Natur, Sieg über Feinde, Kult und Königtum entfaltet.107 „Deuterojesaja setzt ein mit der Feststellung, dass die Schuld nun vollständig gesühnt sei und das Heil vor der Türe stehe (Dtjes 40,1f). Auch dies entspricht dem skizzierten Schöpfungsdenken: Sobald die gestörte Ordnung durch die Strafe (hier: des Exils) wiederhergestellt ist, kommt die Welt wieder zu ihrer Ordnung, wird sie wieder heil.“ ṣ ͤ dāqā ist somit als „universale Weltordnung“ zu verstehen.108 02 Art. ṣdq, 507ff. 1 103 Vergeltungsdogma, 31. 104 Koch, Art. ṣdq, 516f. 105 Koch knüpft an Fahlgrens Vorstellung einer „synthetischen Lebensauffassung“ an, wobei Janowski (Tat, 191) vor dem Missverständnis warnt, „als habe menschliches Tun so etwas wie ontische Qualität“. 106 Gerechtigkeit, 78ff. 107 Schmid, Gerechtigkeit, 56. 108 Schmid, Schöpfung, 6f.
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Israel erfährt JHWHs Gerechtigkeit, solange es ihm durch sein Verhalten gerecht wird. Was Koch für das Verhalten des Individuums aufgezeigt hat, gilt auch für das Volk als Ganzes. JHWH stellt seine Gerechtigkeit unter Beweis, indem er sich seinem Volk machtvoll und gnädig zuwendet. Oft stehen deshalb bei Dtjes Heil und Gerechtigkeit in Parallele (Dtjes 45,8; 46,13; 51,5–7), sowie Friede und Gerechtigkeit (Dtjes 48,18; vgl. 54,14). Seine Gerechtigkeit beinhaltet Stärke (Dtjes 41,10) und ist somit mit der Dimension von Macht verknüpft. Dabei meint ṣǽdæq die Heilstat und ṣedāqā das Heilhandeln JHWHs (vgl. Dtjes 42,6; 45,23f). In Dtjes 45,21 wird JHWH ein „gerechter und rettender Gott“ (’ēl ṣadīq umōšija) genannt (vgl. Sach 9,9). In folgenden Texten wird von den „Gerechtigkeiten JHWHs“ (ṣidqōt JHWH) im Sinne von Heilstaten geredet: „Laut jubeln die Hirten zwischen den Trinkerrinnen. Dort singen sie von den ‚Gerechtigkeiten JHWHs‘“ (Ri 5,11). „So tretet nun her, dass ich mit euch rechte vor JHWH wegen aller ‚Gerechtigkeiten‘109 JHWHs, die er an euch und euren Vätern getan hat.“ (1Sam 12,7; vgl. Mi 6,5) Gottes Gerechtigkeit bildet die Grundlage für die zwischenmenschliche Gerechtigkeit. Sie liegt im Wesen Gottes begründet (vgl. Ps 71,2; 143,112). Sie drückt Gottes Heils- und Gerichtsmacht aus (Dtn 33,23), sodass das Vertrauen auf seine Zusagen (Gen 15,6) und das Eintreten für Gottes Anliegen (Ps 106,31) als Gerechtigkeit angesehen wird. Gottes dauerhafte Gerechtigkeit lässt sich an seinen Taten erkennen, die er Israel erwiesen hat (Ps 111,2–8). Seine Herrschaft ist bestimmt von Recht und Gerechtigkeit (Ps 33,5; 36,7; 97,2), so dass der Beter Gottes Gerechtigkeit preist (Ps 7,18; vgl. 48,11f; 65,6; 97,6).110 Nach Janowski111 wird aus Ps 82,5 deutlich, „dass das Gottsein Gottes vom Begriff der Gerechtigkeit her definiert wird“, da die anderen Götter nicht „Recht und Gerechtigkeit in der Welt der Menschen garantieren“.
09 Die neue Lutherbibel übersetzt „Wohltaten“. 1 110 S. dazu u. S. 147. 111 Gott, 50.
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4. Die Erfahrung von JHWHs Gerechtigkeit im Leben des Einzelnen112 JHWH handelt gerecht im Leben eines Menschen, indem er ihm seine Macht, Güte und Weisheit zuwendet. Der Mensch kann JHWHs Gerechtigkeit in seinem Leben konkret erfahren. Dabei muss man bedenken, dass Leben damals anders als heute verstanden wurde. Wir Heutigen begreifen Leben von unserem modernen naturwissenschaftlichen Denken her als einen Vorgang, der nach bestimmten physiologischen Gesetzen abläuft. Für das Alte Testament ist Leben ein zu Gott hin offener Prozess. Nach Gen 2,7 hat Gott dem ersten Menschen den Lebenshauch (rū ͣ ḥ̣) eingegeben. Dieser Vorgang wiederholt sich bei jeder Geburt. Leben ist für die Menschen der Bibel ein letztlich unerklärliches, wunderbares Geschehen, das ständig von lebensfeindlichen Mächten bedroht ist. Nur die machtvolle, dem Menschen zugewandte Gegenwart Gottes kann dem Leben Bestand verleihen. Gott ist in einem direkten Sinn die „Quelle des Lebens“ (Jer 2,13; Ps 36,10). Jederzeit kann Gott seine Lebenskraft (rū ͣ ḥ) zurückziehen: „Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie (d.h. die Geschöpfe), nimmst du ihren Odem (rū ͣ ḥ) weg, so vergehen sie und werden wieder zu Staub.“ (Ps 104,29) Es gibt im Alten Testament keine Anthropologie ohne Gottesbezug. Für das Leben eines Einzelnen und seiner Familie ist insbesondere sein persönlicher Gott zuständig. Er übt hauptsächlich drei Funktionen aus:113 – Als Lenker des Lebens steht er dem Menschen zur Seite und schenkt ihm ein erfülltes, langes Leben in Gesundheit, gutem Aussehen, Begabung, Zufriedenheit, Erfolg, Kindersegen und Harmonie mit seiner Umgebung. Das Gottesverhältnis beginnt mit der Geburt (vgl. Ps 22,10f; 71,5f). – Als Mittler und Fürsprecher vertritt er seinen Schützling gegenüber anderen Gottheiten, er vergibt ihm seine Sünden und sorgt für die Erhörung seiner Gebete. – Als Beschützer wehrt er die bösen Menschen und Mächte ab. Verlässt der persönliche Gott seinen Schützling, so ergreifen böse Mächte von
12 Vgl. zum Folgenden Vorländer, Volksreligiosität, 281ff. 1 113 Vgl. Vorländer, Gott, 169ff.
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ihm Besitz und verursachen Krankheit, Misserfolg, Kinderlosigkeit und Entfremdung von seinen Mitmenschen. Gottes Gerechtigkeit wurde somit nicht primär als innerlich-geistliches Geschehen erfahren, sondern als konkretes Geschenk. Sie zeigt sich in einem erfüllten, geordneten Leben, an dem jedermann das Wirken Gottes erkennen konnte.114 Wenn die Gottheit als der entscheidende Faktor für ein erfolgreiches Leben angesehen wurde, bedeutete dies keineswegs, die Hände in den Schoß zu legen und auf deren Eingreifen zu warten. Göttliche und menschliche Kraft wurden nicht scharf unterschieden. Menschliche Anstrengung und Handeln Gottes gehören vielmehr zusammen. Eine außergewöhnliche Tat oder Fähigkeit musste ihren Ursprung bei Gott selbst haben. „Die Gotteskraft des Gesegneten ist zugleich seine eigene Kraft“, meint Mowinckel115 Der Segen ist eine von Gott ausgehende Kraft im Menschen, die den Zustand des šālōm bewirkt.116 šālōm bedeutet Fülle des Lebens und umfasst Erfolg, Harmonie mit Mitmenschen, Wohlergehen, Schutz, Nahrung und Kleidung. Diese sind nicht nur das Resultat von günstigen Umständen, sondern Gaben Gottes.117 Wenn ein Mensch, sein Haus und Besitz gesegnet sind, dann bedeutet dies, dass alles in Ordnung ist. Zu einem erfüllten Leben braucht der Mensch Zeit, um seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entfalten, seine Pläne und Erwartungen zu erfüllen.118 Deshalb zeigt sich JHWHs Gerechtigkeit in einem langen Leben. Wenn ein Mensch „alt und lebenssatt“ (Gen 25,8; 35,29; vgl. Hi 42,17) stirbt, hat JHWH gerecht an ihm gehandelt. Die Gegenwart Gottes war nicht nur eine persönliche Erfahrung des Glaubens, sondern konnte an bestimmten äußeren Merkmalen sichtbar werden. Das schildert die Josefsgeschichte in Gen 37 - 50. Nach Gen 39,2–5 war Josefs Erfolg die direkte Konsequenz von JHWHs Gegenwart, die auch von anderen bemerkt wurde.119 Auch gute Beziehungen zu Vorgesetzten 14 Vgl. Gen 28,20–22; 39,2–5; 1Sam 16,18; 18,12.14.28; 2Sam 5,10. 1 115 Segen, 6; vgl. Pedersen, Israel I-II, 195, und III-IV, 486. 116 Vgl. Num 23,7–9; Dtn 26,15; 2Sam 7,29; Ps 129,8. 117 Vgl. Eisenbeis, Wurzel, 80ff. 118 Vgl. Barth, Errettung, 22ff. 119 Vgl. Gen 21,22; 26,28f; 1Sam 3,19; 16,18; 2Chron 15,9.
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und Mitmenschen kommen von Gott (vgl. Gen 39,4). Sie sind nicht nur das Ergebnis von persönlichem Einsatz, sondern ein Geschenk Gottes, in dem der Mensch seine heilvolle Gegenwart erfährt. Gen 28,10–22 erzählt die Geschichte von Jakobs Traum in Bethel: Jakob muss sein Vaterhaus verlassen, weil er seinen älteren Bruder Esau betrogen hat. Nun ist er ohne Schutz, sowohl von Seiten seiner Familie als auch von Seiten des Familiengottes. Auf überraschende Weise erhält er in Bethel in der Nacht eine Offenbarung seines Gottes mit der Zusage, dass Gott ihm dieses Land geben und ihn mit vielen Nachkommen segnen werde. Er werde ihn auch auf seinem Weg in eine ungewisse Zukunft beschützen (V.13–15). Am nächsten Morgen stellt er eine Stele auf. Dabei legt er ein Gelübde ab: „Wenn Gott mit mir ist und mich behütet auf dem Weg, den ich ziehe, und mir Brot zu essen und Kleidung zum Anziehen gibt, und ich wohlbehalten in mein Vaterhaus zurückkehre, so soll JHWH mir Gott sein.“ (V.20f) Dieses Gelübde spiegelt in charakteristischer Weise die Erwartungen wider, die ein Mensch an seinen persönlichen Gott richtet: Er soll ihm durch sein Mitsein Schutz und Nahrung gewähren, ihn mit Kleidung versorgen und eine glückliche Reise ermöglichen. Erst wenn Jakob die Macht seines Gottes erprobt hat, will er sich für immer an ihn binden. Die folgenden Kapitel berichten, wie sich dies verwirklichte: Gott macht Jakobs Schwiegervater Laban reich um seinetwillen (Gen 30,27). Als Differenzen zwischen Jakob und Laban entstehen, lässt es Jakobs Gott nicht zu, dass Laban ihm Schaden zufügt (Gen 31,7). Die beiden schließen sodann einen Vertrag, wobei jeder beim Namen seines Familiengottes schwört (Gen 31,48–54). Als wohlhabender Mann kehrt Jakob in die Heimat zurück und versöhnt sich mit seinem Bruder (Gen 32f). In einem feierlichen Gelübde unterstellt er sich samt seiner Familie dem Gott, der ihm in Bethel erschienen war (Gen 35,1–7). Gottes Gegenwart wird als Macht erfahren, die den Menschen schützt. Dann braucht er sich nicht zu fürchten, kann fröhlich leben und die Fülle des Lebens genießen. 1Sam 16 – 2Sam 5 erzählt die Geschichte von Davids Aufstieg aus einfachen Verhältnissen zum König und gibt als Grund an: „David hatte Erfolg in allen seinen Unternehmungen, denn JHWH war mit ihm.“ (1Sam 18,14; vgl. V.12.28; 1Sam 23,14; 2Sam 5,10). Wenn man ein erfolgreicher Mann wurde, so war dies nicht nur eine Sache harter Arbeit oder günstiger
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Umstände, sondern hatte seinen Grund direkt bei Gott.120 Ein ungewöhnliches Leben war eine Manifestation der Macht Gottes. Leid und Unglück werden als Gottverlassenheit erfahren, die keine nur innerliche, sondern auch eine äußerliche Angelegenheit ist. Ein wirklich erfülltes Leben ist ein gesundes Leben. Ein kranker Mensch lebt nicht in der vollen Bedeutung des Wortes. Er steht bereits im Bereich des Todes. Zwischen Krankheit und Tod bestehen „nur noch graduelle Unterschiede“.121 Aber Gesundheit ist keineswegs selbstverständlich und normal. Sie ist ein Geschenk Gottes als Dank für ein gehorsames Leben, während Krankheit auf die Sünde des Menschen zurückgeführt wird. JHWH erweist seine Gerechtigkeit, indem er den Tun-Ergehen-Zusammenhang bewirkt. Gesundheit und Krankheit sind nicht nur körperliche Angelegenheiten, die bestimmte natürliche Ursachen haben. Sie sind vielmehr Ausdruck des Verhältnisses zu Gott. In Gesundheit und Krankheit erfährt der Mensch Gottes Gegenwart oder Abwesenheit. Menschliches Leben ist ständig bedroht von lebensfeindlichen Mächten.122 Dies wird z.B. in Ps 22 deutlich: Der Beter beklagt, dass sein persönlicher Gott ihn verlassen habe und ihm keine Antwort gibt (V.2f). Die Abwesenheit Gottes hat ihn von seinem Mitmenschen entfremdet (V.7; vgl. Ps 88,9). Er betrachtet sich nicht mehr als ein menschliches Wesen, weil er bereits an der Todesgrenze angelangt ist (V.7–15). Der Psalmist ist offensichtlich ein kranker Mensch (V.14f). Sein Körper ist ausgetrocknet, seine Kraft ist dahin, er hat Schmerzen an seinem ganzen Körper. Der Grund liegt in der Aktivität von Dämonen und bösen Mächten, die mit Tieren verglichen werden (V.17). Krankheiten werden vielfach auf die Wirksamkeit von Dämonen und bösen Menschen zurückgeführt, die in den Psalmen oft „Feinde“ genannt werden (vgl. Ps 3,2.8; 13,3; 31,9 u.ö.).123 Gott hat sich wegen der Sünde des Menschen, mitunter auch schrecklich unerklärlicherweise, zurückgezogen und ihn in die Hände von bösen Mächten fallen lassen. Deshalb bittet der in Not geratene Mensch um Vergebung seiner Sünden und Wiederherstellung seiner Gerechtigkeit (vgl. Ps 25,7.18; 51,3ff).
20 Vgl. L. Schmidt, Erfolg. 1 121 Vgl. v. Rad, Gerechtigkeit, 237. 122 S. dazu u. S. 143. 123 Vgl. Vorländer, Gott, 248ff.
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Der Beter von Ps 22 setzt seine Hoffnung ganz auf Gott. Er bittet ihn, er möge zu ihm zurückkehren und sein Leben erneuern (V.19–22).124 Das Ziel des Psalmisten ist nicht ein Leben nach dem Tod, eine Vorstellung, die sich nur an ganz wenigen sehr späten Stellen des Alten Testaments findet. Gott soll ihn auch nicht vom Tod als solchem erretten. Er bittet vielmehr um Heilung von Krankheit, damit er nicht einen plötzlichen, frühen und schmählichen Tod erleiden muss. Er will noch viele Jahre leben (V.27).
5. Die Erfahrung von JHWHs Gerechtigkeit im Leben des Volkes JHWH erweist sich als gerecht gegenüber Israel, indem er sich seinem Volk machtvoll und gnädig zuwendet. Sein Handeln wird insbesondere im Krieg erfahren. JHWH zeigt sich als Kriegsgott, der sein Volk gegen die Feinde beschützt.125 Israels Kriege sind JHWHs Kriege, seine Feinde sind Israels Feinde. Sie werden deshalb „heilige Kriege“ genannt, weil sie unter seiner Leitung stehen. In seinem Auftrag und mit seiner Kraft ausgestattet, führen Männer die Israeliten an, z.B. Mose (Dtn 33,1), Samuel (1Sam 9,6ff) oder David (2Chron 8,14). Durch Krieg vollstreckt Israel den glühenden Zorn Gottes (1Sam 28,18) und streckt die Feinde nieder (Ps 44,6). Er sendet seinen Schrecken vor Israel her und entmutigt die Feinde (Ex 23,27f; Dtn 7,20; Jos 24,14). Er verwirrt die Amoriterkönige und bringt ihnen eine große Niederlage bei (Jos 10,10f). Er führt für Israel den Kampf (Jos 10,14) und zieht mit den Heeren Israels aus (Ps 44,10). JHWHs Macht bewirkt Tod und Unglück insbesondere bei den Feinden Israels. Seine Hand kommt über die Philister (1Sam 7,13), sein Schrecken überfällt die Menschen.126 Er zerstört Sodom und Gomorrha (Gen 18f; Jes 13,19) und schafft Verwirrung im Lager der Feinde, sodass sie sich umbringen.127 JHWH bedient sich für sein Handeln in der Geschichte bestimmter Frauen und Männer als Werkzeuge. Ihnen werden außergewöhnliche 24 S. u. S. 144. 1 125 Vgl. Ex 15,3; 17,15f; Num 14,42–45; 21,14; Dtn 1.30:20.4; Jos 10,10ff; Ri 5,31 1Sam 28,18f. 126 Gen 35,5; Ex 15,16; 20,20; 23,27. 127 Ri 7,22; vgl. Jes 19,14; Ez 38,21; Sach 14,13. Knierim, Offenbarung, 230.
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Gotteserfahrungen zuteil, und durch sie erfährt Israel im Lauf seiner Geschichte immer wieder die Macht seines Gottes. Sie heißen „Mann Gottes“ (’īš ha-’ᵆlōhīm) genannt, z.B. Mose (Dtn 33,1; Jos 14,6; Esr 3,2; Ps 90,1), Samuel (1Sam 9,6ff), David (2Chron 8,14) oder Elia (1Kön 17,18). Sie sind „heilige“ Menschen, d.h. sie gehören zur Machtsphäre Gottes. Dies zeigt sich daran, dass sie Wunder tun können (vgl. Ex 4,17; 2Kön 2,21; 4,7.29.34). Man begegnet ihnen deshalb mit dem Gefühl numinoser Scheu.128 In 1Sam 16,4 fragen die Ältesten Samuel, ob sein Kommen Heil bedeutet. Auch die Witwe von Zarpat reagiert zunächst unsicher, als Elia zu ihr spricht (1Kön 17,18). Eine besondere Beziehung zu Gott hatte Mose, nur mit ihm sprach er von Angesicht zu Angesicht (Ex 33,11; Num 12,8; vgl. Dtn 5,4; 34,10ff). Den Gottesmännern ist JHWH in besonderer Weise nahe. Daher wird von ihnen sein Mitsein im Rahmen eines konkreten Auftrages ausgesagt.129 Insbesondere für die Männer der Richterzeit wird die Einwirkung JHWHs mit dem Begriff Geist (rū ͣ ḥ) ausgedrückt. rū ͣ ḥ bedeutet ursprünglich Wind oder Atem, wobei „die im Atem- und Windstoß begegnende Kraft, deren Woher und Wohin rätselhaft bleibt, “130 grundlegend ist. Für den Menschen hat der Wind den Charakter des Nicht-Greifbaren und Flüchtigen, über den er nicht verfügen kann. Deshalb wurde er auch auf die Kraftwirkung Gottes gegenüber seiner Schöpfung übertragen. rū ͣ ḥ bedeutet „eine dynamischexplosive Kraft, die einen Menschen überfällt und ihn für kurze Zeit zu besonderen Aktionen befähigt“.131 Sie wird „Geist des Lebens“ (Gen 6,17; 7,15.22) oder „Lebenskraft“ (Ez 37,5f.10) genannt. Beim Geist JHWHs handelt es sich um ein Machtphänomen, das den Menschen zu außergewöhnlichen Taten befähigt. Er ist kein Bestandteil des Menschen, sondern kommt von außen plötzlich und unerwartet über ihn.132 JHWHs ru ͣ ḥ
28 Vgl. 1Sam 12,18; 16,4; 1Kön 17,18. 1 129 Vgl. Mose (Ex 3,12; 18,19), Josua (Dtn 31,23; Jos 1,5.9.17; 3,7; 6,27), Kaleb (Jos 14,12), Gideon (Ri 6,12.16), Samuel (1Sam 3,19), Saul (1Sam 10,6f), David (1Sam 7,3; 1Chron 17,2), Salomo (1Chron 22,11), sowie die Richter allgemein (Ri 2,18). 130 Albertz/ Westermann, Art. rū ͣḥ, 728. 131 A.a.O., 743. 132 Vgl. 1Sam 10,10; 11,6; 19,20.23; 1Kön 18,12; 2Kön 2,16.
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wird den Richtern gegeben, damit sie Israel aus der Hand seiner Feinde retten: Othniel (Ri 3,10), Jephtah (Ri 11,29), Gideon (Ri 6,34). Gottes heilsame Gerechtigkeit wird im Kult erfahren. „Ganz allgemein kann Kultus definiert werden als die sichtbaren, von der Gesellschaft aus festgesetzten und geordneten Formen, durch die das religiöse…Erleben und die Gemeinschaft zwischen Gottheit und Gemeinde‚… stattfinden … Ihre Absicht ist es, auf diese Weise in Verbindung mit den heiligen Mächten zu kommen und damit die Lebenswerte zu schaffen, zu stärken und zu erneuern, von denen das Leben und Gedeihen der Gemeinschaft abhängt.“133 Durch den Kult wird die Beziehung zwischen Gott, Welt und Mensch erneuert und erhalten. Der Gottesdienst dient dazu, die lebensnotwendige Verbindung zu JHWH als dem Geber des Lebens und Lenker des Schicksals des Volkes aufrechtzuerhalten. Da das Leben ständig von den Mächten des Todes bedroht ist, brauchen Mensch und Welt die Hilfe Gottes zur Sicherung ihrer Zukunft. Der Kult wird zunächst überall im Land vollzogen, später nur noch im Jerusalemer Tempel. Er ermöglicht die Erfahrung der Gegenwart Gottes und institutionalisiert durch bestimmte Rituale diese Gotteserfahrung. Er will die schädlichen Auswirkungen der Nähe Gottes reduzieren und die positive Kraftübertragung von Gott auf den Einzelnen, die Gemeinschaft und die Welt im Ganzen ermöglichen. Im Kult empfängt der Mensch den Segen, den er für sein eigenes Leben, seine Gesundheit braucht, sowie für Saat und Ernte, Frieden, gutes Miteinander in der Gemeinschaft. Der Segen muss ständig erneuert werden, da er nicht ewig andauert. Durch Kulthandlungen wird der Segen gesteigert und übertragen. Die Teilnahme am Kult ist keine Privatangelegenheit, sondern muss verpflichtend von jedem männlichen Israeliten wahrgenommen werden. Die Feste zielen nicht primär auf das individuelle Seelenheil ab, sondern auf die Erhaltung und das Wohlergehen des Gemeinwesens und seiner Glieder. Allerdings lässt sich im Alten Testament kein Anklang an die im Alten Orient verbreitete Vorstellung finden, dass JHWH auf die kultische Verehrung Israels angewiesen sei.
133 Mowinckel, Religion, 13.
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An den Kultstätten sind Priester tätig, die durch kultische Rituale, Gebete und Opfer die Beziehung zu Gott herstellen. Priester sind heilige Männer, die Anteil haben an der Heiligkeit Gottes. Die Begegnung mit ihnen hat deshalb numinosen Charakter.134 Sie werden für diesen besonderen Dienst ausgesondert, um das Heilige vor profanem Zugriff zu schützen. Sie werden gesalbt, d.h. ihnen werden besondere Kraft und Würde übertragen.135 Sie erteilen „Weisung“ (tōrā) im Hinblick auf das, was rein und unrein ist. Sie vermitteln Segen, d.h. Kraft zum Leben für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Durch sie erweist JHWH seine Gerechtigkeit gegenüber seinem Volk. Gottes heilvolle Gerechtigkeit wird weiterhin in der Gabe eines gerechten, fähigen Königs erfahren. Im Alten Orient galt der König als Mittler zwischen der Welt der Götter und der Welt der Menschen. „Er hat an beiden seinen Anteil und ist deshalb wie kein anderer dazu berufen, für die Harmonie zwischen Himmel und Erde, zwischen Göttern und Menschen zu sorgen.“136 Das Alte Testament kennt keine physische Gottessohnschaft des Königs. Auch das Hochzeitslied für einen König in Ps 45,7 („Gott, dein Thron bleibt immer und ewig, das Zepter deines Reichs ist ein gerechtes Zepter.“) ist wohl kaum in dieser Hinsicht zu verstehen, sondern stammt aus dem Hofstil. Dennoch hat der König im alten Israel eine hervorragende Würde und Nähe zu Gott. Insbesondere im davidischen Königtum sah Israel eine besondere Gabe JHWHs, die ihm die Erfahrung der Nähe und Zuwendung JHWHs vermittelte. Der König ist aus allen anderen Menschen herausgehoben. Diese Heraushebung erfolgte ursprünglich durch das Charisma, das JHWH ihm verleiht. Sauls Königtum ist nach dem Bericht von 1Sam 11,1–11 durch sein Charisma begründet und bewirkt eine mit übernatürlichen und übermenschlichen Kräften und Eigenschaften ausgestattete Persönlichkeit. Später geht das Charisma auf David über, nachdem ein böser Geist Saul überfällt (1Sam 16,14). Bei Salomo tritt an die Stelle des persönlichen Charismas das Amtscharisma, das er in 1Kön 3,4–15 erbittet. Dieses Amtscharisma vererbt sich auf seine Nachfolger durch den Akt der Thronbesteigung. „Das Charisma
134 1Sam 16,2; 2Sam 24,18; 1Kön 17,18; 2Kön 9,11; 23,17f; 2Chron 12,5; 16,7; 25,7; Jer 40,6. 135 Vgl. Kutsch, Salbung. 136 Bernhardt, Königsideologie, 77f.
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ist keine profane Größe, vielmehr bezeugt es die Qualifikation, dass Gott einem Mann beisteht.“137 Die Könige werden feierlich gesalbt. Die Salbung ist die „Mitteilung von kābōd, pondus, auctoritas als ‘Ermächtigung’, … die Kräftigung im Sinne der Übertragung von Macht, Kraft“138. Der Titel „Gesalbter JHWHs“ (māši ͣ ḥ JHWH) kommt bei Saul (1Sam 24,7.11; 26,9.11.16.23; 2Sam 1,14.16), David (1Sam 16,6; 2Sam 19,22; 23,1) und Salomo (2Chron 6,42) vor. Als Gesalbter steht der König unter dem besonderen Schutz JHWHs. Er hat Anteil an der Welt Gottes und strahlt numinose Kraft aus. Deshalb darf er nicht angetastet werden.139 Auf Grund seiner hervorgehobenen Stellung fungiert der König als Mittler zwischen JHWH und dem Volk. Er repräsentiert JHWH gegenüber dem Volk. Er wahrt das göttliche Recht, indem er sich der Armen und Rechtlosen annimmt.140 Deshalb bittet der Psalmist in Ps 72,1: „Gib deine Rechtssprüche dem König und deine Gerechtigkeit dem Sohn des Königs.“ „Der König handelt also im Gerichtsverfahren geradezu als Stellvertreter Gottes, weil er von Gott mit dem Charisma, rechtes Urteil zu sprechen, ausgestattet ist.“141 „Gott und König“ werden in 1Kön 21,10.13 in einem Atemzug genannt, d.h. beide gehören eng zusammen. In der Person des Königs begegnet der Mensch der Macht und dem Anspruch Gottes, denn der König ist Statthalter Gottes. Da er von JHWH besonders gesegnet ist, kann er den Segen an die Gemeinschaft weiter vermitteln (2Sam 6,18; 1Kön 8,14). Er übt gelegentlich priesterliche Funktionen aus und bringt Opfer dar.142 Er erneuert so die Verbindung zwischen JHWH und dem Volk. Er
37 Schmidt, Einführung, 78. 1 138 Kutsch, Salbung, 33ff. Die Salbung von Königen wird bei Saul (1Sam 9,16; 10,1; 15,1.17), David (1Sam 16,13; 2Sam 2,4.7; 3,39; 5,3.17; 12,7; 1Chron 11,3; 14,8; Ps 89,21), Absalom (2Sam 19,11), Salomo (1Kön 1,34.39.45; 5,15; 1Chron 29,22), Jehu (1Kön 19,16; 2Kön 9,3.6.12; 2Chron 22,7) berichtet. 139 1Sam 24, 7.11; 26, 9.11.16.23; 2Sam 1, 14. 140 2Sam 14, 17; 2Chron 19, 5ff. 141 Schmidt, Einführung, 84. 142 1Sam 13,8ff; 14,32ff; 2Sam 6,13ff; 1Kön 8,30ff; 2Kön 23; 1Chron 29,10f; 2Chron 6,12ff; 20,5ff; 30,18ff.
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sorgt für den Tempel, den Kult und die Priester.143 Wenn sich der König gegen JHWH vergeht, so bedeutet dies Unglück für das ganze Volk.144 Gottes gnädige Zuwendung wurde auch durch das Auftreten von Propheten erfahren. Der Prophet übt ähnlich wie der König eine Mittlerfunktion aus. Einerseits repräsentiert er das Volk gegenüber JHWH, was z.B. in seiner Fürbitte ihren Ausdruck findet. Er wird „Mann Gottes“ (’īš ha -’ᵆlōhīm) genannt, z.B. Elia (1Kön 17,18) oder Mose (Dtn 33,1; Jos 14,6; Ps 90,1; 1Chron 23,14; 2Chron 30,16). Er steht mit JHWH in besonders engem Kontakt. Nach 1Kön 22, 19ff und Jer 23,18 nimmt er an der Ratsversammlung JHWHs teil, in der über das Geschick der Menschen beraten wird. Das Wort, das die Propheten sprechen, stammt nicht von ihnen selbst. Daher leiten sie es oft durch die sog. Botenformel „so spricht JHWH“ (kō āmar JHWH) ein oder beschließen es durch den Ausdruck „Ausspruch JHWHs“ (n ͤ‘ūm JHWH)145. Auch in der Natur erfuhren die Israeliten Gottes gerechtes, d.h. heilvolles Handeln. Dabei ist noch nicht die universale Schöpfung im Blick. Auch gibt es noch nicht den Naturbegriff im modernen Sinne, da die Natur als Wirkungsbereich Gottes aufgefasst wird. Naturgeschehnisse werden als direktes Handeln Gottes geschildert, der überall am Werk ist. Das Ausbleiben der Vegetation deutet auf Gottes Zorn hin (vgl. Am 4,6–9). Während einer Dürre kommt JHWH dem Volk wie ein Fremdling und Gast vor, der nicht wirksam in das Naturgeschehen eingreift (Jer 14,8f). JHWH wird insbesondere mit den Kräften der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht: Er schafft neues Leben (Gen 27,28; 49,25; Dtn 7,13) und schenkt Kinder (Gen 15,5ff; 18,10ff; 25,21; 30,2.5). Er öffnet (Gen 29,31) und verschließt (1Sam 1,5) den Mutterschoß. Er segnet das Vieh (Dtn 28,4) und das Feld (Gen 27,27). Die Begegnung Israels mit Gott kann auch negative Wirkungen haben. JHWH schickt einen bösen Geist und verursacht dadurch einen Zwist in Sichem (Ri 9,23), er bewirkt die Schwermut Sauls durch einen bösen Geist (1Sam 16,14ff; 18,10; 19,9). Er befiehlt Simei, David zu fluchen (2Sam
143 1Sam 14,34; 2Sam 7; 1Kön 1,9; 3,3ff; 5,15; 9,1ff; 10,5; 13,1ff; 16,32; 2Kön 10,24; 12,4ff; 16,12ff; 22,3ff; 2Chron 8,12ff; 28,22ff. 144 21,1ff; 2Sam 24,14;1Kön 14,15f; 2Kön 13,2ff; 24,19ff. 145 Vgl. Jes 1,11; Am 6,8.14; 9,13 u.ö.
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16,10f) und stiftet David zur Volkszählung an (2Sam 24,1)146. Er bewirkt Simsons Unruhe (Ri 13,25) und Rehabeams unheilvolle Verbohrtheit (1Kön 12,15). In 1Sam 26,19 fragt David Saul, ob JHWH ihn gegen ihn aufgestachelt habe. JHWH kann Menschen verstocken wie den Pharao (Ex 4,21; 10,1; 11,10), den Moabiterkönig (Dtn 2,30), die Söhne Elis (1Sam 2,25) oder das ganze Volk (Jes 6,9f). Er benützt einen Lügengeist, um das Volk in die Irre zu führen (1Kön 22,18ff). In diesen Stellen kommt das „Dämonische in JHWH“147 zum Ausdruck. JHWHs Wirken wird als unheimlich, feindlich, unerklärlich und grausam empfunden. „Der dämonische JHWH gehört zum wesentlichen Bestandteil des atl. Gottesglaubens überhaupt.“148 Im Verlauf seiner Geschichte erfuhr Israel des Öfteren, dass JHWH sich von ihm abwandte und sein Angesicht verbarg. In Ri 6,13 fragt Gideon, wo denn Gottes Gegenwart angesichts der durch die Feinde hervorgerufenen Notsituation zu spüren sei. Vom Missgeschick des Volkes konnte auf die Schwäche seines Gottes geschlossen werden (vgl. Ex 32,7ff). Unglücksfälle wie Dürre oder Pest deuten darauf hin, dass JHWH seinem Volk zürnt, weil es sich gegen ihn versündigt hat. Die Volksklagepsalmen spiegeln solche temporären Krisen wider, wenn Israel JHWHs Gerechtigkeit auf Grund seiner eigenen ungerechten Taten nicht mehr erfährt. In solchen Zeiten fragen die Heiden: Wo ist euer Gott?149 Das Volk bittet um Vergebung seiner Sünden, damit JHWHs Zorn sich legt und er ihm wieder seine Macht und Güte zuwendet. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das alte Israel die Macht, Güte und Weisheit seines Gottes auf vielfältige Weise erfuhr: durch Führungspersönlichkeiten wie die Richter und Propheten, durch das Königtum, durch die Stiftung des Tempels in Jerusalem als Ort der heilsamen Gegenwart JHWHs, durch Kult und Feste, durch die Mitteilung seines Wortes und Willens. Temporäre Krisen, in denen JHWH seinen Zorn spüren ließ und sich von seinem Volk abwandte, konnten überwunden werden, indem das Volk Buße tat und Gott um Hilfe anrief, die dann vielfach gewährt wurde. Mit der Eroberung Jerusalems 587 v.Chr. und der Wegführung eines Teils
46 Anders 1Chron 21,1, wo berichtet wird, dass Satan David anstiftete. 1 147 Volz, Das Dämonische, 9. 148 A.a.O., 5. 149 Ps 79,10; 115,2; Jo 2,17; Mi 3,4; 7,10; vgl. Dtn 31,18.
Die Erfahrung von JHWHs Gerechtigkeit im Leben des Volkes
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des Volkes nach Babylon entstand jedoch ein absoluter Bruch im Verhältnis Israels zu JHWH. Nun waren die Grundfesten der bisherigen Gotteserfahrung zerstört: Der König als Mittler zwischen Gott und Volk war abgesetzt, der Tempel als Wohnort JHWHs zerstört. Der Kult als Mittel der Kommunikation mit JHWH und der Erfahrung seiner Leben und Segen spendenden Macht hatte aufgehört. Es gab keine Propheten und Gottesmänner mehr, die den Willen Gottes verkündigten. Normalerweise wäre das das Ende der JHWH-Verehrung und der staatlichen Existenz Israels gewesen. Aber wie durch ein Wunder fassten die nach Babylon Verschleppten neuen Mut, und prophetische Gestalten wie Dtjes und seine Schüler stellten die JHWHVerehrung auf eine neue Grundlage. Durch das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen, universalen Gott wurde das Theodizeeproblem bewältigt, wie noch zu zeigen ist.
C. Der Zweifel an JHWHs Gerechtigkeit und die Krise der Gotteserfahrung im Exil Die Frage nach JHWHs Gerechtigkeit stellt sich in einer grundlegenden Krise im Leben des Einzelnen oder des Volkes. Alle bisherigen Kategorien und Erklärungsversuche reichen zur Bewältigung der Situation nicht mehr aus. Gottes Macht, Güte und Weisheit sind im gegenwärtigen Geschehen nicht mehr erkennbar. Damit ist Gottes Gerechtigkeit als ganze in Frage gestellt. Für Israel entstand diese Situation durch die Katastrophe des Exils im Jahr 587 v.Chr. Alle Grundlagen des bisherigen Gottesglaubens Israels waren durch das Exil in Frage gestellt. Eine „ Krise des Offenbarseins Jahwes bricht überall dort auf, wenn das Vorverständnis sich wandelt oder zerbricht, wenn Jahwe im Kontext des vorgegebenen Offenbarungshorizontes nicht mehr identifizierbar ist.“150 In der Wirklichkeitserfahrung der Exilierten war JHWHs Gegenwart nicht mehr erkennbar. Seine Existenz war mit den Ereignissen, die die Israeliten betroffen hatten, nicht mehr vereinbar. Sie zweifelten an der Macht, Güte und Weisheit JHWHs. Die Überlebenden der Katastrophe warfen JHWH Macht- und Ziellosigkeit, Sinn- und Lieblosigkeit vor. Es war nicht zu erkennen, welchen Zweck JHWH mit der Zerstörung Jerusalems und der Exilierung des Volkes verfolgte. Die Wegführung eines Teils der Bevölkerung in das babylonische Exil im Jahr 587 v.Chr. bedeutete für Israel die tiefste politische, humanitäre und religiöse Krise. Die Säulen ihrer Religion waren zerbrochen, nämlich Königtum, Land und Tempel. Durch sie hatte Israel bisher JHWHs gerechtes Handeln erfahren. Nunmehr schien auch ihr Gott abhanden gekommen zu sein. Es erhob sich heftiger Zweifel, ob JHWH überhaupt noch an Israel interessiert und fähig sei, für sein Volk einzutreten. „Der Exilsgemeinde war vieles oder gar alles an ihrem Gott Jahwe und seiner Heilsmacht zugunsten seines Volkes zweifelhaft geworden.“151 Israel hatte das Gefühl, dass JHWH sich nicht nur temporär zurückgezogen, sondern sein Verhältnis zu
50 Knierim, Offenbarung, 230. 1 151 Preuß, Dtjes, 57.
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Israel überhaupt aufgekündigt habe. Sollte sich Israel neue Götter suchen, die sich offenkundig als stärker erwiesen hatten? Während die im Land Zurückgebliebenen ihre synkretistisch geprägte Religion in ihren abgelegenen Dörfern und Städten weiterhin ungestört praktizierten, bildeten für die Verschleppten die babylonischen Götter, deren Macht ständig durch Tempel und Prozessionen demonstriert wurde, eine riesige Herausforderung.152 Um eine Zukunft zu haben, musste die Theodizeefrage bewältigt werden als Antwort auf die Zweifel an JHWHs Macht, Güte und Weisheit. Es ist deutlich, dass in den Texten der Exilszeit die Frage nach der Gerechtigkeit JHWHs eine zentrale Rolle spielt. Insbesondere Dtjes 46,12 spricht die Befürchtung Israels an, fern von der Gerechtigkeit zu sein. Auch sonst kommt das Wort Gerechtigkeit im Deuterojesajabuch häufig vor: 41,2.10; 42,6.21; 45,8.13.19.23–25; 46,12f; 48,1.18; 51, 1.5–7; 53,1; 54,14.17. Die Israeliten fühlten sich von JHWH ungerecht behandelt und meinten, er habe seine Gemeinschaftstreue für immer aufgekündigt. „Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns“, klagen sie in Ez 37,11. „Im Exil gedieh die Warum-Frage.“153 Ein Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen war nicht mehr zu erkennen. JHWHs Gottsein bedurfte der Rechtfertigung angesichts der offenkundigen Zweifel an seiner Macht: „Wo ist denn nun, der sie aus dem Meer heraufführte samt dem Hirten seiner Herde? Wo ist, der seinen heiligen Geist in sie gab? Der seinen herrlichen Arm zur Rechten Moses gehen ließ? … Wo ist nun dein Eifer und deine Macht?“ (Jes 63,11f.15) Sein Arm scheint zu kurz geworden zu sein, um ihnen helfen zu können. (Jes 59,1f) Er scheint zu schlafen, d.h. untätig zu sein (Ps 44,23f; Dtjes 51,9f). Offenkundig hatten sich die Götter der Babylonier als mächtiger erwiesen als JHWH. Die bisherige Geschichte JHWHs mit seinem Volk erschien sozusagen annulliert zu sein. Der Tempel, den JHWH geschenkt hatte, war zerstört und damit ein regulärer Kult nicht mehr möglich. JHWH hatte seinen „Schemel“ (Klgl 2,1) und erwählten Wohnsitz (1Kön 8,13; Ez 43,7) verlassen.154 Wie Perlitt155 richtig beobachtet, betraf die Zerstörung des Tempels auch
52 Vgl. Eberlein, Gott, 320. 1 153 Perlitt, Verborgenheit, 380. 154 Vgl. Jer 12,7–13; Klgl 1,10; Ez 11. 155 Anklage, 291.
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die Mächtigkeit und damit die Existenz des dort wohnenden Gottes: „Ein Gott …, der seinen selbstgewählten Wohnsitz verliert, hat seine potentia verloren.“156 JHWH hatte seine „Hausmacht“ verspielt. Israel hatte keinen Gott mehr, der sich seiner annahm. Es war hilflos anderen Mächten ausgesetzt. Deshalb musste es den Eindruck gewinnen, es sei nun zur Verehrung anderer Götter verdammt worden.157 Dabei befürchteten die Israeliten, dass sich JHWH vielleicht jetzt ein neues Volk als Wirkungsbereich sucht. Nicht nur die desolate Situation des Volkes gab Anlass zu Fragen, sondern auch das Verhalten JHWHs. „Das Kopfschütteln über die von ihrem Gott Verkauften gilt natürlich auch dem Verkäufer! Der derart angeklagte Gott war also nicht willens oder imstande, seine allereigensten Belange wahrzunehmen.“158 „Das Wort ‚Gott‘ (ist) zur Leerformel geworden. … Unter seinen eigenen Voraussetzungen ist er dann nicht mehr Gott.“159 Viele Israeliten erwarteten nichts mehr von JHWH, sie waren resigniert und bezweifelten, dass JHWH noch etwas für sie tun könne. „Nicht die (theoretische) Nichtexistenz Gottes, sondern die (praktische) Unwirksamkeit Gottes war die Anfechtung, die den Menschen zerriss.“160 Die Israeliten zweifelten an JHWHs Güte und Zuwendung: „JHWH sieht uns nicht, JHWH hat das Land verlassen.“ (Ez 8,12; vgl. 9,9; Dtjes 49,14; Jer 12,7f) Er hat sein Angesicht vor ihnen verborgen und sie vergessen (Dtjes 49,14). Er hat sie in die Hände ihrer Widersacher übergeben (Dtjes 54,7f; Ps 44,25; Ez 39,23; Jes 57,17). JHWH ist den Exilierten zum Feind geworden und wendet sich gegen sie (Jer 2,4f; Klgl 2,4f). Er schweigt und hält sich zurück (Dtjes 42,14; Jes 57,11; 62,1; 64,11; Hab 1,13).161 Israel hat keinen Tröster mehr (Klgl 1,16f.21), die Fürsprache ist wirkungslos (Jer 11,1ff). Israel steht nicht mehr unter dem Schutz seines Gottes, weil er nicht mehr ihr König in Zion sein will (Jer 8,19). Wehmütig erinnerten sich die Israeliten an die vergangenen Zeiten, als JHWH ihnen im Krieg voran zog und sie beschützte: „Wir sind geworden wie solche, über die du
56 Zimmerli, Wahrheitsbeweis, 195. 1 157 Vgl. Jer 16,13; Dtn 3,27f; 28,36.64. 158 Perlitt, Anklage, 295. 159 A.a.O., 296f. 160 Perlitt, Verborgenheit, 367. 161 Vgl. Dietrich, Schweigen, 1010f.
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niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.“ (Jes 63,19) Die Exilierten fühlten sich im Stich gelassen wie eine verstoßene bzw. kinderlose Ehefrau (Dtjes 49,21; 50,1; 54,6). Ihre Gegenwart erschien ihnen wie eine Wüste ohne Wasser (Dtjes 41,17–20; 43,19; 50,2; 51,3; vgl. Jes 64,9). Sie zweifelten an JHWHs Zuverlässigkeit und fragten, ob man seinen Worten noch trauen kann (vgl. Dtjes 55,8–13). Auch an JHWHs Weisheit zweifelte die Exilsgemeinde. Ez 18,25.29 zitiert den Zweifel an JHWHs Weisheit: „Es stimmt nicht mit dem Weg JHWHs.“ Das Wort in Ez 20,3 „Ich lasse mich nicht von euch befragen“ spiegelt die häufige Anfrage des Volkes an JHWH wider, warum er dies alles getan habe. Israel hatte das Gefühl, dass sein Recht JHWH entgeht und dieser nicht mehr über sein Schicksal Bescheid weiß bzw. daran Interesse zeigt. „Warum sagst du denn, Jakob, und sprichst du, Israel: Mein Weg ist JHWH verborgen und mein Recht (mišpāṭ) geht an meinem Gott vorüber?“ (Dtjes 40,27) JHWH führt in die Finsternis, nicht ins Licht (Klgl 3,2). Es tat weh, wenn die anderen Völker höhnisch fragen: Wo ist nun euer Gott? (Ps 79,10; Jo 2,17; Mi 7,10) Das Volk konnte keinen Sinn in der Katastrophe erkennen. Die Weltordnung schien grundlegend zerbrochen. Gewiss gestanden die Israeliten zu, dass sie und ihre Väter gesündigt und somit die Katastrophe verursacht hatten (vgl. Dtjes 42,24f; 43,14f; 54,8; Jes 59,1f; Jer 8,19; 30,15; 33,4f; Klgl 3,4). Doch stand das Gericht in keinem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten des Volkes (vgl. Jer 23,32). Das weisheitliche Dogma vom Tun-Ergehen-Zusammenhang war offensichtlich außer Kraft getreten. Ein häufig zitiertes Sprichwort lautete: „Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Söhnen sind die Zähne stumpf geworden“. (Jer 31,29; Ez 18,2) Auch war das Land Kanaan verloren gegangen, das für das alte Israel „im Range eines Gottesbeweises“162 stand. Land, Tempel und Dynastie bedeuteten für Israels Glauben keine Adiaphora: „Widerrief nicht der Niedergang aller dieser sichtbaren Zeichen die Verheißungen – und mit ihnen die Präsenz Gottes?“163 Aus all dem wird deutlich, dass JHWHs Gottsein grundlegend in Frage gestellt worden war. So wurde Israel durch das Exil
62 Perlitt, Anklage, 292. 1 163 Perlitt, Anklage, 293.
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in eine bisher nie gekannte Grundlagenkrise größten Ausmaßes gestürzt. Mit dem Untergang Judas und der Zerstörung des Tempels verlor das Volk sein „selbstverständliches Zentrum, der Staatsgott Jhwh zugleich seinen Staat.“164 Dietrich beschreibt zutreffend die für die Israeliten schwierige Situation und mögliche Auswege: „Jahwe war kompromittiert, andere nicht, einige erschienen sogar als Sieger im Götterkampf – trotzdem trat er nicht ab, sondern gerade jetzt in den Ring. Wollte da ein besiegter Gott nicht sterben, wie es viele andere Götter relativ laut- und klaglos getan hatten? Verstanden es Jahwes Anhänger, das Paradox zur Methode, die Not zur Tugend zu machen, indem sie Jahwe flugs zum Herrn Babylons, dann Persiens, schließlich der ganzen Welt erklärten?“165 Die Impulse zum Neuanfang gingen nicht von den in Palästina Verbliebenen aus, sondern von der sog. Gola, d.h. den nach Babylon verschleppten Israeliten. Die Gola erhob den Anspruch, das wahre Gottesvolk zu sein und bezichtigte die Zurückgebliebenen pauschal des Götzendienstes. In Jer 24 vergleichen sich die Verbannten selbst mit einem Korb guter Feigen, denen die Heimkehr in ihr Land und ein neues Gottesverhältnis verheißen wird: „Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; von ganzem Herzen werden sie sich zu mir bekehren.“ (V.7) Den Zurückgebliebenen, die sich durch den Götzendienst verunreinigt haben, werden Verstoßung und Ausrottung angekündigt. Der kābōd JHWH, d.h. das sichtbare Zeichen der göttlichen Gegenwart, verlässt nach Ez 11 Palästina und geht mit den Exilierten nach Babylon. Mit ihrer Rückkehr kehrt auch der kābōd JHWH wieder zurück. (Ez 43) Obwohl es nach Ez 11,14ff den Anschein hat, als wären die Verbannten fern von JHWH und hätten wenig Gelegenheit zur gottesdienstlichen Verehrung, wird JHWH sie aus allen Ländern und Völkern sammeln und sie im Land Palästina in eine neue Zukunft führen (vgl. Ez 20,33ff). Die in Hag 2,10ff berichtete Anfrage an die Priester betreffs Rein und Unrein zielt wohl darauf ab, die „Bewohner des Landes“, d.h. die Zurückgebliebenen, insgesamt als unrein zu klassifizieren.
64 Petry, Entgrenzung, 102. 1 165 Dietrich, Einführung, 19.
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Für diesen Führungsanspruch der Gola können die folgenden Gründe genannt werden: – Es handelt sich bei den Exilierten – soziologisch betrachtet – um die Angehörigen der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Oberschicht. Sie waren also den im Land zurückgebliebenen Bauern und Handwerkern bildungsmäßig überlegen. Im Unterschied zu den im Jahr 722 v.Chr. verschleppten Angehörigen des Nordreiches wurden sie in geschlossenen Ortschaften in der Gegend von Nippur angesiedelt. Sie hatten sogar eine gewisse Selbstverwaltung, worauf das Amt der Ältesten (Ez 8,1; 14,1; 20,1) hinweist. Sie besaßen das Recht, Versammlungen abzuhalten (vgl. Ez 33,30f), wohnten in festen Häusern und durften Handel treiben.166 – Die nach Babylon deportierte Oberschicht stand JHWH als dem Gott der davidischen Dynastie und Staatsgott vielfach näher als die übrige Bevölkerung. Wahrscheinlich gab es bereits monotheistische bzw. henotheistische Tendenzen im vorexilischen Jerusalem und Juda.167 – In der Exilsgemeinde vollzog sich eine entscheidende Wende. Auf Grund ihrer Bekehrung zu JHWH als ihrem einzigen Gott gelangten die Exilierten zu einem neuen Gottesverständnis: „Nachdem ich in die Verbannung gewandert bin, tat ich Buße, und nachdem ich gezüchtigt war, schlug ich an meine Brust. Ich bin beschämt und tief zerknirscht, denn ich trage die Schmach meiner Jugend.“ (Jer 31,19)168 Das Verhältnis zu JHWH veränderte sich durch das Exil grundlegend. Hatten die meisten Israeliten bisher neben JHWH noch andere Götter verehrt, so erkannten sie jetzt, wer JHWH wirklich ist und dass in ihrem Götzendienst der Grund für das Gericht JHWHs zu suchen ist.169 Auf Grund ihrer Reue verkündigte ihnen JHWH in Dtjes 40,1f die Vergebung ihrer Schuld und eine heilvolle Zukunft: „Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist! Denn sie hat die volle
66 Vgl. Vorländer Monotheismus, 85; Hermisson, Dtjes, 665f. u.a. 1 167 S. o. S.32f. 168 Vgl. Dtn 30,1ff; Jer 30,3.8f.22; Ez 11,14ff; Mi 4,6ff. 169 Vgl. Dtjes 42,25; 50,1; 54,8; Dtn 31,17.
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Strafe empfangen von der Hand JHWHs für alle ihre Sünden.“ In dieser Bekehrung des neuen Gottesvolkes ereignete sich zugleich die Geburt des biblischen Monotheismus.170 Die Exilierten hatten Buße getan und die uneingeschränkte Hingabe an JHWH als den einzigen Gott gelobt. Deshalb redet Dtjes die Gola als „Zion“ (Dtjes 41,27; 46,13; 49,14; 51,3; 52,1ff), „Same Abrahams“ (Dtjes 41,8) und „Jakob“ (Dtjes 40,27; 41,14; 44,1.23; 48,20; 49,26) an. Die Zurückgebliebenen hatten auf Grund ihres Götzendienstes den Landanspruch verwirkt.171 – Die persische Regierung gewährte ihnen Rückendeckung gemäß dem sog. Kyrosedikt (vgl. Esr 1,2–4; 2Chron 36,23). Sie erhoben Anspruch auf das ganze Land. Nur wer sich ihnen anschloss, gehörte zum wahren Gottesvolk und durfte im Tempel JHWH anbeten und Feste mitfeiern. Sie mussten sich auf das aus Mesopotamien mitgebrachte Gesetz verpflichten und sich von den anderen Völkern absondern (vgl. Neh 10,29) Darin werden als Kennzeichen für das neue Gottesvolk auch die Beschneidung sowie das strikte Einhalten des Sabbats und der Speisevorschriften gefordert. Das nun konstituierte Judentum entwickelte eine neue Identität. Der Wortgottesdienst in der Synagoge ersetzte für die Diasporajuden den Tempelkult bzw. ergänzte diesen. – Man kann noch ein religionssoziologisches Argument hinzufügen: Minderheiten, die in einer Diasporasituation leben, neigen dazu, sich auf ihr Proprium zu besinnen und von ihrer Umwelt abzugrenzen. Um nicht von der Umgebung absorbiert zu werden, ziehen sie sich stark auf ihre Eigenart zurück und vermeiden Mischehen. Dies kann man an der Geschichte der Juden im Abendland beobachten, und es gilt auch für die ethnisch-religiösen Minderheiten des Nahen Ostens oder die Deutschen im Ausland bis heute. So haben sich die Exilierten durch ihre Diasporasituation auf den JHWH-Glauben als ihr ureigenstes Gut besonnen und in der radikalen Hinwendung zu ihm ihre Identität gefunden. Die in Palästina Zurückgebliebenen haben diesen Prozess zunächst nicht mit vollzogen, weil sie ihre traditionelle, synkretistisch geprägte Religion in
170 Vgl. auch ähnliche Aussagen über die Bekehrung der Diasporajuden in Jer 24,7; 30,9.22; Ez 11,18–20; Mi 4,6ff; Dtn 30,1ff; 1Kön 8,47. 171 Vgl. Ez 33,24ff; Sach 7,5; Hag 2,14; Esr 3,8ff; 9,1f; Neh 9,30; 10,29.
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ihren Dörfern weiter praktizieren konnten und sich nicht mit den mächtigen Göttern Mesopotamiens auseinandersetzen mussten. Die Rückkehr der Gola nach Palästina wurde durch den Perserkönig Kyros ermöglicht. Kyros II. wurde ca. 590 v.Chr. im heutigen Iran geboren und stammte aus der Achämenidendynastie. Um 559 v.Chr. trat er die Regierung über das damals noch unbedeutende Persien an. Er besiegte 550 v.Chr. seinen Rivalen Astyages von Medien. Er weitete sein Herrschaftsgebiet gewaltig aus und eroberte 541 v.Chr. Sardes, die Hauptstadt Lydiens in Kleinasien. Lydiens reicher König Krösus musste ihm seine riesigen Schätze übergeben. 539 v.Chr. nahm Kyros kampflos Babylon ein, nachdem ihm die Mardukpriester die Tore geöffnet hatten. Sie waren in Gegnerschaft zu ihrem bisherigen König Nabonid geraten, der in einer Form von Henotheismus die Verehrung des Mondgottes Sin förderte. 538 v.Chr. erlaubte Kyros den Juden die Rückkehr nach Palästina und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem. Auch sonst behandelte er die von ihm unterworfenen Völkerschaften vielfach tolerant und gab ihnen geraubte Götterbilder zurück. Später führte er Kriegszüge bis zum Indus und kam 530 v.Chr. wohl bei einer Schlacht ums Leben.
D. Die Botschaft Deuterojesajas als kollektive Theodizee 1. Entstehung und Gattungen Die Kapitel 40 - 55 des Jesajabuches stammen nicht von dem Propheten des 8. Jahrhunderts v.Chr., sondern von einem namentlich unbekannten Propheten oder einer Prophetengruppe aus dem 6.-5. vorchristlichen Jahrhundert. Er wird in der Forschung der Zweite Jesaja oder griechisch Deuterojesaja genannt. Obwohl mehrere Bearbeitungsschichten zu erkennen sind, werden die beiden Teile 40 - 48 und 49 - 55 durch den Prolog 40,1–11 und Epilog 55,6–13 zusammengehalten, die beide das Wort Gottes zum Thema haben. Die polemischen Aussagen gegen die Götzenverehrung (40,18–20; 41,6f; 42,17; 44,9–20; 45,16f.20b; 46,5–8) werden gewöhnlich als spätere Zusätze klassifiziert, ebenso die Zionstexte (49,14–26; 51,9–11.17.19–23; 52,1f; 54,1). Auch die sog. Gottesknechtslieder (42,1–4; 49,1–6; 50,4–9; 52,13–53,12) sind sekundär. Umstritten ist die Frage, ob es sich bei Dtjes ursprünglich um mündliche oder schriftliche Prophetie handelt. Köhler172 prägte den Satz, dass Dtjes nicht „als ein Prophet“, sondern „wie ein Prophet“ rede. Van Oorschot173 geht von einer Grundschicht aus, die aus vier Teilsammlungen (a. 40,12–31; b. 41,1–29; c. 42,1–16; 43,1–21; 44,2–4; d. 44,24– 28; 45,1–23; 46,1–11) besteht und durch mehrere Redaktionen erweitert wurde. Die Grundschrift ist wahrscheinlich wegen der Androhung der Vernichtung Babylons in 45,1f; 46f vor der Einnahme Babylons durch Kyros 539 v.Chr. entstanden.174 Der Sieg des Kyros über die Meder ist wohl vorauszusetzen. Da die Exilierten als Adressaten anzunehmen sind, hat Dtjes wahrscheinlich in Babylonien gewirkt und seine Landsleute zur Rückkehr nach Jerusalem aufgefordert (Dtjes 52,11). Becker rechnet damit, dass das Deuterojesajabuch erst in jüdischer Zeit seine endgültige Gestalt erhielt und folgert: „Der Monotheismus ist ein Produkt des Judentums.“175 Nach
72 Theologie, 104. 1 173 Babel, passim. 174 Gertz, Grundinformationen 342. 175 Staatsreligion, 14.
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Petry176 setzt das Deuterojesajabuch „die Existenz des so genannten Zweiten Tempels von Jerusalem als Bestandteil des persischen Herrschafts- und Verwaltungssystems … sehr wahrscheinlich bereits voraus.“ Schmitt177 rechnet mit einer umfassenden Bearbeitung der deuterojesajanischen Grundschicht durch eine nachexilische „Schultheologie“. Da die Meinungen in der Forschung vielfach auseinandergehen, wird im Folgenden auf eine detaillierte Unterscheidung von ursprünglich deuterojesajanischen Aussagen und ihrer späteren Bearbeitung weitgehend verzichtet. Vielmehr konzentriere ich mich auf die theologischen Inhalte des gesamten Buches hinsichtlich seiner Aussagen über Theodizee und Monotheismus. Albertz charakterisiert das Buch folgendermaßen: „Wir können uns also unter ‘Deuterojesaja’ eine um einen Meister gescharte Theologengruppe vorstellen, die aus Kreisen der Nachkommen der traditionell nationalistisch eingestellten Tempelsänger und Kultpropheten des Jerusalemer Tempels stammte und sich intensiv mit der Jesajaprophetie beschäftigte.“178 Seine Botschaft „war somit nicht nur politisch unglaubwürdig, sondern auch theologisch in hohem Maße anstößig“.179 Er war gezwungen, seine Botschaft „argumentativ zu verteidigen und über ihre theologischen Voraussetzungen und Konsequenzen in Bezug auf die bisherige offizielle JHWH-Religion nachzudenken“.180 Dtjes verwendet in seiner Argumentation drei charakteristische Redeformen: Heilsorakel, Disputationswort und Gerichtsrede. Sie dienen ihm als Aufweis dafür, dass JHWH gerecht ist und sich neu seinem Volk zuwendet. Darin zeigt sich, dass er nicht nur Prophet, sondern vor allem „theologischer Denker“181 war. Zwar will er primär das Heil verkünden, doch argumentiert er gleichzeitig mit seinen Hörern. „Einen derart breiten Raum hat vor Deuterojesaja kein anderer Prophet dem Einwand gegen seine Botschaft und der dadurch ausgelösten Argumentation eingeräumt.“182
76 Entgrenzung, 236. 1 177 Prophetie, 19ff. 178 Albertz, Religionsgeschichte 2, 432. 179 A.a.O., 433. 180 Ebd. 181 Steck, Dtjes, 280ff. 182 A.a.O., 284.
Entstehung und Gattungen
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– Das Heilsorakel (41,14–16; 43,1–7; 44,1–5) besteht aus den Teilen a. Anrede, b. Zuspruch („fürchte dich nicht“), c. Begründung und d. Folge. JHWH spricht dem Volk wie einer Einzelperson Heil zu. Umstritten ist die Frage, ob es nur eine schriftliche Imitation darstellt oder auf wirkliche Kultorakel zurückgeht, die der Prophet in exilischen Klagefeiern gesprochen hat.183 – Das Disputationswort (40,12–17.27–31; 45,1–7.9–13; 48,12–16a) stammt ursprünglich aus dem profanen Leben und wird vom Propheten nachgeahmt. Seine Absicht besteht nach Begrich184 darin, „einen anderen zu der Meinung des Sprechers mit überzeugenden Gründen hinüberzuziehen und seine Einwände zu entkräften“. Es beginnt mit einer Disputationsbasis und endet mit der Schlussfolgerung. Während Begrich eine echte Disputation des Propheten mit seinen Hörern vermutet, sehen andere, z.B. Elliger185 und Westermann186, darin eine literarische Nachahmung. Nach Schmitt187 ist es z.B. in Dtjes 40,27–31 folgendermaßen aufgebaut: a. Zitat des Einwandes (V.27), b. Disputationsbasis (V. 28), c. Schlussfolgerung (V.29–31). Die Verwendung der Gattung des Disputationswortes zeigt, dass Dtjes seine Botschaft den Hörern nicht einfach überstülpen möchte, sondern sich in einen theologischen Argumentationsgang einlässt.188 – Die von Dtjes offensichtlich neu geschaffene Gattung der Gerichtsrede (41,1–5.21–29; 43,8–13; 44,6–8; 45,18–25; 50,1–3) stammt aus dem israelitischen Rechtsleben. Sie wurde allerdings insofern verfremdet, als JHWH sowohl als Kläger als auch als Richter fungiert. In einem fiktiven Feststellungsverfahren soll die Berechtigung JHWHs geprüft werden, ob er allein Gott sei. Sie beginnt mit der Vorladung der beiden Parteien, JHWH bzw. Israel und der anderen Götter bzw. Völker. Daran schließt sich die Gerichtsverhandlung an, die mit dem Schiedsspruch endet. Es geht dabei nicht um einen Straf-, sondern um einen Zivilprozess, bei
83 Vgl. Begrich, Studien, 14ff; v. Waldow, Anlass, 136. 1 184 Studien, 49. 185 Dtjes, 71. 186 Sprache, 42. 187 Arbeitsbuch, 325. 188 Vgl. Hermisson, Diskussionsworte, 670.
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dem ein Rechtanspruch zur Debatte steht.189 In dem Verfahren soll geklärt werden, ob JHWH oder die Götter der Völker den Anspruch auf alleinige Göttlichkeit erheben können. „Jahwe geht aus dem Prozess als ṣaddīq, als Gerechtfertigter hervor. ṣaddīq ist er, weil er Heil und Hilfe schafft.“190 Im Hintergrund steht die altorientalische Vorstellung vom Göttergericht (vgl. Ps 82) bzw. Götterrat (vgl. Hi 1f; 1Kön 22), bei dem über das Schicksal von Göttern und Menschen beraten und entschieden wird. Melugin191 betont allerdings stärker den Unterschied des profanen Sitzes im Leben zur kerygmatischen Neubildung durch den Propheten. „Hier weist Jahwe vor einem universalen Forum gegenüber den Völkern bzw. den Göttern der Völker mit Hilfe des Weissagungsbeweises nach, dass er der einzige geschichtsmächtige Gott ist. JHWH hat das Frühere, d.h. das Gericht von 587 v.Chr. geweissagt, deshalb wird auch das Kommende von ihm bestimmt.“ Es ist zu unterscheiden zwischen einer Gerichtsrede gegen Israel in 43,22–28; 50,1–3 und gegen die Völker und ihre Götter in 41,1–5; 43,8–13; 44,6–8. Charakteristisch ist der Begriff rīb, der die „Verhandlung des Streites vor Gericht“ bezeichnet.192 Preuß193 spricht statt von Gerichtsreden von Gerichtszenen, da es sich nicht um einen wirklichen Prozess handelt, sondern lediglich um ein Stilmittel, wofür es keinen Sitz im Leben gibt. Erstaunlicherweise wird JHWHs Anspruch in einem fiktiven Gerichtsverfahren geklärt, obwohl man meinen könnte, dass dies einer Gotteslästerung gleich käme. Doch genau das geschieht im Deuterojesajabuch in den sog. Gerichtsreden, wenn auch in abgewandelter Form. JHWH bietet Israel als seine Zeugen auf, agiert dann allerdings sowohl als Kläger als auch als Richter. Auch sonst argumentiert Dtjes gern in rechtlichen Kategorien, z.B. hinsichtlich einer Lösegeldzahlung (vgl. 43,1ff) und von Besitzverhältnissen (vgl.44,5).
189 Vgl. Begrich, Studien, 26ff; Schoors, God, 181ff; Westermann, Sprache, 134ff; Fohrer, Jes III, 34; Jenni, Kyros, 25; Preuß, Dtjes, 65; Hermisson, Diskussionsworte, 676. 190 Crüsemann, Jahwes Gerechtigkeit, 445 191 Form Criticism, 330ff. 192 Begrich 37. 193 Dtjes, 65.
Entstehung und Gattungen
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Die hebräischen Worte für Gerechtigkeit nämlich ṣǽdæq unḍ ṣ ͤ dāqā kommen bei Dtjes auffallend häufig vor und deuten darauf hin, dass die Theodizeefrage die Mitte der Theologie Dtjes‘ bildet. Bei Dtjes steht Gerechtigkeit in Parallele zu Heil (45,8; 46,13; 51,5) und Frieden (48,18; vgl. 54,14). Seine Gerechtigkeit beinhaltet Stärke (41,10; 45,24) und ist somit mit der Dimension von Macht verknüpft. Dabei meint ṣǽdæq die Heilstat und ṣ ͤ dāqā das Heilshandeln JHWHs194 (vgl. 42,6; 45,23f). In 45,21 wird JHWH ein „gerechter und rettender Gott“ (’ēl ṣaddīq umošīja) genannt (vgl. Sach 9,9). Gerechtigkeit bedeutet somit JHWHs rettendes Einschreiten zugunsten seines Volkes.195 Scullion196 versteht ṣǽdæq – ṣ ͤ dāqā als JHWHs „saving activity and its effects in the life of his covenant people“. Die Folgen zeigen sich in Frieden, Harmonie und Wohlergehen der Gemeinschaft. Im Zentrum der Verkündigung Dtjes‘ steht JHWH. Die Botschaft des Propheten ist theozentrisch ausgerichtet. Er will nicht nur trösten, sondern auch überzeugen. Es geht ihm zuerst um die Gottesfrage, von der her alle anderen Aspekte seiner Botschaft verstanden werden müssen.197 Dies war angesichts der umfassenden Krise des Gottesverhältnisses notwendig. Denn es genügte nicht, dem Volk wieder Trost und Heil zuzusprechen. Es galt, die brennende Theodizeefrage zu bewältigen, die Zweifel an JHWHs Mächtigkeit, Willigkeit und Weisheit zu beseitigen. Bei Dtjes tritt uns wie nie zuvor ein Theologe entgegen, der sich mit seinen Hörern auseinandersetzt und auf ihre Fragen eingeht. Er stülpt ihnen nicht die Heilsbotschaft einfach über, sondern argumentiert mit ihnen. Es ging ihm um eine „JHWH-dizee“, d.h. die Rechtfertigung des Gottseins JHWHs. Im Sinne von Kant198 handelt es sich dabei nicht um eine doktrinale, sondern um eine authentische Theodizee. Das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Gott wird nicht mit Argumenten der Vernunft, sondern des Glaubens begründet. Dieses neue Gottesverständnis bildete sich auf
94 Vgl. Preuß, Dtjes, 83f. 1 195 Zu ṣǽdæq als Heilstat ist auch Dtn 9,24; Ps 40,10; 85,11; Jes 58,2, zu ṣ ͤdāqā als Heilshandeln Ps 22,32; 89,17; 98,2; 145,7 zu vergleichen. 196 ṢEDEQ-ṢEDAQAH, 341. 197 Vgl. Hermisson, Diskussionsworte, 680. 198 S. o. S.15ff.
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dem Hintergrund der Krise des Exils und führte zu einer neuen Glaubenserfahrung.
2. Die Rechtfertigung JHWHs aus der Schöpfung und der Geschichte Dtjes rechtfertigt JHWH als mächtig, gütig und weise, indem er auf sein Wirken in Schöpfung und Geschichte hinweist. Das Bekenntnis zu JHWH als dem Schöpfer spielte in vorexilischer Zeit noch keine oder eine geringe Rolle. JHWH wurde in erster Linie als Gott des Königs und des Volkes verehrt.199 Von ihm erwartete man Hilfe gegenüber Feinden und in der Lenkung des Gemeinwesens. Erst allmählich brachte man ihn auch mit Natur und Schöpfung in Beziehung. Für Dtjes hat die Schöpfung zentrale Bedeutung, weil sie eine Antwort auf die Theodizeefrage enthält. Sie bildet eine wichtige Basis für sein theologisches Denken.200 Mit der Schöpfung ist eng die Geschichte verbunden. Beide unterstehen demselben Heilswillen JHWHs: 40,12–17.21–26; 42,5; 43,18f; 44,24; 45,7f.11–13; 49,8; 50,2f; 51,13; 55,9f. Es gibt im Hebräischen allerdings kein Äquivalent zum deutschen Wort Geschichte. Elliger201 hat herausgearbeitet, dass bei Dtjes der Begriff „Rat“ (‘eşā) in 40,13; 46,11 das Geschichtshandeln JHWHs meint. Weiterhin gebraucht der Prophet die Begriffe „Weg des Rechts“ (’oraḥ mišpāṭ) und „Weg des Verstandes“ (dǽræk t ͤ bunōt), um den „Gang der Geschichte als Ausdruck der Willensentscheidung Gottes“202 zu beschreiben. ’oraḥ betont dabei mehr das voluntative, dǽræk das intellektuelle Moment im Walten Gottes. In 40,23ff beschreibt Dtjes die Weltüberlegenheit JHWHs, der mit großer Weisheit und Mühelosigkeit die Geschichte lenkt und eine umfassende Ordnung ermöglicht. Er, und nicht die scheinbar mächtigeren babylonischen Götter, bestimmt „alles“ in der Welt (vgl. 45,4–7). Bei t ͤ bunōt in 40,28 handelt es sich um einen pluralis amplitudinis, der JHWHs „außerordentliche Einsicht“ zum Ausdruck bringt.203 99 S. o. S.29. 1 200 Vgl. Streibert, Schöpfung, 22ff; Petry, Entgrenzung, 125f. 201 Geschichte, 208ff. 202 Elliger, Geschichte, 210. S.u.S. 203 Ebd.
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Der Prophet verweist des Öfteren auf den weiteren Gang der Geschichte, um JHWHs Geschichtsmächtigkeit zu begründen. Für seine Handlungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verwendet er Schöpfungsterminologie: Das Neue wird „geschaffen“ (br’) 48,7, „es sprosst“ (ṣmḥ) 42,9, JHWH selbst „macht“ (‘śh) das Frühere und Künftige 43,19; 45,8; 48,3. Im Handeln JHWHs sind die Gegensätze von Natur und Geschichte aufgehoben (vgl. 45,7). Vergangenheit und Gegenwart sind in seinem Handeln eng miteinander verknüpft, Schöpfung und Erlösung bilden eine Einheit. JHWHs Geschichtstaten sind Schöpfungsakte. Erstmals kommt die universale Geschichte in den Blick. Seine Geschichtsmächtigkeit wird insbesondere darin sichtbar, dass sich das „früher“ durch die Propheten angekündigte Geschehen jetzt ereignet (vgl. 42,9; 43,18f; 44,7; 48,6f). In der Kontinuität von Wort und Ereignis erweist sich JHWHs alleiniges Gottsein (vgl. 43,11f). 45,7 enthält die letzte Steigerung des allumfassenden Schöpfungsund Geschichtshandelns JHWHs: Auf dem Hintergrund des persischen Dualismus wird von JHWH gesagt, dass er Licht und Finsternis, Gutes und Böses schafft. Nichts steht außerhalb seines Machtbereiches. Er hat den Schmied und den Verderber geschaffen (vgl. 54,16). Die Geschichte verläuft nicht sinnlos, sondern verfolgt den Plan JHWHs. Dafür sollen die Israeliten Zeugen sein. „Alles“ steht unter seiner Herrschaft. (44,24; 45,7) Dies werden auch die Heiden erkennen. Allerdings unterscheiden sich JHWHs Pläne grundlegend von menschlichen Plänen. Deshalb darf sich der Mensch nicht anmaßen, den Willen JHWHs durchschauen zu können (vgl. 55,8f). JHWH erweist seine Geschichtsmächtigkeit in der unmittelbaren Zukunft, indem er den Perserkönig Kyros als seinen Gesalbten und Hirten beruft und ihm die Herrschaft über die Welt anvertraut. Er soll insbesondere die Gola in ihre Heimat zurückführen und den Tempel wieder aufbauen (vgl. 41,15; 42,13–16; 44,24 – 45,8).
Dtjes 40,12–17.21–31 12 Wer misst die Wasser mit der hohlen Hand, und wer bestimmt des Himmels Weite mit der Spanne und fasst den Staub der Erde mit dem Maß und wiegt die Berge mit einem Gewicht und die Hügel mit einer Waage? 13 Wer bestimmt den Geist JHWHs, und welcher Ratgeber unterweist ihn? 14 Wen
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fragt er um Rat, der ihm Einsicht gebe und lehre ihn den Weg des Rechts und lehre ihn Erkenntnis und weise ihm den Weg des Verstandes? 15 Siehe, die Völker sind geachtet wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waage. Siehe, die Inseln sind wie ein Stäublein. 16 Der Libanon wäre zu wenig zum Feuer und seine Tiere zu wenig zum Brandopfer. 17 Alle Völker sind vor ihm wie nichts und gelten ihm als nichtig und sind eitel. 21 Wisst ihr nicht? Hört ihr denn nicht? Ist es euch nicht von Anfang an verkündigt? Habt ihr es nicht gelernt von Anbeginn der Erde? 22 Er thront über dem Kreis der Erde, und die darauf wohnen, sind wie Heuschrecken; er spannt den Himmel aus wie einen Schleier und bereitet ihn aus wie ein Zelt, in dem man wohnt. 23 Er gibt die Fürsten preis, dass sie nichts sind, und die Richter auf Erden macht er zunichte. 24 Kaum sind sie gepflanzt, kaum sind sie gesät, kaum wurzelt ihr Stamm in der Erde, da bläst er sie an, dass sie verdorren, und ein Wirbelsturm führt sie weg wie Spreu. 25 Mit wem wollt ihr mich also vergleichen, dem ich gleich sei? spricht der Heilige. 26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies alles geschaffen? Er führt ihr Heer vollständig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. 27 Warum spricht du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: „Mein Weg ist JHWH verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber?“ 28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? JHWH, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. 29 Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. 30 Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf JHWH harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Das Disputationswort besteht aus drei Teilen: V.12–17, 21–26 und 27–31. V.18–20 sind als sekundär einzustufen. Umstritten ist die Frage, ob es sich um eine Gesamteinheit oder mehrere aneinander gereihte Einheiten handelt.204
204 Zur Literarkritik ist festzustellen, dass entweder V.18–20 (Fohrer, Jes III, 26) oder zumindest V. 19f als sekundär gelten. Dieser Zusatz steht in inhaltlichem Zusammenhang (Polemik gegen Götzenbilder) mit den ebenfalls sekundären Stellen 41,6f; 44,9–20; 45,10b; 46,6f; 48,5–7. Dem widersprechen z.B.
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Albani205 betont zu Recht, dass V.12–31 inhaltlich zusammengehören. Eine andere Meinung vertritt Westermann206: Er sieht in diesen Worten keine exakte Wiedergabe eines Disputationswortes, sondern eine einseitige „Bestreitung“. Deshalb liegt nicht eine Gattung im eigentlichen Sinn vor, sondern eine „Redeform der Disputation“. Hermisson207 vermisst für die Annahme einer Gattung den Sitz im Leben. Nach seiner Meinung handelt es sich um hymnische Stücke, die die Funktion der Bestreitung haben. Im Hintergrund stehen die Zweifel der Israeliten an JHWHs universalem Geschichtshandeln. JHWH hat keine Macht über andere Völker, weil er Israel in der Katastrophe von 587 v.Chr. nicht schützen konnte. Der Abschnitt V.12–17 hat weisheitlich-hymnischen Charakter. Die Schöpfung demonstriert JHWHs überlegene Macht und Weisheit. Er ist unfassbar und unbegreiflich, unmessbar und unwägbar. V.12 JHWHs Pläne und Absichten im Blick auf die Schöpfung kann niemand beurteilen. Der Prophet vollzieht einen Schluss a minori ad majus: Genauso wenig wie man das Meer mit der hohlen Hand messen kann, kann man das Handeln JHWHs ermessen. Die rhetorische Frage provoziert ähnlich wie in V.13f die Antwort: Niemand. Wasser, Erde und Himmel bilden die drei Stockwerke des antiken Kosmos. Wenn bereits Welt und Meer, Himmel und Erde der Verfügungsgewalt des Menschen entzogen sind, gilt dies erst recht für JHWH, der das alles geschaffen hat. Von der unermesslichen Größe der Schöpfung ist auf die Unvergleichbarkeit JHWHs zu schließen.208 Nach Elliger209 will der Prophet „zum Staunen und Nachdenken über die in der fertigen Schöpfung offenbare Macht und Weisheit des Schöpfers“ auffordern. „Kein Mensch ist imstande, die in der bestehenden Schöpfung anschaubare Größe, Kraft und Herrlichkeit Gottes mit den
Preuß (Dtjes, 61) und Mettinger (Elimination, 77ff). Merendino (Der Erste, 121f) nimmt an, dass V. 21–31 von Dtjes stammt, während V.12–16 vielleicht vorgefunden oder aufgenommen wurde. V. 17 ist redaktionelles Bindeglied, während V. 18–20 von der Redaktion stammt. 205 Gott, 126. 206 Sprache, 125. 207 Diskussionsworte, 666. 208 Stolz (Unvergleichlichkeit, 11ff) weist darauf hin, dass sich solche Aussagen über das Wesen Gottes auch im übrigen Alten Orient finden. 209 Dtjes, 47.
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eigenen kümmerlichen Mitteln wirklich zu erfassen und zu begreifen.“ Für Trudinger210 liegt der Vergleichspunkt in der Unerschütterlichkeit Gottes. V.13 Wiederum stellt der Prophet eine rhetorische Frage, die die Unermesslichkeit JHWHs zum Ausdruck bringen will. Der rū ͣ ḥ JHWH meint nicht „das allumfassende und geistige Wesen JHWHs“211, sondern seine „wunderbar wirkende Kraft“212. Niemand kann die Pläne und Absichten JHWHs beurteilen. Rat (‘eşā) bezieht sich hier ähnlich wie in Jes 5,19; 28,23ff auf die Geschichte, nicht auf die Schöpfung (vgl. 46,11).213 JHWH hat niemanden im Voraus über sein Tun unterrichtet. „Jahwe (nicht Marduk, oder wer auch immer) ist Schöpfer (und Herr) grundlegender Daseinsgegebenheiten (Wasser des Meeres, Himmel etc.).“214 V.14 ’oraḥ mišpāṭ und dǽræk t ͤ bunōt beschreiben – wie wir oben215 gesehen haben den „Gang der Geschichte als Ausdruck der Willensentscheidung Gottes“216. Das Alte Testament kennt nicht den Begriff der Geschichte, doch kommt der hier gebrauchte Terminus diesem nahe. mišpāṭ und dǽræk finden sich im Parallelismus auch in V. 27. mišpāṭ kommt 11-mal bei Dtjes vor und bedeutet entweder den Vorgang des Rechtsstreits, d.h. das Gericht (vgl. 41,1; 50,8; 53,8; 54,17) oder das Ergebnis des Rechtsstreites, d.h. das Urteil bzw. die Entscheidung. ’oraḥ betont nach Elliger217 mehr das voluntative, dǽræk das intellektuelle Moment im Walten Gottes. t ͤ bunōt bringt den außerordentlichen Umfang der göttlichen Weisheit beschreibt. Der Prophet will aussagen, dass „dem gewöhnlichen Menschen mit seiner ratio … der Sinn der Geschichte verschlossen bleibt“.218 Er demonstriert „die Überlegenheit JHWHs mit dem Hinweis auf seinen von der Weltschöpfung an die Welt gestaltenden und ihre Ordnungen festsetzenden Willen“219.
10 God, 220ff. 2 211 Duhm, Jes, 9. 212 Westermann, Jes 40–66, 44. 213 Vgl. Elliger, Geschichte, 208. 214 Eberlein, Gott, 117. 215 S. o. S.62. 216 Elliger, Geschichte 210. 217 Ebd. 218 Elliger, Geschichte, 207. 219 Hermisson, Diskussionsworte, 671.
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Gottes Weisheit und überlegene Mächtigkeit lässt sich aus der Betrachtung der Welt ersehen. V.15 und 17 vergleichen die Nichtigkeit der Völker mit der überlegenen und unermesslichen Macht JHWHs: Nicht die Völker lenken die Geschichte, sondern der Plan JHWHs und seine überlegene Schöpfermacht. V. 16 Der Vers fällt aus dem Zusammenhang insofern heraus, als es hier nicht um das Planen und Handeln mit den Völkern geht, sondern um die Größe JHWHs als solche. Doch muss deshalb nicht angenommen werden, dass es sich um einen sekundären Zuwachs handelt, da „die überschwängliche Metapher … gut zum Stil Deuterojesajas“220 passt. V.17 ’ajin „nichts“ kommt auch in 41,11f.24; 44,9f; 45,6.12.21f; 46,9; 47,8 vor (vgl. Ps 39,6; Hag 2,3) und ist wahrscheinlich vom Propheten zum ersten Mal so gebraucht worden. Es geht um „die überragende, unbegreifliche Macht und Weisheit Gottes“221, der Israel vertrauen darf. Eben so wenig wie man die Schöpfung nachmessen kann, kann man den Gang der Geschichte durchschauen. V.21 Der Abschnitt V.21–26 thematisiert nicht die Unermesslichkeit, sondern die Unvergleichlichkeit JHWHs. Als Stilmittel benutzt der Prophet nicht rhetorische, sondern reale Fragen. Elliger222 sieht V.18–26 als „ein selbständiges Disputationswort“ an, in das V.19f als Spottlied über Götterbilder eingeschoben ist. V.22 Nun folgt ein feierliches Bekenntnis zur universalen Größe JHWHs. Er spannt den Himmel leicht und sinnvoll wie einen Flor und wie ein Wohnzelt aus (vgl. 42,5; 44,24; 51,13.16; Jer 10,12; 51,15; Ps 104,2). Die weltlichen Herrscher sind im Vergleich zu ihm ohnmächtig und unbedeutend. JHWH lenkt in einzigartiger Macht und Weisheit auch den Gang der Gestirne. Die Beschreibung, dass JHWH über dem Himmel thront (vgl. Ez 1,22), lehnt sich nach Albani an Aussagen über Marduk an: „Neu ist bei DtJes … die Ausweitung der Schöpfermacht auf den Himmel und die Gestirne, was sich am ehesten auf babylonischen Einfluss zurückführen lässt.“223
20 Westermann, Jes 40–66, 45. 2 221 Elliger, Geschichte, 206, 222 Dtjes, 69. 223 Albani, Gott, 249
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V.23 Jetzt fällt der Blick auf JHWHs Geschichtsmächtigkeit: Fürsten sind vor ihm wie nichts. V.24 Der Vers handelt von der Vergänglichkeit und Nichtigkeit der irdischen Machthaber und somit indirekt von der unvergleichlichen Macht JHWHs. Die weltlichen Herren sind ohnmächtig und unbedeutend im Vergleich zu JHWH. V.25 Hier beginnt ein etwas anderer Gedankengang, der wiederum auf die Unvergleichlichkeit JHWHs ähnlich wie in V.12.18 abzielt. qādōš meint den von der Welt abgegrenzten Bereich Gottes als des Heiligen schlechthin. JHWH wird charakteristischerweise mit dem Prädikat „der Heilige Israels“ (q ͤdōš jiśrā’ēl) belegt. Dieses Prädikat markiert die absolute Differenz zwischen Gott und Mensch.224 V. 26 Es geht um JHWHs Handeln in der Schöpfung. Wie JHWH die Geschichte lenkt, so lenkt er auch die Gestirne. Seine universale Macht manifestiert sich in der Herrschaft über alle kosmischen Kräfte, die in Mesopotamien als göttlich galten. „Es gibt keine Gegenmächte mehr. Die Sterne sind damit keine anonymen Mächte mehr.“225 JHWH garantiert in seiner Weisheit die kosmische Ordnung. „Beim Namen rufen“ kennzeichnet ein Befehls- und Gehorsamsverhältnis (vgl. 41,25; 43,1; 45,3f). Albani226 sieht als Hintergrund für diesen Vers und die übrigen Schöpfungsaussagen bei Dtjes die babylonische „Marduk-Theologie“, die Marduk als universalen Schöpfergott hervorhebt. Er geht davon aus, dass JHWH bereits im Jerusalemer Tempelkult analog zum kanaanäischen El als schöpferische Gottheit verehrt wurde, jedoch noch nicht als universaler Weltschöpfer. Den Höhepunkt des Abschnitts bilden die V.27–31. Ging es bisher im Wesentlichen um die Frage, ob JHWH noch kann, so geht es jetzt um die Frage, ob er überhaupt noch will. V. 27 Hier nimmt der Prophet eine verbreitete Klage auf, warum JHWH sich so wenig um Israels Geschick kümmert. Von Waldow227 vermutet, dass der Prophet aus einer Volksklage zitiert, deren Anklage ursprünglich
24 S. o. S.24f. 2 225 Baltzer, Dtjes, 70. 226 Gott, 123ff. 227 Vgl. Anlass, 142.
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gelautet hat: „O Herr, warum ist unser Weg vor dir verborgen? Geht unser Recht an dir vorbei?“228 Hermisson229 fasst den Ausdruck wegen der singularischen Anrede als „ein vom Propheten geprägtes fingiertes Zitat“ auf. dǽræk und mišpāṭ stehen in Parallele. dǽræk meint das Geschick (vgl. Jer 10,23; Ps 37,5 u.a.).230 Nach bisherigem Verständnis hatte Israel ein Recht darauf, von seinem Gott beschützt und geführt zu werden. Die Deportierten glaubten, dass „ihr Rechtsanspruch von Gott nicht beachtet wird“.231 Sie zweifelten daran, ob JHWH, den sie mit „mein Gott“ anreden, sich noch um sie kümmert. Nun erheben sie Anspruch auf JHWHs Zuwendung, nachdem sie für ihre Sünden lange genug gebüßt haben (vgl. 40,2). Der Prophet weist auf das grenzenlose und unerforschliche Wirken JHWHs in Schöpfung und Geschichte hin. Seine Einsicht und sein Planen überragen alle menschlichen Möglichkeiten. Er kennt keine Ermüdungserscheinungen wie die Menschen und gibt ihnen Anteil an seiner unerschöpflichen Kraft. V.28 Ähnlich wie in V.21 knüpft der Prophet an Bekanntes an, das die Deportierten offensichtlich vergessen oder verdrängt haben. JHWH wird „ewiger Gott“ (’ᵆlōhē ‘ōlām) genannt, weil sich sein Wirken ohne Grenzen in Raum und Zeit erstreckt. JHWH ist grenzenlos und unerforschlich; seine Einsicht und sein Planen überragen unendlich die Möglichkeiten, die Israel für die Zukunft zu sehen vermag. Als der ewige Gott untersteht JHWH nicht dem Wechselgang der Kräfte, sondern bleibt sich selber immer gleich.232 Er kennt nicht Erscheinungen, wie sie für Menschen charakteristisch sind, nämlich müde oder matt zu werden. Sein Verstand (t ͤ būnā) ist durch den menschlichen Geist nicht zu erforschen. JHWH ist Schöpfer von Himmel und Erde (vgl. 42,5; 45,18). Er erschafft die Menschheit (45,12), wie Jakob/ Israel (43,1.15). Aber Gott schafft auch „Neues“ (42,9; 48,6). „,Schöpfung‘ wird noch konsequenter als im Pentateuch Teil der Geschichte.“233 Der Prophet rechtfertigt JHWH also als einen Gott, der mit unendlicher Macht, Güte und Weisheit an seinem Volk handelt. Den Deportierten, die
28 Vgl. Ps 13,2; 22,25; 44,25; 69,18; 88,15; 102,3; 104,29; 143,7; Hi 13,24. 2 229 Diskussionsworte, 672. 230 mišpāṭ findet sich auch in Ps 26,1; 35,23; 37,6; 140,13; 146,7. 231 Fohrer, Jes III, 32. 232 Vgl. Merendino, Der Erste, 120. 233 Baltzer, Dtjes, 71.
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sich in der Menge der Völker verloren vorkommen, verkündet der Prophet, dass JHWHs Macht sich bis an die Enden der Erde erstreckt. V.29 Die Deportierten zweifelten am wirklichen Eingreifen JHWHs in die Geschichte. Deshalb erinnert der Prophet „an die schöpferische, unbegrenzbare und unermüdliche Macht JHWHs über die Dinge, um daraus sein Wirken in der Geschichte folgern zu können“234. JHWH behält seine Kraft nicht für sich, sondern vermittelt sie an die Menschen. Sie können zwar seine Absichten nicht ergründen, doch gibt ihnen JHWH Anteil an seiner Kraft. Gerade den Schwachen und Müden unter den Deportierten kommt er nahe. Der „ewige, allgegenwärtige, allmächtige, allwissende Gott ist nicht selbstgenügsam, er ist für die Menschen da“.235 V.30–31 Männer und insbesondere Jünglinge gelten als Inbegriff der Kraft und Stärke. Aber selbst diese geraten an ihre Grenzen, während die Kraft, die JHWH gewährt, grenzenlos ist. Die Verse „bringen nichts entscheidend Neues, nur eine letzte Steigerung der Aussage, mit der JHWHs Schöpferhandeln seine aktuelle Zuspitzung auf Israels Gegenwartsprobleme bekommt“.236 Allerdings kommt die Hilfe JHWHs nicht sofort, sondern muss durch Harren erwartet werden. Der Prophet unternimmt in diesem Abschnitt eine umfassende Rechtfertigung JHWHs. Im Hintergrund stehen die Zweifel der Exilsgemeinde an JHWHs Macht, Güte und Weisheit. Man verglich den scheinbar ohnmächtigen JHWH mit den siegreichen babylonischen Göttern, deren prunkvolle Kultfeiern die Israeliten in Babylonien bewundern konnten. Viele hatten auf Grund der Ereignisse den Eindruck gewonnen, JHWH sei den babylonischen Göttern unterlegen und besitze nicht die Kraft, in das Geschehen einzugreifen. Demgegenüber hebt der Prophet die unvergleichliche Weltüberlegenheit JHWHs hervor, der mit großer Weisheit und Leichtigkeit den Kosmos und die Geschichte lenkt und eine umfassende Ordnung bewirkt. Auch die Gestirne, die in Babylonien als göttlich verehrt wurden, müssen ihm gehorchen. Seine Macht und Zuwendung sollen nun aufs Neue erfahren werden.
34 Merendino, Der Erste, 121. 2 235 Volz, Jes II, 13. 236 Hermisson, Diskussionsworte, 673. Duhm (Jes, 269) sieht V.31b als sekundär an.
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Dtjes spricht die kraftvolle Nähe JHWHs nicht nur zu, sondern begründet sie zugleich durch theologische Argumentation. Es geht ihm nicht um allgemeine Wahrheiten, sondern um eine auf die konkrete Situation bezogene „authentische Theodizee“ (Kant). JHWHs Wesen und Handeln sind unvergleichlich und unerforschlich, unermüdlich und unveränderlich. Selbst in seiner Güte ist er unberechenbar.237 Während die Israeliten Zweifel hegten an dem Eingreifen JHWHs in die Geschichte, erinnert Dtjes an die schöpferische Macht JHWHs, die sich immer wieder neu zeigen kann und will. Er allein regiert den Verlauf der Welt in umfassender Macht, Güte und Weisheit. Damit gibt er Antwort auf die brennende Theodizeefrage, ob JHWH denn noch die Kraft und den Willen besitzt, die Geschichte zu lenken, denn „der Exilsgemeinde war vieles oder gar alles an ihrem Gott Jahwe und seiner Heilsmacht zugunsten seines Volkes zweifelhaft geworden.“238 Die Argumentation Dtjes‘ über die Unvergleichlichkeit und Unergründlichkeit JHWHs erscheint vielen Zuhörern zwar behauptet, aber nicht unmittelbar evident. Für sie zählt nur die Erfahrung der augenblicklichen Ohnmacht und scheinbaren Abwesenheit JHWHs. Gegen alle historische Erfahrung proklamiert Dtjes JHWH als einzigen, universalen Herrn über Schöpfung und Geschichte.239 Er wird damit zum Begründer des alttestamentlichen Monotheismus.
Dtjes 50,1–3 1 So spricht JHWH: Wo ist der Scheidebrief eurer Mutter, mit dem ich sie entlassen hätte? Oder wer ist mein Gläubiger, dem ich euch verkauft hätte? Siehe, ihr seid um eurer Sünden willen verkauft, und eure Mutter ist um eurer Abtrünnigkeit willen entlassen. 2 Warum kam ich, und niemand war da? Warum rief ich, und niemand antwortete? Ist mein Arm zu kurz geworden, dass er nicht erlösen kann? Oder habe ich keine Kraft, zu erretten? Siehe, mit meinem Schelten mache ich das Meer trocken und die Wasserströme zur Wüste, dass ihre Fische vor Mangel an Wasser stinken
37 Vgl. Perlitt, Verborgenheit, 381. 2 238 Preuß, Dtjes, 57. 239 Vgl. Stolz, Unvergleichlichkeit, 19.23.
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und vor Durst absterben. 3 Ich kleide den Himmel mit Dunkel und fülle ihn in Trauer. Während Begrich240 den Abschnitt zu den Disputationsworten rechnet, sehen ihn andere als Gerichtsrede an.241 JHWH steht als Angeklagter seinem Volk gegenüber, ähnlich wie in 42,24f; 43,22–28. Die Verhandlung wird allerdings nur angedeutet. V.1 Israel erhebt Anklage, dass JHWH das Volk verstoßen habe, ähnlich wie in 40,27.242 Die Rede vom Scheidebrief ist dem Eherecht entnommen, wonach ein Mann seine Frau entlassen kann (vgl. Dtn 24,1). Auch sonst wird im Alten Testament das Verhältnis JHWHs zu Israel wie das eines Mannes zu seiner Frau beschrieben (vgl. Hos 1 und 3; Jer 3,8; Ez 16 und 23). Dann wechselt das Bild: Es wird der Vorwurf zitiert, JHWH habe Israel als seine Kinder in die Sklaverei verkauft.243 Auch in Jes 1,2; Hos 11,1 wird das Verhältnis JHWHs zu Israel mit dem eines Vaters zu seinem Sohn bzw. seinen Söhnen verglichen. JHWH antwortet auf diese Vorwürfe, indem er „nach der Scheidungsurkunde der Frau bzw. den durch den Verkauf der Kinder zufriedengestellten Gläubigern“ fragt.244 Solche Beweismittel lassen sich natürlich nicht beibringen. Im Folgenden bestätigt JHWH jedoch, dass tatsächlich ein Verkauf bzw. eine Scheidung stattgefunden hat. Nicht er hat jedoch diese Trennung herbeigeführt. Vielmehr wurde sie durch die Sünden des Volkes verursacht.245 Hier liegt ein gewisser Widerspruch zu 40,2 vor, wonach die Schuld jetzt getilgt ist. Doch ist dieses Nebeneinander durchaus verständlich. „Im Blick auf die Zukunft sagt Dtjes: Die Sünde ist gebüßt; im Blick auf die Vergangenheit sagt er: Die Sünde war die Ursache“246 (vgl. 43,28). Die Katastrophe hatte ihren Grund weder in dem fehlenden Wollen, noch in dem fehlenden Können JHWHs, sondern ausschließlich im Versagen Israels (vgl. 42,24).
40 Studien, 49. 2 241 Z.B. Westermann, Jes 40–66, 181; Fohrer, Jes III, 134. 242 Vgl. Jer 14,19; Ps 44,10–17. 243 Vgl. Ex 21,7; 2Kön 4,1; Neh 5,5. 244 Fohrer, Jes III, 135. 245 Vgl. Jes 58,9; 59,1f; 65,1–12. 246 Volz, Jes II, 107.
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Nicht ein anderer Gott hat die Katastrophe herbeigeführt, sondern JHWH selbst. V.2 JHWH geht nun sozusagen zum Gegenangriff über, indem er feststellt, dass er zwar seine Nähe anbot, niemand jedoch von ihr Gebrauch machte. Sodann nimmt er auf einen weiteren Vorwurf des Volkes Bezug: JHWHs Arm (vgl. 51,9) sei zu kurz, d.h. zu kraftlos, um das Volk zu erretten. Hier kommt der Zweifel der Exilsgemeinde an der Macht JHWHs zum Ausdruck. JHWH entgegnet mit dem Hinweis auf seine Schöpfertätigkeit. Er macht das Meer trocken und verwandelt die Wasserströme in Wüste. Er hat absolute Verfügungsgewalt über die Natur. Der Schilderung liegt eine Anspielung auf dem babylonischen Schöpfungsmythos verwandte Anschauungen zugrunde.247 Die Verwandlung von Wüste in Wasser und umgekehrt kommt bei Dtjes häufig vor (vgl. 41,18; 42,15; 43,19; u.ö.). V.3 Der Vers ist sehr kurz geraten und vielleicht wegen des sich anschließenden Gottesknechtsliedes abgebrochen. Wiederum wird die Macht JHWHs über die Natur und den Kosmos beschrieben. Das Verfinstern des Himmels wird auch in Ex 10,21; Jo 3,4; Off 6,1 geschildert. Der Prophet nimmt den Vorwurf der Israeliten auf, sie seien von JHWH verstoßen wie eine geschiedene Ehefrau oder wie in die Sklaverei verkaufte Kinder. JHWH bestätigt durchaus, dass er sich von ihnen abgewandt hatte. Er tat dies jedoch nicht willkürlich, sondern wegen ihrer Sünden. Er bietet ihnen nun erneut seine Nähe an. Dabei verweist er auf seine Schöpfermacht, die er im Austrocknen des Meeres und der Bewässerung der Wüste unter Beweis gestellt hat. Auch hier handelt es sich um einen Text, bei dem die Theodizeefrage im Hintergrund steht. Die Gola zweifelt an der noch bestehenden Gemeinschaft mit JHWH und an seiner Macht. Auf beide Zweifel will der Prophet eine Antwort geben: JHWH hat nie von sich aus die Gemeinschaft aufgekündigt. Vielmehr hat er immer wieder seine Bereitschaft zu neuer Zuwendung signalisiert. Auch lässt sich seine Mächtigkeit an seinem Schöpfungswirken deutlich erkennen.
247 Fohrer, Jes III, 135. Vom Schelten JHWHs ist auch in Jes 17,13; Ps 104,7; 106,9 die Rede. (Vgl. Hi 38,11)
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Dtjes 51,9–11 9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm JHWHs! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat? 10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Weg machte, dass die Erlösten durchgingen? 11 So werden die Erlösten JHWHs heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupt sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen. V.10 Westermann248 sieht in V.9f den Anfang einer Volksklage, bestehend aus Hilferuf V. 9a und Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln V.9b10 (vgl. Ps 44,24). Zu Beginn des wohl sekundär eingefügten Abschnittes fordert der Prophet JHWH auf, seine Macht erneut zu demonstrieren, wie er dies zu Beginn der Schöpfung beim Kampf gegen das Chaos getan hat. rāhab, tannīn und t ͤ hōm beschreiben das Chaos, das durch den siegreichen Schöpfergott überwunden ist. Die Israeliten drohen im Meer der babylonischen Unterdrücker zu ertrinken.249 Im Hintergrund steht der babylonische Schöpfungsmythos Enūma Elīš. JHWH wird aufgefordert durch ein dreifaches “wach auf” (‘uri), das „die Spannung und Ungeduld verdeutlicht, die den Propheten erfüllen.“250 Allzu lang hat JHWH geschwiegen und sich zurückgehalten (vgl. 42,10–17). Er hat offenkundig geschlafen (vgl. Ps 44,24; 54,8).251 Der Prophet erinnert an die Tage der Vorzeit, der ewigen Geschlechter, als JHWH das Chaos bezwungen hat. Der „Arm“ (ȝ ͤ rō ͣ ‘) ist ein Symbol der Stärke, mit dem JHWH „als der aktive, schaffende, helfende und machtvoll kämpfende Gott gekennzeichnet wird“252 (vgl. 40,10f; 48,14; 51,5; 52,10; 53,1). Nach Duhm253 muss in V.9 nicht unbedingt Ägypten gemeint sein, sondern tamīn kann sich auch auf das Meerungeheuer beziehen. Auch erscheint es kaum möglich, das seichte Schilfmeer mit t ͤ hōm
48 Jes 40–66, 194f. 2 249 Vgl. Gunkel, Schöpfung, 30ff. Das Motiv des Chaoskampfes findet sich auch in Ps 74,13; 89,11; 104,6–9; Hi 9,13; 26,12f. 250 Fohrer, Jes III, 146. 251 S. dazu Korpel/de Moor, God, 258f. 252 Fohrer, ebd. 253 Jesaia, 347.
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rabā’ zu bezeichnen. Die Deutung auf den Exodus sei durch V.10b bedingt, den Duhm254 als Zusatz ansieht. Die Chaosmächte symbolisieren zugleich Israels Unterdrücker (vgl. 44,27). V.11 Der Vers stimmt mit Jes 35,10 überein und schildert die fröhliche Rückkehr der Exilierten nach Jerusalem. Hintergrund ist die theologische Situation des Exils, in der die Israeliten die Frage nach der Wirksamkeit JHWHs und damit die Theodizeefrage stellten. Der Prophet formuliert die Anrede an JHWH bzw. die Aufforderung, seine Macht wieder unter Beweis zu stellen. So wie er seine Macht durch die Besiegung des Chaos bei der Erschaffung der Welt bewiesen hat, so soll er sie auch jetzt zugunsten seines Volkes wieder aktivieren. Der Prophet hebt die Überlegenheit JHWHs gegenüber seinem Volk hervor. Als der Schöpfer ist er zugleich der Herr seiner Geschöpfe. Er weist ähnlich wie in den Gottesreden des Hiobbuches jede Befragung zurück.255 Gegenüber dem Vorwurf der Unfähigkeit zu handeln betont er sein Schöpfersein und sein Gebieten über alle kosmischen Kräfte. Albani256 versteht den Abschnitt wegen seiner inhaltlichen Entsprechungen zu einem Marduk-Hymnus als „Gegenentwurf zum babylonischen Neujahrsfest für das Exil, in dem die versammelte Exilsgemeinde in einer Festliturgie zum Bekenntnis zu JHWH als dem wahren Herrn der Geschichte und Schöpfergott veranlasst wurde“. Nicht Marduk, sondern JHWH hat alles geschaffen. „Die Auseinandersetzung mit der universalen kosmischen Dimension der Marduk-Theologie und seiner astralen Komponente hat DtJes wahrscheinlich bereits monolatrischem Gottesverständnis den entscheidenden Impuls zu einem konsequenten Monotheismus gegeben.“257 Im Unterschied zu babylonischen inklusiven Vorstellungen vertritt Dtjes via negationis einen exklusiven universalen Monotheismus. Der Hinweis auf die Schöpfung erfüllt eine soteriologische Funktion: JHWH benutzt seine Macht, um die Erlösung für Israel zu vollbringen. Es geht nicht um die Belehrung über Vergangenes, sondern um das Aufzeigen der machtvollen Gegenwart und Zukunft des Gottes Israels. Er
54 Ebd. 2 255 S. u. S.139ff. 256 Gott, 183. 257 A.a.O., 253.
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ist nicht nur nicht ohnmächtig, sondern allmächtig und allgegenwärtig. Die Schöpfung zeigt, wozu JHWH seine Macht benutzt, nämlich um die Israeliten zu retten. Somit rechtfertigt Dtjes JHWHs Gottsein angesichts der Situation des Exils. Die Weltschöpfungsaussagen kommen überwiegend in den Disputationsworten vor. Ihr Ziel ist „nicht nur Polemik, sondern das betonte Herausstellen der Größe, Unvergleichlichkeit, Souveränität und Allmacht des Weltschöpfers Jahwe.“258 JHWH hat die Welt und Israel allein geschaffen. „Sowohl P als auch Dtjes versuchen, mittels der Schöpfungstheologie die Glaubenskrise der Exilszeit zu bewältigen. Der Schöpfungsglaube war dazu nicht nur wegen seiner Unversehrtheit geeignet. Vielmehr war es auf Grund der Identität zwischen JHWH und dem Weltschöpfer möglich, die Allmacht und Allgegenwart des Gottes Israels zu betonen. JHWH ist nicht der unterlegene Landesgott, sondern der Schöpfer und geschichtsmächtige Gott. Als solcher ist er fähig, seinem Volk neues Heil zu bereiten.“259 Während es in der priesterschriftlichen Schöpfungsgeschichte allgemein um das Wirken JHWHs als Schöpfer der Welt geht, dient bei Dtjes der Hinweis auf JHWHs alleiniges Schöpfersein als Begründung für sein bevorstehendes Heilshandeln. Hartenstein260 stellt hinsichtlich der Schöpfungstheologien insbesondere bei Dtjes und P zusammenfassend fest: „Die alttestamentliche Rede von JHWH als dem Erschaffer des Himmels stellt seine universale Handlungsmacht, Einsicht und Weltüberlegenheit gegenüber allen anderen Mächten heraus. Sie ist ein monotheistisches Kernargument. … Zugleich liegt die Bedeutung dieser Rede für Israel und die Menschheit in der Zuwendung Gottes, wie sie in einer lebensförderlichen Welt sichtbar wird. … Aber auch die unerforschliche Größe und der weite Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf werden mit ihr betont.“ Dabei bildet wohl der Lobpreis Ahuramazdas „als transzendenter und universaler Schöpfergott in den achämenidischen Königsinschriften für die Profilierung JHWHs“ den Hintergrund. Albani vertritt die Auffassung, dass „bereits in vorexilischer Zeit … JHWH im Jerusalemer Tempelkult analog zum kanaanäischen Götterkönig 58 Streibert, Schöpfung, 41. 2 259 Streibert, Schöpfung, 107. 260 JHWH, 408.
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El als schöpferische Gottheit verehrt wurde, wobei er allerdings wahrscheinlich nur als Schöpfer und Erhalter der Erde, also des bewohnten Lebensraumes angesehen wurde (vgl. Ps 24,1f), jedoch noch nicht als universaler Weltschöpfer.“261 Ich halte es allerdings für eher unwahrscheinlich, dass JHWH bereits im Jerusalemer Tempel als Schöpfer verehrt wurde. Hermelink verweist mit Recht auf die eindrücklichen Fragen Dtjes‘ an seine Zuhörer, ob sie mit dem Glauben an JHWH als den Schöpfer nicht bereits vertraut seien (vgl. 40,27ff; 44,7): „Dass für diese im Exil lebenden Zeitgenossen der Glaube an Jahwe als den Weltschöpfer eine Selbstverständlichkeit war, ist schon angesichts ihrer religiösen Umwelt nicht wahrscheinlich. … Warum muss Dtjes so eindringlich von Jahwes Schöpferwerk reden, wenn es jedem unproblematisch und geläufig ist?“262 Preuß beobachtet, dass die Rede von Schöpfung bei Dtjes zunächst bestreitende Tendenz und Funktion hat: JHWH ist Schöpfer und damit Herr der Welt, nicht aber Marduk, der babylonische Schöpfergott. „Durch diese Bestreitung soll Zuversicht auf Jahwe, Hoffnung auf sein Heilswerk, das Dtjes zusprechen darf, geweckt werden.“263 Die Schöpfung bezeugt JHWHs alleiniges Gottsein.
3. Die Rechtfertigung JHWHs aus der Wirksamkeit des prophetischen Wortes Dtjes 41,21–29 21 Bringt eure Sache vor, spricht JHWH; sagt an, womit ihr euch verteidigen wollt, spricht der König in Jakob. 22 Sie sollen herzutreten und verkündigen, was kommen wird. Verkündigt es doch, was früher geweissagt wurde, damit wir darauf achten! Oder lasst uns hören, was kommen wird, damit wir merken, dass es eintrifft! 23 Verkündigt uns, was hernach kommen wird, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid! Wohlan, tut Gutes oder tut Schaden, damit wir uns verwundern und erschrecken! 24 Siehe, ihr seid nichts und euer Tun ist auch nichts, und euch erwählen ist ein Gräuel.
61 Gott, 123. 2 262 Hermisson, Diskussionsworte, 677. 263 Preuß, Dtjes, 58.
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25 Von Norden habe ich einen kommen lassen und er ist gekommen, vom Aufgang der Sonne her den, der meinen Namen anruft. Er zerstampft die Gewaltigen wie Lehm und wie der Töpfer, der den Ton tritt. 26 Wer hat es von Anfang an verkündigt, dass wir es vernahmen? Wer hat es vorher geweissagt, dass wir sagen: Das ist recht! Aber da ist keiner, der es verkündigte, keiner, der etwas hören ließ, keiner, der von euch ein Wort hörte. 27 Ich bin der Erste, der zu Zion sagt: Siehe, da ist es! und Jerusalem gebe ich einen Freudenboten. 28 Schau ich mich um, da ist niemand, und unter ihnen ist kein Ratgeber, dass ich sie fragen könnte und sie mir antworteten. 29 Siehe, sie sind alle nichts und nichtig sind ihre Werke; ihre Götzenbilder sind leerer Wind. Es handelt sich um eine Gerichtsrede, die aus zwei Teilen besteht264: V.21– 24 und V.25–29. Sie beginnt mit der Aufforderung an die anderen Götter, Beweise für ihre Wirksamkeit vorzubringen. An der Zuordnung von Wort und Geschehen, Verheißung und Erfüllung, Früherem und Kommendem soll man erkennen, wer der wahre Gott ist. Im Urteilsspruch stellt JHWH fest, dass die anderen Götter „nichts“ sind. Sie können nichts bewirken; allein er beweist seine Einzigkeit im Phänomen des prophetischen Wortes (vgl. 44,6–8; 45,21). V.21 Hier sind Beweise gemeint, die die gegnerische Partei anführen soll. Der Titel mǽlæk ja‘kōb wird mit Bedacht verwendet. Das Volk fühlte sich ohne göttlichen Schutz. Deshalb hebt der Prophet hervor, dass JHWH der König Jakobs, d.h. der Gola ist (vgl. 43,15; 44,6; 52,7–10). V.22 Der Ausdruck ’aḥarītān ō hāba’ōt findet sich auch bei Heilszusagen, Gerichtsreden und Disputationsworten in 42,9; 43,9.18f; 45,21; 46,9; 48,3–5. „,Früheres‘ steht für frühere, jetzt erfüllte Prophezeiungen, für das früher angesagte und jetzt eingetretene Gericht, aber auch für den früheren Auszug, dessen man jetzt angesichts des kommenden neuen nicht mehr gedenken soll, … sowie schließlich für die ganze frühere Geschichte Israels mit seinem Gott. Das ‚Neue‘ hingegen ist das jetzt anbrechende Endheil (48,7), das sich im neuen Auszug, in der Heimkehr zum Zion und im Handeln des Kyros konkretisiert.“265 Steck beobachtet richtig: „Im
64 Vgl. Begrich, Studien, 26ff und Westermann, Jes 40–66, 69f. 2 265 Preuß, Dtjes, 47.
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Weissagungsbeweis ein geistiges Instrument auszubilden, mit dem die Katastrophe von 587 statt Schwäche JHWHs zu sein, geradezu als Erweis des ausschließlichen Gottseins JHWHs sichtbar werden kann, dies ist ein unübersehbares Indiz für die geistige Kraft, die dem theologischen Denken Deuterojesajas eigen war.“266 V.23 ha’ōtijjōt meint die „kommenden Ereignisse“ und findet sich in dieser Form nur hier und in 44,7. Gemeint ist die Zukunft. Die anderen Götter sollen den Beweis für ihre Göttlichkeit antreten. Kriterium für die Göttlichkeit ist allein die Tatsache, ob die Götter in der Lage sind, die Zukunft anzusagen. „Die Götter mögen doch irgendein Lebenszeichen von sich geben, damit wir staunen können!“ so gibt Volz267 V.23b wieder. „Diese Zuordnung von Wort und Geschehen, von Verheißung und Erfüllung, von Früherem und Kommenden ist folglich wesentlich für die Erkenntnis JHWHs als des einen und wahren Gottes.“268 Man kann diese Argumentation nicht als Beweis im strengen Sinne werten. Insbesondere neu edierte Texte aus dem Alten Orient haben ergeben, dass es auch dort prophetische Gestalten gab, die im Auftrag einer Gottheit die Zukunft ansagten, z.B. in Mari. In Babylonien waren im Rahmen der Astrologie die Wahrsagekunst und die Omendeutung stark verbreitet. Omina als Mittel der Vorausschau werden jedoch nicht akzeptiert, da diese nur Einzelakte sind. Bei Dtjes ist vielmehr der Gesamtablauf im Blick.269 Es geht also weniger um einen Beweis als um ein Bekenntnis. Der Prophet richtet sich nicht an die Verehrer heidnischer Götter, sondern an seine Landsleute. Er erinnert sie an das Phänomen der Prophetie und sieht darin einen Beweis für die Geschichtsmächtigkeit JHWHs. Er beantwortet dadurch zugleich die Theodizeefrage, nämlich ob JHWH nicht die Kontrolle über die Geschichte seines Volkes und der Welt im Ganzen verloren habe. Der Prophet hebt hervor, dass die Geschichte sich nicht zufällig abspielt, sondern nach einem Plan, den die Propheten ihren Zeitgenossen mitteilen vgl. 44,26). Darin erweist JHWH sein Herrsein über die Geschichte.
66 Steck, Dtjes, 291. 2 267 26. 268 Preuß, Dtjes, 48. 269 Vgl. Preuß, Dtjes, 67.
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V.24 Bei der Aussage, dass die anderen Götter „nichts“ (’ajin) seien, geht es weniger um die Frage der Ontologie, des Seins, als vielmehr der Wirksamkeit. Der sog. monotheistische Beweis, der hier erbracht wird, folgt nicht so sehr theoretischer, als vielmehr praktischer Zielsetzung. Gegenüber der scheinbaren Übermacht der babylonischen Götter bekennt sich der Prophet zur Einzigkeit JHWHs. Diese Einzigkeit JHWHs wird aus seiner Geschichtsmächtigkeit abgeleitet, die sich in dem Phänomen des prophetischen Wortes manifestiert (vgl. 44,8; 45,21). Der Prophet betont, dass es außer JHWH keinen Helfer gibt (vgl. 43,11; 45,21). Die anderen Götter können nicht helfen (vgl. 45,20) und nicht voraussagen (vgl. 43,9; 44,7; 45,21; 48,14), sie sind nichts (vgl. 40,17; 44,9ff; 46,1ff). Nach Bons270 erlaubt dieser Text ähnlich wie 44,9–20 „die Schlussfolgerung, dass er die Existenz anderer Götter keineswegs expressis verbis bestreitet“. Doch nimmt er implizit eine Neudefinition dessen vor, was man unter einem „Gott“ zu versteht hat: „Nur wer die Zukunft ansagt und das Angesagte auch ausführt, kann als Gott gelten.“ V.25 Konkretes Unterpfand der Geschichtsmächtigkeit JHWHs ist der Perserkönig Kyros, den JHWH berufen und bei seinem Namen genannt hat. Sein Siegeszug ist der Beweis für die Ankündigung des Propheten und für die Mächtigkeit JHWHs (vgl. 44,28). Das bisher grundsätzlich Gesagte wird auf die konkrete Situation angewendet, d.h. die Geschichte Israels als Vergangenheit, das Exil als Gegenwart und Kyros als Zukunft.271 „Von Norden her“ ist „eher Stilelement als genaue geographische Bezeichnung“272. V.26 Der Vers knüpft an V.22f an. Duhm bemerkt dazu mit ironischen Untertönen: „Jeder beliebige Andersgläubige würde ihn (d.h. den Propheten) widerlegt, wo nicht gar verlacht haben, wenn er behauptet, dass es außer der israelitischen Religion keine Voraussagungen gebe …; aber unser Prophet hält das offenbar gar nicht für denkbar, das bloße Aussprechen seiner Überzeugung ist ihm schon Beweis, er hat nicht das geringste Körnchen Selbstkritik. … Dtjes. glaubt als Prophet zu sprechen, spricht aber als Poet, die Begeisterung täuscht sich über sich selber.“273 Es handelt sich also
70 Israel, 19. 2 271 Vgl. Preuß, ebd. 272 Preuß, Dtjes, 68. 273 Duhm, Jes, 274.
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nicht um einen Religionsvergleich, sondern um ein Glaubenszeugnis: Nur bei JHWHs Wirken ist der kontinuierliche Zusammenhang von Wort und Geschehen zu erkennen. Dafür ist Israel Zeuge bzw. soll es Zeuge sein. Die Geschichte ist weder zufälliges Geschehen noch Werk fremder Götter, sondern allein JHWHs Werk (vgl. 40,15.17.23). V.27 Hier wird das zeitlich unbegrenzte Wirken und Sein JHWHs ausgesagt, das ihn von allen anderen Göttern unterscheidet. Er stellt dies dadurch unter Beweis, dass er jetzt Jerusalem zu neuem Leben erweckt. Er gibt ihm „Freudenboten“ (m ͤ bāśēr, vgl. 52,7), die den Bewohnern Heil ankündigen. V.28 JHWH hat keinen „Ratgeber“ (jō‘ēş). Sein Ratschluss steht jenseits jeglicher Diskussion. Außer ihm gibt es keine göttliche Gestalt, die ihm gleich wäre. V.29 Noch einmal wird ausgesagt, dass die Götter keine Mächtigkeit besitzen, sie sind nichts und nichtig (‘ajin, ’ǽphæs). Insbesondere ihre Bilder sind „leerer Wind“ (rū ͣ ḥ wātohū). Der Prophet führt wiederum eine Art Gottesbeweis. An Kyros wird die „Wahrheit“ JHWHs sichtbar. Hier wird nicht auf die Schöpfung verwiesen wie in den Disputationsworten. Die Evidenz des JHWH-Glaubens wird nicht durch imponierenden Kultus, Hierarchie, staatliche Macht oder Königtum, sondern durch sein Wort erwiesen (vgl. 40,6–8; 55,10f). JHWH hat nicht nur Heil in der Geschichte verwirklicht, sondern die Katastrophe vorausgesagt. Die Rede von Früherem und Späterem beschreibt Kontinuität und Diskontinuität. Das Exil zeigt nicht JHWHs Ohnmacht, sondern ist Beweis für seine Stärke, weil sich die Richtigkeit von JHWHs Propheten und ihren Voraussagen erwiesen hat. An der Zuordnung von Wort und Geschehen, Verheißung und Erfüllung, Früherem und Kommenden soll man erkennen, wer der wahre Gott ist. Im Urteilsspruch stellt JHWH fest, dass die anderen Götter „nichts“ sind. Sie können nichts bewirken; allein er beweist seine Einzigkeit im Phänomen des prophetischen Wortes (vgl. 44,6–8; 46,9; 48,11; 49,23). Konkretes Unterpfand der Geschichtsmächtigkeit JHWHs ist der Perserkönig Kyros, den JHWH berufen und bei seinem Namen benannt hat. Sein Siegeszug ist Beweis für JHWHs Macht, Güte und Weisheit. Nicht eine höhere Geistigkeit oder Ethik machen das Einzigartige an JHWH aus, sondern die geschichtliche Kontinuität von Ankündigung und Ereignis, die sich allein im
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JHWH-Glauben findet. An Kyros wird JHWHs Gerechtigkeit und Wahrheit sichtbar. Diesem Neuen sollen sich die Israeliten öffnen.
Dtjes 42,5–9 5 So spricht Gott JHWH, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem (rū ͣ ḥ) denen, die auf ihr gehen: 6 Ich, JHWH, habe dich gerufen in Gerechtigkeit (ṣǽdæq) und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, 7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. 8 Ich, JHWH, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. 9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich es euch hören. V.5–7 werden von Fohrer274 als zweites Wort über den Gottesknecht angesehen, während er V. 8f für sekundär hält. Westermann275 verneint mit anderen, dass der Gottesknecht hier gemeint sei und sieht den Abschnitt als Einheit an. Elliger276 versteht den Text als Berufung des Kyros. Doch passen dazu nicht die Aussagen in V.6 hinsichtlich b ͤ rīt ‘am und ’ōr gōjīm. Deshalb ist wohl Israel angeredet. Der schwer verständliche Text stammt wahrscheinlich von einem späteren Verfasser. V.5 JHWH wird als Schöpfer des Himmels und der Erde sowie des Menschengeschlechts beschrieben. Das Ausspannen bzw. Ausbreiten des Himmels kommt auch in 42,22; 44,24; 45,12; 48,13 vor; der Ausdruck „Himmel und Erde“ findet sich häufig bei Dtjes (40,22; 44,23f; 45,8.12.18; 48,13; 49,13; 51,6). JHWH gibt seine rū ͣ ḥ allen Menschen. „DtJes zieht aus der Marduk-Schöpfungstheologie und den im Hintergrund stehenden astronomischen Erkenntnissen nur die letzte Konsequenz für den JHWHGlauben und bringt den Gedanken eines souveränen universalen Schöpfungshandelns Gottes mit dem Begriff br’ auf den Punkt.“277 74 Jes III,50. 2 275 Jes 40–66, 81f. 276 Dtjes, 232. 277 Albani, Gott, 241.
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V.6 Israel wird wie eine Einzelperson angeredet und erhält den Auftrag, Licht für die Völker zu sein. Gemeint ist wohl das Zeugenamt, das JHWH der Exilsgemeinde in 43,10; 44,8; 55,4 anvertraut, indem sie JHWH als einzigen universalen Gott bekennt. V.7 Nach Westermann278 ist hier nicht die Exilierung oder die Blindheit Israels hinsichtlich der Heilsverkündigung des Propheten gemeint, sondern die allgemeine Bestimmung Israels, „anderen Erleuchtung und Befreiung zu bringen“. V.8 In dieser Selbstprädikation hebt JHWH seine Einzigkeit gegenüber den Götzen hervor. kābōd meint „die öffentliche Durchsetzung von JHWHs Macht als Bestandteil seines Wesens“279, woran sein Wirken erkennbar wird (vgl. Ez 11,22f; 43,1ff). „Weil Gott der Herr ist und weil er seine Ehre und seinen Ruhm mit niemandem teilen will, wird sich das Neue genauso verwirklichen, wie das Frühere.“280 V.9 Der Vers beschreibt das Neue, das sich jetzt in der Gola durchsetzt. Dabei wird an die Wirksamkeit des prophetischen Wortes in der Vergangenheit angeknüpft (vgl. 43,18f; 44,7; 48,6f).
Dtjes 43,8–13 8 Es soll hervortreten das blinde Volk, das doch Augen hat, und die Tauben, die doch Ohren haben! 9 Alle Völker sind zusammengekommen und die Nationen versammeln sich. Wer ist unter ihnen, der dies verkündigen kann und uns hören lasse, was früher geweissagt wurde? Sie sollen ihre Zeugen aufstellen, dass sie recht bekommen, so wird man es hören und sagen: Es ist die Wahrheit. 10 Ihr seid meine Zeugen, spricht JHWH, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich es bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein. 11 Ich bin JHWH und außer mir ist kein Retter. 12 Ich habe es verkündigt und habe auch geholfen und habe es euch hören lassen; und es war kein fremder
78 Jes 40–66, 84. 2 279 Rendtorff, Geschichte, 28. Vgl. 48,11; Jes 6,3; 35,2; 59,19; Ps 19,2; Ps 97,6; 138,5; 145,5.11f. 280 Fohrer, Jes 40–66, 52.
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Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht JHWH, und ich bin Gott. 13 Auch künftig bin ich derselbe, und niemand ist da, der aus meiner Hand erretten kann. Ich wirke; wer will es wenden? Es handelt sich um die Gattung der Gerichtsrede (vgl. 41,1–5.21–29). In einem fiktiven Verfahren soll die Berechtigung JHWHs festgestellt werden, ob er allein Gott ist. Israel soll als Zeuge fungieren. Die Gegenseite soll zwar Zeugen stellen, kommt aber überhaupt nicht zu Wort. Als neues Element ist enthalten, dass Zeugen aufgeführt werden und die Gegenpartei Zeugen stellen soll. Auch diesmal soll in einem Feststellungsverfahren die Berechtigung eines Anspruchs geprüft werden. „Bei genauem Zusehen aber zeigt sich schnell, wie frei Deuterojesaja für seine Zwecke mit der überlieferten Form umgeht: Eigentlich müssten sich ja JHWH und die Götter der Völker oder die Völker mit ihren Göttern und Israel mit JHWH gegenüberstehen. Hier aber stehen sich die Völker, die Zeugen zu stellen aufgefordert werden, und JHWH gegenüber, der Israel an seine Erwählung erinnert.“ Dieser von Michel281 gesehene Stilbruch zeigt ganz deutlich die kerygmatische Umbiegung der übernommenen Form. Die Gerichtsverhandlung ist also stark stilisiert dargestellt. V.8 JHWH steht in einem Rechtsstreit mit den anderen Göttern. Es geht um den Zusammenhang des Wortes mit dem Eintreffen des Gesagten, um die Kontinuität von Verheißung und Erfüllung. Die Zeugen, d.h. die Israeliten werden als blind und taub beschrieben, obwohl sie Ohren und Augen haben, d.h. sie nehmen Gottes Handeln in der Gegenwart nicht wahr.282 V.9 Israel soll durch seine Existenz JHWH rechtfertigen. Als der von ihm erwählte „Knecht“ soll es erkennen, dass JHWH der allein Wirksame und Gerechte ist. JHWH stehen die anderen Völker gegenüber. Es geht im Rechtsstreit um den Zusammenhang zwischen Wort und Eintreffen des Gesagten. „Über die Berechtigung und den Anspruch einer Religion entscheidet hier nicht ihr geistiger oder ethischer oder religiöser Wert, sondern allein die geschichtliche Kontinuität, das Hinüberreichen eines Glaubens über den Abgrund eines politischen Zusammenbruches.“283 Denn „erst das Zusammentreffen von ankündigendem Wort und Ereignis ist Kriterium für 81 Dtjes, 514. 2 282 Fohrer (Jes III, 62f) sieht den Vers als Zusatz an und stellt V.13 an den Anfang. 283 Westermann, Jes 40–66, 100.
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die Göttlichkeit“284 (vgl. 41,21–29). Das „Frühere“ meint die vorexilische Gerichtsprophetie. V.10 Israel wird zum Zeugen für die Göttlichkeit JHWHs berufen. Es soll durch seine Existenz Antwort auf die Theodizeefrage geben. Der Prophet spricht ihm ausdrücklich das Erwähltsein zum Knecht zu, d.h. seine direkte Beziehung. Es soll ihm vertrauen und erkennen, dass JHWH allein der Wirksame ist.285 „Israel sollte das Volk des Gottesbeweises werden.“286 Das Zeugenamt für JHWHs Einzigkeit wird passiv als Dasein und Geschick verstanden. ͣ nī hu’ ist eine „monotheistische Formel“.287 (Vgl. 41,4) Die Zumutung ist ungeheuerlich, da es doch eigentlich blind ist. Wildberger288 beobachtet richtig, dass es hier nicht nur im ontologischen Sinn um die Einzigkeit JHWHs geht, sondern um die Errettung Israels. „Der Monotheismus ist dem soteriologisch-seelsorgerlichen Interesse untergeordnet.“ Westermann289 stellt dazu fest: „Einen so eindeutigen und so grundsätzlichen Satz zur Einzigkeit Gottes hat vor Deuterojesaja niemand gesprochen.“ Das Bekenntnis zum Monotheismus JHWHs ist die Antwort auf die Theodizeefrage. V.11 Hier liegt der Höhepunkt des Abschnitts. In diesem Argumentationsgang rechtfertigt der Prophet JHWH. Während die Israeliten an der geschichtlichen Wirksamkeit JHWHs zweifeln, ruft der Prophet zum Bekenntnis seiner Einzigkeit auf. Michel290 kommt zu dem Ergebnis, dass in dem Ausdruck ’ānōki JHWH JHWH das Subjekt und ’ānōkī das Prädikat sei. Deshalb sei zu übersetzen: „Nur ich bin JHWH“ oder „Ich allein bin JHWH“ in der Bedeutung, dass JHWH für Dtjes mit einem Anspruch und Inhalt gefüllt ist. Allein JHWH wirkt durch sein Ankündigen und Handeln in der Geschichte und erweist sich dadurch als Gott. Neben ihm gibt es keinen Retter. „Der Monotheismus ist … die ins kognitive Bewusstsein umgesetzte leidenschaftliche Affirmation seiner Gewaltigkeit“, meint 84 Michel, Dtjes, 515. 2 285 Vgl. zur Einzigkeit JHWHs auch 44,6.8; 45,5–7.14.18.21f; Ps 18,32; Jes 64,3; Hos 13,4. 286 Volz, Jes, 40. 287 Jes, 41. 288 Monotheismus, 254. 289 Jes 40–66, 101. 290 Jahwe, 150.
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v.d.Leeuw.291 Feldmeier/Spieckermann292 stellen richtig fest: „Erstmals wird die Einzigkeit Gottes strikt universal gedacht, weil sie nicht nur auf die Singularität der Beziehung Yhwhs zu Israel zielt, sondern auch auf die offensive Negierung jedweder göttlichen Macht in der Welt außer der des einzigen Gottes Yhwh.“ Allein JHWH verfolgt seine Pläne mit Israel und den anderen Völkern (vgl. Dtjes 40,12–17; 43,1–13; 45,14–17; 52,7–10). V.12 Noch einmal wird darauf hingewiesen, dass JHWH allein die Kontinuität von Wort und Ereignis bewirkt hat, die ihn als alleinigen Herrn der Geschichte ausweist. Darin liegt die differentia specifica zwischen JHWH und den anderen Göttern. Im Hintergrund stehen Zweifel an der Zuverlässigkeit JHWHs und seines Wortes: Verspricht JHWH nicht mehr, als er halten kann und darf man ihm überhaupt noch trauen? Der Prophet beweist anhand der vorexilischen Unheilsprophetie, dass JHWH mächtig und vertrauenswürdig, ja einzigartig unter den Göttern ist. V.13 Der Vers entspricht V.10b.11. Es wird noch einmal die Alleinwirksamkeit JHWHs ausgesagt. Hinter dem Vers steht eine „Theologie des Jahwenamens“293. Dtjes richtet sich in seiner Botschaft nicht an die Verehrer heidnischer Götter, sondern an seine eigenen Landsleute. Durch den Hinweis auf die Prophetie begegnet er der Skepsis, JHWH habe die Kontrolle über das Geschehen verloren. Er hebt hervor, dass sich die Geschichte nicht zufällig abspielt, sondern nach einem sinnvollen Plan, den Gott durch die Propheten den Israeliten mitgeteilt hat. Das jetzige Exil ist kein Betriebsunfall in der Heilsgeschichte, sondern entspricht der Absicht JHWHs. Israel soll Zeuge sein für JHWHs Geschichtsmächtigkeit und erhält dadurch eine hohe Würde. Dieses Zeuge-sein geschieht nicht durch missionarische Aktivitäten, sondern durch sein bloßes Da-sein. In dem, was sich an dem Volk ereignet, wird JHWH als „gerechter und rettender Gott“ (45,21) erfahrbar. Von seinem Mund geht Gerechtigkeit aus (45,23f). Die anderen Götter sind demgegenüber „nichts“(’ᵆlīl). Wenz fasst die in dem Abschnitt formulierte Wende im Glaubensleben Israels zutreffend zusammen: „Sie bewirkte nichts weniger als Israels theologische Bekehrung zu jenem Gott, der zwar, wie 91 Phänomenologie, 199. 2 292 Gott, 104. 293 Michel, Jahwe, 151. Vgl. Dtn 32,39.
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das Alte Testament es explizit bezeugt, von Anbeginn als der Gott Israels waltete, der aber noch nicht wirklich als derjenige erkannt war, der er in Wahrheit ist, nämlich der universale Herr von Menschheit und Welt, der sein Volk zum Boten göttlicher Gerechtigkeit erwählt hat, die alle Grenzen des Raumes und alle Schranken der Zeit übersteigt und unvergleichlich höher ist als alle Macht der Natur und der politischen Herrschaft.“294
Dtjes 44,6–8 6 So spricht JHWH, der König Israels, und sein Erlöser, JHWH Zebaoth: Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott. 7 Und wer ist mir gleich? Er rufe und verkünde es und tue es mir dar! Wer hat vorzeiten kundgetan das Künftige? Sie sollen uns verkündigen, was kommen wird! 8 Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht! Habe ich es dich nicht schon lange hören lassen und es dir verkündigt? Ihr seid doch meine Zeugen! Ist auch ein Gott außer mir? Es ist kein Fels, ich weiß ja keinen. V.6–7 JHWH vergleicht sich mit den anderen Göttern. Aber er ist der Erste und der Letzte, und außer ihm gibt es keinen Gott. „Hier ist die Nichtexistenz anderer Götter als nackte Tatsache ausgesprochen.“295 Er hat die Geschichte vorausgesagt, und Israel ist dafür Zeuge. Ihn zeichnen seine Unvergleichlichkeit und damit seine Einzigkeit aus (vgl. 46,9). „Es geht um die Geschichtsmächtigkeit als das Charakteristikum des wahren Gotteseins“.296 Der Titel JHWH Zebaoth stammt nach Albani297 aus der Jerusalemer Theologie und bezeichnet JHWH im Rahmen der Astralisierung als den „auf dem Zion thronenden und von einem himmlischen Hofstaat göttlicher Wesen umgebenen König und Kriegshelden“ (vgl. Jes 6,1–3; 1Kön 22,19ff). V.8 Der Text ist korrupt und unklar. Israel soll bezeugen, dass es keinen Gott neben JHWH gibt. „Das bedeutet, dass der Monotheismus ein selbständiger Glaubensinhalt geworden ist.“298
94 Gott, 114. 2 295 Wildberger, Monotheismus, 255. 296 Elliger, Dtjes, 399. 297 Gott, 237. 298 Wildberger, ebd.
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Dtjes 45,18f 18 Denn so spricht JHWH, der den Himmel geschaffen hat – er ist Gott; der die Erde bereitet und gemacht hat – er hat sie gegründet; er hat sie nicht geschaffen, dass sie leer sein soll, sondern sie bereitet, dass man auf ihr wohnen solle: Ich bin JHWH, und sonst keiner mehr. 19 Ich habe nicht im Verborgenen geredet an einem finstern Ort der Erde; ich habe nicht zu den Söhnen Jakobs gesagt: Sucht mich vergeblich! Denn ich bin JHWH, der von Gerechtigkeit redet und verkündigt, was recht ist. Bei dem Text handelt es sich vielleicht nicht um eine selbständige Einheit, sondern um die Einleitung zu 45,20–25 und 46,1–13.299 Die Gattung ist mit Disputationsworten oder Bestreitungen zu vergleichen. Fohrer300 sieht V.18 als erweiterte Einleitung und V. 19 als Diskussionswort an, die wahrscheinlich nicht von Dtjes stammen. Duhm301 betrachtet demgegenüber V.18–25 als Einheit. V.18 JHWH hat die Welt nicht als Chaos, sondern als Kosmos geschaffen. Schöpfung und Erlösung gehören eng zusammen. Nach Eberlein302 dienen die Schöpfungsaussagen dazu, „einen universalen Rahmen für Jahwes Geschichtshandeln zu präsentieren“ und „eine analoge Beziehung zwischen Jahwes weltweitem Schöpfungshandeln und seinem Handeln an Israel und den Menschen außerhalb Israels“ zu verdeutlichen. V.19 Der Ausdruck „im Verborgenen“ (basētær) ist in seiner Bedeutung umstritten.303 Duhm304 und Fohrer305 bringen ihn mit Orakel- oder Mysterienreligionen in Verbindung, die eine geheimnisvolle Weisheit oder Symbolik verkünden. Nach Westermann306 bezieht er sich „auf die Verborgenheit und Dunkelheit dessen, was Gott gesagt hat“. Gottes Wort ist immer öffentlich ergangen. Seine Drohungen und Verheißungen haben das Volk nicht in die Irre geführt, sondern ihm klar seinen Willen kundgetan.
99 Vgl. Westermann, Jes 40–66, 140f. 2 300 Jes III, 93. 301 Jes, 311. 302 Gott, 163. 303 S. dazu u. S. 123f. 304 Jes, 312. 305 Jes III, 93. 306 Jes 40–66, 140f.
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Auch jetzt redet er „Gerechtigkeit“ (ṣǽdæq) und verkündet das „Richtige“ (mēšarīm). Er erweist damit seine Gemeinschaftstreue, die Heil für sein Volk bedeutet.
Dtjes 45,20–25 20 Versammelt euch und kommt miteinander herzu, ihr Entronnenen der Völker! Keine Erkenntnis haben, die sich abschleppen mit den Klötzen ihrer Götzen und zu einem Gott flehen, der nicht helfen kann. 21 Tut es kund, bringt es vor, beratet miteinander: Wer hat dies hören lassen von alters her und vorzeiten verkündigt? Habe ich es nicht getan, JHWH? Es ist sonst kein Gott außer mir, ein gerechter Gott und Retter, und es ist keiner außer mir. 22 Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr. 23 Ich schwöre bei mir selbst, und Gerechtigkeit geht aus meinem Mund, ein Wort, bei dem es bleiben soll: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören 24 und sagen: In JHWH habe ich Gerechtigkeit und Stärke. Aber alle, die ihm widerstehen, werden zu ihm kommen und beschämt werden. 25 In JHWH wird gerecht werden Israels ganzes Geschlecht und wird sich seiner rühmen. Der Abschnitt beginnt mit einer Gerichtsrede.V.20.21a enthält die Vorladung vor Gericht. V.20b ist mit Fohrer307 und Westermann308 als sekundär anzusehen. Fohrer309 findet in V. 20f eine prophetische Gerichtsrede, deren Thema die Heiligkeit und Einzigkeit Gottes ist, während es sich in V.22f um ein Mahnwort und in V. 24f um ein Bekenntnis des Propheten handelt. V.21 Der Vers ist mit Texten, die bereits behandelt wurden, eng verwandt. Er leitet aus dem Phänomen des prophetischen Wortes den Beweis für die Einzigkeit JHWHs ab. JHWH nennt sich ’ēl ṣaddīq umōšija „gerechter Gott und Retter“. „Die soteriologischen und ontologischen Aussagen über Jahwe stehen wieder nebeneinander und bedingen sich gegenseitig.“310 Die anderen Götter leisten nicht, was man von wirklichen Göttern erwarten könnte.
07 Jes III, 94. 3 308 Jes 40–66, 142. 309 Jes III, 85. 310 Wildberger, Monotheismus, 514.
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V.22 Der Vers enthält eine Einladung zum Heil und einen Aufruf, sich JHWH als dem einzigen Gott zuzuwenden. V.23 Deutlich ist hier der Universalismus angesprochen, der mit dem Monotheismus parallel geht. Wenn es nur einen Gott gibt, so muss dieser vom Wesen her ein universaler Gott sein. Aus seinem Munde geht Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā). Sein Wort hat unbedingten Bestand. Ihm muss sich letztlich jeder Mensch unterordnen. V.24 Diese Unterordnung mündet in das Bekenntnis, dass allein bei JHWH „Gerechtigkeiten“ (ṣidqōṭ) und Stärke (‘ōȝ) zu finden sind. Indem JHWH dem Menschen seine Gerechtigkeit erweist, demonstriert er zugleich seine Stärke. Macht und Gerechtigkeit gehören somit eng zusammen. Sein Gerechtsein besteht darin, diejenigen gnädig anzunehmen, die sich gegen ihn aufgelehnt haben. JHWH geht aus der gerichtlichen Auseinandersetzung als gerechtfertigt hervor, weil er Heil und Hilfe schafft. Alle Zungen werden bekennen, dass bei JHWH „heilschaffende Gerechtigkeitstaten und Macht“311 zu finden sind. Auch die Heiden können dies sehen. V.25 Das ganze Israel soll in JHWH „gerechtfertigt werden“ (ṣdq), d.h. seine Gemeinschaftstreue erfahren. Diese Erfahrung mündet ein in das Rühmen (hll) JHWHs. Die Doxologie ist letztlich die Antwort auf die Theodizeefrage. „Dadurch, dass JHWHs ṣ ͤ dāqā öffentlich vor aller Welt bekannt wird, kommt auch Israel zu seinem Recht. … Was Israel in der vorstaatlichen Periode als konkrete militärische Erfolge erlebte, in der Königszeit als heilvollen Normalzustand des ṣǽdæq im Kult vergegenwärtigte und als Rettung des in Not geratenen Einzelnen JHWHs ṣ ͤ dāqā nennen konnte, wird in der totalen Entfremdung der Exilszeit kontrafaktisch als universale Zukunft angesagt.“312
Dtjes 46,9–12 9 Gedenkt des Vorigen von alters her, denn ich bin Gott, und sonst keiner, ein Gott, dem nichts gleicht, 10 der ich zuvor verkündige, was hernach kommen soll, und vorzeiten, was noch nicht geschehen ist, und der ich sage: Was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe,
11 Crüsemann, Gerechtigkeit, 445. 3 312 Ebd.
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das tue ich. 11 Ich rufe einen Adler vom Osten her, aus fernem Lande den Mann, der meinen Ratschluss ausführt. Wie ich es gesagt habe, so lasse ich es kommen; was ich geplant habe, das tue ich auch.12 Hört mir zu, ihr trotzigen Herzen, die ihr fern seid von Gerechtigkeit! Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht, sie ist nicht fern und mein Heil säumt nicht. In diesem Disputationswort geht Dtjes nach der Einleitung (V.9) von einer unbestreitbaren Behauptung (V.10a) über die daraus gezogene umfassende Folgerung (V.10b) zu der bestrittenen Behauptung (V.11) über.313 V.9–11 Der Prophet verweist ähnlich wie in 43,8–13 und 44,6–8 auf die in der Prophetie sich manifestierende Geschichtsmächtigkeit JHWHs, die seine Einzigkeit und Unvergleichlichkeit beweist. Er kündigt an, dass JHWH „einen Adler vom Osten her“ ruft. Gemeint ist der Perserkönig Kyros. Sein Siegeszug bringt JHWHs Gerechtigkeit nahe, d.h. als eine Art Gottesbeweis demonstriert er die Einzigkeit und universale Macht JHWHs. V.12 Dtjes redet die Mutlosen an, die sich „fern von Gerechtigkeit“ wähnen. Sie sollen nun JHWHs Gerechtigkeit, d.h. sein Heilshandeln, erfahren.
Dtjes 48,3–5 3 Ich habe vorzeiten verkündigt, was schon gekommen ist; aus meinem Mund ist es gekommen, und ich habe es sagen lassen. Ich tat es plötzlich und es kam. 4 Weil ich weiß, dass du hart bist und dein Nacken eine eiserne Sehne ist und deine Stirn ehern, 5 darum habe ich dir es vorzeiten verkündigt und es dir sagen lassen, ehe es gekommen ist, damit du nicht sagen könntest: Mein Götze tat es, und mein Schnitzbild und Abgott hat es befohlen. Es handelt sich um einen redaktionell komplizierten Text. Er stammt wohl von einem späteren Bearbeiter, der zwar Ausdrücke von Dtjes aufgreift, zugleich aber auch von Ez und dem Deuteronomisten beeinflusst ist.314 V.3 Die Redeweise von „früher“ und „später“ kommt auch in 41,22; 42,8; 43,9.18 vor.
13 Vgl. Fohrer, Jes III, 102. 3 314 Fohrer, Jes III,112.
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V.4 f Der Prophet kritisiert die Israeliten wegen ihres Götzendienstes. Darin unterscheidet sich der spätere Verfasser von Dtjes, der „seinem Volk zwar Kleinglaube, Verzagtheit oder Trotz, nicht aber Un- und Aberglaube vorgeworfen“ hat.315
Dtjes 55,10f 10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Mund geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Die Verse gehören zu dem größeren Abschnitt V.6–12, der aus verschiedenen Teilen besteht. Hintergrund für V.10f ist der Zweifel an der Wirksamkeit des prophetischen Wortes, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Es handelt sich um eine Belehrung bzw. Weisung an den Propheten.316 Deutlich knüpfen die Verse an 40,8 an, wo es ebenfalls um die Verlässlichkeit und Mächtigkeit des Wortes Gottes geht. V.10 Der Prophet benutzt einen Vergleich, der dem Bereich der Natur entnommen ist. Man könnte ihn auch ein Gleichnis nennen. Entscheidend ist das tertium comparationis, wonach sowohl bei Regen und Schnee als auch beim Wort JHWH der Sendende und der Wirkende ist. „Beide werden von dem sendenden Herrn ausgeschickt, genügen ihrer naturgemäßen Bestimmung, rufen ihre Wirkung hervor und sind ihrem Herrn, der ihre Wirkung verbürgt, dafür gewissermaßen verantwortlich.“317 V.11 Das prophetische Wort, das im Auftrag JHWHs gesprochen wird, kehrt nicht leer zurück. Die Wirkung des Wortes wird hier im Unterschied zu Jer 23,29 („Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht JHWH, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“) rein positiv und lebensfördernd geschildert. Das „Wort“ rückt nach Volz318 bereits in die Nähe einer
15 Ebd. 3 316 Vgl. Fohrer, Jes III, 181; Volz, Jes, 147. 317 Fohrer, ebd. 318 Volz, Jes, 147.
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Hypostase (vgl. Jes 9,7; Ps 147,15). „Leer“ meint „unverrichteter Dinge“ (vgl. 2Sam 1,22). Albani319 interpretiert den monotheistischen Weissagungsbeweis Dtjes’ auf dem Hintergrund der besonderen historischen und religionsgeschichtlichen Situation der Nabonid-Ära.320 „Nach DtJes kann nur JHWH das Künftige wahrhaft voraussagen, besonders den Siegeszug des Kyros und die sich daraus ergebende Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft. Diese ‚Beweisführung‘ richtet sich gegen den Anspruch der babylonischen Götter auf den Besitz der Schicksals- und Zukunftsmacht, besonders gegen Marduk-Bel.“
4. Die Rechtfertigung JHWHs durch die Ankündigung seines rettenden Handelns Dtjes 41,1–5 1 Ihr Inseln, schweigt vor mir! Und die Völker sollen neue Kraft gewinnen! Sie sollen herzutreten und dann reden! Lasst uns miteinander rechten! 2 Wer lässt den von Osten her kommen, dem Heil auf dem Fuß folgt, vor dem er Völker und Könige dahingibt, dass er ihrer mächtig wird? Sein Schwert macht sie wie Staub und sein Bogen wie verwehte Spreu. 3 Er jagt ihnen nach und zieht unversehrt hindurch und berührt den Weg nicht mit seinen Füßen. 4 Wer tut und macht das? Wer ruft die Geschlechter von Anfang her? Ich bin es, JHWH, der Erste, bei den Letzten noch derselbe. 5 Als die Inseln das sahen, fürchteten sie sich, und die Enden der Erde erschraken; sie nahten sich und kamen herzu. Der Abschnitt gehört zur Gattung der Gerichtsrede. V.1 enthält die Vorladung, in der Stille gefordert wird. Die JHWH-Partei und die Gegenpartei stehen einander gegenüber. In V.2–4a sind die Fragen im Stil eines „diskutierenden Weisheitslehrers“321 formuliert.
19 Gott, 122. 3 320 Nabonid regierte von 556 bis 539 v.Chr. als letzter König des neubabylonischen Reiches. Er förderte den Kult des Mondgottes Sin und setzte Marduk als obersten Gott ab. Dadurch geriet er in Spannungen mit der Marduk-Priesterschaft in Babylon, die 539 v.Chr. die Stadt dem Perserkönig Kyros kampflos übergaben. 321 Fohrer, Jes III, 34.
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V.1 Es wird das Stichwort Rechtsspruch/ Rechtsverhandlung (mišpāṭ) als Ziel der Szene gebraucht. Nach Baltzer322 bezeichnen „Länder“ und „Inseln“ die bewohnte Welt, die trotz Konflikten zwischen Menschen zum Leben für sie geschaffen ist (vgl. 45,18). V.2 Der Name des Kyros wird nicht genannt, er kommt erst in 44,28 vor. Doch ist er gemeint. şǽdæq wird hier im Sinne von Heil gebraucht. JHWH gewährt den Menschen das ihnen Zustehende, insbesondere den Israeliten. Er verschafft ihnen ihr Recht, indem er ihnen ihre Freiheit wiederherstellt. V.3 Der Ausdruck „er berührt den Weg nicht mit seinen Füßen“ umschreibt die Leichtigkeit, mit der Kyros seinen Siegeszug vollführt. Er braucht nicht auf den Wegen zu gehen, sondern kann sich seinen eigenen Weg suchen.323 V.4 Der Vers enthält die Aussage, dass JHWH allein die Geschlechter von Anfang an ruft, d.h. ins Leben ruft und beherrscht. Sein Wirken hat keine zeitliche oder räumliche Begrenzung Dtjes beschreibt dieses Geschehen in der für ihn charakteristischen Form der Selbstprädikation. JHWH allein ist der in der Geschichte wirkende Gott, während den anderen Göttern ihre Wirksamkeit bestritten wird. Der Ausdruck „der Erste und der Letzte“ bedeutet, dass JHWH der ein und derselbe ist in seinem Handeln in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft324 (vgl. 43,13; 46,4; 48,12). Es geht um die Freiheit und Unergründlichkeit JHWHs. Kyros hat hier wie auch sonst bei Dtjes den Rang eines Gottesbeweises. An seinem Siegeszug können die Israeliten das Wirken ihres Gottes ersehen.325 Im Hintergrund auch dieses Textes steht die Theodizeefrage nach der Wirksamkeit JHWHs in der Geschichte. Hat er sie auf Grund der Katastrophe von 587 v.Chr. an andere Götter abgetreten? Der Prophet antwortet auf diese Frage mit einem klaren Bekenntnis zu JHWH als allein in der Geschichte Wirkendem. Seine Macht umfasst alle Völker, nicht nur Israel. Die gesamte Weltpolitik dreht sich letztlich nur um das Schicksal des kleinen Israel. JHWH beruft sich nicht nur auf seine Taten an den früheren Geschlechtern, sondern auch auf Kyros, den er erweckt hat. „Er
22 Dtjes, 69. 3 323 Westermann, Jes 40–66, 54. 324 Vgl. 43,13; 46,4; 48,12. 325 Vgl. 41,25; 44,28; 45,1.13; 46,11.
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ist der Kronzeuge für die geschichtslenkende Göttlichkeit JHWHs, nicht aber in erster Linie Befreier aus dem Exil.“326 Die Rückkehr ist dann die Konsequenz des Gottseins JHWHs, nicht die Grundlage. Es handelt sich um ein absolutes Novum in der alttestamentlichen Glaubensgeschichte, wenn Dtjes Kyros als legitimen Herrscher von Gottes Gnaden ansieht. „JHWH, der Gott Israels, avanciert zum alleinigen Herrscher der Welt, der auch den persischen Großkönig einsetzt und gegebenenfalls auch wieder absetzt.“327 Eine Parallele hierzu findet sich im sog. Kyros-Zylinder, einem persischen Dokument aus der Zeit nach dem Fall von Babylon 539 v.Chr., wo es heißt: „Marduk … befahl ihm (d.h. Kyros), nach seiner Stadt Babel zu gehen, und er ließ ihn den Weg nach Babel einschlagen. Gleich einem Freund und Genossen ging er zu seiner Seite. Seine umfangreichen Truppen … marschierten waffengerüstet an seiner Seite. Ohne Kampf und Schlacht ließ er ihn in seine Stadt Babel einziehen. Babel rettete er aus der Bedrängnis. Nabonid, den König, der ihn nicht verehrte, überantwortete er ihm. … Über meine Taten freute sich Marduk, der große Herr.“328 V. 5 Der wohl sekundär angefügte Vers bildet den Abschluss der Perikope und schildert das Erschrecken der Inseln, d.h. Völker, über den Rechtsanspruch JHWHs. Sein Handeln hat universale Auswirkung.
Dtjes 42,13–16 13 JHWH zieht aus wie ein Held, wie ein Kriegsmann kommt er in Eifer; laut erhebt er das Kampfgeschrei, zieht wie ein Held wider seine Feinde. 14 Ich schwieg wohl eine lange Zeit, war still und hielt an mich. Nun aber will ich schreien wie eine Gebärende, ich will keuchen und nach Luft schnappen. 15 Ich will Berge und Hügel zur Wüste machen und all ihr Gras verdorren lassen und will die Wasserströme zu Inseln machen und die Teiche austrocknen. 16 Aber die Blinden will ich auf dem Weg leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene. Das alles will ich tun und nicht davon lassen.
26 Jenni, Kyros, 252. 3 327 Gertz, Grundinformation, 343. 328 Vgl. Gertz, a.a.O., 344. S. auch Weippert, Textbuch, 453–456.
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Westermann329 rechnet V.13 noch zu V.10f und beginnt mit V.14 einen neuen Abschnitt. Fohrer330 sieht V.10–12 als Einleitung zu V.13–17 an. Der Abschnitt hat hymnischen Charakter und ahmt in V. 14–16 ein Heilsorakel nach. V.13 Der Vers enthält das Bild von JHWH als einem Kriegsmann, der wie ein Held in die Schlacht zieht. Dieses Bild drückt die Macht JHWHs aus angesichts der Erfahrung seiner Ohnmacht im Exil. V.14 Vielen Israeliten erschien es, als ob JHWH dem Geschehen nur schweigend zusieht, ohne eingreifen zu können oder zu wollen. „Schweigen“ (ḥšh) steht hier in Parallele zu „sich still verhalten“ (ḥrš). In Hab 1,13 stellt der Prophet die vorwurfsvolle Frage an Gott angesichts der babylonischen Fremdherrschaft: „Warum siehst du den Treulosen zu und schweigst, wenn der Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er?“ In Jes 62,1 stehen hšh und šqṭ ebenfalls in Parallele: „Um Zions willen will ich nicht schweigen, will ich nicht innehalten, bis seine Gerechtigkeit aufgehe wie ein Glanz und sein Heil brenne wie eine Fackel, dass die Völker sehen deine Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) und alle Könige deine Herrlichkeit (kābōd).“ In Ps 83, 2 bittet das Volk angesichts der Bedrohung durch andere Völker: „Gott, schweige nicht! Gott, bleibe nicht so still und ruhig!“ Ähnlich beten die Exilierten in Ps 44,24f „Wach auf, Herr! Warum schläfst du? Werde wach und verstoße uns nicht für immer! Warum verbirgst du dein Antlitz, vergisst unser Elend und unsere Drangsal?“ Das Volk klagt in Klgl 5,20: „Warum willst du uns so ganz vergessen und uns lebenslang so ganz verlassen?“ Diese Anthropomorphismen sind „Sprachbilder, die Gott in menschlichallzu menschlicher Gestalt zeigen“.331 Der Prophet nimmt die Erfahrung der Abwendung JHWHs auf und bestätigt sie ausdrücklich. Tatsächlich hat sich JHWH eine Zeitlang von seinem Volk zurückgezogen. Jetzt aber schreit er wie eine Gebärende, d.h. die neue Weltzeit bricht in Kürze an. V.15 JHWH greift neuschaffend in die Geschichte ein. Er verändert sie grundlegend. Das Bild von der Verwandlung der Wüste in fruchtbares Land,
29 Jes 40–66, 84ff. 3 330 Jes III, 87. 331 Dietrich, Gott, 94. Vgl. auch Ps 28,1; 35,22f; 39,13; 50,3; 109,1; Jes 57,11; 64,11.
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von Trockenheit in Wasser gebraucht Dtjes gern und oft332, ebenso die Verwandlung der Berge in Täler und umgekehrt.333 V.16 Der Prophet spricht die Israeliten als „blind“ an.334 Sie können das Wirken JHWHs nicht mehr wahrnehmen. Doch JHWH will ihnen den Weg zu neuer Gotteserkenntnis eröffnen. Die Zukunft ist ihnen zwar unbekannt, doch geht ihnen JHWH als Licht voraus. Ihre Gegenwart ist Finsternis, doch seine Mächtigkeit verändert alles Bestehende. Der Vers endet mit einer Bestätigung des Willens JHWHs, alles dies zu tun und die Israeliten nicht zu verlassen. Mit „Worten“ (d ͤ bārīm) ist Reden und Wirken gemeint. Der Abschnitt beschreibt, wie JHWH aufs Neue die Initiative ergreift, nachdem er lange geschwiegen hat. Er besitzt die Kraft, die Geschichte umzugestalten, auch wenn die Israeliten die Zukunft noch nicht durchschauen können. Indem er dem Volk seine Gemeinschaftstreue neu erweist, ereignet sich seine Rechtfertigung von dem Vorwurf der Machtlosigkeit, des Desinteresses oder der Abwendung. „Deuterojesaja denkt nicht an die Manifestation einer abstrakten göttlichen Eigenschaft, sondern an eine Machtsphäre, die wie eine Wasserflut über das treue Volk strömt, und es ungeheuer vermehrt.“335 Kyros ist keine messianische Gestalt, aber ein Werkzeug JHWHs.
Dtjes 44,24–45,8 24 So spricht JHWH, dein Erlöser, der dich von Mutterleib bereitet hat: Ich bin JHWH, der alles schafft, der den Himmel ausbreitet allein und die Erde fest macht ohne Gehilfen; 25 der die Zeichen der Wahrsager zunichtemacht und die Weissager zu Narren; der die Weisen zurücktreibt und ihre Kunst zur Torheit macht; 26 der das Wort seines Knechts wahr macht und den Rat seiner Boten vollführt; der zu Jerusalem spricht: Du sollst bewohnt sein! Und zu den Städten Judas: Ihr sollt wieder aufgebaut werden!, und ihre Trümmer richte ich auf; 27 der zu der Tiefe spricht: Versiege! Und deine Fluten trockne ich aus; 28 der zu Kyros sagt: Mein Hirte! Er soll all meinen
32 Vgl. 41,19; 44,3; 51,3. 3 333 Vgl. 40,3f; 49,11. 334 Vgl. 42,7.18f; 43,8. 335 Koch, Art. ṣdq, 527.
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Willen vollenden und sagen zu Jerusalem: Werde wieder gebaut! Und zum Tempel: Werde gegründet! 1 So spricht JHWH zu seinem Gesalbten, zu Kyros, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwerfe und Königen das Schwert abgürte, damit vor ihm Türen geöffnet werden und Tore nicht verschlossen bleiben; 2 ich will vor dir hergehen und das Bergland eben machen, ich will die ehernen Türen zerschlagen und die eisernen Riegel zerbrechen 3 und will dir heimliche Schätze geben und verborgene Kleinode, damit du erkennst, dass ich JHWH bin, der dich beim Namen ruft, der Gott Israels. 4 Um Jakobs, meines Knechts, und um Israels, meines Auserwählten, willen rief ich dich bei deinen Namen und gab dir Ehrennamen, obgleich du mich nicht kanntest. 5 Ich bin JHWH, und sonst keiner mehr, kein Gott ist außer mir. Ich habe dich gerüstet, obgleich du mich nicht kanntest, 6 damit man erfahre vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, dass keiner ist außer mir. Ich bin JHWH, und sonst keiner mehr, 7 der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin JHWH, der dies alles tut. 8 Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit (ṣǽdæq)! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich JHWH erschaffe es. Es handelt sich um eine Verheißung an Kyros, wobei die Zuordnung von 44,24–28 zu 45,1–7 unterschiedlich bestimmt wird. Der erste Satz von V.26b wird in V. 28b wiederholt. Vielleicht muss deshalb der 2. Satz von V.28b zu V.26b hingenommen werden. Umstritten ist auch die Zuordnung von V.24–28 zu 45,1–7. Westermann336 und Preuß337 sehen V.24–28 als Einleitung zum Kyrosorakel an, da das in 44,24 angekündigte Wort erst in 45,2ff ausgerichtet wird. Demgegenüber betrachten Begrich338, Fohrer339, Elliger340, Melugin341 und Michel342 den Abschnitt als selbständige Einheit. 36 Jes 40–66, 125. 3 337 Dtjes, 79. 338 Studien, 51f. 339 Jes III, 87. 340 Dtjes, 466. 341 Formation, 141. 342 Dtjes, 515.
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In V.24–26 liegt eine an Israel gewandte Rede vor. Die Selbstprädikationen schließen nicht an V. 24a, sondern an V.24b an. In 45,1–7 wird der König direkt angeredet. Formkritisch ist festzuhalten, dass es sich in V.24–28 um Selbstprädikationen der Gottheit handelt, die zugleich eine Auseinandersetzung mit den Hörern beinhalten. 45,1–7 ist an das Königsritual angelehnt und enthält ein Heils- oder Erhörungsorakel.343 Nach Westermann344 handelt es sich um eine Mischung aus Hymnus und Diskussionswort, nach Eberlein345 um ein Disputationswort, das betont, dass JHWH „im Gegensatz zu den babylonischen Gottheiten als Schöpfer niemand bei sich hat“. V.24 Der Abschnitt beginnt mit dem Lobpreis von JHWHs universaler Schöpfertätigkeit. Der Ausdruck ’ānōkī JHWH „nur ich bin JHWH“ kommt in Form von ’ͣ nī JHWH am Ende des Abschnitts in 45,7 vor. kōl meint alles, sowohl die Schöpfung als auch die Geschichte. Der Vers enthält hymnische Elemente. V.25 Die Worte der heidnischen Wahrsager sind lügnerisch und nichtig; sie besitzen keine Aussagekraft und Wirkung. V.26 Den heidnischen Wahrsagern werden die Worte der Propheten gegenübergestellt. Ihre Ankündigungen gehen in Erfüllung. Demnach wird Jerusalem wieder bewohnt, und die Städte Judas werden wieder aufgebaut werden. Die Geschichte verläuft nicht planlos, sondern nach JHWHs Rat, den er durch seine Boten, die Propheten, verkünden lässt und nunmehr vollendet. V.27 JHWH hat Gewalt über die Urfluten. Er kann den Kosmos in Chaos zurückverwandeln. Duhm346 deutet den Wasserschlund auf Babylon und die jetzige Notlage Israels. Der Schöpfer ist auch der Herr der Geschichte.347 Es geht nicht nur um ein urzeitliches Ereignis, sondern um das ständige Wirken des Schöpfergottes. Dies soll deutlich machen, „dass im aktuellen Geschehen derselbe Schöpfergott am Werk ist – nicht nur derselbe Gott, sondern der sich im gleichen Handeln manifestiert.“348 Dadurch möchte 43 Fohrer, Jes III, 83. 3 344 Jes 40–66, 126. 345 Gott, 151. 346 Jes, 339. 347 Ähnlich Fohrer, Jes III, 82. 348 Hermisson, Diskussionsworte, 675.
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Dtjes die Adressaten im Blick auf die Zukunft von der Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit JHWHs überzeugen.349 V.28 Wie JHWH Macht hat, den Kosmos in Chaos zurück zu verwandeln, so beruft er jetzt Kyros zu seinem Hirten. In Schöpfung und Geschichte ist er als derselbe Gott ständig am Werk. Der Prophet gebraucht die Weissagung als Gottesbeweis. Er soll seinen Willen vollstrecken und Jerusalem samt seinem Tempel wiederaufbauen. „Hirte“ (rō‘æ) ist ein alter mesopotamischer Königstitel350, der „gemäß altorientalischer Anwendung des Titels auf König und Gott, immer in Relation zu ihren Untertanen (Herde) gedacht“ wird, so dass sich mit ihm die „Vorstellung umfassender Fürsorge“ verbindet351. V.1 Neben „Hirte“ wird hier der Titel „Gesalbter“ (māši ͣ ḥ) für Kyros gebraucht. Nirgendwo sonst im Alten Testament wird ein heidnischer König so nahe an JHWH herangerückt wie hier. In Jer 25,9; 27,6; 43,10 wird Nebukadnezar zwar „mein Knecht“ genannt, nach Jes 7,18 pfeift JHWH „der Fliege am Ende der Ströme Ägyptens und der Biene im Land Assur“. Dtjes vollzieht jedoch eine deutliche Steigerung, wenn er Kyros als „Messias“ tituliert. māši ͣ ḥ meint den Gesalbten, d.h. von Gott mit besonderer Macht und Kraft Ausgestatteten.352 māši ͣ ḥ ist hier kein terminus technicus, sondern bezeichnet die Stellung des Kyros als Werkzeug JHWHs für eine besondere Aufgabe, und „ist also wohl ein militärisch-politischer Ausdruck für die hohe Vertrauensstellung des Kyros bei JHWH.“353 Westermann354 weist darauf hin, dass Kyros bei Dtjes nie „Knecht“ genannt wird, weil dies „die Stetigkeit eines wechselseitigen Verhältnisses meint“. Vielmehr geschieht seine Bevollmächtigung nur auf Zeit zur Durchführung seines Auftrags. Von seiner Ermächtigung handelt auch der Rest des Verses. Das Ergreifen bei seiner rechten Hand beinhaltet eine feste Führung355, verbunden mit 49 Vgl. Eberlein, Gott, 150. 3 350 Vgl. 2Sam 5,2; Jer 3,15; 23,4; Ez 34,23; 37,24. 351 Kratz, Kyros, 91. 352 Vgl. Kutsch, Salbung, 33.52. Vgl. den Titel „Gesalbter“ in Ps 2,2; 105,15; 1Sam 24,7; Hab 3,13; 1Chron 16,22. 353 Jenni, Kyros, 255. 354 So Westermann, Jes 40–66, 130. 355 Vgl. 41,13; 42,6; 51,18.
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dem Auftrag, Könige zu unterwerfen und verschlossene Türen zu öffnen. Kyros erhält seine Bestätigung zum Königsamt durch Gürten als Akt der Investitur (vgl. Jer 1,7), verknüpft mit dem Rufen beim Namen. Es bestehen Parallelen zum sog. Kyros-Zylinder, wonach der babylonische Gott Marduk dem Perserkönig Kyros die Einnahme Babylons ermöglicht hat.356 Dies alles dient letztlich dazu, JHWH als einzigen Gott anzuerkennen. Nach Kratz357 ist Kyros „mehr als nur Werkzeug in Jahwes Hand…; er ist vielmehr der Statthalter des göttlichen Königs Jahwes auf Erden“. V.2 JHWH verheißt zugleich, dass er vor ihm her geht und die Natur auf wunderbare Weise verändert. Er schafft alle Hindernisse aus dem Weg. Das Mitsein JHWHs wirkt sich in der Unterwerfung von Völkern und Königen aus. V.3 JHWH gibt ihm alle Schätze der Erde. Vielleicht wird hier auf die Eroberung von Sardes und die Unterwerfung des sagenhaft reichen Krösus im Jahr 541 v.Chr. angespielt. Sodann wird das Ziel des Handelns JHWHs angegeben: Kyros soll JHWH als den, der allein Gott ist und ihn beim Namen ruft, und der der Gott Israels ist, erkennen. Volz358 vermutet, dass der Prophet weissagt, Kyros werde „sich der Religion Israels, der allein wahren“, anschließen. Doch ist daran wohl nicht gedacht. Angeredet ist im Kyrosorakel nicht der Perserkönig, sondern die Exilsgemeinde. Sie soll in Kyros den von JHWH bevollmächtigten Heilskönig erkennen. Dtjes denkt deshalb wohl kaum an eine Bekehrung des Kyros. Die gesamte Weltpolitik dreht sich letztlich um das Schicksal des kleinen Israel. So sollen alle Menschen in dem Siegeszug des Kyros die Mächtigkeit JHWHs begreifen, der allein die Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmt. Die Formel „ich bin JHWH“ (’ͣ nī JHWH) meint nach Rendtorff359 den „prägnanten Ausdruck“ für die „Selbsterschließung Jahwes“ bzw. seinen „Machtanspruch im Gegenüber zu anderen Göttern“. Er enthält die „persönliche Selbstvorstellung Jahwes“360 und ist mit den Orakeln an Assarhaddon
56 S. o. S.56. 3 357 Kyros, 179. 358 Jes, 60. 359 Offenbarungsvorstellungen, 32. 360 Vgl. Zimmerli, Wahrheitserweis, 199.
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und Ischtar von Arbela zu vergleichen.361 Mit dieser Formel tritt „ein bisher Unbekannter aus seiner Unbekanntheit heraus und macht sich durch seinen Eigennamen erkennbar“.362 „Erkennen“ schließt die Anerkennung der göttlichen Hoheit und das Befolgen des göttlichen Willens ein und meint nicht nur intellektuelles Kennen oder sachliche Mitteilung, sondern praktisches Verhalten (vgl. 1Chron 28,9; Prov 3,5f). „JHWH kennen“ bedeutet „vertraut sein“, „sich kümmern“, „anerkennen“, „erfahren“ (vgl. 41,20; 45,6; 49,23.26) und wird in 43,10 und 49,26 universal ausgeweitet.363 V.4 Die Erwählung des Kyros geschieht um Israels willen. Deshalb hat JHWH ihn beim Namen gerufen, d.h. in seinen Dienst gestellt. Er erhält Ehrennamen, wie sie als Thronnamen im Alten Orient üblich waren (vgl. Jes 9,5). Zweck ist die Befreiung Israels und die universale Erkenntnis des Gottseins JHWHs. V.5 Der Prophet wiederholt die Formel „ich bin JHWH“ (’ͣ nī JHWH). Michel364 will hier wie in Ex 3,6f JHWH durch „er erweist sich“ wiedergeben, denn nur JHWH erweist sich in der Geschichte als wirksam (vgl. 42,8). Mit dem JHWH-Namen „soll der Gott Israels als derjenige charakterisiert werden, der als Schöpfer und Herr der Geschichte allein wirksam ist und sich eben damit als Gott erweist.“365 Monotheismus, Schöpfungsglaube und Universalismus gehören untrennbar zusammen und bedingen sich gegenseitig. „Man kann diesen Monotheismus als exklusiv bezeichnen … in Abgrenzung zu inklusiven Konzepten wie etwa derjenigen der Priesterschrift, die auch nur mit einem Gott rechnen, aber durchaus zugestehen können, dass dieser unter verschiedenen Gestalten angerufen und verehrt werden kann.“366 Es liegt hier mehr als eine Namensvorstellung oder –mitteilung vor (vgl. Ex 7,5; 14,4.18; 1Kön 20,13). In V.14 wird gesagt, dass auch die Ägypter und andere Völker vor JHWH niederfallen werden und 361 S. das Assarhaddon-Orakel oder die Rede der Ischtar von Arbela. (TUAT II, 56ff) Vgl. 41,10. 362 Zimmerli, Jahwe, 179. Vgl. Gen 15,7; 31,13; Ex 3,6; Hos 12,10; 13,4. S. auch Dtjes 41,4; 42,8; 43,10; 45,5f.18.21; 51,12; Ex 8,6; 14,31; Dtn 4,35; 1Kön 18,39; 20,13; 2Kön 5,15; Ez 37,12; 49,38. 363 Albertz/Westermann, Art. rū ͣḥ Geist. 364 Jahwe, 152. 365 Michel, Jahwe, 153. 366 Gertz, Grundinformation, 344.
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flehen: „Nur bei dir ist Gott, und sonst ist kein Gott mehr.“ Die Ausschließlichkeitsformel findet sich auch in V.18.21 sowie in 46,9. Der Vers enthält ein Bekenntnis zur Einzigkeit JHWHs. JHWH hat Kyros ausgestattet und legitimiert zur Weltherrschaft, obwohl dieser JHWH nicht persönlich kennt. Das Orakel wendet sich formal an Kyros, dürfte aber „sachlich … mindestens ebenso sehr an die israelitischen Hörer gerichtet sein“367. V.6 Ziel des Handelns JHWHs ist nicht die Bekehrung des Kyros oder des Perservolkes, sondern die universale Erkenntnis, dass JHWH allein Gott ist.368 Hier wird wieder die weltweite Perspektive der Offenbarung JHWHs deutlich, die auch sonst für die Verkündigung Dtjes‘ charakteristisch ist.369 Sie geschieht durch geschichtliches Handeln.370 Er allein ist der geschichtsmächtige Gott.371 Auch andere Völker erkennen das Handeln JHWHs.372 Der Prophet erbringt den Nachweis, dass nur JHWH die Geschichte lenkt, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Bereits im JHWHNamen ist der Machtanspruch JHWHs im Gegenüber zu anderen Göttern enthalten. Worterkenntnis und Geschichtserkenntnis dürfen nicht als falsche Alternativen gegeneinander ausgespielt werden. Allerdings bedarf das Geschehen der Deutung,373 V.7 Der Vers enthält die letzte Steigerung des allumfassenden Geschichtshandelns JHWHs. „Alles“ (kōl bzw. kål meint sowohl die Schöpfung als auch die Geschichte. Der Vers ist deutlich auf dem Hintergrund des persischen Dualismus formuliert und sagt aus, dass Licht (’ōr) und Finsternis (hōšæk), Friede (šalōm) und Böses (ra‘) von JHWH gewirkt sind. Alles, was geschieht, geht auf seinen ausdrücklichen Willen zurück. Nichts steht außerhalb seines Machtbereiches. Für einen Gegenspieler JHWHs wie den Satan im Hiobbuch ist hier kein Platz. Der Vers „ist wohl die radikalste Absage an den Dualismus, die die Bibel kennt. … Die Nachtseite von Kosmos und
67 Jenni, Kyros, 496. 3 368 Vgl. Westermann, Jes 40–66, 131. 369 Vgl. 40,5; 43,10; 49,23.26. 370 Vgl. 41,23.26; 43,10–12; 49,22–26. 371 Vgl. 41,4; 42,8f; 45,21. 372 Vgl. Ex 7,5.17; 11,7;14,4.18; Ez 12,16; 25,7.11.17 u.ö. 373 Vgl. Rendtorff, Offenbarungsvorstellungen, 40.
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Geschichte kann nicht einem andern Gott oder irgendwelchen dunkeln Mächten angelastet werden. … Das Problem der Theodizee tritt in Sicht.“374 V.8 Es handelt sich um ein eschatologisches Loblied. Der Vers ist nach Fohrer375 sekundär, nach Merendino376 echt. Er enthält die Antwort der Gemeinde, indem sie JHWHs Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) preist in der Einheit von Schöpfung und Erlösung. Diese Aussagen über Kyros sind nur verstehbar, weil zwischen der israelitischen und persischen Religion eine eigentümliche Affinität besteht.377 Nirgendwo im Alten Testament findet sich auch nur eine Spur von Kritik an den Persern, während Babylonier und Assyrer scharf angegriffen werden. Die Perserkönige, beginnend mit Kyros, haben die jüdische Religion sehr gefördert und den Verbannten die Rückkehr nach Palästina und den Wiederaufbau von Tempel und Staatswesen ermöglicht (vgl. Esr 1ff und Neh 1ff). Sie betrachteten die Israeliten offenkundig als eine Art religiöser Bundesgenossen, da auch ihr auf Zarathustra zurückgehender Glaube monotheistische Tendenzen erhält.378 Albani379 nimmt an, dass der neubabylonische König Nabonid in seiner Verehrung des Mondgottes Sin einen Henotheismus praktizierte, was den Widerspruch der Marduk-Priester hervorrief, die dann alle Hoffnung auf Kyros setzten und ihm die Stadt Babylon im Jahr 529 v.Chr. kampflos übergaben. Dtjes formuliert sein Postulat der alleinigen Verehrung JHWHs in Abgrenzung zur Verehrung Sins und Marduks. In Babylonien war die Astrologie sehr verbreitet. Deshalb betont Dtjes, dass JHWH auch Herr ist über alle Gestirne (vgl. 40,12; 50,3). Kyros ist für den Propheten „eine Lichtgestalt, die weder Vater noch Mutter hat.“380 Er erfüllt die Funktion eines Gottesbeweises, an dem die Geschichtsmächtigkeit JHWHs für alle sichtbar wird. Damit gibt Dtjes zugleich eine Antwort auf die Theodizeefrage, ob JHWH angesichts der
74 Wildberger, Monotheismus, 267. 3 375 Jes III, 87. 376 Der Erste, 495. 377 Vgl. Vorländer, Monotheismus, 103ff, anders Albertz, Frömmigkeit, 435. 378 S. dazu u. S. 176ff. 379 Monotheismus, 171ff. 380 Duhm, Jes, 307.
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trostlosen Gegenwart noch die Geschichte lenkt. Der Abschnitt besagt, dass er nicht nur weiterhin die Herrschaft über die Geschichte kraftvoll ausübt, sondern überhaupt der einzige Gott ist. Alles, was geschieht, sowohl das Begreifliche als auch das Unbegreifliche, wird von ihm gewirkt. Kyros wird somit dem Handeln JHWHs zugeordnet, denn durch ihn kommen JHWH und Israel zu ihrem Recht (vgl. 41,1–5). Er schafft Gerechtigkeit und Heil (vgl. 51,5f.8). „Kyros ist in der Exilszeit der erste Bringer der Gerechtigkeit Gottes, und Deuterojesaja ist sein Prophet.“381 An dem Auftreten des Kyros werden sowohl JHWHs Macht als auch seine Güte und Weisheit sichtbar. Er stattet Kyros mit Kraft aus. Er vollführt durch ihn seinen Plan für die Menschheit. Er demonstriert an ihm seine Zuwendung zu Israel, denn alles Geschehen dient letztlich dem Ziel, das Volk aus der Gefangenschaft zu befreien. JHWHs Gottsein wird durch die mit Kyros in Zusammenhang stehenden Ereignisse gerechtfertigt. Das Auftreten des Kyros wird auch unmittelbar mit Schöpfungstaten in Verbindung gebracht.
Dtjes 48,12–16a 12 Höre mir zu, Jakob, und du Israel, den ich berufen habe: Ich bin es, ich bin der Erste und auch der Letzte. 13 Meine Hand hat die Erde gegründet, und meine Rechte hat den Himmel ausgespannt. Ich rufe und alles steht da. 14 Versammelt euch alle und hört: Wer ist unter ihnen, der es verkündigt hat? Er, den JHWH liebt, wird seinen Willen an Babel beweisen und seinen Arm an den Chaldäern. 15 Ich, ja, ich habe es gesagt, ich habe ihn gerufen, ich habe ihn auch kommen lassen, und sein Weg soll ihm gelingen. 16 Tretet her zu mir und hört dies! Ich habe von Anfang an nicht im Verborgenen geredet; von der Zeit an, da es geschieht, bin ich auf dem Plan. Bei dieser Selbstprädikation JHWHs (vgl. 44,24–28) handelt es sich um eine Mischform aus Disputationswort und Gerichtsrede, die Hermisson382 als sekundär einstuft. V.12 Der Vers bildet die Einleitung zu der Ankündigung, dass JHWH seinen Freund Kyros berufen hat, um Israel zu befreien.383
81 Feldmeier/Spieckermann, Gott, 292. 3 382 Dtjes, 264. 383 Vgl. Eberlein, Gott, 164ff.
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V.13 Dass JHWH hierzu die Macht besitzt, wird durch den Hinweis auf seine Schöpfertätigkeit unterstrichen. Himmel und Erde sind nicht „bloße ‚Gebäudeteile‘“, sondern „Wesenheiten, die Jahwe zum Dienst ruft, nämlich Lebensraum zu gewähren“.384 Dies alles geschieht mühelos, allein durch sein Wort (vgl. Gen 1,1ff). Die Hand JHWHs ist ein Bild für seine Macht und Stärke. V.14f JHWH hat den von ihm geliebten Perserkönig Kyros berufen, um die Babylonier zu besiegen. V.16 JHWH hat durch die Propheten die Entwicklung vorausgesagt.385 Auch durch diese Aussage soll Vertrauen in JHWH geweckt werden angesichts der Zweifel der Deportierten, ob dieser die Macht und die Umsicht besitzt, die Geschichte zu ihren Gunsten zu gestalten.386
Dtjes 51,1–8 1 Hört mir zu, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr JHWH sucht: Schaut den Fels an, aus dem ihr gehauen seid und des Brunnens Schacht, aus dem ihr gegraben seid. 2 Schaut Abraham an, euren Vater, und Sara, von der ihr geboren seid. Denn als einen Einzelnen berief ich ihn, um ihn zu segnen und zu mehren. 3 Ja, JHWH tröstet Zion, er tröstet alle ihre Trümmer und macht ihre Wüste wie Eden und ihr dürres Land wie den Garten JHWHs, dass man Wonne und Freude darin findet, Dank und Lobgesang. 4 Merke auf mich, mein Volk, hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. 5 Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm. 6 Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen, und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.
384 Hermisson, Djes, 272. Vgl. 40,12–16.21–26; 42,5; 44,24; 45,11–13; 47,13; 51,13; 55,9f. 385 S. dazu u.S. S.167ff. 386 Zu „höre“ vgl. 46,3f.12f.
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7 Hört mir zu, die ihr die Gerechtigkeit kennt, du Volk, in dessen Herzen mein Gesetz ist! Fürchtet euch nicht, wenn euch die Leute schmähen, und entsetzt euch nicht, wenn sie euch verhöhnen. 8 Denn die Motten werden sie fressen wie ein Kleid, und Würmer werden sie fressen wie ein wollenes Tuch. Aber meine Gerechtigkeit bleibt ewiglich und mein Heil für und für. Der Abschnitt setzt teilweise Jer 31,31–34 voraus, und ist deshalb als sekundär zu betrachten. Er bereitet erhebliche textliche Schwierigkeiten. V.5b ist fast wörtlich mit 42,4 identisch. Ein späterer Verfasser nimmt die Frage nach der Gerechtigkeit JHWHs auf. Die Gemeinde möchte JHWHs gemeinschaftstreues Handeln wieder erfahren und sich bei ihm geborgen wissen. V.1f Der Verfasser spricht die Deportierten als solche an, die sich nach der Gerechtigkeit (ṣǽdæq) sehnen. Er blickt in die Vergangenheit zurück und demonstriert am Schicksal der Erzeltern, dass JHWH seinem Volk beistehen kann. So will er auch künftig ihm nahe sein und sein Geschick auf wunderbare Weise verändern. Westermann387 sieht in Anlehnung an Volz in den Bildern vom Fels und Schacht „uralte mythische Vorstellungen von der Geburt eines Menschen aus einem Felsen oder einem Brunnenschacht“. Dabei liegt die Betonung nicht auf seinem rettenden, sondern auf seinem segnenden Wirken, durch das aus einem einzigen Menschen ein großes Volk wurde. Der Prophet „beschwört die uralte Vergangenheit, weil Gott der gleiche wie damals ist und weil zwischen Abraham und dem Israel der Exilszeit eine unzerstörbare Einheit besteht“.388 V.3 Der Vers wird von Westermann389 als „Fragment eines Lobliedes“ interpretiert, in welchem die nachexilische Gemeinde Gott für den Wiederaufbau Jerusalems dankt. V.4–8 Gerechtigkeit (şǽdæq bzw. ṣ ͤ dāqā) und Heil (je‘ša bzw. j ͤ šū‘ā) werden in V.5f.8 dreimal in Parallele genannt. JHWH rechtfertigt sich durch die Taten, die er bald vollbringen wird. Die Vergänglichkeit der Welt steht nach V.8 in scharfem Kontrast zur unvergänglichen Gerechtigkeit JHWHs (vgl. Ps 111,3; 112,9).
87 Jes 40–66, 191. 3 388 Fohrer, Jes III, 143. 389 Jes 40–66, 192.
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5. Die Rechtfertigung JHWHs durch die Zusage seiner schützenden und helfenden Nähe als persönlicher Gott des ganzen Volkes Als Antwort auf die Klage, dass JHWH sein Volk verlassen habe, spricht Dtjes den Exilierten die schützende und helfende Nähe JHWHs zu. Dies geschieht insbesondere in Form von Heilsorakeln. In ihnen will er sein Volk trösten, was der Prophet bereits im Prolog 40,1–11 mit den Worten „Tröstet mein Volk“ intoniert.
Dtjes 41,8–16 8 Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, du Same Abrahams, meines Geliebten, 9 du, den ich fest ergriffen habe von den Enden der Erde her und berufen von ihren Grenzen, zu dem ich sprach: Du sollst mein Knecht sein; ich erwähle dich und verwerfe dich nicht – 10 fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. 11 Siehe, zu Spott und zuschanden sollen werden alle, die dich hassen; sie sollen werden wie nichts und die Leute, die mit dir streiten, sollen umkommen. 12 Wenn du nach ihnen fragst, wirst du die nicht finden, die mit dir hadern. Es sollen werden wie nichts und eine Ende haben, die dich bekämpfen. 13 Denn ich bin JHWH, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir! 14 Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du armer Haufe Israel. Ich helfe dir, spricht JHWH, und dein Erlöser ist der Heilige Israels. 15 Siehe, ich habe dich zum scharfen, neuen Dreschwagen gemacht, der viele Zacken hat, dass du Berge zerdreschen und zermalmen sollst, und Hügel wie Spreu machen. 16 Du sollst sie worfeln, dass der Wind sie wegführt und der Wirbelsturm sie verweht. Du aber wirst fröhlich sein über JHWH und wirst dich rühmen des Heiligen Israels. Begrich390 und Westermann391 klassifizieren den Text als Heilsorakel bzw. Heilszusage mit den Teilen 1. Anrede (V8f), 2. Zuspruch (V.10a), 90 Studien, 14f. 3 391 Jes 40–66, 57.
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3. Begründung (V.10b) und 4. Folge (V.11–13). Daran schließt sich ein weiteres Heilsorakel an (V.14–16). V.8 Israel wird hier als Knecht JHWHs angesprochen (vgl. 42,1; 43,10). Zum ‘æbæd-Sein bemerkt Westermann392: „Wenn Israel Gottes Knecht ist, so bedeutet dies in erster Linie: es hat einen Herrn, bei dem es sich geborgen weiß, dem es vertrauen kann, der für es sorgt.“ In dem Zuspruch des Knechtseins ist enthalten, dass Israel sich wieder unter seiner Leitung wissen darf. Als JHWHs Erwählter (vgl. 45,4) steht es in einem engen Gehorsams- und Fürsorgeverhältnis (vgl. 43,10.20; 44,1f). „Erwählen“ (bḥr) meint den freien göttlichen Beschluss.393 Der Erwählungsglaube war zweifelhaft geworden und wird nunmehr bestätigt. Der Prophet nimmt Bezug auf Abraham als Prototyp des erwählten Schützlings, der von seinem persönlichen Gott geleitet wird. Er wird hier wie in 2Chron 20,7 „Freund JHWHs“ genannt.394 So wie der Einzelne seinem persönlichen Gott nahe ist, so darf auch die Exilsgemeinde sich ihrem persönlichen Gott JHWH nahe wissen. Die ursprünglich für den Einzelnen und seine Familie geltende Vorstellung vom persönlichen Gott wird hier auf das Volk als Ganzes übertragen.395 Die persönliche Verbundenheit JHWHs mit Israel kommt im Deuterojesajabuch in einer Fülle von Wendungen zum Ausdruck: JHWH wird genannt „mein/dein Gott“ (40,27; 41,10.13; 43,3; 48,17; 51,15), „dein Mann“ (54,5), „dein Erbarmer“ (49,10; 54,10), „dein Schöpfer“ (43,1; 44,23; vgl. 49,8; 54, 5.8) „mein Berufener“ (48,12), „dein Retter“ (43,3; 49,26), „dein Erlöser“ (48,17 vgl. 43,1; 44,6; 49,7.26; 54,5.8). JHWH trägt sein Volk wie eine Mutter bis ins hohe Alter. (Vgl. 46,3f) Die Exilierten nennt JHWH „meine Söhne und Töchter“ (43,2). Sie bilden mit ihrem Gott eine Familie. „Indem immer wieder die einzelnen Menschen wie ein Volk als Ganzes angesprochen werden, entfällt die Notwendigkeit einer
92 Ebd. 59. 3 393 Volz, Jes II, 17. Vgl. 43,10.20. In 50,1; 54,6 kommt für Israel die Bezeichnung „Ehefrau“, in 54,6 „Jugendfreundin“ vor. 394 Fohrer (Jes III, 59) sieht den Ausdruck „Same Abrahams meines Freundes“ als sekundär an. 395 Vgl. Vorländer, Gott, 293ff.
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persönlichen Schutz- und Hausgottheit neben JHWH. Damit entfällt aber auch die Trennung zwischen öffentlicher und privater Religion.“396 Bisher hatten viele Israeliten JHWH in erster Linie als Gott des Volkes und des Königshauses im Rahmen der offiziellen Religion verehrt. Jetzt treten alle Übriggebliebenen in eine persönliche Beziehung zu JHWH ein. Er überträgt der Exilsgemeinde die „Gnadengaben Davids“ (ḥasdē dāwīd; vgl. 55,3).397 Ihr Ursprung liegt bei den Erzvätern (vgl. 41,8; 51,1f; 55,3).398 Die Volksgemeinschaft identifiziert sich mit den Patriarchen im Glauben an die Kontinuität des göttlichen Beistandes. JHWH ist künftig nicht nur der Gott der Volksgemeinschaft, sondern zugleich der persönliche Gott jedes einzelnen Gliedes. Deshalb kann Dtn 4,7 formulieren: „Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns JHWH, unser Gott, sooft wir ihn anrufen?“ Elemente der Familienreligion, wie Sabbat, Passa und Beschneidung werden in die offizielle Religion integriert.399 V.9. Die Zusage der Nähe JHWHs wird in diesem Vers erneuert und verstärkt. JHWH beruft die Exilsgemeinde zu seinem Knecht, wie er Könige, Propheten und Richter zu seinen Knechten erwählt hat. Obwohl sich das Volk bis in die Winkel der Erde verstreut vorkommt, will JHWH sie zurückführen. V.10 Nun folgt die für das Heilsorakel typische Aufforderung „fürchte dich nicht“ (’ l tīrā’). JHWH spricht dem Volk erneut seine persönliche Nähe zu, indem er sich als „dein Gott“ bezeichnet. Er verspricht ihm Hilfe und Erweis seiner Macht. Damit wird Bezug genommen auf die Skepsis vieler Israeliten, ob JHWH noch fähig und willens ist, dem Volk beizustehen. Die „rechte Hand“ ist das Symbol für Stärke. Dadurch verwirklicht er seine ṣǽdæq, d.h. er erweist seine Gemeinschaftstreue durch sein Eintreten für das Volk. Der Prophet widerspricht damit der Auffassung, das Volk sei verworfen. V.11f Nun beginnt die zweite Strophe, die Fohrer400 als späteren Zusatz ansieht. Die Israeliten werden zur Furchtlosigkeit aufgerufen, weil seine
96 Baltzer, Dtjes, 66. 3 397 Vgl. Albertz, Frömmigkeit, 92ff.178ff. 398 Vgl. Görg, Ich bin mit Dir, 224f. 399 Vgl. Albertz/Schmitt, Religion, 427f. 400 Jes III, 39 Anm. 33.
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Feinde keine Macht über sie haben können. Sie werden vielmehr zu „nichts“ werden. Mit den Feinden sind nicht nur die Babylonier gemeint, sondern auch die Zweifler in den eigenen Reihen. V.13 Es folgt eine weitere Zusage der Nähe und Stärkung durch JHWH in verkürzter Form, die an V.10 erinnert. V.14 Der Erlöser ist zugleich der „Heilige Israels“. Als der von Israel Unterschiedene kann er Israel retten. Dieser Retter ist Israel persönlich zugeordnet.401 Der Begriff „Heiliger“ (qādōš) kommt bei Dtjes ausschließlich in Heilsworten vor (vgl. 41,14.16.20; 43,3.14f; 45,11; 47,4; 48,17; 49,7; 54,5; 55,5). V.15f Die Verse bringen wiederum zum Ausdruck, dass Israel keine Gefahr droht und es sich in den Händen seines Gottes geborgen fühlen darf. Der Abschnitt endet mit einem Jubel über JHWH, wie er sich des Öfteren bei Dtjes findet (vgl. 45,8.15; 49,13; 55,12f). Im Lobpreis des unbegreiflichen und doch nahen Gottes findet die Theodizeefrage ihre letzte und tiefste Antwort, die die Zweifel überwindet.402
Dtjes 43.1–7 1 Und nun spricht JHWH, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. 3 Denn ich bin JHWH, dein Gott, der Heilige Israels, dein Retter. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Saba an deiner statt. 4 Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will 401 Der „Heilige Israels“ begegnet im übrigen Alten Testament nur vereinzelt, vgl. 2Kön 19,8.22 = Jes 37,23; Dtjes 54,5; Jer 50,29; 51,5; Ps 71,22; 78,41; 89,19, jedoch in allen drei Teilen des Jesajabuches: In Jes 1–39 überwiegend in Anklagen 1,4; 5,19.23; 30,11f.15; 31,1, ähnlich in eschatologischen Worten 10,20; 12,6; 17,7; 29,19.23; 37,23; 60,9.14. 402 S. u. S.125ff.
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sagen zum Norden: Gib her! Und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe. Das Heilsorakel besteht aus den Teilen V.1–3 und V.4–7. JHWH betont seine enge persönliche Beziehung zu Israel, das er wie eine Einzelperson anredet. Dabei steht wohl die Vorstellung vom persönlichen Gott im Hintergrund, der nach altisraelitischer und altorientalischer Auffassung einen Menschen unmittelbar durchs Leben begleitet und schützt.403 Darauf weisen die für den persönlichen Gott charakteristischen Begriffe „dein Schöpfer“, „dein Bildner“, „dein Gott“ und „dein Retter“ in V.1.3 hin. Israel braucht sich nicht zu fürchten, weil es JHWH als seinem persönlichen Gott vertrauen darf (vgl. auch 41,14; 44,23; 48,20; 52,9). „Wie jedem einzelnen, so steht er jetzt seinem geschlagenen Volk bei, und wie zwischen jedem einzelnen und seinem Gott ein enges Vertrauensverhältnis bestand, so wirbt jetzt JHWH beim Volk um dasselbe persönliche Vertrauen: Ich bin dein Gott und du bist mein.“404 V.1 JHWH hat Jakob „geschaffen“ (br’) und Israel „gemacht/geformt“ (jṣr). Damit wird ausgesagt, dass Israel von Anfang an allein JHWH seine Existenz verdankt (vgl. 44,2.21.24; 49,5; 54,5). Es steht zu ihm in einer engen persönlichen Beziehung wie ein Schützling zu seinem Gott. Schöpfung und Erlösung gehören zusammen. „Erlösen“ (g’l) ist ein terminus technicus aus dem Familienrecht und meint den Loskauf eines in Schuldsklaverei geratenen Angehörigen (vgl. 44,22f; 48,20; 52,3.9). Der Begriff „Erlöser“ (gō’ēl) kommt in 41,14; 43,14; 44,6.24; 47,4; 48,17; 49,7.26; 54,5.8 vor. Die Verwendung des Begriffs setzt voraus, dass das JHWH-Verhältnis durch das Exil gestört, wenn auch nicht völlig abgebrochen wurde. Jetzt erweist sich JHWH als der, der seinem Volk wieder zu seinem Recht verhilft. Er kauft sich nicht fremdes Eigentum zurück, sondern das, was ihm seit Abraham bereits gehört (vgl. 41,8; 51,2). Nach Procksch405 setzt „gō’ēl eine haftpflichtige Verwandtschaft voraus, für die das einzelne Glied zurückgewonnen wird, sei es durch Blutrache oder Freikauf oder Entschuldung.“ 03 Vgl. Vorländer, Gott, 293ff. 4 404 Albertz, Frömmigkeit, 417. 405 Jes, 437f, zu Jes 35,9f.
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JHWH verhilft dem versklavten Volk wieder zu seiner Freiheit. Er ruft es neu bei seinem Namen und stellt es somit unter seinen Schutz. Die Exilsgemeinde fühlte sich offensichtlich in die Knechtschaft und Machtsphäre anderer Götter verkauft und ausgeliefert. Nun nimmt JHWH Israel neu und intensiv unter seine Fittiche. Die Ausrufung des Namens bedeutet einen Herrschafts- und Rechtsakt (vgl. Gen 2,19; 32,29; 2Kön 24,17).406 JHWH nimmt die Exilsgemeinde unter seinen Schutz und sagt ihr die Ausübung seiner Fürsorgepflicht zu. „Du bist mein“ (lī ’ ’ͣ t‘) beinhaltet „die Rechtsform, in der sich einer als Eigentümer von etwas erklärt“. JHWH erklärt somit, dass Israel zu ihm gehört. Als der „Heilige“ (qādōš)407 ist er der Erlöser, d.h. Beschützer, und Israel zugewandt.408 V.2 Der Vers schildert die Folgen des Eingreifens JHWHs. Feuer und Wasser gelten als die Gesamtheit von gefährlichen elementaren Naturkräften, die aber Israel nichts anhaben können. „Wer Gott so gehört wie Israel, kann durch solche Schrecken und durch alle Bedrohungen in Welt und Leben gehen.“409 V. 3f Nun wird das Eingreifen JHWHs begründet. JHWH stellt sich als Helfer und Retter vor, der Israel so sehr liebt, dass er bereit ist, alles daranzugeben. Nicht eigener Verdienst, sondern JHWHs Liebe ist Grund für die Befreiung Israels. Kyros wird nicht genannt, ist aber wohl gemeint als Empfänger des Lösegeldes. Ihm wird vorübergehend die Herrschaft anvertraut als Gegenleistung zur Befreiung Israels. Der „Heilige“ meint JHWH als alleinigen Gott mit unumschränkter Macht. „Retter“ (mōšī ͣ ‘) stammt aus dem Rechts- und Gerichtswesen und bezeichnet den Advokaten oder Zeugen der Verteidigung. V.5f Es folgt noch einmal die Formel „fürchte dich nicht“ (’l tīrā’).410 Aus allen Gegenden der Erde wird JHWH die Zerstreuten herbeiholen. Die Heimkehr der Söhne und Töchter wird wie die einer Familie geschildert. JHWH hat zu jedem Glied des Volkes eine persönliche Beziehung. Die
06 Galling, Ausrufung. 4 407 Vgl. 41,14.16.20; 43,14f; 45,11; 47,4; 48,17; 49,7; 54,5; 55,5.13. 408 S. o. S.24f. 409 Fohrer, Jes III, 61. 410 V.5a wird von Fohrer (Jes III, 61 Anm. 54) als Zusatz angesehen.
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Formel „ich bin mit dir“ (vgl. 41,10) zeigt nach Görg411 deutlich, dass sie eine unverzichtbare Ausdrucksform des Redens von Gott ist. „Der ‚pastoralen‘ Intention des Propheten mag es entsprechen, dass er seinen Gott der exilischen Gemeinde das ‚Ich-bin-mit-Dir‘ so zusprechen lässt, dass in der Persönlichkeit und Unmittelbarkeit des Anspruchs YHWH selbst erlebbar wird.“ Dem tauben, blinden und zweifelnden Volk soll die Furcht vor der Zukunft genommen werden. V.7 Es geht letztlich bei dem Eingreifen JHWHs in die Geschichte um die Ehre bzw. Mächtigkeit (kābōd) JHWHs, die wiederhergestellt werden soll. Dadurch ereignet sich die Rechtfertigung JHWHs, indem Israel um JHWH willen zu seinem Recht kommt. Es geht um das Gottsein JHWHs im Sinne einer „JHWH-dizee“.
Dtjes 44,1–5 1 So höre nun, mein Knecht Jakob, und Israel, den ich erwählt habe! 2 So spricht JHWH, der dich gemacht und bereitet hat und der dir beisteht von Mutterleib an: Fürchte dich nicht, mein Knecht Jakob, und du, Jeschurun, den ich erwählt habe! 3 Denn ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre: Ich will meinen Geist auf deine Kinder gießen und meinen Segen auf deine Nachkommen, 4 dass sie wachsen sollen wie Gras zwischen Wassern, wie die Weiden an den Wasserbächen. 5 Dieser wird sagen: Ich gehöre zu JHWH. Und jener wird genannt werden mit dem Namen Jakob. Und ein anderer wird in seine Hand schreiben: JHWH eigen, und wird mit dem Namen Israel genannt werden. Fohrer412 und Elliger413 sehen V.1 als späteren Zusatz an, weil JHWH in der 1. Person spricht, obwohl V.2 mit der Botenformel eingeleitet wird. Das eigentliche Heilsorakel beginnt in V.2. Auch V.5 stellt nach Fohrer414 einen Zusatz dar. Es handelt sich um eine Erscheinungsrede mit „fürchte dich nicht“. V 3 beschreibt die göttliche Hilfszusage, V.4 die Folge des göttlichen Eingreifens.
11 Ich bin mit Dir, 227. 4 412 Jes III, 71f. 413 Dtjes, 369. 414 Jes III, 72.
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V.1 Mit „Knecht“ ‘ǽbæd ist hier „der Schutzbefohlene, der in JHWHs Schutzherrschaft genommen ist“,415 gemeint (vgl. 45,4; 48,20). V.2 „Von Mutterleib an“ ist eine persönliche Redeweise (vgl. 41,8; 44,24; 46,3; 49,1.5). ješurūn ist ein poetischer Eigenname für Israel (vgl. Dtn 32,15; 33,5.26), der wahrscheinlich von jšr „gerade, redlich“ abzuleiten ist. Israel wird somit als „der Redliche“ bezeichnet. V.3 Hier folgt das Bild der Bewässerung der Wüste durch den lebenspendenden Geist (rū‘ ͣ ḥ) JHWHs (vgl. Gen 2,7; Jes 32,15; Ps 104,30). Israel wird in seiner gegenwärtigen Trostlosigkeit als das Durstige und Trockene bezeichnet. Ihm werden Wachstum und Lebensfülle verheißen. Der Vers enthält eine doppelte Ankündigung von JHWHs bevorstehendem Handeln. Segen wird hier nach Westermann416 „in seinem ursprünglichen Sinn als Lebenskraft bzw. Kraft der Fruchtbarkeit“ gebraucht. Wehmeier417 gibt Segen mit „Lebens-, Vermehrungskraft, Fülle“ wieder. Der „Geist“ (rū‘ ͣ ḥ) ist die Kraft, die Menschen zu bestimmtem Handeln in Bewegung setzt (vgl. Ri 6,34; 11,29; 1Sam 11,6; Ez 36,27).418 V.4 Das Neue „sprießt“ (vgl. 42,9; 43,19), Gerechtigkeit „sprießt“ (vgl. 45,8). Gemeint ist die Folge des Ausgießens des Geistes, das Sprossen wie Schilf und Pappeln an günstigen Plätzen (vgl. Ps 1,2f; Jer 17,7f; Hi 29,19). Der Baum symbolisiert die Lebenskraft. JHWH erneuert seine Schöpfermacht, indem er die verdorrten und erstorbenen Israeliten zu neuem Leben erweckt und damit Heil bewirkt. „Eine vollkommenere Verschmelzung von Schöpfungsglauben und Heilsglauben ist nicht mehr denkbar.“419 (Vgl. 41,17–20; 44,1–5; 51,16) V.5 So wie ein Sklave den Namen seines Herrn in die Hand eingeritzt bekommt oder sich auf Tonkrügen die Eigentumsbezeichnung „dem König“ (la-mǽlæk) findet, so sollen die Israeliten zu JHWH gehören. Der Schluss ist in seiner Bedeutung unsicher. Elliger420 denkt an Proselyten, die sich Israel anschließen. Gemeint sind aber diejenigen Angehörigen der Gola, die ihre
15 Vgl. Elliger Dtjes, 389. 4 416 Jes 40–66, 111. 417 Segen, 86. 418 S. o. S.41f. 419 Rendtorff, Schöpfungsglaube, 10. 420 Dtjes, 393.
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Bindung an das Gottesvolk zu lösen gewillt waren. Viele Deportierte hatten sich nicht mehr an JHWH gehalten. Sie werden sich nun wieder zu ihm halten und zu Israel gerechnet werden.
Dtjes 49,13–17 13 Jauchzet, ihr Himmel, freue dich, Erde! Lobt, ihr Berge mit Jauchzen! Denn JHWH hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden. 14 Zion aber spricht: JHWH hat mich verlassen, JHWH hat meiner vergessen.15 Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. 16 Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir. 17 Deine Erbauer eilen herbei, aber die dich zerbrochen und zerstört haben, werden sich davonmachen. Es handelt sich um disputierende Rede innerhalb einer größeren Komposition. V.14 enthält ein Zitat, auf das dann in V.15–17 geantwortet wird in Form einer Heilszusage und Heilsankündigung. Es fehlen die für das Heilsorakel charakteristischen Elemente wie Anrede, Ermahnung zur Furchtlosigkeit, Begründung mit „denn“(kī), göttlichem „ich“ (’ ͣ nī), Folgen des Eingreifens. Deshalb ist es weder Heilsorakel noch Heilsankündigung noch Bestreitung, sondern „einfaches Verheißungswort, dessen Aufbau keiner vorgegebenen Form folgt, sondern ein eigenes Profil aufweist.“421 Im Hintergrund steht die Klage der Exilsgemeinde, JHWH habe sie verlassen. V.13 Der Abschnitt beginnt mit einer Doxologie. Die ganze Schöpfung jubelt über JHWHs Trost und Erbarmen, die er seinem Volk erweist. V.14 Es kommen hier zwei Bilder zusammen, das der Ehefrau und das der Mutter (vgl. 50,1; 54,6). ‘ȥb „verlassen“ kommt auch in Jer 12,7; Ez 8,12; 9,9 vor und bezieht sich auf die Vorstellung, dass JHWH mit den Exilierten das Land verlassen hat. Es legt sich nahe, dass Zion hier „als die Repräsentation des Heimatlandes gemeint sein könnte“422. Westermann423 nimmt an, dass hier eine Klage von JHWH zitiert wird.
21 Merendino, Der Erste, 353. 4 422 Merendino, Jes 49, 229. 423 Jes 40–66, 177.
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V.15 In dem Vers kommt viermal das Verb škḥ „vergessen“ vor. Dtjes geht es darum, „Jahwes unerschütterliche Anhängigkeit zu Sion ans Licht zu bringen.“424 JHWH ist seinem Volk näher als eine Mutter ihrem Kind. Hier schwingen Vorstellungen aus dem Bereich des persönlichen Gottes mit. Der Vers ist wie eine Heilszusage an einen Einzelnen formuliert. Die Exilierten kommen sich wie Kinder einer fremden Mutter vor und erhalten hier die Zusage, dass JHWH auch weiterhin für sie sorgt. V.16f Zum Abschluss kündigt der Prophet den Wiederaufbau Jerusalems an. Das Volk deutet die Situation als Verlassensein von JHWH. Hier wird ihm gesagt, dass JHWH sein Volk nicht für immer verlassen oder vergessen hat, sondern ihm jetzt seine dauernde Nähe zusichert. Er hat Zion erwählt und baut um dieses Zentrum herum erneut eine Heimstätte für sein Volk. Obwohl Zion sich wie eine verlassene Frau vorkommt, wird sie in Wirklichkeit viele Kinder haben.
Dtjes 54,4–10 4 Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zuschanden werden; schäme dich nicht, denn du sollst nicht zum Spott werden, sondern du wirst die Schande deiner Jugend vergessen und der Schmach deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken. 5 Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann. JHWH Zebaoth heißt sein Name -, und dein Erlöser ist der Heilige Israels, der aller Welt Gott genannt wird. 6 Denn JHWH hat dich zu sich gerufen wie eine verlassene und von Herzen betrübte Frau; und die Frau der Jugendzeit, wie könnte sie verstoßen bleiben!, spricht dein Gott. 7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht JHWH, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen,
424 Merendino, Jes 49,231.
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aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht JHWH, dein Erbarmer. Es handelt sich um zwei Heilsorakel. Das erste wird in V.4 mit dem Aufruf „fürchte dich nicht“ (’ l tīra’) eingeleitet, das zweite beginnt in V.7. V.4 Jerusalem bzw. die Gola wird als Frau personifiziert (vgl. Hos 1 und 3; Ez 16 und 23). V.5 Israel hat wieder einen Eheherrn (ba ‘al). Er als der Heilige Israels ist zugleich der Herr der ganzen Erde. Der Hinweis auf JHWH als Schöpfer stützt die Heilszusage und unterstreicht die Macht JHWHs als Schöpfer und Herr der Welt. „Der Glaube an Jahwe den Schöpfer (hat) einen völlig neuen ‚existentiellen‘ Bezug auf die Hörer der Verkündigung bekommen“, beobachtet Rendtorff.425 Die Schöpfung ist nicht nur ein Ereignis der Vergangenheit, sondern hat einen unmittelbaren Bezug zum Heilshandeln JHWHs in der Gegenwart. JHWH hat grenzenlose Macht über Welt und Geschichte. „Entgegen der Annahme, Jahwe sei untätig und helfe nicht, proklamiert Deuterojesaja Jahwe als den umfassend schöpferisch Tätigen und sagt Israel seelsorgerlich in den Heilsorakeln mit der Autorität Jahwes dessen neue Hinwendung zu seinem Volk zu.“426 V.6 Auch wenn es den Anschein hat, als hätte JHWH Israel im Stich gelassen, wie ein Mann seine Frau oder seine Jugendliebe, so ruft er Israel jetzt erneut in die Gemeinschaft mit ihm. V.7 Mit diesem Vers beginnt ein neuer Abschnitt. Obwohl JHWH Israel für „kurze Zeit“ verlassen hat, wendet er sich ihm wieder zu und sammelt es zu einem Ganzen. Es handelt sich um ein neues Heilsorakel mit zweimaliger Verheißung in V.7b und 8b, wohl als Antwort auf die zweimalige Klage Israels, dass JHWH sich gegenteilig verhalten habe (vgl. Klgl 5,20). Er hat das Volk nur für eine kurze Zeit verlassen, will es aber jetzt wieder in seiner Heimat sammeln. V.8 JHWH hat sein Angesicht zwar eine Zeitlang gegenüber seinem Volk verborgen, will sich ihm jetzt aber aufs Neue zuwenden. V.9 Der Vers vergleicht das Exil mit der Sintflut, die das Leben der Menschen auszulöschen drohte. Jetzt aber ist diese Gefahr vorüber und JHWH
25 Rendtorff, Schöpfungsglaube, 9. 4 426 Eberlein, Gott, 184f.
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garantiert dem Volk seine dauernde Zuwendung und Verbundenheit. So fest wie JHWHs Zusage an Noah nach der Flut war, so fest ist auch die Zusage, die er jetzt seinem Volk gibt. Er will nicht noch einmal seinen Zorn über Israel ausgießen. „Denn so gewiss Gott keine Sintflut mehr gebracht hat, so gewiss wird er nicht mehr zürnen.“427 V.10 Diese Verbundenheit überdauert alle nur denkbaren Katastrophen. Der „Bund meines Friedens“ (b ͤ rīt š ͤ lomī) soll durch nichts erschüttert werden, d.h. es ergeht die Zusage von Heil, Ganzheit und Frieden (vgl. Jer 31,31–34). Die Verbundenheit der „Gnade“ (ḥǽsæd) zwischen JHWH und seinem Volk überdauert alle nur denkbaren Katastrophen, selbst die Auflösung der Erdoberfläche. Berge und Hügel sind Bilder für das Feste und Dauernde, ihre Erschütterung wäre die denkbar stärkste Bewegung. „Selbst wenn sie sich ereignen sollte, wird die Verbundenheit Gottes nicht wanken. Sie überdauert den Untergang der Welt.“428 Auch hinter diesem Abschnitt steht die Theodizeefrage, d.h. der Zweifel an JHWHs Willen, sich um sein Volk zu kümmern, der Zweifel an seiner Gnade und Zuwendung. Diesen Zweifeln will der Prophet entgegentreten, indem er die innige, persönliche Verbundenheit zwischen ihm und dem Volk hervorhebt. Gewiss hat JHWH sein Volk eine Zeitlang verlassen, aber seine Liebe ist größer als die einer Mutter zu ihrem Sohn (vgl. 49,14–17). Er beweist seine Liebe dadurch, dass er den Wiederaufbau Jerusalems ermöglicht. JHWH sammelt die Exulanten wie ein Hirte seine Herde (vgl. 40,11) und versorgt sie mit allem Lebensnotwendigen (vgl. 43,19f; 48,21; 49,10). Er kehrt nach Zion zurück, um erneut die Herrschaft über sein Volk anzutreten (vgl. 40,9–11; 41,21; 43,15; 44,6; 52,7–10). Nun ist Israel wieder sichtbar sein Volk (vgl. 51,16).
Dtjes 55,6f 6 Sucht JHWH, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist! 7 Der Gottlose lasse von seinem Weg und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zu JHWH, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.
27 Fohrer, Jes III, 172. 4 428 Fohrer, Jes III, 173.
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Fohrer bezeichnet den Abschnitt als Mahnwort429. Nach Westermann430 liegt ein Kultruf zugrunde, der dazu auffordert, Gott mit Opfer und Gebet im Tempel zu suchen. Daraus ist dann eine allgemeine Mahnung zur Hinwendung zu JHWH geworden. Duhm431 sieht V.7 als Einschub an, da er eine allgemeine Mahnung enthält und mit V.6 nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht. V.6 Der Prophet fordert die Exilsgemeinde auf, sich JHWH wieder zuzuwenden, da er nahe, d.h. gegenwärtig ist. JHWH ist bereit, die Sünden zu vergeben, die ihn von dem Volk getrennt haben. V.7 Der Prophet kündigt dem Volk die Vergebung JHWHs an. Es geht um die Wiederherstellung der Gemeinschaft zwischen JHWH und Volk, die scheinbar zerbrochen ist. Die Emphase zeigt, dass es Zweifel an seiner Gegenwart und Wirksamkeit gab und diese nicht selbstverständlich waren. Durch JHWHs Zuwendung ist für die Gola neue Gotteserfahrung möglich. Er bietet seine Nähe und gnädige Gegenwart als Voraussetzung für Leben und Zukunft an. Dadurch wird neue Gotteserkenntnis möglich (vgl. 41,20; 45,2; 54,10; 55,3).
6. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Verborgenheit, Freiheit und Weltüberlegenheit Wie wir gesehen haben, rechtfertigt Dtjes JHWHs Gottsein, indem er auf empirisch wahrnehmbare Phänomene verweist: die wunderbare Schöpfung, sein Handeln in der Geschichte, die Wirksamkeit des prophetischen Wortes, den Siegeszug des Kyros. Alle Argumentation gerät jedoch an eine Grenze, denn JHWHs Handeln bleibt frei, verborgen und unverfügbar. Dies bringt der Prophet an einigen bedeutsamen Stellen zum Ausdruck.
Dtjes 45,9–13 9 Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du? Dein Tun ist ungeschickt! 10 Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugst du? 29 Fohrer, Jes III, 178. 4 430 Sprache, 13. 431 Jes, 417.
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und zur Frau: Warum gebierst du? 11 So spricht JHWH, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mich zur Rede stellen wegen meiner Söhne? Und wollt ihr mir Befehl geben wegen des Werkes meiner Hände? 12 Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich bin es, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben und der seinem ganzen Heer geboten hat. 13 Ich habe ihn erweckt in Gerechtigkeit, und alle seine Wege will ich eben machen. Er soll meine Stadt wieder aufbauen und meine Gefangenen loslassen, nicht um Geld und nicht um Geschenke, spricht JHWH Zebaoth. Echtheit und textliche Gestalt des Abschnitts sind umstritten, doch geht sein Kern wohl auf ein Disputationswort Dtjes‘ zurück. Der Text bietet erhebliche textliche und literarkritische Schwierigkeiten. Der 2. Halbvers von V.9 ist unsicher. Duhm432 sieht V.10 als sekundär an, da der Abschnitt auf die Berufung des Kyros hinzielt und das Bild vom zeugenden Vater und der in Wehen liegenden Frau nicht passt. Westermann433 stimmt Elliger434 zu, wonach nur hier innerhalb der Verkündigung Dtjes‘ ein Wehewort gegen Israel vorliege, das deshalb von einem späteren Bearbeiter stammen müsse, der ein Wort Dtjes‘ zu einem Disputationswort umgestaltet habe. Man müsse V.11–13 von V.9f her lesen und insgesamt als Disputationswort verstehen. In V.13b streicht Duhm435 die zweite Hälfte des Halbverses, da er in Widerspruch zu 43,3 steht, wonach JHWH ein Lösegeld für Israel gibt. Doch reicht dieses Argument nicht aus, um den Text zu streichen, da der Sinn hier anders ist als in 43,3.436 Fohrer437 sieht V.9f als Scheltwort an, während er V.11–13 als Diskussionswort definiert. V. 9 Das Bild vom Menschenschöpfer als Töpfer begegnet auch in Hi 10,9 und Jer 18. Es bringt „die unbedingte Überlegenheit des Künstlers über sein Material zum Ausdruck.“438 Es geht um die freie Verfügungsgewalt JHWHs, der die Geschicke so bestimmt, wie es ihm gefällt. Der Mensch darf Gottes 32 Jes, 309. 4 433 Jes 40–66, 135. 434 Z. St. 435 Jes, 309. 436 Ähnlich Westermann (Jes 40–66, 138) und Fohrer (Jes III, 87f); anders Merendino (Der Erste, 495), der den Vers für sekundär hält. 437 Jes III, 87. 438 Westermann, Jes 40–66, 135.
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Handeln weder kritisieren noch meinen, ihm etwas verbieten zu können. So wie ein Töpfer frei ist, mit dem Ton ein Kunstwerk nach seinem Willen zu gestalten, so kann auch JHWH mit Israel tun, was er will. Israel kann seinem Herrn keine Vorschriften machen. Damit wird die souveräne Macht JHWHs ausgesagt. V .10 Der Prophet wiederholt denselben Gedanken mit einem dem Bereich der Familie entnommenen Bild: So wenig wie ein Mensch seine Eltern dafür zur Rechenschaft ziehen kann, warum sie ihn gezeugt bzw. geboren haben, so wenig kann auch Israel JHWH für sein Handeln zur Verantwortung ziehen. Der Mensch steht vielmehr in der freien Verfügungsgewalt Gottes und darf dessen Handeln weder kritisieren noch ihm etwas verbieten. s Souveränität erkennt man an seinem Unheils- und Gerichtshandeln. In 43,13 wird ausgesagt, dass gegen JHWHs Willen niemand etwas einwenden kann. Er erstreckt sich nicht nur auf Israel, sondern auf die ganze Welt. V.11 Der Vers schließt im Gedankengang an das Vorausgehende an. Noch einmal lehnt es JHWH ab, sich wegen seines Handelns befragen zu lassen JHWH wird mit dem charakteristischen Prädikat „der Heilige Israels“ belegt. Es markiert die absolute Differenz zwischen Gott und Mensch und findet sich des Öfteren bei Dtjes (vgl. 43,14f; 45,11; 49,7; 54,5).439 Als der Heilige verfügt er über absolute Macht, die er jedoch nicht willkürlich ausübt, sondern Israel schöpferisch und rettend zugutekommen lässt. „Die Heiligkeit ist nicht bedrohend für sein Volk. Vom,Heiligen Israels‘ geht Heil für Israel aus. … Die Beschränkung von Heiligkeit auf den Tempel und priesterliches Handeln wird aufgehoben.“440 In V.11b findet sich die Andeutung eines Zitates der Gegenpartei, die JHWH vorhält, dass er sein Volk hat untergehen lassen. Ein solches Argument begegnet innerhalb der Gerichtsreden nicht. Duhm441 nimmt an, dass vor V.11b wahrscheinlich etwas ausgefallen ist. Dem „ihr“ in V.11b steht ein dreifaches „ich“ JHWHs gegenüber.
39 S. dazu o. S. 24f. 4 440 Baltzer, 67f. 441 Jesaia, 348.
Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Verborgenheit 123
V.12 Nun folgt der Hinweis auf JHWHs Schöpfertum in Form einer Selbstprädikation. Als Schöpfer ist er auch der Herr seiner Geschöpfe (vgl. 40,26). Die Schöpfungsaussagen unterstreichen die absolute Macht JHWHs. V. 13 Nach dem jetzigen Zusammenhang bildet V.13 das Ziel des Abschnitts, nämlich die Erweckung des Kyros. Auf Grund seiner Überlegenheit als Herr über Schöpfung und Geschichte hat JHWH Kyros erweckt, um durch ihn seinem Volk Heil zuteilwerden zu lassen. Gewiss gab es unter den Exulanten erhebliche Zweifel, ob ein heidnischer Herrscher JHWHs Werkzeug sein kann. „Der Prophet wendet sich gegen seine Mitverbannten … Sie sagten: es ist ausgeschlossen, ketzerisch, dass ein Heide der m ͤ šīaḥ wäre“.442 Der Prophet entgegnet, dass es JHWH frei steht, zu tun, was er für richtig hält. Dennoch handelt er gerecht auf der Grundlage seiner Gemeinschaftstreue. Er hat Kyros „in Gerechtigkeit“ (ṣǽdæq) berufen ebenso wie Israel selbst (vgl. 42,6). Er ist der Beweis für JHWHs kraft- und heilvolles Eingreifen in die Geschichte.
Dtjes 45,15 Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Retter. Fohrer443 sieht mōšī ͣ ‘ „Retter/Heiland“ als Zusatz an. ’ ēl mistatēr bedeutet wörtlich „ein sich verbergender Gott“. Der „hymnische Gebetsruf“444 weist auf die Unerforschlichkeit des Wesens JHWHs hin und berührt sich inhaltlich mit 40,28. Er hat zwar „nicht im Verborgenen“ (45,19; 48,16) durch die Propheten geredet, doch können auch diese nicht sein wahres Wesen ergründen. JHWHs Verborgenheit ist „eine Möglichkeit seiner Freiheit“445. JHWH übt seine Freiheit nicht willkürlich aus, sondern bindet sich als Retter an Israel und alle Menschen. Durch sein Reden tritt er aus der Verborgenheit heraus, aber auch als der Offenbare bleibt er der Verborgene. Die Verborgenheit ist nur die andere Seite seines Gottseins. Obwohl JHWH seinen Willen und seine Pläne immer wieder durch seine Boten kundgetan hat, bleibt er dennoch menschlichem Zugriff entzogen. Der sich verbergende
42 Volz, Jes, 66. 4 443 Jes III, 91. 444 Fohrer, Jes III, 92. 445 Verborgenheit, 373.
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Die Botschaft Deuterojesajas als kollektive Theodizee
Gott ist zugleich der Retter. Von Rad446 folgert: „Alle echte Gotteserkenntnis beginnt mit der Erkenntnis der Verborgenheit Gottes.“ JHWH wird erfahren als einer, der in seinen Entscheidungen frei und unverfügbar handelt. Dennoch bleibt er mit dem Menschen verbunden. Seine Verborgenheit ist die andere Möglichkeit seines Gottseins, denn „ein begriffener Gott ist kein Gott.“447
Dtjes 55,8f 8 Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht JHWH, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Fohrer448 sieht das Wort als „eine prophetische Weisung (Tora)“ an, „die einen möglichen Einwand gegen den in 55,6f verkündeten umfassenden Vergebungswillen Gottes zurückweist und insofern zugleich einem Diskussionswort ähnelt“. Die Angeredeten wollen nicht wahrhaben, dass die Stunde ihrer Rettung da ist. Unter „Gedanken“ (maḥšabōt sind die Pläne JHWHs zu verstehen. JHWHs Pläne und Willen sind für den Menschen letztlich nicht fassbar. Sie sind qualitativ von menschlichen Plänen unterschieden. Der Mensch kann sich nicht anmaßen, den Willen Gottes durchschauen zu können. JHWH ist unverfügbar frei in seinem Handeln. Es liegt eine gewisse Parallele zu 40,8 vor, wonach das Wort Gottes im Gegensatz zu allem Weltlichen ewigen Bestand hat und nicht der Vergänglichkeit unterworfen ist. „Das Wort ist eine Umschreibung dessen, was sonst mit ‚Heiligkeit‘ Gottes ausgedrückt ist, Gott ist himmelhoch verschieden von Menschen als der ‚ganz Andere‘.“449 Es geht um den qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch überhaupt. Gott ist ewig und unerforschlich (vgl. 40,13.28), der Mensch vergänglich und Sünder. Dennoch ist JHWH der nahe und rettende Gott. Er hat keinen Ratgeber (vgl. 41,28 u.ö.) und kann Dinge planen, die kein Mensch für möglich hält. Er ist unvergleichlich und regiert
46 Theologie II, 391. 4 447 Tersteegen nach Otto, Das Heilige, 28. 448 Jes III, 179. 449 Volz, Jes, 145.
Die Rechtfertigung JHWHs in der Doxologie
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über „alles“ (vgl. 40,12ff; 41,2.28; 44,24; 45,7). Durch diese Worte will der Prophet möglichen Einwänden seiner Zuhörer begegnen, die an das von ihm verkündete Heil nicht recht glauben wollen.
7. Die Rechtfertigung JHWHs in der Doxologie JHWH bleibt menschlichem Begreifen letztlich entzogen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass in das Deuterojesajabuch immer wieder Doxologien eingestreut sind:
Dtjes 42,10–12 10 Singt JHWH ein neues Lied, seinen Ruhm an den Enden der Erde, die ihr auf dem Meer fahrt, und was im Meer ist, ihr Inseln und die darauf wohnen! Ruft laut, ihr Wüsten und die Städte darin samt den Dörfern, wo Kedar wohnt. Es sollen jauchzen, die in Felsen wohnen, und jubeln von den Höhen der Berge! Sie sollen JHWH die Ehre geben und seinen Ruhm auf den Inseln verkünden!
Dtjes 44,23 Jauchzt, ihr Himmel, denn JHWH hat es getan! Jubelt, ihr Tiefen der Erde! Ihr Berge, frohlockt mit Jauchzen, der Wald und alle Bäume darin! Denn JHWH hat Jakob erlöst, an Israel verherrlicht er sich.
Dtjes 48,20 Geht heraus aus Babel, flieht von den Chaldäern! Mit fröhlichem Schall verkündigt dies und lasst es hören, tragt es hinaus bis an die Enden der Erde und sprecht: JHWH hat seinen Knecht Jakob erlöst.
Dtjes 52,9f 9 Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn JHWH hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. 10 JHWH hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
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Die Botschaft Deuterojesajas als kollektive Theodizee
Dtjes 55,12f 12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Feld in die Hände klatschen. 13 Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und JHWH soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.450 Diese Aussagen über JHWH stehen in der Nähe des Hymnus.451 Crenshaw452 verweist auf die Gerichtsdoxologien.453 Im Lobpreis überwindet Israel seine Zweifel an JHWHs Gottsein und erkennt seine universale Macht, Güte und Weisheit an. Nach 45,8 soll die ganze Schöpfung Gerechtigkeit (ṣǽdæq/ṣ ͤ dāqā), d.h. Heil (jéšā‘) hervorbringen. Doxologisch ist auch der Ausdruck „JHWH Zebaoth ist sein Name“ in 51,15 zu verstehen.454 Streibert455 folgert: „Begründung für den universalen Lobruf ist die neue Heilstat Jahwes, die Befreiung und Heimführung der Exulanten. Auf diese Tat wird meist wie auf ein schon geschehenes Ereignis zurückgeblickt. … Die ganze Schöpfung soll Jahwe für sein Heilshandeln an Israel loben.“ Das Deuterojesajabuch endet in 55,13 mit der Aussage, dass alles Geschehen JHWH zum Ruhm gereicht und ihm als „ewiges, unvertilgbares Denkmal“ dient. Deshalb sollen die Menschen ihm die Ehre geben (42,10–12) und wegen seiner machtvollen Taten fröhlich sein (52,9f).
8. Zusammenfassung Dtjes antwortet auf die im Exil virulente Theodizeefrage mit dem Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen, universalen Gott. Er rechtfertigt JHWHs Macht, Güte und Weisheit durch mehrere Argumentationsgänge und stellt damit den JHWH-Glauben auf eine völlig neue Grundlage:
50 Vgl. auch 41,16; 49,12f. 4 451 Vgl. Wildberger, Monotheismus, 260.263. 452 Questioning, 390ff. 453 Vgl.1Kön 8,3; Esr 6.1ff; 10,7ff; Neh 9; Dan 3,31–34; Jes 6,3; 12,1f; Ps 16,56– 60; 29,1–9; 89,7–15; 118,17–21; Mi 1,1. 454 Vgl. Jer 10,12–16; 31,35; 51,15–19. 455 Schöpfung, 33.
Zusammenfassung
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– Dtjes rechtfertigt JHWH durch den Aufweis seiner universalen, unvergleichlichen Macht als Schöpfer (40,12–17.21–31; 50,1–3; 51,9–11). An der Vielfalt der Schöpfung soll Israel die Macht und Einzigartigkeit seines Gottes erkennen und deshalb allein von ihm vertrauensvoll die Zukunft erwarten. Die Götter des Polytheismus werden vielfach mit Naturgewalten oder Gestirnen identifiziert. JHWH dagegem herrscht auch über die Gestirne (vgl. 40,26). Er ist absolut jenseitig und unvergleichlich (vgl. 46,5). Er bedarf keines Ratgebers und regiert in absoluter Freiheit über den gesamten Kosmos (vgl. 40,14.28). Die Schöpfung ist kein Ereignis der Vergangenheit allein, sondern setzt sich in Gegenwart und Zukunft durch das Heilshandeln Gottes fort. Gegenüber dem Anspruch Marduks auf die Schöpferwürde entfaltet Israel seinen Glauben an JHWH als den Schöpfer der Welt. Dtjes redet von JHWHs Schöpferwerk so eindrücklich und programmatisch, dass daraus geschlossen werden muss, dass dieser Aspekt des JHWH-Glaubens für seine Zeitgenossen nicht selbstverständlich war. Erst im Verbund mit dem Monotheismus wurde der Glaube an JHWH als Schöpfer zum normativen Bestandteil des israelitischen Credos. – Mit dem Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Schöpfer ist eng das Bekenntnis zu ihm als Herrn der Geschichte verknüpft. Als der „Erste und Letzte“ (41,4; 43,13; 46,4; 48,12) erstreckt sich seine Herrschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft über die ganze Welt. Sein Reden und Handeln betreffen die gesamte Weltgeschichte und das Universum. Alles steht unter seiner Herrschaft (44,24; 45,7f) Die Propheten der Königszeit beschäftigten sich ausschließlich mit Israel und Juda sowie den Nachbarstaaten. Bei Dtjes öffnet sich der Blick über Israel hinaus auf das Wirken JHWHs in der ganzen Völkerwelt (vgl. 41,8f; 42,1.4). Seine Botschaft gilt den Menschen aller Völker (45,23f; 49,7). Monotheismus und Universalismus bedingen sich gegenseitig und sind seit Dtjes im JHWH-Glauben fest verankert. Aus einer Nationalreligion entwickelte sich eine Universalreligion. – Dtjes rechtfertigt JHWH, indem er sein rettendes Eingreifen in der nahen Zukunft ankündigt, insbesondere in Gestalt des Perserkönigs Kyros, der die Gola in die Heimat zurückführen wird (vgl. 41,1–5; 42,13–17; 44,24 – 45,8; 48,12–16a; 51,1–8). Diese Rettungsaktion beruht nicht
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auf dem Verdienst des Volkes, sondern allein auf der Liebe seines Gottes (vgl. 43,3f; 49,14–17; 54,10). – Dtjes rechtfertigt JHWH durch den Hinweis auf das einzigartige Prophetentum in Israel. Propheten haben die gegenwärtige Katastrophe vorausgesagt. Darin zeigt sich zugleich seine Geschichtsmächtigkeit (vgl. 41,22; 42,8; 43, 9.18–23; 44,6–8; 45,20–25; 46,9–11; 48,3; 55,10f) So scheut sich JHWH nicht, in einem globalen Rechtsstreit mit den Göttern der Völker seinen Anspruch auf alleinige göttliche Würde zu vertreten. Kriterium für sein einzigartiges Gottsein ist die Voraussage des Künftigen durch seine Boten. – Dtjes rechtfertigt JHWH durch die Zusage seiner schützenden und helfenden Gegenwart als persönlicher Gott des ganzen Volkes (vgl. 41,8–16; 43,1–7; 44,1–5; 49,13–17; 54,4–10; 55,6f). Bisher hatten viele Israeliten JHWH primär als Staats- oder Volksgott im Rahmen der offiziellen Religion verehrt. Nur einzelne standen zu ihm in einer persönlichen Beziehung. Jetzt wird diese persönliche Gottesbeziehung auf alle Angehörigen des Volkes ausgedehnt. Deshalb redet Dtjes die Exilsgemeinde wie eine Familie an, die ihrem Gott eng verbunden ist. JHWH will ihnen mehr Liebe erweisen als es selbst eine Mutter vermag (49,15) und sie „bis ins Alter“ tragen (46,3f). Die Israeliten brauchen sich für ihre individuellen Bedürfnisse nicht mehr an die kanaanäischen oder babylonischen Gottheiten zu wenden, sondern können alles von ihm erwarten. – Dtjes rechtfertigt JHWH durch den Aufweis seiner Verborgenheit, Freiheit und Weltüberlegenheit (vgl. 45,9–13; 45,15; 55,8f). Der Mensch muss sich ihm als dem Unverfügbaren unterwerfen. Doch bleibt der Prophet bei dem Bekenntnis zu dem verborgenen Gott nicht stehen, sondern verkündet seine hilfreiche Nähe. Somit hängt die Transzendenz JHWHs mit seiner Einzigkeit eng zusammen. – Dtjes rechtfertigt JHWH, indem er zum Lobpreis des einen allmächtigen, gütigen und weisen Gottes aufruft. Er schafft Licht und Finsternis, Frieden und Unheil (vgl. 42,10–13; 44,23; 45,8; 48,20; 49,12; 51,3.13; 52,9f). – Der Monotheismus steht bei Dtjes im Dienst der Soteriologie. Es geht nicht um eine neue Gottesidee, sondern um eine neue heilvolle Gotteserfahrung in der Begegnung mit dem einen und einzigartigen Gott
Zusammenfassung
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JHWH. Das Bekenntnis zu JHWHs Einzigkeit ist nicht das Resultat von Spekulationen oder philosophischen Erörterungen, sondern die situationsbezogene Antwort auf die Theodizeefrage. – Dtjes betont, dass die Zuwendung zu JHWH als dem einzigen Gott Israels eine radikale Wende im Gottesverhältnis darstellt. Nun beginnt eine neue Epoche in der Geschichte JHWHs mit seinem Volk. JHWH tritt wieder die Herrschaft über sein Volk an und wird sein König (vgl. 41,21; 43,15; 44,6; 52,7f).456 Die Israeliten sollen nicht auf das Frühere schauen, sondern auf das Neue, das JHWH jetzt schafft (vgl. 42,9; 43,18–20; 48,6–8).457 – Auf Grund des Bekenntnisses zu JHWH als dem einzigen Gott entwickelte Israel das Bewusstsein seiner exklusiven Stellung im Gegenüber zu anderen Völkern. In der vorexilischen Zeit unterschied sich das Selbstverständnis Israels nicht wesentlich vom Selbstverständnis seiner Nachbarn. Jetzt wird sich Israel seines grundsätzlichen Unterschiedes bewusst, der in der alleinigen Verehrung JHWHs begründet liegt. Monotheismus und Exklusivität gehören folglich zusammen. Damit ist der Auftrag an die Exilsgemeinde verknüpft, gegenüber aller Welt JHWHs Einzigkeit zu bezeugen (vgl. 42,1–4; 43,9f.12; 44,8). – Nach Wildberger458 war Dtjes nicht der erste Zeuge des Monotheismus im Alten Testament. Aber „nur bei ihm ist der Monotheismus in seiner Relevanz erkannt und in seinen Konsequenzen überdacht“. Das Deuterojesajabuch ist „keine nach außen gerichtete Missionsschrift, die Angehörige anderer Völker von der Einzigkeit JHWHs überzeugen wollte. Vielmehr wird… die als grundsätzlich bekannt vorausgesetzte Forderung der alleinigen Verehrung JHWHs auf ein neues, monotheistisches Fundament gestellt.“459 Nach Petry460 hat Dtjes „als literarischer Geburtsort des biblischen Monotheismus“ zu gelten. Dabei übernimmt Dtjes, so v. Oorschot461, aus den polytheistischen Traditionen 456 Petry (Entgrenzung, 123) meint, „dass die Vorstellung vom Königtum JHWHs bereits in vorexilischer Zeit bekannt war“. 457 Vgl. auch 1Kön 8,47ff; Jer 30,3.9.22; 31,31–34; Ez 11,18–20; Mi 4,6–8. 458 Monotheismus, 265. 459 Petry, Entgrenzung, 140. 460 Petry, Entgrenzung, 407. 461 Gott, 133.
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Die Botschaft Deuterojesajas als kollektive Theodizee
die Einzigkeits- und Unvergleichlichkeitsaussagen und bezieht sie auf den Gottesbegriff selbst. „Die Existenz nur eines Gottes wird in einer polytheistischen Denk- und Sprachwelt ausgesagt.“ Ähnlich argumentiert Baltzer462. Ihm zufolge setzt Dtjes „die Existenz anderer Götter voraus, lehnt aber für Israel ihre Verehrung ab. … Diese Entwicklung zum Bekenntnis ‚Jahwe allein‘ ist bei Dtjes noch in ihrem polytheistischen Kontext zu sehen.“ Inmitten aller Entwicklungen des Gottesglaubens bleibt aber JHWH „der gleiche Gott.“463
62 Dtjes, 65. 4 463 Baltzer, Dtjes, 67.
E. Das Hiobbuch als individuelle Theodizee Seit J. G.Eichhorn (1752 – 1827) wird der Begriff Theodizee als Interpretationskategorie zur Beschreibung des Inhalts des Hiobbuches verwendet. Fohrer464 meint allerdings, dass das Hiobbuch nicht „das Problem der Theodizee“, sondern dasjenige „der menschlichen Existenz im Leide“ theoretisch oder abstrakt behandelt. Ich halte die Anwendung des Begriffes Theodizee auf das Hiobbuch dennoch für zutreffend und werde im Folgenden aufzeigen, inwiefern das Hiobbuch Antworten auf die Theodizeefrage gibt. Dabei gibt es Berührungspunkte mit der Argumentation bei Dtjes. Der Monotheismus wird im Hiobbuch bereits vorausgesetzt, auch wenn in der Rahmenerzählung die Gottessöhne (1,6) vorkommen. Das Hiobbuch besteht aus einer Rahmenerzählung 1 – 2; 42,7–17 sowie einem Dialogteil 3,1–42,6. Es ist wohl zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert v.Chr. entstanden.465 Für das Thema des leidenden Gerechten gibt es eine Parallele insbesondere in der babylonischen Dichtung Ludlul Bēl Nēmeqi, die auch „babylonische Theodizee“ genannt wird.466 Es handelt sich beim Hiobbuch um eine „lehrhafte, gleichnisähnliche Dichtung“, die keinen konkreten biographischen Hintergrund hat.467
1. Die Rahmenerzählung Hi 1 - 2 und 42,7–17 Die Rahmenerzählung hat eine längere schriftliche und mündliche Vorgeschichte. Nach L. Schmidt liegt der Kern in 1,1–5.13–22 und 42,11–17. Hinzu kamen mehrere Wachstumsringe. Die Satansgestalt ist erst sekundär hereingekommen, um die Unbegreiflichkeit und Unheimlichkeit im Handeln Gottes auszuklammern. Der Satan ist ursprünglich ein Ankläger, der die Schuld der Menschen durch Aufreizen zum Ausbruch bringt. So stellt er hier und in Sach 3,1f Menschen auf die Probe. Das Bild des Hiob unterscheidet sich in der Rahmenerzählung deutlich vom Dialogteil. Während er hier
64 Hiob, 548f. 4 465 Gertz, Grundinformation, 440. 466 Vgl. Gertz, Grundinformation, 441. 467 Gertz, Grundinformation, 443.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
als friedlicher, demütiger Nomadenscheich beschrieben wird, erscheint er im Dialogteil als weiser, sich heftig gegen JHWH auflehnender Stadtfürst. In der Rahmenerzählung wird Hiob als fromm, rechtschaffen und gottesfürchtig geschildert. Das Wohlwollen, das er bei Gott genießt, spiegelt sich in Reichtum und Glück wider. In der eingeschobenen Himmelsszene 1,6–12 erhält der Satan bei einem allgemeinen Audienztag von JHWH die Erlaubnis, Hiob auf die Probe zu stellen. Tatsächlich befällt ihn vielerlei Unglück, doch verliert er seinen Glauben nicht. Er tut Buße, indem er sein Kleid zerreißt, sein Haar schert und zu JHWH spricht: „Ich bin nackt von meiner Mutter Leib gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. JHWH hat es gegeben, JHWH hat es genommen, der Name JHWHs sei gelobt.“ (1,21f) Damit gibt er JHWH die Ehre und bekennt sich zu ihm als dem Herrn seines Lebens. Hi 2 erzählt dann im zweiten Akt des Dramas, wie der Satan noch einmal die Erlaubnis erhält, Hiob auf die Probe zu stellen. Diesmal darf er eine schärfere Gangart einschalten. Doch auch als Hiob mit schweren Krankheiten geschlagen wird, lässt er sich trotz der Einreden seiner Frau nicht von seinem Gottvertrauen abbringen: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“, fragt er in 2,10. Hier kommt eine Frömmigkeit zum Ausdruck, in der der Mensch an Gott festhält unabhängig von seiner Lebenserfahrung (vgl. Ps 73,23–26). In alter Zeit war der Mensch mit seiner Gottesbeziehung ganz in das Erleben der Wirklichkeit eingebunden. Jetzt weiß er sich mit seinem Gott verbunden, unabhängig von seiner physischen Existenz. Die Gerechtigkeit Gottes bedarf keiner sichtbaren Manifestation mehr, sondern ruht in der bleibenden Erfahrung der Nähe Gottes. Die Theodizeefrage löst sich durch die Unterordnung unter Gottes Willen und Herrschaft. Zum Abschluss des Hiobbuches in 42,7–17 wird dann die Wiederherstellung von Hiobs Glück berichtet. Seine Gerechtigkeit zeigt sich in erneutem Reichtum, Kindersegen und Anerkennung.
2. Der Dialogteil (Hi 3,1 – 42,6) Der Dialogteil enthält mehrere Redegänge zwischen Hiob und seinen drei Freunden Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Die Redegänge sind nicht mehr vollständig erhalten. Den Abschluss bildet
Der Dialogteil (Hi 3,1 – 42,6)
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zunächst Hiobs Reinigungseid in Hi 31. Daran schließen sich die sekundär eingefügten Elihureden 32 – 37 an. Die Antwort JHWHs erfolgt in zwei Gottesreden in 38,1 – 39,30 und 40,6 – 41,26, die jeweils mit einer kurzen Antwort Hiobs verbunden sind. Die Einheitlichkeit dieser Reden ist umstritten. Auffallend sind einige Doppelungen, z.B. die doppelte Unterwerfung Hiobs in 40,3–5 und 42,1–6. Die Abschnitte über Behemot und Leviathan in 40,15–24; 41,25f sind wohl sekundär. Nach Kubina468 sind die Gottesreden trotz Doppelungen überwiegend einheitlich. Die Theodizeefrage lässt sich aufschlüsseln in die Frage nach Gottes Macht, Güte und Weisheit. Zweifel an der Macht JHWHs sind im Dialogteil nicht zu finden. Hiob leidet nicht an der Machtlosigkeit, sondern an der Übermacht JHWHs (vgl. 7,12ff; 9,7ff; 10,8ff; 19,6ff). Er erfährt JHWHs Heiligkeit als absolute, schrankenlose und unberechenbare Macht. Er hat den Eindruck, dass sich JHWHs Freiheit und Souveränität in Willkür verwandelt: „Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er über die Verzweiflung der Unschuldigen. Die Erde ist in die Hand des Frevlers gegeben, und das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht er, wer anders sollte es tun?“ (9,22–24; vgl. 9,4–13; 12,13–25). Er sieht in JHWH eine ihn mit Schadenfreude quälende Macht (9,22f), denn er bringt den Frommen um wie den Gottlosen (9,23). Er bittet Gott, er möge ihn in Ruhe lassen (6,17ff) und seine Augen anderswohin richten (7,19). Im Mittelpunkt steht der Zweifel an JHWHs Güte und Zuwendung. JHWH ist für Hiob nicht mehr als ein guter, gnädiger Gott erkennbar. Vielmehr erscheint er ihm wie ein grausamer Tyrann: „Warum verbirgst du dein Antlitz und hältst mich für deinen Feind?“, fragt Hiob in 13,24. JHWH hat Lust an Zerstörung wie ein grausamer Dämon (10,8). „Sein Grimm hat mich zerrissen, und er war mir feind; er knirschte mit den Zähnen gegen mich; mein Widersacher funkelt mich mit seinen Augen an.“ (16,9) „Er hat mich als seine Zielscheibe aufgerichtet; seine Pfeile schwirren um mich her.“ (16,12f) Die Grausamkeit JHWHs hat sein beklagenswertes Schicksal verursacht und seine zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört. Hiob fühlt sich bereits am Rand des Grabes stehend (17,1) und beklagt, dass er von
468 Gottesreden, 30.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
JHWH wie ein Feind behandelt wird (19,11). Er fragt, ob Gott sein Freund ist (16,20f), und wünscht sich „eine Auszeit von Gott“469 (vgl. 14,13). Verzweifelt sucht Hiob nach einem Entlastungszeugen, der seine Unschuld bezeugen könnte: „Siehe, auch jetzt noch ist mein Zeuge im Himmel, und mein Fürsprecher ist in der Höhe.“ (16,19) Er soll ihm zu seinem Recht verhelfen: „Unter Tränen blickt mein Auge zu Gott auf, dass er Recht verschaffe dem Mann bei Gott, dem Menschen vor seinem Freund.“ (16,20f) Jemand soll ihn auslösen, damit er mit seiner Hilfe wieder Gott schauen, d.h. die Gemeinschaft mit ihm wieder erfahren kann (19,25–27). Die Freunde Hiobs sehen Gottes Weisheit darin, dass gemäß dem TunErgehen-Zusammenhang ein Frommer ein gutes, ein Gottloser ein böses Schicksal erleidet. Sie betonen, dass Gott nicht unrecht richten oder das Recht verdrehen könne (8,3). Elifas weist darauf hin, dass noch nie ein Unschuldiger umgekommen sei oder ein Gerechter vertilgt wurde. Die Frevler dagegen kommen um (4,7–11; vgl. 8,20). Bildad fordert Hiob auf, sich bußfertig an Gott zu wenden, damit dieser seine Gerechtigkeit unter Beweis stellen kann (8,6f). Am Unglück Hiobs zeige sich, dass er gesündigt haben müsse und dies die gerechte Strafe sei. Hiob entgegnet, dass es ihm bewusst sei, ein Sünder zu sein: „Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du Menschenhüter? Warum machst du mich zum Ziel deiner Anläufe, dass ich mir selbst eine Last bin? Und warum vergibst du mir meine Sünde nicht oder lässt meine Schuld hingehen?“ (7,20f; vgl. 13,26) Hiob möchte sein Gottesverhältnis in Ordnung bringen und bittet um Vergebung. „Aber er beharrt auf der totalen Inkongruenz zwischen seinem Tun und seinem Ergehen und weitet das zunehmend auf die menschliche Situation überhaupt aus.“470 Er kann keinen Sinn in seinem gegenwärtigen Unglück erkennen. Er weist darauf hin, dass er unschuldig sei (6,24ff; 9,21; 10,7; 13,18f). Damit behauptet er zwar nicht, dass er niemals gesündigt habe. Er ist sich aber keiner so außergewöhnlichen Vergehen bewusst, die eine solche Strafe zur Folge haben könnten: „So merkt doch endlich, dass Gott mir unrecht getan hat und mich mit seinem Jagdnetz umgeben hat.“ (19,6)
69 Gertz, Grundinformation, 443. 4 470 Crüsemann, Hiob, 382.
Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Macht
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Hiob bezweifelt deshalb die Weisheit Gottes. Es gibt kein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Die Freunde heben immer wieder die Ordnung der Welt hervor und appellieren an Hiob, er möge sie doch endlich erkennen(11,5–9; 15,7–9; 25,3). Sie verweisen darauf, dass Gott überlegen und erhaben ist, und der Mensch ihm gegenüber bedeutungslos bleibt (18,4; 22,12). Dennoch ist sein Handeln gerecht. Er zeigt sich dem gnädig, der sich ihm unterwirft. Ihm gegenüber kann kein Mensch Recht behalten (4,17; 25,4). Hiob aber bestreitet Gottes Weisheit, da er sie in seiner gegenwärtigen Leidenssituation nicht erkennen kann. Elihu dagegen betont, dass JHWH seine Gerechtigkeit erweist, indem er einen Ausgleich zwischen Gut und Böse herstellt und die Ordnung der Welt aufrecht erhält (vgl. 34,10–12). Die Unschuld Hiobs wird von Bildad in 8,5–7 festgestellt als zeitweiliges Aussetzen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs; er ist nämlich nicht einklagbar. Der Mensch kann nicht gerecht sein (4,17–21; 15,14–16; 25,4f), er erkennt die Ordnung nicht (11,5–9; 15,7–9; 25,3). Elihu will das Handeln Gottes als gerecht durch Welterfahrung legitimieren (34,17; 37,7). Das Unglück soll warnen und züchtigen (36,8–10). Die Freunde verweisen darauf, dass man es mit einem überlegen und oft rätselhaft handelnden Gott zu tun hat, der aber letztlich immer gerecht ist und gnädig dem, der sich ihm unterwirft. Kein Mensch kann ihm gegenüber Recht behalten (4,17; 9,2; 25,4; vgl. 34,10–12). Nach Fohrer471 billigt JHWH weder das Verhalten Hiobs noch das der Freunde. Vielmehr führt er Hiob das Unsinnige seines Verhaltens vor, indem er ihm die Weltordnung aufzeigt und ihn auf die zahlreichen Beispiele hinweist, die alle menschliche Einsicht und alles menschliche Können übersteigen.
3. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Macht, Güte und Weisheit in der Schöpfung JHWH antwortet auf Hiobs Zweifel und Vorwürfe in zwei Reden aus dem „Sturm“: 38,1 – 39,30 und 40,6 – 41,26. Das Wettermotiv erinnert an die Epiphanieschilderungen, die die machtvolle Erscheinung JHWHs
471 Hiob, 494f.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
beschreiben.472 Es handelt sich hier jedoch wohl kaum um eine wirkliche Gotteserscheinung, sondern um eine dichterische Darstellung, da das Motiv im Folgenden keine Rolle mehr spielt. Der Verfasser hebt JHWHs Majestät und Herrlichkeit hervor, die sich in der Schöpfung zeigt. In der ersten Gottesrede (38,1 – 39,30) geht es darum, gegenüber dem Vorwurf Hiobs, die Welt sei ein Chaos, auf den Plan und die Ordnung in der Schöpfung hinzuweisen. Sie schildert die gute Ordnung, die unter den Geschöpfen herrscht. Jedes Tier hat seinen Ort und erfüllt seine Funktion nach einem bestimmten Plan. Diesen Plan kann der Mensch letztlich nicht begreifen, weil er alle menschliche Einsicht und alles menschliche Können übersteigt: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir es, wenn du so klug bist. Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Messschnur gezogen hat?“ (38,4) Vieles bleibt zwar für den Menschen dunkel, aber JHWH gibt Weisheit in das Verborgene. Durch die rhetorischen Fragen, die mit Dtjes 40,12–31 zu vergleichen sind473, soll auf die wunderbare Ordnung der Phänomene hingewiesen werden: die Grenzen des Meeres, den Gang der Gestirne, Wind und Regen, die Vielfalt der Tierwelt. Die Güte Gottes wird zwar nicht ausdrücklich thematisiert. Doch beinhaltet die Beschreibung der wunderbaren Schöpfung „sein heilsames, segnendes Zugekehrtsein“474. JHWH sorgt für seine Geschöpfe, indem er allen ihren Lebensraum in einer klugen Ordnung zuweist. In der zweiten Gottesrede 40,6 – 41,26 geht es darum, dem Vorwurf, Gott bzw. die Welt sei böse, entgegenzutreten.475 JHWH herrscht souverän auch über diejenigen Tiere, die vom Menschen aus betrachtet als chaotisch oder gar feindselig erscheinen. Dies gilt insbesondere für Behemot und Leviathan (40,15 – 41,26), die wohl als Nilpferd und Krokodil zu deuten sind. Sie gehen auf die ägyptische Mythologie zurück, wo Horus und Seth gegeneinander kämpfen. Die Welt ist weder völlig chaotisch, wie Hiob behauptet, noch völlig in Ordnung, wie die Freunde behaupten. Das
472 Vgl. Ez 1,4. Zur Epiphanie gehören Sturm (Nah 1,3; Sach 9,14; Ps 50,3; 134,11), Gewitter (Ps 77,18f), Wolken (Ex 19,16; Jes 18,1; 30,17; Nah 1,3; Ps 18,10–13; 77,18; 97,2) und Feuer (Jes 30,27; Ps 18,13; 50,3). 473 S. o. S.63ff. 474 V.Rad, Theologie I, 415. 475 Vgl. Keel, Entgegnung, 154.
Die Rechtfertigung JHWHs aus der Erfahrung seiner Nähe
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Chaos besitzt zwar eine gewisse Macht und wurde bei der Erschaffung der Welt keineswegs total vernichtet. JHWH regiert jedoch über Ordnung und Chaos und weist das Chaos in seine Schranken. „In der Erfahrung, dass Gott Chaos zurückdrängt, geschieht Theodizee“, schreibt Keel476. Gegenüber dem mächtigen Schöpfer muss Hiob seinen Ort als Geschöpf erkennen. Keel verdeutlicht auf dem Hintergrund des altorientalischen Bildmaterials, dass Gottes Herrschaft keineswegs als ruhig und friedlich gedacht wird, sondern über eine „vitale, widerspenstige, wild sich wehrende Welt“ ergeht. Obwohl böse und chaotische Kräfte in der Welt am Werk sind und eine gewisse Eigenständigkeit besitzen, bleibt JHWH der überlegene Schöpfer und Lenker, der auch das Böse in Zaum hält. Damit wendet er sich zugleich gegen den Vorwurf in 9,24, dass die Welt in der Hand eines Verbrechers sei und JHWH ein Sadist sei. Das Böse hat eine gewisse, relative Eigenmächtigkeit. JHWH ist jedoch kein willkürlicher Potentat oder menschenfeindlicher Dämon. Während bei Dtjes JHWHs Handeln in der Schöpfung eng mit seinem Handeln in der Geschichte verknüpft ist477, fehlt dieser Aspekt im Hiobbuch.
4. Die Rechtfertigung JHWHs aus der persönlichen Erfahrung seiner Nähe Hiob hatte in 19,25–27 eine persönliche Begegnung mit JHWH gefordert. Jetzt erscheint ihm JHWH und redet ihn persönlich an. So bekennt er: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche.“ (42,5f) JHWH gibt sich Hiob von Person zu Person zu erkennen. Man darf allerdings nicht Rupprecht478 folgen, der meint, dass der Inhalt dieser Antwort nicht wichtig sei. Beides ist wichtig: die Tatsache, dass JHWH Hiob antwortet, und die Aussagen über die Vielfalt und Ordnung der Schöpfung. Kubina479 ist zuzustimmen, wenn sie konstatiert, dass der
76 127ff. 4 477 S. o. S.62ff. 478 Nilpferd, 231. 479 Gottesreden, 149f.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
Autor dem Zweifel Hiobs mit seinem „JHWH spricht“ begegnet: „ Gott ist der Nahe, auch wenn die Wirklichkeit das Gegenteil zu demonstrieren scheint. … Der Sinn der Rede liegt nicht nur in ihrem ‚Dass‘ sondern auch im ‚Wie‘. In ihr legt Gott sich selbst in einer Weise aus, die es Hiob ermöglicht, ihn als Jahve wiederzuerkennen. Dies kann nur geschehen in der Konvergenz von Kontinuität und Diskontinuität.“ JHWH ist unbegreiflich und verborgen, doch zugleich wohlwollend und weise. Der allmächtige und transzendente Gott kommt dem Zweifler nahe. Darin wird seine Güte und Freundlichkeit sichtbar. So gelangt Hiob schließlich zum Lobpreis Gottes und tut den Schritt „vom dogmatisch gelehrten Gott zum existentiell erfahrenen Gott“480. Preuß folgert: „Jahwe selbst ist die Antwort.“481 Utzschneider482 deutet das Geschehen so: „Gott hat ihn an der Schau der Geschöpfe und der Welt teilhaben lassen. Er hat erfahren, wie Gott seine Schöpfung und seine Geschöpfe betrachtet.“ Hier geht es jedoch darüber hinaus um die persönliche Begegnung mit dem lebendigen Gott, die Antwort auf die in der Theodizeefrage enthaltenen Zweifel gibt und somit JHWH rechtfertigt. Meyer zum Felde483 nimmt den Begriff des „persönlichen Gottes“484 auf und beschreibt „Hiobs Weg zu seinem persönlichen Gott“, der in 42,1–6 seinen Höhepunkt und Abschluss findet. Der Abschnitt beinhaltet Hiobs „Vertrauensbekenntnis zu seinem persönlichen Gott“485 ähnlich wie die Psalmen.486 „Da er … in seiner Gottesschau JHWHs wahres Wesen und nicht mehr dessen Fremdheit (Hi 3; 19,27) gesehen hat, ist er getröstet (Hi 42,5). Aufgrund seiner (wiederhergestellten) Gottesbeziehung und seines Gottvertrauens kann er zuversichtlich in die Zukunft blicken.“487
80 L. Hoffmann nach Kutsch, Hiob, 307. 4 481 Preuß, Jahwes Antwort, 342f. 482 Auge, 335. 483 Weg, 19ff. 484 S.o.S. 36f. 485 Hiobs Weg, 237. 486 S. u. S.143ff. 487 Meyer zum Felde, Weg, 238.
Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Freiheit
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5. Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner unbegreiflichen Freiheit und Überlegenheit sowie des unendlichen Abstandes zwischen Gott und Mensch JHWH weist Hiob in seine Schranken, indem er in der ersten Gottesrede die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens beschreibt: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir es, wenn du so klug bist?“ (38,4; vgl. 8.16.19) Hiob reagiert darauf, indem er sich JHWH unterwirft: „Siehe, ich bin zu gering, was soll ich dir antworten? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen.“ (40,4) Er erkennt also die Überlegenheit Gottes an. Die zweiten Gottesrede beginnt in 40,2 mit einer ähnlichen Zurechtweisung: „Wer da meint, alles besser zu wissen, sollte der mit dem Allmächtigen rechten? Wer Gott zurechtweist, der antworte!“ Nun kommt Hiob in 40,4f zu der Einsicht, dass sein Erkenntnisvermögen begrenzt ist und er JHWH nichts vorschreiben kann: „Siehe, ich bin zu gering, was soll ich dir antworten? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen. Einmal habe ich geredet und will nicht mehr antworten, ein zweites Mal geredet und will es nicht wieder tun.“ Ähnlich bekennt Hiob in 42,2–4: „Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand? Darum habe ich ohne Einsicht geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. So höre nun, lass mich reden! Ich will dich fragen, lehre mich!“ Crüsemann beobachtet richtig: „Dieser Gott ist weder der letztlich doch gerechte und gute, noch der dämonisch verfolgende Feind; was hervortritt, ist nur die unendliche Distanz.“488 Diesen Gott hat Hiob gesehen, deshalb will er nicht weiterreden, weil ihm die Dinge zu wunderbar sind. Hiob unterwirft sich demütig, obwohl er die Welt nicht versteht. Vorher hatte er den Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf geleugnet, sich mit Gott auf eine Stufe gestellt. Jetzt wird ihm der Abstand bewusst, Geschöpf zu sein. „Entscheidend ist nunmehr die zurückgewonnene Beziehung Hiobs zu seinem Schöpfer, von der aus er seine vormaligen Klagen als leidender Gerechter hinter sich lassen kann. Auch die Freunde betonen
488 Crüsemann, Hiob, 382.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
die Unnahbarkeit JHWHs.489 Der Mensch muss vor dem lebendigen Gott in Person verstummen. Hiob erkennt, dass Gott und Mensch unendlich voneinander unterschieden sind, und Gott seine Entscheidungen in Freiheit und Überlegenheit fällt: „Willst du mein Urteil zunichtemachen und mich schuldig sprechen, dass du recht behältst? Hast du einen Arm, wie Gott, und kannst du mit gleicher Stimme donnern wie er?“ (41,8f) Hiob unterwirft sich und findet dadurch seinen Platz als Geschöpf. Er begreift, dass weder die Welt noch JHWH nach ihrem Wozu und Warum zu befragen sind (vgl. 38,4.22ff; 40,2). Der Mensch muss verstummen vor der Größe und Allmacht JHWHs, die er jedoch nicht willkürlich einsetzt, sondern wohlwollend und seinen Geschöpfen zugewandt ausübt. Der Mensch ist abhängig von Gott wie der Ton vom Töpfer(10,9; vgl. Koh 9,1; Dtjes 45,9–13). Kutsch folgert: „Das Problem wird dadurch ,gelöst‘, dass Hiob sich unterwirft; die Erscheinung Gottes und die Erkenntnis seiner Allmächtigkeit und Allwissenheit lässt ihn das Fragen und Hadern aufgeben.“490 Der Mensch muss Gottes Freiheit und Überlegenheit anerkennen und seinen Platz als Geschöpf finden. Im Lobpreis des oft rätselhaften, aber doch guten und gerechten Gottes löst sich letztlich die Theodizeefrage. Kubina491 beobachtet richtig, dass der Autor der Gottesreden Dtjes nahesteht, z.B. in dem Aufweis der Verborgenheit JHWHs in 45,15.492 Eichrodt fasst seine Überlegungen folgendermaßen zusammen: „Die so stark betonte Freiheit des Schöpfers ist keine grausame Willkür, kein launisches Spiel, das den Menschen nur ins Gefühl seines Nichts schleudert, sondern schließt eine geheimnisvolle innere Verbundenheit des Schöpfers mit seinem Geschöpf in sich, kraft dessen sich der Mensch von seinem Walten, auch wo er es nicht versteht, im Innersten angesprochen und ergriffen fühlt.“ Eichrodt lehnt eine auf Vernunft gegründete Theodizee ab, die Gott „zum Objekt des Erkennens macht“, und verweist auf die Offenbarung JHWHs als einzig legitime Antwort. Denn die „Überwindung der
489 Vgl. 5,9–18; 7,12.18.20; 9,4–13; 10,8–12; 11,7–11; 12,7–10.11.25; 22,12; 25,1–6. 490 Kutsch, Grund, 341. 491 Gottesreden, 148. 492 S. o. S.123f.
Die Rechtfertigung JHWHs durch den Aufweis seiner Freiheit
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Rätselfrage des Leidens kann nur aus der Kategorie der Offenbarung heraus geschehen … nicht aus dem rationalen menschlichen Denken.“ Der Glaube „stellt unmittelbar vor den wunderbaren und geheimnisvollen Gott, zu dessen verborgenen Abgründen auch das Leiden gehört“.493 Freuling494 kommt zu dem Ergebnis, dass die Gottesreden keine „Lösung“ des zuvor aufgeworfenen Problems des Tun-Ergehen-Zusammenhangs bringen. „Stattdessen begegnet Gott selbst Hiob und lässt ihn … sich neu vor Gott als seinem Schöpfer einfinden.“495 Dadurch stellt er die Gemeinschaft Hiobs mit seinem Schöpfer wieder her, zieht aber eine absolute Grenze zwischen ihm und Hiob. Die persönliche Begegnung mit Gott und die Erfahrung des unendlichen Abstands zwischen Schöpfer und Geschöpf beinhaltet eine „Lösung“ der Theodizeefrage, die jedoch nicht durch die Vernunft begründet wird. „Gott steht als Schöpfer jenseits menschlicher Erkenntnismöglichkeit; als souveräner Schöpfer lässt er sich nicht mit der Realität und ihren Widersprüchen verrechnen und setzt menschlichem Erkennen eine Grenze.“496 Van Oorschot497 folgert: „Und so endet sein Werk damit, dass Gott selbst seine Freiheit und Unverfügbarkeit verteidigt, indem er den Menschen in die geschöpflichen Schranken zurückweist und ihn auffordert, sich neu auf Gottes Gottsein und des Menschen Menschsein zu besinnen.“ Der Tun-Ergehen-Zusammenhang funktioniert nicht immer. „Indem Gott erscheint und Hiob zurechtweist und belehrt, entzieht er ihm und den Freunden ihr Bild von Gott. Erst dadurch wird Hiob befreit zur Begegnung mit Gott und Annahme seines Schicksals. Die Fragen nach dem ‚Warum‘ und ‚Wozu‘ des Leidens können offenbleiben, denn sie haben ihre verletzende Schärfe verloren.“498 Es gilt, „Gottes Verborgenheit zu erkennen, weil dem Menschen als geschöpflichem, endlichem Wesen Gottes Weisheit, Macht und Gerechtigkeit durch den Verstand letztlich nicht begreifbar sind.“499
93 Eichrodt, Vorsehungsglaube, 66f. 4 494 Grube, 229. 495 Freuling, Grube, 230. 496 Freuling, Grube, 230. 497 Gott, 200. 498 Gott, 203. 499 Gott, 205f.
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Das Hiobbuch als individuelle Theodizee
Feldmeier500 folgert aus seiner Interpretation von 9,22; 42,7f: „Nicht eine objektive Erklärung der Welt und des Bösen kann … deutlich das Problem des Leidens und des Bösen in der Welt lösen. Nur von Gott selbst kann die Problematisierung seiner Güte und Gerechtigkeit überwunden werden, indem er diese Ambivalenz eines geglaubten gütigen und eines als feindlich erfahrenen Gottes überwindet und seiner guten Nähe gewiss macht.“
500 Überlegungen, 29f.
F. Das Theodizeemotiv in den Psalmen sowie bei Kohelet Die Theodizeefrage spielt auch in den Psalmen eine wichtige Rolle. In vielen Psalmen finden sich Zweifel an JHWHs Macht, Güte und Weisheit. Die Betenden bewältigen diese Zweifel mit dem Bekenntnis zu JHWH als dem einen Gott, Schöpfer und Herrn. Der Monotheismus wird trotz Ps 82,1 und 89,6–8501 prinzipiell vorausgesetzt, wie De Vos richtig beobachtet: „Bei den Anreden geht es immer nur um den einen Gott. Die Gegenüberstellung von JHWH und anderen Göttern … fehlt in den Klagen des Einzelnen.“502
1. Der Zweifel an JHWHs Macht, Güte und Weisheit Eine Reihe von individuellen Klagepsalmen können als „Gebete an den persönlichen Gott“ kategorisiert werden.503 In ihnen wird JHWH als ’ēlī „mein Gott“ (18,3; 22,2.11; 63,2) bzw. ’älōhaj (3,8; 7,2.4; 13,4; 18,7.22.29f; 31,15; 43,4; 59,2.4.11; 71,4.12.22; 86,2.12; 91,2; 140,7) angerufen.504 Mit der Formel ’ēlī’āttā „du bist mein Gott“ (22,11; 31,15; 63,2; 86,2; 140,7) bekennt sich der Beter ausdrücklich zu JHWH als seinem persönlichen Gott. Mit den „Feinden“ sind wahrscheinlich ursprünglich Zauberer und Dämonen gemeint, die das Leben des Betenden in Gestalt von Krankheiten bedrohen. Von JHWH als seinem persönlichen Gott erhofft er sich Leben und Kraft, Schutz vor feindlichen Mächten und Rettung aus Gefahren. In einigen individuellen Klagepsalmen beklagt der Beter, dass Gott ihn verlassen, verstoßen oder vergessen hat, dass er schweigt und ihm keine 01 S. o. S.27. 5 502 Klage, 208. 503 S. dazu Vorländer, Gott, 245ff. 504 Weitere Anreden sind ’adōnī „mein Herr“ (16,2; 86,3.5.9.12.15), rō‘ī „mein Hirte“ (23,1), ’älōhē jiš‘ī „Gott meines Heils“ (18,47; 27,9) sowie ’ēl ḥajjaj „Gott meines Lebens“(42,9), ḥiȝqī „meine Stärke“ (18,2; 28,7; 59,10.18), ṣurī bzw sal‘i „mein Fels“ (18,3.32.47; 28,3; 31,3f; 42,10; 62,3.7.f; 71,3), m ͤ ṣūdatī „meine Burg“ (18,3; 59,10.18; 62,3.7.; 71,3; 91,2), māginī „mein Schild“ (18,3), m ͤ palṭī „mein Retter“ (18,3).
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Das Theodizeeproblem in den Psalmen sowie bei Kohelet
Hilfe zuteil werden lässt (vgl. 6,3f; 10,1; 13,1; 22,2f; 35,22; 38,18; 42,4; 43,3; 88,16). Am bekanntesten ist wohl der 22. Psalm, den Jesus nach dem Bericht des Matthäus- und Markusevangeliums am Kreuz gebetet hat: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“505 In diesen Psalmen ist die Gegenwart des Klagenden „bedroht von Angst, Bedrängnis, Mangel an lebensnotwendigen Dingen, und bedroht durch Finsternis, Wasser, Wind, Gefangenschaft, Einsamkeit sowie vorzeitiges Sterben“506. Er erfährt diese Not als Folge der Abwesenheit seines Gottes. Er stellt mit der „Warum-Frage“ zugleich die Theodizeefrage und klagt Gott sein Leid. „Aus dieser Erfahrung der Gottesferne heraus beruft sich der Betroffene beharrlich auf seine Beziehung zu Gott und appelliert auf diese Weise an Gottes Verantwortlichkeit für ihn.“507 Er erhofft sich „von Gottes Nähe Schutz und Sicherheit, Hilfe und Rettung, Erneuerung und Erhaltung seines zerrütteten Lebens“508. Trotz seiner desolaten Situation hält er an Gott fest und klagt ihm sein Leid. „Mit seiner beharrlichen Klage ringt der Mensch um die erneute Zuwendung Gottes, damit er zum Loben und so zum Leben zurückfindet.“509 Mit den individuellen Klagepsalmen sind die sog. Konfessionen Jeremias510 verwandt. In ihnen spielt das Theodizeemotiv eine Rolle, wenn der Prophet beklagt, dass Gott ihm vorkommt wie „ein trügerischer Born, der nicht verlässlich Wasser gibt“ (Jer 15,18). Er vergleicht sich mit einem unschuldigen Mädchen, das vergewaltigt wurde (Jer 20,7) und verflucht sogar den Tag seiner Geburt (Jer 20,14). Insbesondere in der Vergewaltigung durch Gott sieht er die „größte persönliche Beleidigung“511. Zugleich rechtfertigt er Gott: „JHWH, wenn ich auch mit dir rechten wollte, so behältst du doch recht (ṣaddīq’attā); dennoch muss ich vom Recht (mišpāṭīm) mit dir reden“ (Jer 12,1). Auch die sog. Gottesknechtslieder in Dtjes 42,1–4; 49,1–6; 50,4–9; 52,13 – 53,12 sind mit den individuellen Klageliedern 05 S. dazu 0. S. 39f. 5 506 De Vos, Klage, 225. 507 A.a.O., 226. 508 Ebd. 509 De Vos, Klage, 228. 510 Jer 11,18–23; 12,1–6; 15,10–21, 17,14–18; 18,18–23; 20,7–18. 511 Vgl. Crenshaw, Theodicy, 246: „No greater personal affront can be imagined than rape.“
Die Bewältigung des Theodizeeproblems in den Psalmen
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verwandt. Green512 sieht in ihnen Elemente einer erzieherischen, gemeinschaftlichen und eschatologischen Theodizee. In den kollektiven Klagepsalmen beklagt das Volk die Abwesenheit seines Gottes. Die Beterinnen und Beter haben das Gefühl, dass JHWH schläft bzw. schweigt, sein Angesicht vor ihnen verbirgt, sie vergessen und verstoßen hat (vgl. 44,24; 74,1; 83,2). Sie appellieren an Gottes Ehre, indem sie auf die Heiden verweisen, die sagen: Wo ist nun ihr Gott? (79,10; 115,2) Denn von der Notsituation des Volkes könnten andere auf die Schwäche JHWHs schließen.
2. Die Bewältigung des Theodizeeproblems in den Psalmen – Die Betenden bewältigen das Theodizeeproblem, indem sie sich zu JHWH als ihrem persönlichen Gott bekennen513: „Ich preise dich, JHWH; denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde sich nicht über mich freuen. JHWH, mein Gott, da ich schrie ich zu dir, machtest du mich gesund.“ (30,2f; vgl. 13,6; 23,1ff; 63,2f) Seit seiner Geburt verlässt sich der Einzelne auf JHWH als seinen persönlichen Gott (vgl. 71,5f). Er preist seinen Gott, weil er „barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“ ist (86,13; vgl. 91,1f). Er bekennt: „Du bist mein Gott, den ich suche. … Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich.“ (63,2.9) – Die Betenden bekennen sich zu JHWH als gerechtem und helfendem Gott. Sie appellieren an seine Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) und erbitten seine Hilfe: „Erhöre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit (’älōhē ṣidqī)!“ (4,2) Sie vertrauen darauf, dass JHWH die Seinen nicht im Stich lässt (11,7). „JHWH ist gerecht (ṣaddīq) in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken. JHWH ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen.“ (145,17f) – Die Betenden rechtfertigen JHWH als den einen Gott, dessen Macht, Güte und Weisheit aus seinem Wirken in Schöpfung und Geschichte ersichtlich ist (vgl. 22,29–32). Sie vertrauen auf seine Macht, die er im Kampf gegen Leviathan unter Beweis gestellt hat (vgl. 74,13f). 12 Theodicy, 435. 5 513 Vgl. Meyer zum Felde, Hiobs Weg, 102ff.
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Das Theodizeeproblem in den Psalmen sowie bei Kohelet
– Die Betenden bekennen sich zu JHWH als ihrem nahen Gott. Er hat sich eine Zeitlang von ihnen abgewandt. Doch vertrauen sie darauf, dass er ihnen künftig hilfreich zur Seite steht: „JHWH ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten?“ (27,1) Sie vertrauen darauf, dass sie in allen Lebenssituationen von Gott umgeben sind, und er seine Hand über sie hält (vgl. 139,5). – Im 73. Psalm beschwert sich der Beter über das Treiben der Gottlosen, die mit der Wirklichkeit Gottes nicht rechnen und dennoch ein fröhliches und gesundes Dasein führen (V. 3–12). Demgegenüber beklagt er seine eigene unglückliche Existenz (V.13f). Er hatte erwogen, sich wegen seiner Zweifel an Gottes Güte und Gerechtigkeit ganz auf die Seite der Gottlosen zu schlagen. Jetzt erwartet er keine sichtbaren Zeichen von Gottes Gerechtigkeit mehr, sondern „weiß sich mitten in allen sichtbaren, das Vertrauen anfechtenden,Ungerechtigkeiten‘ von seinem Gott geführt“514. Er bekennt sich zu JHWH als seinem nahen Gott unabhängig von seiner physischen Existenz: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ (73,23–25) Kraus515 meint dazu: „Daher bedarf der Glaubende keiner Theodizee und keiner ideologischen Theologie der Geschichte, die darauf hinausläuft, den Glauben überflüssig zu machen und mit Gott in einen Leistungswettbewerb zu treten.“ Allerdings wird ein Glaubender immer wieder die Theodizeefrage stellen, um sich seines Glaubens zu vergewissern. „Gott selbst ist einerseits der ferne und andererseits der nahe. Doch ob er für uns der eine oder der andere ist, hängt allein von unserem Glauben oder Unglauben, von unserem Gottvertrauen und unserer Verzweiflung angesichts der Übel und des Bösen in der Welt ab.“516
14 Kraus, Psalmen, 509. 5 515 Kaiser, Glaube, 96. 516 Kaiser, Glaube, 96f.
Die Bewältigung des Theodizeeproblems in den Psalmen
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– Häufig blicken die Betenden zurück auf JHWHs früheres heilvolles Handeln in der Geschichte seines Volkes. Sie sehen darin den Beweis für JHWHs Macht, Güte und Weisheit. Diese soll er jetzt wieder unter Beweis stellen. „Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.“ (22,5f; vgl. 44,2ff; 74,2; 80,4) Nach 81,10 sollen daran die Israeliten auch erkennen, dass sie nur JHWH als ihren einzigen Gott verehren dürfen. – Die Betenden preisen JHWHs Gerechtigkeit, die in seinem Wesen begründet ist (71,2; 143,112). Deshalb preisen die Beter Gottes Gerechtigkeit (7,18; 48,11f; 65,6; 97,6). Seine universale Herrschaft ist bestimmt von Recht und Gerechtigkeit (33,5; 36,7; 97,2). Ähnlich wie in Dtjes 45,8; 46,13; 51,5 stehen in 98,2f Gerechtigkeit und Heil in Parallele: „JHWH lässt sein Heil verkündigen, vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) offenbar. Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ Zwischen der Rechtfertigung JHWHs in den Psalmen und bei Dtjes gibt es demnach Parallelen. In beiden Büchern erfolgt die Rechtfertigung durch das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen universalen Gott, sowie als dem persönlichen Gott. Er hat seine Macht, Güte und Weisheit in Schöpfung und Geschichte bekundet. Die Beter preisen JHWH als ihnen unendlich überlegenen und doch nahen Gott. Lindström517 kommt in seiner Studie zur Theodizeefrage in den Psalmen zu dem Ergebnis, dass sich der JHWH der Psalmen nicht mit den traditionellen philosophischen Kategorien wie Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart beschreiben lässt. Letztlich liegt die Lösung der Theodizeefrage in der persönlichen existenziellen Erfahrung Gottes durch das Individuum und die Gemeinschaft. Korpel/de Moor518 betonen, dass weder Hiob noch die meisten Psalmisten angesichts des Schweigens Gottes resignieren, sondern auf Gottes Antwort hoffen. Buntfuß519 verweist auf die Klage in der Bibel
17 Theodicy, 256ff. 5 518 God, 274ff. 519 Theodizee, 1179.
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Das Theodizeeproblem in den Psalmen sowie bei Kohelet
als Möglichkeit, „das Leiden zu artikulieren, es in solidarischer Praxis mit den Leidenden zu ertragen und es im Rahmen endlicher Freiheit zu lindern“.
3. Die Theodizeefrage bei Kohelet Kohelet hebt den unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch hervor. Der Mensch kann sich nicht anmaßen, Gott zu verstehen und sein Handeln zu beurteilen: „Sei nicht schnell mit deinem Mund und lass dein Herz nicht eilen, etwas zu reden vor Gott; denn Gott ist im Himmel und du auf Erden; darum lass deiner Worte wenig sein!“ (5,1) Weiterhin beklagt er das Nichtfunktionieren des herkömmlichen Tun-Ergehen-Zusammenhangs: „Es ist eitel, was auf Erden geschieht: Es gibt Gerechte, denen geht es, als hätten sie Werke der Gottlosen getan, und es gibt Gottlose, denen geht es, als hätten sie Werke der Gerechten getan. Ich sprach: Das ist auch eitel.“ (8,14) Er beklagt, dass alle das gleiche Schicksal erleiden. Die Welt ist zwar unergründbar, aber doch von Gott sinnvoll geordnet. Er betont die höhere Rationalität von JHWHs Handlungen, vor der der Mensch im Angesicht der Größe Gottes nur verstummen kann. Loader520 kommt zu dem Ergebnis: „Die Theodizee ist bei Kohelet weder gescheitert noch aufgegeben – Kohelet hat sie nicht einmal versucht.“ Anders argumentiert Witte521: „Das Handeln Gottes ist für den Menschen unberechenbar, Gott handelt aber nicht ungerecht. Der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes entzieht Kohelet die Berechtigung mit dem Hinweis auf die Ungerechtigkeit des Menschen (7,20). Nicht die Gerechtigkeit Gottes ist das Problem, sondern die Ungerechtigkeit des Menschen.“ Schoors522 verweist auf 3,1–9, wonach alles seine Zeit hat und Gott das Geschehen unter Kontrolle hat. Allerdings ist der Zusammenhang von Tun und Ergehen nicht immer erkennbar. Gott bleibt aber der gerechte Richter (3,17; 8,12f; 11,9), den Kohelet weder anklagt noch verteidigt. Alle Rationalität kommt an ihre Grenzen. Deshalb ist auch eine auf Vernunft gegründete Theodizee nicht möglich. Gott bleibt ein Geheimnis und kann deshalb vom Menschen letztlich nicht beeinflusst werden. „In his view, the solution of
20 Gerechtigkeit, 15. 5 521 Theodizee, 226. 522 Theodizee, 403ff.
Die Theodizeefrage bei Kohelet
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the theodicy problem is concealed in the unfathomable mystery of God. He is the maker of a problematic world, a Deus absconditus.“523 Diese Aussagen über die geheimnisvolle Größe und Verborgenheit JHWHs erinnern an Dtjes 45,9–13; 45,15; 55,8f.524
23 Schoors, Theodicy, 409. 5 524 123f.
G. Die Urgeschichte als universale Theodizee 1. Einleitung Am Anfang der Bibel steht in Gen 1 – 11 die Urgeschichte. Sie spiegelt die Erfahrungen wider, die Israel durch Jahrhunderte hindurch mit seinem Gott gemacht hat. Sie handelt nicht von Ereignissen, die man datumsmäßig fixieren kann. Vielmehr geht es um grundsätzliche Aussagen über den Menschen und sein Verhältnis zu sich selbst, zum Mitmenschen, zum Tier, zur Welt und zu Gott. Es geht um „Uraspekte menschlichen Lebens“525. Sandler526 beschreibt die Sündenfallgeschichte als „narrative Theodizee“: „In ihrer Schlüsselstellung zwischen der anfänglich konstatierten guten Schöpfung durch einen guten und allmächtigen Gott und der Feststellung einer bösen, von Gewalt überbordenden Welt in Gen 6,1 vollzieht die Sündenfallgeschichte eine narrative Theodizee.“ Im Folgenden soll der Theodizeebegriff auf die gesamte Urgeschichte ausgeweitet werden.527 Der Begriff der Gerechtigkeit kommt zwar in der Urgeschichte nicht vor. Das Theodizeemotiv bildet jedoch den Hintergrund für die Urgeschichte, insbesondere bei den Ätiologien. Israel hat seinen Gott in der Geschichte als machtvoll, gnädig und weise erfahren. Oft erschien aber die Welt chaotisch und das Leben sinnlos. Leid und Tod, Kriege und Naturkatastrophen provozierten die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Auf diese Frage will die Urgeschichte implizit eine Antwort geben in Gestalt einer narrativen, universalen Theodizee. Sie will JHWHs Gottsein als mächtig, gütig und weise beschreiben, obwohl das Negative weithin die Schöpfung bestimmt. Sie setzt das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen, universalen Herrn über Welt und Geschichte bereits voraus.
25 Werner Uraspekte. 5 526 Theodizee, 23. 527 Bereits Eichrodt (Vorsehungsglaube, 66f) behandelt Gen 1 in Verbindung mit der Theodizeefrage.
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Die Urgeschichte als universale Theodizee
2. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht Gen 1,1 – 2,4a Gen 1,1 – 2,4a enthält den priesterschriftlichen Schöpfungsbericht, der gewöhnlich in die exilisch-nachexilische Zeit datiert wird. Er wiederholt bei den einzelnen Schöpfungswerken den Satz „Und Gott sah an alles, was er geschaffen hatte, und siehe, es war sehr gut“ (V.4.11f.18.21.25). Damit soll ausgesagt werden, dass Gott alles weise geordnet und jedem Geschöpf seinen sinnvollen Platz zugewiesen hat. Implizit rechtfertigt die Priesterschrift damit JHWHs Weisheit und Güte, die sich in der Vielfalt und Ordnung der Schöpfung widerspiegeln. JHWHs Schöpfungshandeln manifestiert auch seine Macht. Er allein hat den Kosmos aus dem Chaos erschaffen und verhindert durch seine Macht, dass die Fluten wieder hereinbrechen. Israel teilte mit seinen Nachbarn das damalige Weltbild, wonach die Erde von allen Seiten von Chaoswassern umgeben ist. Allein JHWHs Macht kann das Böse zurückdrängen. In der babylonischen Mythologie wird die Erschaffung der Welt als Kampf Marduks gegen den Chaosdrachen Tiamat geschildert. Dieses Motiv findet sich auf JHWH angewandt auch im Alten Testament.528 In Gen 1 ist jedoch keine Spur von einem Kampf mehr zu finden. Die Priesterschrift betont vielmehr die Leichtigkeit und Mühelosigkeit des Schaffens JHWHs. Allein durch sein Wort hat er alles geschaffen. Auch die Drachen, die manchmal als dämonisch und gottfeindlich angesehen wurden, sind seine Geschöpfe (V.21). Damit vollzieht der priesterliche Verfasser ein Stück Entmythologisierung, wie er auch die als göttlich geltenden Gestirne zu bloßen Lichtern degradiert (V.14–16). Ziel der Schöpfung ist der Sabbat als Ruhetag (2,1–4a). Er bringt Gottes Herrschaft über Zeit und Welt zum Ausdruck. Indem der Mensch von aller Arbeit ruht, gibt er einen Teil der ihm von Gott geschenkten Zeit an den Schöpfer zurück. Damit rechtfertigt er Gott und erweist ihm die Ehre. Gen 1 ist als „hymnisches Lehrgedicht“ zu verstehen, das zum Lob des Schöpfergottes aufruft. Auch hier liegt in der Doxologie die letzte Antwort auf die Theodizeefrage. Der Verfasser will dazu auffordern, dem Schöpfergott zu vertrauen, der die Welt wunderbar geschaffen hat und gnädig
528 Vgl. Jes 27,1; Dtjes 51,9f; Ps 74,13; 89,11; 104,6–9; Hi 9,13; 26,12f.
Die jehowistische Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte
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bewahrt. Nicht Gott, sondern allein der Mensch bedroht durch sein sündhaftes Tun die Zukunft der Welt.
3. Die jehowistische Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte Gen 2,4b – 3,24 Die jehowistischen Texte werden gegenwärtig ebenfalls zumeist in die exilisch-nachexilische Zeit datiert.529 In ihnen ist die Einzigkeit JHWHs trotz der Erwähnung der „Gottessöhne“ in Gen 6,1–4 vorausgesetzt. Gen 2,4b – 3,24 schildert die Erschaffung der Welt und den sog. Sündenfall. Gen 2 hat dabei keine selbständige Bedeutung, sondern bereitet sozusagen die Bühne für das in Gen 3 berichtete Ereignis der Verfehlung des ersten Menschenpaares. Der Garten ist ein Symbol für die von Gott gut geschaffene Erde. Allerdings sind dem Menschen von vornherein Grenzen gesetzt: Er darf von den beiden Bäumen in der Mitte des Gartens nicht essen. Die Allwissenheit („Erkenntnis von Gut und Böse“) und das ewige Leben bleiben allein Gott vorbehalten (2,16f). Zum Menschsein gehört wesentlich das Begrenztsein. Wenn der Mensch die ihm gesetzten Grenzen überschreitet, versündigt er sich. Sünde ist keine primär moralische, sondern eine theologische Kategorie, nämlich die Überschreitung der dem Menschen von Gott gesetzten Grenzen. JHWHs Zuwendung kommt in der Erschaffung des ersten Menschenpaares zum Ausdruck. Er hat Mitleid mit dem einsamen Adam und erschafft zunächst die Tiere als Gefährten. Als diese nicht ausreichen, schafft er ihm aus seiner Rippe bzw. Seite die Frau als Gegenüber. Wie ein liebevoller Brautführer führt er Adam seine Frau zu (2,18–24). Der Mensch ist mit dem, was er ist und hat, nicht zufrieden. Die Frau lässt sich von der Schlange verführen. Diese weckt Zweifel an JHWHs Güte. Die Schlange gilt jedoch nicht als dämonische, Gott entgegengesetzte Macht im Sinne eines Dualismus. Sie verkörpert lediglich als rätselhaftes und unheimliches Tier die von außen an den Menschen herantretende Versuchung. Sie 529 Diese Meinung habe ich bereits 1978 in meinem Buch über die Entstehungszeit des jehowistischen Geschichtswerkes vertreten, was damals im Widerspruch zu der vorherrschenden Meinung der alttestamentlichen Wissenschaft stand. Inzwischen besteht weitgehender Konsens hinsichtlich der Spätdatierung dieser Texte. S. dazu z.B. Kaiser, Glaube, 24ff.
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Die Urgeschichte als universale Theodizee
sät Misstrauen zwischen Gott und Mensch, indem sie Halbwahrheiten verkündigt und Gott böser Absichten verdächtigt. Eva lässt sich beeinflussen und probiert von der Frucht. Auch Adam isst von dem Baum. Nun ist die Harmonie zwischen Gott und Mensch, Mensch und Mitmensch zerstört. Auf die Entfremdung von Gott folgt die Entfremdung des Menschen von sich selbst und vom Mitmenschen. Adam verpetzt seine Frau (3,1–13). Zum Schluss des Kapitels werden ätiologische Erklärungen für die Disharmonie zwischen Mensch und Tier, Mann und Frau, Mensch und Arbeit gegeben: – Die Feindschaft zwischen Mensch und Tier ist eine Folge der Sünde des Menschen. Sie dauert für immer an und zeigt sich in einem unerbittlichen Kampf. Erst am Ende der Zeiten wird Harmonie zwischen Mensch und Tier herrschen (3,14f; vgl. Jes 11,6–8). – Die Frau muss unter Schmerzen ihre Aufgabe erfüllen, Kinder zu gebären. Das Negative charakterisiert also das nachparadiesische Leben. Die Frau hat ein unstillbares Verlangen nach dem Mann und findet doch keine Ruhe in der Ehe, weil der Mann sie beherrscht. Das Patriarchat ist somit keine Schöpfungsordnung, sondern eine Folge der Sünde (3,16). – Das Verhältnis des Mannes zu seiner Arbeit und zum Acker als seiner Existenzgrundlage ist fortan gestört. Der Erfolg seiner Arbeit steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Aufwand. Damit wird der Mann im Lebensnerv seines Daseins getroffen (3,17–19). Hinter diesen Ätiologien steht die Theodizeefrage: Kann JHWH noch als mächtig, gütig und weise gedacht werden angesichts von so viel Leid und Schmerz, Tod und Misserfolg in der Welt? Der Verfasser will aufzeigen, dass diese negativen Phänomene nicht dem ursprünglichen Willen Gottes entsprechen und kein Teil der ursprünglichen Schöpfung sind. Sie sind vielmehr eine Folge der Verfehlung des Menschen. Dennoch bleibt JHWH den Menschen gnädig zugewandt. Er lässt Gnade vor Recht ergehen und ermöglicht ihnen einen Neuanfang. So bekleidet er das erste Menschenpaar mit Fellen (3,21) und macht seine ursprüngliche Drohung nicht wahr, sie zu töten. Trotz der Zwiespältigkeit und Abgründigkeit der Welt und des Menschen steht Gott zu seiner Schöpfung. Der Verfasser will hervorheben, dass die Sünde mit ihren Folgen in keinem kausalen Zusammenhang mit der Schöpfung steht. Man darf Gott
Die Sintflutgeschichte Gen 6 – 9
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nicht für sie verantwortlich machen. Der Verfasser will nicht primär auf die Frage antworten, wie der Tod in die Welt gekommen und die Sünde entstanden ist. Er will vielmehr den rätselhaften Bruch zwischen Gott und Mensch beschreiben. Dennoch steht der Mensch weiterhin unter der andauernden Gnade Gottes. Die Sünde ist Schuld und Schicksal zugleich, indem der Mensch im dauernden Konflikt zwischen Freiheit und Abhängigkeit steht. Doch bleibt JHWH der allmächtige, gnädige und weise Gott, der nur Gutes für den Menschen im Sinn hat. Gen 4 schildert, wie sich die Sünde weiter ausbreitet und zum ersten Brudermord führt. Sie bedroht nach V.7 den Menschen ständig von außen, doch soll er seine ganze Kraft aufbieten, um ihr zu widerstehen. Kain schafft dies nicht und tötet seinen Bruder. Er muss dafür die Strafe erleiden, fern vom heimatlichen Acker sein Leben zu fristen. Aber Gott sorgt weiterhin für ihn und schützt ihn durch ein Zeichen. Darin demonstriert er seine Macht, Güte und Weisheit. In der zweiten Hälfte des 4. Kapitels wird die Entstehung aller wichtigen Grundberufe berichtet, die für das Leben der Menschen wichtig sind. Sie gehen auf Gestalten der Urzeit zurück und spiegeln die Weisheit des Schöpfergottes wider. Sein Segen zeigt sich in der Fortpflanzung der Geschlechter, die in Gen 5 als Genealogien dargestellt werden. Gottes Größe und Güte wird in der Vielfalt der Menschheit und dem Reichtum der Schöpfung sichtbar.
4. Die Sintflutgeschichte Gen 6 – 9 Die Sintflutgeschichte ist kunstvoll aus priesterschriftlichen und jehowistischen Quellen zusammenkomponiert. Im jehowistischen Prolog wird als Ursache für das Strafgericht angegeben, dass das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse von Jugend auf ist (6,5).530 Im Epilog erscheint dieser Satz noch einmal, um nunmehr Gottes Gnade und Nachsicht zu demonstrieren (8,21). „Der gleiche Befund, der im Prolog 530 Levin (Jahwist, 114f) rechnet in V.5b und 8,21 mit einer „Theodizee-Bearbeitung“: „6,5b behauptet, dass die Flut trotz ihres Ausmaßes mit der Gottesgerechtigkeit in Einklang gestanden habe; 8,21aß aber verheißt, dass das Problem der Gottesgerechtigkeit nicht noch einmal in solcher Weise auf die Spitze getrieben werden soll.“
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Die Urgeschichte als universale Theodizee
Gottes Strafgericht begründet, lässt im Epilog Gottes Gnade und Nachsicht offenbar werden.“531 Gott stellt sich jetzt auf die Sündhaftigkeit des Menschen ein. Während der Jehowist das Böse hauptsächlich im Inneren des Menschen lokalisiert, beschreibt die Priesterschrift es in universalen Dimensionen: „Aber die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voller Frevel.“ (6,11f) Nach der Katastrophe gibt JHWH eine Verheißung in Gen 8,21f: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ JHWH bewirkt die Beständigkeit der natürlichen Ordnungen. Das Alte Testament kennt noch nicht den modernen Naturbegriff, der die Wirklichkeit als einen nach bestimmten Gesetzen ablaufenden Prozess versteht. Die Natur wird vielmehr als Wirkungsfeld Gottes aufgefasst, in die er jederzeit eingreifen kann. Zwar wussten die Menschen bereits damals, wie sich das Geschehen in der Natur normalerweise abspielt. Sie rechneten jedoch viel intensiver als wir Heutigen mit dem Wunder, d.h. dem Außergewöhnlichen und Überraschenden. Der Ablauf eines Jahres mit dem Wechsel von Sommer und Winter, Frühjahr und Herbst, Tag und Nacht beruht nach damaliger Auffassung nicht auf einem als selbstverständlich geltenden Naturgesetz. Vielmehr steht dahinter eine wunderbare Ordnung, die Gottes Macht, Güte und Weisheit widerspiegelt. Die priesterschriftliche Sintflutgeschichte endet in Gen 9 mit einer Verheißung an die Menschheit, die mehrere Aspekte hat: V.1: Das Wort des Segens aus 1,28 wird ausdrücklich und feierlich erneuert. Es ist durch die Katastrophe der Sintflut keineswegs obsolet geworden, sondern gilt weiterhin. V.4–6: In der durch Gewalttat entarteten Welt gelten trotzdem bestimmte Ordnungen: Fleisch darf nur ohne Blut genossen werden, weil das Blut als „Seele“ Gott gehört. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen ist keineswegs verloren gegangen, sondern gilt weiterhin als Maßstab für das
531 V. Rad, 1. Buch Mose, 91.
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zwischenmenschliche Verhalten. Gott hat dem Menschen das Leben gegeben und besitzt darüber absolute Verfügungsgewalt. Keiner darf den andern töten, weil er damit eigenmächtig in Gottes Besitzrecht eingreifen würde. Allerdings gilt das Töten im Krieg oder nach einem Gerichtsverfahren im Alten Testament als legitim, da es mit der ausdrücklichen Ermächtigung durch JHWH erfolgt. V.8–12: Trotz der vorübergehenden Störung steht die Welt weiterhin unter Gottes gnädiger Lenkung. Der Regenbogen ist Zeichen für Gottes Güte und Treue. „Man versteht dieses Kapitel priesterlicher Theologie wohl erst recht, wenn man ihren ätiologischen Unterton vernimmt. Wie erklärt sich die Stabilität der Natur und ihrer Ordnungen, ja das fortgesetzte Gesegnetwerden der Menschheit trotz des Anhaltens der menschlichen Gewalttat und Verwilderung? Antwort: Hier waltet ein Wille heilsamer göttlicher Geduld; ja der Glaube weiß sogar von einer feierlichen Garantierung der durch den vorübergehenden Einbruch des Chaos gestörten kosmischen Ordnungen.“532 Die Sintflutgeschichte gibt somit Antwort auf die Theodizeefrage und zwar in dreifacher Hinsicht: – Sie bezeugt Gottes Macht und Freiheit, die von ihm geschaffene Welt wieder zu zerstören. Es reut ihn, dass er die Menschen erschaffen hat.533 Als lebendiger Gott kann er überraschend handeln, lässt sich aber auch vom Menschen und seiner Situation beeinflussen. Er bleibt ihm dennoch absolut überlegen. – Gott ist der Richter über die Sünde, er lässt jedoch Gnade vor Recht ergehen. Darin erweist er dem Menschen seine Güte und ermöglicht ihm einen Neuanfang. – Die Ordnungen der Natur spiegeln Gottes Macht, Güte und Weisheit wider. Sie bleiben dank seines Segenswortes in Kraft, obwohl der Mensch sich durch seine Sünde immer wieder gegen Gott auflehnt und Unheil bewirkt.
32 V. Rad, 1. Buch Mose, 111. 5 533 Vgl. zum Motiv der Reue Gottes 1Sam 15,11.35.
H. Das Theodizeemotiv in der Geschichtsschreibung Die Zeit während und nach dem Exil spielte für die Entstehung der alttestamentlichen Literatur eine zentrale Rolle. „Der vielfältige äußere Verlust brachte insofern einen inneren Gewinn, als die Exilszeit zu einer literarisch ungemein fruchtbaren Epoche wurde.“534 Thomas535 beobachtet für das Exil „a tremendous literary activity in which a considerable part of the Old Testament was either written or rewritten”. Auch Koch536 nimmt an, dass „während des Exils oder kurz danach ein intensives planmäßiges Bestreben eingesetzt hat, religiöse Tradition schriftlich niederzulegen“. Nyberg537 konstatiert: „Das schriftliche Alte Testament ist eine Schöpfung der jüdischen Gemeinde nach dem Exil; was dem vorausging, war sicher nur zu einem kleineren Teil schriftlich fixiert.“ Zwischen der Redaktion, Sammlung und theologischen Interpretation der geschichtlichen und prophetischen Tradition gibt es vielerlei Berührungspunkte. Offensichtlich war hier eine gemeinsame Schule am Werk. Das sieht man insbesondere daran, dass die Prophetenbücher von der deuteronomistischen Schule bearbeitet wurden. Zentrales Motiv dieser literarischen Tätigkeit ist die Theodizeefrage. „Man könnte sogar versucht sein, die theologische Geschichtserzählung des Chronisten als eine Theodizee zu bezeichnen.“538 Auch Crenshaw versteht das Deuteronomistische Geschichtswerk als eine „monumentale Theodizee“, die die Gottheit von dem Vorwurf der Schwäche JHWHs im Hinblick auf die Zerstörung Jerusalems freispricht: „Within the biblical canon the Former Prophets constitute a monumental theodicy, an almost heroic attempt to exonerate the deity for permitting the defeat of Jerusalem and the exportation of a large number of Judeans to Babylonia. In the view of the authors of the Deuteronomistic History, this core event resulted from repeated acts of disloyalty on 34 Schmidt, Einführung, 25. 5 535 Century, 45. 536 Formgeschichte, 8. 537 Studien, 8. 538 Saeboe, Chronistische Theologie, 84.
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Das Theodizeemotiv in der Geschichtsschreibung
the part of a covenanted people, not from weakness on YHWHs part. … The fault … did not lie with the deity but rested on human shoulders.“539 Nach Loader540 verteidigt der Deuteronomist die Ehre Gottes, indem er eine Theodizee „konstruiert“.
1. Das deuteronomistische Geschichtswerk Die neuere Forschung rechnet mit verschiedenen Schichten des deuteronomistischen Geschichtswerkes (Dtn – 2Kön), nämlich eines Historikers (DtrH), eines Nomisten (DtrN) und eines Prophetentums (DtrP). Unterschiedlich wird die Frage beantwortet, ob das Geschichtswerk in Palästina oder Babylonien entstanden ist. Es ist aber wohl eher an Palästina wegen seiner Vertrautheit mit den Lokalitäten zu denken. Die geschichtlichen Bücher schildern, wie JHWHs Gerechtigkeit in seinem geschichtlichen Handeln sichtbar wurde. Er ließ Israel nicht in der ägyptischen Sklaverei verkommen, sondern erbarmte sich seiner und befreite es. Er gab ihm am Sinai seine Gebote und führte es vierzig Jahre durch die Wüste. Er schenkte ihm das Land Kanaan als Lebensgrundlage. All sein geschichtliches Handeln mit Zeichen und Wundern dient zur Erkenntnis JHWHs (Ex 4,8; 16,6; Dtn 4,34; 1Kön 13,3.5; Ps 78,43; Ez 24,24) und will als „Selbsterweis Jahwes“541 verstanden werden. Der Glaube an den einen Gott JHWH liegt dem deuteronomistischen Geschichtswerk zugrunde: „So sollst du nun heute wissen und zu Herzen nehmen, dass JHWH Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und sonst keiner.“ (Dtn 4,39) Ähnlich formuliert das Grundbekenntnis des Judentums: „Höre, Israel, JHWH ist unser Gott, JHWH ist einer. Und du sollst JHWH, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (Dtn 6,4f) Dtn 6,32 betont, dass JHWH allein das Volk leitete „und kein fremder Gott war mit ihm“. Als der unvergleichliche „Gott der Götter und Herr der Herren“ (Dtn 10,17; vgl. 1Kön 8,23 u.ö.) übt er seine Macht in Weisheit und Gerechtigkeit aus.542 39 Theodicy, 236f. 5 540 Rechtfertigung, 4. 541 Rendtorff. Geschichte, 623ff. 542 Das Bekenntnis zur Einzigkeit Jahwes kommt auch in 2Sam 7,22 = 1Chron 17,20; 2Kön 5,15; Esr 9,14; Ps 18,32 vor.
Das deuteronomistische Geschichtswerk
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Die Zerstörung Jerusalems, das Aufhören der nationalen Existenz und die Verschleppung nach Babylonien mussten von den Israeliten als Symptome der Schwäche JHWHs verstanden werden. Die Geschichtsbücher wollen anhand der Schilderung der Vergangenheit seine Macht und Stärke demonstrieren. Souverän hat er die Ereignisse seit der Zeit der Erzväter bestimmt und immer wieder in die Geschichte eingegriffen. Er hat Menschen beauftragt, in seinem Namen zu handeln, insbesondere Mose, Richter, Propheten und Könige. Sie haben eindrucksvolle Taten vollbracht, die letztlich auf den ihnen von JHWH verliehenen Geist zurückgehen.543 Die Katastrophe musste den Israeliten als sinnlos erscheinen. Ein Plan Gottes war nicht mehr erkennbar. Die geschichtlichen Bücher wollen den Nachweis erbringen, dass sich die Katastrophe von 587 v.Chr. seit langem anbahnte und keinen Betriebsunfall darstellt. JHWH als der alleinige Gott hatte lange genug die Israeliten durch seine Boten gewarnt. Sie hatten ihre Zeitgenossen und insbesondere die Könige darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich in ihrem Verhalten ändern müssen, wenn sie die Katastrophe vermeiden wollen. Im deuteronomistischen Geschichtswerk wird „der Prophet … zum alleinigen Wortvermittler, nicht nur als Israel zugewandter Sprecher JHWHs, sondern auch als JHWH zugewandter Fürbitter Israels“544. Alle Ereignisse sind vorher durch ein prophetisches Wort angekündigt worden. Sowohl der Deuteronomist als auch der Chronist entwerfen in 2Kön 17,7ff und 2Chron 36,15f eine umfangreiche Rechtfertigung JHWHs. Es war nicht JHWHs, sondern Israels Schuld, dass es so kam, wie es kam. Die Väter und die Könige haben alle Warnungen immer wieder in den Wind geschlagen. Der Deuteronomist betont die Zuverlässigkeit des JHWH-Wortes. Bei seinem Abschied bekennt Josua: „Siehe, ich gehe heute dahin wie alle Welt; und ihr sollt wissen von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass nichts ist hingefallen von all den guten Worten, die JHWH, euer Gott, euch verkündet hat. Es ist alles gekommen und nichts ist dahingefallen.“ (Jos 23,14)
43 S. o. S.41f. 5 544 Roth, Art. Dtr, 549.
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Das Theodizeemotiv in der Geschichtsschreibung
Zugleich ermahnt Josua die Israeliten, die Gebote Gottes zu halten und sich nicht fremden Göttern zuzuwenden. Andernfalls provozieren sie den Zorn JHWHs und müssen damit rechnen, wieder aus dem schönen Land vertrieben oder ausgerottet zu werden (vgl. Jos 21,45; 1Kön 12,15; 15,29; 16,1ff). Somit enthält das Buch auch für seine späteren Leser einen bleibenden Ruf zur Umkehr (vgl. Ri 2,16; 1Sam 12,19; 1Kön 8,47). Israel soll auf die Stimme JHWHs hören und die fremden Götter abtun (vgl. Dtn 4,30; 30,2.8; 1Sam 7,3). Laato545 vermutet, dass der tragische Tod des gerechten Königs Josia in der Schlacht bei Megiddo 609 v.Chr. die im deuteronomistischen Geschichtswerk verarbeitete Theodizeefrage auslöste und den Hintergrund für den leidenden Gottesknecht in Dtjes 53 bildet. Ich halte es allerdings für wahrscheinlicher, dass die Theodizeefrage erst nach 587 v.Chr. durch die Wegführung ins Exil virulent wurde. Die Katastrophe musste in den Augen der Israeliten als Beweis für die Abwendung JHWHs von seinem Volk erscheinen. Offenkundig hatte er seine Liebe von ihnen zurückgezogen und sie stattdessen seinen Zorn spüren lassen. Die Geschichtsbücher stellen klar, dass das Exil ein gerechtes Gericht JHWHs war: „Das deuteronomistische Geschichtswerk interpretiert die Exilskatastrophe im Sinne eines Freispruchs Gottes (Perlitt), indem sie Reaktion Gottes auf die Schuld des Volkes ist. … Diese Form der Theodizee … scheint für das nachexilische Israel von hoher Plausibilität gewesen zu sein. … Anders als in vorexilischer Zeit wird nach dem Exil die Wahrung der Weltordnung exklusiver an JHWHs ‚Gerechtigkeit‘ (şǽdæq/ş d ͤ āqā) gebunden.“546 Die Geschichtsbücher erbringen zudem den Nachweis von JHWHs Güte und Zuwendung: JHWH hat Israel von Anfang an seine Liebe zugewandt. Er hat dem Volk das Land gegeben, indem er die Feinde vor ihm vertrieb. Er hat sie durch die Richter beschützt, ihnen schließlich das Königtum gewährt. Doch das Volk hatte nichts Besseres zu tun, als immer wieder von JHWH abzufallen. Die deuteronomistische Theologie betont auch die persönliche Zuwendung JHWHs: „Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns JHWH, unser Gott, sooft wir ihn anrufen?“
45 Theodizee, 216f. 5 546 Köhlmoos, Theodizee, 216f.
Das deuteronomistische Geschichtswerk
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(Dtn 4,7) JHWH sorgt wie ein Vater für alle persönlichen Belange der Israeliten bis hinein in den Mehltrog. Er hält Krankheiten von ihnen fern und spendet den Regen (Dtn 7,12ff; 28,1ff). „Bei der Ausgestaltung der synchronistischen Königschronik zu einer Geschichtserzählung standen die Deuteronomisten vor der Aufgabe, ihrem in alle Welt zerstreuten und an der Gerechtigkeit ihres Gottes zweifelnden Volk zu zeigen, dass sein Schicksal selbstverschuldet war und die Erfüllung seiner Sehnsucht nach Wiederherstellung seines untergangenen Reiches allein auf seinem Gehorsam gegen die Gebote und der Barmherzigkeit seines Gottes beruhte. Mithin mussten sie in ihrer Darstellung den Nachweis führen, dass sein Glück und sein Unglück in erster Linie von dem Einhalten des Ersten und Zweiten Gebotes des Dekalogs abhängen.“547 In die Berichte sind Doxologien eingestreut, wie z.B. das Lied des Mose: „Denn ich will den Namen JHWHs preisen. Gebt unserm Gott allein die Ehre! Er ist der Fels. Seine Werke sind vollkommen, denn alle seine Wege sind recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht (ṣāddīq) und wahrhaftig ist er.“ (Dtn 32,3f)548 Von Rad bezeichnet deshalb das deuteronomistische Geschichtswerk als „eine große aus dem Kultischen ins Literarische transponierte Gerichtsdoxologie“549. Kaiser beobachtet zu Recht Unterschiede zwischen den Redaktoren des deuteronomistischen Geschichtswerkes: „Während DtrG/H mit relativ einfachen Mitteln den Zusammenhang zwischen der Befolgung oder Nichtbefolgung des deuteronomistischen Hauptgebotes der ausschließlichen JHWH-Verehrung an dem von ihm erwählten Ort und dem Aufstieg oder Niedergang des Königtums herausarbeitete, entlastete DtrP JHWH, indem er mittels der von ihm ausgedeuteten Prophetenüberlieferungen zeigt, dass den Königen und dem Volk die gottgesandten Mahner nicht gefehlt, sich ihr Wort zum Guten wie zum Bösen bewährt hat. Dabei trat durch die Betonung des sicheren Zusammenhangs zwischen Weissagung und Erfüllung zugleich der Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen stärker in den Vordergrund.“550
47 Kaiser, Glaube, 87. 5 548 Vgl. auch den Lobgesang der Hanna in 1Sam 2 und das Danklied Davids in 2Sam 22. 549 Theologie I, 340. 550 Kaiser, Einleitung (5.Aufl.), 171.
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Das Theodizeemotiv in der Geschichtsschreibung
2. Chronist und Esra-Nehemia Das chronistische Geschichtswerk beschreibt die Geschichte Israels im Wesentlichen ähnlich wie der Deuteronomist, wobei der Schwerpunkt auf Juda, Jerusalem, Tempel und Kult, sowie der davidischen Dynastie liegt. Es ist in mehreren Redaktionsstufen wohl um 400 v.Chr. entstanden. Das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Gott ist vorausgesetzt. Er wird in 2Chron 2,11 als „Gott Israels, der Himmel und Erde gemacht hat“, gepriesen. Der Chronist betont, dass die Katastrophe des Exils sich nicht wegen der Schwäche JHWHs ereignete, sondern wegen des Abfalls des Volkes von JHWH. Mit der Wegführung nach Babylon erfüllte sich „das Wort JHWHs durch den Mund Jeremias, bis das Land an seinen Sabbaten genug hätte. Denn die ganze Zeit, da es wüst lag, hatte es Sabbat, bis siebzig Jahre voll wurden.“ (2Chron 36,21) In der Begründung für das Exil unterscheidet sich nach Japhet551 der Deuteronomist vom Chronisten. In den Königsbüchern wird das Anwachsen der Schuld seit König Manasses Abfall vom JHWH-Glauben (vgl. 2Kön 21,11–15 u.ö.) als Grund für die Katastrophe angegeben. Der Chronist berichtet im Unterschied zum Deuteronomisten von einer Bekehrung des Manasse in 2Chron 33,11ff und schiebt die Schuld auf das Verhalten der letzten Könige Judas, insbesondere Zedekias (vgl. 2Chron 36,12f). Die Bücher Esra und Nehemia sind zwar mit dem chronistischen Geschichtswerk verwandt552, stammen aber wohl von verschiedenen Autoren. Für beide steht Gottes Gerechtigkeit im Mittelpunkt (vgl. Neh 9,8; 2Chron 12,6). Umstritten ist die Datierung der beiden Geschichtswerke. Der Monotheismus wird in diesen Schriften vorausgesetzt: JHWH wird im Kyrosedikt „Gott des Himmels“ genannt.553 Er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde (2Chron 2,11) und lenkt die Weltgeschichte. Im Bußgebet bekennt das Volk: „JHWH, du bist es allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit ihrem ganzen Heer, die Erde, und alles, was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist; du machst alles lebendig,
51 Theodicy, 464. 5 552 Vgl. den ähnlich lautenden Bericht über das sog. Kyrosedikt in Esr 1,1ff und 2Chron 36,22f. 553 Vgl. Esr 1,2; 5,11f; 6,9f; 7,12; 21,23; Neh 1,4f; 2,4.20.
Chronist und Esra-Nehemia
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und das himmlische Heer betet dich an. Du hast dein Wort gehalten; denn du bist gerecht (şaddīq ’āttā).“ (Neh 9,6.8) Ähnlich wie in Dtjes 44,28 benutzt JHWH die Perserkönige als Werkzeuge zur Durchsetzung seines Geschichtsplanes, indem sie die Gola heimkehren und Jerusalem und den Tempel wieder aufbauen helfen (vgl. Esr 9,9). In seinem Bußgebet betont Esra das gerechte Handeln und die Barmherzigkeit JHWHs: „JHWH, Gott Israels, du bist gerecht! Denn wir sind übrig geblieben als Errettete, wie es heute ist. Siehe, hier sind wir vor dir in unserer Schuld; denn darum kann niemand bestehen vor dir.“ (Esr 9,15) Die Gola verdankt ihr Überleben angesichts der Gottlosigkeit ihrer Vorfahren allein der „großen Barmherzigkeit“ (raḥ ͣ mīm rabbīm) ihres Gottes (V.27; vgl. V.31.33).554
554 S. dazu Japhet, Theodicy, 436. Vgl. 2Kön 24,2; Dan 9,7.14.
I. Das Theodizeemotiv in den prophetischen Büchern Wie wir gesehen haben555, rechtfertigt Dtjes JHWH, indem er auf die Wirksamkeit des Prophetenwortes verweist. In ihm wird seine Macht, Güte und Weisheit sichtbar. Die sich im Exil entwickelnde umfangreiche literarische Aktivität lässt sich hauptsächlich von dem Motiv leiten, JHWHs Gemeinschaftstreue und souveräne Machtausübung anhand seiner geschichtlichen Taten aufzuzeigen. „Die offensichtliche Hauptaufgabe der Propheten war es, eine Theodizee als Antwort auf die verheerenden Ereignisse bereitzustellen, unter denen Israel unter den Assyrern oder Babyloniern litt.“556 Kaiser557 stellt fest, „dass das alttestamentliche Prophetenbuch als Gattung das Ergebnis des Versuches ist, die durch die Katastrophe von (722 und) 587 und das Exil ausgelöste Glaubenskrise zu überwinden“. Die prophetische Literatur steht in enger Beziehung zu den Geschichtsbüchern. Auch hinter der Verschriftung der Worte der Propheten steht kein primär archivarisches, sondern ein theologisches Interesse. JHWHs Macht, Güte und Weisheit standen auf Grund der Ereignisse des Exils in Zweifel. Die Prophetenbücher wollen JHWH rechtfertigen, indem sie aufweisen, dass nicht JHWH sondern Israel an der Katastrophe schuld war. JHWH hatte das Volk vielmehr rechtzeitig gewarnt, „denn er tut nichts, er offenbare denn seinen Ratschluss den Propheten, seinen Knechten“ (Am 3,7). Israel war nicht blind in die Katastrophe geraten. Die Propheten wiesen vielmehr immer wieder auf Israels Verantwortung hin.558 Die Geschichte Israels beruht auf einem konkreten Plan JHWHs, den er durch seine Propheten mitteilen ließ. Gerade im Gericht beweist er seine Macht und Weisheit. Zugleich betont die prophetische Literatur die Güte JHWHs. Von Anfang an hat er sich Israel liebevoll zugewandt: „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb und rief meinen Sohn aus Ägypten. Wie ich sie auch rief, liefen sie 55 S. o. S.77ff. 5 556 Barton, Theodizee, 226. 557 Einleitung (4.Aufl.), 273. 558 Vgl. Jes 8,18ff; 30,8ff Jer 35,12ff. 36,20f; 51,59ff; Ez 2,9f; 11,10; 39,25ff; 43,1ff; Hab 2,2f; Sach 1,2ff.
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weg von mir. Den Baalen opferten sie, und den Bildern räucherten sie.“ (Hos 11,1f; vgl. 9,10) Seine Liebe bleibt jedoch durch das Gericht hindurch erhalten: „Wie kann ich dich preisgeben, Ephraim, und dich ausliefern, Israel? … Mein Herz wendet sich gegen mich, all mein Mitleid ist entbrannt. Ich will nicht tun nach meinem grimmigen Zorn noch Ephraim wieder verderben. Denn ich bin Gott und nicht ein Mensch und heilig in deiner Mitte. Darum komme ich nicht im Zorn.“ (Hos 11,8f) Das Jeremiabuch ist einer weitgehenden deuteronomistischen Redaktion unterzogen worden. Diese Redaktion verfolgt nach Thiel559 das Anliegen, „die Katastrophe von 587 … als Gericht Jahwes über die nicht abreißende Verschuldung seines Volkes“ zu interpretieren. Die Redaktion hat auch den hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft eingefügt, wonach JHWH „auf verbesserter Grundlage“ einen Neubeginn der Geschichte mit seinem Volk wagen werde. Die vom Deuteronomisten komponierten Reden knüpfen an überlieferte Prophetenworte an, interpretieren diese aber im deuteronomistischen Sinn.560 Der Redaktor wendet sich an seine exilisch-nachexilische Zuhörerschaft und will sie zur Anerkennung des Gerichts als gerechtem Handeln JHWHs bringen und ihnen die Augen für JHWHs neues Heilshandeln nach dem Gericht öffnen.561 „Das geschriebene Prophetenbuch… hat also die Aufgabe, die Leser- und Hörerschaft zur Buße zu führen, ihr zu zeigen, dass Gott in den Katastrophen als seinen Gerichten am Werke ist, und ihr die Hoffnung auf eine erneute Heilszuwendung Gottes zu öffnen, die alle zurückliegenden Gnadenerweisungen hinter sich lassen wird.“562 Die prophetische Literatur hebt hervor, dass Gott gerecht gehandelt hat. Sie will die Leser bzw. Hörer zur Anerkennung des Gerichts als gerecht bringen. Damit öffnet sie ihnen zugleich die Augen für JHWHs neues Heilshandeln nach der Katastrophe: „Wer ist weise, dass er dies versteht, und klug, dass er dies einsieht? Die Wege JHWHs sind richtig und die Gerechten wandeln darauf, aber die Übertreter kommen auf ihnen zu Fall.“ (Hos 14,10) Das prophetische Wort ist machtvoll und wirksam. Jer 23,29 vergleicht es mit einem „Hammer, der Felsen zerschmeißt“. Gerade an der
59 Redaktion, 301f. 5 560 Vgl. Jer 7,14; 13,9f; 14,12; 19,10f; 21,4.9; 22,24.28.30. 561 Vgl. Jer 9,10; 10,18; 13,26; 23,1–8; 24,5–7; 33,16. 562 Kaiser, Einleitung (5. Aufl.), 313.
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Gerichtsbotschaft wird JHWHs Macht sichtbar. Die Redaktoren der Prophetenworte knüpfen an die Argumentation Dtjes‘ an, wonach sich JHWHs Gottsein an der Wirksamkeit seines Wortes erweist.563 Die Rechtfertigung JHWHs in der prophetischen Literatur geschieht auch durch Doxologien. Angesichts der Grausamkeit vieler Ereignisse preisen die Menschen Jahwes Macht, Güte und Weisheit. So streut der Redaktor in das Amosbuch Doxologien ein, die zusammen einen Hymnus ergeben: Am 4,13; 5,8f; 9,5f. In Jes 12 wird Jahwe zum Abschluss der Gerichtspredigten in 1..11 dankbar gepriesen für seine Macht, Güte und Weisheit. Hos 14 schließt mit einem Loblied das Hoseabuch ab. Auch das Jeremiabuch enthält doxologische Passagen: Jer 10,12–16.18; 31,35; 51,15–19. Die Theodizeefrage löst sich in dem Lobpreis des gerechten Gottes.
563 S. o. S.77ff.
J. Das Theodizeemotiv in der Eschatologie und Apokalyptik Wie wir oben564 gesehen haben, beschreiben Laato/de Moor die „eschatologische Theodizee“ als eine Form der Theodizee. Kennzeichnend für die eschatologische Erwartung ist die Ankündigung, dass JHWH am Ende der Zeiten alle Weltreiche vernichten und Israel sammeln und erlösen wird. Er schafft wunderbare paradiesische Lebensverhältnisse und manifestiert sichtbar seine Herrschaft: „JHWH wird König sein über alle Lande.“ (Sach 14,9) Alle Völker werden sich zu ihm bekehren. Der Tempel bzw. Zion wird Segensquelle und friedlicher Mittelpunkt aller Völker sein. (Jes 2,2–4 = Mi 4,1–3; Ez 47) Niemand wird die Gottesstadt mehr bedrohen. Es wird keine körperlichen Gebrechen mehr geben (Jes 29,18; 32,3f; 33,23; 35,5). Der Tod wird vernichtet werden (Jes 25,8). Es wird Friede zwischen Mensch und Tier herrschen (Jes 11,6–9; 65,25; Sach 9,10), d.h. der Urzustand wird wieder hergestellt. Ewige Freude wird die Menschen erfüllen (Jes 35,1ff; 65,17ff). Es wird kein Weinen und Klagen, kein frühes Sterben der Kinder und erfolgloses Arbeiten mehr geben. Die Menschen werden in unmittelbarer Nähe zu Gott leben (vgl. Jes 2,2–4; 61f; 66,2; Ez 37; Hag 2; Sach 14). Die Eschatologie enthält somit eine Antwort auf die Theodizeefrage: Am Ende der Zeiten werden alle Zweifel an JHWHs Macht, Güte und Weisheit beseitigt sein. Seine Gerechtigkeit wird für alle sichtbar werden, wenn die Geschichte zu ihrer Vollendung kommt: „Um Zions willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems willen will ich nicht innehalten, bis seine Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) aufgehe wie ein Glanz und sein Heil brenne wie eine Fackel, dass die Völker sehen deine Gerechtigkeit (ṣ ͤ dāqā) und alle Könige deine Herrlichkeit. Und du sollst mit einem neuen Namen genannt werden, welchen JHWHs Mund nennen wird.“ (Jes 62,1f) JHWH und Israel kommen in der Endzeit zu ihrem Recht. Eine Fortführung der Eschatologie stellt die sog. Apokalyptik dar. Sie beschreibt, wie das Böse sich vorübergehend entfalten kann, aber am Ende 564 S.16f.
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von Gott überwunden wird (Jes 24–27; Jo 2–4; Ez 38f; Dan 11). Alles Böse hat an Gott seine Grenze, der in souveräner Machtausübung über das Geschehen herrscht. Die Apokalyptik will in einer Zeit der Bedrängnis Trost vermitteln und Antwort auf die Theodizeefrage geben: Auch die bedrückenden Ereignisse entsprechen dem Willen Gottes, der in Kürze eine Wende herbeiführen wird. Endgültig wird Gott im Jenseits seine Gerechtigkeit wiederherstellen, wenn er die Gerechten zum ewigen Leben und die Gottlosen zu ewiger Verdammnis auferwecken wird. In Dan 12,1f findet sich der Gedanke einer ausgleichenden Gerechtigkeit: „Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen. Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“
K. Die Entstehung des Monotheismus als Antwort auf die Theodizeefrage Gerechtigkeit ist nicht eine Eigenschaft Gottes unter vielen, sondern die zentrale Kategorie seines Gottseins. Deshalb hat die Auseinandersetzung mit der Theodizeefrage die Entwicklung des alttestamentlichen Gottesgedankens entscheidend beeinflusst. Ein wichtiger Einschnitt war das Exil. Die dadurch verursachte tiefe Krise des JHWH-Glaubens gestaltete sich zur Chance der Neubesinnung und Vertiefung des israelitischen Gottesverständnisses. „Der Jahweglaube ist durch die ‚Feuerprobe der Exilszeit‘ und damit durch die Krise des Paradoxons des Gottesglaubens überhaupt gelaufen und hat somit an kaum auslotbarer Tiefe gewonnen.“565 Israel hat seine Antworten auf die Theodizeefrage nicht spekulativ oder doktrinär gewonnen, sondern in der Auseinandersetzung mit der konkreten Situation. Die Bewältigung der Theodizeefrage war damals eine Sache des Überlebens. Sie ermöglichte den Neuanfang in religiöser und politischer Hinsicht. Fortan ist der JHWH-Glaube monotheistisch und universal bestimmt. Die Existenz Israels als Zeuge der Einzigkeit JHWHs wird zu einer Art Gottesbeweis. Dtjes hebt insbesondere die Freiheit und Größe Jahwes hervor. Er ist transzendent und kommt doch den Menschen nahe. Er bleibt frei in seinen Entscheidungen und will doch sein Volk retten. „Ich lasse mich nicht von euch befragen“, sagt Jahwe in Ez 20,3. „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht JHWH, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ (Jer 23,23) Die vorexilische Religion war polytheistisch bzw. synkretistisch geprägt.566 Einen Monotheismus im eigentlichen Sinn, d.h. den Glauben an einen einzigen Gott verbunden mit der ausdrücklichen Leugnung der Existenz anderer Götter, hat es vor dem Exil nicht gegeben. Für viele Israeliten war das Nebeneinander von JHWH-Verehrung und der Anbetung lokaler Gottheiten offenkundig unproblematisch. Den vorexilischen Propheten ging es in erster Linie um die Durchsetzung des JHWH-Willens in Israel und nicht um die Frage seiner Einzigkeit. Sie kommt in sicher datierbaren Texten
65 Fuchs, Klage, 335. 5 566 S. o. S.25ff.
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erst seit dem Exil in den Blick. Zu dieser Zeit musste sich Israel mit der Existenz anderer Götter auseinandersetzen und seinen Glauben an JHWH klären. Die Wucht und Radikalität der Aussagen Dtjes’ über JHWH als alleinigen Gott können nur erklärt werden, wenn vorher in Israel der konsequente Monotheismus unbekannt war. „Insgesamt erweist sich das Exil als die Zeit der Entstehung des eigentlichen Monotheismus.“567 Wie ist es nun zur Ausbildung des Monotheismus in Israel gekommen? Wir können innere und äußere Gründe hierfür nennen, soweit sich diese religionsgeschichtlich analysieren lassen. Ich beginne mit den innerisraelitischen Gründen: Die Religion der Vorfahren Israels, die einen sog. Gott der Väter als ihren persönlichen Gott verehrten, kann als Vorstufe zum Monotheismus verstanden werden.568 Die Väter erwarteten alles von ihrem persönlichen Gott, nämlich Schutz, Segen, Wohlstand, Landbesitz und Nachkommenschaft. Sie standen in einem engen Vertrauensverhältnis oder gar „naiven Ausschließlichkeitsverhältnis“569 im Sinne eines praktischen Monotheismus zu ihrem Gott. Die Religion der nomadischen oder auf den Bergen wohnenden Vorfahren konzentrierte sich gewöhnlich auf einen oder wenige Götter, während der Polytheismus in der multikulturellen Vielfalt der Städte in der Ebene und an der Küste mehr Raum entfaltete. Dtjes knüpft deshalb bewusst an Abraham und die Väterverheißung an (Dtjes 41,8f; 51,2).570 Diese Art familiärer Frömmigkeit wurde mindestens bis in die Zeit des Exils praktiziert. David erwählte sich JHWH zum persönlichen Schutzgott seiner Dynastie.571 Sein Sohn Salomo baute ihm den Tempel in Jerusalem, der zugleich Eigentum des Königshauses und Staatsheiligtum war. Dort gab es wohl bereits vorher eine kanaanäische Kultstätte. Durch die persönliche Bindung des davidischen Hauses an JHWH verbreitete sich die JHWH-Verehrung insbesondere in Juda, was man an der Namengebung erkennen kann. Immer mehr Israeliten sahen in JHWH nicht nur den Staats- und Volksgott, sondern auch ihren persönlichen Gott. So bahnte sich eine Entwicklung in
67 Stolz, Monotheismus, 184. 5 568 S. o. S.28f. 569 Rose, Ausschließlichkeitsanspruch, 269. 570 S. o. S.106ff. 571 Vgl. Vorländer, Gott, 231ff.
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Richtung Monolatrie an. Keel572 vermutet, dass in Jerusalem der Sonnengott Schamasch verehrt wurde, dessen Züge JHWH als Himmelsgott allmählich angenommen hat. Auf Grund dieser Solarisierung JHWHs rechnet er bereits für die frühe Königszeit mit einem „partikulären Monotheismus“, der sich allerdings erst im Exil zu einem „konsequenten und universalen Monotheismus“ weiterentwickelte.573 Die Predigt der Propheten, die die Israeliten auf den Willen JHWHs verpflichteten und im Fall des Ungehorsams das Gericht ankündigten, hat zweifellos die Ausformung des Monotheismus entscheidend beeinflusst. Es bildeten sich Kreise von intensiven JHWH-Anhängern, die Lang574 als „Jahwe-allein-Bewegung“ bezeichnet. Er verknüpft sie insbesondere mit dem Wirken Hoseas. Auf die Predigt der Propheten stützt Dtjes seinen Beweis für die Einzigkeit JHWHs.575 Zu diesen inneren Ansätzen kamen äußere Anstöße hinzu: In der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends sind insbesondere in Mesopotamien und Persien monotheistische bzw. monolatrische oder henotheistische Strömungen nachweisbar: Der letzte neubabylonische König Nabonid (550–539 v.Chr.) förderte den Kult des Mondgottes Sin und versuchte dessen Verehrung überall zu verbreiten. Er baute die alten Sintempel in Ur und Harran wieder auf und rief dadurch den Zorn der Mardukpriester von Babylon hervor. Diese verehrten Marduk als Götterkönig, Schöpfer der Welt und Lenker der Gestirne. Albani576 beschreibt ausführlich die „Marduk-Theologie“, in der sich monotheistische Tendenzen finden und die er als Hintergrund für den Monotheismus Dtjes‘ sieht. In Dtjes 46,1 werden Bel=Marduk und dessen Sohn Nebo namentlich aufgeführt. Gegen die Verehrung Marduks als geschichtsmächtigem Schicksalsgott richtet sich insbesondere die Verkündigung Dtjes‘. Insofern übte nach Albani577 der Streit um den höchsten Gott
72 Geschichte, 273ff. 5 573 Geschichte, 861. 574 Gott, 47ff. 575 S. o. S.32. 576 Gott, 40ff. 577 Gott, 12.
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zwischen den Anhängern Marduks und Sins „eine katalytische Funktion bei DtJes‘ Formulierung des monotheistischen Bekenntnisses“ aus.578 Im heutigen Iran wirkte um diese Zeit Zarathustra, der Ahuramazda als einzigen Gott proklamierte. Der folgende auf ihn zurückgehende Text zeigt auffallende Verwandtschaft mit Dtjes: „Das frage ich dich, sage es mir recht, o Herr! Wer machte den Weg der Sonne und der Sterne? Wer ist es, durch den der Mond wächst und abnimmt, wenn nicht du? Wer erhält die Erde hier unten, und die Himmel, dass sie nicht herabfallen, wer die Gewässer und Pflanzen? … Wer schuf als guter Werkmeister Licht und Finsternis? … Ich will dich als den Schöpfer von dem allen erkennen.“579 Die persischen Könige waren vielfach Anhänger Zarathustras und verbreiteten seine Lehre im ganzen Reich. Es legt sich die Vermutung nahe, dass die jüdischen Theologen der Exilszeit Anregungen aus der Religion Zarathustras aufgenommen haben, um die Einzigkeit und Einzigartigkeit ihres Gottes JHWH auszusagen. Diese Vermutung hat erstmals Gotthold Ephraim Lessing 1780 geäußert: „Da die Juden nunmehr auf Veranlassung der reinen persischen Lehre in ihrem Jehova nicht bloß den größten aller Nationalgötter, sondern Gott erkannten; da sie ihn als solchen in ihren wieder hervorgesuchten heiligen Schriften um so eher finden und andern zeigen konnten, als er wirklich darin war; … was Wunder, dass sie vor den Augen des Cyrus mit ihrem Gottesdienste Gnade fanden… So erleuchtet über ihre eigenen unerkannten Schätze kamen sie zurück und wurden ein ganz anderes Volk, dessen erste Sorge es war, diese Erleuchtung unter sich dauerhaft zu machen.“580 Lessing erklärt somit die erstaunliche Tatsache, dass Kyros die Israeliten mit solch hohen Privilegien ausstattete, mit dem Hinweis auf die gemeinsame monotheistische Gottesverehrung. Er versteht die Ausformung des Monotheismus als eine Wiederentdeckung bisher „unerkannter Schätze“, die „auf Veranlassung der reinen persischen Lehre“ stattgefunden habe.
578 Babylonische Einflüsse finden sich im Zusammenhang mit Schöpfungsaussagen z.B. in Dtjes 40,27; 51,9f, und in der Urgeschichte. 579 Vgl. Lommel, Zarathustra, 12. 580 Erziehung, § 39–40.
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Daraus entwickelte sich Israel zu einem „ganz anderen Volk“. Petry581 warnt allerdings von einer „Überbewertung der persischen Rolle bei der Entstehung des biblischen Monotheismus“, da die Achämenidenkönige keine Monotheisten gewesen seien. Die Verfasser des Deuterojesajabuches gingen vielmehr „einen entscheidenden Schritt über die achämenidische Konzeption vom Reichsgott Ahuramazda hinaus, indem sie JHWH nicht nur weit über alle anderen Gottheiten stellten, sondern ihr Bekenntnis zur Unvergleichlichkeit Jhwhs mit ’ēn ‘ōd582 formulierten.“ Gewiss haben die persischen Könige nicht nur Ahuramazda, sondern auch anderen Gottheiten geopfert. Insofern war ihre Religion nicht monotheistisch im strengen Sinn. Doch weist Koch583 darauf hin, dass man den Begriff Monotheismus nicht zu eng fassen darf. „Die Achaimeniden huldigen einer Art von politischem Monotheismus, der die universale Gottesherrschaft des ‚Herrn der Weisheit‘, Ahura Mazda, auf Erden in der Herrschaft des Großkönigs sich abspiegeln sieht… Die Exulanten in Babylonien und die in Juda verbliebenen Volksgenossen können solchen inklusiven,Monotheismus‘ der Perser dahin interpretieren, dass Jahwäs Geist Kyros als Weltherrscher erweckt hat.“584 Auch sonst ist im Alten Testament persischer Einfluss nachweisbar, z.B. in der Engellehre oder bei dualistischen Aussagen. Knauf585 hat als Hintergrund für das Hiobbuch die Situation des Perserreiches herausgearbeitet und vergleicht Hiobs Gottesbild mit dem der persischen Königsinschriften. Dann wäre auch ein Grund für die erstaunliche Sympathie gefunden, die Juden und Perser füreinander empfanden. Der persische König Kyros war es, der den Juden 538 v.Chr. die Heimkehr nach Palästina gestattete und den Wiederaufbau des Tempels sogar aus Staatsmitteln finanzierte, indem er sein berühmtes Edikt erließ: „So spricht Kyros, der König von Persien: JHWH, der Gott des Himmels, hat mir alle Königreiche der Erde gegeben und hat mir befohlen, ihm ein Haus zu bauen in Jerusalem in Juda. Wer nun unter euch von seinem Volk
81 Entgrenzung, 400f. 5 582 „Es ist sonst keiner mehr“(Dtjes 45.6.18.21). 583 Monotheismus, 317f. 584 Gott, 29. 585 Hiobs Heimat, 82.
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ist, mit dem sei JHWH, sein Gott, und er ziehe hinauf!“ (2Chron 36,23; vgl. Esr 1,1–4)586 Die persischen Behörden schützten die Heimkehrer vor den Intrigen der im Land Verbliebenen, die auf Grund ihres traditionellen Polytheismus von der Mitwirkung am Tempelbau und der Mitgliedschaft in der Kultgemeinde ausgeschlossen wurden (vgl. Esr 1ff). Ihnen lag offensichtlich viel daran, klare religiöse Verhältnisse in Palästina im Sinne der Gola herzustellen. Sie förderten die Entstehung der jüdischen Kultgemeinde unter der Leitung der Zurückgekehrten und gewährten dem Tempel besondere Privilegien. So nimmt es nicht wunder, dass sich nirgendwo im AT die geringste Spur von Kritik an den Persern findet. Im Gegenteil: Dtjes gibt in 45,1 Kyros den Ehrentitel „Gesalbter“ (māšī ͣ ḥ), der sonst nur dem König oder dem Heilbringer der Endzeit zusteht. Im Bußgebet in Esr 9,9 dankt die Gemeinde ihrem Gott, dass er ihr die Gunst der persischen Könige zugewandt habe, wohl deshalb, weil sie in den Israeliten Artverwandte ihrer eigenen Religion erkannten. Bei der Entstehung des alttestamentlichen Monotheismus stand also das Persertum Pate, ähnlich wie der Hellenismus die Ausformung der urchristlichen Theologie beeinflusste. Albertz587 hält allerdings die möglicherweise katalysatorische Funktion des Persertums für „eher unwahrscheinlich“ und verweist auf Unterschiede zwischen alttestamentlichen und babylonischen Aussagen. „So handelt es sich wohl um eine inner-israelitische Entwicklung.“ Dem widerspricht Baltzer: „Im persischen Reich erscheint eine Verständigung darüber, dass es einen höchsten Gott gibt, möglich. So hat Esra den offiziellen Titel ‚Schreiber des Himmelsgottes‘ (Esr 7,12), den er auch im israelitischen Verständnis annehmen kann.“588 Auch Witte589 kommt nach Abwägung aller Argumente zu der Einschätzung: „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich der atl. Monotheismus, die atl. Schöpfungs- und Weltordnungstheologie, wie sie sich besonders in der Priesterschrift …
586 Die Historizität dieses Ediktes ist umstritten. S. dazu Gertz, Grundinformation, 164f. 587 Religionsgeschichte, 435. 588 Baltzer, Dtjes, 65. 589 In Gertz, Grundinformation, 524.
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niedergeschlagen hat, und einzelne endzeitliche Motive in der Apokalyptik … in der Begegnung mit persischen Vorstellungen ausgebildet haben.“ Persischer und alttestamentlicher Monotheismus treten vielleicht nicht zufällig in derselben Epoche auf, die der Philosoph Karl Jaspers die Achsenzeit genannt hat, in der auch in anderen Teilen der Welt bahnbrechende religiöse Neuerungen zu beobachten sind: Laotse und Konfuzius in China, Buddha in Indien, die Vorsokratiker in Griechenland.590 Allerdings hebt Wenz zurecht die Besonderheit des alttestamentlichen Gottesbegriffes hervor: „Nichtsdestoweniger bleibt der jüdische Monotheismus in seiner rechtlich-ethischen Bestimmtheit sowie in der Art, wie er Geschichtserfahrungen und Schöpfungsglauben, Konzentration auf Ureigenes und universale Ausrichtung, welttranszendente Überlegenheit und eine an Intimität nicht zu überbietende persönliche Nähe JHWHs zu den Seinen verbindet, einmalig und unvergleichlich.“591 Die Impulse zum Neuanfang gingen also nicht von den in Palästina Verbliebenen, sondern von der babylonischen Gola aus. Sie erhob den Anspruch, die allein legitime Erbin des alten Gottesvolkes zu sein, und bezichtigte die Landbewohner pauschal des Götzendienstes (vgl. Jer 24; Ez 11,14ff; 33,24ff; Hag 2,10ff). Neben soziologischen Gründen – die Gola bestand überwiegend aus den Nachkommen der Oberschicht – war hierfür insbesondere das Faktum einer Bekehrung entscheidend, von dem mehrere Texte berichten.592 Allein die Exilierten erkannten, dass die Verehrung anderer Götter mit dem Bekenntnis zu JHWH nicht vereinbar und darin der Grund für das Gericht zu suchen sei. In dieser Bekehrung der Gola ereignete sich zugleich die Geburt des biblischen Monotheismus, deren Vertreter insbesondere Dtjes und seine Schule waren. Er will nicht primär eine neue Theorie über Gott entwickeln, sondern mit einer „authentischen Theodizee“ (Kant) seine Ankündigung einer neuen Heilszeit für Israel unterstreichen. JHWH ist nicht nur nicht abwesend, unfähig oder desinteressiert, sondern überhaupt der einzig existierende Gott. Ihm dürfen die Israeliten deshalb vertrauen. Der Monotheismus erscheint somit als integrierter Bestandteil der Verkündigung 90 Ursprung, passim. Vgl. Ackroyd, Exile, 7. 5 591 Gott, 115. 592 S. o. S.53ff.
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Dtjes‘ mit soteriologischer Zielsetzung.593 Im Exil erfolgte die Transformation JHWHs zu „dem einen, überweltlichen, universalen Himmelsgott, der in väterlich-fürsorglicher Weise durch die Thora bei jeder Gemeinde präsent ist“.594 Der eine Gott Israels wird im Exil „zum Garanten jüdischer Identität und zum Programm der Reformbewegung (Dtn)“. Hätte sich nicht die Gola auf JHWH als den einzigen Gott konzentriert und seine Unterordnung unter Marduk innerhalb des babylonischen Pantheons abgelehnt, so hätte dies „wohl schließlich zum endgültigen Verlust der Identität Israels geführt“595. JHWH blieb der Gott Israels. Doch wurde „sein Zuständigkeitsbereich nun nicht mehr primär territorial, sondern ethnisch bestimmt“596. Wellhausen hat diese erstaunliche Wende eindrucksvoll beschrieben: „Die Sündflut (Sintflut), die sie (d.h. die Israeliten) zu ersäufen drohte, ist ihnen ein Bad der Wiedergeburt geworden. Sie sind nicht unter den Babyloniern aufgegangen, haben vielmehr damals in der Fremde die Fähigkeit erworben, die sie später auszeichnete, ihre nationale und religiöse Art auch außerhalb des einheimischen Grund und Bodens, auf dem sie sonst allein gedeiht, unter allen Umständen zu bewahren. Sie haben trotz allen Zweifeln festgehalten an ihrer Vergangenheit und an ihrer Zukunft, an der Leitung ihrer Geschichte durch Jahve. Die Reformation ist schließlich gerade durch das Exil zum Ziel gekommen, durch das sie allerdings zunächst sehr gefährdet war.“597 Da durch die Heirat mit fremdvölkischen Frauen immer auch die Verehrung anderer Götter Einlass fand, setzten die Reformer Esra und Nehemia das Mischehenverbot durch (vgl. Esr 9f; Neh 13,23ff). Die strenge Einhaltung des Gesetzes, insbesondere von Sabbat und Beschneidung, wurde zum Kennzeichen für jeden Angehörigen des wahren Gottesvolkes. Der Einheit JHWHs entspricht die Forderung des Dtn nach nur einer einzigen legitimen Kultstätte in Jerusalem (Dtn 12). Vom exklusiven, konsequenten Monotheismus sind die Vorstellungen der Bildlosigkeit JHWHs und das Bilderverbot zu unterscheiden. Petry598
93 Vgl. Gerstenberger, Theologien, 21ff. 5 594 Vgl. Elsas, Ringen, 553f. 595 Zapff, Monotheismus, 30. 596 Petry, Entgrenzung, 407. 597 Wellhausen, Geschichte, 141. 598 Vgl. Petry, Entgrenzung, 102f.
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nimmt an, dass es auch im Jerusalemer Tempel bis zum Exil Darstellungen von JHWH gab. Mit dem absoluten Monotheismus setzte sich nun das Konzept der strengen Bildlosigkeit JHWHs durch. In das Deuterojesajabuch wurden später zahlreiche Texte mit Polemik gegen Götzenbilder eingefügt: 40,18–20; 41,6f; 44,9–20; 46,5–7.599 Dieser reflektierte Monotheismus wurde jedoch nicht immer durchgehalten. Niehr600 geht von nahezu ungebrochenen polytheistischen Praktiken bis in die Perserzeit aus. Trotz Dtjes habe der JHWH-Monotheismus erst allmählich eine Breitenwirkung erzielt. Gerstenberger vertritt die Auffassung, dass es „keinen strengen Monotheismus“ gab und auch der spätalttestamentliche Monotheismus eher als Monolatrie zu verstehen ist, die in einer Bekenntnissituation entstanden sei. „Wir sind und bleiben Polytheisten.“601 Mit dem Monotheismus ergaben sich nämlich theologische Schwierigkeiten durch die Gefahr, dass JHWH für die Menschen als fern und transzendent, abstrakt und unanschaulich, unnahbar und für alles zuständig erschien. Der Polytheismus entsprach eher der Komplexität der Welt- und Gotteserfahrung. Deshalb wurden als Zwischenwesen der Satan und die Engel eingeführt. Auch blieben polytheistische Aspekte, z.B. in Gestalt von paganen Mythen (Schöpfung und Chaos, himmlischer Thronrat, Gottesberg, Solarisierung), auch innerhalb der offiziell monotheistischen Religion Israels erhalten. Petry602 geht davon aus, dass die Entwicklung der jüdischen Religion endgültig erst im 2. Jahrhundert v.Chr. abgeschlossen war. Albani603 meint, „dass die Begründung des Monotheismus nicht das zentrale Anliegen in der Verkündigung des Propheten (Dtjes) bildet, sondern sozusagen nur als ‚Hilfsargument‘ für seine Heilsbotschaft fungiert“. Demgegenüber ist aus den bisherigen Ausführungen wohl deutlich geworden, dass das monotheistische Bekenntnis zu JHWH die Mitte der Verkündigung Dtjes‘ darstellt und von ihm her die übrigen Aussagen zu verstehen sind. Albani weist allerdings mit Recht darauf hin, dass Dtjes durchaus noch
99 Anders Preuß, Dtjes, 61ff. 5 600 Gott, 197. 601 Theologien 218f. 602 Entgrenzung, 394. 603 Gott, 75.
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mit anderen Gottwesen rechnet, doch sind diese unwirksam und daher „nichtig“ (vgl. 41,25). Nach Albani leistete die bereits früher erfolgte Astralisierung und Solarisierung des JHWH-Glaubens „einen wesentlichen Beitrag zur Vorstellung von einem universalen Gott“604, wobei die Propheten astralreligiöse Implikationen des Königtums bekämpften. Jetzt symbolisieren die Gestirne „nicht mehr den Machtanspruch des irdischen Königs“, sondern dienen „nur noch der Verherrlichung des himmlischen Herrschers JHWH … und seines universalen Machtbereichs“. Assmann605 vertritt die Ansicht, dass in dem Gründungsakt der monotheistischen Religionen der Keim zu einer spezifisch religiösen Gewalt liege. Sie unterscheiden im Gegensatz zu kosmotheistischen Systemen zwischen wahrer und falscher Religion. Dem ist entgegenzuhalten, dass der biblische Monotheismus in einer Zeit entstanden ist, als die Exilsgemeinde keinerlei Aussicht auf politische Macht haben konnte.606 Sie genoss allerdings die Unterstützung der persischen Regierung und setzte ihre Neukonstituierung nach 538 v.Chr. teilweise mit strengen Methoden durch. Albertz stellt fest, dass „Israel zum Monotheismus in einer absoluten politischen Ohnmachtssituation durchgestoßen ist“607. In der Gegenwart lehnen manche Zeitgenossen den alttestamentlichen Monotheismus ab, weil er ihrer Meinung nach von totalitärem Denken bestimmt sei und bewusst zwischen wahrer und falscher Religion unterscheide. Demgegenüber sei der Polytheismus von Toleranz, Pluralismus und Freiheit geprägt.608 Janowski kritisiert diesen „Mythos vom friedlichen Polytheismus“ und weist mit Recht darauf hin, dass es im polytheistisch bestimmten Alten Orient unzählige Darstellungen von Gewalt im Namen der Götter gibt.609 04 Gott, 262. 6 605 Moses der Ägypter, passim. 606 So richtig Beck, Elia, 287: „Wichtig ist …, dass das monotheistische Gottesverständnis erstmals in einer Phase der eigenen Ohnmacht (Exil) zu greifen ist, und zwar mit der Intention, neue Hoffnung und Zuversicht angesichts der Situation der Mutlosigkeit zu wecken.“ 607 Albertz, Religionsgeschichte 445. 608 Beck, Elia, 286. 609 Gott, 114f.
L. Theodizee und Monotheismus im Neuen Testament Ich möchte im Folgenden auf die Theodizeefrage im Neuen Testament im Licht der im Alten Testaments gewonnenen Erkenntnisse eingehen: Das Neue Testament verkündet keinen neuen Gott, sondern knüpft ausdrücklich an den Gott des Alten Testaments an. Es übernimmt die wesentlichen Züge des alttestamentlichen Gottesglaubens und somit auch den Aspekt der Allmacht Gottes. Gott allein hat die Welt geschaffen und unter seine Herrschaft gestellt (Joh 1,3; Apg 17,24; Hebr 11,3 u.ö.). Seine Macht wird durch nichts begrenzt und geschieht in absoluter Freiheit (Röm 9,20f). Er lenkt die Geschichte (Mk 13,32) und zieht alle Menschen zur Verantwortung (Röm 2,5ff; 2Kor 5,10). In der Apokalypse preist der Seher Gott als Allherrscher, der Anfang, Mitte und Ziel der Geschichte bildet (Off 1,8 u.ö.). Jesus bestätigt den alttestamentlichen Monotheismus, wenn er auf die Frage eines Schriftgelehrten, welches das wichtigste Gebot sei, antwortet: „Das höchste Gebot ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt, und mit all deiner Kraft“ (Mk 12,29f). Er nimmt damit das š ͤ mā‘ jisraēl aus Dtn 6,4f auf und fügt ihm das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe aus Lev 19,18 hinzu. Neu gegenüber dem Alten Testament sind allerdings die Aussagen, wonach sich Gottes Macht und Weisheit in einem Menschen, nämlich Jesus Christus, manifestiert: „Und obwohl es solche gibt, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter und viele Herren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm, und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.“ (1Kor 8,5f) Durch Christus schafft und regiert Gott die Welt (vgl. Kol 1,15; Eph 1,21). „Ein Mittler aber ist nicht Mittler eines Einzigen, Gott aber ist Einer.“ (Gal 3,20) Am Ende der Zeiten wird Christus die Weltherrschaft an Gott zurückgeben (1Kor 15,28). An Christi Leben, Sterben und Auferstehen zeigt sich, dass Gott seine Macht nicht willkürlich, sondern in Liebe ausübt. Gegenüber allem Rätselhaften
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stellt sich der Mensch in der Doxologie unter die universale Macht, Güte und Weisheit Gottes und bekennt, „dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,10f; vgl. Röm 11,33–36)610 Im Alten Testament sind die entscheidenden Weichenstellungen erfolgt, die zu dem Glauben an den einen Gott geführt haben. Durch Christus öffnet sich der alttestamentliche Gottesglaube für alle Völker, was insbesondere Paulus zu verdanken ist. Dadurch wird das Alte Testament zur Grundlage für das neue Gottesvolk aus Juden und Nichtjuden. Das Problem der Theodizee tritt im Neuen Testament nicht besonders hervor. Feldmeier611 kommt im Vergleich zum Hiobbuch zu dem Ergebnis: „So wird denn auch nirgends im Neuen Testament der Versuch gemacht, Gott angesichts der Leiden in der Welt zu verteidigen.“ Der Begriff Gerechtigkeit steht an einigen markanten Stellen in Parallele zu Treue und Zuverlässigkeit (vgl. 1Kor 1,9; 10,13; 1Joh 10,10). Damit ist ein wesentlicher Aspekt des alttestamentlichen Verständnisses von Gerechtigkeit aufgenommen. Paulus fasst seine Konzeption von Gerechtigkeit in Röm 1,16f folgendermaßen zusammen: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben.“ Nach Röm 3,21 erweist Gott seine Gerechtigkeit, indem er die Menschen ohne Vorbedingungen annimmt und die Sünder rechtfertigt. Die von Gott geoffenbarte Gerechtigkeit in Christus ist eine Kraft, die Gott allen Menschen verleiht. Sie ereignet sich in der Predigt des Evangeliums. Stuhlmacher knüpft in seiner Interpretation von Gottes Gerechtigkeit als Schöpfungshandeln an Dtjes an: „Diese Wortmacht der Gemeinschaftstreue wird bei Deuterojesaja in ganz neuer Weise als Treue des Schöpfers verstanden. Man kann also bei Deuterojesaja erstmalig ṣ ͤ dāqā mit,Schöpfertreue‘ wiedergeben.“612 Die Gerechtigkeit des Schöpfers ist „der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umspannende Erweis der göttlichen 10 Vgl. Vorländer, Art. Allmacht, 77f. 6 611 Überlegungen, 27. 612 Stuhlmacher, Gerechtigkeit, 136.
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Schöpfermacht in genauer Entsprechung zum alttestamentlichen Verständnis der ṣ ͤ dāqā Jahwes. … Wer im Gericht zu seinem Recht kommt, ist Gott der Schöpfer in seiner wirksamen Macht!“613 Gottes Gerechtigkeit ist allerdings nicht auf das Endgericht beschränkt, sondern „ist Gottes ständig waltende Schöpfertreue als Gottes befreiendes Recht.“614 Folglich ist Rechtfertigung für Paulus „ein Schöpfungsvorgang, und zwar der Aufgang der verbindlichen Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung über die Einzelnen“.615 In Röm 9,14f.20f behandelt Paulus die Frage, ob Gott sich selbst treu geblieben ist, wenn er jetzt mit der Erwählung der Heiden einen völlig neuen Weg geht: „Was sollen wir hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! … Denn er spricht zu Mose:,Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich‘. … Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht etwa ein Werk zu seinem Meister: Warum hast du mich so gemacht? Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?“ In V.21 nimmt Paulus ein Wort aus Dtjes auf.616 Es geht um die Frage, wo die Verheißungen an Israel geblieben sind. Der Abschnitt endet mit einer Doxologie in 11,33–36, die Zitate aus Dtjes und Hiob enthält. Der Mensch kann Gottes Gottsein letztlich nicht ergründen, sondern sich ihm nur im Lobpreis öffnen. Darin wird für ihn seine Gerechtigkeit als Erweis von Gottes Macht, Güte und Weisheit erfahrbar. Die Heilstat Gottes in Christus widerspricht den üblichen Erwartungen, die Menschen an Gottes Handeln haben, nämlich kraftvolle Zeichen von Macht oder eine höchste Idee (vgl. 1Kor 1,18.22–24). Im Glauben begreift der Mensch, dass Gott im Kreuz seine Macht, Güte und Weisheit demonstriert. Gottes Gerechtigkeit ist unter dem Kreuz Christi verborgen. Gott kommt zu seinem Recht, indem er seine Macht inmitten äußerer Ohnmacht durchsetzt. Die Anhänger Jesu erwarteten, dass Gott an Jesus anders handeln würde (vgl. Lk 24,21). Gott aber ging den Weg der Niedrigkeit,
13 A.a.O., 239. 6 614 A.a.O., 240. 615 A.a.O., 257. 616 S. o. S.120ff.
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um gerade darin seine Größe zu manifestieren. Im Leiden des Gekreuzigten wird die tiefste, wenngleich paradoxe Antwort auf die Theodizeefrage gegeben: „Durch Gott seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, auf dass gilt, wie geschrieben steht:,Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!‘“ (1Kor 1,30f) Feldmeier617 schreibt dazu: „Im Kontext der Kreuzestheologie kann so das Leiden und das unerfüllte Gebet zu dem Ort werden, wo Gottes heilvolle Gegenwart erfahren wird und seine Macht sich offenbart.“ Das Kreuz muss jedoch mit der Auferstehung zusammen gesehen werden; Karfreitag und Ostern gehören zusammen. Durch die Auferweckung erhöht Gott Christus zu seiner Rechten und gibt ihm Anteil an seiner Macht. Der endgültige Erweis von Gottes Gerechtigkeit steht jedoch noch aus. Das Eschaton ist zwar mit Christus angebrochen, die Vollendung kommt jedoch erst mit seiner Wiederkunft. Dann werden Leid und Tod besiegt, und Gott wird alles in allem sein (1Kor 15,28). In der neuen Welt wird Gott alle Tränen abwischen, es wird weder Leid noch Tod, weder Schmerz noch Geschrei geben. Dann wird Gott unmittelbar gegenwärtig unter den Menschen wohnen (Off 21,3f). Dies wird die gültige Rechtfertigung Gottes sein. Ihr gilt es im Glauben vertrauensvoll entgegenzusehen und entsprechend zu leben (vgl. Mk 13,13). „Wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen.“ (Gal 5,5)
617 Überlegungen, 34.
M. Zusammenfassung Das Alte Testament gibt nicht eine, sondern mehrere Antworten auf die Theodizeefrage. Dabei handelt es sich eigentlich um eine „JHWH-dizee“, denn es geht nicht um die Rechtfertigung göttlichen Handelns im Allgemeinen, sondern um das Handeln JHWHs angesichts konkreter Erfahrungen. In diesen Antworten entfaltet sich zugleich das Bekenntnis zu JHWH als dem einzigen Gott. 1. Dtjes, das Hiobbuch, die Psalmen und die Urgeschichte verweisen auf die Vielfalt und wunderbare Ordnung der Schöpfung, um JHWHs einzigartige Weisheit, Güte und universale Macht zu demonstrieren. „Weißt du es nicht? Hast du nicht gehört? JHWH, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.“ (Dtjes 40,28) Nach Hi 40 hat Gott zwar die Ungeheuer Leviathan und Behemot geschaffen, aber ihre Macht ist begrenzt. Insbesondere Gen 1 hebt hervor, dass die von Gott geschaffene Welt von seiner Intention her gut ist. Im Psalter preisen die Beter Gott als Schöpfer und gerechten Herrn der Welt. Schöpfung und Geschichte sind eng miteinander verknüpft und stehen unter der Leitung des einen Gottes. 2. Dtjes rechtfertigt JHWHs Gottsein durch den Hinweis auf die Wirksamkeit des prophetischen Wortes. „Wer hat es hören lassen von alters her und vorzeiten verkündigt? Habe ich es nicht getan, JHWH? Es ist kein Gott außer mir, ein gerechter Gott und Retter, und es ist keiner außer mir.“ (Dtjes 45,21) Auf dem Hintergrund dieses Motivs sind die geschichtlichen und prophetischen Überlieferungen des Alten Testamentes gesammelt und theologisch bearbeitet worden. Gott redet durch Menschen und lässt sie seinen Willen verkünden. Dies zieht sich durch das gesamte Alte Testament hindurch und setzt sich im Neuen Testament fort: „Nachdem Gott vorzeiten auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat.“ (Hebr 1,1f) Die Evangelien beschreiben das Leben und Wirken, Sterben und Auferstehen Jesu als Erfüllung der Weissagungen der Propheten des Alten Testaments.
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3. Dtjes, die Psalmen und die Geschichtswerke rechtfertigen Gott, indem sie sein machtvolles, zuverlässiges und gerechtes Handeln in der Geschichte Israels aufzeigen. Gott wird in naher Zukunft in Gestalt des Perserkönigs Kyros in die Geschichte eingreifen und Israel aus dem Exil befreien. „So spricht JHWH zu seinem Gesalbten, zu Kyros, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwerfe und Königen das Schwert abgürte.“ (Dtjes 45,1) Die Geschichte verläuft nicht planlos, sondern wird von JHWH machtvoll und weise gesteuert. Die eschatologische Hoffnung ist die letztgültige Antwort auf die Theodizeefrage. 4. Dtjes, Hiob und die Psalmen beschreiben, wie die persönliche Erfahrung der Gegenwart Gottes Antwort auf die Theodizeefrage gibt. „Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du armer Haufe Israel. Ich helfe dir, spricht JHWH, und dein Erlöser ist der Heilige Israels.“ (Dtjes 41,14) Hiob bekennt in Hi 42,5: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber nun hat mein Auge dich gesehen.“ Man muss JHWHs Nähe erfahren, um die Zweifel an seinem Gottsein zu überwinden. Alle theoretische Argumentation gerät an ihre Grenzen. Die Antwort auf die Theodizeefrage kann nicht doktrinär oder spekulativ gegeben werden, sondern muss durch authentische Erfahrung erfolgen. Damit wird eine wichtige Dimension der Gottesbeziehung angesprochen. Israel konnte nach dem Exil neue Erfahrungen mit seinem Gott machen, von dem es zunächst annahm, er habe sich für immer zurückgezogen und seine Ohnmacht oder sein Desinteresse unter Beweis gestellt. Hiob erfuhr JHWHs Gegenwart in neuer und intensiver Weise nach seinem Ringen mit Gott, ebenso die Psalmisten. Auch die Jünger waren beim Tod Jesu zunächst am Ende ihrer Weisheit, bis ihnen durch die Begegnung mit dem auferstandenen Christus deutlich wurde, dass Gott nach einem weisen Plan machtvoll gehandelt hatte. Nun konnten sie neue Erfahrungen mit dem auferstandenen Christus machen. Die Theodizeefrage löst sich letztlich nicht argumentativ, sondern im Bezeugen des lebendig gegenwärtigen Gottes. 5. Dtjes überträgt die Vorstellung vom persönlichen Gott auf die Beziehung des ganzen Volkes zu JHWH. „So spricht JHWH, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Dtjes 43,1) Er ist jedem Israeliten bzw. jeder Israelitin nahe wie ein persönlicher Gott seinem Schützling. In den Psalmen preisen Beter ihren Gott
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als gerecht, souverän und liebevoll zugewandt. Im Neuen Testament wird diese Vorstellung auf Christus bezogen, der den Menschen so nahe ist wie ein persönlicher Gott.618 6. Dtjes, Hiob, Kohelet und die Urgeschichte beantworten die Theodizeefrage, indem sie Gottes Verborgenheit, Freiheit und Souveränität hervorheben. „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Retter.“ (Dtjes 45,15) Hiob bekennt in Hi 42,3 „Ich habe im Unverstand über Dinge geredet, die zu wunderbar und unbegreiflich für mich sind.“ Zwischen Gott und Mensch besteht ein absoluter Unterschied und Abstand. Deshalb kann der Mensch Gottes Wesen nicht im Letzten ergründen. Er muss sich auf seinen Platz als Geschöpf besinnen und darf sich nicht anmaßen, Gott Vorschriften machen zu können. Gott ist das „Geheimnis der Welt“619, sein Tun bleibt dem Menschen letztlich verborgen. 7. Nach Dtjes soll Israel Zeuge sein für JHWHs Macht, Güte und Weisheit. „Ihr seid meine Zeugen, spricht JHWH, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich es bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein.“ (Dtjes 43,10; vgl. 44,8) In der Nachfolge und Fortsetzung des alten Gottesvolkes soll auch das in JHWHs Bund mit Israel hineingenommene neue Gottesvolk, die Kirche, durch seine Existenz Zeugnis für JHWHs Gottsein und damit Antwort auf die Theodizeefrage geben. Der auferstandene Christus sendet seine Jünger mit den Worten: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apg 1,8) 8. Bei Dtjes, in den geschichtlichen und prophetischen Büchern sowie in den Psalmen löst sich die Theodizeefrage in der Doxologie, in der der Mensch Gott die Ehre gibt als Inbegriff unendlicher Macht, Weisheit und Güte. Indem der Mensch Gott lobt, rechtfertigt er ihn für sein Handeln. Darin wird dem Menschen zugleich die Antwort auf die Theodizeefrage zuteil. Deshalb sind in die Propheten- und Geschichtsbücher immer wieder Doxologien eingefügt. „Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken,
18 Vgl. Vorländer, Christus, 120ff. 6 619 Jüngel, Gott.
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regnet Gerechtigkeit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich, JHWH, erschaffe es.“ (Dtjes 45,8) Mose preist JHWH nach Dtn 32,3f mit den Worten „Denn ich will den Namen JHWHs preisen. Gebt unserm Gott allein die Ehre! Er ist der Fels. Seine Werke sind vollkommen, denn alle seine Wege sind recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und wahrhaftig ist er.“ Gott bleibt zugleich großartig und rätselhaft, aber dennoch den Menschen zugewandt. So bekennt sich der Beter in Ps 73,25f zu einer Gottesgemeinschaft, die unabhängig ist von seinem Ergehen. 9. Der alttestamentliche Monotheismus ist nicht primär eine neue Gottesidee, sondern eine neue Offenbarung an die von der Katastrophe des Exils übriggebliebenen Israeliten. Die Katastrophe des Exils machte die Israeliten zunächst sprachlos und handlungsunfähig. Unter dem Einfluss gewaltiger theologischer Denker und prophetischer Gestalten wurde das Gottesvolk aus seiner Apathie herausgerissen, der JHWH-Glaube schöpferisch geläutert und gekräftigt. JHWH erwies sich als notwendender und notwendiger Gott. Angesichts des Verständnisses des Exils als Wende und Neuanfang muss jedoch zugleich auf das entscheidende Moment der Kontinuität hingewiesen werden: Es ist derselbe Gott JHWH, der vor und nach dem Exil im Mittelpunkt des Glaubens steht und die Geschichte seines Volkes lenkt. „Ich habe es verkündigt und habe auch geholfen und habe es euch hören lassen; und es war kein fremder Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht JHWH, und ich bin Gott. Auch künftig bin ich derselbe, und niemand ist da, der aus meiner Hand erretten kann.“ (Dtjes 43,12f) Aus dieser Erkenntnis und diesem Gottvertrauen schöpft im Neuen Testament Jesus, dessen Botschaft dann von seinen Jüngern nach seiner Auferstehung in alle Teile der damaligen Welt getragen wurde. Die Missionsarbeit des Paulus begann zumeist in den Synagogen, in denen das Alte Testament rezitiert wurde und die Grundlage für das Verständnis Jesu Christi bildete. Dadurch entstand die Kirche als Gemeinschaft von an Christus glaubenden Juden und Nichtjuden. Menschen über Israel hinaus begriffen das Alte Testament als ihre Heilige Schrift. 10. Die christliche Gemeinde versteht die neutestamentliche Botschaft vom Kreuz Christi als Fortschreibung der Aussagen des Alten Testaments. Am Kreuz wird deutlich, dass Gott nicht jenseits des Leides steht, sondern selbst in seinem Sohn leidet. Dadurch überwindet er alles menschliche
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Leiden. Die Antwort auf die Theodizeefrage ist deshalb „dort zu suchen, wo Gott inmitten der Weltgeschichte am allertiefsten verborgen ist, nämlich im Tode Jesu am Kreuz. Gott selbst hat Jesus in den Tod gegeben. Dass gerade dies die Rechtfertigung Gottes und der Erweis der Güte seiner Weltregierung ist, bleibt für den Anblick des Kreuzesgeschehens als solchem schlechthin verborgen.“620 So gibt sich für den Glaubenden in Kreuz und Auferstehung Christi Gott als weise, mächtig und gütig zu erkennen. Das Kreuz gibt Zeugnis von „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (vgl. 1Kor 1,18ff). Die Urgemeinde entdeckte nach der Auferstehung Jesu, dass das Kreuz seinen sinnvollen Ort im Plan Gottes hat. Auf diesem Hintergrund versteht sie das Alte Testament in neuer Weise und bezieht das Lied vom leidenden Gottesknecht aus Dtjes 53 auf Christus.
620 Moltmann, Trinität, 67.
N. Abschluss Die Rechtfertigung Gottes aus der Schöpfung ist heute umstritten. Dorothee Sölle hat den Widerspruch wohl am deutlichsten formuliert: „Wie man nach Auschwitz den Gott loben soll, der alles so herrlich regieret, das weiß ich auch nicht. … Es führt kein Weg zurück zum Kindervater, der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn.“621 Gollwitzer622 weist darauf hin, dass jede Theodizee zugleich Kosmodizee sei, d.h. Rechtfertigung der Welt, wie sie ist, die Wirklichkeit des Übels inbegriffen. Deshalb können Christen noch heute staunen über die Schöpfung und darin die Spuren des Schöpfergottes entdecken. Die Schöpfung rechtfertigt Gott. Sie enthält auch für uns Heutige die Dimension des Wunderbaren. Christen setzen auf Gott ihr Vertrauen, weil die Geschichte unserer Welt von seiner Macht, Güte und Weisheit bestimmt wird. Gottes Reden setzt sich bis heute fort in der christlichen Verkündigung. Die Kirche hat den Auftrag, auf der Grundlage des biblischen Zeugnisses den Willen Gottes anzusagen. Durch ihre Verkündigung in Wort und Tat werden Menschen „gerechtfertigt“ und kommt Gott zu seinem Recht. Dtjes beschreibt JHWH in Dtjes 45,15 als „verborgenen Gott“. Martin Luther leitet aus diesem Vers seine Unterscheidung zwischen dem verborgenen Gott (deus absconditus) und dem offenbaren Gott (deus revelatus) ab. In Christus sind beide Aspekte Gottes sichtbar, denn „für den Unglauben wird … das Verborgensein Gottes in Christus zur absoluten Verborgenheit“623, so dass Gott als grausam, ohnmächtig und unverständlich erscheint. Demgegenüber offenbart sich für den Glaubenden im Kreuz Christi Gottes Allmacht und Heil. Dietrich/Link624 knüpfen an Martin Luther an, demzufolge Gottes Weisheit, Gerechtigkeit und Güte nur durch Leiden und Kreuz hindurch zu erkennen sind. Somit ist „die gesamte Leidensgeschichte der Welt in diese trinitarische Geschichte Gottes aufgehoben.“ Sparn erläutert: „In seiner nur erzählbaren Lebens- und Sterbensgeschichte ist Jesus Christus 21 Jentsch, Katechismus, 231. 6 622 Krummes Holz, 377. 623 D. Vorländer, Deus 101. 624 Seiten, 296f.
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die wahre, von Gott selbst in die Welt gebrachte, einstweilen freilich nur glaubwürdige Theodizee.“625 In dieser Abhandlung versuche ich aufzuzeigen, in welcher Weise Dtjes und seine Schule den Dreh- und Angelpunkt der alttestamentlichen Religions- und Glaubensgeschichte bildet. Ich halte ihn für den größten und wichtigsten theologischen Denker und Prediger des Alten Testaments. Indem er aus der Theodizeefrage das Bekenntnis zu JHWH als dem alleinigen, universalen Gott entfaltete, erhielten die Erben des alten Israel eine neue Grundlage für ihren Glauben und eine heilvolle Zukunftsperspektive. In diesem Prozess hat sich die Einsicht bewahrheitet, die Friedrich Hölderlin weit später formulierte: „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Die alttestamentliche Wissenschaft hat sich früher insbesondere mit den angeblichen Glanzzeiten Israels in der Mose- und Richterzeit, der Zeit der Staatsgründung unter David und Salomo und dem Wirken der großen Propheten im 8. vorchristlichen Jahrhundert befasst. Die Jahrhunderte seit dem Exil wurden eher als Epochen von Epigonen betrachtet. Die neueste Forschung entdeckt die Kreativität der Spätzeit, in der große theologische Denker am Werk waren. So entstand der Monotheismus nicht am Anfang, sondern gegen Ende der alttestamentlichen Glaubensgeschichte. Die Bibel kann die Theodizeefrage nicht endgültig und vernünftig lösen. Nach Moltmann begleitet uns das Ringen um die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes durch unser ganzes Leben hindurch: „In dieser Welt kann keiner die Theodizeefrage beantworten und niemand sie abschaffen. Leben in dieser Welt heißt mit dieser offenen Frage zu existieren und die Zukunft zu suchen, in der die Sehnsucht nach Gott erfüllt, das Leiden überwunden und das Verlorene wieder gebracht werden. … Je mehr einer glaubt, desto leidenschaftlicher fragt er nach Gott und der neuen Schöpfung.“626 Jüngel627 führt aus, dass sich in der Neuzeit die Frage nach Gott immer mehr zur Theodizeefrage verwandelt angesichts der Erfahrung von Ohnmacht, Sinnlosigkeit, Absurdität und nicht wieder gutzumachender Ungerechtigkeit. Er weist hin auf Jean Pauls Frage in der „Rede vom toten Christus“: „Vater, 25 Sparn, Theodizee, 233. 6 626 Moltmann, Trinität, 65. 627 Gott, 69.
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wo bist du?“ Die Alternative zwischen Anwesenheit und Abwesenheit Gottes sei falsch. „Der Glaube kann von Gottes Gegenwart nicht reden, ohne zugleich Gottes Abwesenheit mitzudenken, wie er ja auch in der Tat der Anwesenheit Gottes niemals ohne die Erfahrung seiner Entzogenheit gewiß wurde.“628 Die Antwort liege jenseits dieser Alternative, da „der Gedanke der Allgegenwart Gottes … durch das Nadelöhr des recht verstandenen Gedankens vom Tode Gottes“ hindurch müsse. Gottes Handeln in seiner Verborgenheit, Freiheit und Weltüberlegenheit kann der Mensch letztlich nicht beurteilen, sondern muss sich ihm unterordnen. Er ist transzendent und dennoch heilsam nahe. Das Alte Testament ist kein philosophisches Buch, das zeitlose Einsichten über das Wesen Gottes oder die Phänomene von Welt und Mensch enthält. Es muss vielmehr als Niederschlag von Erfahrungen verstanden werden, die Israel durch Generationen hindurch mit seinem Gott gemacht hat. Es hat JHWH als seinen Herrn erfahren, der ihm in Liebe zugewandt ist und zugleich Gehorsam von ihm fordert. Auf dem Tiefpunkt seiner Geschichte hat JHWH sein Volk nicht im Stich gelassen, sondern in ein neues Gottesverhältnis geführt. Angesichts der scheinbaren Schwäche seines Gottes erkannte Israel die Größe und Einzigartigkeit JHWHs. Dieser Glaube hatte weitreichende Folgen. Er vermittelte Vertrauen in die Zukunft, bewirkte die Heimkehr der Exilierten nach Palästina und den Neuanfang als Volk JHWHs. Es gehörte ein gewaltiger Mut dazu, als kleines, erniedrigtes und politisch unbedeutendes Volk inmitten der mächtigen polytheistischen Religionen die Selbstaussage JHWHs zu formulieren: „Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott.“ (Dtjes 44,6)
628 Jüngel, Gott, 71.
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P. English Summary Is God Just? Theodicy and Monotheism in the Old Testament with Special Regard to Deutero-Isaiah´s Theology In the current discussion about monotheism, the theodicy question hardly plays a role. The term theodicy in the Old Testament is usually only used in connection with the Book of Job. In this study the concept of theodicy is applied to the theology of Deutero-Isaiah and other texts of the Old Testament. The theodicy question is based on the doubts about God’s power, kindness, and wisdom. These doubts have haunted the Israelites, particularly since the exile, with regard to their God Yhwh. Deutero-Isaiah gives answer by confessing Yhwh as the only God and justifying his actions. Addressing the theodicy issue has set in motion a tremendously fruitful process that has led to a new understanding of God. Without the turning point in exile, the Yhwh belief would probably have perished. It was only through the preaching of Deutero-Isaiah and his school in the Babylonian diaspora that the Yhwh belief could be put on a new basis and thus survive. The commitment to Yhwh as the only God formed the basis for the New Testament. In the following, theodicy is defined as God’s justification in the face of doubts about his power, kindness, and wisdom. From this point of view, Deutero-Isaiah, Job, the Psalms, Ecclesiastes, Genesis, the historical and prophetical books are analyzed to what extent answers to the theodicy question are given. Deutero-Isaiah´s answer to the theodicy problem is closely related to the confession of Yhwh as the only universal God. Strictly speaking, it is a „Yahwedicy“, because it is not about the divine action in general, but about the concrete actions of Yhwh in certain situations in the sense of an “authentic theodicy” (Kant). The need to clarify the relationship between God and man´s experience emerged most sharply in the history of Israel through the catastrophe of the exile, when everything previously constitutive for the belief in Yhwh collapsed. Against this background, Deutero-Isaiah designs a communal theodicy. He wants to show that Yhwh continues to act powerfully, kindly, and wisely, i.e. proves to be “just” (ṣadīq). The communal theodicy differs
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English Summary
from the individual theodicy, as unfolded in particular in the Books of Job and Psalms. The prehistory (Gen 1–11) can be understood as a universal theodicy by justifying Yhwh as the only God who created and rules the world with sovereign power. He shows his kindness by graciously turning to people despite their misconduct. The good orders of nature reflect his power, kindness, and wisdom, which persist even after the deluge caused by man’s sin. Man expects God to shape the course of the life of the individual and the community in a targeted, powerful and healing way. Atheism is unknown in the ancient world. Faith falls into a deep crisis when the experience of reality can no longer be reconciled with the idea of God as powerful, merciful and wise. Then it is necessary to justify God’s existence and actions in the face of current sufferings and disasters. Monotheism means the recognition and worship of a single god, combined with the explicit practical and theoretical denial of the existence of other gods. While inclusive monotheism is largely tolerant of polytheistic ideas, exclusive monotheism distinguishes itself sharply from other gods whom it regards as non-existent. Monotheism is to be distinguished from monolatry, according to which practically only one god is worshiped, but the existence of other gods is not fundamentally contested. Another form of worship is henotheism, i.e. the temporary worship of a god or a pair of gods or a family of gods. However, the transitions are fluent and the definitions vary. The Hebrew terms for justicẹ (ṣ ͤ dāqā /ṣǽdæq) have recently been given a new interpretation. Justice in the Old Testament is not a norm or highest virtue, but a relationship. It is therefore not primarily a legal term, but a community-related term. Koch translates it as “communal loyalty” („Gemeinschaftstreue“). Man is just when he meets the demands of a community relationship. Yhwh is just when he uses his power, kindness, and wisdom for the people entrusted to him. His righteousness does not mean an abstract quality, but his concrete actions. Yhwh acts righteously (ṣaddīq) by giving salvation, i.e. peace, prosperity, victory over enemies, order and justice. His righteousness contains strength and is therefore linked to the dimension of power. By this he maintains the deed-consequence-connection („Tun-Ergehen-Zusammenhang“).
English Summary
213
The main part of the study deals with Deutero-Isaiah´s theology. The Israelites doubted the power, kindness, and wisdom of Yhwh in the exile. The purpose of Yhwh with the destruction of Jerusalem and the exile of the people could not be seen. The pillars of their religion were broken, namely kingship, land, and temple. Through them, Israel had previously experienced Yhwh’s justice. The temple was destroyed and a regular cult as the source of blessing was no longer possible. The destruction of the temple also affected the mightiness and thus the existence of the God living there. Many texts from the exile period express the fear that Yhwh left the Israelites. He seemed to have hidden his face before them and forgotten of them. He had handed them over to their enemies. Yhwh himself has become their enemy.The exiles felt abandoned like a rejected or childless wife. They doubted the reliability and wisdom of Yhwh. It hurt when the other peoples scornfully asked: Where is your God now? The people could see no meaning in the disaster. They certainly admitted that they and their fathers had sinned and thus caused the catastrophe. But the judgement was not proportionate to their wrongdoing. The impetus for a new beginning did not come from those who remained in Palestine, but from the so-called Gola, i.e. the Israelites expelled to Babylon. The Gola claimed to be the true people of God and generally accused those who remained behind of idolatry. While the Gola converted to a strict monotheism, the people at home continued to practice a syncretistic form of Yhwh religion. Deutero-Isaiah responds to the theodicy question by confessing Yhwh as the only universal God. He justifies Yhwh’s power, kindness and wisdom through several lines of argument: – He justifies Yhwh as the only God by demonstrating his universal, incomparable power in creation and history. – He justifies Yhwh as the only God by referring to the unique prophecy in Israel. Prophets have predicted the current catastrophe. This shows that he is God alone. – He justifies Yhwh by announcing his saving action, especially in the person of the Persian king Cyrus, who will return the Gola to its homeland.
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English Summary
– He justifies Yhwh by promising his protective and helping presence as the personal God of the whole people. It is no longer necessary and possible to turn to other gods. – He justifies Yhwh by demonstrating his mystery, freedom and superiority. – He justifies Yhwh by calling to the praise of the one almighty, gracious, and wise God. In the dialog part of the Book of Job the author describes that Job does not suffer from the powerlessness, but from the superiority of Yhwh. He has the impression that Yhwh’s freedom and sovereignty are transformed into arbitrariness. The focus is on doubts about Yhwh’s kindness and care. Yhwh is no longer recognizable to Job as a good, merciful God. Rather, he appears to him like a cruel tyrant. Job’s friends see God’s wisdom in the fact that according to the deed-consequence-connection, a faithful has a good fate and a godless person a bad one. Job’s misfortune shows that he must have sinned and that this is the just punishment. Job replies that he is aware of being a sinner. But he insists on a total mismatch between what he does and what he suffers. Job denies God’s wisdom because he cannot recognize it in his present suffering. The justification of Yhwh is described in several ways: – Yhwh is justified by demonstrating his universal power, kindness and wisdom in creation. A good order prevails among the creatures. Each animal has its place and fulfills its function according to a certain plan. Ultimately, human beings cannot understand this plan because it exceeds all human insight and abilities. Although evil and chaotic forces are at work in the world and have a certain independence, Yhwh remains the superior creator. – Yhwh is justified by experiencing his personal nearness. – Yhwh is justified by demonstrating his incomprehensible freedom, superiority, and the infinite distance between God and man. In the individual and communal Psalms of Lamentation the worshippers utter doubts about Yhwh´s power, kindness, and wisdom. Their doubts are answered in several ways through which they receive strength and hope:
English Summary
215
– They confess Yhwh as their personal God. – They confess Yhwh as a just God. – They praise Yhwh as the one creator and Lord of the universe. – They confess Yhwh as the near God. – They look back at Yhwh’s past actions as evidence of his power, kindness, and wisdom. The Prehistory in Gen 1 – 11 gives an implicit answer to the theodicy problem in the form of a narrative, universal theodicy. The priestly creation narrative repeats the sentence that God´s creation was very good. This is to say that God ordered everything wisely and has given each creature its meaningful place. The goal of creation is the Sabbath as a day of rest to justify God and to give him glory. The Jehovist narrative of creation and the fall of man ends with aetiologies. Behind these aetiologies is the theodicy question: Can Yhwh still be thought of as powerful, kind and wise in the face of so much suffering and pain, death and failure? The author wants to show that these negative phenomena do not correspond to God’s original will and are not part of the original creation. Rather, they are a result of human sin. Nevertheless, Yhwh remains merciful to mankind and enables it to start again. The flood narrative answers the theodicy question in three ways: – It testifies to God’s power and freedom to destroy the world again. – God is the judge of sin, but he gives mercy prior to justice and shows his kindness to man. – The orders of nature reflect God’s power, kindness, and wisdom. Thanks to his word of blessing, they remain effective inspite of the continuing sin of man. In the exilic-postexilic period the historical and prophetic traditions were collected and interpreted. A common school was obviously at work. This can be seen particularly in the fact that the books of the prophets were edited by the Deuteronomic school. The central theme of this literary activity is the theodicy question. The belief in the one God Yhwh is the basis of the Deuteronomistic history, the Books of Chronicles and Ezra-Nehemiah. The destruction of Jerusalem, the cessation of national existence and the deportation to Babylon
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English Summary
had to be understood by the Israelites as symptoms of Yhwh’s weakness. The historical books demonstrate his power and strength by describing the past. He powerfully guided his people through men like Moses, the judges, and kings. The catastrophe appeared senseless to the Israelites, a plan of God was no longer recognizable. The historical books prove that the catastrophe of 587 BC. does not represent an accident. Yhwh as the sole God had warned the Israelites through his messengers long enough. The authors emphasize the reliability of Yhwh´s word and exhort the Israelites to keep God’s commandments and not to turn to other gods. The catastrophe appeared in the eyes of the Israelites as evidence of Yhwh’s turning away from his people. The historical books make it clear that the exile was a just judgment of Yhwh, but also provide evidence of Yhwh’s kindness by including doxologies. The Books of the Prophets justify Yhwh by showing that it was not Yhwh but Israel that was to blame for the catastrophe. Rather, Yhwh had warned the Israelites through his messengers. Characteristic of eschatology is the announcement that Yhwh will destroy all empires at the end of time and redeem Israel. The faithful will live in close proximity to God and eternal peace. All doubts about Yhwh’s power, kindness and wisdom will be removed and his righteousness will be visible to everyone. A continuation of eschatology is the so-called apocalyptic. It describes how evil can develop temporarily, but will ultimately be overcome by God. In doing so, it answers the theodicy question and announces Yhwh´s righteousness for life after death. Justice is not a quality of God among many, but the central category of his being God. Therefore, the answer to the theodicy question has had a decisive influence on the development of the Old Testament idea of God. An important turning point was the exile. The resulting deep crisis of faith turned into an opportunity for a new reflection and deepening of the Israelite understanding of God. Israel did not gain its answers to the theodicy question by speculation or doctrine, but by God´s revelation within a specific situation. Since the exile, the Yhwh belief is monotheistic and universal. The pre-exilic religion was polytheistic or syncretistic. A monotheism in the strict sense did not exist before the exile. For many Israelites, the juxtaposition of worshiping Yhwh and the worship of local deities was
English Summary
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obviously unproblematic. The pre-exilic prophets were primarily concerned with enforcing the will of Yhwh in Israel and not with the question of his uniqueness. In the exile Israelite monotheism was formed for which certain reasons were decisive: – Families and local communities worshiped a personal God. This can be understood as a preliminary stage to monolatry or relative monotheism. – David chose Yhwh to be the personal patron god of his dynasty. His son Solomon built the temple in Jerusalem, which was the property of the royal house and the state shrine. Because of the personal ties of the Davidic house to Yhwh, the worship of Yhwh spread especially in Judah. A development in the direction of monolatry began. – The preaching of the prophets had a decisive influence on the formation of monotheism resulting in a Yhwh alone movement. – In the middle of the 1st millennium BC, particularly in Mesopotamia and Persia, monotheistic, monolatric or henotheistic trends can be traced. Zarathustra proclaimed Ahuramazda as the only god. The Persian kings were often followers of Zarathustra and spread his teaching throughout the empire. The assumption suggests that the Jewish theologians of the exile took up suggestions from the religion of Zarathustra in order to testify to the uniqueness of their God Yhwh. – Persian influence can be traced in the Old Testament, e.g. angels and dualism. Then a reason would be found for the amazing sympathy that Jews and Persians felt for one another. It was the Persian king Cyrus who allowed the Jews in 538 BC. to return to Palestine and even financed the reconstruction of the temple from state funds. – The impetus for a new beginning did not come from those who remained in Palestine but from the Babylonian exiles. For them it was neccessary to clarify their identity. They claimed to be the only legitimate heirs of ancient Israel and accused the rural dwellers of idolatry. Only the exiles recognized that the worship of other gods was not compatible with the confession to Yhwh and that this was the reason for the judgment. In this conversion of the Gola, the birth of biblical monotheism happened in response to the theodicy question.
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English Summary
Conclusion 1. The monotheistic belief in Yhwh as the only God is the main answer to the question of theodicy which came up in the time of exile. If there is only one God, then his words and actions must concern all world history and the whole universe. The pre-exilic prophets dealt exclusively with Israel and Judah and the neighboring countries. With Deutero-Isaiah, the view opens up beyond Israel to the rule of Yhwh over all nations. Monotheism and universalism are mutually dependent and have been firmly anchored in the belief of Israel since then. 2. Deutero-Isaiah, Job, and Genesis refer to the diversity and wonderful order of creation to demonstrate Yhwh’s wisdom, kindness, and universal power as unique creator and just Lord of the world. Creation and history are closely linked and are under the direction of the one God. Creation is not a past event alone, but prevails in the present and future through which the salvation of God continues. Deutero-Isaiah speaks so impressively and programmatically of Yhwh´s creative work that it must be concluded that this aspect of belief was not self-evident for his contemporaries. 3. Deutero-Isaiah justifies the existence of Yhwh by pointing to the effectiveness of the prophetic word. Against this background, the historical and prophetic traditions of the Old Testament were collected and interpreted. 4. Deutero-Isaiah, the Psalms and the historical books justify God by demonstrating his powerful, reliable, and just action in Israels history. In the near future, God will intervene in the person of Cyrus and free Israel from exile. History does not go without a plan, but is controlled powerfully and wisely by Yhwh. It is only at the end of time that God’s rule is finally justified when he creates a new heaven and earth. The eschatological and apocalyptic hopes give the ultimate answer to the theodicy question. 5. Deutero-Isaiah, Job, and the Psalms describe how personal experience of God’s presence answers the theodicy question.This answer cannot be given by doctrine, philosophy or speculation, but must come from authentic experience.
English Summary
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6. Deutero-Isaiah transfers the idea of the personal God to the relationship of the whole people to Yhwh. Yhwh is as close to every Israelite as a personal God to his protege. Until then, many Israelites had worshiped Yhwh primarily as a state or people’s god in the context of official religion. Now they no longer need to turn to the other deities for their individual needs, but can expect everything from him. Therefore, in the Psalms, worshippers praise God as just, sovereign and lovingly devoted. 7. Deutero-Isaiah, Job, Ecclesiastes, and Genesis answer the theodicy question by emphasizing God’s mystery, freedom, and sovereignty. There is an absolute difference and distance between God and man that man has to submit to. God does not need any advice, but rules in absolute freedom over mankind, creation, and history. However, God does not exercise his freedom arbitrarily, but acts graciously towards man. 8. If Yhwh is confessed as the only one God, all other peoples who do not recognize him are outside salvation. Thus Jewish monotheism led to the strict separation from the gentiles and the awareness of an exclusive position of Israel. Monotheism and exclusivity therefore belong together. According to Deutero-Isaiah, this is linked to Israel’s mandate to testify to Yhwh’s uniqueness towards all the world. 9. Deutero-Isaiah´s monotheism is in an essential part of soteriology. It is not a new idea of God, but a new saving experience in the encounter with the one God. At the lowest point in its history, Yhwh did not abandon his people, but led them into a new relationship with him. Given the apparent weakness of its God, Israel recognized the greatness and uniqueness of Yhwh. 10. In Deutero-Isaiah, in the historical and prophetic writings, and in the Psalms, the theodicy question is solved in doxology, by which man gives glory to God as the epitome of infinite power, kindness, and wisdom. That is why doxologies are inserted in the prophetic and historical books. 11. The experience of the exile initially left the Israelites speechless and unable to act. Under the influence of powerful theological thinkers and prophetic figures, they were torn out of their apathy, and the
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English Summary
belief in Yhwh as the only God was creatively refined and strengthened. On the one hand, the advent of monotheism meant a deep cut in the religious history of Israel. On the other hand we also have to consider continuity: It is the same God Yhwh who is at the heart of faith before and after exile and guides the history of his people.
Register 1. Bibelstellen (in Auswahl) Genesis –– 1,1 – 2,4a 23, 152f –– 2,4b – 3,24 36, 113, 115, 153ff –– 6 – 9 155ff –– 6,1-4.17 41.151 –– 7,15.22 41 –– 8,21f 156 –– 15,5ff 35, 45 –– 18,10ff 40, 45 –– 22,12 23 –– 25,8.21 37, 45 –– 28,10-22 37f –– 30,2.5 45 –– 31,7 38 –– 31,19ff 29 –– 31,48-54 23, 38 –– 32,29 37, 113 –– 35,1-7 38 –– 39,2-5 37f –– 49,25 45 Exodus –– 3,1-7 12, 102 –– 3,14 23 –– 4,17.21 41, 45f –– 6,2 29 –– 7,5 102 –– 10,1 46 –– 10,21 73 –– 11,10 46 –– 14,4.18 102 –– 20,2f 27 –– 20,24 27 –– 22,19 27 –– 23,13.27f 27, 40 –– 32,7ff 46
–– 33,11 41 Leviticus –– 10,1-7 25 –– 19,18 183 Numeri –– 11,20 21 –– 12,8 41 –– 14,3 14 –– 24,2 23 –– 31,16 25 Deuteronomium –– 2,30 46 –– 4,7 110, 163 –– 4,30 162 –– 4,34.39 160 –– 5,6ff 20, 27 –– 6,4f 160, 183 –– 6,32 160 –– 12,1ff 163 –– 12,13-18 28 –– 24,1 72 –– 28,4 45 –– 31,20 21 –– 32,3ff 27, 163, 190 –– 32,15 115 –– 33,1 40f, 45 –– 33,5.23 35, 115 –– 34,10ff 41 Josua –– 10,10ff 40 –– 14,6 41, 45 –– 21,45 162 –– 23,14 161 –– 24,14f 22, 40 Richter –– 2,16 162
222 –– 3,10f 35, 42 –– 6,13.34 42, 46, 115 –– 9,23 45 –– 11,23ff 28, 42, 115 –– 13,25 46 –– 17f 23, 28 Rut –– 1,16 30 1.Samuel –– 1,5 45 –– 2,25 46 –– 6,20 24 –– 7,3.13 40, 162 –– 9,6ff 40f –– 11,1-11 43, 115 –– 12,7.19 35, 162 –– 16 – 2Sam 5 38ff –– 18,10.14 38, 45 –– 19,9 45 –– 23,14 38 –– 24,7.11 44 –– 26,16-19 30, 46 –– 28,13.18 22, 40 2.Samuel –– 1,14.22 16, 44, 93 –– 5,10 38 –– 6,18 44 –– 7 29 –– 16,10f 45f –– 19,22 44 –– 23,1 44 –– 24,1 27, 46 1.Könige –– 3,4-15 43 –– 8,13f 44, 50 –– 8,23.47.50 21, 160, 162 –– 11,1 30 –– 12,15 46, 162 –– 13,3-5 160 –– 15,13.29 26
Register
–– 16,10f.31 30, 46 –– 17,18 23, 41, 45 –– 18,36 30 –– 20,13 102 –– 21,10 44 –– 22,18ff 45f, 60, 87 2.Könige –– 2,21 41 –– 4,7.29.34 41 –– 17,7ff 161 –– 21,7.11-15 27, 164 –– 22f 32 –– 23,4 27 1.Chronik –– 23,14 45 –– 28,9 102 2.Chronik –– 2,11 164 –– 6,42 44 –– 8,14 40f –– 12,6 164 –– 20,7 109 –– 30,16 45 –– 33,11ff 164 –– 36,12-17 161, 164 –– 36,21-23 55, 164, 178 Esra –– 1,2-4 55, 178 –– 3,2 41 –– 7,12 178 –– 9f 165, 178, 180 Nehemia –– 9,6-8 164f –– 10,23ff 55 –– 13,23ff 180 Hiob –– 1f 22, 27, 60, 131ff –– 3,1ff 14, 132ff –– 4,7-11.17-21 134f –– 6,24ff 134
Register
–– 7,12ff 133f –– 8,3-7 134f –– 9,22-24 133, 137, 142 –– 10,7ff 121, 133f, 140 –– 11,5-9 135 –– 15,14-16 135 –– 16,9ff 133f, 244 –– 18,4 135 –– 19,6.11.25-27 134, 137f –– 29,19 115 –– 31 133 –– 34,17 135 –– 38,1 – 39,30 135f –– 38,4.22ff 136, 139f –– 40,2-5 133, 139f –– 40,6 - 41,26 135f, 187 –– 40,15-24 133 –– 41,8f 140 –– 42,1-6 133, 137ff, 188f –– 42,7-17 37, 142 Psalmen –– 1,2f 115 –– 3,2.8 39 –– 4,2 145 –– 7,2ff 35 –– 10, 4.11 14, 21 –– 13,1ff 39 –– 14,1 21 –– 22,1ff 36, 39f, 144f –– 24,1f 77 –– 25,7.18 39 –– 27,1 146 –– 30,2f 145 –– 31,9 39 –– 33,5 35 –– 35,29 37 –– 36,7-10 35f –– 37,5 69 –– 39,6 67 –– 42,4ff 14, 21
223
–– 44,2ff 21, 40, 50f, 74, 96, 145ff –– 45,7 23, 43 –– 48,11f 35, 147 –– 51,3ff 39 –– 53,2 21 –– 54,8 74 –– 63,2f 145 –– 65,6 35, 147 –– 71,2ff 35f, 147 –– 72,1 44, 145 –– 73,23-26 132, 146, 190 –– 74,1ff 33, 147 –– 78,43 160 –– 79,10 21, 52, 145 –– 82,1ff 27, 35, 60, 96, 143ff –– 85,5 35 –– 89, 6ff 27, 33, 143 –– 91,1f 41, 45, 145 –– 95,3 32 –– 96,4f 32 –– 97,2ff 32, 35, 147 –– 98,2f 147 –– 104,2.29f 36, 67, 115 –– 106,31 35 –– 111,2ff 35, 107 –– 112,9 107 –– 115,2 21, 145 –– 143,112 35, 147 –– 147,15ff 93, 145 Proverbien –– 3,5f 102 Kohelet –– 3,1-9.17 148 –– 5,1 148 –– 7,20 148 –– 8,14 258 –– 9,1 140 Jesaja –– 1,2-4 21, 72 –– 2,2-4 171
224
Register
–– 5,19 66 –– 6,1-3.9f 46, 87 –– 7,18 100 –– 9,5.7 93, 102 –– 11,6ff 154, 171 –– 12 169 –– 13,19 40 –– 17,10 21 –– 24 – 27 172 –– 25,8 171 –– 28,23ff 66 –– 29,18 171 –– 32,3f.15 115, 171 –– 33,23 171 –– 35,1ff 75, 171 –– 40,1-11 57, 72, 74, 81, 92, 108, 119, 124 –– 40,12-17 59, 62ff, 81, 86, 124ff –– 40,18-20 57, 181 –– 40,21-31 59, 62ff, 77, 81f, 109, 123f, 127 –– 41,1-5 50, 59f, 66, 84ff, 93ff, 105, 109, 123, 127 –– 41,6f 57, 181 –– 41,8-16 35, 50, 55, 59, 63, 67, 108ff, 114f, 127f –– 41,17ff 73, 102, 115, 120 –– 41,21-29 59, 63, 68, 77, 84f, 91, 119, 124f, 128f –– 42,1-4 57, 107, 127, 129, 144 –– 42,5-9 50, 61ff, 82, 91, 102, 112, 115, 123, 129 –– 42,10-12 125ff –– 42,13-17 57, 63, 73f, 95, 127 –– 42,21ff 50, 72 –– 43,1-7 59f, 68f, 86, 109, 111, 121, 128
–– 43,8-13 59f, 63, 82f, 91, 94f, 102, 109, 111, 127ff –– 43,14f 52, 69, 78, 112, 119, 122, 129 –– 43,18f 52, 62f, 72, 91, 115, 119, 128f –– 44,1-5 51, 59f, 115, 128, 209 –– 44,6-8 59ff, 77ff, 80ff, 87, 91, 93, 114, 119, 125, 128f, 189 –– 44,9-20 57, 64, 80, 181 –– 44,22f 109, 112, 125, 128 –– 44,24-28 57, 62f, 75, 80, 82, 94, 97, 105, 112, 115, 127 –– 45,1-8 35, 50, 57, 59, 62f, 67f, 78, 82f, 97ff, 102, 109, 111, 115, 120, 126ff, 178 –– 45,9-13 16f, 45, 50, 57, 59, 67, 69, 111, 120ff, 128, 140, 149 –– 45,15 57, 62, 111, 123, 128, 140, 193 –– 45,19-25 123, 127f –– 46,1 80, 175 –– 46,3ff 57, 64, 78, 81, 87f, 94, 103, 109, 115, 127f, 181 –– 47,4ff 67, 111 –– 48,1ff 50, 63f, 78, 81, 83, 91, 128f –– 48,12-17 35, 50, 59, 61, 74, 82, 84, 94, 105f, 109, 111, 122f, 127, 129 –– 48,20f 50, 55, 112, 114, 119, 125, 128 –– 49,1-6 57, 115, 144 –– 49,7ff 55, 57, 81, 109, 111, 119, 122, 127f –– 49,23.26 55, 102
Register
–– 50,1-3 52, 59f, 106f, 112, 116, 127f –– 50,4-9 57, 66, 74, 82, 108, 129, 144 –– 51,1ff 35, 50, 110, 127, 174 –– 51,9ff 57, 109, 116, 119, 126ff –– 52,1ff 55, 57, 66, 74, 81, 86, 112, 119, 125f, 129 –– 52,13 – 53,12 57, 144 –– 53,1ff 50, 55, 74 –– 54,1 53 –– 54,4-10 52, 83, 109, 111, 116ff, 122, 128 –– 54,14ff 35, 50, 61, 66 –– 55,3ff 57, 62, 110f, 119f, 124f –– 55,10ff 81, 92f, 111, 126, 128 –– 57,17 51, 61f, 171 –– 59,1f 50, 52, 96 –– 62,1f 51, 171 –– 63,11ff 50, 52 –– 64,9.11 51f –– 65,17ff 171 –– 66,2 171 Jeremia –– 1,7 101 –– 2,4f.13.28 27, 36, 51 –– 3,8.20 21, 72 –– 7,23 21 –– 8,7.19 21, 51f –– 10,12ff 67, 69, 169 –– 11,1ff 51 –– 12,1ff 51, 116, 144 –– 14,8f 45 –– 15,18 144 –– 17,7f 115 –– 18 121 –– 20,7.14 144
225
–– 23,18.23.29.32 45, 52, 92, 144, 168 –– 24 53, 179 –– 25,9 100 –– 27,6 100 –– 30,15 52 –– 31,19 54 –– 31,31-34 107, 119 –– 33,4f 52 –– 43,10 100 Klagelieder Jeremias –– 1,16f 51 –– 2,1ff 50f –– 3,2ff 52 –– 5,20 96, 118 Ezechiel –– 1,22 67 –– 8,1.12 51, 54, 116 –– 9,9 51, 116 –– 11,22f 53, 179 –– 14 – 16 32, 54, 72, 118 –– 18,2.25.29 52 –– 20,1.3 52, 54, 173 –– 20,33ff 53 –– 23 118 –– 24,24 160 –– 33,24ff 54, 179 –– 36,27 115 –– 37,5ff 41, 50, 171 –– 38f 172 –– 39,23 51 –– 43,1ff 50, 53, 83 –– 47,1-7 171 Daniel –– 11,1ff 172 –– 12,1f 172 Hosea –– 1 + 3 72, 118 –– 4,1 23
226 –– 11,1f.8f 72, 168 –– 14,1ff 168f Joel –– 2 – 4 172 Amos –– 3,7 167 –– 4,13 169 –– 5,8f 169 –– 9,5f 169 Micha –– 3,4 46 –– 4,1ff 15, 30, 171 –– 6,5 35 –– 7,10 52 Habakuk –– 1,13 51 Haggai –– 2,1ff 67, 171 –– 2,10ff 53, 179 Sacharja –– 3,1f 131 –– 9,9f 35, 61, 171 –– 14,1ff 171 Markus –– 12,29f 183 –– 13,13.32 183, 186 Lukas –– 24,21 185 Johannes –– 1,3 183 Apostelgeschichte –– 1,8 189 –– 17,24 183
Register
Römer –– 1,16f 184 –– 2,5ff 183 –– 3,5 14 –– 3,21 184 –– 9,14ff 183, 185 –– 11,33-36 184 1.Korinther –– 1,9 184 –– 1,18ff 185f, 191 –– 8,5f 183 –– 10,13 184 –– 15,28 183, 186 2.Korinther –– 5,10 183 Galater –– 3,20 183 –– 5,5 186 Epheser –– 1,21 183 Philipper –– 2,10f 184 Kolosser –– 1,15 183 1.Johannes –– 10,10 184 Hebräer –– 1,1f 187 –– 11,3 183 Offenbarung –– 1,8 183 –– 6,1 73
Register
227
2. Namen Ahab 30 Ahuramazda 19, 176f, 213 Amun-Re 31 Anat(-Bethel) 26, 31 Asa 26 Ascham-Bethel 31 Aschera 26, 32 Astarte 26, 29 Astyages 56 Aton 19 Baal 26f, 29, 32 Bel 31, 93 Bildad 132, 134f Boethius 14 Chnum 31 David 29f, 38, 40f, 43ff, 110, 174, 194, 217 Echnaton 19 El 27, 31f, 68, 77 Eli 46 El Eljon 27, 32f Elia 30, 41, 45 Elifas 132, 134 Epikur 14 Esra 165, 178, 180 Gideon 41f, 46 Haram-Bethel 31 Jakob 27, 29, 38, 52, 55, 64, 69, 77f, 88, 98, 105, 108, 111f, 114, 125, 128, 188 Jephta 28, 42
Josef 37 Josia 32, 162 Kemosch 28 Krösus 56, 101 Kyros (II.) 56f, 63, 78, 80ff, 91, 93ff, 97, 100ff, 113, 120f, 123, 127, 176ff, 188 Maacha 26 Manasse 27, 164 Michal 29 Marduk 19, 31, 66ff, 75, 77, 82, 93, 95, 101, 104, 127, 152, 175f, 180 Mose 25, 40f, 45, 161, 163, 185, 190, 194 Nabonid 19, 56, 93, 95, 104, 175 Nabu (Nebo) 31, 175 Nebukadnezar 100 Nehemia 180 Nergal 31 Othniel 42 Rahel 29 Salomo 27, 30, 41, 43f, 174, 194 Samuel 40f Schamasch 31, 175 Sin 56, 93, 104, 175 Zarathustra 19, 104, 176, 217 Zedekia 164 Zofar 132
228
Register
3. Autorinnen und Autoren Ackroyd, Peter R. 179 Albertz, Rainer 26, 28, 41, 58, 102, 104, 110, 112, 182 Alt, Albrecht 26 Assmann, Jan 182 Baltzer, Klaus 68f, 110, 122, 130, 178 Bartelmus, Rüdiger 23 Barth, Christoph 37 Barton, John 167 Beck, Martin 32, 182 Becker, Uwe 57 Begrich, Joachim 59f, 72, 78, 98, 108 Bernhardt, Karl Heinz 43 Bons, Eberhard 80 Buntfuß, Markus 14, 147 Crenshaw, James L. 126, 144, 159 Crüsemann, Frank 60, 90, 134, 139 Dietrich, Walter 15, 51, 53, 96, 193 Duhm, Bernhard 66, 70, 74f, 80, 88 Eberlein, Karl 50, 66, 88, 99, 100, 105, 118 Ebeling, Gerhard 16 Eichrodt, Walther 140f, 151 Eisenbeis, Walter 37 Eißfeldt, Otto 27 Elliger, Karl 59, 62, 65ff, 82, 87, 98, 114f, 121 Feldmeier, Reinhard 19f, 32, 86, 105 Fohrer, Georg 60, 64, 69, 72ff, 82ff, 88f, 91ff, 99, 107, 109, 113, 119ff
Freuling, Georg 141 Fuchs, Ottmar 173 Galling, Kurt 113 Gerstenberger, Erhard 180f Gertz, Jan Christian 19f, 31, 57, 95, 102, 131, 134, 178 Görg, Manfred 23f, 110, 114 Gollwitzer, Helmut 193 Green, Ronald M. 17, 145 Hartenstein, Friedhelm 76 Hegel, Georg Wilhelm 15 Hermisson, Jürgen 54, 59ff, 65f, 69f, 77, 99 Jacob, Edmond 24 Janowski, Bernd 33ff, 182 Japhet, Sara 164f Jaspers, Karl 179 Jenni, Ernst 60, 95, 100, 103 Jüngel, Eberhard 189, 194f Kaiser, Otto 15, 26, 29, 31, 146, 153, 163, 167f Kant, Immanuel 15ff, 61, 71, 179, 211 Keel, Othmar 30, 61, 136f, 175 Knauf, Ernst A. 177 Knierim, Rolf 21, 40, 49 Koch, Klaus 10, 33ff, 97, 159, 212 Köckert, Matthias 26 Köhler, Ludwig 33, 57 Köhlmoos, Melanie 10, 18, 162 Korpel, Marjo C.A. 74, 147 Kratz, Reinhard G. 100f Kraus, Hans-Joachim 146 Kreuzer, Siegfried 20 Kubina, Veronika 133, 137, 140 Kutsch, Ernst 43f, 100, 138, 140
Register
Laato, Antti 9, 16, 162, 171 Lang, Bernhard 9, 32, 86, 175 Leeuw, Geraldus van der 86 Leibniz, Gotthold Wilhelm 14f Lessing, Gotthold Ephraim 176 Levin, Christoph 155 Lindström, Fredrik 147 Link, Christian 15, 193 Loader, James A. 148, 160 Lommel, Herman 176 Marquard, Odo 16 Melugin, Roy F. 60, 98 Merendino, Rosario P. 65, 69f, 104, 116f, 121 Mettinger, Tryggve 65 Meyer, Eduard 31 Meyer zum Felde, Nina 138, 145 Michel, Diethelm 84ff, 102 Moltmann, Jürgen 13, 191, 194 Moor, Johannes C. de 16, 31, 74, 147, 171 Mowinckel, Siegmund 22, 37, 42 Niehr, Herbert 32, 181 Niemann, Hermann M. 10, 29, 32, 181 Noth, Martin 26 Nyberg, Henrik S. 159 Oelmüller, Willi 15 Oorschot, Jürgen van 25, 57, 129, 141 Otto, Rudolf 24, 124 Pedersen, Johannes 37 Perlitt, Lothar 50ff, 71, 162 Petry, Sven 19, 26, 28, 53, 58, 62, 80, 129, 177, 180 Preuß, Horst D. 49, 60f, 65, 71, 77ff, 98, 138, 181 Procksch, Otto 112
229
Rad, Gerhard von 25f, 39, 124, 136, 156f, 163 Ratschow, Carl Heinz 23f Rendtorff, Rolf 83, 101, 103, 115, 118, 160 Rösel, Martin 31 Roth, Wolfgang 161 Rupprecht, Eberhard 137 Saeboe, Magne 159 Sandler, Willibald 13, 151 Schmid, Hans Heinrich 34 Schmid, Konrad 27 Schmidt, Ludwig 39, 131 Schmidt, Werner H. 22, 44, 159 Schmitt, Hans-Christoph 28, 58f, 110 Schoors, Antoon 60, 148f Scullion, John J. 61 Slenczka Reinhard 16 Soden, Wolfram von 23 Sölle, Dorothee 193 Soggin, J. Alberto 27 Sparn, Walter 193f Spieckermann, Hermann 19f, 32, 86, 105 Steck, Odil Hannes 58, 78f Stolz, Fritz 65, 71, 174 Streibert, Christian 62, 76, 126 Stuhlmacher, Peter 184 Thiel, Winfried 168 Thomas, D. Winston 159 Tigay, Jeffrey H. 29 Toorn, Karel van der 28 Trillhaas, Walter 14 Utzschneider, Helmut 10, 138 Volz, Paul 46, 70, 72, 79, 85, 92, 101, 107, 109, 123f,
230 Vorländer, Dorothea 193 Waldow, Hans Eberhard von 59, 68 Weber, Max 16 Wehmeier, Gerhard 115 Weippert, Manfred 95 Wellhausen, Julius 26, 180 Wenz, Gunther 30, 86, 179 Werner, Herbert 151
Register
Westermann, Claus 24, 41, 59f, 65ff, 72, 74, 78, 82, 84, 88, 94, 100, 102f, 121 Wildberger, Hans 9, 19, 85, 87, 89, 104, 126 Witte, Markus 148, 178 Wolff, Hans Walter 23 Zapff, Burkhard M. 26, 180 Zimmerli, Walther 51, 101f
BEITRÄGE ZUR ERFORSCHUNG DES ALTEN TESTAMENTS UND DES ANTIKEN JUDENTUMS Herausgegeben von Matthias Augustin, H. Michael Niemann und Meik Gerhards Band
1 Jürgen Kegler/Matthias Augustin: Synopse zum Chronistischen Geschichtswerk. 2., erweiterte Auflage. 1991.
Band
2 Yehoshua Amir: Studien zum Antiken Judentum. Mit einem Geleitwort von Michael Mach.1985.
Band
3 Matthias Augustin: Der schöne Mensch im Alten Testament und im hellenistischen Judentum. 1983.
Band
4 Wolfram Herrmann: Ester im Streit der Meinungen. 1986.
Band
5 Karl Eberlein: Gott der Schöpfer - Israels Gott. Eine exegetisch-hermeneutische Studie zur theologischen Funktion alttestamentlicher Schöpfungsaussagen. 2. erweiterte Auflage. 1989.
Band
6 Dieter Vieweger: Die Spezifik der Berufungsberichte Jeremias und Ezechiels im Umfeld ähnlicher Einheiten des Alten Testaments. 1986.
Band
7 Siegfried Wagner/Herbert Breit: Die Menschenfreundlichkeit Gottes. Alttestamentliche Predigten mit hermeneutischen Überlegungen. 1986.
Band
8 Christian Streibert: Schöpfung bei Deuterojesaja und in der Priesterschrift. Eine vergleichende Untersuchung zu Inhalt und Funktion schöpfungstheologischer Aussagen in exilisch-nachexilischer Zeit. 1993.
Band
9 Sara Japhet: The Ideology of the Book of Chronicles and Its Place in Biblical Thought. 1989. 2., revised edition 1997.
Band
10 Jan Heller: An der Quelle des Lebens. Aufsätze zum Alten Testament. Mit einem Geleitwort von Werner H. Schmidt. 1988.
Band
11 Hartmut N. Rösel: Israel in Kanaan. Zum Problem der Entstehung Israels. 1991.
Band
12 Hans Seidel: Musik in Altisrael. Untersuchungen zur Musikgeschichte und Musikpraxis Altisraels anhand biblischer und außerbiblischer Texte. 1989.
Band
13 Matthias Augustin/Klaus-Dietrich Schunck (Hrsg.): »Wünschet Jerusalem Frieden«. Collected Communications to the XIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Jerusalem 1986. 1988.
Band
14 Ithamar Gruenwald: From Apocalypticism to Gnosticism. Studies in Apocalypticism, Merkavah Mysticism and Gnosticism. 1988.
Band
15 Mathias Schubert: Schöpfungstheologie bei Kohelet. 1989.
Band
16 Siegfried Bergler: Joel als Schriftinterpret. 1988.
Band
17 Klaus-Dietrich Schunck: Altes Testament und Heiliges Land. Gesammelte Studien zum Alten Testament und zur biblischen Landeskunde. Band I. 1989.
Band
18 Nathan Schur: History of the Samaritans. 1989. 2. überarb. Aufl. 1992.
Band
19 Helmut Utzschneider: Künder oder Schreiber? Eine These zum Problem der "Schriftprophetie" auf Grund von Maleachi 1,6 - 2,9. 1989.
Band
20 Klaus-Dietrich Schunck/Matthias Augustin (Hrsg.): »Goldene Äpfel in silbernen Schalen«. Collected Communications to the XIIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Leuven 1989. 1992.
Band
21 Martin Remus: Menschenbildvorstellungen im Ijob-Buch. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Anthropologie. 1993.
Band
22 Reinhold Then: "Gibt es denn keinen mehr unter den Propheten?" Zum Fortgang der alttestamentlichen Prophetie in frühjüdischer Zeit. 1990.
Band
23 Gerhard Wallis: Mein Freund hatte einen Weinberg. Aufsätze und Vorträge zum Alten Testament. 1993.
Band
24 Naomi G. Cohen: Philo Judaeus. His Universe of Discourse. 1995.
Band
26 Dieter Vieweger: Die literarischen Beziehungen zwischen den Büchern Jeremia und Ezechiel. 1993.
Band
27 Thomas Nauerth. Untersuchungen zur Komposition der Jakoberzählungen. Auf der Suche nach der Endgestalt des Genesisbuches. 1997.
Band
28 Matthias Augustin / Klaus-Dietrich Schunck: Dort ziehen Schiffe dahin … Collected Communications to the XIVth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Paris 1992. 1996.
Band
29 Nathan Schur: History of the Karaites. 1992.
Band
30 Hans Volker Kieweler: Ben Sira zwischen Judentum und Hellenismus. Eine Auseinandersetzung mit Th. Middendorp. 1992.
Band
31 Lutz Bauer: Zeit des Zweiten Tempels – Zeit der Gerechtigkeit. Zur sozio-ökonomischen Konzeption im Haggai-Sacharja-Maleachi-Korpus. 1992.
Band
32 Udo Schwenk-Bressler: Sapientia Salomonis als ein Beispiel frühjüdischer Textauslegung. Die Auslegung des Buches Genesis, Exodus 1-15 und Teilen der Wüstentradition in Sap 10-19. 1993.
Band
33 Jürgen Kegler / Matthias Augustin: Deutsche Synopse zum Chronistischen Geschichtswerk. 1993.
Band
34 Stefan Stiegler: Die nachexilische JHWH-Gemeinde in Jerusalem. Ein Beitrag zu einer alttestamentlichen Ekklesiologie. 1994.
Band
35 Dietmar Mathias: Die Geschichtstheologie der Geschichtssummarien in den Psalmen. 1993.
Band
36 Wolfram Herrmann: Jüdische Glaubensfundamente. 1994.
Band
37 H. Michael Niemann / Matthias Augustin / Werner H. Schmidt (Hrsg.): Nachdenken über Israel, Bibel und Theologie. Festschrift für Klaus-Dietrich Schunck zu seinem 65. Geburtstag. 1994.
Band
38 Nathan Schur: The Karaite Encyclopedia. 1995.
Band
39 Jannie Hunter: Faces of a Lamenting City. The development and coherence of the Book of the Book of Lamentations. 1996.
Band
40 Martin A. Klopfenstein: Leben aus dem Wort. Beiträge zum Alten Testament. 1996.
Band
41 Michael Ehrmann: Klagephänomene in zwischentestamentlicher Literatur. 1997.
Band
42 Klaus-Dietrich Schunck / Matthias Augustin (Hrsg.): "Lasset uns Brücken bauen...". Collected Communications to the XVth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Cambridge 1995. 1998.
Band
43 Johannes Loh: Paradies im Widerspiel der Mächte. Mythenlogik – eine Herausforderung für die Theologie. 1998.
Band
44 Zecharia Kallai: Biblical Historiography Geography. Collection of Studies. 1998.
Band
45 Uwe F. W. Bauer: "Warum nur übertretet ihr SEIN Geheiß!" לָמָ ח ֶז אחֶ ם עֹ כְ ים אֶ ח־פי יֶחן ָח. Eine synchrone Exegese der Anti-Erzählung von Richter 17-18. 1998.
Band
46 Norbert Dennerlein: Die Bedeutung Jerusalems in den Chronikbüchern. 1999.
Band
47 Hans-Peter Mathys: Vom Anfang und vom Ende. Fünf alttestamentliche Studien. 2000.
Band
48 Jürgen Kegler: dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen (Ps 85,11). Gesammelte Aufsätze, Predigten, Rundfunkreden. 2001.
Band
49 Hans Volker Kieweler: Erziehung zum guten Verhalten und zur rechten Frömmigkeit. Die Hiskianische Sammlung, ein hebräischer und ein griechischer Schultext. 2001.
Band
50 Klaus-Dietrich Schunck: Altes Testament und Heiliges Land. Gesammelte Studien zum Alten Testament und zur biblischen Landeskunde. Zum 75. Geburtstag von KlausDietrich Schunck, herausgegeben von H. Michael Niemann und Matthias Augustin. Band II.2002.
Band
51 Matthias Augustin / Hermann Michael Niemann (Hrsg.): "Basel und Bibel". Collected Communications to the XVIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Basel 2001. 2004.
Band
52 Kyung-Chul Park: Die Gerechtigkeit Israels und das Heil der Völker. Kultus, Tempel, Eschatologie und Gerechtigkeit in der Endgestalt des Jesajabuches (Jes 56, 1-8; 58, 114; 65, 17-66, 24). 2003.
Band
53 Philipp A. Enger: Die Adoptivkinder Abrahams. Eine exegetische Spurensuche zur Vorgeschichte des Proselytentums. 2006.
Band
54 Hermann Michael Niemann / Matthias Augustin (eds./Hrsg.): Stimulation from Leiden. Collected Communications to the XVIIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Leiden 2004. 2006.
Band
55 Matthias Augustin / Hermann Michael Niemann (eds./Hrsg.): Thinking Towards New Horizons. Collected Communications to the XIXth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament, Ljubljana 2007. 2008.
Band
56 Zecharia Kallai: Studies in Biblical Historiography and Geography. Collection of Studies. 2010.
Band
57 Hermann Michael Niemann / Matthias Augustin (eds./Hrsg.): “My Spirit at Rest in the North Country” (Zechariah 6.8). Collected Communications to the XXth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament. Helsinki 2010. 2011.
Band
58 Ulrich Palmer: Ernst Sellin – Alttestamentler und Archäologe. Mit einem Beitrag von Hermann Michael Niemann. 2012.
Band
59 Kessler, Rainer: Die Querverweise im Pentateuch. Überlieferungsgeschichtliche Untersuchung der expliziten Querverbindungen innerhalb des vorpriesterlichen Pentateuchs. Mit einem Geleitwort von Rainer Albertz. 2015.
Band
60 Meik Gerhards: Gott und das Leiden. Antworten der babylonischen Dichtung Ludlul bēl nēmeqi und des biblischen Hiobbuches. 2017.
Band
61 Mordechay Lewy: Der apokalyptische Abessinier und die Kreuzzüge. Wandel eines frühislamischen Motivs in der Literatur und Kartografie des Mittelalters. 2018.
Band
62 Andreas Freye: Emil Kautzsch (1841–1910). Alttestamentler und Orientalist. 2018.
Band
63 Hermann Vorländer: Ist Gott gerecht? Theodizee und Monotheismus im Alten Testament unter besonderer Berücksichtigung der Theologie Deuterojesajas. 2020.
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